Richard Wurmbrand
Warum bin ich Revolutionär?
– Anmerkung von Horst Koch: Diese Schrift verfasste Pfr. Wurmbrand in den siebziger Jahren speziell für Studenten, anlässlich der 68er Unruhen. Nun habe ich sie neu eingestellt, da unsere gegenwärtige Zeit erneut von großen Unruhen bedroht ist. Im Mai 2020 –
Die Antwort auf diese Frage ist klar. Eine Revolution ist nötig. Das Establishment wird von Millionären beherrscht. Die Bevölkerung ist eingeteilt in eine Oberklasse, die im Luxus schwelgt, eine Mittelklasse, die sich um nichts kümmert, und eine Armenklasse, die von den Brotkrumen lebt, welche vom Tisch der Reichen fallen, obwohl die Armen es sind, die alle Güter produzieren.
Die weiße Rasse ist privilegiert. Und so sind es einige wenige imperialistische Länder. Die schwarzen, gelben und roten Menschen können hungern. Sie und ihre Rechte zählen nicht.
Millionen wurden in Weltkriegen geopfert. Ein neuer Weltkrieg wird auch die verschlingen, die heute jung sind . . .
Es gibt genug Gründe, um ein Revolutionär zu sein. Die Geschichte kennt viele folgenreiche Revolutionen. Die französische, die amerikanische und die kommunistischen Revolutionen in Rußland, China und Kuba. Wir haben vor uns das Beispiel großer revolutionärer Denker und Kämpfer, Marx, Lenin, Stalin, Mao, Castro, Guevara, Marcuse. Auch wollen wir nicht das Blut Unschuldiger vergessen, das an vielen Plätzen der Welt von Kämpfern vergossen wurde. Wird auch unsere Revolution Erfolg haben?
Der Erfolg, einmal erreicht, wird uns die volle Freiheit geben. Wir werden uns lieben, anstatt Kriege führen. Wir werden zu unserem Vergnügen arbeiten, und nicht aus Zwang. Die Jugend, die die Zukunft vertritt, wird herrschen, erleuchtet von dem unfehlbaren Licht der großen, revolutionären Philosophen.
Das ist ein Ideal, für das es sich zu leben lohnt, und es ist ein Ideal, für das es sich zu töten lohnt. In dem Dienst dieses Ideals ist es richtig, Steine und Molotow‑Cocktails auf Schweine zu werfen. Einige von uns gehen sogar noch weiter. Wir bewundern diejenigen, die im Dienste dieses Ideals, das die Bruderschaft der Nationen und Rassen schaffen wird, Bomben legen oder Guerilla‑Kriege führen.
Im Dienste dieses Ideals möchte ich meinen kleinen Beitrag leisten und denke, dies ist die richtige Antwort auf die Frage: “Warum bin ich ein Revolutionär?“
Aber Du hast noch nicht die andere Frage beantwortet, die aus denselben Worten wie die erste besteht und nur die Betonung auf ein anderes Wort legt:
„Warum bin ICH ein Revolutionär?“
Warum führe gerade ich diesen revolutionären Kampf?
So viele werden unterdrückt, so viele leiden unter der Ungerechtigkeit, und so viele andere sehen sie. Ihre und meine Reaktion ist unterschiedlich. Einige sind gleichgültig, andere glauben an Reformen, an eine langsame Evolution auf einen besseren Zustand der Gesellschaft hin, andere sind religiös, andere sind Schüler Christi, die sagen, daß Du jene, die böse handeln, lieben sollst, daß Du Schlechtes mit Gutem vergelten und auch die andere Wange hinhalten sollst, wenn Du auf die eine geschlagen wirst.
Mit all diesen Meinungen stimme ich nicht überein. Ich gehöre zu einer revolutionären Minderheit. Meine Gründe dafür mögen sehr gut sein. Aber wie kommt es, daß ich diese Überzeugung habe und die anderen nicht? Was unterscheidet mich von den anderen? Was macht mich zum Revolutionär?
Sokrates sagte: „Lerne dicht selbst kennen“, ein anderer Denker sagte: „Prüfe dich selbst!“ Der große Revolutionär Jesus sagte mehr als das: „Verleugne dich selbst“, was bedeutet: „Löse dich von der Tatsache, daß du Du bist und denke über Dich selbst nach, als ob Du eine absolut wahrheitsliebende und unvoreingenommene Wesenheit wärest.“ Was macht Dich zu einem Revolutionär?
Die Antwort kann sehr unterschiedlich sein.
Einige sind Revolutionäre, weil ihre Eltern es auch waren. Sie haben revolutionäre Ideen mit der Muttermilch eingesogen.
In den USA ist Bettina Aptheker eine der führenden Persönlichkeiten der Kommunistischen Partei, so wie ihr Vater es auch war.
Der Revolutionsgeist einer solchen Jugend hat ebensoviel intellektuellen Wert, wie die Tatsache, daß jemand Katholik ist, nur weil seine Eltern Katholiken waren und ihn in dieser Religion taufen ließen. Eine solche Jugend hat also von Kindheit an die revolutionären Schlagworte und Lieder in sich aufgesogen, genau wie der Sohn eines Millionärs, der mit einer Vielzahl von Bediensteten aufwächst, von Kindheit an genau weiß, daß er zu einer privilegierten Klasse gehört und deren Mentalität annimmt.
Aber wie kommt es, daß andere junge Männer und Frauen Revolutionäre geworden sind, während ihre Klassenkameraden oder Kollegen in der Fabrik nicht an den Umsturz der Welt denken? Warum bin gerade ich ein Revolutionär?
Was einen Einzelnen zu einem Revolutionär macht, ist gewöhnlich ein Trauma, das er in seinem Leben erlitten hat, manchmal eine peinliche Begebenheit, auf die er verweisen kann, aber meistens ist es unbewußt. Das kann auch für meinen Fall gelten. Ich bin ein Revolutionär, also das, was die Presse des Establishment einen „Störenfried“ nennt, weil ich vorher von etwas tief gestört wurde.
Wir wollen das anhand einiger sehr bekannter Beispiele erläutern.
Karl Marx begann mit dem christlichen Glauben. Seine erste Schrift war ein Kommentar über das Evangelium des Johannes. (Siehe Riazanov, „Karl Marx ‑ der Mann ‑ der Kämpfer ‑ der Denker“.) Er war ein Genie , aber sein Genius stieß auf große Hindernisse. Das erste war seine jüdische Abstammung, denn schon in jener Zeit gab es in Deutschland eine Anzahl dummer antisemitischer Vorurteile. Deshalb konnte er nicht vorankommen. Er hatte wenig Chancen für eine akademische Laufbahn und war ein Fremder in seinem Lande. Er selbst schrieb nachher: „Wenn Titus (ein römischer General, der die jüdische Rebellion im Jahre 71 unterdrückte) nicht mein Vaterland zerstört hätte, wäre ich kein Gegner aller Vaterländer.“ Er akzeptierte nicht sein nationales Schicksal. Das zweite Hindernis war ein Konflikt mit seinem Vater wegen übermäßiger Ausgaben und mangelnden Studieneifers. Wo immer der Vater nicht die Liebe seines Sohnes hat, wird die Rebellion gegen den Vater auch eine Rebellion gegen das väterliche Prinzip, d. h. gegen die Autorität in Staat, Kirche und gesellschaftliche Regeln.
Wer Marx gelesen hat, erkennt die furchtbaren Bedingungen des Frühkapitalismus, unter denen sogar Kinder ausgebeutet wurden. Das rechtfertigte den Kampf. Aber Marx kämpfte auf revolutionäre Art, während andere, obwohl sie dieselben Bedingungen sahen und unter ihnen lebten, entweder gleichgültig blieben oder, wie etwa der Christ Lord Shaftesbury und viele Fabrikinspektoren des bürgerlichen Staates, die Marx in „Kapital“ lobend zitiert, mit friedvollen Methoden versuchten, eine Verbesserung der Lage der Ausgebeuteten zu erreichen.
Was machte Marx zu einem Revolutionär?
Es waren Umstände seines privaten Lebens. Zuerst sein Judentum. (Juden, wie viele andere Minderheiten, die eine lange Geschichte der Verfolgung hinter sich haben, bringen im allgemeinen eine große Anzahl von Revolutionären hervor, weil sie selbst auf viele Fehler der Gesellschaft stoßen und weil sie eine zweitausendjährige Geschichte von ungerechtfertigten Leiden durchgemacht haben.)
Der Konflikt mit seinem Vater war der zweite Faktor, Hat es irgend etwas in meinem Leben gegeben, das mich zu einem Revolutionär machte?
Betrachten wir auch den Fall Lenin. Lenin gehörte dem Adel an. In seiner Jugend glaubte er an Gott und praktizierte die orthodoxe Religion. Im Alter von 16 Jahren traten neue Interessen in sein Leben, wie in das Leben eines jeden jungen Mannes. Er war weniger darauf erpicht, in die Kirche zu gehen, als vorher. Sein Vater fragte einen Popen, was man dagegen unternehmen solle. Der junge Wladimir Lenin hörte das Gespräch zwischen seinem Vater und dem Popen. Der Vertreter der Religion gab den Rat: „Schlage ihn und schlage ihn!“ Entrüstet riß Lenin sich das Kreuz, das er bisher getragen hatte, vom Halse. Nie wieder wollte er etwas über Religion hören. Dieses jugendliche Erlebnis weckte in ihm ein solch starkes Vorurteil gegen die Religion, daß er später an Maxim Gorki schrieb:
„Tausende von Krankheiten und Naturkatastrophen müssen dem geringsten Gedanken an Gott vorgezogen werden.“
Kein vernünftiger Mensch würde zustimmen, daß Krebs besser ist als die Religion. Aber das ist es, was Lenin eigentlich sagt. Man erfährt aus diesem Satz nicht, was Religion ist, sondern was Lenin ist: Ein Mann mit starken Vorurteilen, der nicht objektiv denken kann.
Stellen wir uns vor, daß Lenins Vater ‑ wie es gut möglich gewesen wäre ‑ von einem anderen Diener der Religion den Rat bekommen hätte, die Probleme des Pubertätsalters zu verstehen und geduldig zu sein. Lenin hätte sein Kreuz nicht heruntergerissen. So aber entschied er im Alter von 16 Jahren mit einem noch unreifen Verstand über das schwierigste Problem des Denkens ‑ über die Existenz Gottes, über den Wert Christi, den Wert der Kirche, die Existenz des ewigen Lebens, den Wert des Gottesdienstes aufgrund eines einzigen dummen Wortes eines Dieners der Religion, das er zufällig gehört hatte. Dies ist psychologisch verständlich; so werden Komplexe der Abneigung gebildet. Aber es kann intellektuell nicht gerechtfertigt werden.
Lenin hatte noch ein zweites Trauma. Sein Bruder wurde wegen eines erfolglosen Versuchs, den russischen Zaren zu töten, aufgehängt. Damit war Lenins eigene Zukunft in der Gesellschaft zerstört. Er konnte niemals in irgendeine Stellung aufrücken, obwohl seine treibende Kraft der Wille zur Herrschaft war, wie es sogar seine engen Freunde beobachteten. Er war zum Führer geboren, konnte aber innerhalb der etablierten Gesellschaft wegen dieses Fleckens auf seinem Namen nicht aufsteigen. So wurde er zum revolutionären Führer.
Es gab viel Ungerechtigkeit im zaristischen Rußland. Irgendjemand mußte ja ein revolutionärer Kämpfer gegen den autokraten Zaren und gegen die Junker sein, die tausende von Morgen mit leibeigenen Bauern besaßen. Jemand mußte gegen geringe Löhne des industriellen Proletariats und gegen die Unterdrückung von nationalen Minderheiten kämpfen. Aber was gerade Lenin zu einem Revolutionär machte, war das unglückliche Zusammentreffen mit einem einzelnen unwürdigen Diener der Religion und der Flecken auf dem Namen seiner Familie.
Der Mann, der den Kommunismus in Rumänien zur Macht brachte, war ein Kommunist mit Namen Lucretiu Patrascanu. Er gehörte auch der oberen Klasse an. Aber während des 1. Weltkrieges war sein Vater auf der Seite der Deutschen, als kleiner Quisling im Dienste der ausländischen Eindringlinge in Rumänien. Die rumänische Regierung aber war auf Seite der Alliierten. Als die Deutschen den Krieg verloren, verfiel er dem gesellschaftlichen Boykott. Es stand für Lucretiu Patrascanu außer jeder Frage, daß er, Sohn eines Mannes, der als Verräter betrachtet wurde, jemals irgend etwas erreichen könnte. So zog er es vor, ein Mitglied der Kommunistischen Partei zu werden. Sein Ende war tragisch. Er schaffte den kommunistischen Triumph in Rumänien, wurde dann aber von seinen eigenen Genossen gefoltert und erschossen.
Viele Jahre nach seinem Tode wurde er rehabilitiert, was unsinnig war, denn die Kommunisten glauben ja nicht an die Existenz einer ewigen Seele. Entsprechend ihrer Philosophie des dialektischen Materialismus bedeutet der Tod das totale Verschwinden des ganzen Menschen für immer. Wen rehabilitierten sie denn dann, wenn doch nach der kommunistischen Lehre Lucretiu nicht mehr existiert? Wie dem auch sei, das ist die Geschichte, wie Patrascanu ein Revolutionär wurde.
Es ist nicht notwendigerweise so, daß dieser ganze Prozeß bewußt war, daß er oder Lenin für sich selbst Überlegungen der Art anstellten: „Da die anderen es mir nicht erlauben, eine hohe Stellung zu erringen, werde ich mich auf die Seite derer schlagen, die die herrschende Klasse wegfegen.“
Diese Entscheidung wird in seelischen Tiefen getroffen, die der Vernunft nicht zugänglich sind. Man braucht eine Menge psychologischer Untersuchungen, um die wahren Gründe unseres Tuns zu entdecken, welche sich von den intellektuellen Argumenten, mit welchen wir es rechtfertigen, unterscheiden. Bist Du etwa durch das Zusammentreffen mit einem unwürdigen Pfarrer oder Christen von der Religion abgeschreckt worden? Gab es irgendein Hindernis in Deinem persönlichen Leben, vielleicht Armut oder Hässlichkeit, einen physischen Defekt, einen Flecken auf Deiner Familie, welche Dir Misserfolg bringen könnten, es sei denn, Du schlägst Dich auf die Seite der Revolution?
Tito war ein katholischer Kroate. Er kannte von seiner Kindheit her die Tatsache, daß landgierige Mönche ihre Hände auf einen großen Teil der besten Besitztümer gelegt hatten. Aber Tito wußte nicht, daß die christliche Religion auch Heilige und Märtyrer gehabt hat und noch hat. Das Laster steht in der Öffentlichkeit, die Tugend nicht. Begehe ein Verbrechen, und Dein Bild wird auf der ersten Seite der morgigen Zeitung sein. Liebe Deinen Nachbarn, sorge für eine alte, einsame Frau, hilf den Armen, tröste jemand, der in Sorge ist, gehe in entfernte Länder und bringe Licht zu den primitiven Völkern, leide im Gefängnis wegen Deines christlichen Glaubens, wie es Hunderttausende in kommunistischen Ländern heute tun ‑ Dein Name wird unbekannt bleiben.
Tito kannte die Mönche, die Ausbeuter waren. Die Heiligen waren für ihn nur Bilder in der Kirche. Er hatte nicht von den lebenden Heiligen gehört. Und dann kam der furchtbare Augenblick der Bildung des emotionalen Komplexes in Titos Leben, ein Augenblick, ähnlich demjenigen, der die Wahrheit in jedem von uns verzerrt. Tito war Ministrant. Eines Tages schlug ihn der Priester in der Sakristei, weil Tito ihm seine Messgewänder nicht schnell genug reichte. Das war sicherlich ungerecht. Aber ich kenne keinen Menschen, der niemals etwas Unrechtes tut, nur haben wir in uns den Mechanismus der emotionalen Komplexe. Falls sich Tito von Vernunft hätte leiten lassen, hätte er sich gesagt: „Dieser eine Priester hatte einen schlechten Augenblick, in dem er unfair handelte. Der Wert oder Unwert der Religion kann nicht nach der isolierten Handlung eines Menschen beurteilt werden. Es ist logisch falsch, allgemeine Schlüsse aus einem besonderen Augenblick zu ziehen.“
Aber Vernunft leitet keinen von uns. Eine falsche Geste eines Vertreters einer Religion kann einen psychologischen Komplex der Abneigung gegen alles Religiöse für ein ganzes Leben schaffen. Die Wahrheit wird durch das Ressentiment unterdrückt.
Emotionale Komplexe sind der größte Feind des richtigen Denkens. Tito wurde Atheist. Er tötete Hunderttausende seiner Gegner, eine Menge von unschuldigen Menschen. Er war sich nicht bewußt, warum er es tat. Im guten Glauben war er überzeugt, hierdurch der arbeitenden Klasse zu dienen. Es gibt psychologische Tiefen, deren der Mensch sich nicht bewußt wird. In Wirklichkeit rächte sich Tito an jedem, den er töten ließ, für den Schlag, den er in seiner Kindheit von einem Priester erhalten hatte.
Erhieltest Du ungerechtfertigte Prügel? Ist es das, was hinter Deinen revolutionären Idealen steckt? Bist Du ein Opfer der Ungerechtigkeit gewesen?
Hitler hasste seinen Vater, der Alkoholiker war. Als Hitler ein Kind war, schlug sein Vater ihn und seine Mutter. Der Vater repräsentierte die Autorität im Hause. Dieses brachte Hitler dazu, alle Autoritäten zu hassen, die nicht mit ihm übereinstimmten, die Führer der politischen Parteien, Religionen und des Auslandes. Er respektierte nur seine eigene Autorität.
Es ist ein psychologisches Gesetz, daß des Kindes gefühlsmäßige Haltung gegenüber seinem Vater der Prototyp für seine Haltung gegenüber den leitenden Persönlichkeiten und gegenüber der Gesellschaft selbst wird. Die kommunistische Partei, die Baader-Gruppe, APO oder irgendeine andere revolutionäre Organisation wird „der gute Vater“, nach dem Du Dich während Deiner Kindheit umsonst gesehnt hast.
Bist Du vielleicht das Produkt eines zerrütteten Elternhauses? Vielleicht hast Du die Liebe während Deiner Kindheit vermißt. Dies macht Dich kontaktscheu. Die emotionalen Gründe für Dein Rebellieren mögen Dir vollkommen unbekannt sein. Du magst an eine bessere Gesellschaft, für die Du kämpfst, ehrlich glauben. Die Gerechtigkeit Deiner Sache erklärt, warum Du ein Revolutionär bist.
Aber warum gerade Du ein Revolutionär bist und nicht irgend ein anderer, das hat einen psychologischen Grund. Dieser ist subjektiv und daher außerhalb der Sphäre der Wahrheit.
Du kämpfst, Du magst für Deine Sache leiden, aber Du vertrittst nicht die Wahrheit. Du hast den revolutionären Gesichtspunkt. Aber jeder Gesichtspunkt ist ein Punkt der Blindheit, weil er es Dir unmöglich macht, irgendeinen anderen Standpunkt zu verstehen. Wenn Du in einem Zimmer in einer gewissen Position sitzest, siehst Du nicht, daß das Zimmer eine Tür hat, von einer anderen Position aus siehst Du das Fenster oder die Decke nicht. Du hast die Vorstellung des ganzen Zimmers nur, wenn Du Gesichtspunkte aufgibst, wenn Du die Wirklichkeit als etwas ‑ von den verschiedenen Standpunkten der Menschen, die über sie nachdenken ‑ vollständig Unabhängiges betrachtest.
Revolutionäre haben einen bitteren Haß gegen das Establishment, gegen die Polizei, die Ausbeuter und gegen die verachtete Bourgeoise. Sie hassen auch jeden, der nicht mit ihnen in allem, was sie denken und fühlen, übereinstimmt. Deshalb tötete Stalin seine eigenen Genossen. Deshalb gibt es Castroisten, Maoisten, Trotzkisten, Anarchisten. Alle sind Revolutionäre, aber sie alle haben eine tiefverwurzelte Feindschaft in ihren Herzen, eine Feindschaft, die das Ergebnis irgendeines emotionalen Traumas in ihrer Kindheit oder in ihrer Jugend ist. Diese Feindschaft zeigen sie nicht nur gegenüber dem Klassenfeind, sondern auch gegen den Genossen, der es wagt, in einer bestimmten Frage anders zu denken als sie.
Feindschaft, dieser unbewußte emotionale Komplex in Deinem Denken, führt unvermeidlich zu schlechter Planung und zu einem bitteren Schicksal. Feindschaft ruinierte die Französische Revolution, die das Ideal der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, das sie proklamierte, nicht vollendete.
Feindschaft ruinierte die amerikanische Revolution. Amerika ist nicht das ideale Land, das es sein sollte. Sie ruinierte die kommunistische Revolution. Ihr Schlachtruf war: „Friede, Brot und Freiheit“. Vier Jahre Bürgerkrieg, ein Weltkrieg und ein nicht endender Bürgerkrieg in China folgten. Rußland, früher die Kornkammer Europas, importiert heute Weizen aus Kanada. An Stelle der Freiheit herrscht dort eine Diktatur, deren Grausamkeit sogar von Chruschtschow und von Stalins Tochter gerügt wurde.
Die Millionen junger Deutscher, die unter dem Ruf „Heil Hitler“ tapfer ihr Leben hingaben, waren ernsthaft überzeugt, daß ihr Opfer der Baustein für ein großes und reiches Deutschland sein würde. Sie irrten sich. Aber die Deutschen haben heute ein zerstückeltes Land und eine geteilte Hauptstadt.
Die vielen jungen Russen, die für die Ideen Lenins oder Stalins starben, hofften sicher auf etwas anderes als das, was heute sowjetische Wirklichkeit ist. Diese ist prosaisch und häßlich. Denke nur einmal an die Tatsache, daß keine kommunistische Zeitung eines Landes jemals den Namen derer gedenkend erwähnt, die ihre Freiheit und ihr Leben für die Revolution gaben. Kommunisten glauben nicht an ein ewiges Leben, also gibt es auch keine Belohnung im Himmel. Die von der Revolution Begünstigten erinnern sich nicht an die Märtyrer des Kommunismus. So viele Idealisten haben ihr junges Leben hingegeben. Umsonst. Sowjetische Bürokraten haben den Vorteil davon. Sie können jetzt ein Leben in Luxus führen.
Nach so vielen traurigen Erfahrungen in unserer eigenen Generation, durch die wir erkennen ‑ falls wir ehrlich zu uns sind ‑, daß unser Revolutionismus nicht das Ergebnis einer objektiven Suche nach Wahrheit, sondern das einer subjektiven Erfahrung ist, wie können wir da noch von der Richtigkeit unserer Ansichten überzeugt sein?
Bevor ein junger Mann oder ein junges Mädchen sich entscheiden, Revolutionär zu werden, sollten sie ernsthaft Wirtschafts‑ und Staatswissenschaft studieren, ebenso Geschichte, demographische und geographische Probleme, sowie die von verschiedenen Denkern, konservativen wie liberalen, sozialistischen wie kommunistischen, anarchistischen wie christlichen, usw., vorgeschlagenen Lösungen. Man muß erst alle Pro und Kontras hören, um die rechte Wahl zu treffen. Das bedeutet Jahre des Studiums. Wir haben uns zu schnell entschieden, unter der Eingebung eines Augenblicks, getrieben von unbewußten Kräften, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Und hinterher gaben wir unseren emotionalen Entscheidungen einen rationalen Überbau. Können wir wirklich sicher sein, daß Überzeugungen, die einen solchen Ursprung haben, die letzte Wahrheit sind, eine Wahrheit, für die man zu sterben bereit sein sollte? Die Grundlage der modernen Wissenschaft ist Unsicherheit. Sie schreitet nur vorsichtig voran, indem sie ihre Aussagen ändert, so oft neue Tatsachen entdeckt werden. Und wir, die die Probleme nie wirklich studieren, sind absolut sicher, daß wir Recht haben.
Der Kapitalismus ist schlecht, ebenso ist es die Demokratie. Aber da die Menschen nicht ideal sind, können sie auch keine idealen sozialen Systeme aufbauen. Welche Garantie haben wir, daß uns der Umsturz etwas Besseres bringt?
Der Stalinismus war sicherlich nicht besser als der Zarismus. Unter Zar Nikolaus dem Zweiten starben die Revolutionäre in den Gefängnissen. Stalin übertraf ihn. Er tötete nicht nur seine Gegner, sondern auch seine engsten Genossen; er warf sogar Mitglieder der eigenen Familie ins Gefängnis. Die deutsche Weimarer Republik hatte viele schlechte Seiten, gegen welche Radikale von links und rechts revoltierten. Aber die schlechten Seiten der Weimarer Republik erreichten nie solche Ausmaße wie die Hochöfen von Auschwitz, noch brachte sie solche Probleme wie die Teilung der deutschen Nation in zwei sich gegenüberstehende Staaten mit einer Mauer, die die Hauptstadt in zwei Hälften trennt.
Unter dem Kapitalismus gab es in der Tschechoslowakei ein Menge Ungerechtigkeit. Aber die Tschechoslowakei war die Tschechoslowakei. Unter dem Kommunismus ist die Tschechoslowakei das neutralste Land der Weit geworden. Sie mischt sich in nichts, nicht einmal in eigene Angelegenheiten. Alles wird von der sowjetischen Regierung geregelt.
Sollten soviele Beispiele aus jüngster Zeit uns nicht lehren, vorsichtig zu sein.? Droht nicht die Gefahr, daß man einen Teufel vertreibt, um sieben schlimmeren Teufeln Platz zu machen? Es ist nicht die Richtigkeit einer Idee, die Dich zum Revolutionär macht, sondern der gewaltige innere Trieb eines emotionalen Komplexes, der das Ergebnis eines subjektiven Erlebnisses aus Deiner Kindheit oder Jugend ist. Du hast Dich nicht entschieden, Revolutionär zu sein. Nicht Deine Vernunft läßt Dich bei dieser Sache bleiben. Genau wie alle anderen Menschen, wirst Du zu einer gewissen Einstellung getrieben durch Kräfte, die Du nicht beherrschest. Goethe sagte: „Man glaubt zu schieben, und man wird geschoben.“
Du tust gut daran, Dich mit politischen und sozialen Problemen zu beschäftigen. Gesellschaftliche Zustände bilden Charakter. Charakter kann sich nicht in gleicher Art in einem Elendsviertel bilden, wie in einem ruhigen Heim, dessen materielle Basis gesichert ist. Obwohl es auch Ausnahmen für diese Regel gibt. Jeder ist ein Mensch und hat das Recht, frei zu sein, geliebt zu werden, sein tägliches Brot und seine Bildung zu haben. Dieses gilt für die arbeitende Klasse wie für die Adeligen, für die Weißen, Schwarzen, Gelben und Juden, sowie für die Araber.
Aber eine Sache ist es, die schlechten Seiten und die Probleme zu sehen und eine andere, Lösungen zu finden. Die Revolutionen geben leichte Lösungen, kurzformulierte und leichtverständliche Schlagworte. Aber man sollte diesen Schlagworten mißtrauen, gerade weil die Lösungen so einfach sind. Jede leichte Lösung des Problems, wie man eine Stahlbrücke baut oder ein Düsenflugzeug entwirft, ist kindisch. Du mußt 20 Jahre studieren, um Ingenieur zu werden. Und es braucht Jahrhunderte der wissenschaftlichen Entwicklung, um überhaupt Ingenieure zu haben, die die Wunder der modernen Technik bauen können.
Wir Christen sind auch Revolutionäre. Wir wünschen auch, daß sich die Gesellschaft radikal ändert. Wir wünschen, daß sie sich in ein Königreich Gottes verwandelt, wobei wir unter Gott das verstehen, was die Bibel über Ihn mit den Worten „Gott ist Liebe“ sagt. Aber das Wort Liebe ist kein universelles Heilmittel.
„Mach Liebe, nicht Krieg“ klingt sehr attraktiv. Aber Breschnew erklärte bei der Parade zum 1. Mai 1970, daß die Sowjets immer noch entschieden für den Kommunismus in der ganzen Welt kämpfen.
Das bedeutet, wie es die Beispiele in Ungarn und der Tschechoslowakei zeigen, die Besetzung anderer Länder mit der ganzen Grausamkeit, die damit verbunden ist. Sie haben sich selbst durch Betrug und Terror etabliert und sind auch nachher erbarmungslos geblieben. . . .
„Mach Liebe“ ist ein hübsches Wort. Liebe unter welchen Bedingungen? Gibt es irgendeine Garantie, daß, während die westliche Jugend Liebe macht, die kommunistischen Länder uns nicht ihre Diktatur auferlegen? Wir brauchen Liebe, plus Wachsamkeit, plus eine kluge Politik, plus Friedensanstrengungen, plus Verteidigungsmaßnahmen im Fall eines Angriffs, plus Kampf, wenn wir angegriffen werden.
Es gibt durch die Menschen, die voller Sünde und Lust sind, keine Verzauberung in eine perfekte Gesellschaft der Liebe.
Unsere jugendliche Kritik ist oft negativ und entbehrt auch der Ehrfurcht. Es mag wahr sein, daß unsere Väter rückständig sind, ja Analphabeten im Vergleich zu der jungen Generation. Aber eine Tugend können sie aufweisen. Sie haben dieser Welt, uns, eine neue Generation weiser Männer beschert, sie haben hart gearbeitet und Universitäten und Laboratorien gebaut, wie sie sie selbst nicht gehabt haben. Sie haben Steuern bezahlt, so daß die Jugend Straßen hat, auf denen sie ihre Demonstrationen, Love‑ins und Sit‑ins abhalten oder zum Polizistenschießen fahren kann.
Die Idealisierung von Marx, Stalin, Trotzki, Castro, Mao oder Guevara gehört zum selben geistigen Zustand, der die Menschen der Antike dazu brachte, sich vor ehrfurchtgebietenden Götzenbildern in Form von Habichten, Stieren und Kopfjägern zu beugen.
Wir haben uns dem Unterbewußten mit seinen dunklen Kräften unterworfen. Als die Deutschen von dem Nazi‑Alptraum aufwachten, war es zu spät. Sie waren von Blut besudelt. Die Russen erstarrten in Schrecken, als Chruschtschow den Massenmord Stalins entlarvte. Sie hatten ihn als das größte Genie gelobt und verehrt, als den Vater und die Sonne der Nationen.
Die Ungerechtigkeit, gegen die Du kämpfst, existiert. Aber Du kämpfst nicht aus gerechten Gründen. Du selbst bis ungerecht. Blicke zurück und denke daran, wie oft Du Deine Mutter zum Weinen gebracht hast, wie oft Du Deinem Vater Kummer gemacht hast, wie gleichgültig Du gegen die warst, die Dich liebten, wie vielen Menschen Du Unrecht getan hast.
Wenn unser eigener Charakter so viele Flecken hat, wie können wir da hoffen, die Welt zu verbessern?
Wir haben nicht einmal uns selbst gebessert. Wir haben es nicht fertiggebracht, unsere eigenen Familien glücklicher zu machen. Wenn Revolution von Männern gemacht wird, die sich selbst nicht revolutioniert haben, kann sie vielleicht als Ausscheidungsoperation nützlich sein, aber sie vermag keine besseren Institutionen zu schaffen.
Wir beklagen uns über Ausschreitungen und Brutalität der Polizei. Wie steht es mit Deiner Brutalität? Wie denken Deine Idole über die Freiheit? Mao Tse‑Tung schreibt in „Neue Demokratie“:
„Wer sich entscheidet, gegen den Kommunismus zu opponieren, muß darauf gefaßt sein, vom Volke verprügelt und in Stücke gerissen zu werden. Wenn Du Dich bis heute noch nicht entschieden hast, verprügelt und zerfetzt zu werden, dann wird es weise sein, nicht gegen den Kommunismus zu opponieren. Das sollten die antikommunistischen Helden als ernsten Rat von mir annehmen.“
Im Westen protestieren Maoisten gegen die Ausschreitungen und Brutalität der Polizei. In Rotchina hat Mao seine Drohungen wahrgemacht. In den meisten kapitalistischen Ländern haben wir die Freiheit, in eine Maoistische Partei einzutreten. Aber versuche einmal in Rotchina einer Anti‑Maoisten‑Fraktion anzugehören. Man würde Dich verprügeln und zerfetzen. Sind unsere Klagen über Brutalität richtig ausgewogen?
Wenn die Revolution Erfolg hat, werden wir ihre Gegner erschießen. Wir müssen das machen, sonst kann unsere Revolution nicht siegreich sein. Aber die französische und russische Revolution haben gezeigt, daß, wenn man einmal angefangen hat, aus Notwendigkeit zu töten, man am Töten Freude bekommt. Und man macht mit dem Töten weiter, unvernünftig, grausam. Wenn keine Feinde mehr übrig sind, wirst Du Deine eigenen Genossen töten. Erinnere Dich nur, wie Stalin und Mao ihre eigenen Genossen, Trotzki oder Liu‑Pin‑Chao und unzählige andere, liquidieren ließen.
Wie können wir einen Mann als Idol darstellen, der in seinem roten Buche schreibt: „Macht kommt aus den Gewehrläufen“? Jeder Gangster würde diesen Satz unterschreiben. Wir glauben, daß die Macht nicht jenen gehört, die zufällig mehr Gewehre haben. Sie sollte in den Händen derer sein, die die meiste Liebe, Anteilnahme, Weisheit und Wissen für die Probleme einer Gemeinschaft zeigen.
Es gibt persönliche, meist unbewußte, Motive, die uns zu Revolutionären machen. Wir beunruhigen die Gesellschaft, weil wir selbst unruhig sind.
Aber welche andere Möglichkeit außer der, ein Revolutionär zu sein, gibt es? Soll man ein selbstgefälliger Mensch sein, der sich einer ungerechten Gesellschaft anpaßt und versucht, das Beste für sich selbst daraus zu machen? Das wäre schlimm. Doch was können wir sonst tun? Die Antwort gabt uns eine Stimme in unserem eigenen Gewissen.
Gerade wie es ein Unbewusstes gibt, das Dich verführt, das Dich einen Revolutionär, einen Terroristen, einen höchst unruhigen Unruhestifter werden läßt, so gibt es ein Überbewusstes, einen Ruf Gottes, der der Schöpfer des Universums ist und auch Dein Schöpfer. ER ruft jetzt Dein Herz, fordert Dich auf zur Ruhe, Stille, Meditation, konstruktivem Leben, dauerndem Glück und ewiger Erlösung.
Sollen wir Christen werden? Hierzu ist die erste Antwort: Die Kirche ist unaktuell geworden. Sie hat nichts zu sagen. Und dann haben wir, die Revolutionäre, sogar Männer der Kirche, die auf unserer Seite sind. Sie stehen mit uns als Streikposten und demonstrieren bei verschiedenen Gelegenheiten, sie unterstützen unsere Sache und übernehmen unsere Verteidigung. Wenn die Kirche wichtig ist, dann durch diese linksorientierten Priester und Pastoren. Sie bringen uns nicht ihre eigene Botschaft, sie akzeptieren und verbreiten die unsrige.
Ich bin ein Mann, der die Priester und Pastoren gut kennt. Du hast die Geschichte der Kirche nicht genau studiert. Ich habe es getan. Mit vielen ehrenwerten Ausnahmen stand der Klerus immer auf der Seite der Mächtigen. Sie haben die Sklavenhalter umschmeichelt, die feudalen Grundherren, die absoluten Könige, also die Kapitalisten, und sie haben ihre Loyalität so oft gewechselt wie auch die Dynastien wechselten. Die Mehrheit des Klerus in den kommunistischen Ländern unterstützt die atheistischen Diktatoren, sogar dann, wenn sie Christen verfolgen. Der Klerus hat Christus zum Tode verurteilt.
Einige des Klerus sind auf Deiner Seite. Hüte Dich vor diesen Kirchenmännern. Es sind die schlimmsten von allen. Sie glauben nämlich, daß Ihr die zukünftigen Machthaber seid. Das ist es, das sie ihren Meister Jesus verraten läßt, dem sie einen Eid geschworen haben; und sie sind auf Eurer Seite, bereit Euch im Stich zu lassen in dem Augenblick, an dem Ihr geschlagen seid. Gebraucht sie als Mitläufer, wenn Ihr wollt, aber wisset: sie sind nicht vertrauenswürdig, weder vom christlichen noch vom revolutionären Standpunkt.
Aber abgesehen von diesem unwürdigen Klerus, ist die Kirche wirklich unwichtig? Ist es zum Beispiel unwichtig, ob der Mensch nur wenige Jahrzehnte lebt und dann für immer verschwindet, oder ob das Leben ewig ist? Der Unterschied ist doch riesig.
Falls wir nur aus Materie bestehen, die nach dem Tod zerfällt, und wir für immer aufhören zu existieren, so würde selbst das reichste und gerechteste Leben, das wir durch unsere revolutionären Taten auf Erden schaffen, nur einem Festessen gleichen, das man einem zum Tode verurteilten Manne kurz vor seiner Hinrichtung gibt. Ich werde, umgeben von Gerechtigkeit, Überfluß und Liebe, leben. Das wird mich das Leben schätzen lassen. Und wenn es gerade am schönsten ist, wird der Tod kommen. Der Fortschritt der Medizin wird es möglich machen, das Leben um 20 oder 30 Jahre zu verlängern. Die Tatsache, daß ich diese Verlängerung wünsche, zeigt, daß ich den Tod nicht will. Aber er ist unvermeidlich.
Die Sache der Revolution kann mir einen vorzeitigen Tod bringen. Viele Revolutionäre werden getötet. Ich könnte der Nächste sein. Wie werde ich herausfinden können, ob meine Sache gerecht war, ob mein Opfer wirklich eine bessere Form der Gesellschaft brachte? Das Opfer zehntausender junger Nazis stellte sich hinterher als vergeblich heraus. Das könnte auch mit mir geschehen. Und selbst wenn es nachher eine bessere Gesellschaft gäbe, kann ich mich an ihr nicht erfreuen. Ich werde nicht einmal die Befriedigung haben, zu wissen, ob andere sich ihrer erfreuen.
Die Kirche erklärt, daß Christus ewiges Leben gibt. Wenn sie das beweisen könnte, würde sie sicherlich die wichtigste Institution der Welt sein, so falsch ihre Stellung zu politischen Fragen auch immer sein mag und so wenig vertrauenswürdig sich auch viele ihrer Kirchenmänner erwiesen haben. Aber die Christen wissen gewiß, daß es ein ewiges Leben gibt. So gewiß, daß sie sagen können: „Sterben ist Gewinn“, „Dahinscheiden ist viel besser“. Das ist genau das Gegenteil von Shakespeares Worten:
Der Tod ist etwas Furchtbares; das mühsamste und abscheulichste Erdenleben, das der Natur Leid, Armut und Inhaftierung auferlegt, ist ein Paradies im Vergleich zu dem, was wir vom Tod befürchten.
Was ist es, das die Christen zu dem Glauben bewegt, daß für sie der Tod ein Gewinn ist?
Es ist vor allem die Gewißheit, daß sie mehr sind, als bloße Materie. Sie glauben, daß sie Geist sind, der vorübergehend in einem Körper wohnt, wie ein Juwel in einer Juwelenschatulle. Und ein Juwel ist auch ohne Schatulle schön.
Gibt es ein Argument für die Annahme, daß der Mensch nicht nur Körper, sondern vor allem Geist ist? Hast Du Geduld dieses zuzuhören? Der menschliche Körper braucht für seine volle Zufriedenheit vier Dinge, nämlich Nahrung, Wärme (Kleidung, Wohnung), Ruhe und ‑ in einem gewissen Alter – einen Partner des anderen Geschlechts. Dieses letzte Bedürfnis kann auch unbefriedigt bleiben.
Wenn der Körper von diesen Dingen genügend zur Verfügung hat, ist er vollkommen zufrieden. Aber ab und zu hören wir von Millionären, die Selbstmord begehen aus Schwermütigkeit. Warum waren sie schwermütig? Der Körper hatte alles, was er brauchte. Der Millionär ist aber nicht nur Körper. Er hat auch eine Seele, die furchtbar traurig sein kann, während der Körper von Luxus umgeben ist.
Sieh andererseits auf die Gefangenen, die wegen einer Sache, die sie als gerecht ansehen, eingekerkert sind; sieh auf die Opfer religiöser, nationaler oder politischer Verfolgung. Sie hungern, sie zittern vor Kälte, sie werden geschlagen, sie sind ohne ihre Frauen. Ihre Körper leiden, aber sie singen sogar in Ketten. Was macht sie glücklich? Ihr Körper? Sicherlich nicht, denn der wird gefoltert. Aber sie sind nicht nur Körper. Sie sind Seele. Die Seele zeigt Unabhängigkeit vom Körper. Sie kann in Ekstase verzückt sein, während der Körper leidet. Sie ist etwas anderes als der Körper.
Da sie ein Wesen für sich ist, welchen Grund haben wir zu glauben, daß sie stirbt, wenn der Körper stirbt? Sie hat ihre eigene Entwicklungslinie, die manchmal von der des Körpers sehr verschieden ist. Wegen psychologischer Motive (Psyche ist das griechische Wort für Seele) kann ein Mensch Selbstmord begehen, was bedeutet, daß die Seele entscheiden kann, den eigenen Körper zu töten. So weit geht die Unabhängigkeit der Seele.
Du hast eine Seele, die ewig ist. Eine Zwei‑Liter-Flasche kann niemals fünf Liter Flüssigkeit enthalten. Wie kann mein Körper, etwa 1,60 m bis 1,80 m hoch, vor einigen Jahren geboren und dazu bestimmt, bald zu sterben, den Gedanken der Ewigkeit und Unendlichkeit enthalten? Ereignisse weit in der Vergangenheit, Perspektiven der Zukunft, Länder in weiter Entfernung, Milchstraßen und Galaxien erfüllen das Leben meiner Seele.
Mein Körper könnte all dies nie fassen. Der Körper ist nur daran interessiert, seine sofortigen Bedürfnisse zu befriedigen. Warum sollte er an den Problemen wie etwa die Unendlichkeit oder Endlichkeit des Universums, der Astronomie, an Problemen rein wissenschaftlichen Charakters, an Kunst um der Kunst willen, an Philosophie, an Religion oder an der Verneinung der Religion interessiert sein? Philosophie, Religion oder Atheismus haben keinen Einfluß auf meine Nieren. Sie haben keinen Einfluß auf meinen Körper. Es ist mein Geist, der diese Dinge untersucht; auf diese Weise zeigt er, daß er über Zeit und Raum steht, über der Möglichkeit zu sterben.
Du bist ewig. Diese erste Botschaft, die Dir die Kirche bringt, ist sicherlich wichtig. Sie ändert Deinen ganzen Standpunkt. Die Eile des Revolutionärs, schnell sein Ideal zu erreichen, verschwindet. Wir haben eine Ewigkeit vor uns.
Es besteht ein biologischer Zeitplan. Die normale Zeit der Schwangerschaft beträgt neun Monate. So gibt es auch einen Zeitplan für das Junge eines Vogels. Es dauert eine Zeit, bis es ausgebrütet ist und wieder eine Zeit, bis es zu fliegen beginnt. Gottes Zeitplan ist die Ewigkeit.
Einen Augenblick bitte ‑ ich brachte Gott in das Bild. Du wirst sagen: „Komm mir nicht mit diesem alten Zeug. Es gibt keinen Gott. Alles existiert zufällig, durch die Entwicklung der Materie, ohne irgendjemandes Entwurf.“! Ich möchte Dir nur ein Argument entgegenhalten:
Die Zeiten des Aberglaubens sind vorbei. Wir leben jetzt im Zeitalter der Wissenschaft. Die Wissenschaft basiert auf der Mathematik, auf der Statistik. Der weltbekannte Statistiker, George Gallup, sagt: „Ich könnte Gott statistisch beweisen. Nehmen Sie nur den Körper allein die Wahrscheinlichkeit, daß die Lebensfunktionen eines Menschen zufällig entstanden sein sollen, ist eine statistische Monstrosität“. Also muß es einen weisen Schöpfer geben.
Und da wir gerade bei dem Kapitel Wissenschaft sind, es gab da doch einen Mann, der sie kannte: Einstein. Das Universum trägt seinen Namen. Er schreibt in seinem Buch „Die Welt, wie ich sie sehe“ folgendes:
„Wenn wir das Judentum der Propheten und das Christentum, wie Christus es lehrte, reinigen von allem, was nachher kam, besonders von dem Pfaffentum, dann haben wir eine Religion, die die Menschheit von all ihren Übeln erlösen kann. Es ist die höchste Pflicht eines jeden Menschen, sein Bestes zu tun, um diese wirklich menschliche Religion zum Triumph zu bringen.“
Der Marxismus nennt sich selbst „wissenschaftlicher“ Sozialismus. So wollen wir also den wissenschaftlichen Standpunkt zum Problem der Existenz Gottes nehmen. . . .
Aber damit ändert sich das Bild. Wir müssen nun nicht mehr alle Probleme allein lösen. Es gibt einen Schöpfer. Wir haben einen Vater. Wir haben bis heute gesündigt, indem wir nicht an Ihn glaubten, indem wir nicht herauszufinden versuchten, für welchen Zweck Er uns geschaffen hat, und indem wir nicht fragen, was Sein Wille für uns sein könnte. Seine Gesetze stehen in der Bibel. „Liebe den Herrn, Deinen Gott mit Deinem ganzen Herzen, mit Deiner ganzen Seele, mit Deiner ganzen Kraft“ und „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Wir haben es nicht getan. Wir haben nicht jeden Menschen als unseren Nächsten betrachtet. Wir haben das Herz unserer Eltern gebrochen, wir haben Menschen beleidigt. Wir sind selbstsüchtig und unrein gewesen.
Aber Er ist der Vater. Und der Vater wünscht nicht den Tod seines Kindes, wenn dieses sündigt; er möchte, daß es auf einen besseren Weg zurückkehrt.
In jedem Menschen gibt es den psychologischen Mechanismus der Übertragung. Man kann das in der Revolution sehen. Wir übertragen den Haß, den wir gegen unsere Eltern hegen, weil sie vielleicht ihre Pflicht an uns versäumt haben, oder den Haß, den wir gegen einen unwürdigen Priester empfinden, auf eine Gesellschaftsklasse oder auf eine Rasse.
Derselbe Mechanismus bringt uns dazu, Menschen zu lieben, die mit etwas verbunden sind, das wir gerne haben. Gott gebraucht diesen unseren Mechanismus der Übertragung. Wir haben die religiösen und moralischen Gesetze des Universums gebrochen, wir haben Taten begangen, die durch unsere eigenen ethischen Normen verurteilt werden. In stillen Augenblicken müssen wir uns selbst eingestehen, daß wir schuldig sind. Aber kann man die Schuld übertragen?
In früheren Zeiten hatten die Menschen Sündenböcke, auf die sie ihre Sünden abluden. Die Monarchie, die Bourgeoisie, die Schwarzen, die Weißen, die Trotzkisten, die Maoisten oder die Revisionisten, die Polizei usw. sind die Sündenböcke, auf denen wir unsere eigenen ungelösten emotionalen Komplexe abladen.
Warum nicht unsere Schuld auf einen wirklichen Sündenbock legen? Jesus kam auf die Erde als größter Revolutionär aller Zeiten. Er gab uns die Möglichkeit, unser eigenes Herz zu revolutionieren. Diejenigen, die ein Gespür für geistige Dinge hatten, erkannten in Ihm Gott, der ein Mensch geworden war. Als Er im Namen des Schöpfers kam, nahm Er die ganze Verantwortung auf sich für alle Dinge, die die Menschen falsch gemacht haben. Er forderte uns auf, den Mechanismus der Übertragung zu gebrauchen.
Lege auf Ihn, den Sohn Gottes, alle Deine Sünden, Er nimmt sie willig an. Er trug die Strafe für unsere Sünden, indem Er als ein Missetäter am Kreuz starb, obwohl Er unschuldig war, der Gerechte für die Ungerechten. So wurden unsere Sünden getilgt.
Christi Auferstehung zeigte, daß Gott Sein Opfer für die Sünder annahm. Durch den Glauben an Ihn sind wir erlöst.
Unbelastet durch unsere Schuld, gereinigt durch Sein Blut, das auf Golgatha vergossen wurde, sehen wir die Dinge mit neuen Augen. Wir lieben den Schöpfer, obwohl wir nicht immer Seine Taten verstehen. Wir lieben Christus. Wir lieben alle Menschen. Wir haben Mitleid mit jenen, die Ausbeuter oder Tyrannen sind. Wir tun unser Bestes, die sozialen Ungerechtigkeiten zu verbessern. Die Anwendung der Gewalt wird unter gewissen Umständen nicht ausgeschlossen. Aber was uns belebt, ist die allumfassende Liebe.
Die Verteidigung eines unschuldigen Kindes, das von einem Gangster bedroht wird, kann uns verpflichten, auf diesen Gangster zu schießen, aber das schließt den Gangster von unserer Liebe nicht aus, die versucht, ihn, wenn möglich, von seinen schlechten Wegen abzubringen. Polizisten sind nicht mehr „Schweine“, sondern Menschen, manche von ihnen christliche Glaubensbrüder. Jeder vernünftige Mensch, sogar der Revolutionär, wendet sich an sie, wenn sein Wagen gestohlen wurde.
Die Welt wird schön, weil Du nicht mehr von einer Menge Menschen umgeben bist, gegen die Du Neid und Ressentiments hast, sondern von geliebten Menschen, deren Dienste Du gerne annimmst, und denen Du gerne dienst.
Die Liebe hat die Gesellschaft geändert. Es gibt viele Unzulänglichkeiten in der Bundesrepublik, in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern der Freien Weit, aber es gibt keine Sklaverei mehr, keine Kinderarbeit, und die harten Lebensbedingungen der arbeitenden Klassen, die im letzten Jahrhundert herrschten, gibt es ebenfalls nicht mehr. Der Fortschritt der Menschheit ist langsam, aber wo immer Liebe praktiziert wird, schreitet die Menschheit fort. Wir sollten die Liebe stärken, und der Fortschritt wird schneller sein.
Wir werden nicht mehr von solchen Männern wie Castro und Mao, die selbst Sünder sind, hoffen, daß sie eine glückliche Gesellschaft der Zukunft aufbauen. Wir warten auf die Wiederkunft Christi, der sie versprochen hat. Dann werden wir das Königreich Gottes auf Erden haben, ein Königreich der Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe. Wir bereiten den Weg und arbeiten für dieses Königreich.
Vergib und vergiß die Dinge, die Dich zu einem Revolutionär machten und tritt in die ewige christliche Gemeinschaft ein.
Jesus wird in der Bibel „das Wort“ genannt. Wenn Du Dich mit Ihm vereinigst, werden Deine Worte an Gewicht gewinnen. Vereinige Dich mit Seinem Geiste. Dann wirst Du jedesmal, wenn Du wieder eine der Reden der Revolutionäre hörst, die Geschichte eines alten Mönches zu würdigen wissen, der einem jüngeren lange Zeit bei einer Abhandlung über eine schwierige religiöse Frage zugehört hatte. Als der junge Bruder einen Augenblick pausierte, um Atem zu schöpfen, sagte der Alte: „Was für ein glücklicher Mann bist Du doch, daß Du diese wunderbare Gabe der Rede hast. Wir andern müssen erst denken, bevor wir sprechen.“
Du wirst auch lernen, gründlich zu denken, bevor Du wieder redest.
Nehmen wir die Frage über Vietnam. Die USA haben nicht interveniert, als Tibet von Rotchina geschluckt wurde. Das Resultat war Massaker, Deportation der Bevölkerung und grausame Folterungen. Die USA haben nicht interveniert, als die Tschechoslowakei besetzt wurde. Das Resultat ist, daß dieses Land heute unter dem russischen Stiefel liegt. Die USA haben nicht zugunsten Biafras interveniert. Großbritannien hat an seiner Liquidierung teilgenommen. Das Resultat? Zwei Millionen unschuldige Menschen starben. Die amerikanische Einmischung in Vietnam wird, wie alles in einer Welt von Sündern, durch Ausschreitungen, Gewinnsucht, Korruption, Brutalität und Einzelfälle von Massakern kompliziert.
Amerika hat Heilige und Kriminelle. Ziehe den Kriminellen Uniformen an, und sie werden genauso brutal sein, wie sie es auf den Straßen Amerikas sind, Aber was passiert, wenn Amerika sich aus Vietnam zurückzieht?
Wo auch immer der Kommunismus an die Macht gekommen ist, hat er Millionen unschuldiger Menschen getötet, Menschen eingesperrt und gefoltert. Dies sind keine isolierten Tatsachen, für die die Schuldigen vor Gericht gebracht werden können, wie bei den amerikanischen Kriegsverbrecher. Bei den Kommunisten ist das Staatspolitik.
Gott hat uns ein Gehirn gegeben, um zu denken, um in unseren Urteilen fair zu sein. Kein Problem wird durch die Schlagworte „Kampf bis zum Sieg“ oder „Raus aus Vietnam“ gelöst. Um den Sieg zu erringen, muß man viele unschuldige Männer töten. Sich aus Vietnam zurückziehen, wäre eine Einladung an Rotchina, einzumarschieren und noch mehr Menschen zu töten.
Die Lösung, die uns Schlagworte anbieten, könnte viel schlimmer sein als die heutige Lage es ist, und diese ist schlimm genug, Sie ist so, wie sie in einer Welt von Sündern nicht besser sein kann.
Lies die Geschichte Indiens, das zum britischen Weltreich gehörte. Viele Ungerechtigkeiten wurden unter der englischen Verwaltung begangen. Britannien ist kein Land von Heiligen, so wenig, wie andere Nationen. Aber die Briten haben ein Erziehungssystem, Krankenhäuser, Lepraanstalten, Waisenhäuser und eine Vielzahl philanthropischer Institutionen gegründet. Es gab Beschwerden über Brutalität und Ausbeutung. Aber eines Tages, nach einem langen Kampf, erhielt Indien seine Unabhängigkeit.
Das unmittelbare Resultat war die Abschlachtung von 4 Millionen Indern durch Inder. Moslems töteten Hindus und Sikhs, Hindus und Sikhs töteten Moslems. Ein unbeschreibliches Blutbad. („Leben und Tod Mahatma Gandhis“ von Robert Payne).
So etwas hätte unter der britischen Verwaltung in dem Maße nie passieren können. Dann kam die Separation Pakistans von Indien. Das Ergebnis? Beide Staaten zittern vor der Möglichkeit einer kommunistischen Machtübernahme. Und ein Elend, wie das jetzige in Bangladesch gab es unter den Engländern nie.
Gandhi hat gesagt: „Ich kann euch eine Vision der Zukunft geben: Wenn wir aus irgendeinem Grund nicht freundschaftliche Beziehungen zueinander aufrecht erhalten können, nicht nur zu den Moslems in Indien, sondern auch zu den Moslems Pakistans und der ganzen Welt, so müssen wir wissen ‑ und daran habe ich keinen Zweifel ‑ daß Indien aufhören wird, uns zu gehören. Es wird in fremde Hände übergehen; wir werden Sklaven werden. Pakistan wird versklavt werden, Indien wird versklavt werden, so werden wir unsere hart erkämpfte Freiheit verlieren.“
Die Prophezeiung wird sich nun wahrscheinlich erfüllen. Indien und Pakistan sind nicht Freunde geworden. Rotchina und Sowjetrussland locken beide an. Millionen sind dem Fanatismus zum Opfer gefallen, etwas, das unter britischer Verwaltung nicht stattgefunden hat.
Lohnte sich das Opfer all jener, die gegen die Briten kämpften?
Lohnte es sich, für die Unabhängigkeit Nigerias von britischer Verwaltung zu kämpfen? Man hat Großbritannien vieles vorgeworfen, aber nie, daß es zwei Millionen Nigerianer getötet hat. Das blieb ein Privileg der freien emanzipierten Schwarzen. Die ältere Generation der Ibos hatte gekämpft, um sich von der britischen Regierung zu befreien. Sie hatten Erfolg. Nun waren sie unter sich, Schwarze und ihre Seelenbrüder. Sie schlachteten die Ibos ab oder ließen sie verhungern.
Ideale müssen gründlich geprüft werden, bevor man ihnen sein Leben weiht.
Ich bin kein Fachmann für Politik und werde mich auch zurückhalten, in politischen Angelegenheiten zu entscheiden. Aber einer Sache bin ich vollständig sicher:
Weder die rechts noch die links orientierten Volksverhetzer haben irgend etwas Erwähnenswertes für die Menschheit getan. Der Christ Frederick Douglas arbeitete in aufopfernder Weise 58 Jahre in den Sümpfen von Bengalen. Der Christ Charles Fox arbeitete 60 Jahre lang in dem heißen Klima der Salomon-Inseln, um Gutes zu tun. Weder Schlagworte noch Sit‑ins hätten da geholfen. Sie arbeiteten. Kliniken, Schulen, Waisenhäuser, das Verbreiten des Alphabetismus sind die Zeugen, daß das geduldige Überlegen, gefolgt von geduldiger Arbeit, das ist, was Erfolg hat.
Charles Pean von der Heilsarmee kämpfte friedlich 18 Jahre lang um die Abschaffung der berüchtigten Strafkolonie auf den Teufelsinseln. Er hatte Erfolg.
Townsend, der Gründer der Wycliffe‑Bibel‑Übersetzer, aß geröstete Ameisen bei dem Cakchiquel-Stamm in Guatemala, aber er hinterließ ihnen fünf Schulen, ein Krankenhaus, eine Druckerei, Hunderte von gebildeten Menschen und viele Kirchen. Die Christin Marianne Slocum arbeitete hart, aber sie hob den Tseltal‑Stamm von Mexiko von der Barbarei auf die Stufe der Zivilisation. Albert Schweitzer gründete in einem Dschungel das Spital von Lambarene.
Ich kann verstehen, daß Du von der gewaltigen Armut in der Welt betroffen bist. Nimm einmal an, wir hätten Erfolg, die Menschen reicher zu machen. Wären sie auch glücklicher? In den zivilisierten Ländern begehen viele, die nicht arm sind, sondern ihre eigenen Autos, Fernsehgeräte und Bankkonten haben, Selbstmord. Drei Millionen Menschen versuchten es letztes Jahr.
Ich selbst bin unter den Ärmsten gewesen. Ich habe 14 Jahre in kommunistischen Gefängnissen verbracht und war doch glücklich, obwohl ich hungrig und zerschlagen war.
Die Armut muß bekämpft werden in dem Wissen, daß es höhere Werte gibt als materielle Reichtümer. Gott zu kennen, das ewige Leben, Christus zum Freund zu haben, all das hat den Vorrang vor materiellen Problemen.
Ich kann verstehen, daß Du für Gedankenfreiheit kämpfst, um Tyranneien abzuschaffen. Du selbst hast die Freiheit zu denken. Wieviele Stunden am Tag denkst Du?
Wieviele Stunden denkst Du nach, bevor Du eine Stunde lang sprichst oder schreibst? Siehst Du nicht den Irrtum eines Lebens ohne das Verantwortungsgefühl, das Christus in einer Seele erweckt? Die Kirche Christi ist wichtig. Sie lehrt Dich keine kurzen Schlagworte, sie lehrt Dich denken. In seinem heiligen Buch sagt der Apostel Paulus:
„Verändere Dich durch Erneuerung Deines Sinnes“. Bei einigen von uns braucht der Sinn nicht einmal erneuert zu werden, sondern er muß dazu gebracht werden, zum ersten Mal unabhängig zu arbeiten, anstatt zu akzeptieren, was einige linke Professoren lehren.
Ernsthaftes Nachdenken wird Dich zum Glauben an Christus bringen. Mit einem erneuerten Geist wirst Du ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden.
Nur dann wird das wirklich heroische Leben für Dich beginnen. Revolutionäre leiden und sterben für ihre Weltanschauung. Aber das macht sie nicht zu Helden. Sie sind Anti‑Helden. Sie kämpfen mit Mut und Einsatz, um eine kommunistische Gesellschaft zu schaffen, in der das Heldentum gesetzlich verboten sein, dagegen aber Sklaverei herrschen wird.
Denke nur an das Schicksal der kommunistischen Schriftsteller, die den Mut hatten, eine andere Meinung als die der Regierung zu äußern. Dafür sitzen sie im Gefängnis, Auch Freiheitskämpfer und Christen, die für ihren Glauben einstanden, wurden ins Gefängnis geworfen. Sie sind die Helden.
Aber diejenigen, die unter großen persönlichen Opfern gekämpft haben, um eine soziale Struktur aufzubauen, in der solche Helden eingekerkert und getötet werden, sind am anderen Pol des Heidentums. Sie sind Anti‑Helden.
Der wirkliche Held ist derjenige, der seine eigenen Begierden und Leidenschaften überwindet, der sich selbst verleugnet, um sich mit seinem Schöpfer zu vereinigen. Aus dieser Vereinigung kommt die Stärke, die den Fortschritt der Menschheit begründet.
Ein weites Feld des Dienstes wird sich für Dich und alle öffnen, die Gott und die Menschheit lieben.
Richard Wurmbrand, Los Angeles, Cal.
Pfarrer Wurmbrand schrieb diese Broschüre speziell für junge „Revoluzzer“, in der Zeit der Studentenunruhen, meines Wissens ca. um das Jahr 1972. Er ist im Jahre 2001 verstorben. Die Textbetonungen sind von mir.
Auch einige Beiträge von Pfr. Wurmbrand habe ich auf meiner Webseite.
1. Atheismus – ein Weg?
2. Karl Marx und Satan
3. Was Christen glauben
4. Gefoltert für Christus
5. Biblische Prophetien
6. Christus wird siegen – Biographie
www.horst-koch.de
info@horst-koch.de