Triumph d. Gekreuzigten Teil I

Erich Sauer

Der Triumph des Gekreuzigten

– Ein Gang durch die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte-

Hier Teil 1

Teil 1: Der Aufgang aus der Höhe
Teil 2: Die Gemeinde der Erstgeborenen
Teil 3: Das kommende Gottesreich
Teil 4: Weltvollendung

Hier Teil 1; näheres siehe letzte Seite. Leichte Kürzungen und die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, 2003

Vorwort

»Triumph des Gekreuzigten« -, das ist der Sinn der neutesta­mentlichen Offenbarungsgeschichte. In immer helleren Lichtkreisen läßt Christus, der Triumphator, seinen Himmelsglanz erstrahlen. Die Gewinnung der Gemeinde, die Bekehrung der Völkerwelt, die Verklärung des Universums – das sind die drei Hauptstufen in dem Triumphzug seiner Erlösung.

Christus selbst ist der »Erstling«, der Anfang einer neuen Mensch­heit. In har­monischem Rhythmus von Äonen und Perioden geht der Gesamt­haushalt Gottes seinem Ewigkeitsziel entgegen. Das Ende des Gan­zen ist, wie der Anfang, Gott selbst (1. Kor. 15, 28).

Diesen Zusammenhang zu schauen, ist die Aufgabe der Heilsge­schichte. Sie zeigt uns den göttlichen Weltplan als Einheit in der Vielheit, als Stufengang, der nach oben führt, als Erdengeschichte, die das Weltall umspannt. Sie zeigt uns die Bedeutung der einzelnen Heilsereignisse, die Gottesordnung der Zeitalter, das Ziel des geschöpflichen Gesamtwerdens. …

Auf Vollständigkeit ist es nirgends im folgenden abgesehen. Worum es sich nur handeln kann, ist lediglich die Her­ausstellung gewisser Grundzüge der neutestamentlichen Haushal­tungen, und auch dies nur überblickartig und in bewußter Be­schränkung auf das Allerwichtigste, sondern überall Vorherrschaft der geschichtlichen Gesichtspunkte, keine »Neutestamentliche Theologie«, sondern einfache Beschreibung der neutestamentlichen Heilsentfaltung, vor allem des »Sinnes« der Heilsereignisse.

Erich Sauer, Bibelschule Wiedenest, im Januar 1937

 

Erster Teil: Der Aufgang aus der Höhe

1. Das Erscheinen des Welterlösers
2. Der Name »Jesus Christus«. Das dreifache Amt
3. Die Himmelreichsbotschaft
4. Der Entscheidungskampf von Golgatha
5. Der Triumph der Auferstehung
6. Die Auffahrt des Siegers
7. Die Eröffnung des Gottesreiches

1. Kapitel. Das Erscheinen des Welterlösers

Mit jubelndem Frohlocken himmlischer Heerscharen trat das Evangelium auf den Schauplatz der irdischen Welt. „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ So klang es zur nächtlichen Stunde auf Bethlehems Fluren (Luk. 2, 14).

Er, auf den die Väter längst geharrt, trat in die Mitte seines Volkes als die Hoffnung« und der Trost« Israels (Luk. 2, 25). Gott geoffenbart im Fleisch!« Welch Geheimnis der Gottseligkeit! (1. Tim. 3, 16). Zwar kam er in Knechtsgestalt (Phil. 2, 7) und bettelarmer Niedrigkeit; aber dies Äußere war nur das Zelt« seiner innewohnenden Göttlichkeit. Auch im Lande des Todes blieb er der Fürst des Lebens« (Apg. 3, 15); denn in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen« (Joh. 1, 4).

I. Die Gottesbotschaft der Zeitenwende

Ein dreifaches Zeugnis himmlischer Boten hatte das große Ereignis angesagt.

1. Christus – der Gottessohn. Die erste Ankündigung ge­schah im Tempel an Zacharias den Priester (Luk.1, 8-13). Sie schloß sich sofort an die letzte und höchste der alttesta­mentlichen Weissagungen an (Mal. 3, 23). Sie handelte zunächst von der Geburt des Wegbereiters, des zweiten »Elias«, und sagte, daß er, dessen Vorläufer dieser »Elias« werden sollte, kein Geringerer sein würde als der HErr, der Gott Israels selbst. »Viele von den Kindern Israels wird er zu dem HErrп, ihrem Gott, zurückführen. Gerade diesen nahenden HErrп und Gott hatte Maleachi im Geiste geschaut und ihn als den »HErrn der Heerscharen« bezeichnet, »der da unversehens zu seinem Tempel kommt« (Mal. 3,1). Wie passend war es darum, daß gerade in einem Tempel diese Prophe­tenbotschaft ver­kündigt wurde.

2. Christus – der Davidssohn. Die zweite Ankündigung ward Maria, der frommen Jungfrau aus Davids Hause, zuteil (Luk. 1, 26-38). Hier knüpfte der Engel an die davidischen Verheißungen an, und zwar sofort an die älteste und erste, die dem David selbst durch Nathan den Propheten gegeben wor­den war und die den Messias als Gottes- und Davidssohn bezeichnet hatte (1. Chron. 17, 13; Luk. 1, 32). »Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der HErr wird ihm den Thron seines Vaters David geben (Luk. 1, 32). Auch hier ist also die Engelbotschaft wun­dersam fein auf die Person des empfangenden Menschen ab­gestimmt.

3. Christus – der Heiland. Die dritte Ankündigung ward schließlich dem Joseph gegeben. Er kam, trotz seiner davidi­schen Abstammung, nicht als Vater, sondern nur als Pflege­vater in Betracht, also lediglich als gläubiger, bußfertiger Israelit, nur dazu bestimmt, den Erlöser in sein Haus aufzu­nehmen. Ihm wurde darum gesagt, was der Messias für das erlösungsbedürftige, glaubende Israel sein würde. Er ist der »Immanuel, der von Jesaja geweissagte »Gott mit uns« (Jes. 7, 14; Matth.1, 23). »Des Namen sollst du >Jesus< heißen; denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sün­den« (Matth. 1, 21). Hier war von dem Amt und dem Werk des Erlösers als solchem die Rede. Und gerade dies ist das Wichtigste; denn Christus ward nicht Erlöser, um Gottes- und Davidssohn zu sein, sondern er trat als Gottes- und Davids­sohn auf, um Erlöser zu sein. »Jesus« – »Der HErr ist Ret­tung« – ist darum sein eigentlicher Name, und das Erlösersein ist so ganz sein eigenstes, innerstes Wesen, daß er den Namen »Erretter« direkt als menschlichen Personennamen trägt.

Alle drei Engelankündigungen aber wurden zusammenge­faßt in der nächtlichen Botschaft der himmlischen Heerscharen auf dem Hirtenfelde von Bethlehem:

»Euch ist heute der Heiland geboren« – das ist die Er­füllung der Immanuelsweissagung Jesajas und der Anord­nung des Jesusnamens an Joseph -,
»welcher ist Christus der HErr – das ist die Erfüllung dei Maleachibotschaft von dem kommenden »HErrn« und »Gott« an Zacharias -,
»in der Stadt Davids« – das ist die Erfüllung der Nathans­botschaft vom Davidssohn an Maria.

Mit diesem vierfachen Zeugnis direkter Himmelsbotschaften durch Engelmund klang noch harmonisch zusammen ein sie­benfaches, indirektes Geisteszeugnis durch den Mund gläu­biger Menschen:
Zacharias, die Hirten, Simeon und die Wei­sen aus dem Morgenlande, ferner Elisabeth, Maria und Hanna standen da wie leuchtende Fackeln am Eingang der Zeiten­wende, welche hinwiesen auf den, der da kommen sollte, den »Aufgang aus der Höhe« (Luk. 1, 78), den großen Erretter aus Davids Geschlecht. Und zwar priesen

Zacharias – den Besuch Gottes (Luk. 1, 68),
die Hirten – den Heiland (Luk. 2, 20 vgl. 11),
die Weisen – den König (Matth. 2, 11 vgl. 2),
Simeon – das Licht der Welt (Luk. 2, 31).E
Elisabeth – die Glückseligkeit (Luk. 1, 41-45)
Maria – die Barmherzigkeit (Luk. 1, 54)
Hanna – die Erlösung (Luk.2, 38).

II. Die Menschwerdung als geschichtliche Tat

Gewaltige Bewegungen in der oberen Welt müssen dem Erscheinen des Gottessohnes auf Erden vorangegangen sein. Nur wenig lüftet die Schrift den Schleier. Doch teilt sie uns, gleichsam aus einem innergöttlichen Zwiegespräch, ein Wort mit, das der Sohn gerade »bei seinem Eintritt in die Welt« zum Vater sprach: »Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, wohl aber hast du mir einen Leib bereitet; an Brandopfern und Sündopfern hast du kein Wohlgefallen ge­funden. Da sprach ich: Siehe, ich komme, in der Rolle des Buches ist von mir geschrieben, daß ich tue, o Gott, deinen Willen« (Hebr. 10, 5-7).

Und dann geschah das Unbegreifliche. Der Sohn verließ des Himmels Pracht und ward ein Mensch wie wir. Aus der Ewigkeitsform göttlicher Überweltlichkeit begab er sich freiwillig in das Verhältnis menschlicher Innenweltlichkeit. Aus der freien Unbedingtheit und weltregierenden Absolutheit der göttlichen Gestalt trat er ein in die raumzeitliche Begrenztheit dei Kreatur. Das ewige »Worte ward menschliche Seele und entäußerte sich seiner weltumspannenden Herrschergewalt. Mag die Gesinnung der Selbstsucht sogar fremdes, unrecht­mäßiges Gut als willkommenen »Raub« (Phil. 2, 6) mit Zähigkeit festhalten: er, der Urquell der Liebe, sah nicht einmal seinen ureigenen, rechtmäßigen Besitz, seine göttliche Gestalt und gottgleiche Stellung, als unbedingt zu behauptendes Gut an, sondern gab ihn dahin, um uns zu erretten. Er stieg hinab »in die niederen Gegenden der Erde (Eph. 4, 9), um uns, die Erlösten, dann mit sich und in sich emporzuheben in die Hö­hen des Himmels. Gott wurde Mensch, auf daß die Menschen göttlich würden. Er ward arm um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armut reich würden (2. Kor. 8, 9).

Für die Heilsgeschichte der Menschheit aber ist Christi Er­scheinen die innerste »Sinnmitte«. Was vor ihm geschah, kam lediglich im Hinblick auf ihn zustande; was nach ihm ge­schieht, wird nur in seinem Namen vollbracht. Wie die buntschillernden Farben eines Prismas, trotz aller Verschiedenheit, dennoch nur Ausstrahlungen eines und desselben Lichtes sind, so wird auch die Offenbarungsgeschichte mit all ihren Haus­haltungen von einem einheitlichen Lebensprinzip getragen. Christus der Mittler ist der Eckstein des Ganzen. Sein Wirken auf Erden ist der Wendepunkt alles Werdens, und die Ge­schichte seiner Person ist der wesenhafte Inhalt aller Ge­schichte. Damit aber wird die Menschwerdung Christi das In-Erscheinung-Treten des göttlichen Weltfundaments, der Eintritt des HErrn der Geschichte in die Geschichte selbst, und die Krippe von Bethlehem, in Verbindung mit Golgatha, wird auf ewig

Aller Zeiten Wendepunkt,
aller Liebe Höhepunkt,
alles Heiles Ausgangspunkt,
aller Anbetung Mittelpunkt.

Wie sich aber in Christo diese beiden, seine Gottheit und seine Menschheit, in einem vereinen, das vermag niemand zu erklären. Das Geheimnis seiner Selbsterniedrigung ist ewig un­ergründlich. Christus tat nicht nur Wunder, sondern war selber ein Wunder. Begreifen wir doch schon die Zeit nicht; sie ist uns ein Rätsel. Noch viel weniger begreifen wir die Ewigkeit; sie ist uns erst recht ein Rätsel. Wie können wir da das Rätsel der Rätsel begreifen, die Vereinigung dieser beiden, entgegenge­setzten Geheimnisse, den »Schnittpunkt« dieser zwei »Paralle­len« in der Zeit, die organisch-harmonische Verbindung von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Gottheit und Mensch­heit in einer Person, in Jesus von Nazareth.

III. Menschwerdung und Auferstehung

Um aber die Heilsbedeutung der Menschwerdung noch le­bendiger zu schauen, müssen wir sie im Zusammenhang mit der Auferstehung des HErrn betrachten, und zwar hier unter einem dreifachen Gegensatz:

1. Erniedrigung und Erhöhung,
2. Heilserwerbung und Heilsvollendung,
3. Geschichtliche Form und ewige Idee.

1. Denn in der Tat! Trotz alles Herabsteigens aus Himmels­höhen war es nicht eigentlich das Menschwerden an sich, was für den Sohn des Höchsten jene unendliche Erniedrigung be­deutete, sondern das Eingehen in die Form der unverklärten, unter den Folgen der Sünde stehenden Menschheit (Röm. 8,3); denn wenn schon das Menschsein als solches eine Erniedri­gung des Sohnes Gottes gewesen wäre, dann hätte ja seine Erhöhung nicht etwa in einer Verklärung, sondern in der völ­ligen Ablegung seines ganzen menschlichen Wesens bestehen müssen! Und doch ist es die klare Lehre der Heiligen Schrift, daß Jesus in seiner Erhöhung die Form der Menschheit behal­ten habe, daß also seine Auferstehung und Himmelfahrt nichts Geringeres in sich schlössen als die Verewigung seines Menschseins in verklärter, verherrlichter Form, wenn auch in einer uns völlig unvorstellbaren Weise!
Er ging zwar ein in die »Knechtsgestalt« (Phil. 2, 7) der erniedrigten Mensch­heit; doch durch sein Erlösungswerk erhöhte und verklärte er sie so, daß sie selbst zu seiner eigenen Herrlichkeit als des zur Rechten des Vaters Sitzenden keinen Ge­gensatz mehr bilden kann. Denn die Herrlichkeit des ver­klärten Menschen Christus Jesus im Himmel ist gewiß keine geringere als die, welche das ewige »Wort« vor seiner Menschwerdung gehabt hat. Sagt er doch selbst: »Verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich schon bei dir besessen habe, ehe die Welt ward (Joh. 17, 5).

2. Aber noch mehr. Dies ewige Menschbleiben des Sohnes Gottes ist sogar unerläßliche Bedingung für die Vollendung seines Werkes. Denn nur als verherrlichter Mensch konnte er der »letzte Adam« (Röm. 5, 12-21; 1. Kor. 15,21) und das erhöhte »Haupt« (Eph. 4, 15; Kol. 2, 19) des »neuen Menschen« (Eph. 2, 15), des von ihm erlösten Menschheitsorganismus, seiner Gemeinde, sein. Nur so konnte das »In-Christo-Sein« der Geretteten, die organische Lebens­gemeinschaft der »Glieder« seines »Lei­bes« (Eph. 1,23) mit ihm, dem Haupte, er­möglicht werden. Darum ist das Menschbleiben Christi ein wesenhaft notwendiges Stück seiner Erhöhung, und erst durch die Auferstehung und Himmelfahrt wird das Wunder von Bethlehem in das rechte, biblische Licht gestellt.

3. Christus ward Mensch, um »letzter Adam« sein zu können. Das ist die ewige Grundidee seines Erscheinens in der Kreatur, und insofern ist dieses eine Verklärung seiner Person als des Erlösers; doch er ward erniedrigter Mensch, um auf dem Wege der Stellvertretung für die Sünder die Herrlichkeiten dieses letzten Аdam durch Leiden zu erlangen. Das war die geschicht­liche Form seines Kommens in die Welt.
Aber die geschichtliche Form war nur der Weg zur Verwirk­lichung der ewigen Idee. Er kam, um zu dienen und sein Leben zu geben als ein Lösegeld für viele (Matth. 20, 28) und um so, durch seine »Stunde« von Golgatha, die für die Ewigkeit zu erretten, die sich von ihm zur Buße rufen suchen und finden lassen würden (Luk. 19, 10). In uns aber gewinnt, durch unser Eingegliedertsein in ihn, un­ser Leben (Kol. 3, 4), der himmlische Christus immer sieg­hafter Gestalt.

2.  Der Name »Jesus Christus«.  Das dreifache Amt

»Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden« (Apg. 4, 12). Was ist mit diesem Namen ge­meint? Warum heißt der Erlöser gerade »Jesus Christus«

I. Der Name »Jesus«

Dieser ist ein Dreifaches: zunächst ganz einfach sein

1. Personenname. »Du sollst seinen Namen Jesus heißen« (Matth. 1 21). Indem er aber gerade bei der Menschwerdung dem Sohne Gottes gegeben wurde, ist er zugleich auch sein

2. Niedrigkeitsname. Ja, so sehr ist dieser Name mit der Erniedrigung des HErrn verbunden, daß ihn dieser geradezu mit anderen, mit sterblichen Menschen, gemeinsam hat. Von hier aus wird auch klar, warum die Evangelien meistens von »Jesus« reden, während in den Briefen der »Christus«titel durchaus im Vordergrund steht. Denn die Evangelien handeln von der Zeit seiner Niedrigkeit, während die Briefe von ihm, dem Erhöhten und Verherrlichten, zeugen, und in dem Jesusnamen wiegt das Heil, in dem Christustitel die Herrlichkeit vor.Erst in der Auferstehung und Himmelfahrt ist »Jesus«, wie Petrus am Pfingsttage sagt, recht eigentlich zum »Christus« im Vollsinn des Wortes geworden. »Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, daß Gott ihn sowohl zum HErrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr ge­kreuzigt habt« (Apg. 2, 36). Insofern also der Weg des HErrn von Selbstentäußerung zu Herrlichkeit voranging, geht auch das Neue Testament denselben Weg: den Weg von »Jesus« zu »Christus«.Die Hauptbedeutung des Jesusnamens aber liegt in seinem eigentlichen Wortsinn: »Jehoschua«, »Der HErr ist Rettung«. Darum ist er der besondere

3. Heilsname des Welterlösers. »Er wird sein Volk erretten von ihren Sünden« (Matth. 1, 21). Als solcher aber offenbart er dreierlei:
die Ausschließlichkeit seines Heils; denn er und nur er kann erretten (Apg. 4,12)
die Grenze seines Heils; denn nur »sein Volk« (d. h. seine Erlösten aus allen Völkern) wird er retten (vgl. 1. Petr. 2,9; Apg. 15,14) und
die Tiefe und Weite seines Heils; denn nicht nur von den Folgen der Sünde – von Verdammung und Gericht – will er erlösen, sondern von den Sünden selber, von ihrer Knech­tung, Herrschaft und Macht. Er ist nicht nur Rechtferti­gungs-, sondern auch Heiligungsquell (1. Kor. 1,30). Dies alles liegt in dem Jesusnamen.
Aber welches ist der Weg und die Weise, auf welche der HErr diese Schätze seines Jesusnamens offenbart? Die Ant­wort liegt in dem Christustitel. 

II. Der Name »Christus«

Hier sind es vor allem vier dreieinheitliche Tatsachen, die uns den Inhalt dieses Namens erschließen:

1. die dreifache Amtssalbung im Alten Testament,
2. die dreifache Entfaltung im Neuen Testament,
3. die dreifache Bindung des Menschen durch die Sünde,
4. das dreifache Christuswerk des Erlösers.

1. In der alttestamentlichen Heilszeit hatte es drei theokra­tische Hauptsalbungsämter gegeben, eine Salbung des Hohenpriesters (3. Mose 8,12; Ps. 133, 2), des Königs (1. Sam. 10,1) und des Propheten (1.Könige 19,16).
Wenn also der Mittler des Heils als »Christus«, »Messias«, d. h. »Gesalbter« bezeichnet wird, so heißt dies, daß die höchsten Ämter und Würden des ganzen Alten Bundes in seiner Person vereint sind, daß in ihm alle Gedanken der Weissagung auf ewig zur Erfüllung gelangen. Er bringt, nach der Weissagung Jeremias vom Neuen Bunde (Jer. 31, 31-34: vgl. Hebr. 8, 8-12),

eine Verinnerlichung des Königtums (2. Kor. 3, 3)
eine Verallgemeinerung des Prophetentums (Jer. 31, 34a) und
eine Ewig-vollkommen-Machung des Priestertums (Jer. 31, 34b).

Er legt sein Wesen in die Seinen hinein und macht sie des­gleichen zu Königen, Priestern und Zeugen seiner propheti­schen Wahrheit (1. Petr. 2, 9; Off. 1, 6).

2. Nicht auf einmal, sondern in drei großen Stufen entfaltet der HErr den Herrlichkeitsinhalt seines Christustitels. Er kommt zuerst als Prophet (5.Mose 18, 15-19), als »Sohn«, in dem Gott »am Ende der Tage« geredet hat (Hebr. 1,1-3) und der, als der »Abglanz der Herrlichkeit« Gottes, das Wesen seines Vaters unvergleichlich vollkommener offenbar macht als alle Propheten von alters (Joh. 1, 18; 3,13).
Und dann geht dieser Prophet an das Kreuz. Er läßt sich beladen mit den Sünden der Welt (Joh. 1, 29; 1. Joh. 2, 2), wird Opferlamm und Priester zugleich (Hebr. 9,12; 14; 25) und bewirkt durch sich selbst die Reinigung der Sünden (Hebr. 1, 3).
Zuletzt aber wird er erhöht und setzt sich zur Rechten der Majestät in der Höhe, und nun sehen wir ihn, der »ein wenig unter die Engel erniedrigt« gewesen war, gerade »um seines Todesleidens willen« als König »mit Herrlichkeit und Ehre ge­krönt« (Hebr. 2,9).3.

3. Aber warum gerade ein dreifaches Amt? – Weil ein dreifaches Heilsbedürfnis der Menschheit vorliegt! Weil die gefallene Nach­kommenschaft Adams dreifach gebunden ist und darum auch nach drei Beziehungen hin erlöst werden muß!

Gott hat die Menschen zu einem geschöpflichen Abglanz sei­nes geistigen, heiligen und seligen Wesens geschaffen. Damit sie ein Spiegel seiner Geistigkeit sein könnten, gab er ihnen den Verstand, damit sie ein Abbild seiner Heiligkeit und Lie­be sein könnten, den Willen, und damit sie ein Gefäß seiner Seligkeit würden, das Gefühl.

Doch dann kam die Sünde. Der ganze Mensch fiel: sein Verstand wurde verfinstert (Eph. 4, 18), sein Wille wurde bö­se (Joh. 3, 19), und sein Gefühl wurde unselig (Röm. 7, 24).4.

4. Aus diesem totalen, dreifachen Verderben errettet ihn nun das Werk Christi.

Als Prophet bringt er die Erkenntnis, das Licht, erlöst den Verstand aus seiner Sündenverfinsterung und richtet das Reich der Wahrheit auf.
Als Priester bringt er das Opfer, tilgt die Schuld und damit das Bewußtsein der Schuld, erlöst also das Gefühl von dem lähmenden Druck der Unseligkeit und des anklagenden Ge­wissens und richtet das Reich des Friedens und der Freude auf.
Als König beherrscht er den Willen, lenkt ihn in den Bahnen der Heiligkeit und richtet das Reich der Liebe und der Gerechtigkeit auf.

So wird sein Christustitel mit seinem dreifachen Heilsinhalt zur Entfaltung und Auslegung seines Jesusnamens. Der Erlö­ser ist dadurch der »Jesus«, der »Retter«, daß er der »Chri­stus«, der dreifach Gesalbte, ist. Sein dreifaches Amt befreit den Menschen nach seinen drei Seelenkräften, nach Verstand, Gefühl und Wille. Ein volles, freies und ganzes Heil ist eingeführt, so daß die Erlösung nicht vollständiger sein kann, als sie ist.

3. Kapitel. Die Himmelreichsbotschaft

»Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei­gekommen.« Matth. 3,2.

I. Der Herold
Am Jordan, in der Wüste, predigte Johannes die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden (Markus 1, 4). Er war der »Elias« (Mal. 4, 5; Luk. 1, 17), der »Wegbereiter (Jes. 40,3), gewaltiger als alle Propheten (Matth. 11, 9-10), der Zeuge vom Licht und vom Lamm (Joh. 1, 7- 8; 29; 36), der Herold des unmittelbar kom­menden Königs (Mal. 3,1; Joh. 1, 26). Er war die »Stimme« eines Rufenden in der Wüste, die da hinwies auf das »Wort« aus der Ewigkeit (Joh. 1, 1-3; 14).
So sagt auch Johannes: »Nach mir kommt ein Mann, der vor mir ge­wesen ist; denn er war eher denn ich« (Joh. 1, 30).

Ist aber schließlich das Wort gesprochen, so verschwindet die Stimme, verhallt und existiert nicht mehr. Das Wort aber bleibt; denn es ist in das Herz des Hörenden eingepflanzt. So auch bei Jesus und Johannes. »Er muß wachsen; ich aber muß abnehmen« (Joh. 3, 30). Sobald der Täufer seine Sendung er­füllt hat, wird er hinweggenommen; Jesus aber bleibt.

II. Der König
An die Botschaft des Herolds knüpfte der König an (Matth. 4, 17 vgl. 3, 2). In seiner Person war das Gottesreich mitten unter die Menschen getreten. Er selber war das personhaft anwesende Reich. Dies drückte er, verhül­lend und enthüllend zugleich, durch seine Selbstbezeichnung »Menschensohn« aus.

1. Der Ursprung des Menschensohn -Titels.
Diese in den Evangelien über 80 mal vorkommende Redeweise Jesu hat ihre Wurzel im Buche Daniel. Dort war das Messianische Reich, im Gegensatz zu der Raubtiernatur der Weltreiche – Löwe-Adler, Bär, Panther und Schreckenstier – als das Reich des »Men­schensohnes« bezeichnet worden, das heißt, als das erste und einzige Reich der Geschichte, in dem wahres Menschentum im Sinne der Heiligen Schrift auf der Erde regiert. »Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn, und er kam zu dem Al­ten an Tagen, … und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben« (Dan. 7, 13).
Diese Weissagung von dem Menschensohn in den Wolken des Himmels, der als Messiaskönig das Reich errichtet, deutet Christus in seiner Ölbergrede vor seinen Jüngern (Matth. 24,30) und in seinem Eidschwur vor dem Hohen Rat unverkennbar auf sich: »Von nun an wird’s geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wol­ken des Himmels« (Matth. 26, 64).

2. Der Sinn des Menschensohn -Titels.
Mit der Selbstbe­zeichnung »Menschensohn« will Christus also nicht etwa im Hinblick auf seine himmlische Vergangenheit seine Selbsterniedrigung zum Ausdruck bringen, daß er, der Gottessohn, nun Menschensohn geworden war, sondern, daß er, als verherrlichter Mensch, auf den Wolken des Himmels einst wiederkommend, der Bringer des Gottesreichs sei und somit in seiner göttlichen Person die Verwirklichung der Idee wahrer Menschheit auf den Thron der Völkergeschichte erhebe. Der Ausdruck »Men­schensohn« ist also ein göttlicher Messias- und Königstitel, gleichwie schon David, der Psalmist, gerade vom »Menschen­sohn« gesagt hatte: »Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über das Werk deiner Hände. Alles hast du ihm unter die Füße gestellt« (Ps. 8, 6; Hebr. 2, 6-9). Und weil in dem Menschensohntitel zugleich auch das verhüllte Geheimnis seiner Gottessohnschaft enthalten ist, sagt Christus in seiner Antwort auf die Frage des Hohenpriesters, ob er der »Gottessohn« sei: »Von nun an werdet ihr den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels« (Matth. 26, 63).
Immer wieder tritt diese Gotteskönigsbeziehung des Men­schensohntitels hervor. »Der »Menschensohn« wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters (Matth, 16, 27), »mit großer Kraft und Herrlichkeit«. Des »Menschen­sohnes« Ankunft wird sein, »wie der Blitz ausgeht vom Auf­gang und scheint bis zum Niedergang« (Matth. 24, 27) . . .
Allerdings ist es eine verhüllte Gottes- und Königsbezeich­nung Joh. 12, 16; 34); denn nur von dem Glauben wollte Christus, bei seinem ersten Erscheinen, als Gottkönig anerkannt sein. Daher auch sein oftmaliges Verbot, ihn als Messias offenbar zu machen. Der Öffentlichkeit hat er sich erst unmittelbar vor seinem Kreuzestode als Messias kundgetan, und auch da nur in der Form einer sinnbildlichen Handlung, dem Einzug in Jerusalem (Luk. 19,29-40; Sach. 9, 9). Nur im Kreise der Sei­nen hat er sich, gleich von Anfang an, mit immer wachsender Klarheit, als Messias geoffenbart (Joh. 1, 41; 49; 4,25), bis schließlich der Felsenapostel, erleuchtet durch die Offenbarung des Vaters, das sieghafte Bekenntnis aussprach: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Got­tes« (Matth. 11, 16).

III. Das Reich

1. Der Ausdruck »Himmelreich«.
Vom Himmelreich hatten die Juden schon vor Johannes dem Täufer gesprochen. Sie nannten es »Malekut Schamajim« (»Königreich der Himmel«) und verstanden darunter die Herrschaft Gottes über alle Geschöpfe schlechthin, die Königsherrschaft Gottes über Israel insonderheit und namentlich das endgeschichtliche Herrlichkeitsreich des Messias. …

2. Die Erscheinungsformen des Himmelreiches.
Die Verkündigung des Himmelreiches war darum auch das eigentliche Thema seiner irdischen Botschaft, und alle seine Gleichnisse sind Himmelreichsgleichnisse. Hierbei ist das »Him­melreich« nicht einfach »der Himmel«, das »himmlische Reich« (vgl. 2. Tim. 4, 18), auch nicht nur das zukünftige Reich des Messias (Off. 20, 4) oder die Gemeinde des gegenwärtigen Zeitalters (vgl. Kol. 1, 13; Röm. 14, 17), sondern ganz all­gemein die Königsherrschaft Gottes schlechthin, wie sie, vom Himmel her kommend, auf dem Wege der Erlösung, auf der alten Erde errichtet und auf der neuen in Ewigkeit fortgesetzt werden soll. …

3. Das Evangelium vom Reich.
Dies alles gehört mit zum »Evangelium des Reichs« (Markus 1,14). Es ist das eigentliche Grundthema der Botschaft Christi. Es redet bald von dem gegenwärtigen, bald von dem nahen, fernen oder fernsten Reich. Daher auch bei dem HErrn die vorherrschende Bezeichnung »Himmelreich« für »Reich Gottes« Das Gottesreich ist eben »Himmelreich, weil es seinem Ursprung nach – vom Himmel her kommt, seinem Wesen nach – den Himmel in sich trägt und seinem Mittelpunkt nach – den HErrn zum König hat, durch den der Himmel recht eigentlich erst »Himmel« wird (Ps. 73, 25).

Aber immer ist es das eine Reich, das aus dem Himmel und der Ewigkeit stammt und, durch die Zeiten hindurch, in die Ewigkeit Gottes wieder einmündet. Dies eine (Gal. 1, 6-9) Evangelium aber ist:

»Evangelium Gottes« – dein Gott ist sein Ursprung (Röm. 1, 1; 2. Kor. 11,7),
»Evangelium Christi« – denn Christus ist sein Mittler (Röm. 15, 19; Gal. 1,7),
»Evangelium der Gnade« – denn Gnade ist seine Seele (Apg. 20, 24),
»Evangelium des Heils« – denn Heil ist seine Gabe (Eph. 1, 13)
»Evangelium des Reichs« – denn Gottes Reich ist sein Endziel (Matth. 6,10),
»Evangelium der Herrlichkeit« – denn Herrlichkeit ist seine Gesamtwirkung (1. Tim. 1, 11).

Und Paulus sagt von sich und seinen Mitarbeitern »mein Evangelium« (Röm, 16,25) oder »un­ser Evangelium« (2. Kor. 4,3) – denn sie waren die Boten (Gal. 1,11).

IV. Der Weg zum Reich
Aber der Weg zur Krone ging über das Kreuz. Nachdem darum der König zuerst das Ergebnis seines Werkes, das Reich, in den Mittelpunkt seiner Botschaft gestellt hatte, ließ er hernach immer mehr das Mittel zur Erreichung dieses Zieles – das Leiden – hervortreten.

Er sprach von der Tatsache seines Todes in der Hinwegnah­me des Bräutigams, dem Trinken des Kelches und dem Getauftwerden mit der Leidenstaufe (Matth. 20, 22).
Er sprach von der Notwendigkeit seines Todes, von dem göttlichen »Muß« seines Erhöhtwerdens wie die Schlange in der Wüste und seines Sterbens wie ein Weizen­korn, um durch Fruchtbringen verherrlicht zu werden (Joh. 12, 23).
Er sprach von der Freiwilligkeit seines Todes: Niemand nimmt es (mein Leben) von mir, sondern ich lasse es von mir selbst« (Joh. 10,18), und
Er sprach von der Bedeutung seines Todes als Grundlage völligen weltweiten (Joh. 12, 32) Heils durch stellver­tretendes Sterben (Matth. 20, 28) für verlorene Sünder, zwecks Aufrichtung eines Neuen Bundes durch Vergebung der Sünden, und als Grundlage praktischer Heiligung in echter Jünger­schaft in Selbstverleugnung und Kreuznachtragen (Matth. 10, 38; Joh. 12, 24-26).

Und in dem allen schaute er sein Sterben stets im Zusam­menhang mit seiner Auferstehung und Verherrlichung (Joh. 10, 17). Dies beweisen seine Worte vom Tempelabbruch (Joh. 2, 18-20), Jonaszeichen, Eckstein und Weizenkorn (Joh. 12, 23). Und auf diesem Bo­den der Auferstehung, in der Mitteilung seines Lebens an das Leben der Glaubenden sah er den einzigen Weg zum Teilha­ben der Sünder an der Heilsbedeutung seines Werkes; daher seine Worte vom Essen und Trinken seines Fleisches und Blu­tes, ohne das niemand Leben hat in sich selbst (Joh. 6,53). »Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt« (Joh. 6, 51; 58). »Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit«.

V. Die Reichsbotschaft

Unmöglich ist es, das sittliche Wesen der Himmelreichsbot­schaft erschöpfend zu schildern. »Die Welt würde die Bücher nicht fassen« (Joh. 21, 25). Die Reichsbotschaft ist

1. Heilig erhaben in ihrer Autorität. »Er lehrte, wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten« (Joh. 7, 46), bestätigt durch Zeichen und Wunder (Joh. 5, 36; Hebr. 2, 4). Seine Worte waren Taten. Seine Taten waren Wunder, und Er Selber der göttlich gebietende Lebens­fürst (Apg. 3, 15). Ferner: Die Reichsbotschaft war

2. Wunderbar weise in ihrer Belehrung. Den Alten Bund deutete er als Vorstufe des Neuen, als Wahrheitsbeweis (Joh. 10, 34) und als Weis­sagung seiner eigenen Botschaft (Luk. 24, 27), also: erklärend.
Die Natur vergeistigte er zu Bildern und Gleichnissen des Himmelreichs, desgleichen das Menschen­leben und die Geschichte (Luk. 19, 12), also: verklärend.
Die fragenden Feinde bringt er durch Gegenfragen zum Ver­stummen (Joh. 10, 34), also: abwehrend.
Die lernbegierigen Jünger weiht er noch besonders in seine Geheimnisse ein (Matth. 13, 18), also: belehrend.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei Jesu Stellung zum Alten Testament. Für Christus, das personhaft lebendige »Wort« (Joh. 1,14; Off. 19,13), ist das alttestamentliche, geschriebene Wort eine unauflösbare Einheit, ein Organismus, »die Schrift« (Joh. 10, 35).
Und im einzelnen ist es für ihn:

die Autorität, unter die er sich stellt (Gal. 4, 4),
die Speise, von der er sich nährt (Matth. 4.4)
die Waffe, mit der er sich weht (Matth. 12,3),
das Lehrbuch, das er erklärt (Luk. 24,27),
die Weissagung, die er erfüllt (Joh. 5,39),

Bei dem allen aber war seine Verkündigung

3. unheimlich hart in ihrem Urteil. Arg« ist der Mensch von Natur (Matth. 7, 11), »ein ehebrecherisches Geschlecht« (Mark. 8, 38), ein »Greuel vor Gott« alle Frömmigkeit des Fleisches (Luk. 16,15).
Mit »verzehrendem Eifer« (Joh. 2, 17) kämpft Christus gegen die Pharisäer, seine »Feinde« (Luk. 19, 27), diese Hauptvertreter der Scheinreligion. Er nennt sie Blinde, Lügner und Heuchler, (Joh, 10,8) und »Mörder« (Matth. 22,7), »reißende Wölfe« (Matth. 7,15) und Kinder des Teufels (Joh. 8, 44).
Den Tempel nennt er eine »Räuberhöhle« (Mark. 11, 17), Herodes einen »Fuchs« (Luk. 13, 32), seine falschen Bekenner »Übeltäter« (Matth. 7, 23) und alle, die ihn ablehnen: ärger als Sodom und Gomorrha (Matth. 10, 15).
Sie alle, die so bleiben, sind »Verlorene« und ihr Los ist »Heulen und Zähneknirschen«, ihr Ort das »unaus­löschliche Feuer« (Mark. 9, 44; Matth. 25, 41).

Und doch ist die Himmelreichsbotschaft zugleich

4. Unendlich erbarmend in ihrem Evangelium  Der Freund der Sünder, der Arzt der Kranken, der Erquicker der Mühseligen und Beladenen, die Kinder segnend, den Armen gute Botschaft verkündend und noch dem sterbenden Mörder das Paradies verheißend (Luk. 23, 43).

So wird er, der König, der Diener seiner Knechte (Markus 10, 42-45; Luk. 12,37).Und doch leibt er der König und verlangt restlosen Gehor­sam. Seine Botschaft ist Befehl, ja

5. Rückhaltlos total in ihren Forderungen.Er verlangt rest­losen Gehorsam. Seine Himmelreichsbotschaft ist Geschenk und Gebot, Gabe und Aufgabe zugleich. Wenn je ein Reich Totalitätsanspruch erhebt, so das Reich Gottes. Autorität und Gehorsam, Befehls­gewalt und Unterwerfung – das ist seine Ordnung. Ein tota­ler König, ein totales Reich, eine totale Gemeinde! Alles Halbe und Laue ist dem König ein Greuel. Der ganze Mensch gehört ihm, nach Geist, Seele und Leib, das Kreuz auf sich nehmen (Matth. 16, 24), nur ihm allein dienen (Luk. 16, 13), sein eigenes Ich hassen (Luk. 14, 26), sein Leben ver­lieren, um es auf ewig zu gewinnen (Joh. 12, 25) : das ist die Gesinnung, die der König verlangt.Das alles aber herausgeboren aus dem Leben von oben, aus dem königlichen Standesbewußtsein der Adelskinder aus göttlichem Samen. Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist« (Matth. 5, 48).Zuletzt aber wird das Ende kommen und mit ihm der Sieg; denn des Himmelreichs Botschaft ist

6. Weltweit erlösend in ihrem Ziel. »Der Acker ist die Welt« (Matth. 13, 38). Predigt das Evangelium aller Krea­tur« (Mark. 16, 15). Denn »in seinem Na­men muß Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden unter allen Völkern« (Luk. 24, 47), »in Jerusalem, ganz Judäa, Samaria und bis an das Ende der Welt« (Apg. 1, 8).Und wenn dann der König erscheint, wird sein Reich offen­bar. Die Gesegneten des Vaters werden die Herrschaft ererben, und die Gerechten werden leuchten wie die Sonne immer und ewiglich (Matth. 13, 43). Das ist die Hoff­nung der Himmelreichsbotschaft.

VI. Die Hörer
Aber alle diese Worte waren auf jüdischem Volksboden ge­sprochen. In den Tagen seines Fleisches war der Herr durchaus »Diener der Beschneidung« (Röm. 15,8), für seine Person so­gar selber »unter Gesetz« (Gal. 4, 4). Ich bin nicht gesandt als nur zu den ver­lorenen Schafen des Hauses Israel« (Matth. 15, 24).
Die in der Bergpredigt (Matth. 5-7), Seepredigt (Matth. 13), Ölbergsrede (Matth. 24 und 25) und allen Gleichnissen Ange­redeten waren zunächst Söhne des Volkes Israel. Erst seit der Hinwegnahme der »Umzäunung durch das Kreuz (Eph. 2, 13-16) und der Öffnung des Himmelreichs auch für die Vollhei­den bei der Bekehrung des Kornelius (Apg. 10) hatten auch die Nationen das Recht, den wesentlichen Lehr­inhalt der Evangelien in gleicher Weise wie die Juden direkt auf sich zu beziehen (Joh. 12, 32). Erst diese beiden, nach dem Erdenleben Jesu vollzogenen Ereignisse eröffneten hinterher auch den Nichtisraeliten die Tür in den Lehrsaal des Herrn.

Nun aber besteht auch »kein Unterschied« mehr (Apg. 15, 8-9); denn beide haben das »gleiches Heil (Apg. 28, 38; 11,17). Nun gibt es nicht zwei Evangelien – ein judenchristliches und ein heidenchristliches -, sondern nur ein Evangelium und eine Gemeinde (Gal. 1, 6-9; Eph.2, 11-22; 3,6).1] Und den »Anfang« seiner Verkündigung hat das »Heil« des Gemeinde­zeitalters in der Erdenbotschaft Jesu genommen (Hebr. 2,3). »Heil« und »Errettung« ist also die inspirierte Überschrift der irdischen Verkündigung des HErrn. Und wenn Paulus »sein« Evangelium, im Gegensatz zu dem »Buchsta­ben« und »Tod« des Gesetzes, als »Geist« und »Lebens be­zeichnet – »der >Geist< macht >lebendig<~ (2. Kor. 3, 6) -, so steht der Charakter der Jesusworte auf derselben Haushal­tungslinie: »Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben« (Joh. 6, 63)

So ist die Zeit der Evangelien eine Übergangszeit. Der Um­fang, die Umwelt und oft auch die Lehrform der Himmelreichsbotschaft waren alttestamentlich und national begrenzt; aber ihr Wesen und Geist waren neutestamentliche Freiheit. Die Haushaltungen des Gesetzes und der Gnade sind also nicht durch ein einziges Einzelereignis scharf voneinander ge­schieden, sondern gehen ineinander über wie die Farben des Regenbogens, beginnend mit der Geburtsankündigung des Wegbereiters und abschließend mit der Öffnung des Himmel­reiches für die Heiden durch Petrus in Cäsarea und dem Auf­treten und den Offenbarungen des Paulus (Eph. 2 und 3). Erst von da an war das Zeitalter der Gnade in vollem Umfange angebrochen.

4. Kapitel. DER ENTSCHEIDUNGSKAMPF VON GOLGATHA

Der Haß der Pharisäer brachte Christus ans Kreuz. Die Hin­richtung Jesu war der größte Justizmord der Weltgeschichte. Sie war der feigste Gesandtenmord, das schmutzigste Atten­tat, das jemals Rebellen gegen einen gütigen Vater ihres Va­terlandes begangen haben.

Was aber tat Gott?
Er hat diesen teuflisch gemeinen Aufruhr gegen seine Per­son in das Sühnopfer zur Errettung dieser Rebellen verwan­delt! Er hat auf den Faustschlag in sein heiliges Angesicht mit dem Kuß versöhnender Liebe geantwortet! Wir taten das Äu­ßerste an Bosheit gegen ihn; er aber tat das Äußerste an Güte gegen uns, und zwar beides zur selben Stunde, und so wurde die Schandtat am Kreuz noch im selben Augenblick zum erlö­senden Wendepunkt der Menschheitsgeschichte und zum Umbruch des gesamten Dramas der Weltall-Übergeschichte.

I. Die Bedeutung des Kreuzes für Gott

Das Kreuz ist das größte Ereignis der Heilsgeschichte, noch größer als die Auferstehung. Denn das Kreuz ist der Sieg, die Auferstehung der Triumph; aber der Sieg ist noch wichtiger als der Triumph, obwohl sich dieser mit Notwendigkeit aus ihm ergibt. Die Auferstehung ist das Offenbarwerden des Sie­ges, der Triumph des Gekreuzigten. Der Sieg selber war vollkommen. Es ist vollbrachte (Joh. 19, 30; Hebr. 2, 14).

Für Gott ist das Kreuz
1. Die höchste Erweisung der Liebe Gottes.
Denn dort gab der Allherr des Lebens sein Liebstes in den Tod, seinen eingeborenen Sohn, den Mittler und Erben der Schöpfung (Hebr. 1, 2;3). Christus der HErr starb am Kreuz, er, für den im Äther die Sterne kreisen und für den jedes Mücklein im Sonnenschein tanzt (Hebr. 2,10). Wahrlich: »Darin be­weist Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns ge­storben ist, da wir noch Sünder waren« (Röm. 5, 8). Zugleich aber ist das Kreuz

2. Der größte Beweis der Gerechtigkeit Gottes. Denn dort hat der Richter der Welt »zur Erweisung seiner Gerechtigkeit« nicht einmal seines eigenen Sohnes geschont (Röm. 8, 32). In all den Jahrhunderten vor Golgatha hatte Gott, trotz vieler Gerichte im einzelnen, die Sünde doch niemals hundertprozentig bestraft (Apg. 17, 30), so daß schließlich seine Heiligkeit durch seine Geduld in Frage gestellt zu sein schien »wegen des Dahingehenlassens der vor­her geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes« (Röm. 3,25). Da hat erst der Sühntod des Erlösers, als göttliche Selbst­rechtfertigung der vergangenen Menschheitsgeschichte, die un­umstößliche Gerechtigkeit des obersten Weltenrichters erwie­sen. Alle Geduld der Vergangenheit war nur möglich im Hin­blick auf das Kreuz, und alle Vergebung der Zu­kunft ist nur »gerecht« durch den Rückblick auf das Kreuz (Röm. 3, 23; 1. Joh. 1,9). Und gerade dadurch ist das Kreuz

3. Die wunderbarste Vermehrung des Reichtums Gottes. »Du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht (Off. 5, 9). Sie sind nun erworben für Gott, das »Volk zum Besitztum« (1. Petr. 2, 9), das »Eigentumsvolk« (Tit. 2, 14).

II. Die Bedeutung des Kreuzes für Christus

Für Christus und Gott ist das Kreuz
1. Die höchste Anerkennung der Herrschaft Gottes; denn der Sohn »ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze (Phil. 2, 8; Röm. 5,19).

2. Die höchste Vollendung des Glaubens an Gott; denn er hat »an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt (Hebr. 5, 8; 9) und ist also der »Anführer« und »vollkommenste Ausge­staltung des Glaubens geworden (Hebr. 12, 2).

3. Die entscheidendste Erwerbung des Wohlgefallens Got­tes, denn er gab sich als Opfer dahin, »Gott zu einem duftenden Wohlgeruch« (Eph. 5), und

4. Die endgültige Verewigung der Liehe Gottes. »Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf daß ich es wiedernehme« (Joh. 10, 17). Und was Christus persönlich be­trifft, so ist das Kreuz für ihn:

5. Der Weg zur Verklärung seiner Liebes- und Machtstel­lung zur Siegerstellung, vom Sein »in dem Schoße des Vaters« bis hin zum Sitzen »zur Rechten der Majestät in der Höhe« (Phil. 2, 9; Hebr. 2, 9; 8, 1), und ferner

6. Der Weg zum Besitz einer erlösten Gemeinde, vom »Al­leinsein« des Weizenkorns, durch Sterben hindurch, zum sieghaften »Verherrlichtwerden« und »Fruchtbringen« (Joh. 12, 24).

 III. Die Heilsbedeutung des Kreuzes für uns

A. Das Einzelheil

Für den einzelnen ist das Kreuz ein doppeltes: die Grund­lage seiner Rechtfertigung, juristisch seine Vergangenheit ord­nend, und die Grundlage seiner Heiligung, sittlich seine Ge­genwart beherrschend.

1. Die Grundlage der Rechtfertigung.
Auf den Bürgen muß all unsere Sünde gelegt werden (Jes. 53, 5), er muß sie tragen an Stelle der andern (Hebr. 9, 28), damit sie, der Sünde gestorben, nunmehr der Gerechtigkeit leben; und wie das Verderben der Mensch­heit durch den Fall – also ein geschichtliches Einzelereignis – hervorgerufen worden war (1. Mose 3; Röm. 5,12), so muß nun auch seine Aufhebung durch den Bürgen desgleichen durch ein Einzelereignis – eben die einzigartige »Rechtstat« von Golgatha – bewirkt werden (Röm. 5,18). Und da das Wesen der Sünde in der Trennung des Geschöpfes vom Schöp­fer besteht, also in der Trennung vom Urquell des Lebens und Folglich im Tode, so muß nun auch der Erlöser, wegen der not­wendigen Entsprechung von Sünde und Sühne, das Urteil die­ses Todes erdulden und so durch sein Sterben die Wiederher­stellung des Lebens bewirken. »Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung« (Hebr. 9, 22). Nur so kann er, durch den Tod, dem die Macht nehmen, der die Gewalt des Todes hat, dem Teufel (Hebr. 2,14; 1. Kor. 15, 21).

Dies ist die Logik des Heils. Festgewurzelt und unantastbar steht sie im Erlösungsplan Gottes da. An ihrer zwingenden Beweisführung zerschellen alle hochmütigen Angriffe des Un­glaubens. Die verhaßte »Bluttheologie« der Bibel (Hebr. 9, 22), mit dеm gekreuzigten Christus als ihrem Zentrum, bleibt dennoch der Felsen des Heils, zwar vielen ein Stein des Anstoßes, den Erlösten aber der lebendige Eckstein.

Für die Erretteten ist dann das Kreuz

2. Die Grundlage der Heiligung.
Christus der HErr starb am Kreuz, damit wir nicht an das Kreuz brauchten. Das ist die uns ausschließende, rechtliche Seite seines Sterbens, das »Er­lösende« von Golgatha. Und dennoch: Er starb dort am Kreuz, damit wir, zusammen mit ihm trotzdem an das Kreuz kämen. Das ist die uns einschließende, sittliche Seite seines Sterbens, das »Bindende« von Golgatha. Wir sind mit dem Gekreuzigten »zusammengepflanzt« (Röm. 6, 5) und zur »Gleichheit seines Todes« organisch verbunden. Wir sind Nachfolger, Kreuzträ­ger (Matth. 10, 38), »Weizenkörner« wie er, die nur durch Sterben zum Leben gelangen (Joh. 12,24). Wir sind beru­fen zum Teilhaben an dem Charakter der zwar dunklen, aber nichtsdestoweniger kostbaren Grundlage unserer eigenen Er­lösung. Wir sind »mit Christo gekreuzigt« (Gal. 2, 19).

a) Die Welt um uns ist durch den Gekreuzigten für uns tot. Sie ist durch das Kreuz uns »gekreuzigt« und wir der Welt (Gal. 6, 14).

b) Die Welt in uns ist gleichfalls mit am Kreuz. »Indem wir dies wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt wor­den ist, … daß wir der Sünde nicht mehr dienen« (Röm. 6, 6; 11).

c) Die Welt unter uns ist durch das Kreuz völlig besiegt. Denn »nachdem Christus die Mächte und Gewalten entwaffnet hatte, hat er sie öffentlich an den Pranger gestellt und durch das Kreuz über sie triumphiert« (Kol. 2, 15; 1. Mose 3,15), und schließlich

d) Die Welt über uns ist durch das Kreuz für uns Gnade und Segen; denn der Fluch des Gesetzes ist abgetan (Gal. 3, 13). Die in ihren Geboten wider uns zeugende Schuldhand­schrift ist ausgelöscht und ans Kreuz geheftet (Kol. 2,14). Gottes Blick kann nun nicht mehr auf sie fallen, ohne zugleich auf das Kreuz zu fallen; sie ist gleichsam mitgetötet, mitge­kreuzigt. »Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich Gott lebe« (Gal. 2,19).

Das Gesetz Gottes hatte den Tod über den Sünder verhängt (Gal. 3,10), und diesen hat Christus an seiner Statt getragen. Also ist Christus »durch« das Gesetz gestorben. Damit aber hat das Gesetz seine weiteren Geltungsansprüche an ihn verloren, gleichwie ein zum Tode Verurteilter durch die Hinrich­tung aus dem Untertanenverhältnis gegen die hinrichtende Obrigkeit ausscheidet. So ist nun auch Christus »dem« Gesetz gestorben. Was aber Christus erfuhr, hat der Gläubige in ihm miterlebt (Röm. 6,5-11). Also ist auch er dem Gesetz gegen­über tot und lebt nun in der Freiheit des Auferstandenen (Röm. 7, 4)

B. Das Gesamtheil

Auch für die Gesamtheit ist durch das Kreuz eine vollstän­dige Neuordnung eingetreten, und zwar

nach innen hin – als Aufhebung des Gesetzes,
nach außen hin – als Heilszulassung der Völkerwelt,
nach allen Seiten hin – als Weltall-Triumph des Gekreu­zigten.

1. Die Aufhebung des Gesetzes.
Nach innen hin bedeutet das Kreuz die Erfüllung und Abschaffung aller mosaischen Opfer (Hebr. 10, 10-14) und damit die »Aufhebung« des Ge­setzes überhaupt (Hebr. 7,18). So aber ist Christus durch das Kreuz »des Gesetzes Ende« (Röm. 10, 4) und also der »Bürge eines besseren Bundes« geworden (Hebr. 7, 22).

2. Die Heilszulassung der Völkerwelt.
Ist aber das Gesetz abgeschafft, so auch nach außen hin. Bis zum Kreuz war das Gesetz der »Zaun«, der das jüdische Volk von den Weltvölkern trenn­te (Eph.2, 14.). Die Nationen waren »ohne Gesetz« (Röm. 2, 12) und »Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung« (Eph. 2, 12). Zwischen beiden bestand eine Spannung. Nun aber ist Christus »unser Friede«. Mit der Erfüllung des Gesetzes hat er die »Zwischenwand der Umzäunung« hinweg­getan und die beiden, die Juden und die Heiden, in dem einen Leibe seiner Gemeinde, durch das Kreuz, miteinander wie auch mit Gott versöhnt (Eph. 2, 13-16). …

3. Der Weltall -Triumph des Gekreuzigten.
»Jetzt ist das Gericht dieser Welt! Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinaus­geworfen werden« (Joh, 12,31). Gerade durch das Kreuz hat der Sterbende triumphiert. Gerade »durch den Tod« hat er »dem die Macht ge­nommen, der die Gewalt des Todes hat«, dem Teufel (Hebr. 2, 14). Daher sein Siegesruf: »Es ist vollbracht!« (Joh. 19, 30.) Das Ausgestoßenwerden Satans ist seiner Kraft nach begründet auf Golgatha (Joh. 12, 31), seiner Auswirkung nach geschieht es allmählich (Matth. 12, 29), seiner Vollendung nach wird es einst völlig sein (Off. 20, 10).

4. Christus – das Weizenkorn.
Durch dies alles wurde »Christus das Weizenkorn, welches welterlösende Liebe am Karfreitag in die Erde gesenkt hat, das Weizenkorn, das Ostersonntag die Erde durchbricht und himmelan zu wachsen beginnt, das Weizenkorn, dessen goldner Halm am Himmelfahrts­tage zum Himmel emporsteigt, das Weizenkorn, dessen myriadenreiche Ähre sich am Pfingsttage zur Erde herabneigt und die Samenkörner aus­streut, aus denen die Gemeinde geboren wird« (Joh. 12, 24).

5. Das Kreuz von Ewigkeit zu Ewigkeit.
So sehen wir das Kreuz überall:
das Kreuz in der Ewigkeit – das Lamm, zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt (1. Petr. 1, 19),
das Kreuz in der Vergangenheit der Zeit – Gethsemane, Gabbatha, Golgatha;
das Kreuz in der Gegenwart – der gekreuzigte Christus als das lebendige Grundthema unserer eigenen Verkündi­gung (1. Kor. 2, 2);
das Kreuz in der Zukunft – der früher einst erniedrigte Heiland dann als König des geoffenbarten Messiasreiches (Phil. 2,8-11) und
das Kreuz in der Herrlichkeit – die Botschaft vom Lamm, als das Edelsteinfundament der himmlischen Stadt (Off. 21, 14).

5. Kapitel. DER TRIUMPH DER AUFERSTEHUNG

Christus ist auferstanden!« Mit diesem Siegesruf ist das Evangelium durch die Lande gedrungen. Die Botschaft vom Kreuz ist zugleich Botschaft der Auferstehung (Apg. 1, 22). Darin besteht ihre Unüberwindbarkeit (Off. 5, 5-6).

An sich wäre eine Rückkehr des Erlösers in den Himmel auch ohne leibliche Auferstehung denkbar gewesen. Ein Lebendiger wäre Christus ja auch dann geblieben, wenn er, un­mittelbar nach dem Tode, als Geist in die Herrlichkeit seines Vaters zurückgekehrt wäre! Als Geist ohne menschlichen Leib hatte er, vor seiner Menschwerdung, ja schon immer in allen Äonen der Ewigkeit im Himmel existiert und war dennoch der Brunnquell und Fürst alles Lebens gewesen (Apg. 3, 15). Nein, Fortexistenz nach dem Tode und Aufstieg zum himmlischen Thron war durchaus noch nicht notwendig dasselbe wie Auferstehung des Leibes!

Und doch war gerade sie die Voraussetzung für die Durch­führung der Erlösung. Denn nur sie war

I. Die volle Auswirkung des Sieges des Erlösers über den Tod
Bei einer Rückkehr in den Himmel ohne leibliche Auferste­hung wäre Christus nicht als voller Todesüberwinder offen­bar geworden. Er hätte nur geistig und sittlich über den Tod triumphiert; aber sein Sieg über den materiel­len Tod wäre nicht königlich hervorgetreten. Sein Triumph wäre nur gleichsam ein »Zwei-Drittel«-Triumph, nicht aber ein vollständiger Triumph gewesen; denn von der dreiteiligen menschlichen Persönlichkeit wären nur zwei Teile – Seele und Geist -, nicht aber auch der Leib in den Triumph seiner Erlösung mit eingeschlossen gewesen.

Ja, noch mehr. Ohne leibliche Auferstehung wäre Christus im Vollsinn des Wortes überhaupt nicht als Todesüberwinder offenbar geworden. Denn »Тоd« ist doch nicht Aufhören der Existenz, sondern Auflösung der menschlichen Persönlichkeit, nicht Auslöschung des Daseins, sondern Auseinanderreißung des Zusammenhangs von Geist, Seele und Leib. Überwindung des Todes muß darum in der Wiedereinsetzung dieser Einheit, in der Wiederherstellung des organischen Zusammenhangs von Geist, Seele und Leib offenbar werden, das aber heißt – vom Leibe aus gesehen – in der Wiedervereinigung des Lei­bes mit der Seele und dem Geist. Ohne leibliche Auferstehung darum überhaupt kein Triumph des Lebens (1. Kor. 15, 54­-57). Als überwunden erwiesen wird das Sterben nur in der Form der leiblichen Auferstehung.

Weiterhin war die Auferstehung notwendig als

II. Die Voraussetzung für die Entstehung des Glaubens in den zu Erlösenden
»Denn der Glaube kommt aus der Predigt« (Röm. 10, 14-17), und diese geht zurück auf den Glauben der ersten Zeit. Der einzelne glaubt durch das Zeugnis des Glaubens der Ge­meinde (Kol. 3, 15), und der Glaube der Gemeinde ist undenkbar ohne den Glauben der ersten Generation (Eph. 2, 20). Aber gerade dieser war nach dem Kreuzestode Christi zusammengebrochen (Joh. 20, 19; 25; Luk. 24, 21). Da waren es erst die leibliche Auferstehung des HErrn und die sich daran anschließenden Erscheinungen des Aufer­standenen, durch welche er wieder neu aufgerichtet wurde (1. Petr. 1, 21). Ohne leibliche Auferstehung hätte niemals ein denkender Mensch je an den Gekreuzigten geglaubt; denn sein Ende hätte seine eigenen Voraussagun­gen von seiner Auferstehung und seinem Triumph widerlegt (Matth. 16,21; 17,23; Joh. 2,19). Die Auferstehung des HErrn ist darum das Siegel des Vaters auf die Person und das Werk seines Sohnes (Apg. 2, 32). Durch Totenauferstehung ist Christus als Prophet und Sohn Gottes in Kraft »erwiesen« (Röm. 1, 4).
Die Auferstehung ist das Siegel auf

1. das Zeugnis der Propheten,
2. das Selbstzeugnis Jesu
3. das Zeugnis seiner Apostel. Sie beweist
4. die Gottessohnschaft Jesu,
5. die Königsherrschaft Jesu,
6. die Weltrichtervollmacht Jesu, und sie gewährleistet
7. unsere eigene, zukünftige Auferstehung und Verklä­rung.

Darum ist sie auch das urkundlich verbürgteste Ereignis der Heilsgeschichte. Gerade in dem selbst von der radikalsten Bibelkritik als echt anerkannten ersten Korintherbrief gibt Pau­lus vor kritischen Lesern unter Hinweisung auf Hunderte noch lebender Augenzeugen (1. Kor. 15, 6) folgende vier Hauptbeweise:

1. Den Erfahrungsbeweis: Ihr Korinther seid selbst durch die Botschaft vom leiblich Auferstandenen gerettet worden(1. Kor. 15, 1);
2. den Schriftbeweis: Nicht nur gestorben, sondern auch auferstanden ist Christus »nach den Schriften« (1. Kor. 15,3-4)
3. dеn Zeugenbeweis: Über ein Halbtausend Männer haben ihn bei den verschiedensten Gelegenheiten nach seiner Auferstehung persönlich gesehen (1. Kor. 15, 5-12):
4. dеn heilsgeschichtlichen Notwendigkeitsbeweis: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich und euer Glaube eitel; so sind die, die in Christo entschlafen sind, verloren; so sind wir die elendsten unter allen Men­schen« (1.Kor. 15, 13-19).

Das Kreuz und die Auferstehung gehören folglich zusam­men. Der Gekreuzigte starb, um aufzuerstehen (Joh. 10, 17), und der Auferstandene lebt ewig als der „Gekreuzigte« (1. Kor. 2, 2; Off. 5, 6). Darum werden auch die Heilswirkun­gen der Erlősung immer wieder mit diesen beiden Tatsachen zusammen in Verbindung gebracht.

Damit ist aber auch zugleich schon gesagt: Die Auferste­hung ist – in Verbindung mit dеm Kreuz –

III. Die Grundlage des neues Lebens für die Gläubigen

Erst dann nämlich kann das Sühnopfer Christi dem schuldi­gen Sünder zugutekommen, wenn dieser an ihn glaubt als an das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinweggetragen hat (Joh. 1, 29). Zur Ermöglichung des Glaubens aber war die Auferstehung notwendig. Denn ohne das Offenbarwerden des vollkommenen Sieges von Golgatha im Tri­umph der Auferstehung wäre der Glaube an das Lamm Got­tes nicht möglich geworden.

Darum wird erst in dеm aufer­standenen und erhöhten Mittler das am Kreuz für uns erwor­bene Heil flüssig. Erst in dem zur Herrlichkeit erhöhten Lamm steht die Gnade für alle offen. Und deshalb, weil wir so durch den Glauben die Vergebung der Sünden empfangen haben und damit im Urteil Gottes gerecht und seine Kinder gewor­den sind, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt (Gal. 4, 6), wodurch es zur Wiedergeburt gekommen ist. So ergibt sich als selige Frucht der im Opfertod Christi geschehenen und in der Auferstehung besiegelten Versöhnung eine organische Verbindung des Glaubenden mit Christus, eine Todes- und Lebensgemeinschaft der Erlösten mit dem Er­löser (Röm. 6,5; Gal. 2,19; Kol. 3,3), gleichsam ein Es­sen und Trinken seines Fleisches und seines Blutes (Joh. 6, 53), und der »Christus für uns« wird »Christus in uns«, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol. 1, 27).

Die leibliche Auferstehung des HErrn bedeutet darum die Rückkehr des Erlösers zur Menschennatur, die Verewigung seiner Menschheit in verklärter, verherrlichter Form. Sie be­deutet, daß Christus der »letzte Adam« ist (Röm. 5, 12-21; 1. Kor. 15, 45) und im Himmel zur Rechten Gottes (Apg. 1,11; Dan. 7,13; Phil. 3,21), der schöpferische Anfänger und das organische »Haupt« einer erlösten Geistes­menschheit.

Zugleich aber stehen wir hier vor einer ungeheuren Span­nung unseres Denkens. Denn wie kann der Erlöser noch nach seiner Erhöhung in der Herrlichkeit »Mensch« sein, noch dazu in der Form eines verklärten »Leibes«? Sagt er doch selbst zu den Seinen: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage!«, und ist er doch vor allem die zweite Person in der Gottheit! Hier zeigt sich von neuem der Abgrund des Ewigen. Das Überräumliche und Überzeitliche ist uns restlos unerklärbar. Wenn wir darum hier – mit der Bibel – von »Stofflichkeit« und »Leiblich­keit« reden, so hat dies alles für uns einen unbegreiflichen Sinn. Christus aber ist gerade in die »Ewigkeit« eingegangen. Dennoch lehrt die Heilige Schrift dieses ewige Menschbleiben des Erlösers. Gerade dies verbürgt die Inkraftsetzung und Erhaltung seines Werkes. Sein Sieg über den Tod muß die endlose Fortsetzung seiner Menschwerdung in sich einschlie­ßen. Nur als der »Erstgeborene unter vielen Brüdern« (Röm. 8, 29; Kol. 1,18) kann er der »Urheber ewigen Heils sein (Hebr. 2,10; 5,9).

Zuletzt aber ist die Auferstehung

IV. Das Fundament für die Verklärung der Welt

Als solches entfaltet sie sich in drei stets größeren Kreisen. Sie gewährleistet
im Leben des einzelnen – die Auferstehung des Fleisches,
im Leben der Erdwelt – die Erscheinung des Herrlich­keitsreiches,
im Leben des Weltalls – das verklärte Universum.

1. Die Auferstehung des Fleisches ist nur möglich auf der Grundlage der Auferstehung des HErrn Jesu. Die Auferweckung Jesu ist die Verklärung der Menschheit in Christo als ihrem »Erstling« (Kol. 1,18). Die Aufer­stehung beweist: Der Weg zur Auferstehung der Erlösten ist frei. Sein Triumph über den Tod ge­währleistet uns unsere eigene Auferweckung (Röm. 8, 11). Sein Herrlichkeitsleib ist das Muster und Urbild unseres eigenen, zukünftigen Leibes (Phil. 3, 20; 1. Kor. 15, 49). Die Auferstehung des »Erstlings« ist die Grundlage aller Auferstehung (Joh. 5,26-29).

2. Das Tausendjährige Reich ist durchaus auf der Aufer­stehung des HErrn Jesu gegründet. Denn die dem David gegebenen Verheißungen sprachen von einem ewigen, verklär­ten Menschheitsreich (2. Sam. 7, 13). Dazu ist aber ein ewiger Menschheitskönig erforderlich, eben der Menschensohn, der dereinst auf den Wolken des Himmels erscheint (Dan. 7,13; Matth. 26, 64; Off. 1, 13).
Das Menschbleiben Christi in der Auferstehung ist also die grundsätzliche Erfüllung der davidischen Reichsprophetie. Die Auferstehung des »Königs« ist die Grundlage der messianischen Welt»wiedergeburt« (Matth. 19, 28); und was bei der Wiederkunft Christi geschieht, ist nur die geschichtliche Offenbarung und Durchführung dieser schon längst bei seinem ersten Kommen gegebenen »Erfüllung«. Darum sagt auch Paulus: »Daß Gott ihn (Jesum) aus den To­ten auferweckt hat, … hat er in den Worten ausgesprochen: Ich will euch die dеm David verheißenen, unverbrüchlichen Gnadengüter geben (Apg. 13, 34).

Geistliche »Auferstehung« Israels! (Hes. 37,1-14).
Geist­liche Wiedergeburt der Nationen! (Ps. 87, 4-6; Jes. 25, 7).
Neubelebung der Natur! (Jes. 41,18).

So werden dereinst die Lebens­kräfte des Auferstandenen die ganze Erde erfüllen, und die sichtbare Herrschaft des Messias wird für die irdische Schöp­fung neues Leben sein (Matth. 19,28).

Aber auch das Tausendjährige Reich ist nur Einleitung und Vorspiel. Das Endziel ist
3. Der neue Himmel und die neue Erde nach dem Großen Weißen Thron. Dann werden nicht nur Seele und Geist, sondern auch Stoff und Natur in Voll­endung verklärt sein. Im himmlischen Jerusalem wird es gleichsam Gold geben, »durchsichtig wie Glas« (Off. 21,18). Nicht Geistigkeit, sondern Geistleiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes mit seiner Kreatur.
Aber auch hier ist das Osterereignis das schöpferische Fun­dament. Die Auferstehung des »Erben aller Dinge« ist die Gewähr des neuen Himmels und der neuen Erde.
An Jesu Lei­be wurde in der Auferstehung zum erstenmal Materie ver­klärt (Joh. 20, 27 und bes. Luk. 24, 39-43), und damit der Grundsatz der Verklärbarkeit des Stoffes in der Heilsgeschichte geoffenbart und gewährleistet. Auch in dieser Hinsicht ist Christus »der Erstling«. Fortan beruht alle Verklärung des Himmels und der Erde auf der Auferste­hung des Leibes des Erlösers, und nach dem Großen Weißen Thron werden die Lebenswirkungen des Auferstandenen in weltumspannendster Weise offenbar. Darum ist dies der letz­te und umfassendste Sinn seiner Auferstehung: »Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde« (Jes. 65,17; 2. Petr. 3,13).

6. Kapitel. DIE AUFFAHRT DES SIEGERS

Der siegreich Auferstandene ist gen Himmel gefahren. Der von den Menschen ans Kreuz »Erhöhte« (Joh. 12,32) wurde von Gott in die Herrlichkeit »erhöht« (Phil. 2,9). »Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße« (Ps. 110,1).

Für alle drei Ämter des Erlösers ist die Himmelfahrt von entscheidendster Bedeutung. Sie ist
für das prophetische Amt – der Übergang aus der un­mittelbaren Prophetie in die Geistprophetie,
für das priesterliche Amt – der Übergang in das Hohepriestertum »nach der Ordnung Melchisedeks«,
für das königliche Amt – die Erweiterung der könig­lichen Vollmacht zur königlichen Herrschaft.

I. Das prophetische Amt
war zunächst vornehmlich:

1. Zeugendienst durch Wandel. Von der Menschwerdung des Erlösers bis zu seinem öffentlichen Auftreten war die Kundmachung Gottes, wie Christus sie vollzog, durchaus ein Prophetentum der Persönlichkeit. Das Leben des Kindes, des Jünglings, des werdenden Mannes offenbarte die Heiligkeit Gottes – »Wer mich sieht, der sieht den Vater« – und zeigte das göttliche Ideal für die normale Lebensentwicklung der Menschen (vgl. Luk. 2, 40; 52). Das »Themas dieses Prophetentums lautete gleichsam: »Der Mensch Gottes«. Seit der Taufe trat noch die

2. Wortprophetie hinzu, zu dem Prophetentums des Lebens das Prophetentum der Lehre. Christus »lehrte wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten« (Matth. 7, 29). Sein Thema war jetzt: »Das Reich Gottes. Seine Himmelfahrt aber bedeutete den Übergang dieses direkten Prophetentums in ein indirek­tes, und – in Verbindung mit Pfingsten – den Beginn einer vom Himmеl her wirkenden

3. Geistprophetie. Nun gibt es ein »Kommen« des erhöhten Propheten in Wort und in Geist zu uns, den zu Belehrenden (Joh, 14, 18; 28). Nicht nur seine Sendboten »kommen« – die Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer (Eph. 4, 11) und überhaupt seine »Zeugen« allzumal (Apg. 1, 8) -, sondern in ihnen und ihrer Botschaft »kommt« Christus sel­ber (Matth. 10, 40) und setzt sein Prophetentum durch den Geist von der Herrlichkeit aus fort; wie Paulus von dem Gekreuzigten und Auferstandenen bezeugt: »Er kam und ver­kündigte Frieden, euch, den Fernen (den Nichtjuden) und Frieden den Nahen (den Juden)« (Eph. 2, 17). Sein Thema ist jetzt: »Die vollbrachte Erlösung«, der »Friede«, das »Licht« (Apg. 26, 23).

Von noch größerer Bedeutung ist die Himmelfahrt für

II. Das hohepriesterliche Amt

Auf Erden brachte Christus die wesenhafte Erfüllung des aaronitischen Priestertums (Hebr. 5, 1-4; 9, 6-23), das Sühnopfer stellend zur Errettung der Sünder; doch, von der Erde erhöht und in die Himmelswelt eingegan­gen ist er nun »von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks« (Hebr. 5, 10). Seine Himmelfahrt ist also nicht nur der Wendepunkt zwi­schen seinem Stande der Niedrigkeit und seinem Stande der Hoheit, sondern zugleich auch der Wendepunkt zwischen zwei Formen der Ausübung seines hohenpriesterlichen Wir­kens.
In der Himmelfahrt ist Christus in das obere Allerhei­ligste eingegangen, »nicht mit fremdem Blut«, wie die alt­testamentlichen Hohenpriester am Großen Versöhnungstage in das irdische Allerheiligste eingingen (3. Mose 16, 15-19), sondern »mit seinem eigenen Blut«, d. h. mit seinem Selbstopfer auf Golgatha, um so, auf dieser Grundlage, nunmehr vor dem Angesicht Gottes für uns zu er­scheinen (Hebr. 9, 11-14; Röm. 8, 34).

Damit aber wird die Himmelfahrt Christi zugleich die Rechtfertigung des Gekreuzigten (Phil. 2, 9),
die An­nahme des Werkes des Sohnes durch den Vater (Hebr. 5, 10),
die Gültigerklärung seines irdischen Hohenpriestertums durch die höchste Majestät in der Himmelswelt (Apg. 2, 34-36),
der wesenhafte Sinn und die zentralste Erfüllung der feierlichsten Hohenpriesterhandlung des größten aller israelitischen Feste (Hebr.9,7).

III. Das königliche Amt
Sie ist die »Thronbesteigung« des »Königs der Ehren« (Ps. 24, 8) . . .
Vom Himmel her offenbart Christus sein Königtum in vielfacher Weise:
als Gründung seiner Gemeinde – durch die Ausgießung des Geistes,
als Ausbreitung seines Reiches – durch Bekräftigung der Heilsbotschaft,
als Verteidigung seines Reiches – durch Überwindung der Hindernisse
als Vollendung seines Reiches – durch seine Ankunft in Herrlichkeit (1. Tim. 6, 14) . . .

7. Kapitel. DIE ERÖFFNUNG DES GOTTESREICHES
                     (Die Ausgießung des Heiligen Geistes).

Mit Pfingsten beginnt eine neue Zeit, das Zeitalter des heiligen Geistes. Der Unterschied zur alttestamentlichen Zeit ist ein dreifacher:

I. Der Umfang. Im Alten Bunde kam der Geist nur auf einzelne (4. Mose 11, 29), im Neuen Bunde kommt er auf alle Gläubigen (Apg. 2, 4; 17; Röm. 8, 9).

II. Die Dauer. Im Alten Bunde wirkte der Geist immer nur für eine Zeitlang (4. Mose 11, 25), im Neuen Bunde »wohnt« er in den Gläubigen (Joh. 14, 17; 23; 1. Kor. 3, 16)

III. Der Inhalt und Zweck. Im Alten Bunde wirkte der Geist nur erziehend und dienstbefähigend; im Neuen wirkt er in der mannigfaltigsten Weise, nämlich

zur Weckung des Glaubens – heilswerbend, als »Geist der Wahrheit;
zur Bewirkung der Wiedergeburt – lebensspendend, als Geist der Sohnschaft;
zur Lenkung der Heiligung – erziehend, als »Geist der Heiligkeit« (Ps. 51, 11);
zur Belebung des Dienstes – ausrüstend, als »Geist der Kraft« (2. Tim. 1, 7);
zur Herbeiführung der Verherrlichung – erklärend, als »Geist der Herrlichkeit« (1. Petr. 4, 14)

1. Heilswerbend. Die Aufgabe des Geistes ist es, Christum zu verklären. Als »Zeuge« des HErrn an die Welt (Joh. 15, 26) ist er der große Evangelist des Sohnes (Off. 22,17). Er redet zur Welt von Sünde, Gerechtig­keit und Gericht (Joh. 16, 8-11), von Sünde der Welt, Gerech­tigkeit Christi und Gericht über Satan.

Die Sünde der Welt deckt er auf durch den Hinweis auf ih­ren Unglauben, mit dem sie den HErrn, den einzig wahren Guten, verworfen haben (Apg. 2, 22)

Die Gerechtigkeit Christi stellt er fest durch den Hinweis auf die Himmelfahrt; denn gerade in der Erhöhung ist der von den Sündern als »ungerecht« Verworfene von Gott als der »Heilige« und »Gerechte« anerkannt worden (Joh. 16, 10; Apg. 2, 25; 1. Tim. 3,16)

Das Gerichtetsein Satans macht er klar durch den Hinweis auf Jesu Kreuzessieg (Joh. 19, 30); denn gerade durch das Kreuz ist der Fürst dieser Welt gerichtet worden (Kol. 2, 15), und darum kann nunmehr die Welt aufgefordert werden, einem anderen, dem eigentlichen Fürsten, zu huldigen.

So wird die in ihren eigenen Augen gerechte Welt durch das Zeugnis des Geistes sündig gesprochen; der von dеп Men­schen als Sünder Gekreuzigte wird durch den Geist als der Heilige und Gerechte erwiesen, und Satan, der Urheber des Mordes von Golgatha, wird als der Besiegte und Gerichtete bloßgestellt. Dies ist das dreifache Zeugnis des Geistes an die Welt …

Gerade dies ist die eigentliche Hauptbedeutung des Pfingstereignisses: Der von dem Himmel herniedergesandte »Geist des Sohnes«(Gal. 4, 6) verbindet die Erlösten mit dem Erlöser, und eignet dem Glaubenden die volle Frucht des Opfers Christi zu. Das in der Menschwerdung und Auferstehung Christi erst  göttlicherseits  begründete, organische Verhältnis wird nun durch die Ausgießung des Geistes auch menschlicherseits er­fahrene Wirklichkeit. »Der HErr ist der Geist« (2. Kor. 3, 17), und »wer dem HErrn anhängt, ist ein Geist mit ihm« (1. Kor. 6, 17).

So ragt die Bedeutung von Pfingsten in die Ewigkeit hinein. Durch den Geist sind wir Söhne (Röm. 8, 14), als Söhne sind wir Erben (Gal. 4, 7), und als Erben Teilhaber seiner kommenden Herrlichkeit (Römer 8, 17) . . .

Zusammengestellt und die Hervorhebungen von Horst Koch, Herborn, im Februar 2006

Das komplette Buch ist nur noch antiquar erhältlich, evtl unter  – www.amazon.de

 

Erich Sauer

Der Triumph des Gekreuzigten
Erster Teil:    Der Aufgang aus der Höhe (hier)
Zweiter Teil: Die Gemeinde der Erstgeborenen (unter Gemeinde Jesu)
Dritter Teil:  Das kommende Gottesreich  (unter Antichrist)
Vierter Teil: Weltvollendung und Himmlisches Jerusalem (unter Antichrist)

 

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