Der Holocaust – Wo war Gott? (A.Katz)

Arthur Katz

Der Holocaust – Wo war Gott?



– Folgend Auszüge aus diesem Buch. Für meine Webseite. Von Horst Koch, Herborn, im Frühjahr 2024 –

Vorwort von A. Katz
Ich empfinde durchaus eine gewisse Unruhe, wenn ich Ihnen diese Gedanke über das geschehen, das unsere Epoche am stärksten geprägt hat, vorlege – Gedanken über den Holocaust.
Doch wir wollen es wagen, die Frage zu untersuchen, die in diesem Zusammenhang die wichtigste ist und die doch so wenig gestellt wird: Wo war Gott?

Es ist offensichtlich, daß jeder der diese Frage bisher gestellt hat, erfahren mußte, daß herkömmliche Ansichten, die für viele andere Erklärungen ausreichte, im Angesicht dieses Ereignisses ihre Relevanz verloren. Hier stehen wir vor der Wahl, entweder unseren unzureichenden Glauben aufzugeben oder zu einer neuen Dimension der Erkenntnis Gottes vorzudringen.

Diese wichtige Frage unbeachtet zu lassen, wäre ein schlechter Dienst an den Opfern. Unser Menschsein würde dadurch einer Fähigkeit beraubt, nämlich nach dem letzten Sinn der Dinge im Angesicht scheinbarer Sinnlosigkeit fragen zu können. Ich wage zu behaupten, daß der niederschmetternde Verfall sittlicher Zivilisation im letzten halben Jahrhundert darauf zurückgeführt werden muß, daß wir versäumt haben, diese Frage zu untersuchen und uns den Konsequenzen stellen. In meinem Anliegen werde ich durch eine bemerkenswerte Äußerung des bekannten schottischen Geistlichen Oswald Chambers ermutigt, dessen Andachtsbuch „Mein Äußerstes für Sein Höchstes“ Generationen von Lesern zum Segen geworden. Im Eintrag für den 29. Juli heißt es u.a.:
„Es besteht ein Zusammenhang zwischen den seltsamen Führungen Gottes und dem, was wir von Ihm wissen, und wir müssen lernen, die Geheimnisse des Lebens im Lichte unserer Erkenntnis Gottes anzulegen. Ehe wir der dunkelsten, schwärzesten Tatsache voll ins Gesicht sehen können, ohne dabei Gottes Wesen zu verunglimpfen, kennen wir Ihn nicht.“

So widme ich dieses erste Herantasten jenen mutigen lesen, die bereit sind, „hinzutreten“, um diesen brennenden Busch zu betrachten, der vom Feuer nicht verzehrt wird. Ich verstaue darauf, daß inmitten dieses Busches immer noch derselbe Gott ist, der auch Mose rief näherzutreten, als Er sah, daß Mose sich umwandte, um zu sehen – und daß Er Sie ebenso rufen wird.
Arthur Katz

EINLEITUNG
Die Frage nach dem Holocaust, der systematischen Vernichtung der Juden in Europa, war von zentraler Bedeutung für meine Persönlichkeitsbildung als moderner Mensch. Schon als Atheist wußte ich intuitiv, daß der Schlüssel zur Sinnfrage menschlicher Existenz und dem Elend des Lebens in den Gräbern der Opfer zu suchen war.
Als moderner Jude, der in New York City aufgewachsen war und der als jungen Mann den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte, war mein ganzes Leben von Jugend an ein existentieller Schrei nach Wirklichkeit und Sinn. Doch die Statistiken des Holocaust ließen sowohl mein Weltbild, wie auch das anderer Juden, vollkommen zusammenbrechen.
Die Gedanken an den Holocaust beschäftigten mich viele Jahre meines Lebens, und ich wollte verstehen, wie es geschehen konnte, daß wir derart systematisch vernichtet worden waren, und das nicht durch irgendein primitives, unkultiviertes Volk, sondern durch eine der in Kultur und Bildung fortschrittlichsten Nationen der ganzen Erde, die Deutschen. Es war zudem ein Volk, mit dem uns eine lebenslange Liebesbeziehung verbunden hatte. Ja, man war damals unter der jüdischen Bevölkerung sogar so weit gegangen, Deutschland als die messianische Alternative zu preisen. Viele Juden hatten gedacht, wenn die ganze Welt so wäre wie die deutsche Kultur, dann wäre es dem Kommen des Messias gleichwertig.

Schon lange zuvor hatten wir die biblische Erwartungshaltung verloren und gaben uns mit etwas zufrieden, das rein ethisch, moralisch und kulturell beeindruckend war Daß wir dann gerade durch diese Nation so brutal und bestialisch vernichtet wurden, ist eine Tatsache, die wir bei unseren Überlegungen nicht übersehen sollten. Hier ist eine Aussage enthalten, die für uns eine tiefgehende Lehre sein könnte. Und die Tatsache, daß wir diese Belehrung weder gesucht noch erhalten haben, macht es beinahe unausweichlich, daß wir eine derartige Erfahrung noch einmal machen werden.
Der Holocaust ist ein unverdauter Brocken und nach wie vor der bedeutsamste Faktor im modernen jüdischen Leben – allein schon wegen des unfaßbaren Ausmaßes des Geschehens.  . . .

Wenn wir die Bedeutung dieses Geschehens nicht sorgfältig untersuchen und verstehen, wird sowohl das jüdische Volk als auch die Menschheit insgesamt unermeßlichen Schaden erleiden.

Leiden hat eine Eigenschaft, die uns wie nichts anderes die Türen zu Wahrheit und Realität eröffnen kann.  . . .

Es gibt kein Geschehen in der Geschichte, das mehr beschriebenes Papier und Literatur hervorgebracht hätte und intensiver erforscht worden wäre als der Holocaust.  . . .  Aber es gibt kaum Literatur, die der Frage nachgeht: „Wo war Gott in all dem, und warum hat Er das zugelassen?“

Wir können sagen wie es im einzelnen geschah, aber wir können nicht erklären, warum. Wir müssen erkennen, daß es einen großen Unterschied zwischen diesen beiden Fragen gibt. Auf die Frage nach dem „Wie“ können wir eine Antwort geben. Die Historiker haben die Überreste sortiert und haben umfangreiche Studien angestellt, nur um zu zeigen, wie alles gemacht wurde. Sie können sogar auf ein „Warum“ antworten, soweit es den Aufstieg des Nationalsozialismus und Hitlers Antisemitismus und seinen Haß auf die Juden betrifft. Doch das beantwortet nicht die eine große Frage, und meines Wissens gibt es bisher keine Literatur, die eine zufriedenstellende Antwort zu geben vermag.
Eine der Tatsachen, die der Holocaust ans Licht bringt, ist, daß wir in naiver und oberflächlicher Weise traditionelle Vorstellungen über Gott gutgeheißen haben. Solche Vorstellungen haben in uns ungeheure emotionale geistige und geistliche Umbrüche geschaffen. Doch als der Gott, den wir in unserer Vorstellung akzeptieren, sich mit Macht als der Gott hätte erweisen sollen, der fähig ist einzugreifen – blieb er stumm.

Das wirft die Frage auf, ob wir es entweder mit einem Gott zu tun haben, der moralisch unvollkommen, weil gleichgültig gegenüber dem Leiden, insbesondere seines eigenen Volkes ist, oder mit einem Gott, der nicht die Macht hat einzugreifen, oder einfach mit einem Gott, den es nicht gibt.

Wir werden als ein hochbegabtes Volk und als Urheber vieler Bücher angesehen. Wir werden „Das Volk des Buches“ genannt; aber das große Paradoxon ist, daß wir das Buch, für das wir berühmt sind, am wenigsten kennen! Selbst wenn wir zu den Religiösen unseres Volkes gehören, kennen wir es nicht so, wie wir es kennen sollten. Wir haben uns mehr mit den rabbinischen Kommentaren als mit dem Buch selbst befaßt. Wir können einfach nicht den Glauben aufbringen, daß der Gott, der dieses Buch inspirierte, es auch zu unserem rechten Verstehen selbst auslegen kann. Wir müssen daher erst einmal damit beginnen, die Frage der Katastrophen in unserer Geschichte einschließlich des Holocaust – und die Aussicht auf weitere Katastrophen – im Lichte dessen zu sehen, was geschrieben steht.
Unsere heiligen Schriften sind umfassend und eindeutig. Jedoch von den vielen, die sich den Kopf zerbrochen haben, um die Bedeutung dieser Katastrophe zu ergründen, haben sich nur sehr wenige mit unserer Heiligen Schrift beschäftigt, um dort eine Erklärung zu finden. Statt dessen bauen wir Holocaust- Museen in der Hoffnung, so ein weiters Unglück dieser Art abwenden zu können. . . . Das zeigt, wie sehr wir uns mit unseren religiösen Überzeugungen verirrt haben. . . .

Kapitel 1

Eine Deutung des Holocaust

Der Holocaust sprengt die Grenzen unseres gewöhnlichen Vorstellungs-vermögens. Hier werden uns Sachverhalte vor Augen gestellt, mit denen wir uns freiwillig niemals auseinandergesetzt hätten, wären sie uns nicht durch die überaus schmerzhaften Ereignisse der jüngeren Geschichte aufgezwungen worden.
Der Gegenstand der Betrachtung ist von solchem Gewicht, so tiefgründig und heilig, daß sich unwillkürlich die Frage erhebt, ob man dieser Aufgabe überhaupt gewachsen ist. Doch es ist unausweichlich, Menschen zumindest mit dieser einen Tatsache zu konfrontieren, daß Gott, wenn Er denn Gott ist, der einzige ist, der eine Vernichtung von solch schrecklicher reichweite zulassen konnte. Wenn sich ein Geschehen von solchen Ausmaßen in der Geschichte ereignet, dann ist es von enormer Tragweite, ob wir eine Interpretation desselben wagen oder unterlassen. Nichts könnte tragischer sein, als dieses Geschehen so zu verstehen, wie Gott es beabsichtigt hat. Meine Hoffnung mit diesem Buch ist, hier zu einem Verständnis zu gelangen, das mit Gottes Sicht übereinstimmt.

Als ein empörter Jude, mit einem glühenden Haß0 auf die Deutschen,, besuchte ich in den frühen Fünfzigerjahren Dachau. Das dortige KZ-Gelände war damals noch in ziemlich genau dem gleichen Zustand wie zum Ende des Krieges. . . . Nach diesem Erlebnis gab es für mich nur noch „Böse“ – und ich war einer von ihnen.
Der Holocaust ist ein vernichtender Schlag gegen jede Vorstellung, das 20. Jahrhundert sei ein Zeitalter des Fortschritts und der menschlichen Vervollkommnung oder die Erfüllung von irgend etwas, worauf die Menschen von jeher gehofft hatten. Der Schlag traf umso härter, als es eine der aufgeklärtesten Nationen der Welt war, die den Holocaust geplant und durchgeführt hatte. Das war der eigentliche Todesstoß. Wäre dies alles von einem unzivilisierten Volk grobschlächtiger Barbaren verübt worden, wäre der Verstand vielleicht eher in der Lage, es zu fassen. Deutschland in dieser Rolle zu sehen, konfrontiert uns jedoch mit einem unfaßbaren Widerspruch. Für diejenigen freilich, die bereit sind, sich mit diesem Widerspruch zu beschäftigen, liegen darin die tiefsten Offenbarungen über den Zustand des Menschen und über Gott verborgen.

Die weltweite Gemeinschaft der Juden war nach dem Holocaust innerlich so zerstört, gelähmt und im Tiefsten erschrocken, daß aus ihrem Kreis in den darauf folgenden zwanzig Jahren keine bedeutende Literatur zum Thema hervorgegangen ist. Erst danach konnten wir uns aufraffen, Rückschau zu halten und das Geschehene zu untersuchen. Es gab sogar Stimmen unter uns Juden, die sagten, der Holocaust könne niemals beurteilt oder verstanden werden. Es läge außerhalb der menschlichen Fähigkeit, dies zu tun.
Wenn letzteres zuträfe, würde das die Tragik der Situation nur noch vergrößern. Kann es denn sein, daß Dinge in der Geschichte geschehen, die von solch einem Ausmaß sind, daß die gesamte Menschheit zu dem Schluß kommen muß, diese weder interpretieren noch verstehen zu können – und sie somit quasi der Sinnlosigkeit preisgibt? Wenn ja, dann würde dieses Zugeständnis gleichzeitig bedeuten, daß etwas in die Menschheit hineingelegt ist, das in sich selbst das Wesen der Zerstörung trägt. Die angebliche Unfähigkeit, derartige Ereignisse zu verstehen, ist ein Angriff auf unsere geistige Gesundheit und unsere Würde als Menschen. Wir bereiten damit den Boden für eine Gesellschaft zunehmender moralischer Unordnung, die zu jeder Art von Gewalttätigkeit und Gesetzlosigkeit fähig ist. Aus dem leben würde ein Chaos – ohne Ordnung, Sinn oder Zweck.
Ich bin der festen Überzeugung, daß der Respekt vor den Opfern fordert, zumindest den Versuch zu unternehmen, zu verstehen, zu erklären und zu bewerten. . . .
Eine Erklärung für den Holocaust in einer Welt ohne Gott zu finden, ist eine Sache; wieviel schmerzlicher ist es jedoch für uns, die wir glauben, daß Gott ist und Einfluß auf diese Welt nimmt, eine Erklärung zu finden. Den Holocaust nicht bis in die Tiefe untersuchen zu wollen, halte ich für eine sträfliche Nachlässigkeit. . . .

Mit anderen Worten, eine Interpretation des Holocaust verlangt nach einer Sichtweise, die über das hinausgeht, was humanistisches Denken anzubieten hat. Sie sprengt die Vorstellungen des Humanismus und verlangt nach einer Anschauung, die von oben her kommt, einer göttlichen Erklärung. . . .

Unseren gewohnten Gottesbildern, unserem Glauben und Vertrauen wurde durch den Holocaust solch ein tödlicher Stoß versetzt, daß es fraglich ist, ob wir uns tatsächlich davon erholt haben. Die Frage ist doch: Entweder gab es keinen Gott, oder Gott war in solch einer Tiefe mit diesem Geschehen verbunden, daß ein Verständnis dieses Widerspruchs und die tiefgehende Beschäftigung damit uns zu einer Offenbarung Gottes führen können, die weit über das hinausgeht, was wir bisher von Gott verstanden haben. . . .

Die Art und Weise, wie wir an ein Phänomen herangehen, sagt viel über unsere Denkweise und über unsere Wahrnehmung der Realität. Wenn wir mit Gott auf der Grundlage unserer eigenen eingeschränkten Ansichten in Beziehung treten wollen, dann leben wir außerhalb der Wirklichkeit. . . . Gott ist die Grundlage aller Realität. Doch nicht, was wir über Ihn denken zählt; maßgeblich kann nur sein, wie Er selbst Seinen Charakter offenbart hat, auch in der harten Behandlung Seines eigenen Volkes und den darauffolgenden Gnadenerweisen. Der Holocaust ist eine eindringliche Lehre für Zeit und Ewigkeit!

Wer von uns Juden hätte das Wort „Gott“ jemals auf eine Weise gehört, die uns veranlaßt hätte, Ihn mit ehrfürchtiger Aufmerksamkeit in unser Leben einzubeziehen, oder die nahegelegt hätte, Ihn als Schöpfer zu erkennen und zu verstehen?
Oder wer hätte gar gehört, daß Er etwas mit unserer Geschichte und unserer Berufung als Volk zu tun haben könnte?
Wir kennen unsere eigenen Propheten nicht. Gottes Anklage gegen uns lautet daher auch, daß wir aus Mangel an Erkenntnis Seiner selbst umkommen (Hosea 4, 1-6).
„Höret das Wort des Herrn, ihr Söhne Israels! Denn der Herr hat zu rechten mit den Bewohnern des Landes, daß so gar keine Treue und Gotteserkenntnis im Lande ist. Man schwört und lügt, man mordet und stiehlt . . . Mein Volk wird vernichtet, weil es keine Erkenntnis hat, . . . denn du hast die Weisung deines Gottes vergessen, so will ich auch deiner vergessen.“

Wir leben nicht nur himmelweit entfernt von der Denkweise der Propheten und der Segnungen und Flüche des Bundes aus dem 5. Buch Mose, wo es heißt: „erwählt euch heute Leben oder Tod“ – sondern wir haben uns von der biblischen insgesamt entfernt. Unser Denken ist ganz auf das Menschliche und auf diese Welt konzentriert, und Gottes Sichtweise, Seine Kategorien sind uns fremd. Wir sind unfähig, unser Unglück in Seinem Licht zu untersuchen, und daher machen wir entweder allein Hitler und das deutsche Volk, oder gar Gott selbst dafür verantwortlich.


Kapitel 2

Der Gott des Gerichts

Der Holocaust wirft große Fragen auf:
• Warum hat Gott inmitten unserer unaussprechlichen leiden nicht eingegriffen?
• Wo war damals der angeblich allgegenwärtige und allmächtige Gott?
• Wie kann es wahr sein, daß der langerwartete Messias bereits gekommen sein soll, wie die Christen uns erzählen, wenn Er doch die teilweise Vernichtung Seines eigenen Volkes geschehen ließ?
• Wo bleibt das Erbarmen des neutestamentlichen Gottes, wenn so etwas in der heutigen Zeit unter der Federführung einer „christlichen“ Nation – dem Deutschland der Reformation – stattfinden konnte?
• Was für ein Gott ist das, den wir als gerecht und barmherzig vorgestellt hatten, und der all dem Grauen zugesehen und es zugelassen hat?

Ich hatte begonnen, mich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen; Fragen, die letztlich in einer einzigen zusammengefaßt werden können:


Warum hat Gott hierzu geschwiegen? . . .

Ich sah mich vor zwei Möglichkeiten gestellt: Entweder mußte ich mit vielen Kommentatoren übereinstimmen, daß Gott tot war, oder ich mußte die Aussagen der Bibel akzeptieren, daß in irgendeiner Weise Gottes Schweigen in direktem Zusammenhang mit unserer Sünde steht. Und dann mußte ich annehmen, daß der Holocaust ein Gericht Gottes gewesen ist und nicht eine Verirrung oder ein Unfall der Geschichte, und daß das Ausmaß unseres Leidens in direktem Verhältnis zum Ausmaß unserer Sünde stehet. Es kann dann nur eine Erklärung für die Leiden des jüdischen Volkes geben – das Handeln Gottes in einem Akt des Gerichts an einem Volk, das den Weg einer wahren Beziehung mit Ihm verlassen und nicht gemäß dem Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hat, gelebt hat. Ein Volk, das seine Berufung, ein Volk, das von der Existenz und dem Wesen Gottes zeugt, zu sein, nicht erfüllt hat!

Es ist deutlich, daß Gott in der Weltgeschichte wirkt. Er wirkt durch Menschen und Nationen und gebraucht sie als Seine Mittel zur Züchtigung. Könnte der Holocaust Sein Werk sein? Wenn ja, dann ist es wahrhaftig „Sein seltsames Tun“, Sein Gericht. Bei dem Propheten Jesaja heißt es: 
„Denn wie am Berge Perazim wird der Herr sich erheben, um seine Tat zu verrichten – seltsam sein Tun! – und sein Werk vollbringen – befremdlich sein Werk! Und nun treibt nicht Gespött, daß eure Bande nicht fester werde; denn Strafgericht habe ich vernommen von dem Herrn, über die ganze Erde.“ (Jes. 28, 21-22)

Und wenn es so ist, ist es dann nicht als Gericht die Erfüllung dessen, was Er dem ungläubigen Israel, unwillig umzukehren, für „die letzten Tage“ angekündigt hatte? Ich bin davon überzeugt, denn Gott sprach diese Warnungen bereits zu Beginn unseres Einzugs ins Gelobte Land vor Tausenden von Jahren aus, wie wir bei einem Studium im 3. Und 5. Buch Mose sehen werden.

Es ist bemerkenswert, wie sehr die Deutung des Holocaust als Gericht Gottes, Gott grundlegend als Gott erklärt und gleichzeitig eine Ehrfurcht vor Gott als Richter mit sich bringt. Und an dieser Gottesfurcht mangelt es schmerzlich in unserem modernen Bewußtsein. Wir sind ohne Sinn für Gottesachtung und Gottesfurcht aufgewachsen. Ich bin sicher, daß dies auch eine der Auswirkungen der Tatsache ist, daß so viele Fragen, die durch den Holocaust aufgeworfen wurden, unbeantwortet geblieben sind – unbeantwortet, weil wir sie nie stellen wollten. Haben wir als Juden nicht geradezu die Verpflichtung, eine Antwort bei Gott zu suchen und zu finden? Wir sollten uns daran erinnern, daß Gott, als Er einen Mann sah, der sich abwandte, um in einen brennenden Busch hineinzuschauen, und dann, gefangen von dem Anblick, sich nicht mehr abwenden wollte, rief : „Mose, Mose,! … Tritt nicht heran. Ziehe die Schuhe von den Füßen; denn die Stätte, darauf du stehest, ist heiliger Boden!“

Mose empfing Gottes Berufung, der Mittler der Befreiung Israels zu sein, als Gott sah, daß Mose sich umwandte, um zu sehen. Gott wartet darauf, daß auch wir aufmerken bei einem Busch, der immer brennt. Ein Feuer, vor dem alles, was in uns ist, naturgemäß zurückschreckt. Es ist nicht angenehm und nicht einfach, aber wenn wir uns doch nur umwenden und sehen wollten! Mose wandte sich nicht deshalb um, weil er durch ein Ereignis am Wegesrand einfach neugierig geworden war. Wir lesen, daß er wissen wollte, warum der Busch brannte und doch nicht verbrannte. Es handelt sich um ein Suchen nach der letztendlichen Erklärung dieses Feuers, in dessen Mitte Gott zu finden ist. Dieses Suchen wird uns schließlich eine Offenbarung Gottes schenken, wie wir sie in dieser Tiefe nur an diesem Ort finden können. Dieses Suchen darf keinen Stein auf dem anderen lassen, so schmerzlich der Anblick, der sich uns bietet, auch sein mag. Aber sind wir dazu fähig?
Wir schauen über manche Dinge lieber hinweg, als uns in sie hinein zu vertiefen. Wir geben uns lieber mit einer einfachen Erklärung zufrieden, als den Dingen auf den Grund zu gehen. Mose wurde seinem Volk nicht nur deshalb als Befreier gesandt, weil er Auftrag und Vollmacht erhalten hatte, sondern auch, weil er eine Offenbarung Gottes empfangen hatte, die nur aus dem Feuer des Gerichtes kommen kann. Diese Offenbarung ist die tiefste Form der Gotteserkenntnis, und ohne sie wäre Mose niemals in der Lage gewesen, ein Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste zu führen.

Was uns fehlt, ist, daß wir Gott auch als Richter verstehen. Und wir haben einen hohen Preis dafür bezahlt, daß wir Gott nicht mehr verstanden haben. Wir erkannten Ihn weder in Gericht noch in Barmherzigkeit, weder in Strenge noch in Güte. Gottes Handeln an Israel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist nicht mehr Teil der Überlegungen, die unser Leben bestimmen, und so entbehren wir der tiefsten Offenbarung Gottes, die uns in Seinem Wort gegeben ist.

Wie stehen wir zu einem Gott, der, um Seine Macht (das heißt auch Seine Herrlichkeit) zu erweisen, bereit ist, Seinen Zorn durch Gericht zum Ausdruck zu bringen?
Was, wenn unser Gott solch ein Gott ist?
Ist Er dann immer noch unser Gott?
Was ist, wenn Gott so weit geht, Seine Macht, Seinen Namen und Seine Herrlichkeit durch Zorn und Gericht zu offenbaren?
Was ist, wenn Er nicht ein Gott ist, wie wir ihn gerne hätten, sondern so weit geht, Seinem Zorn greifbaren Ausdruck zu geben?
Biblischer Zorn oder das Gericht Gottes sind verheerend und bedeuten einen absichtlichen und offenen Angriff auf unsere feineren religiösen Empfindungen, gegen unsere Vorstellungen, wie Gott sein sollte und wie Er sich zu offenbaren habe.
Gott als Richter zu erkennen, beinhaltet eine Offenbarung, die auf keine andere Weise erlangt werden kann. Und doch ist dies unter den Eigenschaften Gottes diejenige, vor der wir instinktiv zurückschrecken. Wir können den Gott der Barmherzigkeit, Liebe und Gerechtigkeit nicht mit dem Gott in Einklang bringen, der als Richter handelt, und Not und Elend von solchem Ausmaß über die Menschheit und insbesondere über das jüdische Volk bringt. Wenn unser Gott sich jedoch tatsächlich so verhält, dann wird die schlimmste Not, die schmerzlichste Tatsache und das, was unsere Religiosität zutiefst verletzt, zur kostbarsten uns echtesten Offenbarung Gottes werden. Finden wir nicht in diesem Widerspruch, wenn wir den Dingen einmal wirklich auf den Grund gehen, die tiefste nur denkbare Offenbarung über das Wesen unseres Gottes?

Könnte es sein, daß wir den Holocaust nicht aus Gottes Sicht verstehen können, solange wir das Geschehen nicht aus der Perspektive der Ewigkeit betrachten? Nur die letztendlichen, die unvergänglichen und ewigen Dinge sind in der Lage, dem Grauen des Holocaust einen Sinn zu verleihen. Daß Gott zugelassen hat, daß sogar Babys brutal erschlagen wurden, würde völlig sinnlos erscheinen, wenn dies das ausschließliche Ende und Ziel ihres Lebens gewesen wäre. Nur die Hoffnung, einem anderen, unauslöschlichen und ewigen Feuer zu entgehen, macht solche Taten in irgendeiner Weise begreiflich. . . .

Der Holocaust kann in seinem ganzem Ausmaß nur begriffen werden, wenn er auf darüber hinausgehende Zusammenhänge hinweist.
Wie weit wird Gott gehen, um uns Menschen wieder zu einem angemessenen Bewußtsein dieser zusammenhänge zu bringen? Man muß die Frage stellen, ob die Katastrophen und Nöte unserer Vergangenheit nicht bereits Versuche Gottes waren, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen , um uns aus unserer religiösen und philosophischen Selbstzufriedenheit aufzurütteln und um uns von einem Weg abzubringen, der zu einem nicht abzuschätzenden ewigen Verlust führen würde. Mißt Gott der Ewigkeit eine solche Bedeutung bei, daß es Ihm nicht zu unangemessen und abwegig erscheint, ein ganzes Volk durch die Feuer des Holocaust gehen zu lassen. Wenn Er dadurch andere vor dem ewigen Verderben, das von einem unauslöschlichen Feuer herrührt, zu retten vermag? Wir werden den Holocaust nicht verstehen und noch weniger in der Lage sein ihn zu erklären, wenn wir ihn nicht ebenfalls aus der Perspektive der Ewigkeit sehen. Die Ewigkeit auszuklammern, hieße, die Realität selbst zu verzerren.

Kapitel 3

Was richtet Gott?

Einmal hatte ich zu meiner Freude die Gelegenheit nach einem Vortrag mit dem bekannten Schriftsteller Eli Wiesel, einem jüdischen Friedensnobelpreisträger, zu sprechen. Er ist Überlebender des Holocaust und wahrscheinlich einer der bekanntesten Wortführer zu diesem Thema. Dabei ist er ein solch begabter Redner, daß, gäbe es keinen Gott, dieser Mann als Idealbild eines edlen jüdischen Charakters und ethisch-moralischen Feingefühls angesehen werden müßte. Er würde von allen Menschen zu Recht bewundert werden. Wenn es jedoch einen Gott gibt, dann erweist sich oft gerade das, was uns so beeindruckt, ironischerweise als unvereinbar mit Gottes Ansicht über den Zustand des Menschen. Und Gott klagt den gegenwärtigen Zustand des Menschen an. Am Ende seiner Rede fragte ich Elie Wiesel unter vier Augen: „Herr Wiesel, inwieweit wären Sie bereit, die Leiden des jüdischen Volkes während unserer ganzen Geschichte bis hin zum Holocaust als Erfüllung der göttlichen Gerichte anzusehen, vor denen in den Schlußkapiteln des 3. Und 5. Buch Mose prophetisch gewarnt wird?“ Er schaute mich einen Moment schockiert und schweigend an und antwortete dann: „Ich weigere mich, das auch nur in Betracht zu ziehen.“
Ist es nicht, als ob diese Aussage schon seit uralten Zeiten durch den Himmel hallt? Diese Summe aller menschlichen Selbsterhöhung über Gott. Der Satz beginnt bezeichnenderweise mit dem Wörtchen „Ich“. Es scheint hier gar nicht darum zu gehen, ob der vorgebrachte Gedanke richtig oder falsch ist. Vielmehr ist hier doch wohl die Rede von etwas vermeintlich Höherem als Gottes Wort, und zwar von diesem „Ich“, das die Macht hat, dem Wort Gottes zuzustimmen oder es abzulehnen. Sehen wir hier die Arroganz des Menschen, die sich mit ihren Ansichten, ihrem Denken und ihrem Willen über Gott selbst erhebt? Wenn wir uns weigern, Gottes Wort in Betracht zu ziehen, bedeutet das, daß wir uns selbst über Gottes Wort erheben, es gewissermaßen ausgrenzen. Dabei spielt keine Rolle, ob wir so an dem geschriebenen Wort handeln oder an dem „Wort, das Fleisch wurde“ – es ist die gleiche Sünde!
„Ich weigere mich, das in Betracht zu ziehen“, meinte Elie Wiesel. „Denn“, so kann man den Gedanken wohl weiterverfolgen, „sollte ich das in Erwägung ziehen, dann hieße das, die philosophischen, ideologischen und religiösen Grundlagen, die ich mir gebaut habe, und durch die ich mich selber definiere, einzureißen. Ich befinde mich in der Rolle eines geehrten Menschen, gefeiert von der jüdischen Gemeinschaft und der intellektuellen Welt. Meine gesamte Weltsicht würde zusammenbrechen, wenn ich das in Betracht zöge. Darum weigere ich mich. Ich kann es mir nicht leisten. Diese negative Auffassung über den jüdischen und menschlichen Zustand kann ich nicht mit meinem Stolz vereinbaren. Außerdem ist es in unserem aufgeklärten Zeitalter sowieso undenkbar, daß solch unvorstellbare Grausamkeiten durch die Hand Gottes geschehen sein sollen. Menschlich gesehen ist so etwas undenkbar.“ Ist es nicht gut möglich, daß dies die Gedanken eines Mannes im Tiefsten seines Herzens sind, wenn er einem Dilemma gegenübersteht, das so weitreichend und erschütternd ist?
Wenn ein Mann, der die Erfüllung der Ankündigungen aus dem 3. und 5. Buch Mose selbst erlebt hat – einschließlich der Auslöschung seiner eigenen Familie – nicht bereit ist, dies in Betracht zu ziehen, auf was sollen wir dann hoffen? „Selbst wenn Gott das alles gesagt haben sollte, weigere ich mich dennoch, es in Erwägung zu ziehen.“ Meinen wir, daß Gott sich von solchen Äußerungen beeindrucken läßt? Spottet Er nicht vielmehr über unsere schwächlichen Anmaßungen? Als ob wir durch unsere Weigerung Gottes Beschlüsse unwirksam machen könnten! Ist so ein Gedanke nicht die absolute Selbsterhöhung des Menschen über Gott? Dabei spiegelt unsere Einstellung zum Wort Gottes letztendlich auch unsere Haltung gegenüber Gott selbst wider. Wer Gottes Wort ablehnt, lehnt Gott ab. Wir können nicht irgendwelche erhabenen Ansichten über Gott pflegen und gleichzeitig Sein Wort verachten. Der Gott, den wir verehren, ist dann nicht der Gott der Bibel, sondern der Gott unserer eigenen Vorstellung – und das ist tragisch. Wir können eine ganze Kultur um diese Täuschung herum aufbauen, aber am Ende wird uns diese Lüge töten, wie es ja auch geschehen ist. Es ist wie damals, als Elia die Propheten des Baal konfrontierte und sie aufforderte, ihren Altar zu bauen und ihren Gott anzurufen. Auch Elia wollte dann seinen Gott anrufen. Er rief aus: „Und der Gott, der mit Feuer antwortet, der ist der wahre Gott!“ Die falschen Propheten gingen darauf ein, weil sie wirklich glaubten, daß ihr Gott antworten würde. Darin zeigt sich die ganze Tiefe ihrer Verblendung. Den ganzen Nachmittag sprangen sie um ihren Altar herum. Aber da war keine Antwort, obwohl sie fest eine Antwort erwarteten. Darin besteht ja gerade die Täuschung, daß man nicht einmal merkt, daß man verblendet ist, sondern fest davon ausgeht, daß der Gott, den man anruft, sich als der Gott erweisen wird, der antwortet.
Ist diese fehlende Bereitschaft, das Wort Gottes mit seiner klaren Verurteilung der Sünde des jüdischen Volkes und seines Abfalls vom Glauben, in Betracht zu ziehen, nicht schon in sich selbst ein Beweis dieser Abwendung vom Glauben? Gilt dies nicht um so mehr für einen Mann wie Elie Wiesel, der die vorher angekündigten Folgen erlitten hat, und dennoch die Quelle ablehnt, die zuallererst und offensichtlich die Erklärung für diese Folgen sein sollte – insbesondere für einen Juden?
Diese ablehnende Haltung, wie sie hier aus dem Munde eines so prominenten Überlebenden und Kommentatoren des Holocaust formuliert wurde, mag in sich selbst schon eine Aussage über die Gründe des Holocaust beinhalten – vielleicht sogar die entscheidende Aussage. In letzter Konsequenz ist Gottes Gericht die Ursache des Holocaust. Es ist ein Gericht über die Sünde der Selbstverherrlichung des Menschen auf Kosten Gottes, wobei die eigene Meinung über das Wort Gottes gestellt wird. Wenn der Mensch sich in solch arroganter Weise über Gott erhebt und bestimmt, was denkbar ist und was nicht – obwohl Gott selbst dazu gesprochen hat -, dann ist es dieser menschliche Stolz, den Gott richtet.
„Wehe denen, die früh am Morgen schon dem Rauschtrank nachjagen . . . aber das Werk des Herrn beachten sie nicht, und das Tun seiner Hände sehen sie nicht.“ (Jes. 5, 12)
Wir sind einfach nicht bereit, die Ereignisse in unserem persönlichen leben und in unserer Geschichte als Gottes Werk und als das Tun Seiner Hände anzusehen.
„Darum wandert mein Volk in die Verbannung unversehens; . . . Darum öffnet die Unterwelt weit ihren Rachen, es fährt hinunter Jerusalems Pracht und wer darin frohlockt“ (Jes. 5, 14).
Wenn wir Gott als einen souveränen und allmächtigen Gott ablehnen, folgt darauf Gericht. Wir sind in dieser Sache jedoch nicht ansprechbar, weil wir eine nur unzurechende Erkenntnis Seiner Selbst haben. Mit unserer Haltung widersetzen wir uns der Erkenntnis. Am Ende steht dann nicht nur das Exil und damit Konsequenzen, die auf dieses Leben beschränkt sind, sondern die Folgen reichen in die Ewigkeit hinein.
„Da wird gebeugt der Mensch und erniedrigt der Mann, und die Augen der Hochmütigen werden gedemütigt. Aber der Herr der Heerscharen wird erhaben durch das Gericht…“ (Jes. 5, 16).
„Darum, wie das Feuer Stoppeln verzehrt und dürres Gras in der Flamme zusammensinkt…, denn sie haben die Weisung des Herrn der Heerscharen verschmäht und verworfen das Wort des heiligen Israels“
Es gibt viele Texte wie diesen in der Heiligen Schrift. Und doch, wenn das größte Unheil über uns kommt, denken wir gar nicht daran, uns für eine Erklärung der Bibel zuzuwenden. Statt dessen wenden wir uns an die Soziologie, die Politikwissenschaft oder andere Hilfskonstruktionen dieser Welt, um eine Antwort auf die schrecklichen Nöte zu erhalten, die über uns gekommen sind. Doch in diesen Bereichen werden in der Regel menschliche Meinungen über Gott gestellt, und diese Erhöhung des Menschen ist der eigentliche Kern der Sünde und zugleich offensichtlich unser Dauerzustand. Oder wie sonst sollen wir es interpretieren, wenn selbst unser fähigster Wortführer sich bis heute so äußert?
Wenn der vergangene Holocaust als Spiegelbild unserer Übertretungen und Sünde gegenüber Gott nicht ausreichte, um uns zur Einsicht, zum Zerbruch und zur Umkehr zu führen, was für ein weiterer Holocaust muß dann noch folgen, um uns vor einem endgültigen und unabänderlichen Holocaust zu retten, einem Feuer, das nicht gelöscht werden kann, einem Feuer, das ewig brennt?
Wir müssen uns einmal bewußt machen, wie der Mensch Gott für seine eigenen Ziele und Zwecke einspannt; wie er einen Weg findet, die Dinge Gottes zu einem religiösen Etwas zu verformen, das mit der jeweils gewünschten Art zu leben in Übereinstimmung gebracht werden kann. Das heutige Judentum ist genau wie alle anderen Formen etablierter Religion, ein beredtes Beispiel solcher Anstrengungen. Den lebendigen Gott lehnen sie faktisch ab, während sie Ihn gleichzeitig nach außen hin zu verehren scheinen. Ist das nicht ein Schlag in das Gesicht Gottes, den Er richten muß?
Gott will, daß wir eine Vorstellung Seiner selbst haben, die der Wahrheit entspricht. Daher noch einmal die Frage: War es vielleicht das vorherige, selbstgemachte Gottesbild, das den Holocaust zwangsläufig notwendig machte? . . .

Kapitel 4 

Der Holocaust und die Geschichte Israels
Unsere Bündnisverpflichtung
Die Bibel vermittelt uns den Gedanken der Kollektivsünde und Kollektivschuld. Gott sieht manche Zusammenhänge anders, als wir es tun, und richtet ein Volk, mit dem Er einen Bund geschlossen hat als Gesamtgemeinschaft. Wir als Juden sind mit unserem Volk untrennbar verbunden. Unser persönliches Leben mag äußerst vorbildlich sein und doch sieht Gott uns als Teil des Volkes und damit auch beteiligt an dessen Schicksal. Darum haben auch die großen Propheten, die wirklich gerechte und gottesfürchtige Männer waren, wenn sie zu Gott riefen, so gesprochen, als seien sie völlig mit den Sünden ihres Volkes identifiziert: „Wir haben gesündigt! Wir haben Unrecht getan!“ (Daniel 9, 5). Unsere moderne individualistische Gesellschaft hat jedoch kein Ohr für diese biblische Sicht der Realität, nach der viele Einzelpersonen wie ein gemeinschaftliches Ganzes behandelt werden.
Wir müssen die Rahmenbedingungen kennen, unter denen Gott eine Situation beurteilt, wenn wir das jüdische Volk und seine schwierige Situation recht verstehen wollen. . . . Es ist entscheidend, daß wir verstehen, von welcher Art die Beziehung in einem Bund ist: doch ein solches Verständnis ist bei uns modernen Juden überhaupt nicht mehr vorhanden und ein deutliches Indiz dafür, daß wir die Bedeutung eines einmal geschlossenen Bundes nicht mehr erfassen, ist die sich häufende Zahl von Ehescheidungen. Das Konzept eines Bundes nach biblischem Verständnis ist vom Himmel gegeben. Ein Mensch hätte sich so etwas nicht ausdenken können.
Die Frage ist nun, ob der göttliche Bund mit Israel hinsichtlich seiner Sanktionen für den Fall des Bundesbruchs noch in Kraft ist und ob sein e Verfügungen noch bindend sind. Wo lesen wir etwas von den Bedingungen , unter dem dieser Bund aufgehoben würde? Nein, es gilt: Ein einmal geschlossener Bund bleibt in jedem Fall gültig, und wenn wir seine Segnungen und den Nutzen daraus nicht empfangen haben (weil wir uns nicht an die Bedingungen hielten), gelten dann nicht zwangsläufig die Sanktionen, die für den Fall des Bundesbruches festegelegt wurden? Das Gegenstück zu Segen heißt in biblischer Terminologie „Fluch“: Eine Verwünschung, eine Erklärung schlimmer Konsequenzen, die auf den Bundesbruch folgen.
Die Tatsache, daß wir uns unserer Verpflichtung aus dem Bund zwischen Gott und den Juden nicht bewußt sind, entbindet uns nicht von dieser Verantwortung. Am Berg Sinai ist vor Tausenden von Jahren etwas geschehen, das uns auch heute noch betrifft. Dort wurde ein Vertrag geschlossen, der auch für zukünftige Generationen bindend sein sollte, selbst wenn wir heute von den Bedingungen dieses Vertrages nichts mehr wissen. Ja, die bloße Tatsache, daß wir davon nichts wissen, ist in sich selbst bereits eine Anklage gegen uns. Wir sind noch immer an die Vereinbarungen gebunden, ,die damals im gegenseitigen Einvernehmen getroffen wurden. Weil damals ein Vertrag zwischen Gott und unseren Vätern geschlossen wurde, hat jeder Jude mit Blick auf die Bündnisbedingungen nur die Wahl, in Abhängigkeit von unserer kollektiven Beziehung zu Gott entweder den Segen oder den Fluch zu empfangen. Wir lesen im 5. Buch Mose 29, 14-15:
„Doch nicht mit euch allein schließe ich diesen Bund und diesen Vertrag, sondern sowohl mit denen, die heute mit uns hier vor dem Herrn, unserem Gott, stehen, als auch mit denen, die heute noch nicht mit uns hier sind“.
Es ist folgenschwer, daß es in unseren Reihen keine Männer gab, die uns dies gelehrt und die uns als Hirten, denen unsere Seelen in angemessener Weise am Herzen lagen, darauf hingewiesen hätten. . . .
Die Israeliten, ganz gleich welcher Generation, haben sich den Bestimmungen des Bundes verpflichtet. Das 5. Buch Mose ruft sie zu absolutem Gehorsam gegenüber den Bündnisvereinbarungen auf und warnt sie, daß all die verheißenen Segn8ungen im Fall des Ungehorsams ausbleiben würden.
Wo finden wir nun auch nur den geringsten Hinweis darauf, daß die Bedingungen des Bundes der Vergangenheit angehören und daß auch nur eine der Generationen Israels dieser Verpflichtung enthoben ist? Ist nicht das offensichtliche Fehlen der Segnungen, unterstrichen durch die zunehmende Angst, die Spannungen und die steigenden Beschränkungen im Leben der Juden, ein Anzeichen dafür, daß der Gott, der die Bedingungen dieses Bundes aufgestellt hat, immer noch Gott ist?
Wie vermessen sind wir doch, aus dieser Perspektive betrachtet – angesichts einer 2000jährigen Vertreibung, durch die bestätigt wurde, daß Gottes Ankündigungen wahr sind – zu meinem, wir könnten das Land einseitig wieder in Besitz nehmen, ohne zuvor unser Augenmerk auf den Gott vom Sinai zu richten und auf die Aufforderungen, die Er an die Erfüllung des Bundes stellt. Das Zeugnis der Bibel, unsere ganze tragische Vergangenheit in der Diaspora und die zunehmend verzweifelte Lage des heutigen Staates Israel sollten uns doch genügend Beweise dafür liefern, daß solch eine geistliche Auslegung Bestand hat und von größter Bedeutung ist.
Wie sollte heute toleriert werden, wofür wir damals verworfen wurden? Halten wir den Bund heute in besserer Weise, als wir es damals taten? Sind wir nicht gegenwärtig so weltlich gesinnt und von Gott abgewandt, daß das Wort „Bund“ heute so selten über unsere Lippen kommt wie das Wort „Gott“?
Wir sollten einmal im Detail den Text von 3. Mose 26 betrachten:
„Ihr sollt euch keine Götzen machen, und Gottesbilder und Malsteine sollt ihr nicht aufrichten…
Meine Ruhetage sollt ihr halten…
Wenn ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Gebote haltet, so werde ich euch Regen geben zu seiner Zeit . . . und die Bäume auf dem Feld ihre Früchte tragen.
Ich will euch Frieden schaffen im Lande und ihr werdet ruhig schlafen… und kein Schwert soll durch euer Land gehen.
Und ich werde mich zu euch zuwenden und euch fruchtbar machen und meinen Bund mit euch aufrechterhalten.
Ich werde meinen Wohnsitz unter euch nehmen und keinen Widerwillen gegen euch hegen
Ich werde mitten unter euch wandeln und will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein.
Ich bin der Herr, der euch aus dem Lande Ägypten herausgeführt hat, damit ihr dort nicht Sklaven wäret…“
Dieses wichtige Kapitel beginnt damit, daß Gott diesem Volk einen solch außergewöhnlichen Segen verspricht, wie keinem anderen Volk je zuvor oder seitdem. Von den Segnungen des Feldes bis zur Sicherheit des Landes ist die Fürsorge Gottes überreich und ist allein abhängig von Israels Treue zum Bund:
„Wenn ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Gebote haltet und danach tut, so werde ich . . . “ (Vers 3)
Alle aufgezählten Vorteile vergänglicher Art werden schließlich noch dadurch gekrönt, daß Gott Seine persönliche Gegenwart verspricht:
„Ich werde meinen Wohnsitz unter euch nehmen…., Ich werde mitten unter euch wandeln und will euer Gott sein . . .“ (Vers 12)
Nachdem Gott all diese guten Dinge versprochen hat, folgt denn andererseits die Ankündigung schrecklicher Folgen, wenn Gottes Gebote verworfen würden. Diese Beschreibung schrecklicher Dinge nimmt in den Versen 14 bis 46 den weitaus größeren Teil des 26. Kapitels ein:
„Wenn ihr mir aber nicht gehorcht . . . so daß ihr nicht meine Gebote haltet, und dadurch den Bund mit mir brecht . . . so werde ich mein Angesicht wider euch kehren, daß ihr von euren Feinden geschlagen werdet . . . ich werde euren Wohlstand zerbrechen . . . und eure Mühe und Arbeit soll umsonst sein; euer Land wird seinen Ertrag nicht geben und die Bäume auf dem Felde werden keine Früchte tragen . . . Euch aber will ich unter die Heiden zerstreuen . . . und euer Land soll zur Wüste und eure Städte zu Schutthaufen werden . . . und denen, die von euch übrigbleiben will ich das Herz verzagt machen in den Ländern ihrer Feinde . . .und ihr werdet unter den Heiden umkommen, und das Land euer Feinde wird euch verzehren…“
Bezeugt nicht die tragische Geschichte unseres Volkes bis in die jüngste Zeit, daß Gott Seinem Wort treu bleibt? . . .
Diese Worte der Heiligen Schrift sind so unmißverständlich klar, daß ,man sich fragen muß, warum sie nicht von Beginn an Grundlage für die Deutung von Israels Schwierigkeiten und Leiden, seien sie vergangen Gegenwärtig oder zukünftig, gewesen sind. Aus welchen Grund bilden wir uns ein, daß wir diese Worte als ungeeignet zur Erklärung verwerfen könnten? . . .
Was waren denn die Schrecken, von denen die Klagelieder des Jeremia einen solch traurigen Bericht geben, anders als eine Entfaltung des 26. Kapitels von 3. Mose in der Geschichte? . . . All das wurde ja weit vor dem Holocaust des 20. Jahrhunderts geschrieben . . . Wenn wir also angesichts all dieser Schlußfolgerungen auf den bis zum heutigen Tag unveränderten und auf keine Umkehr bedachten Zustand der weltweiten jüdischen Gemeinschaft schauen, müssen wir uns ernsthaft fragen, warum wir so leichfertig meinen, davon ausgehen zu können, daß der Fluch dieses Bundes für uns heute nicht mehr gilt. Allein der Umstand, daß wir es immer noch fertig bringen, uns über derartige Überlegungen zu entrüsten statt aufrichtige Reue und ein Verlangen nach Umkehr zu empfinden, ist doch der deutliche Beweis dafür, daß unsere Haltung unverändert ist. Wie leicht könnte Gott unsere Sicht als Juden korrigieren – nehmen wir nur einmal für einen Moment ernsthaft an, die derzeitige Sichtweise sei tatsächlich falsch -, wenn wir zunächst nur einmal zugeben würfen, daß es gute Gründe für die Annahme gibt, daß der ganze Bund mit seinen Segnungen und Flüchen immer noch gilt.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der schlimmsten nationalen Katastrophe Israels und dem Zorn Gottes. (Siehe 3. Mose 26) . . .
Wir müssen uns angesichts all der Verwüstungen der Vergangenheit fragen, wie erklärt werden kann, daß dieses Volk nicht völlig aufgehört hat zu existieren. Auch hierauf finden wir die Antwort in 3. M. 26:
„Wenn sie dann ihre Schuld bekennen, den Treuebruch, den sie an mir begangen haben und auch, daß sie mir widerstrebt haben, weshalb auch ich ihnen widerstrebt und sie ins Land ihrer Feinde gebracht habe-, wenn sich alsdann ihr unbeschnittenes Herz demütigt und sie alsdann ihre Schuld abtragen: 
so will meines Bundes mit Jakob gedenken . . .
 ich will zu ihrem Heil meines Bundes mit ihren Vorfahren gedenken, die ich vor den Augen der Heiden aus dem Lande Ägypten herausgeführt habe, um ihr Gott zu sein, ich, der Herr.
Das sind die Satzungen und Gesetze, die der Herr auf dem Berge Sinai durch Mose zwischen sich und den Israeliten aufgestellt hat.“
Obwohl wir Juden uns in der Vergangenheit gerühmt haben, daß wir allen Widerständen zum Trotz überlebt haben und als Volk fortbestehen, macht Vers 44 deutlich, daß dieses Überleben ausschließlich der Barmherzigkeit Gottes zu verdanken ist . . .
Es steht also für die Zukunft noch die Erfüllung einer Verheißung aus, und zwar dann, wenn das gedemütigte Herz bereit ist, die Strafe für seine Schuld zu tragen. . . .
In 3. Mose 26 läßt sich folgende Aussage Gottes erkennen: Wenn wir die Sünden der Vorväter bekennen, als wären es unsere eigenen, und wenn wir die Gerichte, die über uns kamen, als richtig und gerecht akzeptieren, dann wird Er sich zu uns wenden und Seines Bundes mit uns gedenken.
Die Sünden unserer Vorväter bleiben so lange die unsrigen, bis wir uns von diesen Sünden durch einen mächtigen Schrei unseres Herzens losreißen.
Diese Bibelstelle ist in der Geschichte noch nicht zur Erfüllung gekommen. Unserem Bewußtsein als Juden muß sich nachdrücklich einprägen, daß auch Tausende von Jahren nach den Ereignissen, wir mit unserem ganzen Volk in seinen Sünden verbunden bleiben. Wir haben uns nie wirklich von diesen Sünden distanziert, und so wurde die Verbindung zu den Sünden der Vergangenheit auch nicht durch eine Abwendung von den früheren oder das Bekenntnis unserer heutigen Sünden unterbrochen. Folglich bleiben wir Teil dieser ununterbrochenen Folge von Sünde und müssen somit auch unseren Teil an den Konsequenzen tragen. Unser beharrliches Schweigen wirkt wie eine Anklageschrift gegen uns.
Sünde ist schuldhaft
Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang bezeichnend für uns als Juden im allgemeinen. Einmal mangelt es uns an Sinn für die Ewigkeit, zum anderen fehlt ein Verständnis unserer Vergangenheit. Wir haben die Geschehnisse der Vergangenheit in ihrer Bedeutung nicht wirklich erfaßt. Bedenken wir doch nur: Die bloße Tatsache, daß wir in Brooklyn, Berlin oder Polen geboren wurden, ist ein deutliches und permanentes Mahnmal unserer Schande und dem Skandal, daß wir einst wegen unserer Sünden aus dem Land unserer Väter vertrieben wurden. Doch wir werten die Vergangenheit nicht als Exil. Wir haben bei unserem ruhelosen Umherwandern so viel Erfolg gehabt, daß wir darüber die Ereignisse der Vergangenheit nicht mehr richtig einordnen und bewerten konnten und sind dadurch schon gar nicht an den Punkt gekommen, von den Sünden der Vergangenheit umzukehren.
Unsere Denkweise ist absolut individualistisch. Es ist Teil unserer Grundhaltung, zu denken: „Ich bin allein für mich selbst verantwortlich.“ Wir sehen nicht ein, warum es begründet ist, ein ganzes Volk zu richten. Wenn wir Seine Worte aber recht verstehen wollen, dann erkennen wir, daß Gott uns nicht nur im Blick auf die zukünftige Bestimmung dieses Volkes sieht, sondern ebenso verbunden mit unserer Vergangenheit und unserer ungesühnten Schuld. Er wartet auf ein Eingeständnis unsererseits, damit das fortgesetzte Kontinuum der Sünde endlich unterbrochen werden kann. . . . Unser ganzes Leben wurden wir gelehrt, in Zeitabschnitten zu denken. Wir sind durch unsere Umwelt so geprägt, daß wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht als Kontinuum wahrnehmen. Darum verstehen wir auch nicht in der gleichen Weise, wie Gott sieht und versteht. In den Augen Gottes ist kein Ereignis Vergangenheit. Jedes Ereignis ist gegenwärtig.
„Was da ist, das war schon vorzeiten, und was sein wird, auch das ist vorzeiten gewesen; Gott sucht das Entschwundene wieder hervor“ (Prediger 3, 15).
Die Frage von Schuld und Sühne für die Sünde wird durch den individuellen Zeitpunkt der Geburt oder andere Zeitaspekte weder beeinflußt noch verändert. Zeit allein löst weder die Probleme, noch tilgt die Sünde. Das menschliche Gedächtnis mag wohl vergessen; aber der Gott, der über aller zeit ist und der sich immer „im ewigen Jetzt“ befindet, hält die Menschen auch heute noch für Dinge verantwortlich, die sich vor Tausenden von Jahren ereignet haben. Wenn wir uns von den vergangenen Verfehlungen nicht losgesagt haben, sind wir damit gezwungen, sie ständig zu wiederholen. Ich möchte in diesem Zusammenhang bereits auf die Entscheidung unserer Vorväter, Jesus (Jeschua) kreuzigen zu lassen, hinweisen. Wenn wir diese Entscheidung nicht widerrufen, sind wir dann nicht mit ihnen in dieser Tat verbunden? Es war eine jüdische Initiative, die Römer waren nur das Werkzeug. Unser Schweigen dazu, besonders als Juden, zu denen er ja zuerst gekommen ist, ist Ausdruck unseres Einverständnisses und macht uns mit unseren Vätern in deren Entscheidung eins.
Es gibt somit ein ununterbrochenes Weiterwirken einer Sünde, das seine Kraft behält, ganz gleich, wie lange das Geschehen auch zurückliegt. Nur wenn wir die Vergangenheit anerkennen, wenn wir bereit sind umzukehren und uns von den Sünden lossagen, können wir auch vor den tödlichen Konsequenzen, die noch in der Zukunft liegen, gerettet werden. Jede aufgehäufte Schuld, egal wie lange man sie vor sich her schiebt, verdichtet sich nur, wenn man sie ignorieren will. So kann zweitausend Jahre nach der Kreuzigung seines Messias, ein solcher Holocaust über das jüdische Volk kommen und doch in direktem Zusammenhang damit stehen. Alle früheren Nöte, die uns durch die Jahrhunderte getroffen haben, mögen andere Versuche Gottes gewesen sein, unsere Aufmerksamkeit auf diese eine Sünde zu lenken, in der alle anderen gleichsam zusammengefaßt sind und von der Gott immer noch erwartet, daß wir sie vor Ihm bekennen. Er muß über diese Sünde Gericht halten, und Er hat die Freiheit, das zu tun, wann immer Er will.
Es mutet in seltsamer Weise ironisch an, daß auf eben dieser Grundlage auch Israel die Nazi-Verbrecher bis in die Gegenwart hinein unnachgiebig verfolgt und versucht, sie der Gerechtigkeit zuzuführen. . . .
Aber, die Begründung auf die unnachgiebige Jagd auf diese Nazi-Verbrecher wird zu einer Anklageschrift, die sich gegen uns selbst richtet. Die Tatsache, daß wir als ganzes Volk den Messias abgelehnt haben, ist eine Sünde, die nicht einfach ignoriert werden kann, und die Konsequenzen sind unvermeidbar. Trotzdem ist das nicht der allein entscheidende Punkt. Vielmehr müssen wir diese Sünde als den Höhepunkt einer langen Geschichte von Israels Abwendung vom Glauben an seinen Gott ansehen. Diese Abwendung fand ihren vollendeten Ausdruck, als Gott selbst in der Gestalt des von Israel erwarteten Befreiers und Messias kam. Bis dahin waren wir bereits an den Punkt gekommen, an dem wir nicht mehr in der Lage waren, Ihn zu erkennen. . . .
Angesichts eines souveränen Gottes, wie Er in der Heiligen Schrift dargestellt wird, können wir nicht davon ausgehen, daß das, was uns in der Geschichte widerfahren ist, allein das Wirken grausamer Menschen, Antisemiten, Nazis oder Babylonier war. Vielmehr waren diese Instrumente in der Hand Gottes (doch dadurch sind sie in keiner Weise gerechtfertigt). So ist also das, was wir durch die Geschichte hindurch erlitten haben, das Gericht Gottes über die Verfehlungen unserer Väter, für die wir bis heute als schuldig befunden werden. Unser jüdisches Elend in einem jahrtausendelangen Exil, die Verfolgungen, die Pogrome, die Ströme jüdischen Blutes (schon Jahrhunderte vor dem Holocaust), unsere Flucht, unsere Zwangsbekehrungen, die Kreuzritter und die spanische Inquisition – muß das nicht alles in dem größeren Zusammenhang unserer eigenen Treulosigkeit gegenüber dem Bund, den wir mit Gott geschlossen hatten, gesehen werden? Jeder dieser Schrecken diente dann als Mittel zur Erfüllung der Urteile Gottes, weil wir „Übertreter“ waren und uns von „dem Weg“ abgewandt hatten. . . .
Die Sünde, die endlich eingestanden werden muß, ist groß. Es steht noch eine Umkehr aus, und Gott wartet darauf. Er möchte uns endlich sagen können, daß unsere Sünden vergeben sind und daß wir für unsere Übertretungen „das Doppelte“ empfangen haben. Einen zerbrochenen Geist und ein zerschlagenes Herz wird Er nicht verachten(Jesaja 40, 1; Psalm 51,19).

Kapitel 5
„Das Lied des Mose“
Es gibt nur wenige Aufsätze von seiten jüdischer Denker, den Holocaust im Zusammenhang mit den prophetischen Aussagen aus der Vergangenheit Israels zu untersuchen. . . .
Ist es nicht wahr, daß wir die Erklärung immer in unseren Umständen gesucht haben, statt bei Gott, und daher zu der Auffassung kamen, eine „Änderung der Umstände“ könnte uns vor zukünftigem Leid bewahren? Wenn es so aussieht, welche Alternative hätte Gott dann, als immer schlimmeres Unheil geschehen zu lassen? Wenn unsere Denkweise nach dem Holocaust so aussieht, wie mag sie dann wohl zuvor gewesen sein? Welche zukünftigen Gerichte stehen uns noch bevor? 
Die Orthodoxie und Frömmigkeit unseres so sehr gefeierten Judentums konnte uns schon in der Vergangenheit nicht vor dem hereinbrechenden Unheil warne! Und warum eigentlich nicht? Hatten wir nicht in der Heiligen Schrift eine klare Darstellung dessen, was in den letzten Tagen über uns kommen würde, wenn wir uns von Gott, Seinem Bund und dem Auftrag, das Volk zu sein, durch das Er sich unter den Völkern bezeugen wollte, abwenden?
Gott gab uns im 5. Buch Mose, kurz vor unserem Eintritt in das verheißene Land, eine ganz spezielle Warnung. Das 32. Kapitel wird „Das Lied des Mose“ genannt, und es sind Aussagen darin enthalten, die in meinen Augen wie kein anderer Abschnitt der Bibel, eine detaillierte Beschreibung des Holocaust sind. . . . In dem erwähnten Lied macht Gott gegenüber Mose einige bemerkenswerte Aussagen über Israels zukünftigen Zustand:
„Und der Herr sprach zu Mose: Siehe, wenn du dich nun zu deinen Vätern legst, so wird sich dieses Volk erheben und wird fremden Göttern inmitten des Landes, dahin es kommen wird, sich ergeben und mich verlassen und meinen Bund brechen… Alsdann wird mein Zorn wider sie entbrennen, und ich werde sie verlassen und mein Angesicht vor ihnen verbergen… und dann wird viel Unglück und Not sie treffen wird, so werden sie sagen: Hat uns nicht all dies Unglück getroffen, weil unser Gott nicht mehr in unserer Mitte ist? Ich aber werde mein Angesicht verbergen um all des Bösen willen, das sie getan, weil sie sich anderen Göttern zugewendet haben. Und nun lehre dies Lied die Israeliten, damit dieses Lied ein Zeuge sei wider Israel. Denn ich werde sie in das Land bringen, das ich ihren Vätern zugeschworen habe, ein Land, das von Milch und Honig fließt, aber sie werden sich abwenden und anderen Göttern zuwenden und ihnen dienen, mich aber werden sie verwerfen und meinen Bund brechen. Und wenn dann viel Unglück sie treffen wird, so soll dieses Lied vor ihnen Zeugnis ablegen; denn es wird nicht vergessen werden im Munde ihrer Nachkommen. Und Mose schrieb dieses Lied auf und lehrte es die Israeliten…“ (5. Mose 31, 16-22).
In unserem Versuch, den Holocaust zu verstehen, beachten wir die Heilige Schrift nicht, obwohl sie detaillierte und exakte Aussagen darüber macht, was „in den letzten Tagen“ über uns kommen würde. Der Ausdruck „in den letzten Tagen“ ist dabei immer als der Zeitabschnitt kurz vor der Aufrichtung des Messianischen Reiches verstanden worden. Doch diejenigen, die hören sollten, wollen nicht hören. So wendet sich Gott an die stumme und leblose Natur:
„Merket ihr Himmel, denn ich will reden, und die Erde höre meine Worte! Meine Lehre riesle wie der Regen … und wie Tropfen auf die Flur. Denn den Ruhm des Herrn will ich verkündigen: Gebet Ehre unserem Gott! Er ist der Fels. Untadelig ist sein Tun, denn Recht sind alle seine Wege… (5.Mo 32, 1-4).
Eine Generation bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Art von Menschen, die man in allen Epochen finden kann. So ist dieses Lied nicht nur an die Menschen, die zur Zeit Mose lebten, gerichtet, sondern es wendet sich an jede nachfolgende Generation einschließlich der, die in den letzten Tagen lebt. Darum sollte das Lied auch von Generation zu Generation weitergegeben werden.
„Als der Höchste den Völkern ihr Erbe gab, als er die Menschkinder schied, da setzte er fest die Gebiete der Völker mit Rücksicht auf die Zahl der Söhne Israels. Aber der Anteil des Herrn ist sein Volk, Jakob das Los seines Eigentums. Er fand es in wüstem Lande, in der Öde; er hütete es wie seinen Augapfel.
aber es verwarf den Fels seines Heils. Sie machten ihn eifersüchtig durch fremde Götter, sie opferten Geistern, die nicht Gott sind, Göttern, die sie nicht gekannt, von denen eure Väter nicht gewußt. Des Felses, der dich gezeugt, gedachtest du nicht und vergaßest des Gottes, der dich geboren“ (5. Mose 32, 8-10; 15-18)
Auf welchen dieser Vorwürfe habe wir als Volk reagiert? Zwar wurde sie von den Propheten ständig wiederholt; aber wann haben wir je zugegeben, daß diese Vorwürfe berechtigt waren?
Wir müssen uns auch der Frage stellen, ob dieses Ende bereits da war.
„Sie haben mich herausgefordert mit Göttern die doch keine sind…So werde ich sie reizen mit einem Volk, das keines ist. Ich werde sie herausfordern mit einer Schar von Narren (5. Mose, 32, 21)
Manche Ausleger interpretieren diese Stelle als Beschreibung von Nazi-Deutschland. Der Nationalsozialismus hatte Deutschland tatsächlich so entstellt, daß es kein Volk mehr im zivilisierten Sinne war. Es war ein „Volk von Narren“ geworden. Deutschland war zu einem Volk geworden, das alle Werte umgedreht hatte, ein Volk, das den Tod verherrlichte. . . .
Auch andere Fragen in diesem Zusammenhang sind bis heute ungeklärt Warum bombardierten die Alliierten niemals die Bahnlinien, die nach Auschwitz führten?
Und warum weigerten sich alle Nationen des Westens beharrlich, die Juden aufzunehmen?
Antworten auf diese Fragen finden wir nicht bei Menschen, sondern nur bei Gott. Wenn Er ein Gericht ergehen läßt, dann geschieht das genauso umfassend wie vollständig, wie Er es sich vorgenommen hat, und zwar durch Menschen als auch gegen den Widerstand von Menschen. Die Gerichte Gottes sind streng, und wenn sie eintreffen, dann in vollem Umfang. „Ich will mein Angesicht vor ihnen verbergen“, bedeutet auch, daß niemand Seine Gerichte aufhalten kann.
„Ich hätte gesagt: Ich will sie zerstreuen…., ihre Dränger möchten es falsch auslegen und sagen: ‚Unsere Hand war mächtig, nicht der Herr hat dies getan’ “( 5. Mose 32, 26)
Mit anderen Worten, wenn einige von uns überlebt haben, dann nur durch Gottes Eingreifen. … Gott selbst aber hat Sein Gericht verkürzt und hat einen Rest übriggelassen. . . .
Wir haben allen Grund zu befürchten, daß ähnlich furchtbare Schrecken uns erneut treffen werden. Nach wie vor leben wir „in den letzten Tagen“ und durch den Holocaust haben wir, quasi als eine Vorschattung, einen Eindruck dieser Ereignisse der letzten Tage bekommen. Doch haben wir daraus keine Lehre gezogen!
„Sehet nun, daß ich es bin und kein Gott neben mir ist. Ich bin’s, der tötet und lebendig macht, ich habe zerschlagen, ich werde auch heilen und niemand errettet aus meiner Hand“ 5. Mose 32. 39).
In der jüngeren jüdischen Geschichte hat sich deutlich erwiesen, wie wahr diese Aussage ist. Wenn Gott ein Gericht beschließt, wird es auch ausgeführt. Doch meine Erwartung reicht darüber hinaus. Ich erwarte die Wiederherstellung und Befreiung aus diesem zukünftigen und letzten Gericht. Ich glaube dem Wort Gottes, das von unserer Rettung spricht:
„Tröstet mein Volk! Spricht euer Gott. Redet Jerusalem zu Herzen und rufet ihr zu, daß ihr Frondienst vollendet, daß ihre Schuld bezahlt ist; denn sie hat von der Hand des Herrn Zwiefältiges empfangen um all ihrer Sünden willen“ (Jesaja 40, 1-2).
Hier ist die Rede von Worten des Trostes, die uns mitten in unserer Ausweglosigkeit erreichen werden. Ohne sie würden wir die noch vor uns liegenden letzten Gerichtshandlungen nicht überleben. Diese tröstenden Worte müssen uns, noch bevor unser Messias tatsächlich als Befreier erscheint, überbracht werden. Doch können wir einem solchen tröstenden Wort aus dem Munde Gottes nur dann glauben, wenn wir uns bewußt werden, daß es derselbe Gott ist, der uns gerichtet und diese Urteile in der Vergangenheit auch ausgeführt hat, der uns nun Trost zuspricht und diesen Trost in unserer Zukunft genauso konkrete Taten umsetzen wird. Er ist ganz entscheidend, daß wir unsere Gerichte als von Gott kommend begreifen und daß Er sie bis ins letzte Detail erfüllt hat; denn wenn wir das nicht glauben, dann werden wir auch nicht in der Lage sein, dem Wort zu glauben, das von unserer Wiederherstellung spricht.
Der Gott, der uns gerichtet hat, ist derselbe Gott, der uns wiederherstellen wird. Alles wird von Gott, aus Gott und durch Gott sein – sowohl im Gericht als auch in der wiederherstellenden Vergebung und Versöhnung.
Soweit also das Lied des Mose, das jeder Jude hätte auswendig lernen sollen. Dann wären wir gewarnt worden. Doch das Fehlen solcher Warnungen im Vorfeld des Gerichtes ist ein Beleg dafür, daß das heutige Judentum in tragischer Weise den Herausforderungen seiner eigenen Geschichte nicht gerecht werden kann.

Kapitel 6
Jüdische Reaktionen auf den Holocaust
Wenn wir Juden mit dem Hinweis konfrontiert werden, daß der Holocaust die Folge der Sünde des jüdischen Volkes sei, bäumt sich alles in uns auf. Ein solcher Gedanke sprengt alle unsere Kategorien – was sehr wohl in Gottes Absicht liegen könnte. Vielleicht müssen uns zuerst alle vertrauten Denkmuster zerstört werde – selbst wenn es dazu einer solch brutalen Erschütterung bedarf, wie sie eine Katastrophe dieser Größenordnung hervorruft.
Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß unsere besten Wortführer wenig oder überhaupt keine Anstrengungen machen, Erklärungen dafür in der Bibel zu finden Denn wir sind im allgemeinen ein der Bibel entfremdetes Volk. Und so mag unsere Haltung gegenüber dem Wort Gottes gleichzeitig eine Aussage über unser Verhältnis zu Gott sein. Wir können theologische oder philosophische Betrachtungen anstellen, doch losgelöst von den Aussagen der Bibel, wird daraus nur ein selbstgemachter Gott, ein Gott der unserer Sichtweise und unseren Traditionen entspricht.
Eines der bekanntesten Bücher über den Holocaust, das von dem Rabbiner Richard Rubinstein, trägt den Titel: After Auschwitz (Auschwitz und danach) Darin schreibt er , daß es nach Auschwitz keine glaubwürdige Basis mehr gäbe, den überlieferten Glauben des Judentums noch für wahr anzusehen. Gott, wie wir ihn traditionsgemäß verstanden haben, sei nun indiskutabel. Gott sei tot, denn wo ist er in all dem? Der Holocaust sei der deutlichste Beweis, daß Gott tot sei, und warum sollten wir uns dann noch lange mit überflüssigen Fragen abgeben? Der Gott der Torah könne mit dem Geschehen des Holocaust nicht in Einklang gebracht werden. . . .
Anstatt laut aufzuschreien: „O Gott, warum? Was haben wir nur getan?“, wie wir es tun sollten, kommt es auf diese Weise unweigerlich zu einer Verhärtung, einer zunehmenden Arroganz und einem unverschämten Auftreten gegenüber Gott.
Ein persönlicher Freund schreibt dazu: „Sich anzumaßen, daß der Schöpfer auf unsere Forderungen eingehen muß, die aus menschlicher Vernunft geboren wurden, ist in sich der Gipfel der Arroganz.“
Andere haben die Schlußfolgerung gezogen, daß der Holocaust eine Aussage über und ein Beweis für den moralischen Bankrott der christlichen Zivilisation mit ihrem ethischen Selbstverständnis sei, und gleichzeitig den geistlichen Bankrott der christlichen Religion besiegele. Diese Stimmen behaupten, der Antisemitismus habe seinen Ursprung und seine Wurzeln in den negativen Äußerungen des neuen Testamentes gegenüber Juden. Diese hätten über rund zweitausend Jahre ihre Wirkung entfaltet und schließlich ihren Höhepunkt in dem Haß gefunden, der sich im Holocaust manifestierte. Diese Menschen sehen den Holocaust als das Versagen der Kirche, dessen Opfer wir Juden geworden sind. Ohne Frage gab es ein Versagen der Kirche; aber war das die vorrangige und hauptsächliche Ursache des Holocaust? Entbindet das uns Juden irgendwie davon, den Holocaust als ein Gericht über unser Volk anzusehen?
Etwas, was die Leiden des Holocaust für viele von uns in gewisser Weise aufwiegt, ist die Tatsache, daß der Staat Israel daraus hervorgegangen ist. Das wird als eine Art „Schadenersatz“ angesehen. Wir mögen den Holocaust nicht erklären können, aber dafür bekamen wir wenigstens einen eigenen Nationalstaat und somit einen Ort hoffnungsvoller, permanenter Sicherheit. Jetzt brauchen wir nicht länger wehrlose Opfer unter den Völkern zu sein. Wir können unseren eigenen Staat haben, und darüber hinaus können wir den anderen Völkern zeigen, was den echten jüdischen Staat auszeichnet – seine moralischen und ethischen Werte.
Andere haben, so unglaublich das klingen mag, die jüdische Katastrophe und das Leiden nicht als Gericht Gottes interpretiert, sondern derart, daß hierin das Judentum bis hin zur Gottähnlichkeit perfektioniert werden sollte. Sie wollen mit solchen Ideen nicht etwa Gott widerstehen, sondern vielmehr Ihn ersetzen und so werden wie Er, um damit selbst die messianische Hoffnung der Welt zu sein.
Da die westliche Zivilisation, d.h. die christliche, sich auf ihre endgültige Auflösung und ihren völligen Bankrott zu bewege, erwarten diese Kommentatoren, daß sie durch eine jüdische Zivilisation und Kultur ersetzt werden wird. Letzten Endes wußten sie ja schon lange, daß die jüdische Kultur überlegen sei – moralisch, geistig, intellektuell und kulturell. Das Judentum sei nun bereit, aus den Kulissen hervorzutreten, nachdem die Welt es bisher nur als eine Religion von zweitrangiger Bedeutung angesehen habe, ohne seine Überlegenheit anzuerkennen. Doch nun bereite es sich vor, auf der Bühne der Weltgeschichte zu erscheinen, um sich selbst als eine Antwort für die ganze Menschheit zu präsentieren!
Zentrum aller Überlegungen ist und bleibt die Frage nach dem jüdischen Leiden. Wenn wir es nicht als Gericht verstehen wollen, wie sollen wir dann eine Erklärung dafür finden? Dann bleibt uns nur eine Art bizarrer Logik, wie sie oben beschrieben worden ist. Eine Logik, die davon ausgeht, daß das jüdische Volk durch Leiden zu einer Gottähnlichkeit gelangen wird. Ja, daß wir Juden das „göttliche Wesen“ seien, und daß an allen Orten, wohin wir von Gott zerstreut wurden, unser Leiden als eine Art Sühne für die ganze Menschheit gedient habe. So endet die Weigerung, den Holocaust als Gericht Gottes anzusehen, unausweichlich damit, daß Gott gering geachtet und der Mensch vergöttlicht wird.
Die willkürliche Umdeutung der Leiden unseres Messias, als wären es unsere eigenen, ist unvermeidlich für ein Judentum, das es ablehnt, einen leidenden Messias als Person in Erwägung zu ziehen, und das gleichzeitig eine Erklärung für seine eigenen historischen Leiden finden muß. Wenn wir Jesus (Jeschua) als Erfüllung von Jesaja 53 ablehnen, wo es heißt, „so entstellt war sein Aussehen, mehr als das irgendeines Mannes“, und dann unser Volk an Seine Stelle setzen, gelangen wir unvermeidlich an einen Punkt, wo diese Vorstellungen miteinander kollidieren. Diese konsequente Ablehnung zwingt uns, nicht nur dem Messias zu widerstehen, sondern notwendigerweise auch eifersüchtig auf Seine Stellung zu schauen. Es ist dann nur folgerichtig, selbst als Messias aufzutreten, selbst wenn der leidende Knecht, die Inkarnation der Gottheit zu sein. Wir Juden wollen selbst die messianische Hoffnung verkörpern und damit die Kultur, die die Antwort für alle Menschen ist.
Was für eine Selbsterhöhung des Menschen, sogar die eigenen Katastrophen so zu interpretieren, daß der Mensch nicht nur gerechtfertigt (und eben nicht bestraft) daraus hervorgeht, sondern geradezu zum Gott erhoben! 
Wenn wir die biblischen Aussagen im 5. Buch Mose, die uns die Gründe für unsere ganze Not zeigen, nicht akzeptieren wollen, dann werde wir zwangsläufig eine andere Begründung präsentieren müssen. Und so werden unsere menschlich Erklärungen nur zum weiteren beleg für die Welt.
Hätten wir uns doch nur Gott unterstellt, dann wären wir bereits zu solch einem Volk geworden. Jedoch in unserer Rebellion und in unserer bewußten Unabhängigkeit von Gott – indem wir unsere Berufung im Licht unseres eigenen spärlichen Lichtes zu erfüllen suchten – kamen aus unseren Reihen nur falsche Messiashoffnungen wie der Marxismus und zahlreiche andere Ideologien und internationale Bewegungen. Doch der Gott, der Verheißung, Bund und Berufung gab, sagte in Jeremia 31, 36-37 und bestätigt es im Neuen Testament in Römer 11, 29: „ . . . Gottes Gaben und Berufung sind unwiderruflich.“ Das bleibt gültig, trotz unseres Versagens. Er wird diese Verheißung erfüllen, und wir werden schließlich dieser Segen für alle Geschlechter der Erde sein. Nicht in der Arroganz und Selbstzufriedenheit, die uns bis jetzt charakterisiert haben, sondern in der Zerbrochenheit und Demut, die erst die noch vor uns liegenden abschließenden Handlungen Gottes zum Ende dieses Zeitalters in uns bewirken werden. Durch genau diese Handlungen werden wir zuletzt an einen Punkt gelangen, an den wir trotz des schrecklichen Holocaust sichtlich bislang nicht gekommen sind. . . .

Kapitel 7
Der Judaismus und die Gotteserkenntnis
Eine der unbeantworteten Fragen, die der Holocaust aufwirft, liegt in der Tatsache, daß der Teil der Juden, der am meisten gelitten hat, gleichzeitig der am stärksten religiöse war. Es waren die Juden in Polen, die vom Holocaust am stärksten getroffen wurden. Und der größte Teil von ihnen war orthodox oder sogar ultra-orthodox. Wie könnte Gott der Urheber des Holocaust sein, wenn es doch die religiöseste Schicht der Juden war, die scharenweise ausgerottet wurde, während ein beträchtlicher Teil der Säkularen Juden verschont blieb? Und warum eigentlich wurden die Juden in Amerika verschont? Welche Gerechtigkeit soll man darin sehen? Wo war Gott, der doch die Frommen eher hätte ehren und bewahren sollen? . .
Bei solchen Überlegungen gibt es eine unausgesprochene Grundvoraussetzung, die wir nicht übergehen, sondern einmal genauer beleuchten sollten. So kommen wir dem Kern der Sache näher. Der Umstand, daß wir vom orthodoxen Judentum beeindruckt waren und es als den höchsten Ausdruck der jüdischen Religion angesehen haben, bedeutet nicht zwangsläufig, daß Gott im gleichen Maß davon beeindruckt war. Es ist vielmehr genausogut möglich, daß das, was uns so sehr imponiert, Ihn ganz besonders stark betrübt. Es ist denkbar, daß besonders die religiösen Juden Opfer des Gerichts wurden, weil die von ihnen so hoch gepriesene Gotteserkenntnis nicht auf Wahrheit gegründet war, sondern auf etwas, was Menschen in ihrer selbstbezogenen Tradition wichtig und lieb geworden war. . . .
Nur weil wir ein „religiöses“ Volk sind, gibt uns das keine Garantie, daß wir eine Gotteserkenntnis besitzen, die der Realität entspricht. Das Judentum ist in erstaunlichem Maße unwissend in bezug auf die Gerichte, die wir in der Vergangenheit durchgemacht haben, weil wir Gottes Wort ablehnten. Auch das talmudische oder rabbinische Judentum gründet sich nicht so sehr auf das biblische Wort als vielmehr auf die menschlichen Kommentare. . . .
Aus der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung der Priesterschaft, zwei von Gottes Gerichten, entstand eine von Menschen verordnete Alternative, das heutige Judentum. Dieses Judentum ist weit mehr rabbinisch als biblisch. Ist damit womöglich aus dem Judentum ein Lebensstil und eine kulturelle Gemeinschaft geworden., der die Vorstellung eines erfahrbaren und gegenwärtigen Gottes fremd ist? In seinen liberalen Formen ist es doch kaum mehr als ein ethischer Humanismus . . . .
Wir müssen einsehen, daß, wenn es um Gotteserkenntnis geht, der Mensch sich nicht nach Belieben selbst bedienen kann. . . . Gott ist Gott, der Mensch ist Mensch. Und wenn Gott sich nicht zum Menschen herabläßt, begegnen sich die beiden nie. . . .
Die Axt wird an die Wurzel dieser menschlichen Irrtümer gelegt, die zu einem grundsätzlichen Mißverstehen der Wirklichkeit führen. . . . Die letzte Konsequenz dieser falschen Vorstellung könnte der Tod in einem neuen Auschwitz sein! . . .
Es gibt keine Aussage, die mehr über Gott als Gott sagt, als der gekreuzigte Gott. Man kann viel über Gott sagen, doch die tiefsten Dinge und die höchsten Offenbarungen über Gott finden wir in der Tatsache, daß Er Sich Selbst bereitwillig als Opfer zur Verfügung stellte. Das ist Gottes eigenes Handeln, das ist Gottes eigener Plan. Er will damit etwas aussagen. Er will sagen: So sieht euer Gott wirklich aus, und so möchte Er, daß die Menschen Ihn kennen. So verstanden bedeutet es, wenn wir Gott nicht als den Gekreuzigten kennen, zugleich, daß wir Gott gar nicht kennen. Wir können Gott wohl „Gott“ nennen, aber wenn wir Ihn nicht mit diesem Messias identifizieren, den wir gekreuzigt haben, und wenn wir nicht verstehen, was das zu bedeuten hat, dann haben wir es unweigerlich mit einem Gott zu tun, der unserer Vorstellung entsprungen ist. Sicher: Wir können Ihn mit „Gott“ bezeichnen; aber dieser Gott gibt tragischerweise keine Antwort!
Hier sind wir am entscheidenden Punkt, sozusagen im Zentrum aller Fragen. Hier laufen die Fäden zusammen. Gehen wir hier fehl, dann auch in allen anderen Fragen. Die jüdische Tragödie der jüngeren Geschichte ist Ausdruck dieses Fehlgehens. So erkannten wir den Tag Seiner Heimsuchung nicht. Obwohl Er sich so sehr für uns einsetzte, so oft über uns weinte und uns so gerne unter Seine Fittiche nehmen wollte, wie eine Henne ihre Küken – wir haben nicht gewollt. Er warnte uns eindringlich, daß unser Haus verlassen und unser Tempel zerstört werden würde. Er warnte uns damit auch, daß wir ohne Priesterschaft und ohne Sühnopfer sein würden. Es würde keine Sühne mehr durch das Opferblut geben und somit keine Bedeckung (Kaparah). Das bedeutete, daß jede brutale, dämonische Macht sich völlig frei fühlen konnte, und anzugreifen. Und genau das haben sie getan! . . .
Der Kreis der Geschichte hat sich geschlossen. Die Menschheit, einschließlich des jüdischen und deutschen Volkes, hat nicht verstanden, oder wollte es nicht verstehen, welche tiefe Bedeutung darin liegt, den Holocaust als ein Gericht Gottes zu erkennen. . . .
Doch nicht nur das. Hier wurde auch der Grundstein dafür gelegt, daß Gott nicht mehr als Gott erkannt wurde und in der Folge auch der Mensch nicht mehr als Mensch. Eine falsche Vorstellung von Gott bringt unvermeidlich eine falsche Vorstellung vom Menschen mit sich! . . .
Was kann Gott tun, damit wir nicht mehr so hartnäckig daran festhalten, daß uns unsere Offenbarungen von Ihm wichtiger sind als Seine Offenbarungen? Er sandte Seinen Sohn, der für die Sünde als Sünde in ihrer ganzen Häßlichkeit gestorben ist. Wir konnten sehen, was Sünde für Gott bedeutete . . .
Wir jedoch bestehen auf unserer Vorstellung, daß der Mensch doch gar nicht so schlecht ist und sind sogar der Ansicht, daß er sich im Laufe der Zeit zum Positiven weiterentwickelt. Die Vervollkommnung des Menschen außerhalb von Gott ist jedoch eine rein humanistische Wunschvorstellung, die nur dadurch möglich wird, daß der Mensch die Sichtweise, die Gott am Kreuz über den Menschen offenbart, verwirft. Wer ein Bild von Gott hat, in dem das Gericht Gottes keine zentrale Rolle spielt, kennt Gott nicht wirklich. . . . Gott als Richter zu kennen, ist unverzichtbarer Teil einer wahren Gotteserkenntnis. . . .
Hier geht es um mehr, als um theologische Fragen. Hier geht es um Fragen, die das leben und die Wirklichkeit betreffen. In diesem Sinne ist der Holocaust der Schlüssel zu den grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins. Die Beantwortung der Frage nach dem Woher und Wohin unseres Daseins hängt davon ab, daß wir den Zustand des Menschen als solchen verstehen. Gott liegt jenseits unserer Vorstellungen. Er ist anders. Verstehen wir das nicht, dann kann es gar nicht anders sein, als daß unsere Sicht der Wirklichkeit verzerrt ist und wir in die Irre gehen.

Kapitel 8
Jüdische Ansichten über den Menschen
Man kann die Tragik dessen, daß der Holocaust von Deutschen ausgeführt wurde, nicht wirklich verstehen, wenn man nicht weiß, daß die jüdische Bevölkerung Deutschlands die deutsche Kultur zutiefst verehrte und in den Himmel hob und damit das humanistische Bild des Menschen. Wir haben ein erhabenes Bild vom Menschen, und Gott erlaubte uns eine Zeitlang, mit diesen falschen Wunschbildern zu leben, bevor wir schließlich davon eingeholt wurden. Ein Mythos oder eine Lüge hält eben immer nur eine gewisse Zeit. . . . Aber immer kommt die Zeit, da sich die Täuschung nicht länger mit der Realität verträgt, und dann muß etwas zerbrechen. Und eines Tage fliegt uns das Getue um den „Sympathischen“ Menschen um die Ohren, und wir stellen fest, daß wir als „sympathische Menschen“ zu den schrecklichsten Taten fähig sind oder aber Opfer derselben werden. Diese Lektion sollte uns allen zur Belehrung dienen. Gott läßt Sich nicht spotten! . . .
Es gehört wahrhaftig zu den erschütterndsten Tatsachen der modernen Zeitgeschichte, daß die systematische Vernichtung des europäischen Judentums nicht etwas durch ein rohes, primitives Volk geschah, sondern durch eine der beeindruckendsten Kulturen der ganzen Menschheitsgeschichte. Es ist bittere Ironie, daß wir Juden zuvor genau diese Kultur mehr als alle anderen zum Idol erhoben und bewundert haben. Ja, wir Juden waren selber die eifrigsten Hüter dieser deutschen Kultur. Wir sehr haben wir doch deutsche Philosophie, Musik, ja die ganze Tiefe und den Reichtum einer beinahe 2000 Jahre alten Kultur geliebt – doch das rettete uns nicht.
Bis zum Aufstieg Hitlers war Deutschland für viele Juden der Inbegriff einer zivilisierten und kultivierten Gesellschaft. Unseren Blick auf die Heilige Schrift als Maßstab zur Beurteilung menschlicher Errungenschaft hatten wir schon lange vorher aufgegeben. Gleichzeitig gab es wenig oder gar keine Erwartung eines persönlich erscheinenden Messias. Im Gegenteil, es verbreitete sich mehr und mehr die Ansicht, daß ein aufgeklärtes messianisches Zeitalter kommen würde, wie es – wenigstens ansatzweise – durch die deutsche Kultur schon vorgeschattet war. Ein Zeitalter, dessen Triebkraft das Eigeninteresse des aufgeklärten und ethischen Menschen seien sollte. Tatsächlich war Deutschland für viele „emanzipierte“ Juden die messianische Erfüllung geworden. Dabei wurden die jüdischen Lobgesänge auf den modernen Menschen durch die humane deutsche Gesellschaft, in der sie lebten, gerechtfertigt. Aus diesem Grunde mußte Gott – eine unvergleichliche Ironie der Geschichte – gerade Deutschland dazu gebrauchen, die Tragödie des Holocaust über uns zu bringen.
Ein deutscher Jude zu sein, war die höchste Würde, auf die man hoffen konnte. Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg war es üblich, daß deutsche Juden geringschätzig auf Juden aus Polen oder Rumänien herabblickten, die als Einwandere nach Deutschland gekommen waren. Diese waren ungebildet, in ihrer Religion so plump und orthodox. Sie trugen lange Bärte. Sie kamen aus den ländlichen „Stetls“ und den Ghettos. Im Gegensatz dazu hielt der deutsche Jude sich für emanzipiert. Er war ein Spiegelbild der höchsten Werte deutscher Kultur.
Die vom Rationalismus geprägten deutschen Juden sahen sich selbst als überlegen an, und in der Tat haben sie einen enormen Beitrag zu dieser Kultur geleistet. Die drei Männer, die das 20. Jahrhundert und damit unsere moderne Welt am nachhaltigsten geprägt haben- Karl Marx, Sigmund Freud und Albert Einstein – waren alle deutschsprachige Juden. Doch der Umstand, daß deutsche Juden die deutsche Kultur feierten und so hoch schätzten, hatte mit der Zeit die auf die Bibel gegründete Erwartung des Messias verdrängt und sich an deren Stelle gesetzt. Viele Juden dachten, wenn doch die ganze Welt sozusagen germanisiert werden und an den philosophischen, ethischen und moralischen Vorzügen der so vernunftgemäßen deutschen Kultur teilhaben könnte, dann würde das den Beginn des messianischen Zeitalters bedeuten. Gleich den Vertretern des deutschen Rationalismus empfanden wir ein peinliches Befremden gegenüber dem übernatürlichen Gott des Alten Testaments. Darum haben wir es nie für möglich gehalten, daß Gott Sich in unserem „aufgeklärten“ Zeitalter in die Angelegenheiten der Menschen einschalten würde. Damit haben wir uns selbst den Zugang zu einem kraftvollen und rettenden Glauben versperrt, der uns während der zeit des Holocaust hätte tragen können.
Wir litten gerade durch die Nation, die wir so sehr verehrt hatten. Wir hatten nicht geahnt, wie verdorben der Mensch in Wirklichkeit ist. Dabei hätten wir es verstehen können, wenn wir nur die Offenbarung ernst genommen hätten, die uns durch den Holocaust des Kreuzes gegeben worden war. Doch so konnten wir das Ausmaß der Bosheit nicht voraussehen – unmenschlich Dinge, die uns durch genau das Volk zugefügt wurden, auf das wir unser erhabenes Menschenbild projiziert hatten. Wir hatten das überlegene und idealistische Bild, das wir von uns selbst hatten, auf die deutsche Kultur übertragen. Ein Selbstbild, an dem wir, so beobachte ich es, trotz der Tragödie der jüngsten Vergangenheit im wesentlichen noch immer festhalten! Wir schätzen uns als Volk so überlegen ein, daß wir dazu neigen, uns selbst zu verherrlichen. Das prägt unsere religiösen Veranstaltungen und unser kulturelles Leben. In unseren eigenen Augen sind wir so beeindruckend, daß wir darüber blind geworden sind für die Verdorbenheit, die in der Natur des Menschen liegt, eine Verdorbenheit, die weit tiefer reicht als die Frage nach dem Wert oder Unwert der deutschen Kultur. So steht es noch aus, daß wir erkennen, wie der generelle sittlich und moralische Zustand des Menschen ohne das Eingreifen Gottes ist und daß auch wir Juden von diesem Urteil nicht ausgenommen sind. Diese Lektion haben wir noch nicht gelernt. Noch immer haben wir eine so unrealistisch hohe Meinung vom Menschen – selbst jetzt, nach dem abscheulichen Versagen des Menschen in der Neuzeit. Wir sind bis heute nicht bereit einzugestehen, daß wir mit den Deutschen und allen anderen Menschen an der Verdorbenheit der menschlichen Natur teilhaben. . . .
Wir haben von Gott her eine Bestimmung, die weit über das hinausgeht, was wir bisher erkannt haben. Diese muß erfüllt werden, selbst wenn wir uns dagegenstellen. Gottes Wort, Sein Name, Sein Bund, Seine Ehre und Seine Verheißungen stehen auf dem Spiel; Verheißungen, die sagen, daß aus Abrahams Lenden ein Nachkomme stammen wird, „der alle Geschlechter der Erde segnen wird“ (1. Mose 12, 3). Was wird noch nötig sein, um uns zu jenem Eingeständnis zu bringen, das im Prophet Hesekiel, Kap. 37, genannt ist? Was auch immer dazu nötig ist, Gott muß es um Seiner letztendlichen Ziele willen, herbeiführen.

Kapitel 11
Gericht als Ausdruck der Gnade
Im gleichen Maße, wie die Kreuzigung von Jesus das Gericht Gottes über die Sünde war, so war der Holocaust das Gericht Gottes über Israel. Beide Katastrophen waren Gerichte. . . . Gott stand selbst inmitten dieser Leiden und Er litt mit. Gott ist nicht grausam, so daß er am Bösen Gefallen hätte, sondern „er ward ihr Retter in all ihrer Not“ (Jesaja 63, 8).
Kann nun das Gericht Gottes letzte Maßnahme für verstockte Menschen sein, nachdem keine andere Gnade unsere Aufmerksamkeit gewinnen konnte? Wenn dem so ist, dann ist Gericht eine Gnade Gottes. . . . Angesichts völliger Hoffnungslosigkeit, daß andere Menschen oder wir selbst noch etwas für uns tun könnten, wird Gott Selbst uns in übernatürlicher und machtvoller Weise in Seiner Gnade wiederherstellen. Die Zerbrochenheit und Umkehr, die darauf folgen werden, und die Tiefe unserer Beugung vor Gott bei der Offenbarung solcher Güte wird in unserer Geschichte ohne Beispiel und nicht in Worte zu fassen sein (Jesaja 35, 3-4). . . . Wenn wir die Leiden der Vergangenheit als eine Erfüllung des im Worte Gottes angekündigten Gerichts erkennen, dann werden wir auch eine Grundlage für die Hoffnung auf die zukünftige Wiederherstellung habe, die uns ebenfalls in seinem Wort verheißen hat; denn der Gott des Gerichts ist gleichermaßen der Gott der Gnade.
Er wird seine Gerichte in einer Weise über uns bringen, daß sogar die Nationen sie als solche erkennen werden (Hes. 36, 36). Sie werden aber genauso Seine Gnade, die über uns ausgegossen werden wird, erkennen, so daß keine Nation eine Entschuldigung haben wird, wenn sie gefragt wird, warum sie Ihn nicht erkannt hat. Das alles wird nicht in einem Winkel geschehen. Alle nicht-jüdischen Nationen werden zur Verantwortung gezogen werden, nachdem sie die Demonstration von Gottes Gericht und Seinem Erbarmen an uns gesehen haben werden. . . .
Nach den prophetischen Aussagen der Bibel werden sich bei der endgültigen Rückkehr Israels aus Verfolgung und Vertreibung Dinge ereignen, die bei der Rückführung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft (536 v. Chr.) noch nicht erfüllt wurden. Unsere endgültige Heimkehr wird davon gekennzeichnet sein, daß die ganze Nation, der überlebende Rest, Gott erkennen wird. Israel wird nur durch die geoffenbarte Gnade Gottes zu dieser Erkenntnis kommen. Gottes Gnade für Israel wird sich inmitten einer enormen noch zukünftigen Zerstörung in übernatürlicher Weise erweisen. Diese Rückführung wird anders sein als alle vorhergehenden. Die Gnade Gottes wird zweierlei bewirken: die Rückführung der Juden in ihr Land und eine Hinwendung zu Gott in den Herzen des jüdischen Volkes. . . .
In der letzten Zeit dieses Zeitalters konzentrieren sich die Interessen Gottes auf diesem Planeten ganz besonders auf Israel. Die Propheten der Bibel lassen keinen Zweifel daran, daß Gottes letztes Ziel mit Israel darin besteht, daß das Reich für Israel wiederhergestellt wird. Das heißt konkret, daß Israel an der Herrschaft seines Königs und Messias, Jesus von Nazareth, hier auf Erden ganz unmittelbar beteiligt sein wird. . . .
An der Herrschaft in jenem Reich werden durch Jeschua gerettete Juden in herausragender Weise beteiligt sein. Ihre Bedeutung wird die anderer Völker in gewisser Weise übertreffen. Christen in Deutschland tun deshalb gut daran, heute schon im Bewußtsein diese Bestimmung des jüdischen Volkes zu leben und selbst eine demütige Haltung einzunehmen. Eine solche Haltung könnte eine starke geistliche Wirkung unter jüdischen Menschen entfalten. Indem deutsche Christen dem heutigen Israel, ob in Deutschland oder anderswo in der Welt, die Botschaft von der Herrschaft Gottes bekannt machen, zeigen sie echte Früchte ihrer Umkehr in bezug auf den Holocaust und helfen gleichzeitig dem geretteten Überrest aus Israel in seine besondere Bestimmung im kommenden Friedensreich des Messias hineinzukommen.
Arthur Katz, 1998
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