Gottes Bund mit Abraham (D.Jaffin)

David Jaffin

 

Gott verheißt Abram einen Sohn und macht einen Bund mit ihm

Nach diesen Geschichten begab sich’s, daß zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Offenbarung:

Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.
Abram sprach aber: HERR, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder, und mein Knecht Elieser von Damaskus wird mein Haus besitzen. Und Abram sprach weiter: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein. Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein. Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein! Abram glaubte dem HERRN, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. Und er sprach zu ihm: Ich bin der HERR, der dich aus Ur in Chaldäa geführt hat, auf daß ich dir dies Land zu besitzen gebe.

Abram aber sprach: HERR, mein Gott, woran soll ich merken, daß ich’s besitzen werde? Und er sprach zu ihm: Bringe mir eine dreijährige Kuh, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine andere Taube. Und er brachte ihm dies alles und zerteilte es in der Mitte und legte je einen Teil dem andern gegenüber; aber die Vögel zerteilte er nicht. Und die Raubvögel stießen hernieder auf die Stücke, aber Abram scheuchte sie davon.

Als nun die Sonne am Untergehen war, fiel ein tiefer Schlaf auf Abram, und siehe, Schrecken und große Finsternis überfiel ihn. Da sprach der HERR zu Abram: Das sollst du wissen, daß deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Lande, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre. Aber ich will das Volk richten, dem sie dienen müssen. Danach sollen sie ausziehen mit großem Gut.

Als nun die Sonne untergegangen und es finster geworden war, siehe, da war ein rauchender Ofen, und eine Feuerflamme fuhr zwischen den Stücken hin. An dem Tage schloß der HERR einen Bund mit Abram und sprach: Deinen Nachkommen will ich dies Land geben, von dem Strom Ägyptens an bis an den großen Strom Euphrat…    1. Mose 15

Gottes Wirken an Abram, dem ersten Patriarchen und Vater der Gläubigen, hatte angefangen mit der vierfachen Verheißung:

– Sein Volk wird ein großes Volk werden,
– sein Volk wird das Land besitzen, welches der Herr ihm zeigen wird
– wer Abram und seine Nachkommen verflucht, wird verflucht werden,
– und wer Abram segnet, wird gesegnet werden. »Durch dich werden gesegnet alle Völker auf Erden.«

Diese grundlegenden Zusagen an Abram mit dem Befehl, das heidnische Vaterland zu verlassen und sich ein neues Land zeigen zu lassen, kann man als ein Leitmotiv zu Abrams ganzem Leben, ja, auch in Beziehung zu Israels und unserer ganzen Geschichte sehen. Israel soll Gottes erstgeliebtes Volk, Gottes Eigentum werden, und durch dieses Volk soll der kommen, der das Heil für alle Völker sein wird.

Israels Erwählung und Segen gelten nicht nur für sich, sondern für die ganze Welt. Anders gesagt: Das Alte Testament ist ein Buch für alle Völker. Denn was der Herr durch Abram und seine Nachkommen tut, wird den Weg bereiten zum Heil für alle Völker.

Deshalb sprechen die Propheten auch zu den Völkern rings um Israel leben. Deshalb schließen sich die Menschen aus den Völkern Israel an, schon bei ihrem Auszug aus Ägypten, bis hin zu den Gottesfürchtigen, von denen das Neue Testament schreibt, die als Heiden den Gott Israels anerkennen, aber nicht das ganze Gesetz halten müssen. Viele dieser Gottesfürchtigen werden dann später Christen. Es wird deutlich: Der Herr wirkt durch einzelne Menschen, wenn er Weltgeschichte gestaltet als »Jahwe«, als der seiende, wirkende, geschichtsgestaltende Herr.

In diesem Bibelabschnitt geht es direkt um zwei Aussagen des vierfachen Segens an Abram – um das große Volk und das Land Israel.

Aber auch Segen und Fluch werden indirekt mit angesprochen, ebenso Gottes geschichtlicher Weg mit Israel und damit auch mit uns.

»Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Abram sprach aber: Herr, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder, und mein Knecht Elieser von Damaskus wird mein Haus besitzen. Und Abram sprach weiter: Mir hast du keine Nachkommen gegeben.«

Wir lernen aus diesem Abschnitt, daß unser Glaube nicht ein passiver Glaube ist, wie bei den Götzen des Buddhismus und Hinduismus.
Abram redet sehr direkt mit dem Herrn. So sollen unsere Gebete sein, wie Martin Buber das ausdrückte: Gespräche in einer Ich – Du – Beziehung mit dem Herrn, oder wie die Propheten ständig fragen: »Herr, warum? Herr, wie lange?«

Wir kämpfen innerlich um Richtungsweisung, um Antworten; und wenn wir keine Antworten bekommen, sagen wir, meinen wir und beten wir: »Aber Herr, dein Wille geschehe.« Und wenn wir Antworten bekommen, die uns nicht passen, die gegen unseren eigenen Willen sind, dann sagen wir und beten wir: »Aber Herr, du weißt viel besser, was wirklich für mich gut ist, dein Wille geschehe.«

So erwidert Abram in unserem Text dem Herrn auch nichts, als der Herr voraussagte: »Das sollst du wissen, daß deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Lande, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre.«
Vierhundert Jahre sind keine kurze Zeit. Aber der Herr verspricht Abram in dem Zusammenhang Nachkommen, obwohl seine Ehe bislang unfruchtbar war: »Sieh gen Himmel, und zähle die Sterne; kannst du sie zählen?« Und er sprach zu ihm: »So zahlreich sollen deine Nachkommen sein.« Das versprach der Herr gleich nachdem Abram ihn angeklagt hatte, daß er ihm keine Nachkommen gegeben habe. Es ist zwar nicht unser Weg, den Herrn anzuklagen, seine Gerechtigkeit in Frage zu stellen. Aber manchmal fühlt sich der Herr trotz unseres Übermuts herausgefordert zu handeln, wie hier bei Abram, denn er ist der Herr des Lebens.

»Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.«

»Allein aus Glauben« gilt als der zentrale Satz der Reformation, der in diesem Text einen seiner zentralen biblischen Pfeiler hat. Ich kann mich noch gut an die Gesichter mancher meiner Konfirmanden erinnern, als ich ihnen von der Entrückung im Zusammenhang von 1. Thessalonicher 4 erzählte. Mancher schmunzelte, wie die alt gewordene Sarai, Abrams Frau, schmunzelte, als sie hörte, daß sie in ihrem hohen Alter ein Kind gebären solle. Aber dann sagte ich zu meinen Konfirmanden: »Können wir uns überhaupt die Größe des Schöpfers vorstellen? Es gibt Sterne, die Millionen von Lichtjahren von uns weg sein sollen. Und uns fällt es schon schwer, uns die Entfernung vorzustellen, die das Licht an einem Tag zurücklegt.

»Und der Herr sprach: Sieh gen Himmel, und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und er sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!«

Israel war zwar immer ein kleines Volk, aber im gesamten Zeitablauf gesehen ist diese Aussage wahr geworden, denn Israel hat Verfolgung nach Verfolgung überlebt, bis die letzte solcher Verfolgungen im Dritten Reich das Volk zurück in sein Land brachte – ein endzeitliches Ereignis, welches der Prophet Hesekiel um 600 vor Christus im Kapitel 37 seines Buches genau voraussagte.

»Und er sprach zu ihm: Ich bin der Herr, der dich aus Ur in Chaldäa geführt hat, auf daß ich dir dies Land zu besitzen gebe. Abram aber sprach: Herr, mein Gott, woran soll ich merken, daß ich’s besitzen werde?«

Abram fordert ein Zeichen vom Herrn. Das Land war groß und Abrams Geschlecht klein. Es steht uns nicht zu, in allen möglichen Situationen Zeichen vom Herrn zu fordern, denn der Herr hat sein endgültiges Zeichen, seine Liebe, seine Zusage, sein Heil für uns gegeben – sein Kreuz.

Wer mehr als das Kreuz braucht, hat nicht begriffen, was das Kreuz Jesu bedeutet. Wer mehr als das Evangelium haben will, hat nicht das wahre Evangelium im Sinn. So antwortete auch Jesus seinen zeichenfordernden Gegnern, den Schriftgelehrten und Pharisäern, daß er ihnen nur ein Zeichen geben wird, nämlich das des Jona, der drei Tage im Bauch des großen Fisches war – eine Vordeutung seines Kreuzes. Aber damals ging der Herr in zweifacher Weise auf seinen Knecht Abram ein:

1. Durch Erschrecken und große Finsternis, welches Abram überfiel, und wie der Herr dies deutete; und
2. durch Gottes Bund mit Abram, nachdem dieser ihm geopfert hatte.

Bemerkenswert ist, daß wahrer Glaube fast immer bedeutet, in die Tiefe geführt zu werden, durch Leiden, sogar durch Irrungen und Wirrungen gehen zu müssen:

»Als nun die Sonne am Untergehen war, fiel ein tiefer Schlaf auf Abram, und siehe, Schrecken und große Finsternis überfielen ihn. Da sprach der Herr zu Abram: Das sollst du wissen, daß deine Nachkommen werden Fremdlinge sein in einem Lande, das nicht das ihre ist; und da wird man sie zu dienen zwingen und plagen vierhundert Jahre.«

Alle großen Helden Gottes gingen Wege, die menschlich gesehen als Irrungen und Wirrungen erschienen, bis der Herr mit ihnen an sein Ziel kam. Aber die Erkenntnis scheint mir biblisch richtig zu sein, daß unsere uns geradlinig vorkommenden Wege in Wirklichkeit voller Irrungen sind, daß aber Gottes Wege, ganz anders als wir sie sehen, immer gerade verlaufen. Wir sind gar nicht in der Lage, immer zu wissen, was und wann wir etwas brauchen; oft müssen wir leiden, um zum wahren Heil zu kommen; oft müssen wir, wie das Volk Israel, alle möglichen scheinbaren Irrwege gehen, bis der Herr mit uns am Ziel ist. Er ist der gute Hirte. Und als solcher führt er uns auf seinen Wegen, und diese Wege sind trotz unserer Zweifel gerade, gut und zielgerichtet.

»Aber ich will das Volk richten, dem sie dienen müssen. Danach sollen sie ausziehen mit großem Gut. Und du sollst fahren zu deinen Vätern mit Frieden und in gutem Alter begraben werden.«

Der Herr spricht hier seinen Segen, seinen Schutz, seine Führung über Abram und seine Zukunft und die Zukunft seines Volkes. Das gilt auch für jeden gläubigen Christen.

»Sie aber sollen erst nach vier Menschenaltern wieder hierher kommen; denn die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll.«

Segen und Fluch. Und wie steht es hiermit in Deutschland, heute?

Jahwe, der seiende, wirkende Gott, hat seinen Heilsplan beschlossen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er wirkt, er erfüllt – aber wann und wie er will – an Israel, an der Gemeinde Jesu und an einem jeden von uns. Wir sollen endlich lernen, ihm ganz und gar zu vertrauen, denn er hält, was er verspricht. Und wenn wir daran glauben, dann wird er uns auf seinen Wegen führen, wenn wir diese auch nicht immer gleich als solche erkennen. Aber diese Wege sind seine guten und in seinem Sinne geraden Wege, und sie führen zu seinem Ziel für uns Gläubige, zu seinem ewigen Reich.

Hagar und Ismael

Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der HERR hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abram gehorchte der Stimme Sarais.

Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem sie zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatten. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, daß sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering. Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, daß sie schwanger geworden ist, bin ich geringgeachtet in ihren Augen. Der HERR sei Richter zwischen mir und dir.
Abram aber sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt. Als nun Sarai sie demütigen wollte, floh sie von ihr.

Aber der Engel des HERRN fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste, nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur.
Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her, und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen.

Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand.
Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, daß sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.

Weiter sprach der Engel des HERRN zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der HERR hat dein Elend erhört. Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird wohnen all seinen Brüdern zum Trotz.
Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiß habe ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. Darum nannte man den Brunnen »Brunnen des Lebendigen, der mich sieht«. Er liegt zwischen Kadesch und Bered.

Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael. Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar.  – 1. Mose 16

»Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind.«

Das ist das erste Gebot in der Thora: »Mehret euch!« Weil das grundlegende Ereignis Gottes die Schöpfung ist, sollen wir aus dieser Schöpfung die physische Kraft bekommen, uns zu mehren. Das ist ein zentrales Thema in vielen Familien, in Dynastien, die ausgestorben sind; es ist auch ein zentrales Thema in der Bibel.
Sie weiß von einer ganzen Anzahl Frauen zu berichten, die nicht in der Lage waren, Kinder zu bekommen.
Sarai war eine von ihnen;
Rahel, die sehr bevorzugt war wegen ihrer Schönheit, konnte zunächst auch kein Kind bekommen; ein weiteres Beispiel ist
Hanna, die Frau Elkanas, der sie sehr lieb hatte, sie aber litt sehr unter ihrer Kinderlosigkeit; auch der unfruchtbaren Ehe von
Elisabeth und Zacharias wurde erst nach langem Beten im hohen Alter ein Kind gewährt.

Solche »Unschöpfung«, daß man kein Kind gebären kann, bedeutet letzten Endes, daß man an Gottes Schöpferkraft nicht richtig teilhat. Das ist die theologische Bedeutung. Gott aber zeigt an diesen Menschen, daß er Kinder gibt und daß er auch dann Kinder geben kann, wenn aus biologischen Gründen kein Kind zu erwarten ist.
Auch das Entstehen des irdischen Lebens Jesu im Schoß der jungfräulichen Maria ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß der Schöpfergott, wie ihn uns die Bibel bezeugt, als der Herr über den biologischen Gesetzen steht.

Genauso ist er ja auch der Herr über den Gesetzen Moses, von denen Jesus bezeugt: »Mose sagte euch . . ., ich sage euch . . .«

Wir kennen dies aus der »Bergpredigt« Jesu, die seine endgültige Auslegung des Willens Gottes im Geist des Gesetzes Mose ist. So ist es ein biblisches Thema: »Gottes Herrschaft über die biologischen Gesetze«.

Die biologischen Gesetze hat der Herr mit seiner Schöpfung eingesetzt, Ordnungen, die sich nicht selbst schaffen, sondern dem Meisterplan Gottes entsprechen. An einer Anzahl Frauen, die entweder zu alt waren, ein Kind zu bekommen, wie Sarai, oder unfruchtbar waren, wird deutlich, daß der Herr immer noch Leben geben kann.

Es war eine seelsorgerliche Erfahrung für mich, miterleben zu dürfen, daß eine Frau, die ihr einziges Kind verloren hatte, noch zwei Kinder bekommen hat, obwohl die Ärzte das für unmöglich hielten. Der Herr ist Herr auch über biologische Gesetze.

Als die Menschen der Urgeschichte in Folge ihrer Sünde merkten, daß sie sterblich waren, wich die Geborgenheit im Garten einer überschattenden Kühle. Als Maria vom Heiligen Geist »überschattet« wurde, wird das, was durch das Verhalten von Adam und Eva verloren ging, wiederhergestellt in Jesus Christus, unserem Herrn.

So handelt Gott und stellt über die Gesetzmäßigkeit der Sünde das Handeln seines Heils. Der Maler Cranach hat einmal Jesus dargestellt mit einer Obstfrucht in der Hand, seine Augen sind auf den Betrachter gerichtet, als wollte er sagen: Durch dieses seid ihr alle gefallen, aber ich werde eure Beziehung zum Herrn wiederherstellen. Durch Adams und Evas Ungehorsam sind wir alle mit gefallen, durch Christus aber ist das Angebot des Heils für alle da.

Wir wissen alle, daß es Ehen gibt, die aus biologischen Gründen kinderlos bleiben. Aber diese sind deshalb sicherlich nicht vom Herrn benachteiligt. Vielmehr können sie zu einer außerordentlichen Bereicherung für unsere Gemeinden werden. Viele unserer besten Mitarbeiter sind Frauen oder Männer, die keine leiblichen Kinder haben, aber sie haben ihre »Kinder« in der Gemeinde. Sie haben »Kinder im Geist« wie der Apostel Paulus. Die Wertigkeit einer Ehe liegt nicht nur in der Gabe von Kindern – wenn dies zu Zeiten des Alten Bundes auch vorherrschend so war. Im Neuen Bund geht es aber nicht mehr vornehmlich um die Schöpferkraft Gottes, sondern um die Neuschöpfung in Christus. Es geht nicht insbesondere darum, ob man Kinder hat oder nicht, sondern ob man ein Kind Jesu wird, indem man ihn annimmt. Die Frage nach dem Kind in der Ehe gewinnt über die nach wie vor wirkende Schöpferkraft im Neuen Bund einen neuen Inhalt.

Vor dem Hintergrund der Verheißung Gottes an Abram gewinnt die Frage nach dem Kind noch eine ganz andere Dimension: »Durch dich sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.«

Nachkommen aus einer unfruchtbaren Ehe? Mit zunehmendem Alter wird die Frage brennend, und Ungeduld stellt sich ein. Doch der Herr kennt das Fragen unseres Herzens und hört unser Beten, wann und wie er will, öfters ganz anders, als wir es gerne sehen und haben wollen, und öfters zu einem Zeitpunkt, an dem wir es überhaupt nicht erwarten. Vergessen wir nicht: Er ist Herr über sein Wort und über seine Heilsgeschichte und über seinen Geist.

»Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar.«

Hagar – Ägypten, da laufen durch die Bibel geschichtliche Linien. Da lassen sich gleichsam dialektisch zwei Linien über Ägypten in der Bibel verfolgen: Ägypten ist ein Land der Zuflucht und das Land des Leids.

Das erste erinnert uns an Josef oder an Jeremia und vor allem auch an Jesus Christus, der als Kind in Ägypten vor dem Kindermord in Bethlehem Zuflucht suchte.

Ägypten – Ort der Zuflucht! Zugleich ist das auch eine Zeichenhandlung: Es ist ein Ort, an dem das Heil weitergegeben wird an die Heiden.
In Jesaja 19 wird die Straße des Heils, die Friedensstraße, gezeigt, die von Israel über Ägypten nach Assyrien ins Land der Heiden führt. Jesus, unser Friede, geboren in Israel, geht nach Ägypten, kehrt zurück nach Jerusalem zum Heil der ganzen Welt und sendet schließlich seine Boten von Antiochien in Syrien, der ersten heidenchristlichen Gemeinde, mit der Botschaft des Evangeliums hinaus in alle Welt.

Die andere Linie, die Linie des Leids, ist das Umgekehrte. Wenn ein Jude an Ägypten denkt, denkt er vor allem an die schreckliche Verfolgung, die seine Vorfahren vierhundert Jahre lang erlebt, erlitten haben. Schon damals war das Ziel der Verfolgung, das Volk auszurotten. Aber der Herr hat es errettet. So hat der Name Ägypten im biblischen Zusammenhang eine doppelte Bedeutung.

Gott sieht: Hagar, die Ägypterin, wird Ismael (d. h. der Wanderer) gebären, der hier stellvertretend für die arabischen Völker erwähnt wird, für die wandernden Völker des Vorderen Orients. Während Ägypten eigentlich immer ein Kulturland war, dessen Einwohner von der Fruchtbarkeit der weiten Nilaue lebten. Es liegt bis heute eine tiefe Spannung darin: Ägypten, das fruchtbare Kulturland, und die unruhigen Beduinenstämme der arabischen Völker, die von dem Sohn stammen, der von Hagar geboren wird. Hagar kommt aus Ägypten, ist aber eine Magd.

»Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann.«

Sarai weiß, sie ist nicht in der Lage Kinder zu bekommen, und das kommt vom Herrn.
Demgegenüber steht die große Verheißung desselben Herrn: »Durch dich, Abram, werden gesegnet alle Völker auf Erden«, und »das Volk wird so zahlreich sein wie die Sterne am Himmel oder der Sand am Meer«.
Da muß doch geradezu eine große Ungeduld aufbrechen. Doch diese Ungeduld wird verhängnisvoll. Sie will ans Ziel kommen. Der Herr hat doch dies Ziel versprochen! Viel später hatten sich zwei Menschen damit abgefunden, daß sie kein Kind bekommen würden – Elisabeth und Zacharias. In ihrem Alter hegten sie diese Hoffnung nicht mehr.

In Sarai, in ähnlicher Situation, keimte ein anderer Gedanke auf: Wir bereiten das selbst vor. Beide rechneten nicht mehr mit dem Vorhaben und dem Handeln des Herrn. Es drängte sich der Sarai auf, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen. Das ist gefährlich!

»Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme.«

Für uns ist diese Art zu denken befremdend, aber in jener Zeit war das logisch: Ich bin die Herrin, sie ist die Magd, und sie übernimmt stellvertretend, was ich nicht kann. Ob ihr bewußt war, daß das ein Spielen mit dem Feuer war?
Wenn nämlich eine Frau ein Kind bekommt, ist sie die Mutter; da gibt es keine Stellvertretung – wenn heute auch das Problem der »Leihmutter« wieder wohlwollend diskutiert wird.
Nein, hier geht es um den intimsten Bereich. Sarai spielt mit dem Feuer, weil sie der Möglichkeit Raum gibt, daß ihr Mann an der andern Frau festhalten kann. Denn Geschlechtsverkehr ist ja nicht nur ein physischer Akt – mindestens sollte es nicht so sein -, sondern er umschließt die ganze Person beider Beteiligten.
War Sarai in ihrer Ungeduld bereit, diesen vom Schöpfer gewollten Schutz aufs Spiel zu setzen? Der Gedanke der Logik jener Zeit ist da keine befriedigende Antwort, die zeitlos gültig wäre. Ihr Vorgreifen vor Gottes Handeln bringt für Israel einen seiner zentralen Feinde seiner ganzen Geschichte hervor, dem Machtanspruch und Wildheit von Anfang an bis in unsere Zeit wesenseigen ist.

»Und Abram gehorchte der Stimme Sarais.«

Er stand damit in der verhängnisvollen Linie von Adam und Eva, wo Adam bedenkenlos der Stimme seiner Frau gehorchte. Mann und Frau sind von Gott aber als sich gegenseitig ergänzende Einheit geschaffen, in der einer auf den anderen achtet. Deshalb gibt es in einer guten Ehe keine Herrschaft, sondern Achtung und Beachtung, Verantwortung und Zuordnung, in der Liebe gegründet. Und da liegt auch die Verständnishilfe, wenn Paulus Ehe und Gemeinde in bildhaften Vergleich zieht (Eph. 5).

Erstaunlich ist, daß der Herr dennoch an sein Ziel kommt, aber nicht wegen der Risikobereitschaft von uns Menschen, wegen unseres Heldenmuts oder unserer Weitsicht, sondern – im Gegenteil! – er kommt ans Ziel, weil er ans Ziel kommt. Und für seinen Weg kann er ganz schwache Menschen benutzen und tut das immer wieder. Was sind das denn für Menschen, die er erwählte? Mose, ein Totschläger – David, ein Ehebrecher und Mörder – Paulus, der die Verantwortung für Stephanus’ Tod trägt . . . Aber Gott kommt ans Ziel – auch durch solche Menschen. Das gibt uns die Hoffnung, daß er auch mit uns ans Ziel kommen wird. Das will uns die Bibel lehren: Gott will mit uns ans Ziel kommen, wenn er nur unser Herr ist.

» Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem sie zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatten.«

Zehn ist in der Bibel die Zahl der Gerechtigkeit. Das wird unter anderem an der Zahl der Gebote deutlich. Durch die ganze Bibel hindurch läßt sich aber auch beobachten, wie diese Zahl durch zwei in die Zahl der Vollkommenheit verändert wird: 10+2=12. Zehn Stämme des Volks gehen verloren, zwei bleiben: Juda, der größte (aus ihm stammt Jesus), und Benjamin, der kleinste (Paulus gehört zu ihm). Zehn Männer braucht man in Israel für einen Gottesdienst.
Jesus aber sagt: »Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.«

Er bricht damit das jüdische Gesetz – zehn jüdische Männer stehen diesen zwei gegenüber. Das Zeugnis von zweien wird zur Gerechtigkeit Gottes gebraucht – unter dem Kreuz Jesu, bei der Auferstehung, und bei den beiden »Emmaus Jüngern«, denen der noch unerkannte Auferstandene die Schrift auslegt und damit die wahre Gerechtigkeit Gottes zeigt; aber auch schon im Alten Bund mit Josua und Kaleb.

Die Zehn als Zahl der Gerechtigkeit kippt öfters um zur Ungerechtigkeit; hier bei Sarai das erste Mal: »Nach zehn Jahren . . .« Aber Sarai will ihren Weg gehen: Sie nimmt die Sache in ihre eigenen Hände, geht eigene Wege, die nicht Gottes Wege sind. Das führt zu verhängnisvollen Auswirkungen für Israel – bis heute! Sarai verstößt gegen die Gerechtigkeit Gottes. Sie will zu ihrer Zeit ans Ziel kommen, durch ein stellvertretendes Kind, nicht durch das verheißene Kind. Das bedeutet, sie handelt gegen das, was Gott will, gegen seine Gerechtigkeit.

»Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, daß sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering.«

Hagar, die Magd, kann ein Kind von Abram erwarten, stellvertretend, aber was bedeutet das? Sie ist doch die Mutter. Verwundert es, daß sie anfängt, sich zu überheben? Sie ist doch die Fruchtbare, sie wird doch das Kind gebären   was bedeutet da »stellvertretend«, auf ihrer Herrin Sarais Schoß, wie man das umschrieb. Nein, es ist ihr Kind, sie ist die Mutter und Abram der Vater. Und was könnte in Sarai vor sich gegangen sein? Der Textzusammenhang läßt schließen, daß sie sensibel reagierte, ja, wohl eifersüchtig wurde, nicht nur weil ihre Magd nun ein Kind von Abram erwarten konnte und sie nicht, sondern auch schon, weil ihr Mann eine intime Beziehung zu dieser Frau aufgenommen hatte. Eine durchaus verständliche Eifersucht. Sarai ist innerlich verunsichert, nicht wegen ihrer Unfähigkeit, ein Kind zu bekommen, sondern auch wegen ihrer Beziehung zu ihrem Abram. Sie hatte sich auf den Weg gegen Gottes Heilsaussage begeben. Es ist hilfreich, rechtzeitig zu bedenken, was daraus wird, wenn wir eigenmächtig handeln als unruhige, ungeduldige Menschen.

»Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich!«

Hier begegnet uns eine typische Haltung, die den Sündenbock festmachen will. Sie regt an, Abram solle sich der Hagar zuwenden; er tut das mit der Folge, daß ein Kind erwartet wird – genau das, was Sarai ja so haben wollte – und jetzt klagt sie an: »Das Unrecht, das mir geschieht!« Bei wem liegt aber die Ursache für dieses Unrecht? Doch vor allem bei Sarai. Sie aber sucht die Schuld bei ihrem Mann. Sicher, er ist mitschuldig. Aber hier läuft das gleiche Verschiebespiel ab wie beim Sündenfall Adams und Evas: »Es war das Weib«, und das Weib sagt: > Es war die Schlange.« Wer aber sucht und sieht die Schuld bei sich selbst? Darum geht es in unserem Glauben! Glaube bedeutet, nicht die Schuld bei anderen zu suchen, sondern bei uns selbst. Und das ist das Furchtbare in der Geschichte der Christenheit, daß die Christen das Volk Israel zum Sündenbock abgestempelt haben. Die Juden sind immer an allem Schuld. Das reicht bis in die aktuelle Gegenwart, z.B. in Rußland. Gottesfürchtige Juden lernen noch heute: Suche immer die Schuld zuerst bei dir, nicht bei den anderen! Das war auch Inhalt der Lehre Jesu. Und wer stand ihm durch die Jahrhunderte und die Jahrtausende eigentlich näher, die Juden oder die Christen? Immer wieder waren die Juden die Überfallenen, die Bedrängten, die Entmächteten. Während im »christlichen« Abendland ständig Kriege gegeneinander geführt wurden. Wehren sich aber einmal die Juden, wirft man ihnen vor, sie handelten nach der alttestamentlichen Devise »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ist das nicht eher christliches statt »typisch« jüdisches Handeln? Ein gottesfürchtig erzogener Jude fragt sich, wo er schuldig geworden ist, er fragt auch nach unerkannter Schuld. Aber bestimmt das auch das Denken vieler Christen? Suchen sie nicht wie Sarai ihre eigene Gerechtigkeit und reden lieber hinter dem Rücken anderer, um ihre eigene Gerechtigkeit, ihren eigenen Willen durchzusetzen? Auch in christlichen Gemeinden! Das ist genau das, was Sarai tut. Die Schuld liegt zuerst bei ihr. Aber Abram ist mitschuldig, denn er handelt bedenkenlos auf ihr Geheiß hin. Und nun weiß sie nur zu sagen: > Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich!« Das ist ein Fluch. Gerade der, der den Segen anscheinend für sie erfüllt hat, Abram, der ihr ein Kind gibt, soll hier von ihr verflucht werden   ». . . das komme über dich.« Und es sollte noch über ihn kommen. Denn was in Ägypten mit den Nachkommen Abrams passieren würde, hatte Gott in einem furchterregenden Traum zu Abram gesprochen (Kap. 15,12 14). Hagar, die Magd, die ihm Sarai gab, kam aus Ägypten. Sarai hätte die Auswirkung ihres Tuns voraussehen können. Auch Abram, der große Glaubensheld, tut es nicht. Das ist kurzsichtig. Der Herr hatte Nachkommen versprochen, unzählbar viele sogar. Aber er läßt sich in die Eigenmächtigkeit seiner Frau einbeziehen und muß sich nun des Unrechts bezichtigen lassen.

»Der Herr sei Richter zwischen mir und dir.«

Diese Aussage begegnet uns immer wieder in der Bibel: Er, der Herr, sei Richter! Sarai richtet sich selbst mit solcher Aussage, denn die Überlegung mit der Magd kam doch von ihr! Und das sollte noch verhängnisvoll werden für Israel! Wir sehen selten die Konsequenzen unseres Tuns voraus, denn das liegt nicht in unseren Händen. Bismarck hatte eine Liste geführt über die möglichen Auswirkungen seines Tuns   positive und negative. Oft war er dann völlig überrascht, was für Auswirkungen sein Tun hatte. Es gibt Konsequenzen, die wir nicht voraussehen können. Das sind oftmals nur Kleinigkeiten, die wir tun oder entscheiden   aber die Folgen sind groß. Wir sehen, was sich ereignet, nur aus unserem Blickwinkel. Nur wenige Menschen sind fähig, sich in die Lage eines anderen ganz hineinzuversetzen, zu fragen: Wie reagiert der andere? Die meisten denken nur: Ich will . . ., ich habe . . ., ich tue . . . Auch Sarai denkt so, eigensinnig, eigenmächtig   und Israel muß einmal hart dafür bezahlen.

»Abram aber sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt.«

Abram merkt: Dahinter steckt Eifersucht. Das ist eine durchaus menschliche Reaktion, meist mit üblen Folgen. Abram will Sarai deutlich machen: Ja, ich akzeptiere dich als die Mutter, denn sie ist deine Magd und steht damit unter deiner Herrschaft. Er ist sensibel gegenüber seiner eifersüchtigen Frau. Denn er sieht, daß es ihr letzten Endes darum geht, Abrams Liebe nicht zu verlieren, weil nun die andere ein Kind von ihm hat. Es ist wohl klug, daß er so reagiert: »Deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt.« Und doch geht er dann zu weit. Ist das ein gerechter Herr, der angesichts der Eifersucht seiner Frau sagt:

»Tu mit ihr, wie dir’s gefällt«? Er hätte wissen können, daß sie in ihrem Zorn nun ungerecht handeln würde. Das führt dann zu Ungerechtigkeit Sarais gegenüber Hagar. Das ist gegen den Willen des Herrn, denn der Gott der Bibel aber ist ein gerechter Gott.

So sieht es doch oft auch bei uns selbst aus   es ist so uneinheitlich wie ein Dach, das mit unterschiedlichen Ziegeln gedeckt ist; es ist zugedeckt   aber da paßt etwas nicht zueinander. So ist das auch hier. Aber das Wunderbare ist, Gott kommt dennoch an sein Ziel! Die Menschen können alles Mögliche tun   Gott kommt ans Ziel. Das darf jedoch nicht zu der Schlußfolgerung führen: Also tun wir alles, was wir wollen, denn der Herr kommt ja ohnehin an sein Ziel. Nein, wir müssen in Bußbereitschaft nach seinem Willen fragen, nach seinen Geboten, nach seinem Wort handeln und uns an seiner Liebe und seinem Weg orientieren. Der Herr ist der Hirte, er geht voran, er weiß den Weg, um ans Ziel zu kommen mit seinem heilsgeschichtlichen Plan, für Israel, für die Gemeinde und für jeden von uns.

»Als nun Sarai sie demütigen wollte, floh sie von ihr.«

Das war nur logisch. Sie hat das Recht zu fliehen, denn jetzt wird sie ungerecht behandelt. Abram und Sarai stehen damit nach allem, was geschehen ist, nochmals am Anfang des ihnen verheißenen Weges   ohne Kind. Trotz aller vermeintlichen Klugheit stehen sie wieder am Nullpunkt. So ist das öfters in unserem Leben mit unseren ausgeklügelten Gedanken und Wegen. Und wenn wir nicht in Christus sind, wird das auch mit unserem Tod so sein: »Nackt kam ich von meiner Mutter Leibe und nackt kehre ich zurück.«

»Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle . . .«

Er muß nicht nach ihr suchen, denn der Engel des Herrn ist im Alten Testament Gott selbst   und Gott sieht. »Der Engel des Herrn«, das bedeutet, Gott selbst fand sie. Wo Gott sieht, wo Gott findet, wo Gott spricht, geschieht etwas. Gott ist nicht da, um zu denken   Gott ist da, um zu handeln. Das ist Gottes Wesen. Gott braucht nicht erst zu denken, denn er weiß alles. Jahwe, der Seiende, der Wirkende, das ist sein Wesen.

Hagar ist in die Wüste geflohen. Die Wüste, der Ort der Versuchung – das ist ein stehendes Thema in der Bibel. Israel in der Wüste, Jesus in der Wüste.

Die Wüste – das ist der Ort des Heils, das ist die Brautzeit im Alten Testament, die Wüstenwanderung.

Oder denken wir an Saul und David: David kommt in Versuchung, Saul in der Wüste umzubringen; doch er tut es nicht, sondern schneidet nur einen Zipfel von seinem Rock ab, und das wird ihm zum Heil.

Doch die Wüste ist auch ein Ort der Dämonen. Unser Leben ist, als gingen wir durch eine Wüstenlandschaft zum Himmelreich, zu Gottes Reich. Israel ging durch die Wüste zum fruchtbaren Land.

Aber da ist eine Spannung im Alten Testament: Wo besteht die tiefste Beziehung zu Gott, im Land oder in der Wüste? Für mehrere Propheten ist es die Wüstenzeit. Dort ist man total abhängig von Gott – in Bezug aufs Essen, auf Trinken, auf die Orientierung, auf die Gerechtigkeit, in allem. Letzten Endes sind wir immer total abhängig von Gott, ob wir das einsehen wollen oder nicht. Der Herr gibt Leben, er gibt Liebe, er gibt einen Sinn für Leiden und Tod, und er allein kann wahre Führung geben.

Am Wasser fand Gott Hagar. Wasser, fließendes Wasser – das ist ein immer wiederkehrendes Bild in der Bibel, Fließendes, ein Bild für Leben, Tod und für Reinheit. Der Weg der kultischen Reinheit geht in der Bibel durch fließendes Wasser. Die Taufe oder Jesu Gespräch mit der Samariterin am Brunnen, auch Noahs Rettung aus der Sintflut und Israels Rettung durchs Schilfmeer – immer wieder ist es ein Bild dafür, dass es durch den Tod zu neuem, vom Herrn gereinigtem Leben geht.

Wenn hier von einer Quelle gesprochen wird, bedeutet es: „Quelle des Lebens“, es geht um das Leben. Der Herr sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd…« Die Namensnennung ist außerordentlich wichtig – nicht nur »Hagar«, sondern »Hagar, Sarais Magd«. Sie ist und bleibt die Untergeordnete, auch im Hinblick auf die Verheißungen. Auch sie wird noch Verheißungen zugesprochen bekommen, aber untergeordnete. Israel, das Volk der übergeordneten Verheißung, ist ein kleines Volk; die Araber rings um sie her sind zahlenmäßig weit größer, aber sie können Israel nicht zerbrechen, denn Israel ist Gottes auserwähltes Volk.

»… Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her, und wo willst du hin?«

Hagar wird Ismael gebären, und aus ihm wird ein Wandervolk. Sie irrt in der Wüste umher. Das Unstete, das Unruhige wird das Wesen des aus ihr kommenden Volkes sein. Doch Gott, der sie »findet«, spricht sie an: »Wo kommst du her, und wo willst du hin?«

»Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen.«

Hagar verleugnet die Abhängigkeit, der sie entfloh, nicht. Sie war einem Herrschaftsanspruch entflohen, damit auch einer Unterordnung unter die Verheißungen. Es gab immer Menschen und Völker, die sich den Israeliten auf ihrem Weg anschlossen – Ägypter beim Auszug, Rahab in Jericho, die Gibeoniter, die sogar als Wasserträger bei den gottesdienstlichen Reinigungshandlungen eingesetzt waren.
Hagar ist an Israel gebunden, ihr Heil ist an Israel gebunden. Das bedeutet für alle Araber: Ihr Heil kann nicht von einem Götzen kommen, vom Islam; das ist nicht der Gott Israels, sondern ihr Heil kann nur über den Gott Abrahams kom¬men, über den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs – nicht den Gott Abrahams und Ismaels. Damit ist der einzige Weg für diese Menschen, zum Heil zu kommen, nicht der Kampf gegen Israel, sondern Unterordnung unter Gottes Verheißung. Das hat mit Verknechtung, Unterjochung nichts zu tun!

»Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand.«

Das ist etwas anderes als Theologie der Befreiung. Die Parallele finden wir in des Paulus Philemon-Brief; Paulus unterstreicht: Die wichtigste Befreiung ist nicht die Befreiung aus der Knechtschaft der Sklaverei, sondern die Befreiung hin zu Jesus Christus.
Es geht um die Befreiung von Schuld und Sünde. Der Weg der Verheißung geht über Abraham und Sarah, und Hagars Weg mit Ismael ist nicht die Flucht zu dem endzeitlichen Götzen in der Wüste, dem Islam, sondern zurück in die Verheißungsordnungen Gottes.

Die Aufforderung Gottes kommt uns unmenschlich vor. Doch wir sind hier, um Gottes Willen zu tun, nicht das, was wir für menschlich halten. Was hilft mir Menschlichkeit?
Kann Menschlichkeit mir Antwort geben in Bezug auf den Tod?
Kann sie Leben schaffen?

Kann sie der Weltgeschichte einen Sinn geben?

Der Mensch ist verdorben, deshalb kann Menschlichkeit keine Antwort geben. Das sagt die Bibel deutlich. Alle diese Menschen, die hier handeln, sind verdorben – aber dennoch kann Gott durch sie wirken. Denn Gott liebt diese Welt. Ich verstehe zwar nicht, warum; das muß ich ehrlich sagen. So ist es für mich auch nie eine Frage: Warum läßt Gott das Böse zu? Denn das tut er mit vollem Recht, da wir Menschen selbst fast immer das Böse gewählt haben.
Die Frage ist vielmehr: Warum ist er uns gnädig? Warum hat er uns nicht längst aufgegeben? Das ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Das klingt zwar unmenschlich – aber das ist biblisch.
Es geht um biblisches; nicht um menschliches Denken. Die moderne Theologie geht vor allem vom menschlichen Denken aus, von der zweiten Tafel Moses. Aber der Weg der Bibel ist immer der Weg von der ersten zur zweiten Tafel, von der Beziehung zu Gott zu der Beziehung zu den Mitmenschen. Als ob Mitmenschlichkeit der Maßstab aller Dinge wäre!

»Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, daß sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.«

Es ist ein Teil des vierfachen Segens, der Abram und Sarai zugesprochen wurde – eine große Menge. Und Israel ist gegenüber den arabischen Völkern winzig klein – aber unter Verheißung und Segen Gottes. Aber auch der Hagar spricht Gott einen Segen zu. Er ist auch gnädig zu ihr in dieser Lage. Hier ist sie ganz allein mit ihrem noch ungeborenen Kind, mitten in der Wüste. Und Gott gibt ihr den Segen: »… daß sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.«

»Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen.«

Ismael – der Wanderer -, so soll sie einmal ihren Sohn nennen, der unstete Wanderer in der Wüste.

»… denn der Herr hat dein Elend erhört.«

Gott steht auch nahe zu ihr. Er tut es bis heute – nicht zuletzt in Gestalt von Missionaren unter islamischen Völkern. Man kann von großem Durst nach Gottes Wort hören, trotz oft fanatischer Herrschaft des Islam. Tapfere Leute riskieren mit ihrem christlichen Zeugnis unter islamischen Völkern oftmals ihr Leben.

»Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird wohnen all seinen Brüdern zum Trotz.«

Der letzte Satz dieser Ankündigung findet schon in Kap. 25,18 seine Erfüllung. Aber der erste Teil ist kennzeichnend geblieben: Er wird ein wilder Mensch sein, jeder gegen jeden. Wie ist es bei den Arabern heute? Waren sie je einmütig? Da sind wohl die Bruderküsse, aber sie streiten immer miteinander. Gott wacht auch darüber. Wenn sie wirklich vereinigt wären, würde das sehr schwierig für Israel. Wild sind sie, wild und uneinig.»

»Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht.«

Das ist eine faszinierende Aussage. Denn es bedeutet: Du kennst meine Not, und du gibst mir eine Verheißung.
Du siehst meine schreckliche Not in der Wüste. Gottes Angebot von Trost, Gnade und Heil gilt allen Menschen. Wer gibt diese Verheißung?
Nicht Allah, sondern Jahwe, der Gott Israels. Er gibt diese Verheißung hier Israels Feinden. Gottes Liebesangebot ist absolut unbegrenzt. Das ändert auch nichts an der endzeitlichen Bedeutung, daß diese Völker nur Heil haben werden, wenn sie den Weg zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs – und das ist Jesus Christus – annehmen.
Gott sieht jeden in seiner persönlichen Not. Das bedeutet nicht, daß er uns hilft, genau wann und wie wir das haben wollen. Manchmal tut er das; manchmal handelt er aber auch entgegen unserem Erwarten. Aber wir dürfen immer wissen: Der Herr hat einen Weg mit uns. Wenn wir beten, daß wir unter seiner Herrschaft stehen wollen, in dem Wissen, daß er wirklich unser guter Hirte ist, dann wird er uns aus mancher Wüste heraus zu fruchtbarem Land führen, zu seinem Reich. Dann ist das Wie und das Wann auch nicht entscheidend, denn wir wissen nicht, was gut für uns verlorene Menschen ist. Hauptsache: Er kommt ans Ziel. Er liebt jeden Menschen, und er will dieses Angebot der Liebe, das in Jesus Christus zur Vollendung kommt, allen Menschen geben.

»Denn sie sprach: Gewiß hab’ ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat.«

Der Gott, der mich sieht – er durchschaut alles; er fand mich bei der Wasserquelle. So »fand« auch Jesus die Samariterin am Brunnen bei Sichem.

»Darum nannte man den Brunnen »Brunnen des Lebendigen, der mich sieht. Er liegt zwischen Kadesch und Bered.«

Brunnen des Lebendigen – Brunnen des Heils. Wir kennen viele Lieder aus der Zeit, als man noch verstanden hat, daß fließendes Wasser das Zeichen für Reinheit ist, für Leben. Hier geht es um die Begegnung mit dem lebendigen Gott, der sie gefunden und aufgerichtet hat – wie später bei Naemann.

»Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael. «

Ismael, der Wanderer, ist ein geistlicher Bastard. Er hat einen Segen, wie später Esau, aber nicht den richtigen. Es ist ein Segen von großem Volk, in Verbindung mit Macht, Wildheit und Uneinigkeit. Diese Beschreibung paßt genau auf die Menschen in der arabischen Welt, bis heute. Das ist kein Vorurteil.

Sondern so sieht und beschreibt Gott den Weg und das Wesen der Nachkommen Ismaels. Es sind Völker, die von einem ungeheuer aktiven Götzen getrieben werden, dem Islam. In einer geschichtlich noch nicht dagewesenen Energie richtet sich ihre ganze Wildheit jetzt aber gegen Gottes Erwählte. Sie wollen die von Gott verordnete Herrschaft nicht anerkennen – wie schon Hagar diese Herrschaft letzten Endes nicht haben will, sich ihr aber wieder unterordnen soll -, die Herrschaft des wahren Gottes Israels.

 

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