Kopftuch als Uniform (D. Hecker)

 

Das Kopftuch als Uniform

 

von Daniel Hecker

(Institut für Islamfragen)

Das Kopftuch kann unter vielen verschiedenen Aspekten betrachtet werden, z. B. unter religiösen, politischen und soziologischen Aspekten. Häufige Fragen lauten: »Was sagt der Koran über das Kopftuch?«, »Hat das Kopftuch politische Bedeutung?« oder »Warum verbietet ein Land wie die Türkei das Kopftuch in Schulen und Universitäten, während der Iran das Tragen eines Kopftuchs gesetzlich festlegt?«

Es gibt darüber hinaus aber auch noch andere Betrachtungsmöglichkeiten. Das Thema Kopftuch kann auch unter dem Aspekt der Uniform betrachtet werden, und auch aus diesem Blickwinkel ergeben sich interessante Aspekte:

1. Die lexikalische Bedeutung der Uniform

Abgesehen vom Aussehen einer Uniform haben alle Uniformen gemeinsame Eigenschaften, die schon in der lexikalischen Definition des Begriffs enthalten sind. Eine Uniform ist:

1. einheitlich, einförmig
2. eine Bekleidung, die nach Stoffart, Farbe, Schnitt und Aufmachung einheitlich getragen wird, um eine gewisse Zusammengehörigkeit zu demonstrieren (Militäruniform, Postuniform).1
3. Eine einheitliche vorschriftsmäßige Bekleidung ist besonders für Amtsträger (Soldaten, Polizisten usw.) von Bedeutung. 2

Zwei entscheidende Kennzeichen sind in diesen lexikalischen Definitionen enthalten:

• Der Wunsch, etwas gleich zu machen, indem Uniformträger einheitlich aussehen
• Der Wunsch, sich zu unterscheiden, indem zwischen einer uniformierten Gruppe und anderen Gruppen eine äußerliche Unterscheidung getroffen wird.

 

2. Verschiedene Gesichter der Uniform

a. Die Uniform des Kopftuches (oder: Übergewandes) im Koran:
Der Koran beinhaltet mehrere Verse, die offensichtlich eine Verschleierung (oder: Bedeckung) der Frau vorschreiben.3 Dabei sind der Wunsch, sich untereinander gleich zu machen und sich nach außen zu unterscheiden, die Basis der entsprechenden Koranvorschriften (s. Sure 33,59), um die Pflicht zum Tragen des Kopftuches bzw. des Übergewandes zu begründen:

• Sure 33,59 beginnt mit dem allgemeinen Befehl: »Sage, o Prophet, deinen Frauen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, daß sie ihr Übergewand (über ihr Antlitz) ziehen sollen, wenn sie ausgehen.« Diese Anweisung betrifft alle Musliminnen; sie müssen alle ein Übergewand – die gleiche Uniform – tragen und auf diese Weise das gleiche Aussehen erhalten. Das macht sie äußerlich gleich, d. h. verwandelt sie in eine äußerlich gleich aussehende Gruppe.
• Der Vers geht weiter: »… damit man sie als ehrbare Frauen erkenne und sie nicht belästige.« Durch eine äußerlich auffallende Aufmachung – Uniform – müssen sich Musliminnen von anderen Frauen, also nicht verschleierten Nichtmusliminnen, unterscheiden.

b. Die Uniform in utopischer Literatur
Die Uniformierung ist eine unentbehrliche Voraussetzung zur Gestaltung einer Utopie. Die Festlegung bestimmter standardisierter Maßnahmen soll ein besseres Leben ermöglichen, und zwar eine Utopie, ein Niemandsland. So gestaltet ein Schriftsteller eine »vollkommene Gesellschaft.« Sie ist Ausdruck der Unzufriedenheit des Schriftstellers mit der Realität. so daß er eine bessere, perfekte Lebensform erfindet, die in der Realität nicht durchsetzbar ist oder doch nur mit der Schaffung unmenschlicher Lebensumstände durchsetzbar wäre.
Eine Utopie bleibt eine Gesellschaft mit streng verbindlichen Regeln, die von einem Diktator (dem Verfasser der Utopie – den Menschen aufgezwungen werden. Der Diktator entscheidet über uniforme Standards wie die Bauten der Stadt, die Arbeitsplätze und -zeiten, die Anzahl der Kinder, ihre Kleidung usw. Keiner der Beteiligten darf gegen diese Regeln verstoßen, sonst gilt er als Außenseiter; weil er sich den von oben verfügten uniformierenden Regeln nicht unterwirft.
Auf der anderen Seite ist das Einhalten der uniformierenden Regeln keine freie Entscheidung. Wer in die Utopie hineingeboren wurde, muß sich den Regeln (Uniformen) des autoritären Schriftstellers unterwerfen oder sich auflehnen und strafbar machen. 3

Viele Schriftsteller lassen ihre Charaktere anhand äußerlicher Unterschiede zum Außenseiter werden, indem sie gegen die Uniformen verstoßen: Mike beschreibt sich in Robert A. Heinleins Fremder in einem Fremden Land: »Ich weiß, was los ist; ich bin weder ein Mensch noch ein Wesen aus März.« 4 Weil er sich von den anderen unterscheidet, kann er weder im März noch auf der Erde integriert werden. In Aldous Huxleys Schöne Neue Welt hat John eine Haut, die zu weiß für die indischen Einwohner des Schutzgebiets ist, aber gleichzeitig sind seine Emotionen und sein Temperament im Welt Staat unerwünscht. Er gilt in beiden Welten als ein Außenseiter. Und in William Goldings Herr der Fliegen ist Piggy dick und trägt eine Brille. Mit diesem äußerlichen Unterschied zu den anderen Kindern auf der Insel wird schon auf seine spätere Verfolgung und Tötung hingewiesen.

c. Die Uniform beim Militär

Als Soldat muß man sich anderen Leuten gegenüber entsprechend der Uniform, die sie tragen, verhalten. Menschen gelten in diesem Bereich aufgrund ihrer Uniform als Freunde, Feinde, Untergebene oder Vorgesetzte. Bestimmte standardisierte Symbole – Wappen, Sterne, Schwerter, Adler, Kronen o. ä. – zeigen den Rang eines Soldaten an. Die Persönlichkeit des uniformierten Mitsoldaten spielt keine Rolle bei Entscheidungen anderer Mitsoldaten ihm gegenüber, so z. B., ob ein anderer Soldat diesem gehorchen muß, ob er ihm befehlen darf, ihm helfen oder ihn gefangennehmen muß. Entscheidend dafür ist die Kleidung des Uniformträgers, die seinen Rang und seine Gruppenzugehörigkeit angibt. Die Uniform symbolisiert den militärischen Rang, das Gesetz, das der Soldat vertritt oder auch die Haltung eines Staates einem anderen Staat gegenüber. Wer z. B. dem Befehl eines »höheren Uniformträgers« nicht gehorcht, macht sich damit strafbar. Die Uniform entscheidet letztlich über die Verhaltensweise des Soldat anderen »Uniformierten« gegenüber.

Die Weigerung eines Soldaten, eine Uniform zu tragen, gilt fast in allen Armeen der Welt, insbesondere in Kriegszeiten, als strafbar, in manchen Ländern sogar als schweres Verbrechen. Solch eine gesellschaftliche oder staatliche Bestrafung beruht nicht darauf, daß die Uniform als eine Mode abgelehnt wird. Vielmehr wird die Ablehnung der Uniform als Weigerung aufgefaßt, das Gesetz des Landes zu respektieren, bzw. diesem Staat und seiner Gesellschaft einen wichtigen Dienst nicht zu leisten. Im Großen und Ganzen erklärt sich ein Soldat durch seine Uniform dazu bereit, für den Staat – den Uniformgeber – zu kämpfen oder sogar zu sterben. Wer sich dagegen wehrt, erklärt damit seinen Protest gegen die Staatspolitik und Gesellschaftsnormen und muß mit Strafe rechnen. Die Uniform beim Militär ist Pflicht. Ist man in einem Land geboren, in dem kein Zivildienst möglich ist, muß man in einer ganz bestimmten Uniform – und nur in dieser – seinen Militärdienst leisten.

3. Das Kopftuch (oder Übergewand) als Uniform im Islam

a. Was bedeutet »Kopftuch«?
Während dieser Ausdruck in westlichen Ländern nur die »Kopfbedeckung« einer Frau meint, hat er im Islam eine viel allgemeinere Bezeichnung. Im Arabischen wird oft das Wort »Hidjab« als Bezeichnung für das Übergewand einer Frau verwendet. Es bedeutet »Bedeckung« und bezieht sich nicht lediglich auf den Kopf, sondern auf den ganzen Körper einer Frau. Daher ist die zutreffende Übersetzung für »Hidjab« eher »Übergewand« als »Kopftuch«. Deshalb wird in diesem Artikel überwiegend das Wort »Übergewand« anstelle von »Kopftuch« verwendet.

Es gibt keine einheitliche Auffassung unter muslimischen Gelehrten über die »richtige« Form eines Kopftuches oder Übergewandes. Während manche muslimische Geistliche, die für eine Modernisierung des Islam eintreten, Musliminnen vorschreiben, ihren Körper bis auf das Gesicht und die Hände zu verhüllen, bestehen andere darauf, daß ein »richtiges« Übergewand den gesamten weiblichen Körper verhüllen muß, Hände und Gesicht eingeschlossen. Zum Beispiel: Im Iran sind Mantel und Kopftuch vorgeschrieben (Hände und Gesicht dürfen unverschleiert bleiben), in Saudi-Arabien die totale Körperverschleierung (Hände und Gesicht eingeschlossen), in Afghanistan zur Taliban Zeit war die Burka Vorschrift (auch Verschleierung des ganzen Körpers). Im Jemen darf eine Frau ihr Gesicht unverschleiert lassen, aber viele Frauen tragen Gesichtsmasken.
Beide Gruppen belegen ihre Meinung anhand des Koran, der Überlieferung und der Biographie Muhammads. Beide Gruppen behaupten, das richtige Verständnis des vorgeschriebenen islamischen Übergewandes zu besitzen. Deshalb kommt es häufig vor, daß die Verschleierung einer Muslimin in bestimmten islamischen Ländern als »islamisch richtig« angesehen wird, während diese in anderen islamischen Ländern für »islamisch nicht akzeptabel« gilt.

Prominente Vertreter aus beiden Gruppen:
• Sheich Mohammed Bin Othaimeen (einer der bedeutendsten islamischen Geistlichen des sunnitischen Islam im 20. Jahrhundert): »Die Frau muß ihren ganzen Körper verschleiern, ihr Gesicht und Hände
   eingeschlossen. Diejenigen, die einer Frau erlauben, ihr Gesicht und ihre Hände unverschleiert zu zeigen, belegen diese Ansicht anhand von Vorschriften, die nicht mehr gültig, d. h. ausgetilgt worden
   sind.« 5  [Die islamische Koranwissenschaft geht davon aus, daß später offenbarte Koranverse früher offenbarte aufheben].
• Ibn al-Abbas (Mohammads Vetter, der den meisten Muslimen als der beste Erläuterer des Koran gilt): »Die Frau muss ihren ganzen Körper verschleiern. Sie darf nur ein Auge unverschleiert lassen.« 6
• ‘Ubaida al-Salmani (ebenfalls ein wichtiger Erläuterer des Koran): »Eine Frau muss ihren ganzen Körper verschleiern. Nur ihr linkes Auge darf sie unverschleiert zeigen.« 7 Sheich Abu Djihad al-Sughbi (ein
   prominenter zeitgenössischer islamischer Theologe und Propagandist) führt folgende Eigenschaften des richtigen Übergewandes auf:

1. Es muß den ganzen Körper bedecken. Einige Rechtsgutachter haben die Hände (ab dem Handgelenk) und das Gesicht ausgeschlossen.
2. Es darf an sich kein Schmuck (nicht hübsch) sein.
3. Es darf nicht durchsichtig sein.
4. Es muß so breit sein, daß man die Konturen des Körpers nicht erkennen kann.
5. Es darf nicht parfümiert sein.
6. Es darf nicht der Kleidung der Männer ähneln.
7. Es muß sich von den Kleidern der gottlosen Frauen (Nichtmusliminnen) unterscheiden.
8. Es darf nicht aus Gründen der Berühmtheit getragen werden. 8

• Sheich Dr. Wahba al-Zuhaili (ein prominenter zeitgenössischer islamischer Propagandist und Theologe): Eine Frau darf ihr Gesicht unverschleiert zeigen. Dagegen ordnet die Rechtsschule von Imam Ahmad Ibn Hanbal die Gesichtsverschleierung an. 9

b. Müssen auch muslimische Männer sich verschleiern?
Obwohl es in vielen islamischen Ländern unter muslimischen Männern üblich ist, verschiedene Kopfbedeckungen zu tragen, sind dies keine vom Islam verordneten Kopfbedeckungen bzw. Übergewänder, sondern traditionelle Trachten, die aus vorislamischen Zeiten stammen. Der Islam ordnet die Verschleierung nur für Frauen an. Die Verschleierung ist für muslimische Frauen ein Bestandteil ihrer religiösen Pflichten Allah gegenüber. Ein Übergewand zu tragen, ist also keine freie Entscheidung, sondern religiöse Pflicht für jede Frau, die dem Islam angehört.

c. Welche Frauen müssen sich verschleiern?
Jeder Mensch, der in eine muslimische Familie geboren wird, wird automatisch als Muslim aufgefaßt. Er gilt sein Leben lang als Muslim, selbst wenn er sich zum Atheisten entwickelt oder sogar zu einer anderen Religion konvertiert. Es gab und gibt kaum ein islamisches Land, in dem man seine »ererbte« Religion – den Islam – offiziell im Paß ändern lassen darf. Daher muß jede Frau, die in eine islamische Familie hineingeboren wird, sich verschleiern, sobald sie ihre erste Menstruation gehabt hat oder sogar davor, wenn sie für Männer als anziehend eingestuft wird. In islamischen Ländern mit »liberaler« Einstellung werden unverschleierte Frauen in der Öffentlichkeit geduldet. In islamischen Ländern mit strenger staatlicher Einstellung dem Islam gegenüber werden Frauen gezwungen, sich in der Öffentlichkeit zu verschleiern, ja manchmal bedroht, beleidigt oder bestraft.

4. Konflikte im Zusammenhang mit dem Übergewand

a. Soldaten marschieren gegen verschleierte Muslimas
Der Konflikt wegen des Kopftuchs hat nicht in Frankreich oder Deutschland begonnen, sondern in etlichen islamischen Ländern. Immer wieder haben Regierungen islamischer Länder versucht, das Kopftuch bzw. die Verschleierung abzuschaffen, z. B. das iranische Regime unter Reza Shah (1925-1941). Am 29.09.1981 zwangen Tausende von syrischen Soldaten in mehreren Städte Syriens – vor allem in Damaskus – im Zuge der damaligen Politik verschleierte Frauen dazu, ihr Kopftuch bzw. Übergewand abzulegen. Frauen, die sich dagegen wehrten, wurden von den Soldaten geschlagen und ihnen das Kopftuch (Übergewand) abgerissen. Einige Tage später beschrieb der damalige syrische Präsident Hafez al-Assad in einer öffentlichen Rede das Kopftuch als: »ein Kleidungsstück, das nur von älteren Frauen getragen werden darf.« Nach diesen Worten schallte das Fußballstadium, in dem die Rede gehalten wurde, von dem Ruf der Soldatinnen wider: »Wir wollen keinen Rückschritt mehr. Wir wollen unverschleiert gehen!« 5

Der Präsident der Türkei, Ahmet Sezer, kritisierte am 08.03.2004 diejenigen, die Frauen dazu ermutigen, das Kopftuch zu tragen. Für ihn gelten sie als »Menschen, die durch das Kopftuch versuchen, das demokratische, säkulare System der Türkei zu vernichten.«10 Er konkretisierte seine Aussage mit den Worten: »Die Thematik des Kopftuchs wird im Namen der Demokratie zur Debatte gemacht. Sie hat aber zu nichts anderem beigetragen als zur Behinderung unserer demokratischen Entwicklung.«11 Ähnliche Worte ließen z. B. Mustafa Kemal Ataturk (Türkei) oder Habib Bourkeba (Tunesien) verlauten.

b. Gründe für eine Ablehnung des Kopftuches/Übergewandes

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, könnte man auch fragen: Was ist der Unterschied zwischen dem Kopftuch oder dem Übergewand einer Muslimin und dem Gewand einer Nonne? Wieso protestiert kaum jemand, – selbst nicht in islamischen Ländern – gegen das Kopftuch einer Nonne, während es wegen des Kopftuches in nichtislamischen Ländern heftige Debatten gibt und in islamischen Ländern sogar islamischen Ländern z. T. sogar blutige Ausschreitungen.

Die Auseinandersetzung um das Kopftuch oder Übergewand ist kein Konflikt über unterschiedliche Geschmacksrichtungen, sondern ein Konflikt mit politischem, kulturellem, sozialem und religiösen Hintergrund.
Die Bedeckung versteckt nicht nur den Kopf oder Körper einer Muslimin, sondern symbolisiert auch ihre Unterwerfung den Lehren des Islams gegenüber. Eine Muslimin, die ein Kopftuch bzw. Übergewand trägt, hat damit erklärt, eine ganze Reihe von Vorschriften des Islam einzuhalten, die in nichtislamischen Ländern zu Konflikten führen können:

• Eine Muslimin muß prinzipiell ihre Rolle als eine von vier Ehefrauen ihres Ehemannes akzeptieren, denn der Koran erlaubt nach überwiegender Meinung die Ehe eines Mannes mit bis zu vier Frauen (Sure
   4,3) (nur die Türkei und Tunesien haben die Vielehe gesetzlich verboten). Dagegen muß sie sich mit einem Ehemann begnügen. Da dieses islamische Recht der Vielehe in nichtmuslimischen Ländern
   nicht anerkannt ist, werden sich Musliminnen in solchen Ländern häufig ungerecht – nicht gemäß der islamischen Gesetze – behandelt fühlen.
• Eine Muslimin ist davon überzeugt, daß ihr Zeugnis vor Gericht nur halb so wert ist wie das Zeugnis eines Mannes (Sure 2,282). Daß ihr Zeugnis in nichtislamischen Ländern dem Zeugnis eines Mannes
   gleichkommt, muß für sie ungerecht und gegen Allahs Gesetz sein.
• Eine Muslimin, die ein Kopftuch bzw. Übergewand trägt, darf ihre Körperkonturen nicht sichtbar machen und ein Übergewand oder einen Mantel tragen. Damit kann sie manche Sportarten nicht ausüben,
   wie z. B. Schwimmen, Laufen, Gymnastik, alle Ballspiele etc. Muslimische Frauen sind damit von vielen olympischen Disziplinen ausgeschlossen. In nichtislamischen Ländern führt diese Haltung an
   Schulen zu Schwierigkeiten.
• Eine Muslimin muß damit rechnen, von ihrem Ehemann geschlagen zu werden, falls sie ihm gegenüber widerspenstig wird (Sure 4,34). Dagegen darf sie ihren widerspenstigen Ehemann nicht schlagen
   noch ihn schlagen lassen, falls sie ihm körperlich überlegen ist.

c. Andere mögliche Konfliktfelder

Hier könnten eine Reihe von Vorschriften, Lehren und Praktiken des Islam aufgezählt werden, die zum Konflikt mit Nichtmuslimen bzw. mit säkularen Regierungen in islamischen Ländern führen können:

• Der tägliche Ruf zum Gebet, mindestens fünfmal am Tag. Heutzutage benutzen die Moscheen in islamischen Ländern Lautsprecher, um möglichst im weiten Umkreis gehört zu werden. Dies ist für
   Nichtmuslime zumindest »gewöhnungsbedürftig«, insbesondere, wenn es um den Ruf früh am Morgen vor Sonnenaufgang geht. In islamischen Ländern werden alle Nichtmuslime um diese frühe
   Tageszeit gemeinsam mit allen Muslimen aufgeweckt, obwohl sie – die Nichtmuslime – das islamische Gebet nicht verrichten müssen.

• Der Ruf zum Aufstehen mitten in der Nacht während des Fastenmonats Ramadan erschallt, um Muslimen zu ermöglichen, vor dem Sonnenaufgang noch einmal zu essen und trinken, bevor beides für den folgenden Tag bis zum Sonnenuntergang wieder verboten ist. Der Ruf muß früh genug vor dem Sonnenaufgang erschallen, damit Familien noch aufstehen und eine Mahlzeit zubereiten können. Im arabischen Raum wird diese Aufgabe von Männern übernommen, die Misahhirati oder Musahher genannt werden. Diese Rufer werden staatlich angestellt und besoldet. Jeder von ihnen ist für ein bestimmtes Gebiet verantwortlich. Die Rufer gehen durch alle Straßen und Gassen des ihnen zugeteilten Gebietes, trommeln laut auf einer Trommel und rufen zum Aufstehen und zum Gebet. Oft geschieht das zwischen zwei und vier Uhr nachts. Der Ruf muß so laut sein, daß Muslime, die im nächtlichen Schlaf liegen, aufgeweckt werden, aber natürlich wirkt sich das auch auf die nichtmuslimische Bevölkerung aus; abgesehen davon, daß im Fastenmonat das abendliche Mahl und die Besuche sich weit in die Nacht hineinziehen, also das gesellschaftliche Leben sich bis in die Nacht hinein abspielt.

• Ein Muslim soll sein Leben nur nach den Gesetzen des Islam ausrichten und darf eigentlich keinem staatlichen Gesetz gehorchen, das mit dem Islam und Allahs Geboten nicht übereinstimmt. In einer Publikation der islamistisch-extremistischen Partei »Hizbul Tahrir al-Islami« heißt es dazu:
»Demokratie beinhaltet die Trennung zwischen Religion und Leben d. h. zwischen Religion und Staat … der Islam ist genau das Gegenteil. Er ist auf dem muslimischen Glauben gebaut. Dieser Glaube ordnet alle Angelegenheiten des Lebens und des Staates anhand der Gebote und Verbote Allahs. D. h. anhand des Shari’a, die im islamischen Glauben gründet. Der Mensch kann seine Ordnungen nicht selbst gestalten, sondern muß der Ordnung Allahs gehorchen.« 12

5. Schwarzweißdenken

Mit dem Tragen der Uniform geht ein kollektives Zugehörigkeitsgefühl einher, Hingabe an ein höheres Ziel und Unterwerfung unter denjenigen, der die Uniform angeordnet hat, wie z. B. den Arbeitsgeber, Militärführer, Geistlichen. Wenn ein Arbeiter seine Firmenuniform trägt, verdeutlicht er damit seine Bereitschaft, für diese Firma zu arbeiten und ihre Gesetze einzuhalten. Auch der uniformierte Soldat kämpft für seine Führer, die ihm die Uniform verordnet haben, für diejenigen, die an der Spitze der Hierarchie stehen und sein Verhalten bestimmen.

Ein Soldat fühlt sich stark unter seinen Mitsoldaten und Gleichuniformierten. Die kollektive Kleidung und seine kollektiven Pflichten (Übungen, Versammlungen, Marschieren usw.) machen deutlich, daß er der Gruppe der gleich aussehenden Mitsoldaten angehört. Sein eigenständiges Denken wird marginalisiert, sein Alltag und Verhalten werden nicht von ihm bestimmt, sondern von der »höheren Uniform«. In Kriegszeit kämpft er auf Seiten der »gleichen Uniform« gegen die »andere Uniform«.

Ebenso werden äußerliche Unterschiede bezüglich des Aussehens von Musliminnen durch das Kopftuch oder Übergewand verringert oder verwischt. Verschleierte Musliminnen haben die gleichen Silhouetten und keine Kopf- oder Körperkonturen mehr. Durch die Verschleierung können sie sich gegenseitig schnell als eine einheitliche muslimische Gruppe erkennen und ebenso schnell von anderen Frauen – Nichtmusliminnen – unterschieden werden. Dieses kollektive Aussehen führt im Islam zur allgegenwärtigen Aufteilung in die Welt der Frauen der Verschleierten (Musliminnen) und der Unverschleierten (Nichtmusliminnen), was von vielen muslimischen Theologen und auch manchen Muslimen als Gruppe der »Gottesfürchtigen« und »Gottlosen« gleichgesetzt wird.

Fußnoten
1 Knaurs Großes Wörterbuch derDdeutschen Sprache. München, 1985. S. 996
2 Der Brockhaus. F.A. Brockhaus GmbH: Leipzig, 2000. S. 938
3 Sure 33,32 + 59; Sure 24,31 + 60
4 Robert A. Heinlein. Stranger in a Strange Land. London, 1973, S. 284
5 Sheich Mohammed Bin Otheimeen. Botschaft des Kopftuchs (arab. Risalatul Hidjab). o. O. 2000. www.binothaimeen.com/eBook-a.shtml
6 Die Erläuterung von Ibn Kathir zu Sure 33,59
7 Die Erläuterung von Ibn Katheer zur Sure 33,59
8 Sheich Abu Djihad al-Sughbi. Dein Übergewand, oh meine Schwester. (arab. Hidjabuki ya ukhtah!). 23. 01. 2004. www.asseraj.net/library/hijab.htm
9 Sheich Dr. Wahba al-Suhaili. Fatwa zur Gesichtsverschleierung. http://www.zuhayli.com/fatawa.htm#1
10 www.assafir.com/iso/today/world/110.html
11 Ebd.
12 www.hizb-ut-tahrir.org/arabic/kotobmtb/htm/18dmkr.htm.10.03.2004

Der Autor:

Daniel Hecker wurde in einer traditionellen islamischen Familie geboren: Weder seine Familie noch die islamischen Geistlichen konnten seine Fragen über Gott überzeugend beantworten. Obwohl er sich zum Atheisten entwickelte, verrichtete er lange Jahre alle Pflichten des Islam. Er empfand tiefen Hass gegen alle Religionen und Gläubigen. Dennoch fing er an die Bibel zu lesen – die Lehre Jesu Christi schien ihm humaner als alles, was er in seinem Leben kannte. Dazu zeigte Jesus sich ihm deutlich durch mehrere Gebetserhöhrungen.

Daniel Hecker promoviert z.Z. im Fach Anglistik.

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