Frommer Betrug (A.Seibel)

LÜGEN ZUR EHRE GOTTES?

Nach dem Scherbenhaufen, der durch das Doppelleben von Todd Bentley entstanden war, schrieb Lee Grady, selbstkritischer Herausgeber der amerikanischen Zeitschrift „Charisma“: Ein bekannter pfingstlicher Evangelist… sagte zu mir: „Jetzt bin ich davon überzeugt, dass ein großer Teil der charismatischen Bewegung dem Antichristen folgen wird, wenn er auftreten sollte, denn sie haben kein geistliches Unterscheidungsvermögen“ („Life After Lakeland: Sorting out the Confusion“ http://fireinmybones.com/, 13. August, 2008).

In ideaSpektrum wurde vor einiger Zeit berichtet, wie in einer der größten Pfingstgemeinden Australiens sich der Jugendpastor Michael Guglielmucci als Lügner herausgestellt hat. Er hatte eine Krebserkrankung zwei Jahre lang vorgetäuscht, um sein eigentliches Problem, eine langjährige Pornosucht, zu verschleiern (ideaSpektrum 36/08, S. 35).

Einer der bekanntesten Pfingstevangelisten der 70er und 80er-Jahre, Jimmy Swaggart, hatte ähnliche Probleme. Bei seiner Geistestaufe als Teenager hatte er eine Vision, die sich offenbar erfüllte. Jahre später musste er nach peinlichen Enthüllungen bekennen, eine bald lebenslange Abhängigkeit von Pornographie zu haben, weswegen er auch öfters zu einer Prostituierten ging.

Eine tragende Gestalt der neuen Prophetenbewegung mit erstaunlichen Eingebungen war Paul Cain, der Mann von dem John Wimber sagte, er sei der Prophet, der sich nie geirrt habe. Später stellte sich heraus, dass er Homosexueller und Alkoholiker ist.

Roberts Liardon, der in seinem Buch „Gottes Generäle“ große pfingstliche Wunderheiler und – heilerinnen vorstellt, bekam wegen homosexueller Beziehungen zu seinem Jugendpastor für drei Monate Kanzelverbot. Dabei ist dieses Buch – Liardon sieht diese „Wundertäter“ überwiegend positiv und setzt nur hin und wieder Fragezeichen – eigentlich eine erschütternde Dokumentation der Verirrungen und Entgleisungen dieser angeblichen „Generäle“. Eine dieser erwähnten „glorreichen“ Gestalten ist William Branham. Der oben schon zitierte Lee Grady klagte in diesem Zusammenhang: Branham geriet in eine fürchterliche Verführung am Ende seines Dienstes, bevor er im Jahre 1965 starb. Er behauptete von sich, er sei die Reinkarnation von Elia – und bis heute gibt es Nachfolger von ihm in einer sektenartigen Gruppierung. Als Bentley der Welt ankündigte, dass derselbe Engel, der die Heilungserweckung (unter Branham) in den 1950er Jahren brachte, nun auch in Lakeland erschienen war, wäre es für seine gesamte Zuhörerschaft an der Zeit gewesen, den Raum fluchtartig zu verlassen (Ibid).

Erfundene Heilungsberichte und andere langjährig gepflegte Unwahrhaftigkeiten sind leider nicht so selten in manchen „übergeistlichen“ Kreisen. Allerdings nicht nur dort.

Evangelikale Missionare nennen dies „Transcedental Trickery“, wo man meint, mit erfundenen Wundern und Heilungen dem „Glauben“ nachhelfen zu können.

Ein trauriges Beispiel ist die Mutter von David Berg, die mit einer erdichteten Wunderheilung gleich mehrere Gemeinden gründete. Scheinbar sieht es so aus, als ob dieses „Rezept“ funktionierte. Man erfinde z.B. ein Heilungs- oder anderes Wunder bzw. übertreibe mehr oder weniger kräftig und „Gemeinde-wachstum“ stellt sich ein (Deborah Davis, „Die ungeschminkte Wahrheit“, Verlag Schulte + Gerth, 1985).

Doch Gott lässt sich bekanntlich nicht spotten. David Berg nahm später den Namen Mose David an und wurde der Gründervater der „Children of God“. In dieser Bewegung nun kam diese Vorstellung, dass der Zweck mehr oder weniger die Mittel heiligt, zu seiner schlimmsten Ausprägung. Mose David schickte seine weiblichen Jüngerinnen zwecks „Flirty Fishing“, d.h. zur Prostitution, auf die Straße, um, wie es genannt wurde, „ein Köder für Jesus zu sein.“

Diese tragische Entwicklung haben die weltlichen Medien natürlich genüsslich aufgegriffen und nur Gott allein weiß, wie viel Schmach und Schande dies auf den Namen unseres Erlösers gebracht hatte.

„Wahrhaftigkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man nicht mit ihr“, dies scheint auch, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, die Devise von Kathryn Kuhlman gewesen zu sein, von der sogar behauptet wurde, sie habe wie kaum jemand anders den Weg für den heiligen Geist bereitet. Durch sie wurden Heilungsdienste und vor allem das Phänomen des Erschlagenwerdens im Geist Ende der 60er-Jahre auch in der evangelikalen Welt populär.

So schreibt ihr Biograph und Anhänger, Jamie Buckingham: Es war für sie ein besonderes Vergnügen, wenn sie die Presse hereinlegen konnte… Sie hatte, obwohl bereits sterbenskrank, den Arzt in bezug auf ihr Alter angeschwindelt. Bis zu ihrem Ende blieb dieser Stolz bestimmend in ihrem Leben… (Jamie Buckingham, „Kathryn Kuhlman“, Verlag Johannes Fix, 1979, S. 16).
Das war ein unerklärlicher Zug an ihr, den sie bis zu ihrem Tod beibehielt. Selbst als sie schon Endsechzigerin war, bestand sie noch darauf, daß ihr Radioansager sie mit den Worten ankündigte: „Und nun Kathryn Kuhlman, die junge Frau, auf die sie alle gewartet haben“ … Kathryn war eine Einzelgängerin. Sie lehnte jeglichen Rat ihrer Freunde ab. Unterordnung war ihr etwas Fremdes, besonders wenn es sich um einen Mann oder um eine Gruppe von Männern handelte, denen sie sich unterordnen sollte (Ibid., S. 83 u. 85).

Gravierender ist die Tatsache, dass sie wegen ihrer zerbrochenen Ehe mit dem geschiedenen Pfingstprediger Burroughs Waltrip ihre Umwelt einfach anlog. Als sie von Robert Hoyt vom Akroner „Beacon Journal“ interviewt wurde, leugnete sie, jemals verheiratet gewesen zu sein. „Wir waren nie verheiratet. Ich habe nie ein Ehegelübde abgelegt“,… Drohend erhob sie den Finger und schrie den Reporter an: „Das ist die Wahrheit, so wahr mir Gott hilft“ (Ibid., S. 132).

Ein trauriges Rekordbeispiel ist Peter Popoff. Dieser pfingstliche Heilungsevangelist behauptete, besondere Eingebungen und Worte der Erkenntnis von Gott zu erhalten und nannte sich ein Prophet mit der Gabe der Heilung. Popoff konnte erstaunliche Details über die Personen offenbaren, die Heilung und Hilfe suchten. Name, Anschrift, Alter, detaillierte Krankheitsbefunde usw., bis sich herausstellte, dass er einen winzigen Funkempfänger im Ohr versteckt hatte und seine Frau ihm diese Daten zufunkte. Enttarnt wurde er nicht von einem der vielen tausend mehr oder weniger charismatischen Teilnehmer, von denen etliche womöglich sich der Gabe der Geisterunterscheidung rühmten, sondern von einem Atheisten namens James Randi. Bekanntlich sind die Kinder der Welt klüger als die Kinder des Lichts (Luk. 16,8).

Randi hatte es sich zur Aufgabe gemacht, solche Wunderheiler näher unter die Lupe zu nehmen. 1987 schrieb er eine Art Standardwerk zu dieser Thematik, The Faith Healers (Richard Mayhue, „Dein Glaube hat dich geheilt“, CLV, S. 35 – 37). Als Randi dann seine Entdeckungen wegen dieser Betrügereien bekannt gab, hieß es von Popoffs Seite: He is from the devil (Er ist vom Teufel). So reagieren übrigens oft übergeistliche Wunderheiler, wenn man ihre „Zeichen und Wunder“ in Frage stellt.

Doch selbst nach dieser Enttarnung schaltete die amerikanische Zeitschrift Charisma ganzseitige Anzeigen und Christen schickten weiter Gaben an diesen „Mann Gottes“. Warum sind nur so viele Gläubige so erschreckend leichtgläubig?

Ein anderer Pfingstheiler, der dem Glauben mit unlauteren Mittel nachhelfen wollte, war W.V. Grant. Auch er konnte Leute mit ihren Namen herausrufen, Beine verlängern und andere, scheinbar erstaunliche Wunder vollbringen. Doch alles stellte sich als fingiert heraus. Schauspieler im Publikum mimten Krankheiten und dann Heilungen, Leute, die wunderbarerweise aus dem Rollstuhl aufstanden, konnten sich auch ohne Rollstühle fortbewegen, wie sich später herausstellte usw. (CIB Bulletin, Jan. 1992).

Solche “Rollstuhlheilungen” während einer Massenevangelisation erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit. So erzählte mir ein Afrikamissionar, den ich kürzlich nach Tansania begleitete, wie seine Kinder Augenzeugen einer Evangelisation von Reinhard Bonnke in Nairobi waren. Sie saßen auf einer Empore mehr am Rande und registrierten, wie eine gesunde Person sich in einen Rollstuhl setzte und nach vorne zur Bühne geschoben wurde. Unter großer Begeisterung und freudigen Hallelujarufen sprang der „Geheilte“ aus seinem Stuhl. Daraufhin haben sich viele „bekehrt“.

Die Kinder waren empört und sprachen den Repräsentanten von Bonnkes Missionswerk, CfaN (Christus für alle Nationen), darauf an, dass dies doch Betrug sei. Doch der Befragte hatte mit dieser Art „Verkündigung“ keine Probleme. Schließlich bewirke und stärke dies ja bei vielen den Glauben.

Pastor Helmut Weidemann, der einmal eine Wunderheilung, die sich hier in Deutschland durch Reinhard Bonnke ereignet haben soll und groß hinausposaunt wurde, objektiv und medizinisch belegt haben wollte, kommentierte später etwas resignierend: „Ich habe noch nie so viel Unwahrhaftigkeit angetroffen“.

Über Benny Hinn war sogar in „Aufatmen“ in Zusammenhang mit seinem Buch über den Heiligen Geist und Heilungen zu lesen: Ein Sprecher des betreffenden Krankenhauses hält Hinns Aussagen für eine Fälschung. Es gäbe weder medizinische Aufzeichnungen noch Aussagen damaliger und heutiger Mitarbeiter, die diese Angaben bestätigen könnten („Aufatmen“, 2/96 S. 77).

Auch die Geschichten des „Heavenly Man“ Yun haben sich inzwischen mehr als Phantasia und Betrug denn als Tatsachen herausgestellt, doch der Chinese Yun ist durch dieses Buch berühmt und wohlhabend geworden.

Man könnte diese Liste leider noch ziemlich, bald endlos, fortsetzen. Dies soll auf keinen Fall heißen, es träfe Täuschung und Verführung nun bei allen Anhängern dieser Strömung zu. Der oben erwähnte Lee Grady und manche andere wehren sich heftig gegen diese Unwahrhaftigkeit in den eigenen Reihen.

Auch gibt es infolge der endzeitlichen Entwicklung in nichtcharismatischen Kreisen immer mehr Unwahrhaftigkeit, Doppelmoral und Heuchelei. Man muß leider zur Kenntnis nehmen, wie in unseren Tagen sich der Geist der Lüge in Welt, Kirche und Gemeinde immer mehr ausbreitet und man hat den Eindruck, die Leute, einschließlich mancher Frommen, wollen betrogen werden.

Doch bei der populären Hierarchie und besonders bei den TV-Wunderheilern und „Erweckungspredigern“, wird man nun tatsächlich an eine Feststellung von Elias Schrenk, dem Bahnbrecher der Evangelisation auf deutschem Boden, erinnert, der im Zusammenhang mit der damals einbrechenden Pfingstbewegung konstatierte:  Ich würde mich freuen über eine Bewegung, die man reinigen kann, daß sie sich als eine göttliche Bewegung legitimierte. Aber ich bin fest überzeugt, daß man eine Bewegung nicht reinigen kann, in der so viel Lüge offenbar wurde wie in dieser Bewegung (Paul Fleisch, „Geschichte der Pfingstbewegung“,  Francke-Buchhandlung GmbH, 1983, Seite 169).

Gerade wenn man sieht, wie man versucht, die offensichtlich nicht eingetroffenen Prophezeiungen, die vollmundig im Namen des Herrn abgegeben wurden, zurechtzubiegen und so lange zu frisieren, bis es doch noch irgendwie stimmen könnte, kann man sich des Eindrucks nicht entziehen, daß hier eben nicht der Heilige Geist, der bekanntlich ein Geist der Wahrhaftigkeit ist, am Wirken ist.

Reinhard Bonnke beispielsweise, der bei seiner Feuerkonferenz in Frankfurt die große Geistesausgießung für Europa und Deutschland angekündigt hat. Was sich tatsächlich seither ereignete, war eine Geisterausgießung. Europa erlebt einen beispiellosen Okkult- und New-Age-Aufbruch. Doch man windet sich nach allen Richtungen und zieht fast alle Register der Verschleierung, nur um nicht zugeben zu müssen, daß man in Wirklichkeit ein Falschprophet ist.

Auch Volkhard Spitzer verstand es meisterhaft, seine Prophezeiung von dem angeblich gefüllten Berliner Olympiastadion – es kam dann ziemlich anders – zurechtzurücken und seine betrogenen Fans zu beruhigen.

Es erinnert an die Klage von Richard Krüger, ehemaliger Direktor des pfingstlichen Theologischen Seminars Beröa. Die Propheten gestünden selten oder kaum Irrtümer, Übertreibungen oder überhöhte Wunschvorstellungen ein (ideaSpektrum 4/2002).

Doch Gottes Wort sagt „die Propheten… haben Truggesichte und wahrsagen ihnen Lügen; sie sagen: »So spricht Gott der HERR«, wo doch der HERR gar nicht geredet hat“ (Hes. 22,28).

Alexander Seibel

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