EUROPÄISCHES THEOLOGISCHES SEMINAR
WALTER MICHAELIS
SEMESTERARBEIT
PENTEKOSTALISMUS
LEITUNG: PAUL SCHMIDGALL
VORGELEGT VON FRANK PETERSOHN
FREUDENSTADT-KNIEBIS, DEUTSCHLAND
25. MAI 2009
INHALT
1. EINFÜHRUNG
2. PERSÖNLICHKEIT UND DIENST
Walter Michaelis
Kurzabriss seines Dienstes
Michaelis’ geistliche Prägung
Michaelis’ Bekehrung
Michaelis’ Charakter
Michaelis über das Predigen
Michaelis über Heilung
Michaelis über den Schwarmgeist
3. MICHAELIS UND DIE PFINGSTBEWEGUNG
Die Berliner Erklärung
Michaelis’ Gründe für die Ablehnung der Pfingstbewegung
4. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG
KAPITEL 1
EINFÜHRUNG
Mit der Entstehung der Pfingstgeschichte in Deutschland sind natürlich eine Vielzahl von Personen und Ereignissen verbunden. Diese Arbeit hier konzentriert sich auf Walter Michaelis, welcher daran beteiligt war die Trennung des innerkirchlichen Pietismus von der beginnenden Pfingstbewegung maßgeblich zu bestimmen. In Michaelis findet die Pfingstbewegung einen seiner ärgsten Gegner, welcher ebenfalls maßgeblich an der Verfassung der Berliner Erklärung von 1909 verantwortlich war. Viele hilfreiche Dinge (das Leben in Christus und der Umgang mit dem Wort Gottes) werden beeindruckend authentisch durch das Leben von Walter Michaelis den nachfolgenden Generationen übermittelt.
Diese Ausarbeitung soll dazu dienen einen eigenen Hunger zu wecken über die
Ereignisse, die vor gar nicht all zu langer Zeit direkt vor unseren Augen passierten. Objektive Betrachtungen und eigene tiefergehende Nachforschungen sind immer dort notwendig, wo Meinungen sich spalten. Keinem Leser darf es verwehrt werden sich selbst ein nüchternes Urteil über die Dinge zu bilden, die das Christentum in mehrere Lager gespalten hat. Neben all den veröffentlichen Büchern darf niemals das Studium der Heiligen Schrift in den Hintergrund verdrängt werden, durch welches allein eigene Urteile ohne Vorurteile getroffen
werden können. Denn die Schrift ist primär das einzige, was uns GOTT durch die
Jahrhunderte hindurch geschenkt und übermittelt hat, um jegliche göttliche Wahrheit den Generationen zu erhalten: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen!“ (Johannes 8:31-32).
KAPITEL 2
PERSÖNLICHKEIT UND DIENST
Walter Michaelis
Curt Walter Michaelis wurde am 4. März 1866 als jüngster Sohn von Paul Michaelis in Frankfurt/Oder geboren1 und starb am 9.10.1953 in Göttingen. Michaelis hatte somit noch zwei Brüder und vier Schwestern. Drei Monate nach der Geburt, am 15.Juni 1866, erlag sein Vater Paul Michaelis innerhalb weniger Stunden der Cholera.
Eine Lebensversicherung, die Henriette noch kurz vor seinem Tod abgeschlossen hatte, ermöglichte Walter Michaelis später sein theologisches Studium. Bekannt war Michaelis für seine Rolle als Vorsitzendern des Gnadauer Gemeinschafts-verbandes.
Kurzabriss seines Dienstes
1884-1888 studierte er Theologie in Leipzig, Berlin und in Greifswald. 1888-1890
hatte Michaelis die Stellung eines Lehrvikars in Berlin-Schöneberg. 1890-1892 war er angestellt als Hilfsprediger in Berlin auf dem Gesundbrunnen.
Vom 11.9.1892 bis 1901 war er Pfarrer in der Neustädter Marienkirche in Bielefeld.
Schon seit 1700 gab es in der Neustadt kein bemerkenswertes Wirken des Heiligen Geistes mehr. Hier sollte die Gemeinde durch Michaelis’ Dienst etwas Großartiges erleben. „Selbst eine um 1830 im Gebiet des Ravensberger Landes zentrierte Erweckung und Bodelschwinghs Arbeit in Bethel blieben ohne große Auswirkungen auf die Neustädter Gemeinde. Obwohl das Evangelium ‚lebendig gepredigt’ wurde, gab es in Bielefeld im Unterschied zu Berlin eben keine klaren kirchlichen Fronten, sondern eine Religiosität, die Michaelis verunsicherte und die er gelegentlich als ‚eine im Grunde alttestamentliche Frömmigkeit mit hristlichen Vorzeichen’ charakterisierte. Darunter verstand er eine konservative, die Institution Kirche grundsätzlich bejahende Haltung, ohne dass christliche Glaubensüberzeugungen das Leben der Einzelnen wirklich prägten oder veränderten.“
In kurzer Zeit stiegen die Mitgliederzahlenund die Gottesdienstbesucher auf beeindruckende Weise. Es gab 2 Sonntagsgottesdienste in der Marienkirche und dennoch reichten die 2000 Sitzplätze nicht aus. „Die Menschen kamen einfach; der Prediger hatte meist große Freudigkeit; Gott gab immer wieder Texte und
Predigten, die durchschlugen; Menschen wurde das Herz aufgetan, dass sie ‚hörten’ und glaubten.“
In der Marienkirche gab es noch keine wirkliche Bibelunterweisung. So entschloss sich Michaelis die zu ändern. Er verschaffte sich die dazu nötigen Räumlichkeiten und hatte somit „eine richtige Bibelstunde, die fortlaufend biblische Bücher behandelt, Vers für Vers Auslegung bietet, auf den ganzen Zusammenhang des ganzen biblischen Buches und seine Bedeutung im Ganzen der Bibel eingeht, seine Veranlassung, sein Verhältnis zur Umwelt, zum Zeitgeschehen darstellt – eine solche Bibelstunde ist für eine Gemeinde, ich stehe nicht an zu sagen, eine unerlässliche Notwendigkeit […] In solchen Bibelstunden entsteht Schriftkenntnis und Schriftverständnis.“
Vom 1.7.1901 an war Michaelis Missionsinspektor der Evangelischen Missionsgesellschaft für Detusch-Ostafrika. Parallel möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass im selben Jahr in Topeka (Kansas) ein Aufsehen erregendes Ereignis stattfand. „Helena Guerra (1835-1914), eine italienische Ordensschwester, schrieb 12 Briefe zwischen 1895 und 1903 and den Papst (Papst Leo XIII.) in denen sie ihn ermutigte, Betonung auf den Heiligen Geist zu legen. Er veröffentlichte eine Enzyklika 1897 in der er den Heiligen Geist und seine Gaben für wertvoll erachtete. Am 1.Januar 1901 betete Papst Leo XIII. für ein Kommen des Heiligen Geistes. Charles Fox Parham (1873-1929) hörte von
der Xenolalie (=Fremdsprache) im Missionsfeld. Er fühlte, dass der Herr bald wiederkommt.
Mit dieser Gabe der Xenolalie könnte man in die Mission gehen und in jeder Sprache predigen. Parham begann eine Schule in Topeka (Kansas) und ermutigte dort für die Xenolalie zu beten. Am 1.Januar 1901 nach langem Gebet der Studentin Agnes Ozman erfuhr sie eine Taufe im Heiligen Geist und begann in Sprachen (o. Zungen) zu sprechen. Papst Leo XIII betete für ein Kommen des Heiligen Geistes für das neue Jahrhundert und am selben Tag erfuhr Agnes Ozman, worum Papst Leo gebetet hatte.”
Diese Geschehnisse ereigneten sich in dem Jahr 1901. Am 23.5.1902 wurde Michaelis in die Gnadauer Konferenzleitung berufen, gemeinsam mit Wittekindt und Pückler. Am 15.10.1905 begann Michaelis den Lehrbetrieb an der Theologischen Schule Bethel.
Während 1906 (im April) die Pfingstbewegung in Los Angeles (Asuza-Street)
entstand, wurde Michaelis am 8.6.1906 zum 1.Vorsitzenden des Gnaudauer Verbandes gewählt. 1906-1908 war Michaelis als freier Evangelist tätig. Auch an dieser Stelle müssen wichtige Ereignisse in der Geschichte der Entstehung der Pfingstbewegung in Deutschland erwähnt werden. Heinrich Dallmeyer (anfänglich Befürworter und später Gegner der Pfingstbewegung) beginnt Versammlungen am 7.Juli 1907 in Kassel. Diese Versammlungen waren am Anfang nur für Gläubige gedacht. Leider klappte das schon nicht. Es kommen von Anfang an die verschiedensten Menschen!
Nach und nach gerieten die Versammlungen außer Kontrolle. Die zwei Missionarinnen aus Norwegen, die ursprünglich ihre neue Gabe demonstrieren wollten, protestierten und verließen die Versammlungen. Die Versammlungen wurden immer turbulenter. Die Polizei schließt wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses die Kasseler Versammlungen am 2.August 1907.
Kassel ist seit diesem Ereignis viel umstritten in der Geschichte der Pfingstbewegung in Deutschland. Am 11. 10. 1908 kehrte Michaelis ins Pfarramt in Bielefeld zurück. Am 15. 9. 1909 wurde in Berlin die berühmte Berliner Erklärung verfasst. 1911 trat Michaelis von dem Vorsitz und der Mitgliedschaft des Gnadauer Vorstandes zurück und gründete 1913 den Pastorengebetsbund. Während der 1.Weltkrieg 1918 zu Ende ging, wurde Michaelis in den Vertrauensrat der evangelischen Kirche der APU gerufen. 1919 bis 1929 war er Dozent für Praktische Theologie an der Theologischen Schule Bethel. Ebenfalls wurde Michaelis 1919 (und das bis 1952) wieder zum Vorsitzender des Gnadauer Verbandes gewählt. Am 9.10.1953 starb Michaelis in Göttingen und wurde in Bethel bestattet.
Sämtliche chronologische Angaben über den Abriss des Dienstes von Michaelis entstammen aus dem Anhang des Buches Kurshalten in stürmischer Zeit von Michael Diener.
Michaelis’ geistliche Prägung
Bemerkenswert ist die geistliche Stärke seiner alleinerziehenden Mutter Henriette mit der sie ihre Kinder aufzog. Michaelis’ Mutter war „…selbst ohne Vater aufgewachsen, versuchte dennoch der ihr unbekannten Vaterrolle gerecht zu werden. Typisch kindliche Verhaltensweisen und pubertäre Schwankungen der Kinder wurden von ihr sehr ernstgenommen.“
Im Jahr 1868 hinterließ sie folgendes Zeugnis in der Hauschronik: „Äußerlich hat der Herr ja wunderbar geholfen. Da versorgte er uns reichlicher, als in diesen teuren Zeiten zu des Lebens Nahrung und Notdurft gehört, und wenn er mich innerlich seine Hilfe nicht immer fühlen lässt, so ist es wohl auch, um mich im Kampf zu erhalten. Ich ringe oft unter heißen Schmerzen der Reue und Buße – wo mein ganzes Leben nur wie Sünde und Verschuldung vor mir liegt – ich flehe ihn an, dass er mich freimachen wolle vom Joch der Sünde und doch werde ich immer wieder von Neuem versucht, so dass ich seufze: Wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes! … Ich denke oft mit Angst daran, dass die durch den Sündenfall den Kindern angeerbte böse Adamsnatur auch in meinen 7 Kindern sich regen, und ihnen Schmerzen bereiten wird, die oft meine Seele zerreißen – aber der Herr wird auch ihnen helfen, und dem bösen Feinde nicht den Sieg in die Hände geben. Noch gedeihen sie alle zu meiner Freude, wie ich zuversichtlich hoffe – unberührt von dem Schmutz der Sünde – o, dass ich nur nicht matt werde zum Gebet, dass der Herr sie schützen und bewahren möge.“
Henriette war sehr darum bekümmert, dass Walter in das Amt eines Pfarrers
eingeführt werden sollte. So hinterließ sie: „…es ist mir so sehr wichtig, von wem dies jüngste Kind, das hoffentlich in den geistlichen Beruf tritt, unterrichtet wird, dass ihm das Wort Gottes lieb und die Herrlichkeit des Amtes vorgelebt wird. Auch hier heißt es: Betenohne Unterlass.“
Somit hat Walter in seiner Kindheit schon sehr früh die Kraft des Gebetes
durch seine Mutter kennengelernt und genau das blieb ihm kontinuierlich in Erinnerung.
Michaelis’ Bekehrung
Bemerkenswert halte ich die Bekehrung von Michaelis. Wer Kirchengeschichte eifrig studiert, wird bemerken, dass es bei Michaelis erstaunliche Gemeinsamkeiten mit der Bekehrung bei John Wesley gibt. Beide standen bereits in einem Amt und verkündigten das Evangelium, während sie noch nicht wiedergeboren waren und dadurch keine echte Heilserkenntnis vorweisen konnten, so wie die Heilige Schrift sagt: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Johannes 3:5).
Bis Michaelis an den Punkt kam, an welchem er durch Heiligen Geist Zeugnis erlangte (Römer 8:16) ein Kind Gottes zu sein, durchging er durch folgende Stationen in seinen noch jungen Lebensjahren. Am 31.Oktober 1884 immatrikulierte sich Walter Michaelis, damals 18 Jahre alt, an der Friedrichsuniversität in Halle im Fachbereich Theologie. So hat Walter Stellung bezogen: „Warum habe ich eigentlich mich für das Theologiestudium entschlossen? Ich muss es offen sagen: ich weiß es nicht. Es begab sich
einfach so. Weder besondere Erwägungen oder Vorliebe noch Glaubensimpulse waren die Ursachen. Sicherlich haben die Gebete meiner Mutter dahinter gestanden, für die ich ja […] der letzte war, durch den sich ihre Hoffnung, ein Sohn möchte Theologe werden, erfüllen konnte. Aber sie hat mich nie irgendwie zu beeinflussen gesucht oder mir zugeredet. Es blieb für sie eine Sache zwischen Gott und ihr.“ (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, 27-28)
Nach Examensklausuren und mündlicher Prüfung erhielt der junge Theologe am
4.Oktober 1888 das Prüfungszeugnis mit der Gesamtbewertung bestanden. Im Jahr 1888-1890 wurde Walter Michaelis Lehrvikar in Schöneberg unter Superintendent Max Vorberg und versuchte dort, immer noch ohne Heilsgewissheit, „etwas Ernstes zu bieten, die Menschen innerlich zu bewegen.“
Max Vorberg war mit dem Dienst von Michaelis sehr zufrieden und bescheinigte ihm großen „Fleiß und Hingabe, eine gute Allgemeinbildung und gute Umgangsformen.“
Im Jahr 1890-1892 wurde Michaelis als Hilfsprediger in der St. Paulskirche im
Norden Berlins (Gesundbrunnen) eingestellt. Hier wurde er mit 30.000 Menschen konfrontiert die wenig Interesse an kirchlichen und religiösen Fragen hatten. Walter Michaelis’ Alltag bestand aus Konfirmandenunterricht, Religionsstunden und vielen Hausbesuchen. Dort bemerkte selbst seine Mutter, welche mit ihm in abgelegener Nähe in einem Haus wohnte, seine geistliche Not, wegen der Fürsorge von solch einer großen Menge von Menschen. In dieser Zeit las Michaelis einen Aufsehen erregenden Vortrag von Generalsuperintendenten
Braun Die Bekehrung der Pastoren und deren Bedeutung für die Amtswirksamkeit, welcher vor Selbsttäuschung von Pastoren warnte und sie schriftgemäß herausforderte „Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid; stellt euch selbst auf die Probe! Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, dass ihr unecht wärt!“ 2. Korinther 13:5
(Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S.36)
Daraufhin wurde Michaelis unsicher über „unbemerkter Verstockung als Folge
eines Missbrauchs des Heiligen, der dort vorliege, wo rein psychische Virtuosität für Kanzelzwecke an die Stelle echter Heilsgewissheit trete“.
Michaelis, damals 25 Jahr alt, erkannte sich selbst in Brauns Aussagen: „An diesen Worten von der psychischen Virtuosität, von Anempfinden wurde mir klar: so steht es bei mir. Ich erschrak vor der Möglichkeit, dem Gericht einer geheimen Verstockung anheim zu fallen. Sicherlich, ich hatte in ehrlicher Überzeugung gepredigt, ich hatte stets Gott um seinen Beistand gebeten, oft aus der Not heraus dringend; ich war vom Bibelwort ausgegangen. Aber
zumal in der Anwendung, da war ich jener gefährlichen ‚Virtuosität’ anheim gefallen…
Mit der Erkenntnis dieses Zustandes war sofort auch die Frage nach echter gegründeter Heilsgewissheit gestellt. Aus der nun gewonnen Klarheit beschloss ich, beim Predigen auf keinen Fall über meinen eigenen inneren Stand hinauszugehen.“
Diszipliniert gelang Michaelis die Abkehr von einer nur emotionalen Bewegtheit … Am frühen Morgen des 4.Juli 1891 kam es dann zu dem Ereignis, das [er] später einmal als das ‚entscheidende Erlebnis, das eines Menschen zeitliches und ewiges Geschick bestimmt’ bezeichnete. In seiner Predigtvorbereitung fesselte ihn das fünfzehnte Kapitel des Johannesevangeliums, insbesondere der 16.Vers „Ihr habt mich nicht erwählt sondern ich habe euch erwählt“ so, dass er wie von einem inneren Zug getrieben weiterlas: „Da gefiel es Gott, dies Wort
unmittelbar mit Licht und Leben wirkender Kraft in meinen Geist zu senken. Ich erkannte, was freie Gnade ist, und konnte glauben an Vergebung und Erwählung für mich.“
Michaelis wusste um die von Theologie und Kirche immer wieder kritisierte
Versubjektivierung des Rechtfertigungsgeschehens und doch wollte es diese persönliche Aneignung und Erfahrung des Heils nicht mehr missen. Das wird in der betreffenden Tagebucheintragung deutlich: „…und wie meine Augen über den 15ten, besonders aber den 16ten Vers gleiten, ‚ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt’, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen, da senkt sich stiller Friede ins Herz, da durchzieht mich innigste Freude, ich kann nur singen ‚ich habe nun den Grund gefunden‘ und beten: ‚Herr,
nimm es nur nicht wieder von mir’ und wieder singen und beten; ob methodistisch oder nicht, seit dem Morgen des 4.Juli bin ich ein neuer Mensch, ist Jesus in mir, kann ich predigen in des Geistes Kraft.“ (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S.44)
So können wir nun sehen, dass das Wirken des Heiligen Geistes bei der
Wiedergeburt eines Menschen maßgeblich beteiligt ist. Ohne das offenbarende und überführende Wirken des Geistes in einem Menschen wird die Entscheidung, Buße zu tun, nicht genügend einleuchten. Jesus Christus selbst sagt: „Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben!“ (Johannes 6:65) und über das offenbarende und ans Licht bringende Wirken des Heiligen Geistes spricht Jesus folgendermaßen: „Und wenn jener kommt, wird er die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und vom Gericht“ (Johannes 16:8 SCHL2000).
Diese Wahrheit wird uns sehr eindrucksvoll im Leben von John Wesley deutlich vor Augen geführt. John Wesley war ungefähr 22 Jahre alt, als er sich für sein Theologiestudium entschied. Dort begann ein Buch von Thomas von Kempten bereits Einfluss auf sein Leben zu haben. Mit 29 Jahren wurde er gefragt, durch seine bisherigen Aktivitäten schon einigermaßen bekannt, ob er das Amt eines Geistlichen in Savannah (die Hauptstadt der Kolonie Georgiens in Nordamerika) übernehmen möchte. Auf einer Schiffsreise dorthin begegnete der nun 33 jährige John Wesley mährischen Brüdern, welche ihm demonstrierten, dass der Friede Gottes selbst die Angst vor dem Tod überwand. Kurz nach seiner Ankunft in
Amerika sprach er mit (dem späteren Nachfolger Zinzendorfs) August Gottlieb Spangenberg.
Dieser fragte ihn ‚Hast du in dir das Zeugnis, dass du Gottes Kind bist und kennst du Jesus Christus?’ Von diesen Fragen überrascht und in Verlegenheit geraten antwortete John Wesley: ‚Ich weiß, dass er der Erlöser der Welt ist und ich vertraue, dass er gestorben ist um mich zu retten.’ Wesley bekannte später, dass er kein Recht hatte so etwas zu antworten, da er selbst keine Heilsgewissheit hatte. Erst kurz vor seinem 35. Geburtstag hörte Wesley in Oxford einen Vortrag über die Vorrede Luthers zum Römerbrief. Hier überführte ihn der
Geist des Herrn und schenkte ihm eine unerschütterliche Heilserkenntnis, welche ihm spürbar vermitteln konnte, dass alle seine Sünden abgewaschen wurden und er Gottes Kind ist.
John Wesley und Walter Michaelis sind bildhafte und authentische Bespiele für ein Wirken des Heiligen Geistes, wenn es um das Heil einer kostbaren Seele geht. Viele Christen im heutigen Christentum machen die Wiedergeburt (und deren Sicherheit der Errettung) anhand eines einzelnen Übergabegebetes fest. Wie viele Gebete sprachen wohl John Wesley und Walter Michaelis um gerettet zu werden? Sie waren ohne Zweifel in der Lage Menschen davon zu überzeugen, dass sie wiedergeborene Christen sind. Aber Gott hat immer noch das
letzte Wort, wenn es um die Sicherheit geht, gerettet zu sein. Trotz all der Hingabe von Wesley und Michaelis (an Gott) erlebten sie keine Bekehrung oder besaßen auch keine Heilsgewissheit. John Wesley sagte rückblickend über seinen zweijährigen Dienst in Amerika: „Ich ging nach Amerika, um die Indianer zu bekehren, und was fand ich? Was ich am allerwenigsten erwartete, daß ich selbst nie zu Gott bekehrt war.“ (Roessle, J.Wesley, S.20)
Dies möge eine Warnung an das heutige Christentum sein, dass es, so empfinde ich das, verlernt hat eine biblische Grundlage für Erlösung und Heilsgewissheit zu verkündigen.
Michaelis’ Charakter
Michaelis wurde sein Bekehrungserlebnis zu einem Ereignis, dass ihn ein extrem
überlebenswichtiges Prinzip lernte. Als Christ musste er ganz persönlich wissen was der Wille Gotte ist und was seine Gedanken über ihn (d.h. Michaelis selbst) sind. Das ist das einzige, was jemanden vor Selbstbetrug bewahren kann. Deswegen suchte Michaelis ständig Gott und flehte im Gebet um Führung und Weisung, bis sie ihm spürbar und sichtbar durch Gnade geschenkt wurde. Selbst in den kleinsten Dingen machte er sich abhängig von Gott und befand sich öfters im anhaltenden Gebet und in wartender Haltung vor Gott bis ihm der
Herr Jesus Christus sein „Wort“ zu seines „Fußes Leuchte“ mache und ihm „ein Licht auf“ seinem „Weg“ (Psalm 119:105) werde.
Dieses Zeugnis aus seinem Leben macht deutlich, dass Michaelis Entscheidungen
nicht nur nach dem Augenschein traf, die größere Konsequenzen nach sich ziehen konnten. Vielmehr ließ er sich durch eifriges Bibelstudium und innigem Gebet dahin bringen Entscheidungen aufgrund schriftgemäßer und geistgewirkter Weisung zu treffen: denn der Heilige „Geist ist es im Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht“ (Hiob 32:8).
Dies macht umso deutlicher, dass seine klare und kompromisslose Ablehnung der Pfingstbewegung (zu seiner Zeit mehr unter dem Namen ‚Zungenbewegung’ bekannt) nicht auf geistlicher Oberflächligkeit oder Mangel an objektiven Beurteilungen basierte, sondern auf dem Zeugnis der geistgehauchten Heiligen Schrift selbst und einigen Erfahrungen, die er selbst mit der Pfingstbewegung erlebt hatte. Michaelis’ Entscheidungen und Vorkehrungen um die Pfingstbewegung zu stoppen bereute er nie, denn er war sich durch und durch seiner Entscheidungen und deren Tragweite bewusst.
Diese Dinge lassen Michaelis in den Augen anderer als einen Mann mit großem
Streben nach Heiligkeit und Gottesfurcht gelten. Michaelis war ein Mann Gottes, der sich für die Wahrheit interessierte und sich weigerte Falschheit und Lüge zu gebrauchen um Erfolg zu erzielen. Diese Charaktereigenschaft wird ebenfalls deutlich in der Art und Weise wie Michaelis über Jonathan Paul denkt. Michaelis erkannte Jonathan Pauls Stärken (freundlich, brüderlich) und war fasziniert von der Art und Weise, wie Paul einen heiligen Lebenswandel suchte. Trotz seiner Ablehnung der Pfingstbewegung äußerte er folgendes über Jonathan Paul:
„Andererseits muss ich sagen, wenn theologische Kritiker, die vielleicht ein geringschätziges Lächeln für ihn haben, nur einen Teil seines glühenden Eifers (den ich nicht fanatisch nennen könnte) um die Errettung der Menschen durch den Glauben an den Erlöser besäßen und wenn sie sein tiefes Herzensverlangen, heilig zu sein, wie Gott heilig ist, beseelte, es sähe in vielen Kirchengemeinden anders aus.“
Michaelis über das Predigen
Die Qualität seines hohen geistlichen Wandels mit Gott und seine demütige Hingabe an den Herrn Jesus Christus spiegeln sich auch in seinen Äußerungen über das Predigen wieder. Michaelis’ Arbeit als Pfarrer in Bielefeld wurde als „große Resonanz hervorrufende Arbeit“ anerkannt.20 Er selbst verrät seinen Lesern und Zuhörern seine Geheimnisse, welche nie wirklich Geheimnisse waren. Vielmehr war sein Geheimnis die Ernstnahme biblischer Prinzipien, wie wir sie unter anderem in Sprüche 2:1-4 (SCHL2000) finden: „[…] wenn du meine Worte annimmst und meine Gebote bei dir bewahrst, so dass du der Weisheit dein Ohr leihst und dein Herz der Einsicht zuwendest; wenn du um Verständnis betest und um Einsicht flehst, wenn du sie suchst wie Silber und nach ihr forschst wie nach Schätzen […]“. Solche Prinzipien sollten dem Verkündiger in der heutigen Zeit in Fleisch und Blut übergegangen sein, aber leider erleben wir in vielen christlichen Kreisen eine nicht geringe „Ablehnung“ eines solchen betenden Wartens und Suchens, um in den Genuss zu kommen von Offenbarungen in der Heiligen Schrift. Michaelis war oft Zeuge von solchen Geist-losen und Evangeliums-losen Predigten: „So manches Mal habe ich unwillig, ich gestehe, fast mit Zorn unter einer Kanzel gesessen, wo ich am liebsten dem Redner zugerufen hätte: Mann, weißt du denn gar nicht, wie du an einem großen Teil deiner Zuhörer vorbeiredest? […] Sorgst du dich denn nicht um ihr ewiges Leben und ringst du denn nicht um sie?“
Michaelis selbst begann als ein eher gesetzlicher Verkündiger, der sich so manchen Zorn seiner Zuhörer zuzog. Mit der Zeit erkannte er durch die praktische Erfahrung und Gottes züchtigender Hand, dass Gott ihn hier und da noch in seiner Art und Weise der Verkündigung verändern musste. Schon in der Bibel wird gelehrt, dass wir als Knechte Gottes unsere (für den Dienst brauchende) Fähigkeiten und die Fähigkeit Gott zu gehorchen nicht allein durch das Unterrichten von Worten oder Theorien erlangen können. Vielmehr müssen wir in Praxis und durch Züchtigung das lernen, was Worte nicht vermitteln können: „Mit bloßen Worten erzieht man sich keinen Knecht, denn wenn er sie auch versteht, so beugt er sich doch nicht darunter“ (Sprüche 29:18).
Michaelis war sich nun klar darüber, dass Gottes alleinige und souveräne Wirksamkeit den Prediger zum Verzicht auf menschliche Machtmittel bewegen
musste wie z.B.: unnatürliche Emotionalisierung der Predigt, aggressive Einschüchterung der Zuhörer oder unbiblische Trennung von Buße und Glauben.
Michaelis über Heilung
Im Frühjahr 1911 wurde Michaelis ein Erholungsurlaub von 3 Monaten verordnet infolge von Ermüdungserscheinungen bei körperlichen und geistigen Anstrengungen. Des Weiteren litt an unregelmäßigen Herzschlagfrequenzen. Er ging auf das Bibel- und Erholungsheim Männedorf (Zellersche Anstalt). Diese wurde durch Dorothea Trudel (1813-1862) ins Leben gerufen, welche infolge einer Gebetserhörung eine Heilungsgabe bei sich entdeckte. Samuel Zeller (1834-1912) wurde ihr Gehilfe und später auch ihr Nachfolger. Dorothea Trudel und Samuel Zeller waren „Vorläufer der Heilungsbewegung [und] ihr Glaubensheim’ am Zürichsee wurde zum klassischen Vorbild der Heilungsheime der späteren Heilungsbewegung. Trudel soll früh dafür bekannt gewesen sein, dass sie kranken Menschen die Hände auflegte, sie mit Öl salbte und um Gesundung betete.“
Michaelis hoffte dort auf Heilung von seinen Beschwerden, da er der festen Überzeugung war, dass Gott entweder durch Medizin oder durch übernatürliches Eingreifen Heilung ermöglichen kann.
Michaelis erlebte dort keine Heilung. Als er sich aber auf der Rückreise befand, stabilisierten sich seine Herzschlagfrequenzen. Seine Ermüdungserscheinungen blieben.
Michaelis selbst war kein Gegner von übernatürlichen Heilungen. Das wird in seinen eigenen Aussagen sehr deutlich. Auf der einen Seite lehnt er die ‚angeblichen’ Manifestationen des Heiligen Geistes in der Pfingstbewegung ab, sehnt sich aber dennoch nach dem Wirken des Geistes: „…wer solche Manifestationen des Heiligen Geistes für ganz belanglos gegenüber der Wirkung des Wortes hält, der steht freilich nicht in Gefahr, durch eine schwarmgeistige Bewegung mit ihren Gaben irregeführt zu werden. Aber ist es nicht
angesichts der Krankheitsleiden der Menschheit ein Herzeleid, dass so selten einmal ein Mann wie Blumhardt aufsteht? Ist es nicht ein Jammer, dass wir dämonischen Gebundenheiten meist so machtlos gegenüberstehen?“ (Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen, S.234)
Während seines Dienstes kam er jedoch mit Menschen in Kontakt, die übernatürliche Heilungen erlebt hatten. Diese Begegnungen hatten ebenfalls mit Einfluss auf seine klare und kompromisslose Ablehnung der Pfingstbewegung. Hier muss erwähnt werden, dass selbst anerkannte und respektierte Pfingstler wie Derek Prince zu einer Erkenntnis kamen, die heute wohl von den wenigsten
Christen geschätzt und verstanden wird: „Zeichen und Wunder bestimmen nicht Wahrheit!“.
James Montgomery Boice sagt: „…Wunder alleine beweisen nichts. Sie können falsch und irreführend sowie wahr und aufschlussreich sein”. (Charles Colson: Power Religion: The Selling Out of the Evangelical Church?, S. 128)
Michaelis in seinem Dienst machte im Jahr 1908 eine ihm Augen öffnende Erfahrung, als er sich überreden ließ Veranstaltungen in Bielefeld zu besuchen. „Einer seiner ehemaligen Bielefelder Stadtmissionare, ein hochbegabter, bayrischer Theologe erlebte an seiner neuen Wirkungsstätte eine Erweckung, verbunden mit der Krankenheilung [schwere infektiöse Krankheit bei der Knochenteile des Körpers angegriffen wurden] eines jungen Mädchens und
nachfolgend vielen weiteren Heilungen. Bei Gebetsgemeinschaften bemerkte er (d.h. Michaelis) dann aber seltsame Traumzustände des geheilten Mädchens, in denen sie in visionären Bildern von der Besessenheit vieler Gläubiger sprach und zur befreienden Seelsorge einlud.“ (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S. 214).
„Die Stätte fing an berühmt zu werden; aus manchen Teilen Deutschlands kam man angereist, um dort Heilung zu finden.“ (Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen, S. 245).
Es müssen sich Aufsehen erregende Dinge dort ereignet haben, wenn man liest, dass Menschen aus fernerer Umgebung diesen Ort aufsuchten um dort Abhilfe für ihre Not zu finden. Nach einem tieferen Gespräch zwischen Michaelis, dem Theologen mit seiner Frau und dem besagten Mädchen trieb es Michaelis eine ganze Nacht ins Gebet und er suchte Antworten infolge der seltsamen
Offenbarungen und Visionen des Mädchens. Auch hier muss noch mal hingewiesen werden, dass Michaelis immer Leitung im Gebet und im Wort Gottes suchte und er niemals übereilt aus seiner eigenen Urteilsfähigkeit heraus Entscheidungen traf etwas abzulehnen oder anzunehmen. Schließlich kam er durch die gnädige Führung des Herrn zu folgenden Entschluss: „…so unbestreitbar nach meinem Urteil die Krankenheilungen waren, so war die
ganze Sache mit dem Mädchen und seinen Visionen eine vollkommen schwarmgeistige Verirrung.“ (Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen, S.247).
Michaelis über den Schwarmgeist
Schwarmgeist ist ein wenig verstandener Begriff im heutigen Christentum und dessen Wortschatz. Ich selbst habe in meinen 6 Jahre langem Christsein nichts mit diesem Begriff ‚Schwarmgeist’ anfangen können. Da der Begriff schwierig mit wenigen Worten nicht genau definiert werden kann, betrachten wir Michaelis’ Begriffserklärung, die ganze 13 Seiten umfasst. In gekürzter Form gebe ich seine Definition auf gut eineinhalb Seiten wieder: „So nennen kühl veranlagte Christen oft einen Eifer, eine Glut, eine Opferfreudigkeit, die in ihrem
Wesen echt ist, selbst wenn sie einmal hier und da über das Ziel hinausschießt. Hier hilft oft die rauhe Wirklichkeit oder, christlich gesprochen, die erziehende Treue Gottes im Laufe des Lebens zurecht. Gerade da, wo Paulus von schwarmgeistigen Entartungen des Glaubenslebens spricht (1Tim 4:3) nennt er als Ursache ‚irreführende Geister’ und ‚Lehre von Dämonen’. Schwarmgeist ist also nicht nur gesteigertes Temperament, erhitztes Gefühl, phantasievolle Lebensbeurteilung. Man muß sagen, daß er vernünftige Christen oft geradezu
lächerliche, sie gründlich blamierende oder gar anstößige Dinge zu tun veranlaßt, um die von ihnen vertretene Sache Gottes vor der Welt lächerlich zu machen und in Verruf zu bringen. Viele der ‚Botschaften’ in der Zungenbewegung […] enthielten so seichtes, abgeschmacktes, völlig bedeutungsloses Zeug, daß man sich als Christ nur tief schämen konnte, daß Christen, die besonders geistgetauft sein wollten, solches Zeug hervorbrachten.
Er verstellt sich oft in einen Engel des Lichts [und] bietet sich an als höhere Stufe des Christentums. Zu Blumhardt kam einst in sein Möttlinger Pfarrhaus eine Frau, um ihn in langer und breiter Rede wissen zu lassen, wie wundersame Christuserscheinungen und Offenbarungen sie habe. Dann sagte er kurz und bündig zu ihr: ‚Und das ist alles vom Teufel!’ Voller Entrüstung stand sie auf und
verließ das Pfarrhaus. Nach wenigen Wochen kam sie gebeugt wieder. ‚Herr Pfarrer, Sie haben völlig recht gehabt. Ich habe erkannt, daß das alles nur aus dem Hochmut gekommen ist’. Der Dichter sagt: Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Wo Krankenheilungen geschehen, wo gar Zungenreden stattfindet oder prophetische Aussprüche verborgene Sünden ans Licht bringen, da ist für viele der Beweis einfach erbracht! Eine solche Sache muß doch von Gott sein! Und wenn es dann auch Bekehrungen gibt, so ist durch solche die Bewegung
erst recht legitimiert. Wer die Wahrheit einer Sache allein schon aus ihrem Erfolg herleitet, der steht bereits am Anfang eines Irrweges. Für ihn hat der Herr vergeblich gesagt: ‚Es werden falsche Christi und Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, daß verführet werden in den Irrtum, – wo es möglich wäre – auch die Auserwählten’ (Matt 24:24).
Für ihn hat der Herr vergeblich gewarnt: ‚Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr! Haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, Teufel ausgetrieben, in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter’ (Matt 7:22-23). Was den Beweis aus dem Erfolg betrifft, so ist den Worten des Herrn Jesus nichts hinzuzufügen. Was die Bekehrungen betrifft, so ist es
überhaupt ein Geheimnis, wann, wie und wodurch Menschen sich bekehren. Aber schwarmgeistige Bewegungen haben ja auch Gottes Wort, es wird in ihnen verkündigt. Und das einzig in Wahrheit Bekehrende ist ja Gottes Wort. Es wirkt durch sich selbst. Und in jeder solcher Bewegung sind einfältige Menschen, die um die Wirkung des Wortes beten. Das erhört der Herr. Auch schließen die wunderbaren Vorgänge, die von vielen ohne Prüfung hingenommen werden, das Herz für Einflüsse aus der höheren Welt auf. So ist es nicht schwer, die Bekehrungen zu erklären, die in solchen Kreisen vorkommen. Wenn wir aber aus den äußeren und inneren Wirkungen auf die Echtheit und Wahrheit schließen dürften und alles, was solche Wirkungen hervorbringt, anerkennen könnten, dann müssten wir auch die Neuapostolischen anerkennen oder dem Spiritismus religiösen Wert zusprechen.“
Diese Worte werden einem gläubigen Christen, der sich mit der Art und Weise der Verführung Satans nicht auskennt, nur wenig Sinn ergeben. Denn auch in meinem eigenem Leben stempelte ich ‚gefährliche’ Dinge als ‚ungefährlich’ und ‚ungefährliche’ Dinge als ‚gefährlich’ ab. Es wird immer Gruppierungen geben, die ‚biblische’ Dinge als ‚unbiblisch’ und ‚unbiblische’ Dinge als ‚biblisch’ bezeichnen. Um diese Problematik zu lösen, gab Gott uns sein heiliges Wort durch die Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch: „Dein Wort ist
Wahrheit!“ (Johannes 17:17). Dieses sollte zwischen den ‚falschen’ und
‚richtigen’ Lehren, systematischen Theologien und Schlussfolgerungen aufklären können.
Wäre die Heilige Schrift dazu nicht in der Lage, könnten wir Jesu Jünger nicht werden:
„Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und ihr [d.h. diejenigen, die sich an das Wort Gottes halten] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen!“ (Johannes 8:31-32). (Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen, S.236-249).
KAPITEL 3
MICHAELIS UND DIE PFINGSTBEWEGUNG
Walter Michaelis und Jonathan Paul kannten sich bereits, als die Pfingstbewegung in Deutschland ihren Lauf nahm. Michaelis’ erste Begegnung mit der Pfingstbewegung ereignete sich durch ein Treffen 1891 mit Jonathan Paul, der Michaelis zum predigen in seine Pfarrstadt Ravensburg einlief. Zu Beginn des Jahres 1907 reiste Jonathan Paul nach Oslo und berichtete in der ‚Brieger Woche’ recht positiv über die Bewegung dort. Als er im April 1907
über seine Erlebnisse und Eindrücke erzählte, konnten die Teilnehmer jedoch die Glossolalie nicht richtig einordnen. Paul konnte jedoch Heinrich Dallmeyer davon überzeugen, dass diese Bewegung wohl von Gott sei.
Nach den Veranstaltungen in Kassel vergingen ungefähr zwei Jahre, bis eine besondere Versammlung der Gemeinschaftsbewegung in Berlin stattfand. Dort
entstand am 15.9.1909 die Berliner Erklärung.
Die Berliner Erklärung 1909
Im Folgenden werde ich einige der verschiedenen Reaktionen und Ansichten
aufzeigen, welche die Berliner Erklärung hervorgerufen hat. Es scheint unmöglich zu sein Christen zu finden, welche der Berliner Erklärung und der aufkommenden Pfingstbewegung in neutraler Meinung gegenüberstehen. Es scheint, als würden sich an dieser Erklärung die Geister spalten. „Vertreter der Gemeinschaftsbewegung bezeichneten dieses Dokument als das entscheidende Bollwerk gegen die Schwärmerei der Pfingstler. Es habe die deutsche
Landschaft vor einer völligen Zerstörung der Gemeinschaftskreise gerettet und bahnbrechend für die Zukunft gewirkt. Der ‚Lügengeist’ der Pfingstler sei dadurch entlarvt und zurückgeschlagen worden. Hermann Schöpwinkel, ein führender Vertreter des Gnadauer Verbandes, meinte: ‚Wäre, menschlich gesprochen, die Berliner Erklärung nicht gekommen, so wäre die durch Gottes Gnade und Heiligen Geist entstandene Deutsche Gemeinschaftsbewegung samt der Evangelischen Allianz in einem Sumpf der Hölle geendet.‘
Vertreter der Pfingstbewegung und vor allem der neueren Charismatischen Bewegung sehen dagegen in der Berliner Erklärung den Schandfleck der deutschen Kirchengeschichte überhaupt. Sie habe die so segensreich wirkende Erweckungsbewegung um die Jahrhundertwende zerstört. Neuerdings geht man so weit, mit der Berliner Erklärung auch weltpolitische Dimensionen der Zeitgeschichte zu erklären. So urteilte Loren Cunningham, Gründer des charismatischen Missionswerkes Jugend mit einer Mission, auf der Euro-Fire-
Konferenz Ende der 80er Jahre in Frankfurt, dass die Berliner Erklärung Schuld am Mauerbau in Deutschland gewesen sei.“ (Stephan Holthaus, Zur Entstehung der Berliner Erklärung von 1909, Vortrag vor Theologiestudenten
im Bodelschwingh-Studienhaus in Marburg, Deutschland, 8.Januar 1996, http://www.efghohenstaufenstr.de/downloads/texte/Berliner_Erklaerung_Vorgeschichte.pdf ; Internet; 23.April 2009.
Viele Menschen schieben die Schuld der Spaltung der Gemeinschaftsbewegung auf die Berliner Erklärung. Stephan Holthaus beleuchtet diesen Vorwurf folgendermaßen in seinem Vortrag: „Die Berliner Erklärung war nötig, denn der Gnadauer Verband stand in einer Zerreißprobe. Besonders die Gemeinschaften im Osten sympathisierten fast alle mit der Pfingstbewegung. Noch war Gnadau nicht gefestigt. Erst kurz vorher war es zu einer Zerreißprobe um die Schriftfrage gekommen. Gerade im Jahre 1909 brauchte man Klarheit und Festigkeit. Deshalb blieb den Gemeinschaftsvätern nichts anderes übrig, als sich zu entscheiden. Irgendwelches Taktieren hätte wohl zu einer völligen Zerstörung des Gemeinschaftsverbandes führen können. Deutlich ist immerhin, dass Pastor Paul die Gemeinschaftsbewegung durch Organisation der Pfingstbewegung in Deutschland praktisch schon gespalten hatte. Die Trennung ist also weniger eine Folge der Berliner Erklärung, sondern die Berliner Erklärung eine Antwort auf die sich schon anbahnende Spaltung.“ (Holthaus, Berliner Erklärung.)
Zwischen den Ereignissen in Kassel 1907 bis zur Verfassung am 15.9.1909 vergingen zwei Jahre. Bei einem Spaziergang im Frühjahr 1909 auf einer Bielefelder Strasse wandte sich Georg v. Viebahn zu Michaelis und sagte: „Können wir eigentlich länger zusehen, wie Brüder in immer weiterem Umfange in die Zungenbewegung sich hineinziehen lassen?“ (Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen, S.226).
Auch hier wird deutlich, dass die Berliner Erklärung keine Blitzaktion war. Selbst in den kommenden Generationen hinterlässt die Berliner Erklärung von 1909
eine ‚trennende’ Wirkung. Ich habe von Menschen gelesen, die so empört von der Berliner Erklärung sind, dass sie ‚ihr’ größeren Schaden zuschieben als die Gesamtheit der Fehler der Pfingstbewegung selbst. Andere erstaunten über die Christenheit zerreißende Wirkung.
Andere verbinden die geistige Gefangenschaft in Deutschland mit der Berliner Erklärung. Wieder andere sehen in ihr den Unglauben der Evangelikalen schlechthin. Und letztendlich wagen auch einige zu sagen, dass die Geschehnisse der Folgejahre (z.B. Adolf Hitler) nur möglich waren aufgrund antipfingstlerischen Haltungen.
Wiederum werden eifrige Bibelstudenten bemerken, dass in den 25 Jahren, in denen zwei Weltkriege anfingen, auch eines der größten Wunder der Bibel hervorgebracht wurde. Nämlich die Geburt des Staates Israel am 14.Mai 1948.
In der Heiligen Schrift heißt es: „So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels heraufgeführt hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte! Denn ich will sie wieder in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe. Siehe, ich will viele Fischer senden, spricht der HERR, die sie fischen sollen; danach will ich viele Jäger senden, die sie jagen sollen von allen Bergen und von allen Hügeln und aus den Felsenklüften“ (Jeremia 16:15-16).
Nach ca. 2000 Jahren Zerstreuung und Antisemitismus ist die Gründung des
Staates Israel ein Wunder. Derek Prince, der selbst viele Jahre in Israel (Jerusalem) gewohnt hatte und sehr vertraut war mit der Geschichte der Israeliten, sah in dem Holokaust nicht nur die unbeschreibliche Boshaftigkeit der sündigen Menschheit, sondern ebenfalls Gottes unsichtbare Hand. In Jeremia 16 redet Gott zuerst von Fischern und dann von Jägern, die er senden wird um sein Volk wieder in ihr Land zu bringen. Derek Prince äußerte sich dazu in
seinem Vortrag Antisemitismus und der Anteil der Christen dazu und sagte in etwa: „Bevor der Holocaust begann, sandte Gott Fischer (d.h. die Zionisten) nach Deutschland, welche riefen ‚Kommt, lasst uns in unser Land zurückkehren!’ Als man aber nicht hören wollte und die drohende Gefahr nicht wahrnehmen wollte, sandte Gott Jäger (d.h. der Holocaust). Sie brachten die Juden dazu ‚entwurzelt’ zu werden um in Israel wieder ‚gepflanzt’ zu werden“.
So erdrückend und pechschwarz diese Zeitperiode zwischen 1914-1918 und 1939-1945 auch gewesen sein mag, so glorreich und wunderbar erfüllte sich eine über 2500 Jahre alte Prophezeiung über das geliebte Volk Gottes, die Israeliten.
Michaelis’ Gründe für die Ablehnung der Pfingstbewegung
Wie schon gesagt, man kann die Berliner Erklärung so oder so sehen. Es kommt dabei immer nur darauf an, auf welcher Seite stehend man sie betrachtet. Somit ist es fast schon unmöglich ihr neutral zu begegnen. Die Berliner Erklärung ist eine Herausforderung, welche man nicht gewachsen ist, ohne nicht genau zu wissen, was die Heilige Schrift lehrt. „Jeder sei seiner Meinung gewiss!“ (Römer 14:5 SCHL2000) fordert Christen auf vollkommen überzeugt zu sein über das was man glaubt und völlige Gewissheit über die Richtigkeit der Lehre hat, da sie maßgebend das Handeln und die Werke des Christen steuern wird. Es muss
am noch gesagt werden, dass die Schrift auf einen Zustand hinweist, in dem sich wohl kein Christ wieder finden möchte. Einen Zustand, in dem man mit allem Nachdruck und mit aller Sicherheit verschiedene Doktrinen und systematische Theologien vertritt und dennoch total falsch liegen kann. Meistens sind das schon bereits Gläubige Christen, die den Weg der Wahrheit bereits kennen und dann durch Irrlehren verführt werden. „Davon [Vers 5: von Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben] sind einige
abgeirrt und haben sich unnützem Geschwätz zugewandt; sie wollen Lehrer des Gesetzes sein und verstehen doch nicht, was sie verkünden und als gewiss hinstellen“ (1Timotheus 1:6-7).
Unter Gesetz (hebr. torah) verstehen Juden nicht nur einzelne Gesetze, sondern vielmehr Gottes Weisung und Lehre (etwas wodurch man lernt). Man kann durchaus annehmen zu wissen was die Wahrheit ist (d.h. Gottes Weisung und Lehre zu kennen) und dennoch falsch liegen. Man kann anderen Menschen Doktrinen präsentieren, von denen man selbst überzeugt ist, dass sie anderen helfen Gott, Gottes Weisung und Lehre zu erkennen und dennoch das Gegenteil tun.
Friedrich von Bodelschwingh (1832-1910), Pionier der Diakonie, fand in Walter
Michaelis einen wertvollen Dozenten, den er unbedingt für seine Theologische Schule Bethel haben wollte. Ihm traute Bodelschwingh sogar zu, die Probleme in der Gemeinschaftsbewegung ‚ins rechte Geleis’ zu bringen. Bodelschwingh in einem Brief an Schlatter schreibt über Michaelis: „Er hat in Bielefeld durch seine schlichte Schriftauslegung ohne jeder Treiberei viele Anhänger bester Art und es könnte dadurch weiterem Unheil gewehrt werden…Michaelis segelt unter der Fahne einer durchaus korrekten, biblisch nüchternen Pflege der Gemeinschafts-sache, hat auch ein großes weites Herz in konfessioneller Beziehung.“
Folgendermaßen appellierte er in die Menge um seine zwei Dozenten zu bekommen: „Zwei fröhliche Wasserschöpfer muß ich haben; zwei fröhliche
Gesellen. Sie müssen nicht nur oben abschöpfen; sie müssen auch graben, aus der ganzen Schrift schöpfen…Sie müssen auch mit Pietät erfüllt sein gegen das Erbe der Väter, niedergelegt in den Bekenntnissen der Kirche… Die Augustana und der Katechismus sind mir nie eine Kette, sondern ein Stecken in der Hand gewesen. Sie müssen ein weit offenes Auge haben nicht nur für das Alte, sondern auch für alles Neue, was Gott tut … [Bodelschwingh wollte] erfahrene Geistliche, welche sich wissenschaftlich weitergebildet haben… Sie sollten katechetisch und dialogisch mit ihren Schülern handeln und außer den Lehrstunden fleißig mit
ihnen verkehren und ihnen nicht nur Lehrer, sondern auch Seelsorger und Seelenfreund sein“ (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S.264).
Somit wird ersichtlich, dass Michaelis genügend Schriftkenntnis besaß, um das
Vertrauen vieler zu gewinnen. Michaelis’ Kenntnisse über die Heilige Schrift ermöglichte ihm ebenfalls seine klare und kompromisslose Ablehnung der Pfingstbewegung.
Wenn wir die Gründe für Michaelis’ Ablehnung der Pfingstbewegung verstehen
wollen, müssen wir hierzu Jonathan Paul, einer der Hauptbefürworter der Pfingstbewegung in Deutschland, betrachten. Er war ein hingegebener Mann Gottes (nach Heiligkeit sich ausstreckend), welcher schon in der ‚Brieger Woche’ seine „perfektionistische Gedanken verkündigte und auf die Frage, wie er dazu gekommen sei, seinen ‚alten Adam’ loszuwerden, als wichtige Vorbedingung nannte: ‚…daß die verheirateten Brüder jeden ehelichen Verkehr mit ihren Frauen aufgeben und miteinander wie Engel leben müssten.’“ (Wolfgang Bühne, Das Spiel mit dem Feuer, 1993), S.30).
Jonathan Pauls unbiblische Ansicht über Heiligkeit und Ehe finden auch Eingang in die Berliner Erklärung unter Punkt 4: „Eine weitere traurige Folge falscher Heiligungslehre ist die mit ihr verbundene Herabsetzung des biblischen, gottgewollten ehelichen Lebens, indem man mancherorts den ehelichen Verkehr zwischen Mann und Frau als unvereinbar mit wahrer Heiligung hinstellt, vgl. 1Mose 1:28 und Epheser 5:31.“
Hier muss man berücksichtigen, dass die Heilige Schrift einige Aussagen über den endzeitlichen Glaubensabfall macht, in welchen deutlich sichtbar wird, welche Geister für welche Lehren verantwortlich sind. In wird deutlich, dass in späteren Zeiten Lehren verkündigt werden, die ihren Ursprung schon in einem Geist haben, aber nicht in dem Heiligen Geist. 1Timotheus 4:1-3 sagt: „Der [Heilige] Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen.“
Um Geister biblisch zu prüfen, reicht es nicht aus sie auf Grundlage von „…und jeder Geist, der nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, der ist nicht aus Gott“ (1Johannes 4:3) zu testen.
Die Früchte und Lehren geben ebenfalls oft viel deutlichere Hinweise über den
Ursprung einer vermittelten Lehre. Somit wird für Michaelis eines sichtbar: jeder
Verkündiger, der größere Heiligkeit auf Grundlage von Ehelosigkeit verkündet, wird in seiner Verkündigung nicht von dem Geist aus Gott geleitet, der niemals solch eine Lehre hervorbringen und unterstützen würde. Somit wird jedem auffallen, warum der Punkt 4 in der Berliner Erklärung so verfasst wurde und es werden hier Gründe sichtbar, die u.a. Walter Michaelis gedrängt haben, die Pfingstbewegung abzulehnen.
Jonathan Paul, der „zumindest zeitweise Vertreter einer perfektionistischen
Heiligungslehre“ galt, distanzierte sich „gleich nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1919… zumindest von Teilen der Heiligungstheologie.“ (Schmidgall, Hundert Jahre deutsche Pfingstbewegung, S.72).
In der Mühlheimer Erklärung von 1909 finden wir von Seiten der Pfingstbewegung folgender Äußerungen zu dem Punkt 4 in der Berliner Erklärung: „…irrtümlich ist auch die dem Pastor Paul unterschobene Ansicht
über das eheliche Leben, wie sich aus den betreffenden, in der Heiligung abgedruckten Ausführungen desselben sofort nachweisen läßt. Er hat nur darauf hingewiesen, daß man auch im Eheleben nicht dem Fleische leben, sondern unter der Leitung des Heiligen Geistes stehen müsse. Auch ist es uns nicht bekannt, daß irgendwo in unseren Kreisen die angeführte falsche Anschauung vorgetragen würde, könnten es auch nicht billigen, wenn es irgendwo geschähe.“ (Michael Bergunder, European Research Network on Global Pentecostalism)
Die Mühlheimer Erklärung zweifelt also an, dass Jonathan Paul so etwas je
gepredigt hätte. Es scheint also, dass die Erläuterung in der Mühlheimer Erklärung den Punkt 4 in der Berliner Erklärung als Unterstellung hinstellt. Dabei stellt sich die Frage, ob gewissenhafte und wahrheitsliebende Menschen wie Michaelis auf solche ‚hinterlistigen’ und ‚den Geist Gottes betrübende’ Mittel zurückgreifen würden, um die Berliner Erklärung glaubwürdiger dastehen zu lassen. Betrachten wir aber noch weitere Gründe für die Ablehnung von Seiten Michaelis.
Der auf Seite 15 geschilderte Bericht über die Erfahrung mit einem geheilten Mädchen bestimmte Michaelis ebenfalls sehr stark, die Pfingstbewegung abzulehnen. Wenn mit der Bekehrung auch zugleich dämonische ‚Elemente’ in das Mädchen einzogen, so war das für Michaelis ein weiterer Hinweis, dass höchste Achtung geboten sein musste, denn Paulus warnt die Gläubigen von solch einem Ereignis: „Ich fürchte aber, es könnte womöglich, so wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List, auch eure Gesinnung verdorben [und
abgewandt] werden von der Einfalt gegenüber Christus. Denn wenn der, welcher [zu euch] kommt, einen anderen Jesus verkündigt, den wir nicht verkündigt haben, oder wenn ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so habt ihr das gut ertragen.“ (2Korinther 11:3-4).
Die Frage erhob sich sicherlich also für Michaelis, ob der Heilige Geist in der
Pfingstbewegung identisch ist mit dem Heiligen Geist, den die Heilige Schrift verkündet.
Denn wenn bei der Verkündigung eines Jesus mit der (angeblichen) Errettung jenes Mädchens ein unreiner Geist empfangen wurde, so musste die warnende Passage im zweiten Korintherbrief sicherlich im Hinterkopf von Michaelis gewesen sein.
Ein weiterer Grund für Michaelis’ Ablehnung der Pfingstbewegung „war die Prüfung von Grundsätzen und Wirkungen einer jeden geistlichen Bewegung auf ihre inhaltliche Übereinstimmung mit dem Schriftzeugnis, ohne sich von übernatürlichen Zeichen und erfolgten Bekehrungen beeindrucken zu lassen. Außerdem bemühte Michaelis sich um eine angemessene Wahrnehmung der Gesamtpersönlichkeit der führenden Männer einer Bewegung. Die Gabe der Unterscheidung der Geister sah er als unverzichtbare Hilfe zur Beurteilung von Persönlichkeiten und Bewegungen an. Michaelis hat sich dieses Charisma
nie explizit zugeschrieben, aber eine gewisse Unnahbarkeit in seinem Prozess der Meinungsbildung und die Selbstsicherheit, mit der er an gewonnenen Erkenntnissen festhielt, schließlich seine führende Rolle bei der Beurteilung von Geisterbewegungen legen den Schluss nahe, dass er sich auf diesem Gebiet für nicht ganz unbegabt gehalten hat. Dazu gehörte aber auch, dass er sein eigenes Urteil von Gewährsleuten seines Vertrauens in Frage stellen oder bestätigen ließ.“
Eine der Hauptgründe, die ihn veranlasste sich gegen die Pfingstbewegung zu stellen, war die Trennung des Verständnisses über den Heiligen Geist, durch das Christen in zwei Lager gespalten wurden. Im Lager eins befänden sich Christen ohne die Kraft Gottes, während sich im Lager zwei Christen befänden mit der Kraft Gottes. Und die Lehre, die beide Lager voneinander trennt, ist die Lehre von dem Empfangen des Heiligen Geistes. „Die Einteilung der Gläubigen in verschiedene Klassen widersprach so fundamental dem neutestamentlichen Zeugnis und dem biblischen Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung
[…] Auch einer Unterscheidung von Wiedergeburt und vollem Geistbesitz musste Michaelis aus christologischen Motiven entgegentreten. Gläubigwerden an Christus und Geistempfang fallen zusammen, weil ‚Christus und der Heilige Geist zusammengehören’. Wer beide trennt und den Geistempfang einer höheren Stufe zuordnet, schmälert wiederum das Werk Christi.
Deshalb sah Michaelis die Pfingstbewegung auch als Frucht eines Irrgeistes [und sah in ihr] eine antichristliche Irrlehre… Gegen die Pfingstbewegung sprach auch, dass sie […] vorwiegend Spaltung hervorrief. Skeptisch stimmte Michaelis auch die führende Rolle vieler Frauen in der Pfingstbewegung.“ (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S.217-219).
Michaelis setzte sich auch später dafür ein, dass es keine Annäherung der
Pfingstbewegung mit den Evangelikalen gab. Da die erneuerte Pfingstbewegung, auch wenn sie im großen und ganzen allmählich die Lehre vom reinen Herzen korrigiert, alles Stürmische und Anstößige unterdrückt und beseitigt hat, nicht von der Lehre der Geistestaufe loslassen will, sieht Michaelis sich gezwungen, ihr die selbe Ablehnung zu geben wie der anfänglichen Pfingstbewegung. „Man halte an der Wurzel fest und das sei nicht möglich [und] ‚wenn denn aber die Vorbedingungen, die Grundlage, das ‚reine Herz’ ein Irrtum war, was war dann der Aufbau auf dieser Grundlage, die Geistestaufe?’“. (Diener, Kurshalten in stürmischer Zeit, S.221).
KAPITEL 4
ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG
Wie schon in der Einleitung genannt, ist es heute schwierig Urteile zu treffen, ohne sich durch Vorurteile beeinflussen zu lassen. In meinem eigenen Leben als Christ habe ich viele Entscheidungen getroffen und Lehren in meiner Predigt verkündigt, für die ich heute kein biblisches Fundament mehr sehe. Das intensive Studium der Heiligen Schrift die kontextbezogene Bibelauslegung haben mir in vielen Bereichen neue Ansichten geschenkt. Und es hat sich später herausgestellt, dass es eine ganze Menge Christen gab in der Kirchengeschichte, welche meine Meinungen und Überzeugungen ebenfalls teilten. Durch diese Ansichten stelle ich selbst nun einige Überzeugungen, Ansichten und Lehren aus der evangelischen Kirche und der charismatischen Bewegung in Frage. Interessant ist für mich, dass ich selbst durch eifriges Bibelstudium, dass von ständigem Gebet begleitet wurde, zu einem eigenen Standpunkt gefunden habe. Niemand überzeugte mich und überredete mich durch ausgeklügelte Argumentationen. Und trotz aller Offenbarungen in dem Wort habe ich ‚ein weit offenes Auge haben nicht nur für das Alte, sondern auch für alles Neue, was Gott
tut’ (Zitat von Bodelschwingh). Es ist für mich eine Freude mich mit anderen Gläubigen in theologischen Fragen auseinanderzusetzen, da ich, dass muss ich bezeugen, gerade über so manche Kontroverse zu biblischen Ansichten gelangt bin.
Michaelis ist für mich ein Mensch, bei dem deutlich wird, wie wichtig für einen
Christen das intensive Bibelstudium und anhaltende Gebet ist. Viel zu wenig Gläubige erleben heute noch das, was man als durchbeten bezeichnet. Viele Christen treffen ihre Entscheidungen eher auf der Basis nach dem Augenschein. Andere treffen Entscheidungen auf der Basis von voreiligen Entschlüssen, welche oft durch mangelnde Wortbetrachtung verursacht werden. Beten und suchen, bis man von Gott geschenkt bekommt, ist ein Geheimnis und gleichzeitig etwas Verachtetes in dem heutigen ‚modernen’ Christentum.
„Und das Verachtete hat Gott erwählt […] damit er zunichte mache, was etwas ist, damit sichvor ihm kein Fleisch rühme.“ (1Korinther 1:28-29). Manchmal frage ich mich, ob Gott mit dem Begriff „Verachtete“ neben Menschen in dieser Passage auch Methoden meint wie z.B. anhaltendes Gebet und intensive, innige und geistgeleitete Wortkenntnis, durch die es jemanden frei geschenkt werden kann Gottes Wirken in anderen Menschen zu ermöglichen und eine Gemeinde in eine Erweckung zu bringen. Jemand sagte einmal: „Der einzige Grund, warum wir keine Erweckung haben, ist weil wir zufrieden sind, ohne sie auszukommen!“.
Das Flehen zu Gott und das eifrige Halten seines Wortes ist, nach meiner Beobachtung in der Gemeinde Jesu Christi, mehr und mehr zur Nebensache geworden.
Wer Walter Michaelis studiert, kann viel erfahren über die Entstehung der
Pfingstbewegung in Deutschland und wird tiefe Einblicke in das Herz eines Mannes bekommen, dem es auf dem Herzen lag an dem Wort des Allmächtigen festzuhalten. Denn wozu sonst sollte er es gegeben haben, wenn nicht um daran festzuhalten und durch das Wort die notwenigen Informationen zu erhalten um gottgefällige Wegweisung zu bekommen. Bei Michaelis wird deutlich, dass er eine andere systematische Theologie zu Grunde hatte wie Jonathan Paul. Ich halte es für angebracht, an dieser Stelle etwas aus Jonathan Pauls letzten
Tagen vor seinem Tod zu zitieren: „Sein Schwiegersohn Heinrich Vietheer berichtet: […]
„Ehe Pastor Paul heimging, rief er uns und alle die Missionsgeschwister, die gerade in meinem Missionshause anwesend waren, zusammen und sagte uns: ‚Ich war am Bahnhof der Ewigkeit, und die Tür war mir verschlossen, und es wurde mir gesagt: Du hast von dem Gift der alten Schlange getrunken.’ Damit wird der große Irrtum Pastor Pauls in seinem Leben und seiner Lehre nochmals bezeugt.“ (Richard Ising, Kräftige Irrtümer, Horst Koch – Aufklärung im Licht der Bibel, http://www.horst-koch.de/joomla_new/content/view/73/77/; Internet; 1.April 2006).
Jonathan Paul und Walter Michaelis lasen aus derselben Bibel, wandten aber
unterschiedliche Auslegungsprinzipien an, was zur unterschiedlichen Bewertung der Pfingstbewegung führte. Nun ist die Frage, ob die Bibel in den eigenen Augen oder in den Augen Gottes korrekt verstanden und ausgelegt wird. John Wesley erkannte die gefährliche Neigung zu verführen aufgrund falscher Bibelauslegung: „Die Bibel kann so verdreht werden, dass sie nur zum Zwecke des eigenen Interesses dient. Jede Passage wird sehr leicht in ihrem Sinn pervertiert, zitiert man diese nur einzeln, ohne die vorangehenden oder nachfolgenden Verse. Dadurch scheint es, eine Passage habe nur eine Bedeutung. Wenn die Bedeutung aber klar wird, durch das Betrachten der vorangehenden und nachfolgenden Verse, kann es wirklich das direkte Gegenteil bedeuten.“
In einem Brief an Samuel Furly schrieb Wesley über korrekte Bibelauslegung: „Die allgemeine Regel für die Interpretation der Schrift ist diese: man nimmt die wörtliche Bedeutung eines Textes, wenn er nicht widersprüchlich zu anderen Texten ist; aber in diesem Fall wird der unklare Text interpretiert durch solchen, der verständlicher spricht.“
Doch welche Bibelauslegung oder systematische Theologie ist nun die, welche wir verfolgen sollten? Ich möchte bei dieser Frage an dieser Stelle Charles H. Spurgeon (1834-1892), einen englischen Baptistenpastor und einer der bekanntesten, erfolgreichsten und geschätztesten Prediger des 19.Jahrhunderts, über das Wirken des Heiligen Geistes sprechen lassen: „Der Heilige Geist kommt nie um uns zu verherrlichen, oder eine Denomination zu verherrlichen, oder, so denke ich, zur Verherrlichung systematischer Aufstellungen von Doktrinen! Er kommt um CHRISTUS zu verherrlichen!“.
Somit ist die Heilige Schrift ‚in sich selbst’ der beste Ausleger und somit auch ein Prüfstein für aufkommende systematische Theologien. Aus diesem Grund können wir in der Kirchengeschichte gewaltiges Wirken des Heiligen Geistes in der evangelikalen Kirche und in der charismatischen Bewegung sehen. In beiden wird mal mehr und manchmal auch weniger das Wort Gottes gepredigt, mit dem Inhalt der Verkündigung von Jesus Christus zur Errettung von kostbaren Seelen. An dieser Stelle halte ich es für angebracht noch einmal zu Michaelis’ Schlussfolgerung zurückkehren: ‚Was die Bekehrungen betrifft, so ist es überhaupt ein Geheimnis, wann, wie und wodurch Menschen sich bekehren.
Aber schwarmgeistige Bewegungen haben ja auch Gottes Wort, es wird in ihnen verkündigt. Und das einzig in Wahrheit Bekehrende ist ja Gottes Wort. Es wirkt durch sich selbst. Und in jeder solcher Bewegung sind einfältige Menschen, die um die Wirkung des Wortes beten. Das erhört der Herr.’ Somit wird deutlich, dass der Heilige Geist das bekehrende Wort benutzt und bekräftigt, solange es auch die wahre Verkündigung des Kreuzes ist, um Sünder zum bedingungslosen Glauben zu führen und um die Notwendigkeit einer rückhaltslosen unaufhörlichen Auslieferung an den Herrn Jesus Christus zu betonen. Somit war und ist Walter Michaelis in meinen Augen ein wahrhaftiger Mann Gottes, der nach seinem besten Gewissen handelte, beständig die Führung und Leitung des Herrn suchte und der buchstäblich folgendes Wort erfüllte: „Ich bewahre dein Wort in meinem Herzen, damit ich nicht gegen dich sündige!“ (Psalm 119:11).
Was die Beurteilung der Pfingstbewegung angeht, so muss jeder für sich
unvoreingenommen die Pfingstbewegung in Deutschland ohne Vorurteile zu studieren und sich parallel die Zeugnisse der Heiligen Schrift zu Rate zu ziehen. Ein ernstes, eifriges und vor allem von Gebet begleitetes Bibelstudium ist selten bei Gläubigen vorzufinden. Durch die Fülle von veröffentlichten Büchern, die Vorurteile nur umso mehr fördern, werden viele Christen um ihr persönliches Bibelstudium gebracht und die eigene persönliche Auseinandersetzung mit einem kontroversen Thema bleibt aus. So ist man nur eine ‚wenig wertvolle Kopie’ und ‚Produkt von Menschen’, anstatt Produkt des mächtigen Wirkens des Heiligen Geistes zu sein, der nur allzu sehr die Kinder Gottes in die Fülle der Wahrheit einführen möchte. Dadurch sind sie in der Lage sich gegen Verführungen und Lügen behaupten zu können. Denn die cleveren Methoden und Anschläge Satans übersteigen bei weitem die Fähigkeit des Menschen wahr von falsch und echt von gefälscht zu trennen und somit sind wir auf eine außerhalb des Menschen liegende Hilfe angewiesen, die bei weitem unsere Fähigkeit zu denken und schlusszufolgern übersteigt: das Wort Gottes!
Und weil dieses Wort in der Lage ist Satan zu entlarven und zu verdammen, erlebten wir hier in Deutschland im 20.Jahrhundert gewaltige Attacken gegen die Aussagekraft des Wortes Gottes von vielen Theologen. Rudolf Bultmann (Entmythologisierung des Neuen Testamentes) zum Beispiel, war der festen Überzeugung, dass der Jesus der Geschichte nicht derselbe sei wie der Christus, an den man glaubt. Wunder waren seiner Ansicht nach nur Mythen, weil sie nicht wissenschaftlich geprüft werden können. Somit hinterlässt er den Eindruck, dass man selbst bestimmen kann, was wir für wahr und was wir für unwahr in der Bibel halten. Und dass wir entscheiden, was gut und was böse ist, darf einfach nicht sein.
„So spricht der HERR: Tretet hin an die Wege und schaut und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, welches der gute Weg ist, und wandelt darauf, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“ (Jeremia 6:16
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