Jakob Hitz
Entspricht der Taizé – Glaube dem biblischen Evangelium?
Als sich 1940 der gebürtige Schweizer Roger Schutz, Sohn eines evangelisch-reformierten Pastors, im französischen Örtchen Taizé-les-Cluny niederließ, kannte kaum jemand diesen Flecken im romantischen Burgund. 1949 gründete der reformierte Theologe mit einigen anderen Brüdern in Taizé die erste protestantische Mönchsgemeinschaft seit der Reformation. Seitdem geht der Name Taizé um die ganze Welt, und Roger Schutz wurde zu einem berühmten Mann.
Taizé, das ist nicht nur die Mönchsgemeinschaft in dem burgundischen Dorf, zu der seit 1950 Hunderttausende zumeist junge Leute aus allen Teilen dieser Erde pilgerten, um dort die theologische Ausrichtung und das Leben und Wirken des Ordens kennenzulernen. Mit dem Namen Taizé verbinden sich auch jährliche Jugendtreffen. Das Europäische Jugendtreffen 1996 fand zum Jahreswechsel in Stuttgart statt und lockte etwa 70 000 Jugendliche an. Viele Christen fragen sich allerdings, ob die Ziele von Taizé mit dem biblischen Evangelium übereinstimmen. Auf den ersten Blick scheint dies der Fall zu sein.
Während des Zweiten Weltkriegs versteckte Roger Schutz in seinem Haus politische Flüchtlinge und Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Später, als sich seine Gemeinschaft bereits um einige Glaubensbrüder erweitert hatte, nahm er auch über 20 Waisenkinder und Hinterbliebene des Judenmordes auf. Von Anfang an herrschte in Taizé eine Atmosphäre von Opfer- und Hilfsbereitschaft, Güte und Freundlichkeit, die bestimmt war von einem zentralen Anliegen, das Prior Roger Schutz bis heute eisern verfolgt: die Suche nach Versöhnung innerhalb der Christenheit und der gesamten Menschheitsfamilie. Mit dieser Zielvorstellung wurde der Prior der Taizé-Gemeinschaft schnell zum Fackelträger und Vater der ökumenischen Idee – und ist es bis heute geblieben.
Bei der klerikalen Prominenz – von Papst Johannes Paul II über den Patriarchen Alexij von Moskau bis hin zum englischen Erzbischof George Carey von Canterbury – ist der protestantische Glaubensbruder aus Taizé immer wieder ein gern gesehener Gast. In der Öffentlichkeit genießen Schutz und seine Taizé-Brüder ein hohes Ansehen, treffen sie doch mit ihrem Versöhnungsgedanken das Empfinden vieler, vor allem junger Menschen. Das, was auf den ersten Blick als verwirklichte christliche Nächstenliebe erscheint und auch permanent mit biblischen Aussagen begründet wird, ist bei theologischer Prüfung jedoch weniger bis gar nicht im biblischen Urgrund verankert.
Nach Auffassung des Taizé-Gründungsvaters sollen Gott und Christus schon von Natur aus im Menschen sein. Der Mensch sei eigentlich gut und bedürfe der Erlösung durch Christus nicht. In dem regelmäßig erscheinenden „Brief aus Taizé“ (Sonderausgabe 1996), der in 58 Sprachen übersetzt wird, formuliert Schutz das aktuell so: „Wir alle sind Menschen, die bewohnt sind, bewohnt von der Gegenwart, mit der Christus unser Leben durchdringt.“ Auch den Jugendlichen in Stuttgart wurde von Roger Schutz mehrfach verkündet, daß der Heilige Geist, der Geist Gottes, in jedem Menschen wohne. Deshalb ist auch nicht verwunderlich, daß in Taizé die Anschauung vertreten wird, daß sich Christus in allen Religionen manifestiere.
Für Schutz befindet sich Christus „in der weiten Tiefenschicht der menschlichen Person, im Unterbewußtsein und bete, daß er tief in uns selbst entdeckt werden könne und daß sich in solcher Tiefe das Fest des auferstandenen Christus ereigne.“ Wer zu diesem Christus durchdringen will, muß einen Weg der Selbsterlösung gehen durch Kontemplation, Askese, Armwerden usw. Besonders die Kontemplation, ein mystisches Meditieren, nimmt in der Taizé-Religiosität einen breiten Raum ein und ist die eigentliche Pforte auf dem Weg zum „Taizé-Christus“. Roger Schutz schreibt: „Um nicht in der Trockenheit des Schweigens stehenzubleiben, sollten wir sehen, daß das Schweigen Wege zu unbekannten schöpferischen Möglichkeiten eröffnet. In der weiten Tiefenschicht der menschlichen Person, im Unterbewußtsein, betet Christus weit mehr, als wir es uns vorstellen können. Verglichen mit der Unermeßlichkeit dieses verborgenen Betens Christi in uns, ist unser artikuliertes Gebet nur ein kleiner Teil. Das Wesentliche des Gebets vollzieht sich vor allem in einem großen Schweigen … Wenn wir Christus mit kindlichem Vertrauen in uns beten lassen, werden eines Tages die Abgründe bewohnbar sein. Eines Tages, später einmal, werden wir feststellen, daß sich in uns eine Revolution vollzogen hat.“
Die Bibel kennt diesen Weg der Kontemplation nicht. Nirgendwo in der Bibel ist von einer Selbstversenkung die Rede, durch die man in eigener Kraft Christus finden könnte. Auch von einer sich selbst vollziehenden Revolution im Inneren des Menschen wird im Wort Gottes nicht gesprochen. Ebenso ist der Bibel eine passive Haltung beim Beten fremd. Die in Taizé vorgestellten Glaubenspraktiken haben ihr Zuhause in der Esoterik und in fernöstlichen Religionen. Deren Herzstück ist das Aufspüren einer Jenseitsdimension im Unterbewußtsein des Menschen, die durch Passivität und Versenkungstechniken anvisiert wird. Wer sie erreicht, berichtet von paradiesischen Zuständen, von Explosionen von Liebesgefühlen. Für Menschen, die danach über den Weg von biblischen Erkenntnissen zu Gott fanden, offenbarte diese beglückende Jenseitsdimension ihre Kehrseite: eine raffinierte diabolische Verstrickung.
In den Schriften von Roger Schutz ist viel von der Liebe zu Gott, zu Christus und zu den Menschen die Rede, doch die Grundtatsachen der biblischen Heilslehre fehlen: der Mensch als Sünder; die Trennung von Gott wegen seiner Sünden; Gottes einziger Rettungsweg durch Jesu Sterben und Auferstehung; die Vergebung der Sünden und die Versöhnung mit Gott durch die persönliche Annahme dieser Heilstat – bei Schutz Fehlanzeige! Wer diesen einzigartigen Heilsweg verkündigt, kann dann schnell auch eine ganz andere Seite der ansonsten friedsamen Taizé-Anhänger kennenlernen. Als auf dem Taizé-Jugendtreffen 1994 in München, zu dem 80 000 Jugendliche aus ganz Europa angereist waren, Schriftenmissionare evangelistische Schriften sowie 40 000 Gutscheine für das Wilhelm Busch-Buch „Jesus unser Schicksal“ verteilen wollten, sorgten Taizé-Ordner dafür, daß die Missionare mit Polizeigewalt entfernt wurden. Ein Schriftenmissionar: „Einen derartigen, organisierten Widerstand haben wir bei Straßeneinsätzen noch nicht erlebt!“
Viele Jugendliche, die Taizé besuchen, erleben eine Spiritualität, die sie schnell ansteckt und begeistert. Sie geraten in eine Art religiösen Rausch, der einerseits durch mystische Erlebnisse in der Selbstversenkung, andrerseits auch durch ekstatische Elemente gefördert wird. Neben der Stille haben auch Musik und Tanz im religiösen Leben von Taizé einen festen Platz. Immer wieder kommt es vor, daß zu Texten wie „Christus ist auferstanden“ am Lagerfeuer bis zur Erschöpfung gesungen und getanzt wird. Nach dem seelischen High in der Kommunität erlebt so mancher jugendliche Taizé-Pilger in der Wirklichkeit des heimischen Alltags allerdings einen jähen psychischen Absturz, wie Betreuer von lokalen Taizé-Gruppen zu berichten wissen.
Die Bruderschaft Taizé versteht sich heute als ökumenische Gemeinschaft mit einem starken sozialpolitischen Engagement, wobei man mittlerweile nicht mehr eindeutig sagen kann, ob Taizé nun katholisch oder protestantisch ist. Roger Schutz jedenfalls verbirgt in seinen Schriften seine Sympathien zur katholischen Kirche nicht. Regelmäßig besuchte er die Päpste und beriet sie. So soll er beispielsweise den Vatikan vor der Gefahr der protestantischen Mission in Lateinamerika gewarnt haben, worauf der Heilige Stuhl ein ganzes Heer von Priestern und Missionaren dorthin entsandte.
1985 überreichte Schutz dem damaligen UN-Generalsekretär Perez de Cuellar eine Aufforderung zur Schaffung einer Weltautorität und offenbarte damit Sympathien für eine Vorstellung, die nach der Bibel in einem antichristlichen Umfeld angesiedelt ist und zur Zeit ihrer Verwirklichung entgegenstrebt. Die in Taizé zelebrierte Frömmigkeit ist eine christliche Variante von esoterischem Glaubensgut und New Age-Vorstellungen, eine Mischung aus mildem Mystizismus und friedlichen Weltveränderungsideen. Wer glaubt, der Mensch sei in Wirklichkeit gut und könne Christus durch eigene Anstrengungen in sich selbst aufspüren, um dadurch positive Energien zur Veränderung der Welt zu erlangen, befindet sich auf einem gefährlichen Irrweg.
Der Erlösungsweg, den die Bibel vorstellt, sieht völlig anders aus: „Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Jesus Christus ist“ (Römer 3, Verse 23-24). Wer sich als Sünder erkennt, Buße tut und zur Rettungstat Jesu Christi voll und ganz ja sagt, dringt zu Jesus Christus durch. Einen anderen Weg gibt es nicht! Über einen solchen Menschen sagt Jesus Christus selbst: „Ich sage euch, also wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut …“ (Lukas 15 Vers 7).
Aus dem Buch von Jakob Hitz: „Entspricht Taizé dem Evangelium?“ (Schwengeler-Verlag, 1978
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