Lobpreis bis zum Umfallen? (D.Lucarini)

Dan Lucarini

BEKENNTNISSE EINES EHEMALIGEN LOBPREISLEITERS

 

Vorwort

Das Thema Musik war im Leben der christlichen Gemeinde oft ein »heißes Eisen« und wurde vielleicht nie kontroverser diskutiert als in den vergangenen fünfzig Jahren.

Dan Lucarini lässt den Leser aufrichtig Anteil nehmen an seiner geistlichen und musikalischen Entwicklung und schafft damit die Voraussetzung, um moderne christliche Musik zu beurteilen und als ein bedeutendes Problem in den Gemeinden von heute darzustellen. Unbestreitbar hat er auf diesem Gebiet Kompetenz und eine wichti­ge Botschaft.

Dieses Buch wird zweifellos viel Widerspruch und Wut ernten, doch Lucarinis kompromissloser Stil ist verbunden mit einer barmherzigen Gesinnung und einem Anliegen für nichts an­deres als nur die Ehre Gottes.

Johannes Calvin schrieb einmal: »Wir wissen aus Erfahrung, dass Musik ein Geheimnis ist und eine nahezu unglaubliche Kraft hat, mit der sie Herzen bewegt.« Der Reformator hatte Recht ‑ und deshalb sollten wir Musik in der Gemeinde mit ernstem Bedacht und mit auf Gott ausgerichteter Sorgfalt einsetzen.  John Blanchard

 

1. Schmetterlinge im Sturm

Gott hat meiner Frau Judy im Gegensatz zu mir zwei wunderba­re Gaben gegeben: eine sehr feinfühlige geistliche Wahrnehmung und die Fähigkeit, Situationen und ihre wirkliche Bedeutung sehr schnell einzuschätzen. In den 21 Jahren unserer Ehe war ich ständig erstaunt und dankbar, wie gut sie die nachhaltig negativen Auswir­kungen von neuen Trends und Moden in der Christenheit erkennen kann, die auf den ersten Blick rein positiv erscheinen. Andererseits hat sie aufgrund ihres gottgegebenen Scharfsinns ein besonderes Gespür für die verletzten und leidenden Seelen in der Gemeinde.

Vor ein paar Jahren verbrachten Judy und ich unseren Urlaub in Muskegon am Michigansee. Dort erlebten wir, wie ein heftiges Som­mergewitter über dem See niederging, das einherging mit Sturmbö­en, prasselndem Regen und tosendem Wellengang. Als das Gewitter vorüber war, gingen wir am Strand entlang. Plötzlich bemerkte Judy vor ihren Füßen einen Monarchfalter im Sand. Wir schauten umher und sahen buchstäblich Hunderte dieser farbenprächtigen Schmet­terlinge auf dem Strand.

Auf dem ersten Blick sahen sie aus wie tot. Judy bückte sich und stupste einen an. Zu unserer Überraschung bewegte sich der Schmetterling und versuchte davonzufliegen. Doch seine Flügel waren nass und der Sand haftete daran, sodass er aus eigener Kraft nicht fliegen konnte. Der Sturm hatte den Schmetterling auf den Sandstrand geworfen und seine Flügel verletzt.

Dieser arme Schmetterling tat uns furchtbar leid. Er konnte nicht überleben, es sei denn, jemand rettete ihn. Judy nahm ihn vorsichtig in ihre Hand, entfernte behutsam den Sand von seinen Flügeln und hielt ihn ins Sonnenlicht, damit er trocknete. Nach ein paar Minu­ten begann der Falter seine Flügel zu bewegen ‑ zuerst langsam und dann immer schneller. Als Judy mir den allmählich sich erholen­den Schmetterling zeigte, schöpften wir ein wenig Hoffnung, dass er überleben werde. Aber der Falter würde nur überleben, wenn er wieder fliegen könnte.
Über den See blies eine sanfte Briese, wie oft nach heftigen Ge­wittern. Judy warf den Schmetterling hoch in die Brise und wir beobachteten, wie er flatterte und zu fliegen versuchte. Er torkelte und pendelte, dass ich dachte, er würde jeden Moment abstürzen. Doch plötzlich erstarkten seine Flügel und er flog zum nächstgelegene Strauch. Die Rettungsaktion war erfolgreich! Dann machten wir uns hektisch daran, auf dem ganzen Strand so viele Schmetterlinge wie möglich zu retten: Judy hob sie auf und befreite sie vom Sand und ich half, sie wieder zum Fliegen zu bringen. Doch die meisten starben zu schnell und wir konnten nur ein paar Dutzend retten.

Die moderne christliche Musikbewegung (CCM)
Kurz darauf erklärte uns ein Ortsansässiger vom Michigansee, wie es zu diesem seltsamen Phänomen gekommen war. Er meinte, des Sturm habe die Schmetterlinge von der anderen Seite des Sees her­übergetrieben und sie schließlich auf den Sandstrand geworfen. Die Falter waren von der Kraft des Windes überwältigt worden, ohne dass sie aus eigener Kraft den Böen etwas entgegensetzen konnten oder darauf vorbereitet gewesen wären.

Judy verglich die CCM-Bewegung (»Contemporary Christian Music«) einmal mit diesem heftigen Sturm. In den 1990er Jahren drang diese Bewegung mit gewaltiger Kraft in unsere Gemeinden ein. Wer immer von der Kraft dieser Be­wegung erfasst wurde, dem erging es wie diesen Schmetterlingen: Er wurde von den Verfechtern der CCM überwältigt, erlitt während der darauffolgenden turbulenten Abenteuerreise Verletzungen und wurde schließlich auf den Boden geworfen, um geistlich umzukom­men. Manche von ihnen werden vielleicht nie wieder fliegen können, weil ihnen durch die Gewalt des Sturms ein zu großer geistlicher Schaden zugefügt wurde.

Ich bin ein ehemaliger Lobpreisleiter. Ich war nie berühmt oder besonders erfolgreich, sondern nur ein einfacher »Fußsoldat«, der mehrere Jahre lang dieser Bewegung angehörte. Meine besondere Aufgabe und Vision war es, Gemeinden zu helfen, den schwierigen Übergang vom herkömmlichen Gottesdienst zum modernen CCM und Praise&Worship-Liedgut zu bewältigen. Während dieser Jahre habe ich mich begeistert dafür eingesetzt, dass in evangelikalen Gemeinden moderne christliche Musik eingesetzt wird. Ich dachte, das sei das Richtige, was ich für Gott und die Gemeinde tun könne.

Vor zwei Jahren habe ich die CCM-Bewegung verlassen, nach­dem Gott mir die Augen dafür geöffnet hat, welche Verführungen und Gefahren mit ihr verbunden sind. Ich gebe meine Geschichte weiter, weil ich die Schmetterlinge retten möchte, die vom Sturm der CCM erfasst worden sind. Außerdem möchte ich Gemeinden, die nach wie vor herkömmliche Musik einsetzen, davor warnen, was ihnen bevorsteht, wenn sie zu moderner Musik wech­seln. Den Christen, die gegen eine solche Veränderung sind, möchte ich auf Grundlage biblischer Prinzipien Ermutigung und Hilfestel­lungen bieten.

Persönliche Erfahrung mit CCM
Was können Sie von diesem Bericht erwarten? Es soll keine voll­ständige theologische Abhandlung über Musik in Bibel und Ge­meinde sein. Aber ich werde mich immer wieder auf Gottes Wort berufen als höchste Autorität in Sachen Gottesdienst und Lebens­praxis. Wer die Bibel nicht als diese höchste Autorität ansieht, wird meine Argumente daher wenig überzeugend finden.

In erster Linie werden wir uns mit der These befassen, dass moderne Musikstile im Gottesdienst bestenfalls eine fragwürdige Praxis sind und schlimmstenfalls zu Spaltung, Ausschweifung und Unmoral führen. Jegliche Kritik auf diesen Seiten richtet sich direkt an die Verantwortlichen für die Einführung und Verbreitung von CCM und nicht an den durchschnittlichen Gläubigen.

Einige häufig verwendete Schlüsselbegriffe müssen vorab erklärt werden:

CCM: Contemporary Christian Music, »zeitgemäße christliche Musik« oder verdeutscht »coole christliche Musik«. Dazu gehö­ren insbesondere Musikstile wie Softrock, Pop/Rock, klassische Rockmusik aber auch von Synkopen geprägte Stile wie Jazz, Rap, Blues, Hip Hop, Punk, Ska usw.

P&W Praise and Worship, die »Anbetungsmusik« der CCM-Bewegung. Auch diese Musik ist stark von Rockeinflüssen geprägt. Einige der bekanntesten Quellen für P&W sind die Musikverlage Integrity Hosanna, Vineyard und Maranatha Music.

CCM’ler oder Zeitgemäße: Christen, die bei Gemeindeveranstal­tungen bevorzugt CCM einsetzen. Diese Bezeichnung ist keines­wegs herabwürdigend gemeint, sondern soll lediglich Christen dieser Auffassung von den anderen unterscheiden.

• Konservative: Christen, die herkömmliche, konservative Musik bevorzugen. Mit »konservativ« meine ich, dass diese Musik allgemein als unumstritten und unbedenklich gilt. Diese Definition umfasst die althergebrachten geistlichen Lieder und Choräle so­wie neuere Lieder, die nicht von Rock beeinflusst sind und keine aufreizenden Mittel einsetzen. In einigen modernen christlichen Kreisen ist der Begriff »konservativ« zu einer herabwürdigenden Bezeichnung geworden, doch in diesem Buch versuchen wir, die­ses Attribut im positiven Sinne zu verwenden.

CCM ist eine starke Macht
Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Bericht einen sehr star­ken Machtfaktor in der Christenheit herausfordere. CCM ist heute in der Christenheit fest etabliert und die vielleicht beliebteste Mu­sikrichtung der meisten evangelikalen Gemeinden. Ich glaube, dass der Einsatz von CCM im Gottesdienst ein von Menschen gemachtes Phänomen ist und als solches dargestellt werden sollte, denn CCM im Gottesdienst hat keine bi­blische Grundlage und ignoriert Gottes Anweisungen für eine ihm wohlgefällige Anbetung. CCM im Gottesdienst vermittelt falsche Vorstellungen und fördert einen fleischlichen Lebensstil. Beides schadet der Einheit und der Wirksamkeit von Christen. Ich glau­be außerdem, dass das eigentliche Motiv für den Einsatz von CCM nicht die Evangelisierung von Kirchendistanzierten war ‑ wie man uns oft weis machen will ‑, sondern im Wunsch wurzelt, den eigenen Musikgeschmack zu befriedigen. Schlussendlich kommt man sogar zu dem Punkt, wo in der eigenen Definition von Gottesdienst und Anbetung kaum noch etwas von der biblischen Definition wiederzu­erkennen ist. Deshalb kann ich nicht länger schweigen.

An dieser Stelle hat der Leser womöglich schon gefolgert, ich sei einer von denen, die an CCM einfach alles schlecht finden. Das stimmt nicht! Dieser Bericht dokumentiert meine persönliche Erfahrung mit den geistlichen Gefahren und unbiblischen Philosophien der heutigen P&W-Welle. Ich weiß, dass zu dieser Bewegung viele aufrichtige Christen gehören, die überzeugt sind, dass sie Gottes Willen tun und deren Anliegen die Ehre Gottes ist. Ich glaube auch, dass es im breiten Spektrum der CCM auch tatsächlich gute Musik gibt, Lieder mit biblisch und lehrmäßig wertvollen Texten und schöne Melodien, die gut eingesetzt werden könnten, wenn man sie von ihrem verrockten Rhythmus und ihrem weltlichen Darbietungsstil befreien würde.

Wenn Sie zur P&W-Bewegung gehören, verurteile ich Sie nicht! Jesu Gebote aus Matthäus 7,1‑5 und Lukas 6,42, dass wir nicht rich­ten sollen, sind mir sehr wichtig. Es handelt sich hier um eine Auseinandersetzung innerhalb ei­ner Familie ‑ um eine Meinungsverschiedenheit zwischen Brüdern und Schwestern in Christus. Ich mache mir um meine Geschwister solche Sorgen, dass ich sie warnen möchte, sich irgendwie an dieser unfruchtbaren und umstrittenen Bewegung zu beteiligen.

2. Meine Story

Christus rettete mich, als ich 23 Jahre alt war. Bis zu diesem Wendepunkt in meinem Leben war ich sehr aktiv in der Welt der Rock‑ und Popmusik und dem damit verbundenen unmoralischen Lebensstil. Doch ich hatte so nicht von klein auf gelebt. Meine Eltern waren aktive Glieder einer Methodistengemeinde, wo ich als Säugling getauft und mit 12 Jahren konfirmiert wurde und die Sonntagsschule besuchte, aber der Bibel zufolge nicht errettet war. Ich rebellierte gegen die Lehren der Gemeinde und wann immer ich die Gelegenheit hatte, dort ein außergewöhnliches Lied zu spielen­, suchte ich mir ein modernes pseudo‑religiöses Lied aus wie z.B. »My sweet Lord« von George Harrison oder das unanstößige ­»Abraham Martin and John«. Mit 13 Jahren begann ich in Bands mitzuwirken, als Keyboarder, Lead- oder Backgroundsänger. Ich schrieb selber Songs und hörte täglich mehrere Stunden Rockmusik. ­Am meisten beeinflusst wurde ich von Billy Joel, Deep Purple, Chicago und Elton John. Ich besuchte ein College mit dem Schwerpunktfach Musik und absolvierte ein Jahr lang ein Programm über Musiktheorie und Komposition, konzentrierte mich dann jedoch auf Journalismus. Auf dem College organisierte ich Rockkonzerte mit Interpreten wie Fleedwood Mac, America, Emerson Lake & Palmer und Stephen Stills.

Bevor Christus mich rettete, bezeugten mir Christen mehrfac­h ihren Glauben und forderten mich heraus, das Wort Gottes zu lesen, worauf ich mich schließlich einließ. Das Lesen der Bibel überführte mich und machte mir klar, dass ich ein sündiges Leben führte. Die Bibel reichte aus; es war keine Rockmusik nötig, um mich zum Evangelium zu führen! Sogar als Ungläubiger war mir bewusst, dass Gott nichts mit meiner Musik zu tun hat. Ich erkannte, ­dass ich verloren war und auf eine Ewigkeit in der Hölle zulebte. Mir tat es sehr leid, dass ich Gott ungehorsam gewesen war, bereute meine bisherige Lebensweise und bat Gott um Vergebung. Ich richtete meinen Glauben auf den auferstandenen Herrn und Heiland Jesus Christus, der mich zu einem Kind Gottes machte (Joh 1,12). So wurde ich von neuem geboren und begann ein neues, anderes Leben.

Überführt vom Heiligen Geist

Der Heilige Geist überführte mich und brachte mich dazu, gegen die Unmoral in meinem Leben vorzugehen. Durch Gebet, Bibelstudium und Verantwortlichkeit gegenüber Mitchristen bewirkte der Herr Jesus, dass ich mich von Rockmusik, Drogen, Zigaretten, Al­kohol und sexueller Unmoral abwandte, wovon mein Leben vorher geprägt war. Ich schloss mich Judys Gemeinde an, wo man klar ge­gen Rockmusik eingestellt war. Gott wusste, dass es genau das war, was ich zum Kampf gegen meine alte sündige Natur brauchte, die so leicht durch Rockmusik wieder aufgeweckt wurde.

Kurz nach meiner Bekehrung machte ich meine erste Erfahrung als Wiedergeborener mit Musik. Unsere Gemeinde führte zusam­men mit einigen anderen Gemeinden der Region auf einem Messe­gelände eine Großevangelisation durch. Jede beteiligte Gemeinde sollte Sänger für einen großen gemeinsamen Chor stellen, der all­abendlich zum Rahmenprogramm beitrug. Meine künftige Schwie­germutter war die Chorleiterin unserer Gemeinde und sie und Judy ermutigten mich mitzumachen. Sie meinten, das sei eine großartige Gelegenheit, meine Talente sinnvoll einzusetzen und gleichzeitig et­was über gute christliche Musik zu lernen. Begeistert willigte ich ein und Judy begleitete mich zur ersten Chorprobe, wo ich mich gern zu den Basssängern einteilen ließ.

Ein neues Lied

Das war für mich ein Wunder! Meine Liebe zu den großartigen Glaubensliedern und den simplen, von Herzen gesungenen Cho­rälen, die wir in der Gemeinde sangen, wuchs immer mehr. Die Aufrichtigkeit und Reinheit dieser Lieder überwältigte mich. Im Gegensatz dazu erschien mir meine einst so geliebte Mainstream­-Rockmusik unheilig, laut und anrüchig. Ich schloss mich dem Chor an. Der Herr gab mir sogar die Fähigkeit, neue Lieder für ihn zu schreiben. Bevor er in mein Leben kam, hatte ich etwa fünfzig Songs verfasst. Das Liederschreiben war meine Leidenschaft, die ich nun für den Herrn Jesus einsetzen wollte. Ich kann wirklich bezeugen, dass er ein neues Lied in mein Herz gegeben hat.

Doch immer noch hatte ich mit dem schleichenden Einfluss mei­nes musikalischen Hintergrunds zu kämpfen, der sich in meinen neuen Liedern niederschlug. Alle Lieder färbte ich pop‑ und rock­mäßig ein. Ich arrangierte den Klassiker »He’s Everything to Me« von Ralph Carmichael um in ein bluesiges 6/8‑Tempo, ergänzte es mit Blues‑Riffs (kurzen, wiederholten Akkordfolgen) auf dem Kla­vier und einem Gesangsstil, der direkt aus den Pubs stammte, wo ich früher aufgetreten war. Ich wunderte mich, dass mich niemand aus der Gemeinde darauf ansprach und kritisierte. Ich war dankbar, dass sie so tolerant waren, aber heute frage ich mich, was wohl geschehen wäre, wenn mich jemand zur Seite genommen und mir die Gefahren dieser Vorgehensweise erklärt hätte.

Da ich im Herrn wuchs und ihm treu nachfolgte, erteilte man mir schließlich das Vorrecht, die Gottesdienste musikalisch zu leiten. Diese Aufgabe erbte ich von meinem Schwiegervater. Er war ein echter Glaubensmann und praktizierte echten Gehorsam gegenüber Gottes Willen. Für mich ist er ein wichtiges Vorbild.

Nun hatte ich meine erste Gelegenheit, die Gemeinde in Anbe­tung und Lobgesang zu leiten. Ich nahm mir vor, hinter dem Mikro­fon behutsam zu sein und Respekt vor der herkömmlichen Musik zu zeigen. Wir suchten konservative Musik aus und setzten alte Chorä­le, die Orgel, das Klavier und den Chor ein . . .

Wunsch nach Anbetung

Ich glaube, dieser Wunsch nach echter Anbetung ist einer der Hauptgründe, weshalb Leute wie wir konservative Gemeinden ver­lassen und zu zeitgemäßen wechseln. Wir alle sehnen uns nach einer tieferen, stärkeren Beziehung zu unserem Herrn und Retter, die in »echter« Anbetung zum Ausdruck kommt (»echt« ist hier gemeint als Gegensatz zu aufgesetzt oder geheuchelt; wir hatten den Ein­druck, dass die Anbetung in konservativen Gemeinden unecht oder geheuchelt war). Wir dachten damals, eine solche echte Anbetung könne durch musikalische Mittel erreicht oder gefördert werden. Heute weiß ich, dass das nicht stimmt: Wenn wir eine intakte persönliche Beziehung zum Herrn wünschen, müssen wir täglich in ihm bleiben. Wenn wir den wöchentlichen Gottesdienst brauchen, um diese Beziehung für uns herzustellen, was sagt das dann über unsere wahre Hingabe an den Herrn und unsere Nachfolge? Schauspielern wir etwa nur?

. . . Im Gegensatz zu mir hatte Judy damals schwere Zweifel daran, ob wir wirklich CCM im Gottesdienst einsetzen sollten. Beim Bibelstudium war ihr aufgefallen: Als die Israeliten Gottes verordnete Gottesdienstgebote mit heidnischen Anbetungspraktiken vermisch­ten, wurde das Volk dafür schwer von Gott gerichtet. Gleichzeitig dachte Judy, es sei in Ordnung, privat CCM zu hören. Aber sie war überzeugt, dass dieser Musikstil starke Ähnlichkeit mit den weltli­chen Sexidolen und deren Image hat und dass er deshalb nicht im Gottesdienst eingesetzt werden sollte. Ich hätte damals auf sie hören sollen, aber ich war bereits von der Welle der CCM-Bewegung er­griffen.

Beeinflussung durch die Welt

Judy fiel außerdem auf, dass einige der künftigen Leiter der Musik- ­und Anspielteams ihre kreative Inspiration aus weltlichen Quellen geschöpft hatten. Könnte dies womöglich das Volk Gottes verunreinigen? Doch dieselben Leute waren zugleich liebevoll und herzlich. Wie konnte Judy nur ihre Motive in Frage stellen? Ihre ungeklärten Zweifel machten sie verwirrt und kraftlos; sie versuchte mich zu warnen, aber ich hörte nicht darauf.

Die Gemeinde entschloss sich, Nägel mit Köpfen zu machen und bat mich, den Übergang vom herkömmlichen zum »gemisch­ten« Gottesdienst zu leiten. Doch nachdem ich drei Monate mit dieser Aufgabe beschäftigt war, musste ich wegen einer neuen Arbeitsstelle nach Denver umziehen und konnte das begonnene Projekt nicht zu Ende führen. Die Gemeinde setzte den Änderungsprozess auch ohne uns fort und verlor dabei einige treue Glieder.

In Denver suchten wir eine Gemeinde, die bibeltreu in Glauben und Lehre war, aber auch meinem Wunsch nach moderner Musik im Gottesdienst entsprach. Dort erlebten wir zum ersten Mal einen »besu­cherfreundlichen« zweckorientierten Gottesdienst mit einem professionellen P&W-Team. Die Musik war von absoluter Spitzenklasse, insbesondere die Beschal­lungsanlage, die Beleuchtung und das Tempo des Gottesdienstes. Das wirkte sehr positiv auf mich, aber Judy und die Kinder fühl­ten sich unbehaglich wegen der Hightech‑Performance. Als mein Vater aus Pennsylvania zu Besuch kam, nahmen wir ihn in diese Gemeinde mit. Er war sichtlich entsetzt über diese neue Worship­-Welle. Letztlich sah ich jedoch ein, dass die ganze Familie mit der Gemeinde zufrieden sein muss und so machten wir uns weiter auf die Suche . . .

Als nächstes besuchten wir eine dachverbandsfreie Gemeinde mit etwa 100 Gliedern. Der Gemeindeleiter war wiederum etwa in meinem Alter und ein ehemaliger Baptist. Er hatte eine besucher­freundliche Gemeinde aufgebaut, weil er die Leute aus der Umgebung erreichen wollte, ohne als Baptist abgestempelt zu werden. Seine besondere Zielgruppe waren Menschen, die in konservativen Gemeinden schmerzhafte Erfahrungen mit Heuchelei gemacht hat­ten und die infolgedessen keine Gemeinde mehr besuchten. Solche Leute werden manchmal als »kirchendistanziert« bezeichnet. Seine Philosophie der bedingungslosen Liebe zu allen Menschen und sein Elan, nicht nur formal religiös zu sein, sondern eine echte Leiden­schaft für Gott zu haben, wirkten sehr anziehend auf uns.

Der Gottesdienst war bereits modern aufgezogen, weil der Ge­meindeleiter nichts darin haben wollte, was an einen traditionel­len Baptisten‑Gottesdienst erinnerte. Ich engagierte mich hier im musikalischen Programm, spielte Keyboard in der Lobpreisband und übernahm schließlich die Aufgabe des Lobpreisleiters. Der Gemeindeleiter hatte die Vision, »die Gemeinde, die rockt« zu werden und wir hatten tatsächlich einige Gottesdienste, die diesem Anspruch gerecht wurden. Eines Sonntagsmorgens führten wir den aggressiv‑fetzigen Hit »Some Kind of Wonderful« von der Band Grand Funk Railroad, verwendeten aber die »christianisierte« Version des Bandmitglieds Mark Farner. Farner hatte den Text verändert, sodass jetzt Jesus Christus der Gegenstand der Leidenschaft war. (Das Ändern des Textes und Beibehalten der Melodie ist eine übliche Praxis der CCM.) Aufgrund meines Hintergrunds und meiner früheren Vorliebe für Rockmusik wurde ich von diesem Musikstil sofort angezogen. Judy allerdings war entsetzt und verließ mitten in unserer ehrfurchtslosen Aufführung den Saal.

Auch hier kann ich Gott nur danken für Judys geistliches Wahr­nehmungsvermögen. Sie erkannte den Geist der Rebellion und Unmoral, der hier in der Gemeinde am Werk war. Der Gemeinde­leiter wollte eine Atmosphäre schaffen, in der es kein Verurteilen und Kritisieren gab, und förderte deshalb eine Denkweise nach dem Motto »Gott nimmt uns so an, wie wir sind«, welches offenbar mit CCM Hand in Hand ging.  Diese Lehre resultierte in einer Ge­meinde für Leute, die Gott zwar in ihrem Leben haben wollten, aber nicht bereit waren, ihre Lebensweise zu ändern. Judy sah, welche Heuchelei das war und was für eine Gefahr das für unsere Kinder und für unsere eigene Ehe bedeutete. Letztendlich konnte sie mich überzeugen, und so verließen wir auch diese Gemeinde.

Die richtige Gemeinde?

Als nächstes dachten wir, der Herr habe uns endlich zur richtigen Gemeinde geführt. Sie schien in allen Aspekten des Gemeindele­bens (einschließlich der Musik) echt ausgewogen zu sein, grundso­lide in Lehre und Praxis. Auch dieser Gemeindeleiter war etwa in meinem Alter, aber konservativer als die Leiter der vorigen drei Gemeinden. Die Wortverkündigung war exzellent. Die Musik bestand in einer Mischung aus den großartigen alten Liedern und Chorussen im Stil von Maranatha Music. Es gab eine Band, aber Schlagzeug und Gitarren dröhnten nicht im Vordergrund, sondern waren rela­tiv leise und ausgewogen. Anstelle eines einzigen Vorsängers gab es ein Gesangsteam aus Männern und Frauen, die offensichtlich die angemessene ehrfurchtsvolle Gesinnung hatten. »Wow«, dachte ich, »das ist der Stil, den ich schon immer gewollt habe: Echte Ausgewo­genheit im musikalischen Programm.«

Der Leiter des Lobpreisteams brauchte noch einen Keyboarder. So schloss ich mich dem Team an und als der Lobpreisleiter in eine andere Gegend umziehen musste, bat man mich, seine Aufgabe zu übernehmen. Damit war ich verantwortlich für die Gestaltung und Organisation des sonntäglichen Lobpreis‑Gottesdienstes, der von etwa 500 Gläubigen besucht wurde. Ich schrieb spezielle musikalische Arrangements, führte die wöchentlichen Proben durch, be­arbeitete die Lieder, sang und spielte Keyboard. Das Lobpreisteam umfasste jeden Sonntag fünf bis sieben Sänger und bis zu zehn In­strumentalisten.

Ein typischer Lobpreis‑Gottesdienst bestand aus 25 Minuten P&W-Songs und zwischendurch immer wieder Gebet. Ich versuch­te außerdem mindestens einen althergebrachten Choral pro Woche einzubauen. Das Lobpreisprogramm (der Ausdruck »Programm« [engl. set] wurde aus der weltlichen Musikszene entlehnt) war arran­giert als ein beständiger, ununterbrochener Fluss von Musik. Das war ein wichtiger Bestandteil, um die entsprechende Stimmung und Atmosphäre aufrechtzuerhalten. Wir setzten eine große Projektor­leinwand ein, auf der die Liedtexte eingeblendet wurden und waren gesegnet mit einer Ausrüstung, die dem neusten Stand der Multimediatechnik entsprach, sowie mit hervorragenden Technikern . . .  Ein weiterer starker musikalischer Einfluss in dieser Lebenspha­se waren für mich die Promise Keepers. Diese bekannte christliche Männerbewegung hat ihren Sitz an unserem Wohnort Denver. Mu­sikalisch setzen die Promise Keepers hauptsächlich rockige Musik ein, einschließlich dem klassischen Rock der 70er Jahre. Ich nahm an diesen riesigen Großveranstaltungen in Sportstadien teil, wo die Maranatha-Männerband für den musikalischen Rahmen sorgte.

Einige Musiker aus unserem Team wollten die Grenzen der Vertret­barkeit ausreizen und Material einsetzen, das besonders »edgy«Edgy ist in der Musikszene eine Beschreibung für Musik, die die Zuhörer an den Rand des Wohlbehagens bringt, ihre Nerven überstrapaziert und ihre Vorstellungen von dem überschreitet, was sie bisher für schicklich hielten. Einige der Sänger wollten neue Vineyard P&W-Musik einsetzen, die von vielen Wiederholungen und einem starken Rhythmus geprägt ist. Die Texte spiegeln eine cha­rismatische Theologie wider, die in einer Baptistengemeinde keinen Platz haben sollte. Unser normalerweise demütiger Schlagzeuger benutzte ein E‑Schlagzeug, das uns ermöglichte, die Lautstärke zu regeln, aber selbst er wollte ständig mit seinem starken Beat in jedem Song vorpreschen. Der E‑Gitarrist, ein Liebhaber von Klas­sik‑Rock, nutzte jede Gelegenheit, um Solos oder Riffs einzulegen, wo sie eigentlich nicht nötig waren. Bei unseren Proben verfiel unse­re Band oft in eine improvisierte Rocksession. Als Leiter hätte ich dagegen einschreiten können, doch stattdessen frönte ich meiner eigenen Lust auf Rock. Offen gesagt, wollte ich einfach Spaß ha­ben. Zurückblickend sehe ich heute, wie schwer es war, mein inneres Rockmusik‑Tier in Schach zu halten und zu verhindern, dass es die völlige Kontrolle über mich ergriff.

Die »besucherfreundliche« Gemeinde

In der Zwischenzeit hatte unser Gemeindeleiter eine andere Dienststelle im Osten der USA angenommen. Die Leiterschaft des Dachverbands verhalf uns zu einem neuen Gemeindeleiter. Er hatte zuvor eine Ortsgemeinde in Arizona mit aufgebaut, die nach dem Muster von Rick Warrens Buch Gemeinde mit Vision (engl. »Purpose Driven Church«) konzipiert war. Unser voriger Gemein­deleiter hatte mir ein Exemplar dieses Buches gegeben, sodass ich Rick Warrens Philosophie und Gemeindekonzept bereits kannte. Warren spricht sich für einen »auf Sucher ausgerichteten Gottes­dienst« aus; die Gemeinde und ihre Veranstaltungen sollen konkret auf die »gefühlten Bedürfnisse« solcher Menschen ausgerichtet sein, die Gott suchen.

Was sind diese Bedürfnisse und welche Musik ist am besten ge­eignet, um diese Bedürfnisse zu befriedigen? Rick Warren definiert das wie folgt:

»Wir benutzen die Art von Musik, die die Mehrheit der Leute in der Gemeinde gerne im Radio hört … Sie mögen helle, fröhliche, mitreißende Musik mit einem starken Beat. Ihre Ohren sind an Musik mit einer starken Basslinie und Rhythmus gewöhnt. Zum ersten Mal in der Geschichte existiert heute ein univer­seller Musikstil, der in jedem Land der Erde gehört werden kann. Mann nennt ihn zeitgenössischen Pop/Rock.« (Gemeinde mit Vision, S.267)

Unser angehender Gemeindeleiter war ein begeisterter Anhänger dieser Philosophie, genau wie auch ich es von mir meinte. Als ich ihn fragte, welchen Musikstil er für den Gottesdienst am besten finden würde, sagte er, die Musik am Sonntag in der Gemeinde sollte dieselbe sein wie die Musik, die die Leute während der Woche im Autoradio hören. Er fuhr fort und erklärte, dass sich niemand im Radio Orgelmusik oder alte Choräle anhört ‑ warum sollte man dann solche Musik in der Gemeinde einsetzen?

So seltsam es auch scheint, brachte mich seine Aussage zum ver­wunderten Stutzen. Als dieser Diener Gottes die Auffassung über Musik ausdrückte, die ich selber mittlerweile angenommen hatte, wurde mein Geist aufmerksam und wach. Es war, als blickte ich zum ersten Mal in den Spiegel und sähe etwas, das mir nicht gefiel! Ich begann einzusehen, dass das eine menschliche Philosophie und nicht Gottes Sicht von Musik ist. Obwohl ich mir in jenem Augen­blick nicht bewusst war, wie tief die Worte des Gemeindeleiters mich getroffen hatten, brachte mich der Heilige Geist zu einem Wende­punkt in meinem Leben. Das war der Anfang vom Ende meiner Tä­tigkeit als Lobpreisleiter.

Nachdem der neue Gemeindeleiter in sein Amt eingeführt wor­den war, sagte er uns, wie begeistert er von unserem Lobpreis‑ Gottesdienst sei und dass er sich sehr darauf freue, mit unserem Team zusammenzuarbeiten. Doch kurz nach seinem Amtsantritt gab ich mein Amt als Lobpreisleiter auf. Aus Gründen, die ich damals selber nicht ganz verstand, war mir irgendwie klar, dass ich seine Auffassungen von Musik und Anbetung nicht unterstützen könnte. Offensichtlich wollte er den Gottesdienst noch weiter der Welt anpassen, als ich es mir je vorgestellt hatte. Und so kam es später tat­sächlich. Bald darauf verließ unsere Familie diese Gemeinde. Dann begann Gott mir durch sein Wort zu zeigen, warum ich bezüglich der Musik, die ich so geliebt hatte, so desillusioniert worden war.

Warum ich gehen musste

Ich möchte kurz die Gründe zusammenfassen, warum ich mich von der CCM-Szene getrennt habe. Erstens konnte ich nicht mehr die Grundsätze akzeptieren, die der CCM-Philosophie zugrunde liegen. Anders ausgedrückt: Die Pfeiler, die das CCM-Gebäude trugen, er­wiesen sich als marode und zerbrechlich. Unser wichtigster Grund­satz war, dass Musik moralisch neutral sei und Gott jeden Musikstil akzeptiere. Niemand dürfe andere wegen ihres Geschmacks oder ihrer Vorlieben verurteilen. Als ich in der Bibel nachforschte, um diesen Grundsatz bestätigt zu finden, musste ich feststellen, dass diese Annahme unlogisch ist, dass sie den Menschen in den Mittel­punkt stellt und dass sie grundlegende biblische Prinzipien umdeu­tet. Auf diese Punkte werde ich später ausführlich eingehen.

Zweitens: Als ich entdeckte, was die Bibel über wahre Anbetung lehrt und was es wirklich bedeutet, in die Gegenwart Gottes zu kommen, wurde mir schlecht bei dem Gedanken, wie meine Generation so leichtfertig profane und vulgäre Musik einsetzt und in einer un­moralischen Aufmachung auftritt, um einen heiligen Gott anzube­ten und zu loben! Und keiner der Beteiligten schien zu merken, was wir da eigentlich taten.

Drittens: Um meine Ehe zu bewahren und Gott in allem treu zu sein, war es nötig, dass ich mich von den Versuchungen fernhielt, die im Umfeld der CCM allgegenwärtig sind: Die Schmeichelei für das Ego und die Attraktivität der Mädchen und Frauen im Lobpreisteam.

Viertens sah ich, dass wir in Gefahr standen, genau solche Heuch­ler zu werden, wie wir es den Konservativen vorwarfen. Zum Beispiel war es einer unserer Hauptvorwürfe gegen konservative Gemeinde­musik und Gottesdienste, dass es ihnen an Spontaneität fehle; sie waren langweilig und voraussagbar stereotyp. Doch irgendwie be­merkten wir gar nicht, dass unsere eigenen CCM‑Gottesdienste im Grunde genommen genauso schematisch und vorhersagbar gewor­den waren: Woche für Woche immer dasselbe. Der typische Gottes­dienst einer evangelikalen besucherfreund­lichen Gemeinde hört sich überall gleich an: wie geklonte und ko­pierte Zusammenstellungen von Integrity Hosanna und Maranatha Praise Musik. Wir haben versucht, mit CCM und P&W einen ganz individuellen Musikstil zu entwickeln, doch heute haben wir Tausende von Gemeinden, die diesen Stil kopieren. Es ist eine Abwandlung von Rockmusik, nur meistens nicht ganz so hart wie die weltlichen Varianten. Die Musik ist etwas ruhiger und hat einen Hauch von der Freiheit eines Adlers. Die Lobpreisprogramme haben eine gewohn­te, wenn nicht sogar langweilige Form angenommen. Die Konser­vativen haben ihre Richtlinien, die nicht überschritten werden, aber die CCM’ler haben keine Regeln, und wenn die Dinge zu gewohnt und monoton werden, greifen sie einfach zu noch lauterer, fetzigerer und fragwürdigerer Musik. Das ist einer der Flüche, der der CCM anhaftet: Die Musik balanciert ständig am Rand des Abgrunds und die Lobpreisleiter sind gezwungen, jeden Musikstil zu akzeptieren, so ehrfurchtslos er auch sein mag. Davon musste ich mich trennen.

Heute gehören wir einer Gemeinde an, wo die Hirten und Leiter klar Stellung beziehen gegen den Einsatz jeglicher vom Rock beeinflusster moderner Musik in Gemeinde und Gottesdienst. In musikalischer Hinsicht habe ich während meiner Laufbahn als Christ eine 360‑Grad‑Wendung vollzogen und bin wieder zurückgelangt in eine Gemeinde, die meiner ersten Gemeinde nach meiner Bekehrung gleicht. Vermutlich wäre es ein Happy End in meiner Geschichte, wenn ich sagen könnte, dass ich auch jetzt wieder engagiert bei der Musik in der Gemeinde mitwirke, aber das ist nicht der Fall.

Konsequenzen

Meine Jahre als CCM-Musiker und Lobpreisleiter haben Spuren hinterlassen und ziehen Konsequenzen nach sich. In unserer neuen Gemeinde war ich zunächst sehr skeptisch gegenüber jedem Detail der Anbetung und der Gemeindeleitung. Ich behielt meine Kritikpunkte für mich oder besprach sie nur mit Judy, aber hegte sie weiter in meinem Denken. Zurückblickend sehe ich, dass der Herr mir zeig­te, dass es auch in herkömmlichen Gottesdiensten echte Anbetung und begeisterten Lobpreis geben kann. Das widersprach den Ansich­ten, die ich so viele Jahre lang vertreten hatte und ich glaube, dieser Widerspruch hat sehr zu meiner kritischen Gesinnung beigetragen.

Außerdem hatte ich Angst davor, mich wieder musikalisch in der Gemeine zu engagieren. Ich sagte niemandem etwas von mei­nen musikalischen Fähigkeiten und mied den Musikleiter der Ge­meinde. Wegen meines Hintergrunds und meiner Neigungen hielt ich mich in musikalischer Hinsicht für zu unbewährt, als das ich in einem konservativen Musikteam mitwirken könnte. Ich dachte, ich könnte nur zu leicht wieder einen schlechten Einfluss in das Team hineinbringen. Wie es in einem Lied heißt: »Prone to wander, Lord, I feel it!« ‑ »Ich neige zum Abirren, Herr, ich spür’s«.

Instinktiv hatte ich alle Musikstile in meine Mischung von Pop/ Rock umgewandelt. Wenn ich Keyboard spielte, arrangierte ich die Melodie unbewusst in einen Pop/Rock‑Stil und ‑Rhythmus um. Wenn ich meinen Mund zum Singen auftat, ließen die vergangenen Jahre als CCM-Musiker mich klingen wie einen der Rockmusiker, die zu imitieren ich mich sonst so angestrengt hatte.

Zwanzig Jahre nach meiner Bekehrung zu Jesus Christus habe ich den Herrn erneut gebeten, mir ein neues Lied in den Mund zu geben, um ihn zu preisen. Diesmal jedoch bete ich, dass dieses Lied unbeeinflusst sein möge von meinen alten Rockmusik‑Vorlieben.

 

3. Die große Lüge

  »Gott wird jeden modernen Musikstil akzeptieren, den wir in un­serem Lobpreis und unseren Gottesdiensten einsetzen.« Diese Aussage fasst in einem Satz zusammen, worin die Philosophie der modernen P&W-Bewegung besteht. CCM’ler verurteilen alle Regeln und Richtlinien als »gesetzlich«, die ihre musikalischen Ent­scheidungen und Vorlieben eingrenzen, und glauben stattdessen an diese Philosophie als ihre Richtlinie. Früher war ich selber ein treu­er Anhänger dieser Auffassung, doch heute glaube ich, dass diese Philosophie eine große Lüge ist. Sie entstammt direkt einer Lehre, die in modernen Gemeinden sehr populär ist: »Gott akzeptiert uns, wie wir sind.«

Um den Rest meiner Ausführungen zu verstehen, muss der Leser zuerst begreifen, wie stark sich diese Lehre von der bedingungslosen Ak­zeptanz Gottes auf unsere Debatte über christliche Musik auswirkt. Diese Lehre hat die Bedeutung biblischer, geistlicher Urteilskraft völlig entkräftet und alle Richtlinien über Bord geworfen. Noch wichtiger ist, dass wir diese Auffassung, die hinter so vielen Argu­menten für CCM steht, im Licht der Bibel prüfen.

Vor kurzem bekam ich einen Flyer mit einer Einladung in eine Gemeinde bei uns am Ort. In lockenden Worten wurde mir versi­chert: »In unserer Gemeinde bedeutet ’komm so, wie du bist’ mehr als nur ungezwungene Kleidung. Es bedeutet, ohne Verurteilungen und Vorschriften einander anzunehmen. Es bedeutet, Menschen zu einer Beziehung zu Gott zu verhelfen, ohne dass sie künstliche religiöse Hürden überwinden müssen.« Der Slogan dieser Gemein­de heißt: »Gemeinde wie sie sein soll, weil du für Gott und für uns wichtig bist.« Die Gemeinde wirbt mit ihrer entspannten Atmosphä­re, ihren lebendigen Botschaften und natürlich mit der zeitgemäßen Musik.

Kommt nur mir das so vor, oder meinen nicht auch Sie, dass dies ziemlich nach Schnapp‑den‑Köder‑Werbung aussieht? Die betreffende Gemeinde gehört den gewöhnlichen Baptisten an, die sich üblicherweise als bibeltreu verstehen. Wenn das der Fall ist, werden neue Besucher dieser Gemeinde früher oder später sehr zu ihrem Unbehagen feststellen, dass es in der Bibel tatsächlich viele Verurteilungen gibt und dass der Herr Jesus tatsächlich Vorschriften für ein ihm wohlgefälliges Leben macht und dass es bei alledem nicht um das persönliche Wohlfühlen geht. Die Nachfolge Jesu ist kein Spa­ziergang zur Selbstwertsteigerung. Geistliches Wachstum bedeutet Veränderung und Veränderung bedeutet stets Verlust und Verlust bedeutet stets Schmerz. Man kann als Christ nicht einfach alle alten Gewohnheiten und Vorlieben beibehalten.

Die Lehre des »Komm wie du bist; Gott akzeptiert dich, wie du bist« ist eng verwandt mit der Toleranzbewegung, die in unserer heutigen Gesellschaft so verbreitet ist.

Die einzige biblische Rechtfertigung, die ich für diese Lehre gehört habe, ist die Begebenheit in Johannes 8 mit der auf frischer Tat ertappten Ehebrecherin. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass der Herr Jesus zu der Frau sagte, nachdem die Pharisäer gegangen waren: »So verurteile ich dich auch nicht. Geh hin und sündige nicht mehr.« Jesus akzeptierte sie nicht so, wie sie war, sondern gebot ihr, sich zu ändern.

Ich behaupte, dass die ganze Umstellung auf CCM in vielen Ge­meinden eine unmittelbare Folge ist von unserem Versagen, diese »Akzeptanzlehre« zu widerlegen. Vielleicht wollen wir jeden Anschein vermeiden, der uns als »gesetzlich« brandmarken würde. Wir haben unser biblisches Unterscheidungsvermögen eingetauscht gegen Toleranz für sämtliche Spielarten der Weltförmigkeit; weshalb sollte es uns da überraschen, dass auch in Musik in der Gemeinde »nichts unmöglich« ist? Diese falsche Lehre hat in unseren Gemeinden Tür und Tor geöffnet für den Geist der Unmoral, des Unfriedens und der Verführung.

Ein Geist der Unmoral

Eine der bevorzugten Zerstörungsmethoden Satans ist es, die Maßstäbe christlicher Sittlichkeit umzustürzen und uns zu überzeugen, dass wir in Sachen Sexualität »offener« sein sollten. Das ist dieselbe Attacke, die er erfolgreich bei Ungläubigen einsetzt. Damit bindet er sie an ihre Sünde. Zu seinem Handwerkszeug gehören aufreizen­de Musik, aufreizende Interpreten, sexuelle Bilder, Alkohol und Drogen. Funktioniert Satans Masche auch bei Christen? Das ist nicht nur möglich, sondern tatsächlich der Fall.

Als wir die Rockmusik in die Gemeinde importierten, luden wir mit ihr zusammen einen Geist der Unmoral ein, der untrennbar mit dieser Musik verbunden ist. Zunächst war das nicht offensichtlich. Wir spielten keinen Hardrock, sondern vertretbarere, entschärfte For­men: Softrock, Pop/Rock, Countryrock und leichte Jazzvarianten. Diese Stile förderten das warmherzige und kuschelige Verliebt‑in­-Gott‑Gefühl, das wir schon immer bei der Anbetung haben wollten. Diese Musik war nicht provokant, enthielt aber den zugrundeliegen­den Rockrhythmus, der unweigerlich unser Fleisch anspricht und uns an die Lieblingslieder der Welt erinnert.

Trotz all unserer Bemühungen, dieses musikalische Tier in uns im Zaum zu halten, werden die Gläubigen von solchen CCM‑Stilen verführt. Diese Stile haben das Potential, die Moral jedes Christen zu verderben, für so stark dieser Christ sich auch hält

Ein Geist des Unfriedens

Ich möchte die typische Einstellung eines Zeitgemäßen zusam­menfassen, wie er über alle denkt, die den Einsatz von CCM in der Gemeinde ablehnen. »Wir müssen für diese armen, traditions­geknechteten Leute beten, die das Herz der Anbetung überhaupt nicht verstehen. Sie hindern Gott, das zu tun, was er tun will.« Diese Einstellung habe ich mir nicht ausgedacht, sondern habe sie selber lange vertreten.

Diese herablassende Einstellung führt zu einem Geist des Un­friedens. Ich glaube, dass davon heute viele Lobpreisleiter befallen sind, so wie ich es auch war. Diese Leiter glauben tatsächlich, durch ihren Einsatz von allen möglichen neuen Musikstilen versuche Gott etwas Besonderes zu tun und Gott selbst leite sie zu dieser Musik. Jeder, der ihnen im Weg steht, wird als gesetzlicher Pharisäer abgestempelt.

Die Zeitgemäßen signalisieren mit ihrer Haltung, dass jeder An­dersdenkende sich entweder der Marschrichtung fügen oder sich eine andere Gemeinde suchen sollte.

Ein Geist der Verführung

Alles geht zurück auf die große Lüge, dass »Gott mich so akzeptiert, wie ich bin; deshalb akzeptiert er auch meine Musik.« Aus dieser Auffassung sind mehrere verbreitete Argumente hervorgegangen, mit denen CCM’ler den Einsatz ihrer Musik in die Gemeinde rechtfertigen und durchsetzen wollen. Doch diesen Argumenten liegt ein Geist der Verführung zugrunde, der uns unserer Urteilskraft beraubt.

Folgende Kapitel widmen sich diesen verbreiteten Argumenten:

 Das ist alles eine Frage des persönlichen Geschmacks

• Wir wollen doch nur die Ungläubigen erreichen
• Musik ist amoralisch
• Gott hat die Musik erschaffen ‑ ist daher nicht jede Musik gut?
• Zeige mir, wo die Bibel sagt, dass Rockmusik böse ist
• Lehrt die Bibel nicht, dass wir alles benutzen können, um Men­schen zu erreichen?
• Gemischte Musik im Gottesdienst wird alle zufrieden stellen
• Es kommt auf das Herz der Anbetung an und nicht auf die Musik
• Verwendeten nicht auch Luther und die Wesleys zeitgemäße Mu­sik in der Gemeinde?
• CCM kann man leichter singen als die alten Choräle
• Gebraucht Gott nicht CCM, um Teenager zu retten und im Glau­ben weiterzubringen?

Ein schwerer Vorwurf

Warum unterziehen wir gerade CCM einer solch aufwendigen Prü­fung? Könnten die aufgezeigten Gefahren und falschen Einstellungen nicht auch auf anderem Wege in die Gemeinde eindringen? Ge­wiss. Doch nur Musik wurde in so vielen Gemeinden von heute auf eine solche einflussreiche und mächtige Position erho­ben. Das Musikprogramm im Gottesdienst dominiert die Anbetung oder ist an deren Stelle getreten. CCM wird uns präsentiert, wann immer wir uns zum gemeinsamen Gottesdienst versammeln und prägt diese gemeinsame Zeit. Allein durch ihre unwidersprochene Gegenwart im Gottesdienst empfängt CCM das Siegel der Gutheißung von der Gemeindeleitung, ob die Leiter sie bewusst eingeführt haben oder nicht. Uns allen wird der Eindruck vermittelt, CCM in der Gemeinde sei völlig unbedenklich und ganz normal. Ganz im Gegenteil denken wir wahrscheinlich sogar, wir täten Gott einen Gefallen, wenn wir eine Umstellung vornehmen von den alten, lang­weiligen Kirchenliedern zu moderner Musik.

Wie wichtig ist CCM in den Gemeinden geworden? Auf die Fra­ge, was er anders machen würde, wenn er seine Gemeinde noch mal von vorn anfangen könnte, sagte Rick Warren, der bekannte Pastor der Saddleback‑Gemeinde in Kalifornien:

„Vom ersten Tag der neuen Gemeinde an würde ich mehr Ener­gie und Geld in ein erstklassiges Musikteam investieren, das zu unserer Zielgruppe passt. In den ersten Jahren von Saddleback habe ich den Fehler gemacht, die Bedeutung der Musik zu unterschätzen, deshalb reduzierte ich den Anteil der Musik in unseren Gottesdiensten. Ich bereue das nun.“

Ich zitiere Warren, weil sein Buch ein unverzichtbarer Leitfaden für viele Verantwortliche in evangelikalen Gemeinden ist, die Gemeindewachstum dadurch zustande bringen wollen, dass sie ihre Gottesdienste zeitgemäßer und interessanter für Ungläubige gestalten. Sein Buch hat eine weltweite Bewegung in Gang gesetzt. Der Webseite zum Buch zufolge wurden bereits über 200.000 Per­sonen in dieser Methode ausgebildet und Tausende von Gemeinden integrieren die Methoden dieses Programms. Rick Warren schrieb ein Kapitel darüber, wie wichtig das Einsetzen von CCM sei, um Menschen zu erreichen, und nachdem ich sein Buch gelesen habe, kenne ich seine Musikphilosophie.

Musik sorgt für die Atmosphäre beim Gottesdienst, vermittelt Lehre durch Gesang und drückt unser Gottesbild aus. Warren schreibt weiter:

„Der Musikstil, für den Sie sich in Ihren Gottesdiensten entschei­den, wird eine der kritischsten Entscheidun­gen sein, die Sie im Leben Ihrer Gemeinde treffen. Er kann sogar zum einflussreichsten Faktor dafür werden, wen Ihre Gemeinde für Christus erreicht und ob Ihre Gemeinde wächst oder nicht.“

Warrens Zitate zeigen, wie unbestritten wichtig CCM geworden ist: Sie ist der Schlüssel zum Erfolg der zeitgemäßen Gemeinde. Doch nennt Warren keinerlei biblische Grundlage dafür, weshalb er CCM einen solch erhabenen Status zumisst ‑ nur seine eigene Meinung.

Was ist Gott wohlgefällige Anbetung?

Davids Definition von wohlgefälliger Anbetung in Psalm 51,17‑20 trifft den Kern der Sache besonders gut:

Herr, tue meine Lippen auf,
damit mein Mund dein Lob verkündige!
Denn an Schlachtopfern hast du kein Wohlgefallen,
sonst wollte ich sie dir geben;
Brandopfer gefallen dir nicht.
Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein zerbrochener Geist;
ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du,
o Gott, nicht verachten.

Wie sollen wir denn gemeinsam anbeten?

Im nächsten Kapitel werden wir uns ausführlich mit dem Thema Anbetung befassen. Nachdem ich nun gezeigt habe, welche Proble­me durch den Einsatz von CCM in der Gemeinde verursacht wer­den, möchte ich nun die anderen CCM’ler aufrufen, freimütig einen Weg der Erneuerung einzuschlagen:

• Lasst uns die weltförmigen CCM‑Stile und ‑Einflüsse in unseren Gottesdiensten abschaffen.
• Lasst uns zurückkehren zu den herkömmlichen, konservativen Musikstilen.

Ich habe eine frohe Botschaft für die CCM’ler, die mutig genug sind, eine solche Reformation überhaupt zu erwägen: Man kann auch ohne CCM eine geisterfüllte, lebendige Anbetung in echter Gegenwart Gottes haben. Das geht auch ohne Lobpreisband. Mit den altbewährten Liedern und Chorälen und einer Auswahl aus modernem Liedgut, das nicht von Rockeinflüssen durchsäuert ist. Gott wohnt unter dem Lobgesang seines Volkes, jedoch ohne die Gegenwart umstrittener Musikstile und Darbietungen, die der Muster der Welt gleichen oder stark ähneln. Ich weiß, dass das wahr ist, weil meine Gemeinde eine solche Anbetung praktiziert.

4. Was ist das wahre Herz der Anbetung?

Gelegentlich beteilige ich mich in einem Online‑Forum von Lobpreisleitern. Jemand stellt eine Frage und andere antworten und bilden damit einen Thread ‑ einen Online‑Dialog. Die Themen drehen sich um Musik und Anbetung in der Gemeinde und dort ha­be ich zum ersten Mal von diesem wunderbar klingenden Konzept »Herz der Anbetung« gehört.

Von den Teilnehmern des Forums habe ich verschiedene Er­klärungen gehört, was dieser Ausdruck bedeuten soll. Ich glaube, er beruht auf der Wahrheit, dass Gott auf den inneren Menschen (das Herz) blickt. Aber als ich sah, wie dieses Konzept von seinen Anhängern tatsächlich angewendet wird, wurde mir klar, dass sich dahinter eine einflussreiche Irreführung verbirgt. Was sich so »hei­lig« anhört, kann zu einer weiteren falschen Berechtigung für CCM verdreht werden.

Ich will keineswegs sagen, das Herz sei weniger wichtig als die »Form« der Anbetung. Ebenso wenig bezweifle ich die Aufrichtig­keit der CCM’ler in dieser Sache. Im Gegenteil: Ich stimme völlig zu, dass die Herzenshaltung der allerwichtigste Faktor ist! Worin ich anders denke, ist die Definition, was das wahre Herz der Anbetung eigentlich ist. Meinen die CCM’ler etwas biblisch Richtiges, wenn sie vom »Herz der Anbetung« sprechen.

Ich befürchte, dass in der großen Mehrzahl der »zeitgemäßen« Gemeinden die Praxis der Anbetung weit von dem abgekommen ist, was das wahre biblische Herz der Anbetung ist. Grund dafür ist, dass wir darin ver­sagt haben, unsere Praxis fest auf dem Wort Gottes zu gründen und stattdessen die Bedürfnisse der Menschen zur Grundlage gemacht haben.

Verschiedene Bedeutungen

Bevor wir uns in dieser Sache überhaupt verstehen können, müssen wir zuerst begreifen, dass die Zeitgemäßen und die Konservativen verschiedene Sprachen sprechen. Die Bedeutung des Wortes Anbe­tung bzw. Worship wurde von den Zeitgemäßen verändert, um besser zur CCM-Philosophie zu passen. Das Wort bezeichnet nicht mehr das ehrfurchtsvolle und demütige Niederbeugen vor einem heiligen Gott. Der Begriff wurde über seine eigentliche Bedeutung hinaus ausgeweitet, sodass er alle möglichen Formen von Anbetung umfasst: Jegliche Musikstile, Tanz, Theater und Kunst. Der Ausdruck kann sich sowohl auf den Gottesdienst an sich beziehen oder auf alles, was während des Gottesdienstes geschieht.

Diese Art von Neudefinition ist für mich ein Hauptanlass zur Besorgnis und sollte auch jeden anderen Gläubigen alarmieren. Das Wort Gottes hat in seiner ursprünglichen Sprache eine kon­krete inspirierte Bedeutung. Was bedeutet das Wort Anbe­tung nun wirklich?

Biblische Anbetung

Der Brockhaus‑Enzyklopädie zufolge ist Anbetung  »eine Form des Gebets, deren Objekt … gegenüber der anbetende Mensch … huldigende Ehrfurcht empfindet und zum Ausdruck bringt.« Sprachgeschichtlich ist dieser Ausdruck von beten abgeleitet, was wiederum von bitten stammt. Das deutsche Wort Anbetung ent­spricht daher nicht ganz den ursprünglichen hebräischen und griechischen Wörtern in der Bibel und kann nicht die ganze Bedeutung dessen vermitteln, was Gott meint, wenn er in der Bibel von Anbe­tung spricht.

Im Alten Testament lautet das hebräische Wort für Anbetung schachah, was die Strong’s Concordance definiert als »herabdrücken, sich niederwerfen (insbesondere in Verehrung vor einem König oder vor Gott), sich niederbeugen, demütig anflehen«.

In der antiken Kultur wurde die Form des Grüßens durch den Rang bestimmt. Zodhiates be­schreibt anschaulich die kulturelle Bedeutung von proskyneo:

Diese letztere Form des Grüßen ist das, was die griechischspra­chigen Autoren mit proskyneo meinten. Im NT bedeutet es im Allgemeinen, jemandem Ehre oder Huldigung zu erweisen, gewöhn­lich durch Niederknien oder ehrfurchtsvolles Niederwerfen.

Stimmt unsere Haltung mit dieser Definition überein, wenn wir Gott nahen, um ihn anzubeten? Der Gedanke, dass wir wie Hunde sein sollen, die sich ihrem Herrn unterwerfen, ist für einen CCM’ler ziemlich widerwärtig. Er zieht es vor, bei der Anbetung seine Wür­de und Selbstachtung zu bewahren. Stellen wir uns den Tatsachen: Wir tun lieber etwas, um uns selber zu erhöhen, als dass wir auf Gott warten, dass er es tut. Doch Petrus schrieb in seinem ersten Brief: »So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit!« (1Petr 5,6).

Völlige Unterwerfung

Haben wir nun verstanden, was das »Herz der Anbetung« ist? Wenn wir Gott nahen, müssen wir das mit einer Herzenshaltung der völligen Unterwerfung tun. Wir können Gott nichts anbieten außer un­serer völligen Hingabe und unseres Gehorsams. Wir müssen unsere Anbetungsgottesdienste im Licht dieser wahren Bedeutung von An­betung prüfen. Gibt es in diesem Gottesdienst etwas, was nicht zu dieser biblischen Bedeutung passt?

Wenn wir anbeten, müssen wir sehr genau darauf achten, dass wir unsere Gefühle nicht höher stellen als die Wahrheit. Das ha­be ich mehr als einmal getan. »Demütige dich vor dem Angesicht des Herrn«, ein bekannter CCM‑Worshipsong, war eines meiner Lieblingslieder. Ich setzte dieses Lied ein, um die Leute »in die Gegenwart Gottes zu führen« ‑ das ist eine Standardfloskel unter Lobpreisleitern. Der Text ist angelehnt an Jakobus 4,10: »Demütige dich vor dem Angesicht des Herrn, und er wird dich erheben, höher und höher.«

Jakobus 4,10 enthält jedoch nicht den Ausdruck »höher und höher«. Aus welchem Grund auch immer der Songschreiber diese Worte hinzufügte, denke ich, dass dies treffend ein Hauptproblem illus­triert, wie die Zeitgemäßen Anbetung verstehen: Dass Gott uns durch Anbetung bestätigen möchte, dass er uns ein gutes Gefühl bezüglich uns selbst geben möchte, sodass wir folglich dieses groß­artige Gefühl des »Höher und höher« erleben.

In meiner eigenen Erfahrung habe ich beobachtet, dass wir Zeit­gemäßen es lieben, unsere Gesichter und Hände zu Gott zu erhe­ben und das »Anbetung« zu nennen. Aber wir haben bereits gesehen, dass Anbetung nicht bedeutet, aufzublicken und sich gut zu fühlen. Vielmehr bedeutet es, sich niederzubeugen und sich niedrig zu fühlen. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal meine persönliche Gebetshaltung änderte und nicht mehr meinen Kopf neigte, sondern nach oben blickte. Ich war dazu animiert worden von Charismatikern, die an dem überkonfessionellen »Gebetskonzert« in unserer Heimatstadt teilnahmen. Ich erinnere mich noch, was für ein gutes Gefühl mir das gab, als ich meinte, zum erstenmal ein Teilnehmer in der Anbetung mit Gott zu sein und nicht irgendein unwürdiger Wurm, der sich niederbeugen musste. Ich fühlte mich einfach als etwas Besseres!

Eine weitere Lektion aus meinem Bibelstudium ist, dass unse­re Anbetung auch eine gewisse Gottesfurcht beinhalten muss und nicht nur das angenehme »Abba, lieber Vater«‑Gefühl, das die meisten CCM’ler zu bevorzugen scheinen. Mir war diese Gottes­furcht in meiner CCM‑Anbetungspraxis verloren gegangen und an ihre Stelle trat das viel angenehmere Gefühl, dass ich etwas Gutes für Gott tue und dass er mich dafür segnen werde. Gottesfurcht verbannte ich ins Alte Testament . . . Ich habe so viele CM‑Anbetungsgottesdienste erlebt und habe auf keinem davon bei irgendjemanden gesehen, dass diese Gottesfurcht zum Ausdruck kam ‑ niemals. Die Gefühle, die wir suchten und in den Leuten weckten, waren 180 Grad entgegengesetzt zu Gottesfurcht. Unsere Anbetung verlieh uns das Gefühl, Gott näher zu kommen und von ihm so angenommen zu werden, wie wir sind!

. . . Das wahre Herz der Anbetung ist das Herz, das sich vor Gott niederbeugt und sich seinem Wort unterwirft ‑ nicht mehr und nicht weniger. Das war auch die Haltung des Schreibers des Hebrä­erbriefes: »Lasst uns die Gnade festhalten, durch die wir Gott auf wohlgefällige Weise dienen können mit Scheu und Ehrfurcht! Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer« (Hebr 12,28‑29). Wenn ein Lobpreisleiter diese Vers begreift, wird sich sein Leben ändern.

5. Verführung der GläubigenCCM umfasst viele verschiedene moderne Musikstile mit stark synkopierten Rhythmen wie z. B. Softrock, Rap, Pop/Rock und Folk‑Pop, aber der Vater alles dessen ist der Rock and Roll. Rock and Roll ist ein Musikstil, der von unmoralischen Leuten zu unmoralischen Zwecken entwickelt wurde und von der Welt stets dazu verwendet wurde, ihre unmoralischen Einstellungen musikalisch auszudrücken. Das hören Sie wahrscheinlich nicht zum ersten Mal, aber es ist wert, hier wiederholt zu werden. Der Ausdruck »Rock and Roll« geht auf eine Slang‑Bezeichnung für Geschlechtsverkehr zurück. Rockmusik ist die überwältigende Vorliebe der sexuell Mo­rallosen, der wilden Partytypen, der Jointraucher, Trinker und Dro­genabhängigen.

Was meinen Sie, warum lieben alle diese Menschen gerade diesen Musikstil? Die Antwort sollte für jeden offensichtlich sein, der Rock­musik kennt. Seien Sie ehrlich: Wir mögen Rockmusik, weil wir den Beat lieben, diesen treibenden Rhythmus. Rockmusik und ihre Ab­kömmlinge haben die Macht, in unserem Fleisch und unsere Gedan­ken irgendetwas anzuregen. Dieses irgendetwas muss förderlich sein für die genannten unmoralischen Dinge. Andernfalls würden diese Leute einfach Rockmusik nicht so sehr lieben.

Es sollte daher nicht überraschen, dass diese Musik, bei der Sinnlichkeit und Rebellion im Vordergrund stehen, oft auch andere Verhaltensweisen zutage fördert, die einen Geist der Unmoral er­kennen lassen. Doch als zeitgemäßer Lobpreisleiter habe ich jeden bekämpft, der es wagte, einen solchen Gedanken auszusprechen. Eine meiner schlagfertigen Lieblingsantworten war: »Ich habe noch nie erlebt, dass während des Anbetungsprogramms eine Orgie ausgebrochen ist!« Wie andere CCM’ler war auch ich blind für die unterschwelligen sexuellen Einflüsse, die sich in unserem Lobpreis­team breit machten.

. . . Auch Christen haben noch eine sündige Natur (das »Fleisch«), das ständig gegen unsere neue, vom Heiligen Geist bestimmte Natur ankämpft. Rockmusik ist ein Beispiel für ein »Leben in den Begier­den unseres Fleisches … und der Gedanken«. Sie füttert den alten Menschen, »der sich wegen der betrügerischen Begierden« zugrun­de richtet. Die Begierden unseres Fleisches sollen wir nicht anlegen, sondern ablegen. Wir sollen den alten Menschen verhungern lassen und ihn nicht weiter füttern.

Doch stattdessen sehen wir heute, wie im Namen der Anbetung ein Verhalten, das einst als schändlich oder sündig angesehen wur­de, öffentlich und offiziell in der Gemeinde präsentiert wird. Das möchte ich mit einigen Beispielen illustrieren:

Aufreizende Kleidung

Bin ich der einzige, dem aufgefallen ist, dass einige Mädchen in den Lobpreisteams und unter den Solisten provokante oder enge, körperbetonte Kleidung tragen und das sogar auf dem Podium im Blickfeld der ganzen Gemeinde? Damit imitieren sie weltliche Künstlerinnen, die sich bewusst in dieser Weise kleiden, um Männer zu reizen und zu versuchen.

Meine Damen, der Apostel Paulus ermahnt euch, »dass sich die Frauen in ehrbarem Anstand mit Schamhaftigkeit und Zucht schmücken« (1Tim 2,9). Er schrieb außerdem, dass wir nicht den leisesten Anflug von Unmoral in unserem Leben dulden sollen (Eph 5,3). Mei­ne Frau Judy sagt mir, dass der Kleidungsstil einer Frau viel mehr sein kann als nur fragwürdig und zweideutig, nämlich eindeutig.

Ich gebe zu, dass meine alte sündige Natur und damit bestimmte lüsterne Neigungen immer noch da sind und ich ständig meine Au­gen hüten muss, um solche Lüste auszuhungern. Damit bin ich nicht alleine. So geht es Millionen anderer gläubiger Männer. Wir bitten, dass die Frauen uns doch keine Stolpersteine durch ihre unanstän­dige Kleidung in den Weg legen.

Unanständige Bewegungen

Ist es für Christen angemessen und schicklich, in weltförmiger Weise zu tanzen und mit den Hüften zu schwingen, während sie Gott Lob­lieder singen? Nein. Sie werden dazu veranlasst vom Rockrhythmus und nicht etwa, weil sie wie David vor dem Herrn tanzen wollen. Die Kombination aus unanständigen Bewegungen und aufrei­zender Kleidung auf der Bühne ist ein sehr großer Stolperstein für Männer in der Gemeinde.

Die Gefahr fehlplatzierter Leidenschaft

Leidenschaft ist ein wichtiges Element in Anbetung und Lob­preis ‑ doch gerade diese Leidenschaft kann zu einer Falle für unvorsichtige Mitwirkende werden. Sind in Ihrem Lobpreisteam so­wohl alleinstehende oder geschiedene Männer und Frauen als auch verheiratete? Das bietet der sexuellen Unmoral eine offene Tür. Wenn man heißblütige Männer und Frauen in einer leidenschaft­lichen Rockgruppe zusammenstellt, wird es unausweichlich starke sexuelle Versuchungen geben. Die modernen Musikstile fördern eine Atmosphäre, in der der angeborene Wunsch der Frau nach emotionaler Nähe zu einem Mann leicht angefacht werden kann. Das Problem ist, dass in den meisten Fällen der betreffende Mann nicht ihr Ehemann ist. Das führt zu so genanntem emotionalen Ehebruch und dieses Problem kann in der Folge zu tatsächlichem Ehebruch führen.

Eine familiär‑vertraute Mischung aus Männern und Frauen in einem Lobpreisteam kann außerdem ausreichen, um eine Trennung zwischen Ehepartnern zu verursachen, von denen der eine zum Team gehört und der andere nicht. Das fordert Eifersucht und Misstrauen geradezu heraus. Judy beobachtete eine innige Gemeinschaft zwischen den Männern und Frauen in meinen Gruppen, wie sie zwi­schen den Mitgliedern und deren Ehepartnern außerhalb des Teams nicht bestand. Das ist für den Partner außerhalb des Teams ein Stol­perstein. Auch wenn es zu keiner tatsächlichen körperlichen Sünde zwischen den Mitgliedern eines Lobpreisteams kommt, ist diese Art von Atmosphäre falsch, weil sie die Ehebeziehung schwächt und möglicherweise zu einem späteren Bruch führt. Leider ist das in ei­ner meiner frühren Gruppen tatsächlich passiert.

Ehrfurchtslose Vertrautheit in der öffentlichen Anbetung

Wir alle wünschen uns vertraute Nähe in unserer Beziehung zum Herrn. Wenn wir zusammen anbeten, möchten wir sehen, wie das bei anderen zum Ausdruck kommt. Das verleiht uns ein gutes Ge­fühl. Wir alle möchten einen Punkt höchsten Lobpreises und erhabenster Gefühle erreichen, wo uns klar wird: »Ja! Gott ist da!« Und so setzen wir CCM ein, um diese Atmosphäre zu erzeugen. Wir blenden die Beleuchtung ab, konzipieren die Musik so, dass sie die Leute dahin bewegt, wo wir sie haben wollen und schaffen somit die ganz spezielle Stimmung, die richtige Atmosphäre.

Was ist daran falsch? Das ist genau das, was die Welt macht, um eine erotische Stimmung zu erzeugen. Weltliche Musiker verwen­den dieselben Musikstile und dieselben Stimmungsmethoden, um auf die Leute sinnlich anziehend zu wirken. All das zielt darauf ab, das gewisse Knistern und Prickeln ins Publikum zu bringen und alle Hemmungen abzubauen. Satan benutzt diese Methode seit Jahren, um die Leute zu sexuellen Sünden zu verführen. Wir können nicht diese unheiligen Methoden einsetzen, um den Eindruck zu vermit­teln, Gott »ziehe uns nah zu sich heran« oder um uns vorzutäuschen, wir selbst würden uns dadurch näher an Gott herankuscheln. Was wir dadurch vielmehr erreichen, ist, dass wir Satan eine Gelegenheit bieten, uns in Fallen zu locken und viele ahnungslose Opfer geistlich zu Fall zu bringen.

A.W. Tozer nahm kein Blatt vor den Mund, als er diese Pseudo­-Nähe brandmarkte:

Ein Großteil des Gesangs in bestimmten Arten von Veranstal­tungen hat mehr mit Liebelei zu tun als mit dem Heiligen Geist. Sowohl der Text als auch die Musik sind darauf konzipiert, Lüs­ternheit zu wecken. Man poussiert mit Christus in einer Vertrautheit, die offenkundig zeigt, dass man überhaupt nicht weiß, wer Er ist. Das ist nicht die ehrerbietige Liebe des bewundernd anbetenden Gläubigen, sondern die schamlose Zwanglosigkeit des fleischlichen Liebhabers.

Wenn unser Stil der Anbetung so der Welt ähnelt und sie imitiert, geben wir Satan eine nur zu gute Gelegenheit, Wahrheit durch Gefühle zu ersetzen. So wie die Vertrautheit einer Ehebeziehung nur im privaten Bereich ausgelebt werden sollte, so glaube ich, sollte man innige geistliche Gemeinschaft mit dem Herrn am besten im »stillen Kämmerlein« ausüben.

6. Gemeindespaltungen

In einer Gemeinde, die von herkömmlicher Musik auf moderne umsteigt, gibt es üblicherweise eine Gruppe von Konservativen, die sich daran stoßen. Was geschieht mit ihnen, wenn sie ihre Vor­behalte äußern? Wie werden sie von den Zeitgemäßen behandelt? Solche Umstellungen enden nicht selten mit Gemeindespaltungen, wobei den Konservativen vorgeworfen wird, sie seien streitsüchtig oder hätten eine verurteilende Haltung. Doch wenn wir genauer hinschauen, wie die Zeitgemäßen mit den skeptischen Konservati­ven umgehen, sehen wir, wer wirklich für die Gemeindespaltungen verantwortlich ist.

Wie bereits gesagt, betrachten Zeitgemäße solche Leute, die es wagen, ihre Musik in Fra­ge zu stellen, als »arme, traditionsgeknechtete Leute, die das Herz der Anbetung überhaupt nicht verstehen«, die »Gott hindern, das zu tun, was er tun will«. Von dieser Uneinigkeit schaffenden Ge­sinnung sind heute viele Lobpreisleiter angesteckt und auch ich war davon befallen

Kein Wunder, dass langjährige Gemeindeglieder sich veranlasst sehen, die Gemeinde zu verlassen. Manchmal haben sie selbst die­se Gemeinde begonnen oder aufgebaut. Ihnen wird der Eindruck vermittelt, dass sie etwas falsch gemacht hätten, obwohl in Wirk­lichkeit die Zeitgemäßen das Problem verursacht haben. Erst vor kurzem ist mir bewusst geworden, welch gro­ßes Leid so etwas verursachen kann, als meine eigene Familie eine Gemeinde wegen Uneinigkeit in Sachen Musik verließ. Ich glaube, Gott wollte mich durch die Erfahrung dieses Leids führen, damit mir letztlich klar wird, was ich anderen angetan habe.

Rick Warren gibt offen zu, dass eine Gemeinde bei Umstellung der Musik unausweichlich Mitglieder verlieren wird:

Wenn Sie sich einmal für den Musikstil entschieden haben, den Sie im Lobpreis verwenden, haben Sie die Richtung Ihrer Gemeinde auf weit mehr Arten bestimmt, als Sie denken. Sie wird die Art von Menschen bestimmen, die Sie anziehen, und die Art von Menschen, die sie verlieren.

Wenn ein Gemeindeleiter die Einführung von CCM akzeptiert, haben jene Glieder seiner Gemeinde, die damit ein Problem in die Gemeinde eindringen sehen, keinen Hirten mehr, der sie beschützt. Stattdessen haben sie einen Hirten, der entschieden hat, dass die Sache es wert ist, dass einige Schafe verloren gehen. Aber wann darf ein Hirte Schafe aus seiner Herde vertreiben? Wir können alle zustimmen, dass die Bibel einen Gemeindeleiter auffordert, ein streitsüchtiges »Schaf« abzuweisen, wenn es durch biblische Gemeindezucht nicht zur Buße geleitet worden ist. Aber lehrt die Bibel auch, dass ein Hirte die guten und treuen Schafe wegtreiben darf, weil ein neues Musikprogramm eingeführt werden soll? Natürlich nicht, aber dennoch haben »zeitgemäße« Gemeindeleiter sich dazu berechtigt gesehen.

Viele Konservative sind sich vorgekommen, als habe man bei ihrem Weggang noch obendrein die Gemeindetür hinter ihnen zugeknallt. Sie wurden von einem in CCM verliebten Hirten aus dem Schutzbereich der Gemeinde rausgedrängt und dann einer gefähr­lichen Reise durch die von Wölfen behausten Wildnis überlassen, um einen neuen Hirten zu finden, der umstrittene Musikstile nicht wichtiger nimmt als seine Herde. Doch es kommt noch dicker: Nachdem den »Querulanten« gesagt wurde, dass sie selbstsüchtig seien und ihnen nichts an den Kirchendistanzierten läge, die wegen des Musikgeschmacks der Konservativen in die Hölle fahren, und nachdem einige ihre geliebte Gemeinde verlassen haben, verwirft diese »Kirche mit Vision« ihren Vorwand, dass »CCM nur in unseren evangelistischen Gästegottesdiensten eingesetzt werden soll«. Früher oder später werden alle Gottesdienste ihr CCM‑Programm haben. Das ist nämlich das wirkliche Ziel.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um über das nachzusin­nen, was Sie gerade gelesen haben. Hier geht es um schwere Sün­de, liebe Gemeindeverantwortliche. Es gibt kein biblisches Gebot, Christen aus der Gemeinde zu ekeln, um den Weg für moderne Musik frei zu machen oder für irgendeine andere Mode oder Ma­rotte. Sollten Sie ein Gemeindeverantwortlicher sein, der so etwas zugelassen hat, ist es noch nicht zu spät, Buße zu tun und die Sache in Ordnung zu bringen.

Mir ist jetzt klar, dass auch ich Menschen verletzt und Spaltung verursacht habe, als ich mich für CCM einsetzte und mit den Kon­servativen diskutierte. Ich habe Umstellungen von herkömmliche auf moderne Musik geleitet und zweifellos gab es da Gläubige, die deshalb die Gemeinde verlassen haben. Durch meine Überheblich­keit habe ich schmerzliche Spaltungen innerhalb meiner eigenen Familie verursacht. Ich habe diese Sünde dem Herrn bekannt, Buße getan und bitte die Betroffenen um Vergebung.

7. Wie sollen wir denn gemeinsam anbeten?

Ich habe einige sehr ernste Probleme beschrieben, die durch die CCM‑Welle in unsere Gemeinden eindringen. Es ist mein Gebet, dass jeder Verantwortliche, der bei dieser Bewegung mitmacht, ernsthaft bedenkt, dass wir eine Reformation in Sachen Musik brauchen.

Wir sollten weltförmige CCM‑Einflüsse aus unseren Got­tesdiensten verbannen. Bedenken Sie die folgenden Segnungen, die das mit sich bringen würde:

1.        Es wird weniger Uneinigkeit und Gemeindespaltungen geben.
2.        Es wird weniger Versuchungen zur Unmoral geben.
3.        Es wird weniger Spannungen zwischen den Gemeindeglie­dern geben.
4.        Es wird weniger Rücksichtslosigkeit untereinander geben.
5.        Wir werden weniger Kompromisse mit unseren Prinzipien machen.
6.        Gott wird durch all das geehrt und erfreut werden.

Wir sollten zur herkömmlichen alten und zur unbedenklichen neu­en Musik in unseren Gottesdiensten zurückkehren. Die Musik in unserer Gemeinde sollte Schönheit und Frieden ausdrücken. In Philipper 4,8 findet sich eine Aufzählung der erstrebenswerten Din­ge: » Im übrigen, ihr Brüder, alles, was wahrhaftig, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was wohllautend, was irgend ei­ne Tugend oder etwas Lobenswertes ist, darauf seid bedacht!« Wie konnten wir jemals glauben, wir könnten an dem festhalten, was »rein« ist, und gleichzeitig CCM einsetzen, die so eng mit Unmoral und Zügellosigkeit verbunden ist?

. . . Das ist keine einfache Veränderung. CCM schlägt feste Wurzeln in unseren Herzen und kämpft erbittert darum, uns fest im Griff zu halten. Der Geist der CCM prägt jeden, der mit ihr zu tun hat. Fluchtversuche verursachen Trennungsschmerzen. Doch Gott ist treu und gerecht und vergibt uns, wenn wir Buße tun und ihm unse­re Sünden bekennen (1Joh 1,9).

Ich habe gute Nachrichten für die CCM’ler, die mutig genug sind, um eine solche Reformation zu erwägen. Gott wohnt unter dem Lobgesang seines Volkes ‑ ohne den letzten Schrei der CCM‑Szene. Ich weiß, dass das stimmt, weil unsere jetzige Gemeinde einen sol­chen Gottesdienst praktiziert.

Bei einem typischen Gottesdienst bekommt man bei uns Folgen­des zu sehen:

• Die großartigen Glaubenslieder aus den Liederbüchern
• Lebhafte Beteiligung der ganzen Gemeinde
• Neuere Lob‑ und Anbetungslieder (aber keine im CCM‑Stil)
• Einen Flügel und eine Orgel
• Eine Gruppe Instrumentalisten mit Streich‑ und Blasinstrumenten
• Einen fröhlichen, gut eingeübten Chor
• Solisten, die mit Livebegleitung singen
• Ensembles, die Wert auf Harmonie legen
• Kulturell adrette und tadellose Kleidung bei allen Musikern

Und Folgendes bekommt man nicht zu sehen:

• CCM‑Varianten wie Softrock oder andere Rockmusikstile, Jazz, Rap, Country usw.
• Eine Lobpreisband mit E‑Gitarren und Schlagzeug
• Musiker, die wie weltliche Künstler auftreten
• Auf eine Leinwand projizierte Texte anstelle echter Noten
• Einen abgedunkelten Gemeinderaum
• Solisten, die sich kleiden und bewegen wie säkulare Musiker
• Begleitmusik vom Band

Die wahre Gesinnung der Anbetung

Wie bereits gesagt: Wenn wir anbeten, müssen wir ler­nen, unsere Herzen vor dem großen Gott zu demütigen. Wir müssen seinem Wort gehorchen, bevor wir erwarten können, dass er unser Lobopfer annimmt. Wir müssen außerdem fleißig nach persönlicher Heiligkeit streben und jede Andeutung von Unmoral meiden. Zwar sind auch unsere Gemeindeglieder bei weitem nicht vollkommen, doch streben sie zumindest ernsthaft nach diesem Ziel. Wenn sie im Gebet, beim Singen oder bei einer Predigt mit der Herrlichkeit Gottes konfrontiert werden, reagieren sie eher mit einer Haltung des »Fallt auf die Knie« als eines »Erhebt eure Hände«.

Bleiben oder gehen?

Was ist, wenn Sie in einer Gemeinde mit CCM‑Gottesdiensten sind und Sie wenig Hoffnung auf Änderung sehen? Sollten Sie dort blei­ben oder gehen und sich eine neue Gemeinde mit konservativem Gottesdienst suchen? Das ist leichter gesagt als getan. In vielen Gegenden der Welt sind die meisten evangelikalen Gemeinden zu zeitgemäßen oder gemischten Gottesdiensten übergegangen, sodass wenig Wahlmöglichkeiten bestehen. Bisherige Glieder unserer Ge­meinde, die aus beruflichen Gründen in eine andere Gegend zie­hen mussten, berichten oft, dass es sehr schwierig ist, eine andere bibeltreue Gemeinde zu finden, die dieselbe Überzeugung hat und umstrittene CCM‑Stile meidet.

Vielleicht halten Sie es für nötig, in Ihrer Gemeinde zu bleiben und die Situation zu ertragen. Lesen wir, was Albert Barnes in sei­nem Kommentar zu Lukas 4,16 über die Zugehörigkeit zu einer unvollkommenen Gemeinde schrieb. Hier erklärt Barnes, dass der Herr Jesus regelmäßig in die Synagoge ging, obwohl die Lehre und Praxis dort verdorben war. Daraus zieht er zwei wichtige Schluss-folgerungen bezüglich unserer Pflicht, an der öffentlichen Anbetung teilzunehmen:

Und er [Jesus] ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge. Der Heiland hat also anscheinend regelmäßig den Gottesdienst in der Synagoge besucht. In einem solchen Gottesdienst wurden die Schriften des Alten Testaments vorgelesen, es wurde gebetet und das Wort Gottes wurde ausgelegt. In jener Zeit waren Lehre und Praxis sehr verdorben, aber Christus blieb deshalb nicht vom Ort der öffentlichen Anbetung fern.

Daraus lernen wir:

Erstens. Dass es unsere Pflicht ist, regelmäßig der öffentlichen Anbetung beizuwohnen.

Zweitens. Dass es besser ist, einen Ort der Anbetung aufzusuchen, der nicht vollkommen rein ist oder wo die Lehre nicht so verkün­det wird, wie wir es uns wünschen, als überhaupt keine Anbetung aufzusuchen.

Zu bleiben oder zu gehen ist eine persönliche bzw. familiäre Ent­scheidung, die unter viel Gebet erwogen werden muss.

Schlussfolgerung

Wenn man in die falsche Richtung läuft, kommt man manchmal am besten vorwärts, indem man eine Kehrtwendung macht, zurückgeht und den richtigen Weg einschlägt. Fortschritt ist immer eine Frage der Qualität. In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten hat die christ­liche Musikszene gewaltige Fortschritte gemacht ‑ aber ich glaube, in die falsche Richtung. Es ist Zeit umzukehren, oder, wie die Bibel sagt, Buße zu tun.

… Ich habe dieses Buch geschrieben, weil Judy und ich die Schmet­terlinge retten wollen, die im Sturm der CCM‑ und P&W‑Bewegung verletzt worden sind. Liebe Schmetterlinge, lasst uns wissen, ob wir euch ermutigt haben. Ich hoffe außerdem, dass sich sowohl die Ver­antwortlichen als auch die Anhänger dieser Bewegung durch mein Zeugnis die Augen von Gott haben öffnen lassen, um den geistlichen und seelischen Schaden zu erkennen, den der CCM‑Sturm angerich­tet hat. Über einen aufrichtigen Dialog mit jedem, der Fragen oder Anmerkungen hat, würde ich mich freuen: danlucarini@msn.com.

Möge unser großer und gnädiger Gott uns allen Buße geben von Weltförmigkeit ‑ und den Willen, unsere Anbetung zu reformieren, damit sie ihm wohlgefällig ist!

Nachwort

In diesem Erfahrungsbericht ging es hauptsächlich um den Einsatz moderner Musik innerhalb der örtlichen Gemeinde. Sein besonderer Wert be­steht darin, dass sich der Autor selber jahrelang an vorderster Front für CCM eingesetzt hat und nun als Insider warnt. Er schreibt aus der Situation in den USA, die gewöhnlich ein Vorreiter dafür ist, wie es bei uns bald aussehen wird. Im deutschsprachigen Raum gibt es moderne Lobpreismusik bisher hauptsächlich in einer ständig wach­senden Zahl von charismatischen und charismatisch beeinflussten Gemeinden.

In unserem Sprachraum betrifft die CCM‑Problematik aber nicht nur die örtlichen Gemeinden, sondern prägt vor allem den übergemeindlichen Bereich christlichen Lebens: Christ­liche Jugendevents, christliche Buchläden, christliche Jugendzeit­schriften, private christliche CD‑Sammlungen und christliche Frei­zeitgestaltung sind ohne CCM nicht mehr vorstellbar. Unabhängig von den Ortsgemeinden bzw. deren Leitung hat sich sogar eine ganze Praise&Worship‑Szene in Form von Konzerten und regelmä­ßigen P&W‑Events entwickelt und etabliert, die geradezu eine »Pa­ra‑Church« bildet, eine überregionale, ökumenisch‑charismatische Alternativgemeinde.

Was von dieser Musik prinzipiell zu halten ist, wurde in diesem Bericht deutlich gesagt, und welchen geistlichen Gefahren Christen sich dadurch aussetzen, sollte durch Lucarinis Warnungen klar geworden sein. Eine weitere Gefahr, auf die Lucarini nicht eingegangen ist, möchte ich abschließend noch aufzeigen: CCM schafft eine falsche ökumenische Einheit. Obwohl diese Musik in Ortsge­meinden eher Spaltungen verursacht, hat sie auf übergemeindlicher Ebene eine integrative Wirkung und vereint Christen unter dem »CCM‑Lebensstil« und der dementsprechenden zugrundeliegen­den Glaubensauffassung. Unzählige junge Gläubige wer­den in den Bann dieser Musik gezogen und von ihr geprägt.

Musik ist oft als die Sprache gepriesen worden, die die ganze Welt versteht. Musik zieht Menschen stark an, sich mit ihr zu identifizieren und bildet somit ganz ohne strukturelle Organisation eine Einheit unter allen, die sich mit ihr verbunden fühlen. Dieses Phänomen ist bei moderner christlicher Musik ganz eindrücklich zu beobachten. Diese Musik schafft es, konfessionelle Schranken niederzureißen, um deren Überwindung man sich auf formale Weise jahrlang vergeb­lich bemüht hat. Als Beispiel sei hier nur die Veranstaltung »Christi­val« genannt, die ein Sammelbecken ist von Christen aller möglichen Glaubenshintergründe in anscheinend friedlicher Harmonie. Allen Teilnehmern gemein ist ‑ außer dem christlichen Bekenntnis ‑ vor allem die Liebe zu ihrer Musik, von der das Christival durchgehend geprägt ist. Welche extremen Zustände auf dieser Veranstaltung mit evangelikaler Trägerschaft bereits herrschen, verdeutlicht z. B. die Beschreibung eines Programmpunktes auf dem Christival 2002:

JesusDanceXperience

Die Dance und HipHop Party mit Jesus im Mittelpunkt. Mit Je­sus Party machen, sich von ihm begeistern lassen. Dieses Festival bringt dich in Bewegung. Heiße Beats und fette Styles sorgen für den passenden Rahmen.

»Jesus first« heißt hier: Jesus bestimmt den Groove dieser Party und lädt dich ein, den passenden Grundrhythmus für dein Leben zu finden. JesusDanceXperience verbindet Musik, Mes­sage und Party zu einem Gesamtprogramm, das Lust macht, Je­sus zu entdecken und andere Menschen zu Gottes himmlischer Party einzuladen.

Du bist eingeladen mit zu feiern, mit zu dancen, mit zu prai­sen! Mit dabei sind Gäste und Mitwirkende, die sich von Jesus den Takt angeben lassen, unter anderem normal generation? Appartement7, Danze InvaderZ, DJKnafffi. . .

Das ist ein erschreckendes Beispiel für die Frucht einer Glauben­sauffassung, wie sie in der CCM-Kultur vertreten wird: ein auf den Menschen und sein Vergnügen ausgerichtetes Verständnis vom christlichen Glauben. Hier haben wir es offensichtlich  mit einem anderen Evangelium und einem anderen Jesus zu tun (2Kor 11,4).

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch von Dan Lucarini  WORSHIP BIS ZUM ABWINKEN – Horst Koch, Herborn, 2008,

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