Krankheit oder Dämonie (A.Lechler)

Alfred Lechler

KRANKHEIT ODER DÄMONIE

 

Inhalt

I. Der Wert der Unterscheidung von Krankheit und Dämonie

II. Was verstehen wir unter Dämonie?

1. Die dämonische Gebundenheit – Ihre Ursachen – ihre Folgen – ihre Merkmale – die innere Zerrissenheit – das Verhalten gegenüber dem Seelsorger

2. Die Besessenheit – Ihre Merkmale – die Befreiung – Rückfälle

III. Die Unterscheidung von Krankheit und Dämonie

1. Schizophrenie oder Dämonie?  –  Der Besessenheitswahn – Schizophrenie bei Gläubigen – Zusammentreffen von Geisteskrankheit und Dämonie – Stimmenhören
2. Epilepsie oder Dämonie? –  Anfälle – Verstimmungszustände
3. Schwermut oder Dämonie? –  Lästergedanken – Selbstmordgedanken – Das Problem des Selbstmordes – Die Schwierigkeit der Unterscheidung
4. Neurose oder Dämonie? –  Visionen – Dämmerzustände – Eingebildete Besessenheit
5. Psychopathie oder Dämonie? –  Merkmale zur Unterscheidung
6. Alterserscheinungen oder Dämonie? – Verkalkung der Hirngefäße – Anfechtungen

IV. Christenglaube und Dämonie
Kann bei einem Christen eine Dämonie vorliegen? – Kann ein dämonisch Gebundener freiwerden und wie geschieht dies? – Kann der Umgang mit dämonischen Menschen, besonders die Fürbitte für sie, irgendwelchen Schaden oder gar eine Krankheit verursachen?

 

VORWORT
Über den Ursprung und das Wesen der Dämonie habe ich mich in meiner Schrift „Der Dämon im Menschen“ näher ausgelassen. In der vorliegenden Arbeit liegt es mir in erster Linie daran, eine Trennung zwischen Dämonie und Krankheit vorzunehmen. Eine solche Unterscheidung erscheint mir besonders nötig infolge der auf diesem Gebiet noch immer herrschenden großen Unklarheit.
Alfred Lechler

 

I. Der Wert der Unterscheidung von Krankheit und Dämonie
In unserer Umgebung begegnen wir häufig Menschen, die sich als seelisch abnorm erweisen und durch ihr ganzes Verhalten abstoßend wirken. Wir wissen vielfach nicht, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen, und ringen um eine klare Beurteilung, damit wir ihnen nicht durch eine verkehrte Einstellung und Betreuung Schaden zufügen. Meist scheint uns eine krankhafte Störung bei ihnen vorzuliegen; in manchen Fällen aber stellen wir die berechtigte Frage, ob nicht eine Dämonie dahintersteckt. In der Tat   die Frage: Krankheit oder Dämonie? ist nicht nur vom medizinischen, sondern auch vom seelsorgerlichen und rein menschlichen Standpunkt aus äußerst dringend.

Die Unterscheidung des dämonischen Menschen von dem seelisch Kranken stößt jedoch häufig auf erhebliche Schwierigkeiten. Denn einerseits sind viele Seelsorger geneigt, hinter den meisten abnormen Erscheinungen des Seelenlebens dämonische Wirkungen zu sehen. Andererseits wird von zahlreichen Menschen, die mit seelisch Belasteten zu tun haben, das Vorliegen einer Dämonie grundsätzlich abgelehnt mit der Begründung, die fraglichen Erscheinungen seien rein tiefenpsychologisch oder psychopathologisch zu erklären. Doch übersieht der wissenschaftlich Orientierte zu leicht, daß es auch eine unsichtbare Wirklichkeit gibt. Es gilt daher eine möglichst klare Trennung von Seelenkrankheit und Dämonie vorzunehmen.

Ich glaube, daß der christliche Nervenarzt bei dieser Aufgabe einen wichtigen Beitrag zu leisten hat. Er befindet sich dabei jedoch in einer nicht leichten Lage. Denn auf der einen Seite ist es ihm nicht möglich, die Dämonie rundweg zu verneinen, wie es die psychiatrische Wissenschaft und die moderne Theologie tun, die nicht selten schon denjenigen, der das Wort „Dämonie“ in den Mund nimmt, ohne weiteres als geistig abnorm bezeichnen. Auf der anderen Seite vermag der christliche Arzt der in gläubigen Kreisen meist verbreiteten Auffassung von der engen Beziehung der seelischen Erkrankungen zur Dämonie nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Er hat sich daher von dem Bestreben leiten zu lassen, jeden einzelnen Fall von fraglicher Dämonie einer sachlichen, unvoreingenommenen Prüfung zu unterziehen.

Ist es denn überhaupt begründet, von Dämonie zu reden? Zweifellos. Erkennen wir heutzutage nicht mehr und mehr, daß die Dämonie keineswegs ein veralteter biblischer Begriff ist? Seit den Tagen Jesu hat die Dämonie durch die Jahrhunderte hindurch bis in die Gegenwart hinein eine nicht geringe Rolle gespielt. Die katholische Kirche zeigt auch heute noch eine bemerkenswerte Aufgeschlossenheit auf diesem Gebiet und hat eine besondere Lehre über die Besessenheit und den Exorzismus aufgestellt. Bei dem Wort „Dämonie“, das heutzutage in vieler Munde ist, denken allerdings die meisten Menschen nur an eine unheimliche, böse Macht, unter der sie sich nichts Genaueres vorstellen können. Sie pflegen über den, der hinter dieser Macht ein durchaus persönliches Wesen erkennt, zu lächeln. Und doch entpuppt sich dieses Wesen für diejenigen, die tiefer schauen als der Widersacher Gottes, der eine große Gewalt auszuüben vermag. Für sie ist die Dämonie nicht ein überlebter Begriff, sondern eine furchtbare Wirklichkeit, mit der wir, zumal in der heutigen Zeit, unbedingt zu rechnen haben. Traten nicht bei manchen Persönlichkeiten des Zweiten Weltkrieges sehr deutliche dämonische Kräfte zutage, und ist es nicht angesichts der sich auffallend häufenden Erscheinungen der Gegenwart zur Genüge ersichtlich, daß es ausgesprochen dämonische Wirkungen gibt in Form von Gewalttaten, Mord und Raub, von Zuchtlosigkeit auf den verschiedensten Gebieten, von Haß und Streit? Bestätigen diese Wirkungen nicht die Wahrheit der biblischen Berichte? Es erscheint daher in keiner Weise angebracht, eine Entmythologisierung dieser Berichte vorzunehmen, die der Wirklichkeit keineswegs gerecht wird. Es ist auch nicht so, daß Jesus sich dem jüdischen Volksglauben nur angepaßt und so getan habe, als ob Er Teufel austriebe. Wir dürfen vielmehr überzeugt sein, daß Jesus als der Sohn Gottes eine unfehlbare Menschenkenntnis besaß, und haben daher allen Grund, das Handeln Jesu gegenüber dämonischen Menschen völlig ernstzunehmen.

Die Bibel vermag uns in der Tat auf unsere Frage: Krankheit oder Dämonie? eine klare Antwort zu geben. So hat Jesus eine deutliche Trennung zwischen beiden Begriffen vorgenommen. Als Er Seine zwölf Jünger aussandte, waren die wichtigsten Anweisungen, die Er ihnen gab, neben der Predigt vom Reich Gottes: „Machet die Kranken gesund, treibt die Teufel aus“ (Matth. 10, 1.8). Und in Markus 16, 17.18 führt Er die Zeichen an, die die an Ihn Glaubenden tun werden: In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben. . ., auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden.“ Daß Jesus einen genauen Unterschied zwischen Kranken und Besessenen machte, zeigt die Heilung eines Taubstummen, indem Er die Finger in seine Ohren legte und seine Zunge berührte, betete und zu ihm sprach: „Tu dich auf!“, wonach der Kranke sofort wieder hören und sprechen konnte (Mark. 7, 32 bis 35). Andererseits trieb Er bei einem taubstummen Knaben einen Teufel aus mit den Worten: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest“ (Mark. 9, 25). Und dem Herodes ließ Jesus sagen: „Ich treibe böse Geister aus und vollführe Heilungen“ (Luk. 13, 32).

Ebenso unterschieden die Apostel zwischen Kranken und Besessenen. Markus berichtet z. B. (1, 32.34): „Sie brachten zu Jesus allerlei Kranke und Besessene und Er half vielen Kranken und trieb viele Teufel aus.“ Und Markus 6, 13 lesen wir: „Sie trieben viele Teufel aus und salbten viele Sieche mit Öl und machten sie gesund“ (vgl. Mark. 3, 10.11 und Luk. 7, 21). Aus diesen Gründen haben wir die Pflicht, gegenüber seelisch gestörten Menschen auf eine strenge Unterscheidung von Krankheit und Dämonie größten Wert zu legen.

 

II. Was verstehen wir unter Dämonie?

Doch zunächst haben wir die Frage zu klären, worin die Dämonie besteht. Wir verstehen unter dieser Bezeichnung eine Beeinflussung des Menschen durch Satan, der mitsamt seinen Untertanen, den Dämonen, alles darauf anlegt, den Menschen zur Sünde zu verführen und sein Seelenleben zu vergiften, um ihn dadurch in seine Gewalt zu bekommen. Diese Absicht erreicht Satan durch die dämonische Gebundenheit und die Besessenheit, in die er die Menschen geraten läßt, indem er ihnen besondere Merkmale aufdrückt und ihnen allerhand seelische Störungen beibringt.

Aus den biblischen Berichten über Saul und Hiob ersehen wir, daß die Tätigkeit der Dämonen von Gott zugelassen, ja von Ihm gewirkt ist. Ebenso wie Gott dem Menschen, der Ihm gehorsam ist, Seinen Geist gibt, kann Er denjenigen, der sich hartnäckig Seiner Stimme widersetzt und sich schwer versündigt, in die Hand eines bösen Geistes geben, der den Menschen an sich bindet und beherrscht. So schickte Gott dem König Saul einen bösen Geist, der ihn mit innerer Unruhe und Angst, mit Raserei und Mordabsichten erfüllte (1. Sam. 16, 14.15; 18, 9 12). Gott kann aber auch im Menschen vorübergehende satanische Anfechtungen zulassen, wie dies bei Hiob der Fall war, um ihn auf seine Standhaftigkeit zu prüfen (Hiob 1, 12; 2, 5.6). Gott besitzt die Macht und Kontrolle über die Geister, über die bösen ebenso wie über die guten (Matth. 8, 16). Die Dämonen vermögen nichts gegen den Willen Gottes zu unternehmen, ihrer Macht sind von Gott Grenzen gesetzt (Hiob 2,6).

Wenn von mancher Seite ein Beitrag der medizinischen Erfahrung gefordert wird, um der Frage einer Wirklichkeit der Dämonie näherzutreten, so glaube ich, im folgenden eine Reihe von typischen Merkmalen der Dämonie anführen zu können, die ein Licht auf den ganzen Fragenkomplex zu werfen geeignet sind. Im übrigen gilt das Wort von Bieneck: „Man erkennt die Dämonie nur, wenn man durch lebendigen Umgang mit der Bibel und durch die Nachfolge Jesu geübte Sinne dafür hat.“

 

1. Die dämonische Gebundenheit

Diese ist außerordentlich häufig anzutreffen und nimmt heutzutage rapide zu. Wir verstehen darunter einen Zustand der Bindung des Menschen an Satan, so daß dieser ihn in seiner Gewalt hat. So sagte Jesus zu Seinen Jüngern: „Einer von euch ist ein Teufel“, indem Er auf die Gebundenheit des Judas Ischarioth an Satan hinwies. Und Johannes schreibt von ihm (13, 2): Bei dem Abendessen, da schon der Teufel es dem Judas ins Herz gegeben hatte, daß er Ihn verriete . . .“ Auch in Luk. 13,16 ist von einer Frau die Rede, die 18 Jahre lang von Satan mit Krankheitsfesseln gebunden war. Und von Ananias und Saphira wird erwähnt, daß der Teufel sie zur Geldliebe verführt hatte (Apg. 5, 3). Ebenso spricht Paulus 2. Tim. 2, 26 von Menschen, die sich von den Schlingen des Teufels haben einfangen lassen zur Ausführung seines Willens. Und Jesaja (61,1) spricht von der Befreiung der Gefangenen und der Entfesselung der Gebundenen. Aus diesen Stellen geht hervor, daß Satan einen Menschen an sich zu ketten vermag, indem er ihm seinen Willen aufzwingt oder ihn krank macht, so daß er zu einem Gefangenen Satans wird.

Was aber gibt Satan das Recht dazu, den Menschen an sich zu binden? Mit anderen Worten: was sind die U r s a c h e n der dämonischen Gebundenheit? Sie kommt zustande, wenn der Mensch in schweren, unvergebenen Sünden lebt und in völliger Verstocktheit dem Geiste Gottes andauernd widerstrebt, oder wenn er einen Mord, auch die Tötung des keimenden Lebens, auf dem Gewissen hat oder einen Meineid schwört. Besonders leicht gerät der Mensch in dämonische Gebundenheit, wenn er sich selbst bewußt in Berührung mit finsteren Mächten bringt, indem er sich mit okkulten Dingen abgibt. Dazu gehören Besuche bei einer Wahrsagerin, die mit dem Teufel im Bunde steht, spiritistisches Totenbefragen, aktive oder passive Besprecherei. Aber auch schon die Benützung eines Zauberbuches oder eines Horoskopes, abergläubische Gebräuche, wie das Tragen von Amuletten oder das Schreiben von sogenannten Schutzbriefen, ferner Pendeln und Rutengehen können zu einer dämonischen Bindung führen. Dasselbe geschieht, wenn der Mensch seine Feinde oder das Kreuz und Jesus oder Gott und den Heiligen Geist verflucht. Denn jeder Fluch ist ein Anruf an den Teufel und führt daher zu einer Bindung an ihn. Ebenso kann ein Mensch in dämonische Gebundenheit fallen, wenn er von einem dem Teufel hörigen Menschen verflucht wird.

Vor allem hat eine bewußte Verschreibung an Satan, zumal mit dem eigenen Blut, eine schwere Gebundenheit zur Folge. Solch ein förmlicher Vertrag mit dem Teufel ist häufiger als man denkt, aber meist unbekannt, weil der Betreffende auf keinen Fall darüber etwas auszusagen wagt. Eine solche Auslieferung an Satan mit Leib und Seele erfolgt meist zu dem Zweck, die Erfüllung besonderer Wünsche zu erreichen.

Aber nicht nur derjenige, der die genannten Sünden begeht, gerät in dämonische Bindung, sondern, wie Dr. Koch seinem Buch Seelsorge und Okkultismus schreibt, nicht selten auch der Mensch, dessen Eltern oder Vorfahren sich mit Zauberei und anderen okkulten Dingen abgegeben haben. Starke Zauberer oder Medien suchen nämlich vor ihrem Tode aus ihrer Verwandtschaft oder Umgebung einem ihnen geeignet erscheinenden Erwachsenen oder Kind ihre okkulten Fähigkeiten zu übertragen. Diese entdecken dann eines Tages ihre merkwürdigen Gaben.

Durch all die erwähnten Machenschaften beansprucht der Mensch die Dienste des Teufels. Er sucht entweder etwas zu erlangen, was ihm bisher versagt blieb, etwa Gesundheit und irdisches Glück, oder er sucht die Zukunft zu erfahren, die Gott ihm absichtlich verborgen hat. Satan aber gewährt ihm nur allzu gerne seine Hilfe. Doch diese Hilfe wirkt sich bald in verhängnisvollen F o l g e n aus. So werden die Menschen, die sich besprechen lassen, zwar meist gesund, und denen, die zur Wahrsagerin gehen, wird die Zukunft richtig vorausgesagt, wenn die Helfer sich dämonischer Kräfte bedienen. Auch der mit dem Teufel geschlossene Vertrag geht in Erfüllung, wie auch der gegen einen Menschen ausgesprochene Fluch, falls der Verfluchte nicht ein Jünger Jesu ist. Aber der Teufel leistet seine Dienste nicht umsonst. Er bindet die Menschen, die sich an ihn wenden, mit schweren Ketten an sich, so daß sie ihm hörig werden. Der Mensch ist nicht mehr imstande, sich in eigener Kraft aus diesen Banden zu lösen. Gott hat sich von ihm zurückgezogen, Er hat ihn „dahingegeben“ (Römer 1, 24.26.28). Und meist zeigen sich alsbald schwere Folgen in seinem Seelenleben.

Damit kommen wir zu den M e r k m a l e n der dämonischen Gebundenheit, denen ich aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit immer wieder begegnet bin. Zwar vermag der Teufel auf die verschiedenste Weise seinen Einfluß auf den Menschen auszuüben, so daß es nicht leicht ist, eine erschöpfende und zuverlässige Beschreibung der Kennzeichen seiner Bindung zu geben. Und doch können wir in vielen Fällen ein ziemlich klar umrissenes Symptomenbild beobachten, das vor allem das Gebiet des Seelenlebens betrifft.

Zunächst gerät das ganze menschliche D e n k e n  u n d  F ü h l en unter den Einfluß des Teufels. Dementsprechend legt der Mensch eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber göttlichen Einwirkungen, ja oft eine direkte Ablehnung des Glaubens an Gott an den Tag. Das Wort Gottes hat ihm nichts zu sagen, die Verheißungen der Bibel lassen ihn kalt. Bei religiösen Beeinflussungsversuchen hat er nur Hohn und Spott übrig oder er läuft voller Wut weg. Er kann nur noch Böses, nur gottwidrige Dinge denken. Die Sucht zu unreinen Gedanken und zur Lüge erfüllt ihn, er ist geradezu besessen von der Lust, Unwahres zu sagen. Vielfach lügt er, ohne sich dessen bewußt zu sein. über seine Sünden empfindet er keinerlei Reue, und doch wird er von einer dauernden Unruhe, Friedelosigkeit und gedrückten Stimmung geplagt. Schon der Anblick eines Kruzifixes, eines Leuchtkreuzes oder eines Bildes von Jesus stört ihn. Nicht selten quält ihn eine furchtbare Angst, weil er sich Tag und Nacht verfolgt fühlt. Oft ist es ihm, als stehe jemand hinter ihm oder an seinem Bett.

Aber nicht nur das Denken und Fühlen, sondern auch das W o l l e n des dämonisch Gebundenen wird von Satan regiert. Er will Gott auf keinen Fall Gehorsam leisten und begeht bewußt Sünde, obwohl er meist genau weiß, daß sie ein Unrecht ist. Aber er wird innerlich gezwungen zu tun, was der Teufel ihm einredet oder befiehlt. So neigt er zur Auflehnung und Lästerung gegen Gott, zum Jähzorn und Trotz gegenüber seinen Nebenmenschen, zu Schikanen und Feindschaft, zu Erregtheit und Gewalttätigkeiten. Wenn er sich ärgert, verflucht er sich selbst; er verflucht und haßt die anderen, wenn sie ihm etwas angetan haben. Zu einer Aussöhnung ist er auf keinen Fall bereit. Selbst seine Angehörigen und Freunde kann er ohne besonderen Grund oder bei einer geringen Auseinandersetzung verwünschen und schlagen oder gar Mordgedanken gegen sie hegen. Eine übermäßige Stärke des Geschlechtstriebes, die Sucht zu abnormen sexuellen Handlungen, zu Alkohol und Nikotin und anderen groben Leidenschaften kann ihn völlig beherrschen. Auch verspürt er oft einen unwiderstehlichen Drang, Hand an sich zu legen, und setzt seine Selbstmordgedanken vielfach mit vollem Bewußtsein in die Tat um. Häufig begeht er auch unbedachte Taten, die sich gegen Gott wenden. So kann er seine Bibel vernichten oder er reißt Seiten, die ihn anklagen, aus ihr heraus, er verbrennt religiöse Schriften, wirft das Gesangbuch in die Ecke, entfernt fromme Wandsprüche. Gibt man ihm ein christliches Blatt, so kann es geschehen, daß er gemeine Reden führt, lästert und, ohne hineinzuschauen, das Blatt zerreißt und es in den Papierkorb wirft oder sogar mit dem Fuß darauf trampelt. Auch ruft er oft den Teufel an, damit dieser ihm helfe.

Ein sehr häufiges Merkmal der dämonischen Gebundenheit ist die Unfähigkeit, den Namen Jesu a u s z u s p r e c h e n oder zu schreiben. Nur mit größtem Widerstreben und nach innerer Überwindung vermag er dies schließlich, indem sich sein Gesicht entstellt oder wenn er den Namen mechanisch ausspricht. Satan will nicht an diesen Namen erinnert werden, denn es ist der Name dessen, der ihn am Kreuze besiegt hat.

Wenn daher der Gebundene ein Gebet oder einen Satz sagen soll, in dem das Wort „Jesus“ vorkommt, so bleibt er gewöhnlich stumm. Schon wenn er diesen Namen hört, kann er in innere Erregung geraten, die Stirn runzeln, ja geradezu toben. Auch lehnt er es ab, ein Lied, das von Jesus handelt, zu singen oder ein Bild Jesu anzuschauen. Jedes Buch, in dem von Jesus die Rede ist, legt er beiseite. Eine Gebundene, die brieflich den Namen Jesu erwähnen wollte, schrieb mir: “Der, der am Kreuz hängt … Sie wissen, wen ich meine.“ Wird ein solcher Mensch aufgefordert, im Gebet sich an Jesus zu wenden, so wird ihm der Hals geradezu zugeschnürt oder es steigen ihm höhnische und lästerliche Gedanken auf, auch bringt er es nicht fertig, die Hände zu falten. Ebenso spürt er einen Widerwillen, wenn vom Teufel oder Satan, von Dämonen, von der Hölle die Rede ist. Bei jeglichem Versuch religiöser Beeinflussung wird er unruhig und abweisend.

Die Merkmale der dämonischen Gebundenheit, die mehr oder weniger den Eigenschaften des Bösen gleichen, können wie folgt zusammengefaßt werden:

1. Da Satan der Vater der Lüge ist (1. Mose 3,4.5; Joh. 8,44; 1. Joh. 2,22), zeigen sich bei dem von ihm Gebundenen Lüge und Falschheit, Hinterlist und Betrügerei, Verleumdung und Irrlehre (Spr. 12, 5; Jer. 9, 5; Röm. 1, 33; 1. Tim. 4, 2).

2. Da Satan ein Mörder von Anfang ist (Joh. 8, 44), flößt er den Menschen den Drang zum Selbst¬mord ein, dazu die Lust zum Töten, den Haß und Jähzorn, Zerstörungstrieb, Brutalität, Folterung, Rachsucht, Unversöhnlichkeit (l. Mose 4, 8; 1. Sam.18,11; Röm.1,29.31; Gal.5,20).

3. Da Satan der Fürst der unreinen Geister ist (Matth. 10,1; Apg. 5,16 u. a.), verführt er zur Sucht, zur Unkeuschheit, zu Hurerei und abnormen sexuellen Betätigungen (Röm. 1, 24; 1. Kor. 6,9; Gal. 6,19; 2. Tim. 3, 3).

4. Da Satan der Widersacher Gottes ist (Matth. 13,19.25.39; Eph.2,2; 1. Petr.5,8; 1.Joh.3,8 a), wirkt er in den „Kindern des Unglaubens“ den Widerwillen und die Spottsucht gegenüber allem Göttlichen, Fluchen und Lästern, Auflehnung gegen Gottes Gebote, die Freude am Sündigen, das Unvermögen zu glauben und zu beten, bewußten Atheismus (Apg. 13, 8.10; 2. Kor. 4, 4; 2. Thess. 2, 4; 2. Tim. 3, 2).

5. Da Satan der Herr der friedelosen Geister ist (Luk. 11, 24), suchen diese auch im Menschen Unruhe, Friedelosigkeit, Unrast zu säen (l. Mos. 4, 12; Luk. 8, 29).

6. Da Satan der Fürst der Finsternis ist, weil er das Licht haßt, das die Sünde aufdeckt (Luk. 22, 53; Eph. 6,12; Kol. 1, 13), beobachten wir bei seinen Gebundenen oft ein finsteres, heimtückisches, undurchsichtiges, verschlossenes, unaufrichtiges, verräterisches Wesen sowie vielfach okkulte Betätigung (l. Mos. 4, 5; Spr. 2, 13; 1. Sam. 16, 14. 15; 18, 9; Matth. 6, 23; Joh. 3, 19.20; Apg. 8, 21.22).

7. Da Satan oft als getarnter „Engel des Lichts“ auftritt (2. Kor. 11, 13.14; Offb. 13, 3.13), erweisen sich seine Anhänger häufig als falsche Propheten, die scheinheilig und heuchlerisch das Wort Gottes verfälschen, den Namen des Herrn im Munde führen, aber nicht Seinen Willen tun, die mit ihren Taten zu glänzen suchen und sich geradezu göttlich verehren lassen oder im Namen Gottes bewußt Falsches weissagen (Jer.14,14; 23,14; 29,8.9; Matth.7,15.21; Apg. 8, 9.10; 2. Kor. 2, 17; Kol. 2, 18.23; 2. Thess. 2, 9; 1. Tim. 4, 3; 2. Tim. 3, 5; Offb. 2, 2 b; 3, 9).

Eine besondere Art dämonischer Gebundenheit kann die m e d i a l e F ä h i g k e i t darstellen. Es gibt nämlich nach Dr. Kochs Erfahrungen Menschen, die von ihren okkult tätigen Vorfahren eine Medialität ererbt oder durch eigene okkulte Betätigung eine solche Fähigkeit erworben haben. Bei ihnen finden sich neben den erwähnten Merkmalen zuweilen Zustände von Bewußtlosigkeit (Selbsthypnose), Hellsehen, Telepathie, außergewöhnliche Memorierfähigkeit, Nachtwandeln, heilmagnetische Kräfte, Pendeln, Rutengehen. Hinzugefügt sei jedoch, daß diese Symptome in manchen Fällen nicht als dämonisch zu bezeichnen sind. Immerhin besteht auch hierbei die Gefahr der Einwirkung dämonischer Mächte.

Der Grad der dämonischen Gebundenheit ist sehr verschieden, er ist abhängig von der Schwere der Schuld, die der Mensch auf sich geladen hat. Die leichteren Formen der Dämonie sind oft nur nach eingehendem Befragen erkennbar.

Wenn nun ein Gebundener Satans religiös angefaßt ist, was durch anhaltende, vollmächtige Seelsorge geschehen kann, kommt es bei ihm zu einer typischen inneren Zerrissenheit. Zeitweise hat er den ehrlichen Wunsch, an Gott und Jesus zu glauben und Ihm nachzufolgen; und doch vermag er den Glauben nicht zu fassen, weil eine innere Stimme ihn davon abhält. „Ich möchte ein Eigentum Jesu sein, aber kann es nicht, weil eine Mauer dazwischensteht“, sagte mir solch ein Gebundener. Vor allem ist es ihm, auch wenn er das Verlangen dazu hat, zunächst nicht möglich, die Liebe Gottes und die Vergebung seiner Sünden für sich zu nehmen, auch wenn er theoretisch an das Sühnopfer Jesu glauben kann. Wie oft klagt er: „Es gibt für mich keine Erlösung und keinen Frieden. Könnte ich mich nur ausweinen! Aber mein Herz ist wie Stein.“ Er empfindet einen starken Widerwillen, wenn er die Bibel lesen oder beten möchte. Und wenn er nach innerem Kampf es schließlich fertig bringt, Gottes Wort zu lesen und zu beten, ist er meist nicht imstande, sich zu konzentrieren, weil sofort andere Gedanken von ihm Besitz nehmen oder weil ihn eine auffallende Müdigkeit erfaßt. Hin und wieder vermag er seine Knie nicht zu beugen oder er steht während des Betens plötzlich auf und äußert voller Wut, alles Beten sei Lug und Trug. Unter seiner Zwiespältigkeit und Friedelosigkeit leidet er meist sehr. Er hört oft innere Stimmen und Eingebungen, ohne zu wissen, was sie zu bedeuten haben.

Seine vielfache Schuld erkennt der Gebundene, der innerlich zerrissen ist, meist, aber es fehlt ihm zunächst an der echten Reue. Zwar will er von seiner Gebundenheit loskommen, und doch muß er immer wieder seiner Lieblingssünde nachgehen, weil er die Kraft zu ernstem Widerstand nicht aufbringt. Bald fühlt er sich zum Guten hingezogen und ist entschlossen, sein Leben Gott auszuliefern; bald haßt er das Gute, hat Freude am Bösen und zweifelt an Gott und der Wahrheit der Bibel. Zu seinem Nebenmenschen kann er durchaus freundlich und hilfsbereit sein; doch unvermittelt gibt er ihm eine freche und gehässige Antwort, ja er kann ihn in unflätiger Weise beschimpfen. Einmal schreibt er dem anderen einen liebenswürdigen Brief, dann wieder sendet er ihm einen Wisch mit einem Inhalt voll von Unwahrheiten und Vorwürfen. Wenn er Gemeinschaft mit echten Christen aufsucht, fühlt er sich unter ihnen nicht wohl und kann sogar die „Frommen“ verhöhnen. Wenn vom Teufel die Rede ist oder während des Gottesdienstes ist es ihm zuweilen kaum möglich, ein Lachen zu unterdrücken, er blättert gedankenlos im Gesangbuch oder er döst vor sich hin. Besucht er eine Evangelisationsversammlung, so gerät er nicht selten in starke Unruhe und Ablehnung oder in Anfechtungen und vermehrte Zweifel, so daß es ärger mit ihm wird, als es vorher war. Einmal ist er trotzig, verschlossen und verstockt, das andere Mal verzagt und reumütig und bittet Gott unter verzweifeltem Weinen, Er möge sich seiner erbarmen. Einmal verspricht er, das Trinken oder eine andere Leidenschaft aufzugeben, um kurz darauf sein Versprechen bewußt zu brechen. Einmal ist er von Selbstmordgedanken erfüllt, dann wieder plagt ihn die Furcht vor dem Tode und dem Gericht. An der Lüge hat er vielfach keine Lust mehr, doch wird er noch öfters von ihr überfallen. Auch vom Fluchen ist er noch nicht ganz frei. Die geheime Mordlust schwindet in manchen Fällen nur schwer. So schrieb mir eine Gebundene: „Vielleicht muß ich erst zur Mörderin werden, bevor ich auf Gott höre. Ich will nichts Böses, aber ich werde dazu getrieben.“

Besonders bezeichnend für das Vorliegen dämonischer Gebundenheit ist das Verhalten des Gebundenen gegenüber dem Seelsorger. Während er zeitweise für dessen Betreuung durchaus empfänglich ist und das Verlangen hat, seine Schuld zu bekennen, kann er plötzlich ein starkes Mißtrauen ihm gegenüber an den Tag legen, so daß er nicht zu bewegen ist, irgend etwas über seine bösen Gedanken und Taten auszusagen. Er vermag den Mund nicht zu öffnen oder es ist ihm plötzlich entfallen, wenn er etwas bekennen wollte. Und wenn er sich doch dazu aufschwingt, ein Sündenbekenntnis abzulegen, sucht er manche Sünde zu verheimlichen oder den Seelsorger bewußt zu belügen. So bat mich jemand: „Fragen Sie mich öfters, ob ich auch bestimmt die Wahrheit sage und ob ich alles bekannt habe.“ In manchen Fällen sucht der Gebundene sich kurz vor der mit dem Seelsorger verabredeten Zeit zu drücken. Und wenn ihm seine Sünden vorgehalten werden, kann er dem Seelsorger einen bösen Blick zuwerfen und sich die Ohren zuhalten oder das Gespräch auf nebensächliche Dinge zu lenken suchen. Auch kann er dem Seelsorger den Vorwurf machen, was dieser sage, meine er gar nicht ernst, im Grunde seines Herzens verachte und hasse der Seelsorger ihn; er solle doch zu¬geben, daß er ihn als eine Last empfinde. Es sei viel richtiger, man bete nicht mehr für ihn und unterlasse das Reden und Schreiben, denn dies alles sei ja doch völlig zwecklos. Wenn er über seinen Zustand nicht reden wolle, schimpfe der Seelsorger; aber er lasse sich nicht erpressen, sonst würde er höchstens Unwahres aussagen. Die Mühe des Seelsorgers sei nur Kraft  und Zeitverschwendung, er könne ihm ja doch nicht helfen und solle sich daher lieber um andere Menschen kümmern. Auf solche und ähnliche Weise kann der Gebundene dem Seelsorger völlig unbegründete, geradezu aus der Luft gegriffene Vorwürfe machen. Auch äußert er des öfteren, es gebe für ihn keine Hoffnung mehr, weil sein Verlangen nach der Welt zu stark sei; es sei viel schöner, ein Leben der Freiheit zu führen, statt Gottes Gebote zu erfüllen. Dies führe nur zu einer seelischen Verkrampfung. Mit dem Teufel habe er keineswegs zu tun; es habe daher keinen Sinn, dem Teufel zu gebieten. Er stecke nicht in der Sünde, Gott habe ihn so, wie er sei, geschaffen. Aber er gebe zu, daß er oft Dinge tun müsse, die er gar nicht wolle. Wenn der Seelsorger ein Absagegebet mit dem Gebundenen spricht, kann dieser es entweder gar nicht oder erst nach innerem Kampf nachsprechen. Ja, schon ein einfaches Gebet, das der Seelsorger mit ihm sprechen will, lehnt er oft ab. Und wenn es dennoch zu einem Gebet kommt, steigen leicht unreine Gedanken in ihm auf. Auch wenn er den ehrlichen Willen hat, den Namen Jesu zu sagen, gelingt ihm dies häufig nicht. Bezeichnend ist es auch, daß der Zustand des Gebundenen sich meist zunächst um so mehr verschlimmert, je mehr er seine inneren Qualen offenbart oder den Namen Jesu aussprechen will.

All die erwähnten Angaben, die der Gebundene macht, sind nichts anderes als die „listigen Anläufe“ des Teufels (Eph. 6, 11), der, ohne sich zu erkennen zu geben, seine Gedanken und Absichten dem Menschen eingibt und alle erdenklichen Lügen gebraucht in der Absicht, ihn von der Verbindung mit Gott und von der Vergebung seiner Schuld abzuhalten. Denn solange der Gebundene keine Vergebung erhält, bleibt er in der Hand des Teufels.

Ebenso ist es das Bestreben Satans, Zwietracht zwischen dem Gebundenen und dem Seelsorger zu säen. Es ist dem Teufel darum zu tun, auf jede Weise den Seelsorger in den Augen des Gebundenen herabzusetzen, damit dieser nicht auf die Stimme Gottes hört, sondern in der Gewalt des Teufels bleibt. Mancher Gebundene erklärt denn auch offen, es komme ihm so vor, als sei er selbst es gar nicht, der solche Gedanken und Absichten liege, vielmehr rede und handle ein ganz anderer aus ihm. Hinterher könne er nicht begreifen, daß er zu solchen Kurzschlußhandlungen und  äußerungen fähig war.

Die geschilderten Symptome, die besonders auf dem religiösen Gebiet sich zeigen, können psychologisch entweder gar nicht oder nur schwer und auf gekünstelte Weise erklärt werden. Es gibt in der Tat nur e i n e natürliche Deutung für das völlig widerspruchsvolle Wesen des Gebundenen, der innerlich hin  und hergerissen ist: die Stimme Gottes und die Stimme des Teufels stehen bei ihm dauernd im Kampf miteinander. Weil dem Feinde alles daran gelegen ist, den Gebundenen am Glauben, am Beten, am Bibellesen zu hindern, kommt es meist zu einem langwierigen Ringen des Seelsorgers um dessen Befreiung.

Zur Illustration sei einiges aus dem Brief einer dämonisch gebundenen Patientin angeführt, die nach längerer seelsorgerlicher Betreuung eine Zeitlang frei gewesen war, jedoch rückfällig wurde und sich nun im Stadium der inneren Zerrissenheit befindet:

„Ich kann die Sünde nicht hassen, ich kann dem Bösen nicht Widerstand leisten, ich bin wieder in schlechte Filme gegangen. Ich wollte Ihnen alles verheimlichen, denn ich habe Angst vor Ihnen, weil ich nicht auf Sie gehört habe. Bitte verstoßen Sie mich nicht. Es macht mich traurig, daß ich Ihnen so viel Kummer bereite. Obwohl Sie mich immer mahnen und ich auch hören will, tue ich doch wieder das Böse. Es lockt mich so. Mich zieht es in die Bars und in die Filme. Deshalb lassen Sie lieber das Beten für mich sein, es hat doch keinen Wert mehr. Der Böse redet mir ein, daß es doch gar nicht so schlimm ist. Da gehen so viele hin und ich darf nicht so eng denken. Gott hat uns doch in diese Welt gestellt, warum muß ich denn alles meiden? Aber gleichzeitig weiß ich, daß ich da nicht hingehöre. Ich werde doch nicht besser, es ist immer ein Hin und Her. Und doch habe ich davor Angst, daß ich einmal auf der Straße lande. Ich weiß, daß ich dazu zu schade bin. Aber der Mensch ist zu allem fähig, auf jeden Fall ich. Wenn ich meine innere Unruhe nicht mehr aushalte, trinke ich Wein und rauche. Und ich möchte dies so gerne lieber lassen. Was soll ich nur tun? Ich bete nicht mehr und fasse auch die Bibel nicht mehr an. Warum, weiß ich nicht. Ich komme auch so durch. Sagen Sie, hat Gott mich dahingegeben? Ich finde allein nicht mehr den Weg zurück. Gibt es keine Hilfe mehr für mich? Ich möchte doch im Grunde für Gott da sein und Ihm dienen. Aber immer versage ich. Bald gebe ich mich selbst auf, ich bin ja doch ein hoffnungsloser Fall. Weshalb mußte ich früher so viel Liebe entbehren, so daß ich zum Haß erzogen wurde? Helfen Sie mir doch bitte aus diesem Zustand wieder heraus!“

 

2. Die Besessenheit

Satan kann aber nicht nur eine Gebundenheit des Menschen an ihn hervorrufen, sondern auch wirklichen Besitz von ihm ergreifen. Die Besessenheit ist meist die Fortsetzung der Gebundenheit. Sie pflegt dann einzutreten, wenn der Gebundene in völliger Verstocktheit noch weitere Schuld auf sich lädt, indem er z. B. sich mit seinem eigenen Blut dem Teufel verschreibt. Doch kann es auch vorkommen, daß der Geist eines Besessenen nach dessen Tode auf einen seiner ungläubigen Nachkommen übergeht, wodurch eine sofortige Besessenheit erfolgt.

Viele Menschen, die eine dämonische Gebundenheit gelten lassen, leugnen die Tatsache der Besessenheit. Die Heilige Schrift kennt jedoch beide Arten von Dämonie und unterscheidet sie deutlich voneinander. So lesen wir Johannes 13, 2, daß der Teufel dem Judas Ischarioth den Verrat Jesu eingeredet hatte, und im gleichen Kapitel Vers 27 heißt es: „Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn.“ Für den Bibelgläubigen besteht kein Zweifel, daß es zu Jesu und der Apostel Zeiten Besessene gab. Auch das Wort Jesu: „Die Zeichen, die denen zuteil werden, die da glauben, sind die: In Meinem Namen werden sie Teufel austreiben“, spricht dafür, daß die Besessenheit heutzutage nicht aufgehört hat. In der Tat gibt es auch in der Gegenwart Menschen, deren Zustand mit der in der Bibel beschriebenen Besessenheit manche Ähnlichkeit hat und weder psychiatrisch noch psychologisch befriedigend erklärt werden kann. Allerdings   das muß deutlich betont werden   wird die Besessenheit, wenigstens bei den Kulturvölkern, viel seltener beobachtet als die dämonische Gebundenheit. Zahlreiche Zustände von vermeintlicher Besessenheit sind entweder als dämonische Gebundenheit oder als eine seelische Krankheit anzusehen.

Welches sind nun die M e r k m a l e der Besessenheit? Da die dämonische Gebundenheit meist unmerklich in die Besessenheit übergeht, decken sich die Symptome der letzteren zum Teil mit den erwähnten Zeichen der dämonischen Gebundenheit oder sie finden sich in verstärktem Maße bei der Besessenheit wie die Abneigung gegen göttliche Dinge und die mediale Fähigkeit. Die Unterscheidung zwischen beiden Zuständen ist daher oft nicht leicht. Außer den Merkmalen der dämonischen Gebundenheit tritt jedoch bei der Besessenheit nicht selten eine ausgesprochene Tobsucht mit Schreien, Lästern, Zähneknirschen und der Neigung zu Gewalttaten und Verbrechen auf. In solchen Zuständen kann der Besessene Gegenstände beschädigen oder sich selbst Verletzungen beibringen, um sich das Leben zu nehmen. Auch fällt er beim Beten mit dem Seelsorger oder bei einer Predigt oft sofort in einen Dämmerzustand, so daß er nichts in sich aufnimmt. Ein „tauber Geist“ sucht ihn vom Mitbeten und von religiöser Beeinflussung abzuhalten. Zuweilen wird ein höhnisches Lachen beobachtet, wenn in der Gegenwart des Besessenen vom Kreuz und Blut Jesu gesprochen wird. Vielfach hört er die laute oder flüsternde Stimme des Teufels, der ihm Dinge zu tun befiehlt oder verbietet. Manchmal sieht er auch dunkle Gestalten im Zimmer. Die Dämonen reden im allgemeinen nur wenig aus dem Besessenen, um möglichst unerkannt zu bleiben. Nur wenn der Zeitpunkt ihrer Austreibung gekommen ist, geben sie ihren Widerstand auf und können ihrer Verzweiflung und Angst vor dem Ausfahren Ausdruck geben.

Außer diesen Merkmalen gibt es noch einige bemerkenswerte, aber selten auftretende Phänomene bei der Besessenheit: einmal Trancezustände, in denen ein anderer mit veränderter Stimme oder in einer fremden Sprache, die dem Besessenen selbst nicht geläufig ist, aus ihm redet. Hinterher weiß er nichts von alledem. Sodann eine außergewöhnliche Körperkraft, die der Besessene in tobsüchtigem Zustand an den Tag legen kann, wenn er gebändigt werden muß (Mark. 5, 4; Apg. 19, 16). Ferner kann Hellsehen beobachtet werden, indem der Besessene von Dingen spricht, die er auf natürlichem Wege nicht erfahren haben konnte. Er sieht einem anderen an, wes Geistes Kind er ist, welche unvergebenen Sünden er begangen hat und welche Zukunft ihm bevorsteht. Es zeigt sich, daß seine Aussagen zutreffen, wie dies auch bei dem Mädchen in Philippi der Fall war (Apg. 16,16).

Bei diesen außergewöhnlichen Symptomen versagen alle Versuche einer medizinischen oder parapsychologischen Erklärung. Ausdrücklich muß jedoch bemerkt werden, daß das Hellsehen nicht nur bei Besessenen angetroffen wird, sondern auch von dazu veranlagten Menschen als eine besondere Gabe angesehen, aber öfters auch als eine schwere Last empfunden wird. Diese Art von Hellsehen ist wesentlich häufiger als die dämonisch bedingte. Beide Arten voneinander zu unterscheiden, ist ohne Schwierigkeit möglich.

Ferner werden in der Umgebung eines Besessenen bei Nacht nicht selten schwere Schritte, Klopfen, Poltern und andere Geräusche gehört und zwar nicht nur von den Menschen, die für den Besessenen beten – sie sollen durch die Geräusche in Angst versetzt und an der Fürbitte gehindert werden – , sondern auch von völlig unbeteiligten Personen.

Häufig fällt der Besessene durch einen finsteren, haßerfüllten Gesichtsausdruck auf. Dieser wird besonders dann offenbar, wenn in seiner Gegenwart geistliche Gespräche geführt werden oder wenn er auf dem Sterbebett liegt. Doch kann er bewußt eine Maske aufsetzen, so daß ihm von seinem inneren Zustand oft nichts anzumerken ist.

Auch körperliche Symptome finden wir bei der Besessenheit. Der Teufel sucht sein Opfer zu quälen, indem er vorübergehende Schmerzen aller Art an den verschiedensten Körperstellen verursacht. Sie treten mit größter Willkürlichkeit auf, wie wir sie bei echten Krankheiten nicht beobachten. Besonders bei Nacht können Besessene geplagt werden, so daß an Schlaf kaum zu denken ist.

Die B e f r e i u n g von der Besessenheit kann ohne besondere Zeichen vor sich gehen. Doch ist sie daran zu erkennen, daß der Befreite nach schwerem Gebetskampf plötzlich ein frohes und gelöstes Wesen an den Tag legt und den Namen Jesu freudig aussprechen kann. Er sagt sich auf Veranlassung des Seelsorgers oder auch spontan von allen finsteren Mächten los. Die krankhaften Störungen, auch die erwähnten, besonders auffallenden Zeichen schwinden nach der Befreiung schnell und völlig. So war die Wahrsagekunst des Mädchens in Philippi nach ihrer Befreiung schlagartig beseitigt (Apg. 16, 19).

R ü c k f ä l l e, auf die schon Jesus hingewiesen hatte (Matth. 12, 43   45), sind allerdings ziemlich häufig. Deshalb befahl Jesus dem Dämon in dem besessenen Knaben ausdrücklich: „Fahre aus und kehre nie mehr zurück!“ Wenn der Befreite nicht weitere Seelsorge erfährt, wird sein Zustand entweder schlimmer als er zuvor gewesen war, oder er kann zum mindesten aufs neue in eine dämonische Gebundenheit geraten.

Als Beispiel einer wahrscheinlichen B e s e s s e n h e i t sei das Wesentliche aus einem Brief angeführt, den ich von einer verheirateten Frau erhielt:

„Meine Ehe ist keine glückliche. Mein Mann liebt mich nicht, und das, was ich ihm geben könnte, will er nicht. Er geht immer mehr seine eigenen Wege. Meine Ehe ist ein langer Leidensweg. Aber ich sehe ihn als eine Leidensgemeinschaft mit meinem Herrn an, so daß ich ihm auf diesem Wege näher sein darf, als wenn ich eine glückliche Ehe führen dürfte. Mein Mann ist fast immer von Unruhe und Friedelosigkeit erfüllt. jedes kleinste Mißgeschick bringt ihn außer sich. Unserem Kinde gegenüber ist er unbeherrscht, und nie ist dieses schwieriger, als wenn der Vater da ist. Oft ist mir seine Nähe eine Pein, da einfach etwas Böses von ihm ausgeht, während auch er meine Nähe nicht ertragen kann. Es scheint mir oft, daß das Böse sich bei jeder Gelegenheit in ihm bemerkbar machen will. Er muß streiten, wo gar kein Grund vorhanden ist. Er muß mit rauher Stimme bei jeder kleinsten Gelegenheit schreien, er muß die Türen zuschlagen, das Böse ständig in Schutz nehmen und sich über alles Gute lustig machen. Ich darf ihm kein Wort glauben, weil ich nie weiß, ob er die Wahrheit spricht. Oft ist sein Gesicht völlig kalt und finster, wenn er mich betrachtet, so finster, als wollte er mir etwas antun. Bei seinem Streiten widerspricht er sich ständig. Nach außen ist mein Mann von einer fast unnatürlichen Höflichkeit und Gefälligkeit. Er geht auch mit mir zur Kirche, aber er weiß hinterher nie, worüber gepredigt wurde. Und wenn er das Tischgebet spricht oder einen Choral mit uns singt, ist es, als ob ein Automat betete oder sänge; er selbst ist gar nicht dabei. Über die Gesangbuchlieder spottet er. Nie kann er bei sich eine Schuld finden, dagegen ist er voller Anklagen gegen seine Mitmenschen und unsere Lebensverhältnisse. Oft redet er bei anderen Schlechtes über mich. Ich bleibe aber dennoch im Frieden und schweige.

Seit einiger Zeit spukt es in unserem Hause. Auf dem Boden hört man nachts Schritte, Schleifen, Klopfen und andere Geräusche. Besonders wenn ich vor dem Schlafengehen zum Gebet niederknie, klopft es im Zimmer. Auch am Morgen während meiner stillen Zeit höre ich manchmal über mir Schritte und Klopfen. Unser Kind, das nichts von alledem weiß, wurde schon durch das Klopfen bei Nacht gestört. Als ich einmal mein Gebetsbuch holen wollte, spürte ich deutlich, wie auf dem Sofa etwas saß und mich mit demselben bösen Blick ansah, wie mein Mann es manchmal tut. Doch betete ich nach meiner Gewohnheit laut und rief Jesu Siegernamen an über meinen Mann und mein Kind, über mich und unser ganzes Haus, bis alle Furcht wich und eine große Freudigkeit über mich kam. Seitdem ist es ruhiger geworden. Der „Geist“ ist zwar noch hörbar, besonders dann, wenn mein Mann seine unruhigen Zustände hat und schimpft. Aber das darf mich nicht mehr schrecken. Wenn ich Jesus, den Sieger über alle dunklen Mächte, rühme, wird es totenstill auf dem Boden und in der Wohnung. Auch wenn ich während des Klopfens laut bete, verstummen die Geräusche vorübergehend. Als mein Mann verreist war, hörte das Klopfen ganz auf und erst nach seiner Rückkehr machte es sich wieder bemerkbar. Als ich einmal gerade im Gebet versunken war, wurde von unsichtbarer Hand in der Bibel, die neben mir lag, geblättert und ein kalter Hauch traf mich. Fenster und Türen waren alle geschlossen. Meine Tochter, die im Nebenzimmer schläft, hörte kürzlich jemand bei Nacht in meinem Zimmer hin und her gehen, während ich fest schlief … Mein Mann tut mir in seiner dauernden Unruhe von Herzen leid, um so mehr als er auch von Selbstmordgedanken gequält wird…“

Einige Jahre später erhielt ich von dieser Frau folgende Nachricht:

“Einmal las ich ein Gebet von einem bekannten Evangelisten mit dem Hinweis, es vier Wochen lang zweimal täglich zu beten für den Menschen, der uns besonders am Herzen liegt. Ich betete dieses Gebet sehr ernstlich. Als ich es am zweiten Tag morgens betete, klopfte es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder recht handfest. Es war das typische Klopfen zweimal hintereinander mit einem kurzen Abstand. Es kann auch immer noch vorkommen, daß ich nachts aufschrecke durch ein recht böses Klopfen an meine Tür. Zuerst meine ich immer, es sei mein Mann, aber draußen ist niemand. Sonst ist es ja Gottlob ruhig im Haus. Aber es geht immer noch etwas um. Kürzlich war ich einmal bis spät in die Nacht auf, da hörte ich über mir auf dem Boden deutliche Schritte ruhelos hin  und hergehen. Später hörte ich vom Wohnzimmer aus im Nebenzimmer, dem Zimmer meiner Tochter, jemand hin  und hergehen. Ich meinte zuerst, sie wäre es, aber sie lag in tiefem Schlaf im Bett. Ohne Zweifel ist im Haus immer noch ein ruheloser Geist, der keinen Frieden findet. . .“

Während hier angesichts des auffallenden Verhaltens des Ehemannes eine Besessenheit als durchaus möglich angesehen werden kann, besteht aufgrund der begleitenden Spukerscheinungen die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von wirklicher Besessenheit.

Zwar sucht die Parapsychologie mehrere Erklärungen für den Spuk zu geben. So stellt Professor Bender (Freiburg) die Hypothese auf, der Spuk sei als ein Aktivwerden unterbewußter seelischer Kräfte aufzufassen, die sich zu einer Masse verdichten. Indem diese psychischen Energien eine Sonderexistenz führen, verursachen sie den Spuk. Dabei handle es sich stets um psychisch kranke Menschen. Doch reichen sämtliche parapsychologischen Deutungsversuche zu einer befriedigenden Erklärung des Spukphänomens nicht aus, was auch von den Forschern zugegeben wird. Solange dies aber nicht der Fall ist, erhebt sich die Frage, ob die psychische Abnormität der Menschen, die den Spuk verursachen sollen, nicht mit einer dämonischen Bindung zusammenhängt, in die sie aus irgend welchen Gründen geraten sind. In solchem Falle würde der Spuk aus dem Bereich dämonischer Kräfte stammen, die die Fähigkeit zur Materialisierung besitzen. jedenfalls ist es auffallend, daß die meisten Spukfälle mit der Anwesenheit von Besessenen oder mit okkulter Betätigung von lebenden oder verstorbenen Bewohnern des betreffenden Hauses zusammenhängen. Auf eine metaphysische Ursache der Spukerscheinungen deutet auch die vom Seelsorger gemachte Erfahrung hin, daß der Spuk zu weichen pflegt, wenn die betreffenden Menschen zum Glauben an Christus kommen.

Zwei Fälle von Besessenheit sind auch in meiner Schrift „Der Dämon im Menschen“ geschildert.

 

III. Die Unterscheidung von Krankheit und Dämonie

Nun aber erhebt sich die Frage: Worin besteht der Unterschied zwischen einer Dämonie und einer Krankheit? Decken sich die erwähnten Merkmale der dämonischen Gebundenheit und der Besessenheit mit den verschiedenen klassischen Krankheitssymptomen der Psychiatrie oder können sie  nicht bzw. nur teilweise in die üblichen psychiatrischen Krankheitsbilder eingereiht werden?

1. Schizophrenie oder Dämonie?

Sehen wir uns zunächst das Krankheitsbild der Schizophrenie an.
Bei dieser Krankheit ist es, besonders im Beginn, oft nicht leicht, die Unterscheidung zwischen ihr und einer Dämonie vorzunehmen, weil die Dämonie einer Schizophrenie und diese einer Dämonie in mancher Hinsicht ähnlich sehen kann. Es ist dal ier erklärlich, daß Verwechslungen recht häufig sind, zumal nicht wenige Seelsorger nur zu rasch fast jede Geisteskrankheit als eine Besessenheit ansehen und andererseits der Psychiater jeden Besessenen für einen Geisteskranken zu halten pflegt. Und doch gibt es manche Fälle, bei denen es dem Psychiater nicht gelingt, sie in die üblichen Symptomenbilder der Schizophrenie unterzubringen, so daß diese Diagnose nur mit einem Fragezeichen versehen werden kann.

Zunächst könnte der Unvoreingenommene bei der Schizophrenie eine Besessenheit vermuten, wenn ein bis dahin unauffälliger jugendlicher sich allmählich ohne besonderen Grund gegen seine Eltern auflehnt, störrisch, bösartig, erregt und unverträglich wird, gegen seine Umgebung tätlich vorgeht oder allerlei unberechenbare Handlungen ausführt. Auch liegt es nahe, eine Dämonie anzunehmen, wenn ein junger Mann ohne erkennbaren Anlaß von Angstzuständen und Depressionen überfallen wird, die nach seiner Aussage wie ein schwarzer Berg auf ihn zukommen, um ihn zu erdrücken; wenn er zeitweise meint, sich aufhängen zu müssen, oder wenn er bei unpassenden Gelegenheiten hinkniet und laut betet, um gegen den Feind, der ihn bedrohe, anzukämpfen. Oder muß man nicht geradezu an eine Besessenheit denken, wenn der Betreffende selbst von der Anwesenheit eines in ihm wohnenden Dämons felsenfest überzeugt ist und seine körperlichen Beschwerden mit einer Beeinflussung durch diesen Dämon in Verbindung bringt, sich von einem Dämon dauernd angesprochen, verhext, hypnotisiert fühlt und seiner Umgebung immer wieder erzählt, er werde von einer feindlichen Macht zu seinen Gedanken und Taten veranlaßt?

All diese Zeichen sind jedoch zumeist als typische Merkmale einer Schizophrenie anzusehen. So kann es nahezu als Regel gelten, daß derjenige, der fortgesetzt von vermeintlicher Besessenheit redet, nicht besessen, sondern krank ist. Eine Bestätigung für diese Auffassung bekommen wir, wenn in solchen Fällen häufig eine allmähliche Verschlimmerung mit zunehmenden Wahngedanken und einem langsamen Verfall der ganzen Persönlichkeit einsetzt. Dann liegt kein Zweifel mehr vor, daß die geschilderten Erscheinungen auf eine Schizophrenie und einen mit dieser verbundenen Besessenheitswahn zurückzuführen sind. Daß die Wahnideen dämonisch gefärbt sind, rührt meist daher, daß der Kranke vor oder zu Beginn seines Leidens manches über Dämonen und Besessenheit gehört oder gelesen hat. Selbst wenn ein solcher Mensch angibt, abnorme Geräusche zu hören und auffallende Erscheinungen zu sehen, muß man hierbei krankhafte Sinnestäuschungen annehmen, zumal wenn seine Umgebung nichts von solchen Erscheinungen wahrnimmt.

Der Besessenheitswahn kann bei der Geisteskrankheit völlig im Vordergrund stehen. Da dieser Zustand verhältnismäßig häufig anzutreffen ist, sei ein solcher Fall näher beschrieben:
>Eine dreißigjährige Kranke kam in meine Behandlung mit der Angabe, sie sei besessen. Sie führe dies auf die Behandlung durch einen Magnetopathen zurück, die vor vielen Jahren stattgefunden habe. Dieser Mann habe ihr einen unheimlichen Eindruck gemacht und ihr von spiritistischen Sitzungen erzählt. Sie habe von anderen gehört und auch in Büchern gelesen, welch schlimme Folgen eine solche Behandlung nach sich ziehen könne. Seit jener Zeit sei sie im Gemüt bedrückt und lebensüberdrüssig, auch habe sie bis vor einigen Jahren eine lähmende Schwere und Unruhe in sich verspürt. Vor drei Jahren sei sie in eine freikirchliche Gemeinde aufgenommen worden. Seitdem habe sie eigenartige Empfindungen an ihrem Körper. Als sie auf Veranlassung des Predigers das Absagegebet gesprochen habe, sei etwas rundherum um ihren Kopf gesaust wie ein Wirbelwind. Während sie bei der Taufe den Segen empfangen habe, sei ihr Leib vom Feind hin und her geworfen worden, so daß sie nicht still hinknien konnte. Bei dem Besuch eines auswärtigen Predigers habe sie während des Gottesdienstes hinauslaufen und schreien müssen. Deshalb habe dieser eine Teufelsaustreibung bei ihr vorgenommen. Sie habe dabei eine Befreiung im Leibe gespürt. Weil es aber im rechten Arm stark geklopft habe, habe sie gemerkt, daß der Teufel nicht ganz weggegangen sei. In der darauffolgenden Nacht habe sich etwas Großes und Schweres auf ihre Brust gelegt. Durch Gebet sei diese Empfindung geschwunden, doch sei sie bald wieder eingetreten. In der nächsten Nacht sei etwas wie ein Schwarm von wilden Raben auf sie zugeflogen, auch habe sie schwarze Eulen gesehen. Sie habe immer Püffe und Stöße im Bett bekommen. In einer anderen Nacht habe sie einen Druck im Kopf von hinten nach vorn bemerkt. Dabei habe sie in völlig wachem Zustand das Bild eines Mannes gesehen, der hemdsärmelig mit finsterem Gesicht vor dem Bett gestanden sei. Besonders oft werde sie von dem Dämon sexuell belästigt. Sie spüre dies deutlich an einem Kribbeln bei Nacht, so daß sie nicht wisse, wie sie sich hinlegen solle, um sich gegen die feindlichen Angriffe zu schützen. Auch am Tage spüre sie manchmal das Kribbeln, besonders wenn sie beten wolle. Der Feind habe zu ihr gesagt: Du hast den Heiligen Geist gelästert! Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Gib den Geist auf! Es sei eine innere Stimme gewesen, die sie gehört habe, so wie man auch mit dem geistigen Auge etwas sehen könne. Einmal sei etwas von ihrem Kopf heruntergeflogen, dann sei etwas wie ein Kampf in ihr durcheinandergegangen. Plötzlich habe sie wieder Verbindung mit Gott gehabt. Man könnte aus ihren Worten schließen, sie sei nicht ganz normal; aber das sei nicht der Fall. Ihre Freunde verstünden sie und wüßten, daß sie nicht geisteskrank sei. Eine Stimme habe ihr laut zugerufen: „Armes, gefesseltes Menschenkind!“ Aber als sie daran dachte, daß Jesus bei ihr sei und für sie kämpfe, sei es ihr gewesen, als habe sie ein Lichtstrahl getroffen. Sie habe sofort gewußt, daß es ein Engel Gottes war, der mit dem Satan kämpfte. Als sie in der Bibel gelesen habe: Seine Barmherzigkeit hat kein Ende“, habe es warm und hell in ihr aufgeleuchtet. Das sei Jesus gewesen. Es sei ihr vorgekommen, als würde eine Hand an ihr Herz greifen. In einer Nacht habe sie mit ihren inneren Augen gesehen, wie Jesus in den Wolken saß und auf sie herunter sah. Auf einmal leuchteten seine Augen sie ganz lieb an. Da habe sie gewußt, daß sie keine Angst zu haben brauchte. Sie habe öfters solche herrlichen Erscheinungen gehabt. Bei einer zweiten Teufelsaustreibung, die eine gläubige Frau bei ihr vorgenommen habe, habe sie gemerkt, wie der Feind in ihr furchtbar gezappelt habe, wie wenn eine Hummel in ihr zappeln würde.
Obwohl die Frau ihr erklärt habe, sie sei freigeworden, habe das Zappeln nicht aufgehört und sie sei von neuem belästigt worden. Im letzten Jahr habe alles in ihr zwei Monate lang pestartig gerochen. jetzt verspüre sie noch oft ein Zappeln und intensive Ströme an verschiedenen Stellen des Körpers sowie bei Nacht das Kribbeln, so daß sie nur wenig schlafen könne. Da sie noch nicht frei sei, könne sie sich nur schwer zum Beten konzentrieren. Einen Beruf könne sie nicht ausüben, weil sie vieles vergesse und dauernd müde sei. Manchmal höre sie, wenn sie beten wolle, Lästerworte. Den Namen Jesu könne sie oft nicht aussprechen. Bei einer dritten Teufelsaustreibung habe sich der elektrische Strom in ihrem Körper gesenkt, doch sei er hernach wieder heraufgestiegen. Einmal habe sie bei der Morgenandacht plötzlich ein Zittern im Körper gespürt. Es sei ihr gewesen, als wenn der Dämon in ihr sich vorbeugte und gegen den Sprecher wütende Handbewegungen machte. Das seien alles nüchterne Tatsachen. Daß die Gemeinde, zu der sie gehöre, in letzter Zeit bei ihr keine Besessenheit mehr annahm, bedrücke sie sehr. Aber es sei die Absicht des Feindes, daß man sie als geisteskrank ansehe, damit er auf diese Weise in Ruhe gelassen werde.<

Diese Angaben der Patientin waren nur ein geringer Teil ihrer zahlreichen Beschwerden. Sie war unermüd¬lich im Erzählen ihrer abnormen Empfindungen. Wenn auch einige ihrer Äußerungen zunächst den Verdacht auf eine Dämonie erweckten, so bestand doch bald keinerlei Zweifel mehr daran, daß es sich um eine Schizophrenie handelte. Die unzusammenhängenden, absonderlichen und verschrobenen Vorstellungen und Empfindungen, die Gesichts  und Gehörstäuschungen, die ständigen Angaben über die Tätigkeit der in ihr wohnenden Dämonen waren ohne Zweifel krankhafter Natur. Eine wirkliche Besessenheit geht ohne die erwähnten Vorstellungen und Empfindungen einher. Nicht ein Dämon oder Engel mit ihren Botschaften redeten zu ihr, wie die Patientin meinte, sondern aus ihrem kranken Gehirn kommende Stimmen. Es wäre daher verkehrt, alles, was ein solcher Mensch über in ihm hausende Dämonen aussagt, für bare Münze zu halten. Dadurch würde er in seinen Wahnvorstellungen nur noch bestärkt werden.

Bei  G l ä u b i g e n  tritt die Schizophrenie meist in fast rein religiösem Gewande auf. Der Kranke ist der Auffassung, sein Glaubensleben sei durch satanische Beeinflussung krank geworden, weil oft eine furchtbare Unruhe über ihn komme, die ihm den Frieden mit Gott, und die Freude am Gebet nehme und dem Heiligen Geist aus seinem Herzen reiße. Alles sei dunkel in ihm, will Gott ihn verlassen und eine finstere Macht von ihm Besitz ergriffen habe, könne die Stimme Jesu nicht mehr vernehmen und Seinen Geist nicht mehr verspüren. Es sei ihm nicht mehr möglich, den Namen Jesu auszusprechen, so gerne er dies tun möchte. Er träumt unsinnige Dinge, aus denen er wichtige Schlüsse zieht.

Für kürzere Zeit kann er überglücklich im Glauben sein und überschwengliche Äußerungen tun; aber bald bricht er in lautes Weinen aus und ist völlig verzweifelt. Er ist nicht mehr imstande, sich zu den einfachsten Verrichtungen zu konzentrieren, und deshalb bald gezwungen, seine Arbeit aufzugeben. Gegen die immer wiederholte Auffassung seiner Umgebung, sein Zustand beruhe auf einer Krankheit, wehrt er sich mit Entschiedenheit.

So schrieb mir ein junger Mann:
>Vor einem Jahr hatte ich an einem Abend in der Bibel gelesen und gebetet und wollte einschlafen. Da kam mir ganz plötzlich ein furchtbares Fluchwort in den Sinn. Es fuhr etwas aus mir heraus, und ich glaubte sterben zu müssen. Ich sprang aus dem Bett und rannte durchs Zimmer, und noch einmal kam das Gefühl über mich, zu sterben. Ich fühlte, wie etwas, vielleicht der Heilige Geist, aus mir fuhr. Ich zitterte, nahm meine Bibel, ging auf die Knie und bat um Vergebung. Aber eine große innere Unruhe erfaßte mich, die bis heute nicht gewichen ist. Es ging mir von Tag zu Tag schlechter. Ich ging zum Hausarzt, von dort zum Nervenarzt und wurde von ihm in die Psychiatrische Klinik eingeliefert, wo ich viele Monate weilte und mit Medikamenten und Elektroschocks behandelt wurde. Ich bin überzeugt, daß ich verloren bin. Bitte, schreiben Sie mir, ob ich in die Hölle komme. Täglich, ja stündlich steigen die schlimmsten Fluchgedanken und Worte in mir hoch. (Er nannte mir über ein Dutzend von schweren Flüchen.) Ich habe an nichts mehr Freude, sondern nur noch Angst. Der leichten Arbeit, die ich tue, kann ich nur mit Mühe nachkommen. Mit okkulten Dingen haben weder ich noch meine Eltern zu tun gehabt. Ich war ein frohes Gotteskind. Nun habe ich allen Frieden und alle Heilsgewißheit verloren. Das Furchtbare ist, daß ich an allem schuld bin. Das Wort Hebräer 10, 26 31 trifft auf mich zu. Zwar haben mir viele erklärt, diese Stelle beziehe sich nicht auf mich; aber ich kann einfach nicht anders, ich muß sie für mich nehmen. In letzter Zeit habe ich auch Selbstmordgedanken. Kann ich wieder gesund werden? …<

Ein anderer Patient, der vor seiner Erkrankung in frohem Glauben an seinen Herrn gestanden hatte, war seit einiger Zeit öfters von entsetzlicher Furcht vor der ewigen Verdammnis erfüllt, dann wieder kam vorübergehend eine nie gekannte Freude über ihn. Einmal hörte er eine Stimme, die sich für Gott ausgab und ihm den Befehl erteilte, die Straßenbahn zu besteigen, um durch Gesang die frohe Botschaft zu verkünden. Ein anderes Mal sprang er bei Nacht aus dem Bett, warf sich auf die Knie und schrie voller Furcht zu Gott, weil er sich in die Hölle versetzt fühlte. Dann wieder hielt er sich für den Antichristen, bäumte sich gegen Gott auf und berief sich auf den Teufel. Oft fühlte er sich von bösen Geistern gequält. Auch im Leib spürte er die vermeintliche Einwirkung des Feindes: ein starkes Brennen sei der Beweis, daß die Dämonen in seinem Leibe sitzen. Harmlose Begebenheiten deutete er als dämonische Beeinflussungen und okkulte Machenschaften, die die Menschen mit ihm treiben. In völliger Uneinsichtigkeit lehnte er jede ärztliche Hilfe ab. Er erklärte sich lediglich bereit, den Rat eines Seelsorgers anzunehmen, wenn dieser auf seine Besessenheit eingehe. Ein Austreibungsversuch, den ein Seelsorger vornahm, verschlimmerte den Zustand. Aufgrund seines ganzen Verhaltens war auch für den Nichtarzt mehr und mehr zu erkennen, daß eine Geistesstörung vorlag.

In manchen Fällen beobachten wir ein gleichzeitiges Zusammentreffen von Geisteskrankheit und Dämonie. Auch hierfür sei ein Beispiel kurz erwähnt.

Die Vorfahren des Patienten waren Besprecher, seine Mutter war Trinkerin, seine Schwester war geisteskrank und starb in einer Heilanstalt. Er selbst leidet an Trunksucht mäßigen Grades. Er ist Heilpraktiker und gibt durch Pendeln treffsichere Auskunft über Vermißte und Verstorbene. Mehr und mehr entwickelte sich bei ihm ein Verfolgungswahn, der nicht beeinflußt werden konnte, obwohl er völlig unbegründet war. Ein bevollmächtigter Evangelist löste vorübergehend den Bann, die Wahngedanken ließen jedoch nicht nach. Sie machten auf seine Angehörigen durchaus den Eindruck einer echten Geistesstörung.

In diesem Falle handelt es sich offenbar um eine typische erblich bedingte Geisteskrankheit. Die daneben vorliegende dämonische Gebundenheit, die auf das Besprechen der Vorfahren zurückzuführen ist, zeigt sich in dem magischen Pendeln sowie in einem häufigen Fluchen und Schimpfen auf alles Fromme.
Aber nicht nur zahlreiche Fälle von Schizophrenie werden als Besessenheit angesehen, es muß auch mit der umgekehrten Möglichkeit gerechnet werden, daß nämlich ein wirklich Besessener für geisteskrank gehalten wird. Ein Mensch z. B., der die Symptome des in den Evangelien beschriebenen Gadareners aufweisen würde (Mark. 5,1 ff.), würde mit Bestimmtheit unter der Bezeichnung „geisteskrank“ in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden. Sein Schreien und Toben, seine Nacktheit, seine Selbstbeschädigung, seine Gemeingefährlichkeit   das alles trifft man in der Tat auch bei einer schweren Geisteskrankheit an. Daß aber dennoch hinter diesem Zustand eine Besessenheit steckte, ersehen wir nicht nur aus der raschen und völligen Heilung nach der Austreibung durch Jesus, sondern auch aus der Tatsache, daß eine fremde Stimme sinnvolle Worte aus ihm sprach, wie: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesu, du Sohn Gottes, ich beschwörei dich bei Gott, daß du mich nicht quälst!“  Ein unruhiger Geisteskranker dagegen redet unsinniges Zeug, kann stundenlang dieselben Worte oder Sätze sprechen und sich mit Gestalten unterhalten, die er zeitweise vor sich sieht. Er gebraucht vielfach eine absonderliche Ausdrucksweise und äußert ungereimte Ideen. All dieses widerspricht einer Besessenheit, bei der der Mensch völlig klar bleibt, auch wenn er zeitweise unruhig oder sogar tobsüchtig werden kann.

So kann man sagen: ein Geisteskranker ist wirklich krank, auch wenn er manche der Besessenheit ähnliche Züge aufweisen sollte. Ein Besessener dagegen ist geistig gesund, auch wenn ihm zeitweise seelisch abnorme Zeichen anhaften sollten. Ferner spricht der Geisteskranke meist in lebhafter Weise von seinen Ideen, der Besessene dagegen redet vielfach nur stockend und erst dann, wenn man ihn unermüdlich ausfragt. Während ein Geisteskranker in phantastischer Art von in ihm wohnenden Dämonen spricht, scheut sich der Besessene, solange er religiös noch nicht angefaßt ist, von Dämonen etwas auszusagen. Denn der Dämon sucht es zu verhindern, daß sein Opfer seine Existenz verrät.

Das Vorliegen einer Geisteskrankheit ist auch dann wahrscheinlich, wenn der Mensch bis zu seiner Erkrankung in lebendiger Verbindung mit Gott gestanden hatte, ebenso wenn okkulte Bindungen nicht nachzuweisen sind, dagegen andere geistige oder seelische Störungen in der Familie des Betreffenden vorliegen. Wenn ferner bei religiöser Beeinflussung ein solcher Mensch sich nicht wehrt oder gleichgültig zuhört und auch bei dem Versuch der Austreibung nicht unruhig wird, oder wenn er den Namen Jesu ohne Widerstand aussprechen kann, so spricht dies alles für eine Geisteskrankheit. Denn der Besessene sträubt sich gegen das Beten und gegen jede religiöse Einwirkung, weil der Dämon in ihm fürchtet, seine Behausung verlassen zu müssen. Ein ausgesprochener Widerstand bei seelsorgerlicher Beeinflussung legt daher von vornherein den Verdacht auf Dämonie nahe.

Ein besonderes Merkmal, das häufig zu verschiedenen Deutungen Anlaß gibt, ist das Stimmenhören. Dieses wird von Unkundigen meist in eine direkte Verbindung mit teuflischer Einwirkung gebracht. Es wird jedoch bei Schizophrenie wesentlich häufiger beobachtet als bei Besessenen. Krankhaft sind die Stimmen, wenn der Betreffende meint, diese rührten von fremden Menschen her, die über reden, ihn beobachten, belästigen, verfolgen. Oft befiehlt ihm die Stimme etwas, das seiner Natur völlig zuwider ist, wie etwa: wegzulaufen, nichts mehr zu essen, sich das Leben zu nehmen; und doch muß er der Stimme folgen. Wenn er aber seinem eigenen Willen entsprechend handeln möchte, verwehrt ihm dies die Stimme. Vielfach sind es auch ganz unsinnige Worte, die der Geisteskranke hört. Besonders wenn das Stimmenhören mit Wahnvorstellungen verbunden ist, besteht kein Zweifel daran, daß eine Geistesstörung vorliegt.

Ganz anders die satanischen Stimmen, die ein Besessener häufig hört. Sie sind psychologisch durchaus begreiflich, indem sie dem Menschen gottwidrige Dinge einreden. Er hört etwa eine Stimme, die ihm sagt: „Du bist zu Großem berufen. Glaube doch nicht, daß es einen Gott gibt! Was die Bibel und der Seelsorger sagen, ist Quatsch! Dein Beten hilft dir nichts, du kommst nicht frei von mir, du bist mein. Nimm dir doch das Leben!“ Die Stimmen können von unheimlichen Gestalten herrühren, die der Besessene als anwesend empfindet oder gar sieht. Eine meiner Patientinnen, die sich früher okkult betätigt hatte, sah ihren Vater seit seinem Tode fast jede Nacht vor sich und hielt Zwiesprache mit ihm wie mit einem lebenden Menschen. Eine andere, die sich dem Teufel verschrieben hatte, hörte oft eine Stimme, welche ihr verbot, die Anweisungen des Seelsorgers zu befolgen, und ihr drohte, es würde ihr schlecht ergehen, wenn sie das Gehörte ihm weitersage. Auch sah sie oft den Teufel vor sich, der ihr gebot, sie solle ihm angehören; wenn sie sich Gott übergäbe, würde dieser sie ihres bisherigen Sündenlebens bestrafen. Im allgemeinen ist festzustellen: dämonische Stimmen sagen nur das, was den Menschen von Gott abbringen soll; krankhafte Stimmen dagegen reden unnatürliche und unsinnige Dinge.
Mit Vorsicht aufzunehmen sind die Angaben der Angehörigen von Schizophrenen, es sei früher mit dem Kranken Zauberei getrieben worden, weshalb mit Bestimmtheit eine Besessenheit vorliegen müsse, zumal er selbst sich von fremden Menschen beeinflußt fühle. Zweifellos kann durch eine früher ausgeübte Zauberei eine seelische Störung hervorgerufen worden sein. Aber wesentlich häufiger sind die Fälle, in denen eine typische anlagebedingte Schizophrenie nachzuweisen ist, die nichts mit okkulter Behaftung zu tun hat.

2. Epilepsie oder Dämonie?

Können wir bei der mit Anfällen von Bewußtlosigkeit einhergehenden E p i l e p s i e zu einem klaren Urteil hinsichtlich der Entstehungsweise gelangen? Manche Seelsorger neigen zu der Auffassung, die Epilepsie sei, wie überhaupt die meisten A n f ä l l e von Bewußtlosigkeit, ein Kennzeichen der Dämonie. Sie stützen sich dabei auf den biblischen Bericht von dem von Anfällen geplagten „mondsüchtigen“ Knaben, aus dem Jesus einen Teufel austrieb. Wenn wir bei einem Epileptischen eine dämonische Einwirkung annehmen wollen, muß auch eine der eingangs erwähnten Ursachen vorliegen. Davon ist aber bei den meisten Epileptikern nichts nachzuweisen. Auch sind unter ihnen nicht wenige Gläubige, die in lebendiger Verbindung mit Gott stehen. Und ferner würde, wenn die Epilepsie dämonischen Ursprungs wäre, keine Besserung der Anfälle durch bestimmte Medikamente erfolgen, wie dies meist der Fall ist. Ich glaube vielmehr, daß der „mondsüchtige“ Knabe von Jugend auf an einer Besessenheit litt, die in epilepsieähnlichen Erscheinungen sich äußerte. Seine Anfälle wurden von dem Dämon wohl zu dem Zweck verursacht, ihn aus dem Leben zu schaffen. Denn es ist stets das Endziel der Besitzergreifung finsterer Mächte, den Menschen zu töten, um ihn auf diese Weise an Satan auszuliefern. So sagte der Vater des Knaben zu Jesus: „Oft hat er ihn in Feuer und Wasser geworfen, daß er ihn umbrächte“ (Mark. 9, 22). Noch im letzten Augenblick, ehe er ausfahren mußte, hatte der Dämon einen solchen Versuch unternommen.

Die Epilepsie ist aber nicht nur mit Anfällen von Bewußtlosigkeit verbunden, sondern sie kann statt ihrer auch unter dem Bilde von V e r s t i m m u n g e n verlaufen, die alle paar Wochen auftreten und ein bis zwei Tage dauern. Meist beginnt die psychische Veränderung beim Aufwachen am Morgen ohne erkennbare Ursache. Der Kranke ist mißmutig, finster, mürrisch, eigenwillig, abweisend, er nörgelt und schimpft leicht, ärgert sich über Kleinigkeiten, gebraucht unflätige Ausdrücke, ist reiz¬bar, streitsüchtig und neigt zu Gewalttätigkeiten. Oder er ist lebensüberdrüssig und äußert Selbstmordgedanken. Das Bewußtsein ist dabei im allgemeinen klar, doch kann es zeitweise getrübt sein, ja, es können ausgesprochene Dämmerzustände eintreten, so daß der Kranke sich hinterher an sein Verhalten nicht erinnert. In gesunden Tagen ist ein solcher Mensch durchaus empfänglich und offen für alles Religiöse.

Daß der beschriebene Zustand den Eindruck einer Dämonie erwecken kann, ist ohne weiteres begreiflich. Und doch wäre es in solchen Fällen unberechtigt, wollten wir eine Dämonie annehmen, zumal wenn die elektrische Hirnstromkurve auf das Vorliegen einer Epilepsie hinweist. Es ist daher verhängnisvoll und nicht zu verantworten, wenn manche Seelsorger nahezu jede Epilepsie und die meisten Zustände von Anfällen und Bewußtseinsstörungen als Folgen einer Dämonie ansehen.

3. Schwermut oder Dämonie?

Betrachten wir die S c h w e r m u t (Melancholie). Auch bei dieser Krankheit vertreten nicht wenige Seelsorger die Auffassung, daß ihre Merkmale für das Vorliegen einer dämonischen Gebundenheit oder einer Besessenheit sprechen. Eine solche scheint in der Tat besonders dann vorzuliegen, wenn der Schwermütige auf dem Höhepunkt seines Leidens nicht fähig ist, das Wort Gottes, die vergebende Gnade, die Gotteskindschaft, die Heilsgewißheit zu erfassen, wenn er sich für innerlich tot und verstockt hält, wenn er keine Liebe zu Gott empfindet oder sich des Mangels an Reue anklagt. Auch vermag er sich zum Beten und Bibellesen weder aufzuraffen noch zu konzentrieren, oder er sieht sich selbst als besessen an.

Alle diese Merkmale sind jedoch keinerlei Zeichen einer tatsächlichen Gottentfremdung, sondern typische, auf krankhaften Hemmungen beruhende und im religiösem Gewand auftretende Symptome der Schwermut. Es wäre daher verkehrt, wollten wir dem Kranken, der von der Echtheit seiner Besessenheit überzeugt ist, Glauben schenken. Eine solche Meinung ist vielmehr als ein ausgesprochen krankhafter Wahngedanke anzusehen. Dies geht schon daraus hervor, daß der Besessenheitsglaube oft mit anderen Wahnvorstellungen verbunden ist (Versündigungswahn, Verarmungswahn, Beziehungswahn, Unheilbarkeitswahn), Befürchtungen, die sich meist als völlig unbegründet erweisen. Auch lehrt, ebenso wie bei der Schizophrenie, die ärztlich seelsorgerliche Erfahrung, daß bei demjenigen, der immer wieder von Besessenheit redet, eine solche nicht vorliegt. Im Gegensatz dazu, denkt der wirklich Besessene gar nicht an eine Besessenheit,  selbst wenn sein Zustand ihm unbegreiflich sein sollte. Denn Satan ist alles daran gelegen, möglichst unerkannt zu bleiben. Ferner handelt es sich bei den Schwermütigen, selbst bei denen, die sich, etwa infolge früher begangener Zaubereisünden, besessen wähnen, oft um Menschen, deren Vergangenheit vor Gott völlig geordnet ist und die bis zu ihrer Erkrankung in wahrem Glauben an Gott und Christus standen. Es ist daher nicht anzunehmen, daß sie nun plötzlich einem Dämon zum Opfer gefallen sind. Schon deshalb kann man bei einem Schwermütigen nicht von Dämonie reden, weil in seiner Seele Traurigkeit und Verzagtheit herrschen, nicht aber Finsternis und Haß.
Nun wird aber von zahlreichen Seelsorgern der Standpunkt vertreten, das Vorhandensein von Lästergedanken sei bei der Schwermut das sichere Zeichen einer Dämonie. So ist in dem weitverbreiteten Buch eines bekannten Evangelisten zu lesen: Wer mit Lästergedanken zu tun hat, der kann daraus mit Sicherheit schließen, daß er, vielleicht in früher Jugend, besprochen worden und nun unter einen Bann des Teufels geraten ist.“ Eine solche Schlußfolgerung ist jedoch bei Schwermütigen völlig unbegründet. Dies muß ausdrücklich betont werden, damit nicht all den Schwermütigen, die von Lästergedanken geplagt sind, ein großes Unrecht angetan wird. Lästergedanken finden sich nämlich gerade bei gläubigen Schwermütigen recht häufig. Sie sind bei ihnen als krankhafte Zwangsgedanken anzusehen. Besonders bei der übergewissenhaften und ängstlichen Form der Schwermut entstehen solche Gedanken aus der Befürchtung des Kranken heraus, er könnte sich zu einer Lästerung gegen das Heilige hinreißen lassen.

Hier gilt das psychologische Gesetz: was man befürchtet, tritt ein. Und weil eine solche Angst besonders leicht beim Bibellesen, beim Beten oder während des Gottesdienstes und Abendmahls einsetzt, drängen sich gerade bei diesen Gelegenheiten die Lästergedanken oft mit stärkster Macht auf. Mit einer teuflischen Beeinflussung haben sie jedoch nichts zu tun. Dies geht schon daraus hervor, daß sie gleichzeitig mit der Heilung der Schwermut schwinden. Auch wäre es bei der Annahme einer dämonischen Einwirkung unverständlich, daß die Lästergedanken oft allein durch eine fachärztliche Behandlung sich beseitigen lassen. Etwas anderes ist es dagegen, wenn bei einem gottfernen Menschen Lästergedanken zusammen mit häufigem Fluchen sich finden, wobei keine Anzeichen von Schwermut, wohl aber okkulte Machenschaften oder andere schwere Versündigungen vorliegen. Hier besteht kein Zweifel an einer dämonischen Ursache der Lästergedanken.
So läßt sich geradezu die Regel aufstellen: wenn Lästergedanken aus dem Herzen kommen, bewußt ausgesprochen und nicht bereut werden, sind sie satanischer Art. Wenn sie dagegen ohne den Willen des Menschen zwanghaft auftreten und nicht ausgesprochen, vielmehr verabscheut und aufrichtig bereut werden, sind sie krankhafter Natur. Der dämonische Mensch macht sich aus seinen Lästerungen gar nichts, während der Schwermütige es aufs tiefste beklagt, daß er solcher Gedanken fähig ist. Auch kann letzterer manchmal den Namen Jesu nicht aussprechen aus Angst, ihn lästern zu müssen oder seinen Namen zu beflecken. Bei Dämonie dagegen kann der Name Jesu nicht ausgesprochen werden, weil der Mensch diesen Namen verabscheut oder haßt.

Ebenso muß zwischen den S e l b s t m o r d g e d a n k e n bei Schwermut und bei Dämonie grundsätzlich unterschieden werden. Der dämonische Mensch will nicht mehr leben, weil er Satan gehorchen muß, der ihn in den Selbstmord hineintreibt. Die Tat begeht er, wie schon oben erwähnt, bei klarem Bewußtsein, weshalb er die volle Verantwortung dafür trägt. Bei Schwermütigen dagegen ist es zunächst der ihn beherrschende krankhafte Gedanke, er könne nicht mehr leben, weil er sich zu schwer versündigt habe. Diesen Lebensüberdruß benützt Satan, um ihn zur Selbstmordabsicht zu verführen. Geht er in den Tod, so deshalb, weil zuletzt die Klarheit der Gedanken völlig ausgeschaltet ist. Er ist daher für die Tat nicht verantwortlich zu machen.
Nur zwei Beispiele seien aus der Vielzahl von Krankengeschichten depressiver gläubiger Menschen herausgegriffen:
>Ein unverheiratetes Mädchen in den dreißiger Jahren gibt an, ihre verstorbene Mutter sei äußerst verschlossen gewesen, ihre vier Geschwister seien seelisch gesund. Die ganze Familie sei gläubig. Okkulte Belastungen seien ausgeschlossen. Sie selbst sei von jeher still und ernst gewesen und mit dem Leben nur schwer fertig geworden. Nach dem Tode der Mutter, mit der sie eng verbunden war, sei erstmals eine Schwermut über sie gekommen. Seitdem habe sie Angst vor dem Leben. Sie habe deshalb in ein Kloster gehen wollen, um sich geborgen zu fühlen und ganz für Gott leben zu können.
Mit zwanzig Jahren habe sie ein sehr schweres Erlebnis gehabt, über das sie sich niemals habe aussprechen können. Seitdem sei sie nie mehr ganz frei von depressiven Verstimmungen gewesen und habe in den Jahren darnach an starkem Lebensüberdruß gelitten, so daß sie mehrmals Selbstmordversuche unternommen habe. Mit 21 Jahren sei sie in ein Diakonissenmutterhaus eingetreten, doch habe sie infolge eines Lungenleidens bald wieder austreten müssen und habe seitdem nur leichtere Arbeiten tun können. Mehrere Versuche, eine ihren Kräften entsprechende Arbeit zu finden, seien gescheitert. Dies habe zu einer Verschlimmerung ihrer häufigen Depressionen geführt. Sie habe viel gegrübelt, doch sei eine Aussprache mit ihren Angehörigen nicht möglich gewesen, weil diese von ihrem Beruf zu sehr in Anspruch genommen waren.
Das Glaubensleben der Patientin ist durch die Angst vor der Zukunft beeinträchtigt. Auch empfindet sie wegen des früheren Erlebnisses zeitweise einen Groll gegen Gott und sieht auch keinen Sinn mehr hinter dem Leben, zumal sie auch von schweren körperlichen Nöten befallen ist. Vielfach ist sie nicht imstande, ihre Grübeleien wegzulegen. Zeitweise hat sie den Eindruck, ihr Zustand sei eine Strafe Gottes für eine ihr vielleicht nicht bewußte Schuld. Doch hat sie ehrliche Bestreben, ihr körperliches und seelisches Leiden im Blick auf Gott zu tragen. Besonders am Morgen ist es ganz dunkel in ihrer Seele, so daß sie kaum zu beten und in der Bibel zu lesen vermag. Von ihren Geschwistern fühlt sie sich nicht verstanden und nicht für vollwertig angesehen, weil sie kein lebendiges Glaubensleben führen kann. Besonders bedrückend empfindet sie die Unmöglichkeit einer Gebetsgemeinschaft. Es wird ihr vorgeworfen, sie gewähre dem Teufel noch zuviel Raum in ihrem Herzen, sonst müßte sie doch ihre Depressionen mehr und mehr überwinden können. Daß diese krankhafter Art sind, können ihre Angehörigen nicht begreifen. Sie sehen sie vielmehr als die Folge einer Bitterkeit gegen Gott oder einer anderen Schuld an. Falls eine gewisse Bitterkeit in ihr hochkommt, kann sie diese sofort Gott bekennen und sich vergeben lassen. Der innere Zwiespalt bringt sie oft in eine richtige Schwermut hinein, wobei sie viel weinen muß. Nur durch ihre Arbeit wird sie von ihren trüben Gedanken etwas abgelenkt.«

Aufgrund zahlreicher Unterredungen, die mit der Patientin geführt wurden, unterliegt es keinem Zweifel, daß die Gemütsverstimmungen auf einer depressiven, von ihrer Mutter ererbten Anlage beruhen. Abgesehen von den früheren Selbstmordabsichten und der zeitweiligen Bitterkeit haben die Zustände mit einer teuflischen Einwirkung oder gar einer dämonischen Gebundenheit nichts zu tun.

Das besondere Problem des Selbstmords schwermütiger Christen sei an einem weiteren Beispiel näher erörtert:
>Ein in den vierziger Jahren stehender Pfarrer stammte aus belasteter Familie: seine Mutter und zwei ihrer Brüder waren schwermütig wie auch einer seiner eigenen Brüder. Eine okkulte Vorgeschichte ist nicht nachweisbar. Der Patient selbst war von jeher schwernehmend, leicht gedrückt und viel allein. Er machte infolge strenger Erziehung eine freudlose Jugendzeit durch. Einen Fehltritt, den er mit 18 Jahren begangen hatte, konnte er nicht verwinden, obwohl er vor Gott und Menschen echte Buße getan hatte. Nach Abschluß seines Theologiestudiums befiel ihn erstmals eine richtige Depression, die mit großer Angst vor dem Predigen einherging, weil er sich nicht begabt genug und des Pfarrberufs nicht würdig fühlte. Er heiratete eine gesunde Frau, die seinem melancholischen Wesen liebevolles Verstehen entgegenbrachte und ihm zwei Kinder schenkte. Die Ausübung seines Berufes machte ihm große Not, er grübelte viel und hatte immer Schwierigkeiten bei der Vorbereitung seiner Predigten. Besonders wurde er von zahlreichen Selbstvorwürfen und Minderwertigkeitsgefühlen, von Apathie und Willenshemmungen wie auch von Selbstmordgedanken geplagt. Dazu kam die Sorge um seine schwer herzleidende Frau. Während einer Reihe von Jahren befand er sich mehrfach, monatelang wegen schwerer Depressionen in klinischer Behandlung. Er war überzeugt, diese furchtbare Krankheit niemals mehr zu verlieren, und geriet öfters in starke Anfechtungen. Dennoch wußte er sich als ein Kind Gottes und zweifelte nicht an der Macht seines Herrn, dessen Verheißungen er Ihm immer wieder vorhielt. Aber die Nichterhörung seiner Gebete rieb ihn nahezu auf. „Mein Schreien um Hilfe stößt auf verschlossene Türen; das ist ja auch so schwer, daß man sich in der Schwermut stundenlang mit Gottes Wort und Gebet befassen kann und daß nichts vorhält und Krafl gibt. Und doch hoffe ich, daß Gott mich nicht fahren läßt“, schrieb er einmal. Eines Abends befiel ihn, wie so oft eine große innere Unruhe und Angst. Er suchte einen Seelsorger auf, mit dem er eine lange Aussprache hatte. Danach schrieb er mehrere Briefe, in denen er seine Angelegenheiten regelte. Bald darauf vollführte er die Tat, die zu einem raschen Tode führte. In seinem Arbeitszimmer landen sich die Briefe samt dem Gesangbuch, in welchem das Lied “Jesus nimmt die Sünder an“ aufgeschlagen war.

Die Dorfbewohner konnten nicht verstehen, daß ein Pfarrer Selbstmord beging, und meinten, wenn man einen solchen Glauben habe, wie er ihn auf der Kanzel verkündigt hatte, müsse man doch aufsteigende Selbstmordgedanken abwehren können. Als nun vollends seine herzleidende Frau infolge ihres schweren Erlebens bald darauf ebenfalls vorübergehend gemütskrank wurde und Selbstmordgedanken äußerte, fragten sich die Gemeindeglieder, ob Schwermut denn ansteckend sei, ja sie erklärten zuallermeist rundweg, der böse Geist des Pfarrers sei in seine Frau gefahren; es könne nicht anders sein, als daß satanische Einflüsse den Selbstmord verursacht hätten. In ungläubigen Kreisen war zu hören, da könne man sehen, wie weit man komme, wenn man fromm sein wolle. Sowohl die Schwermut des Pfarrers als auch sein Tod wurden vom rein moralischen Standpunkt beurteilt. Besonders konnte man nicht begreifen, daß er noch kurz vor seinem Tode ausführliche Briefe schrieb; denn sie waren der Auffassung, dann müsse er doch bei klarem Bewußtsein die Tat begangen haben.<

Aus dem Verhalten der Dorfbewohner geht hervor, wie verbreitet die Unkenntnis über die Schwermut ist. Wir sahen oben, daß sie als eine Gemütskrankheit anzusehen ist, bei der in der Seele des Menschen sich oft ein furchtbares Ringen abspielt. Wenn die Krankheit stärkere Grade erreicht, wird der Mensch vielfach von lebhaften Wahngedanken befallen, die er sich in keiner Weise ausreden läßt. Sehr häufig sind es die Gedanken, Gott habe ihn wegen seiner Schuld, die er dauernd in krankhaft gesteigertem Maße vor sich sieht, verstoßen, so daß er ewig verloren sei. Er wird völlig von dem Gedanken beherrscht, nicht mehr leben zu können und nicht mehr leben zu dürfen, ja es sei Gottes Wille, daß er aus dem Leben gehe, um seine Schuld zu büßen. Alle vernünftigen Gedanken sind mehr und mehr ausgelöscht. Wenn er dann zur Tat schreitet, weiß er nicht mehr, was er tut. Er befindet sich in einem Zustand geistiger Verwirrtheit. Eine solche kann ganz plötzlich über ihn kommen, während er unter Umständen noch kurz vorher eine klare Unterhaltung hatte führen können. Ein Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ist die Tatsache, daß der Kranke, falls ihm sein Vorhaben nicht gelang, oft keine Erklärung für sein Handeln geben kann, ja sich des Vorgangs nur dunkel zu erinnern weiß. Vor allem ist er sich dessen oft nicht bewußt, daß der Feind die Krankheit benützt, um ihn umzubringen. Wir müssen annehmen, daß Gott es dem Feinde erlaubt, den Kranken zu diesem Schritt zu veranlassen, diesem aber die Tat nicht als Schuld anrechnet. Gott urteilt und handelt oft ganz anders, als wir Menschen es tun und es begreifen können. Den Grund dafür wissen wir nicht und brauchen ihn auch nicht zu wissen, Seine Wege sind unerforschlich. Nur das wissen wir: „Von Ihm und durch Ihn und zu Ihm sind alle Dinge“ (Röm.11,32ff). Auf keinen Fall steht es uns daher zu, einen Menschen zu richten, wenn wir dessen Handeln nicht verstehen.
Wenn aber der Feind der Meinung ist, er könne den gläubigen Schwermütigen, den er zum Selbstmord verführt hat, an seinen Herrn, den Satan, ausliefern, so täuscht er sich. Es ist für mich kein Zweifel, daß Gott eine solche Tat zuläßt, weil der Kranke nidit in Satans Hände, sondern in die offenen Arme Gottes fällt, zumal wenn er zuvor den Namen des Herrn anrief (Apg. 2, 21). Wir dürfen es dem barmherzigen Gott unbedingt zutrauen, daß Er einen verzweifelten Schwermütigen, der für seine Tat nicht verantwortlich gemacht werden kann, aufgrund seines Glaubens in Sein Reich aufnimmt, wo es weder Tränen noch Leid noch Geschrei noch Schmerzen gibt. Wenn der Kranke vor Beginn seines Gemütsleidens in lebendiger Verbindung mit seinem Herrn stand, wird er, auch wenn er seinem Leben ein Ende machen zu müssen glaubte, nicht verloren gehen. Denn er wird von Gott nach dem Glauben beurteilt, den er vor seiner Erkrankung gehabt hatte. Der Selbstmord ist in diesem Fall nur ein Scheinsieg des Bösen, der eigentliche Sieger ist Jesus.

Es sei ausdrücklich betont: das Gesagte gilt nur für die erblich bedingte Schwermut, nicht für die reaktiven und psychopathischen Depressionen, bei denen der Kranke zwar auch häufig mit Selbstmordgedanken zu tun hat, jedoch bei klarem Bewußtsein bleibt, wenn er zur Tat schreitet. Er ist daher für sie voll verantwortlich zu machen.
Nun kann das beschriebene Bild der reinen Melancholie vom Teufel als Einfallstor benutzt werden, weil die seelische Widerstandskraft des Schwermütigen naturgemäß stark herabgesetzt ist. In diesem Falle macht der Kranke nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Angehörigen schwere Vorwürfe und gerät in heftiges Klagen und Murren gegen Gott, oder er ist überzeugt, seinem Leben ein Ende machen zu müssen, weil der Feind ihm einredet, er sei auf alle Fälle verloren, und ihn unablässig mit Selbstmordabsichten plagt, die er oft auch in die Tat umsetzt.

Aber auch dieses Zustandsbild ist zu unterscheiden von dem Gemütsdruck des dämonischen Menschen. Ein solcher zeigt sich häufig, wenn der Mensch schwere Versündigungen begangen hat oder wenn okkulte Machenschaften seitens seiner Vorfahren erfolgt sind. Seine Depressionen gehen vor allem mit großer innerer Unruhe und Angst, mit Trotz und Jähzorn und dem Widerwillen gegen alles Göttliche einher. Sie unterscheiden sich daher deutlich von den typischen endogenen Depressionen gläubiger Menschen. Jede Art von Gemütsdruck erfordert daher eine genaue Erforschung der Vorgeschichte des Betreffenden, auch hinsichtlich okkulter Einflüsse, sowie eine eingehende Aufdeckung der Symptome, um eine richtige Beurtelluii  zu ermöglichen.

Zur Illustrierung diene ein Beispiel, bei dem die Frage: Schwermut oder Dämonie? schwierig zu beantworten ist.
>Der Urgroßvater einer älteren Patientin war zeitweise sehr depressiv und neigte zum Selbstmord. Der Großvater trank viel und erhängte sich im Rausch. Ihr Vater plagte die ganze Familie durch wochenlang anhaltende Verstimmungen, wobei er oft kein Wort sprach oder die Drohung ausstieß, er werde sich eine Kugel durch den Kopf schießen. Im Kreise von Gästen war er äußerst gesellig und liebenswürdig. Die fast immer übliche Unterhaltung der Gäste bestand in Tisch  und Gläserrücken, Pendeln, Kartenlegen und Befragen von Verstorbenen, die ihre Antwort durch verschiedenartiges Klopfen des Tisches kundgaben. An all diesen magischen Gebräuchen beteiligte sich auch die Patientin, ohne sich der Bedeutung ihres Tuns bewußt zu sein. Die Mutter ihres Vaters, eine Hebamme, besprach oft Tiere und Menschen. Die Patientin selbst wurde als Säugling bei einer schweren Hautkrankheit zuerst über ein Feuer, auf dem Kräuter verbrannten, gehalten; als dies nichts half, wurde sie von einer Frau mit bald einsetzendem Erfolg besprochen.

Die Patientin legte schon als kleines Kind ein scheues und gedrücktes Wesen an den Tag und fühlte sich von jeher einsam, wobei sie sich oft einschloß und mit sich selbst redete. Auch war sie sehr stark beeindruckbar. Als Halbwüchsige ging sie mit einer Kameradin zur Wahrsagerin. Diese erzählte ihr wahre Dinge, die sie auf natürlichem Wege nicht wissen konnte, und sagte ihr auch die Zukunfl richtig voraus. Sie machte eine strenge Erziehung durch mit viel Schlägen seitens ihres Vaters. Einmal erlebte sie, wie ihre Mutter, als diese dazwischentrat, von dem Vater geschlagen und, ohnmächtig geworden, von ihm an den Haaren die Treppe heruntergezogen wurde. So wuchs in ihrem Herzen schon frühzeitig die Furcht vor ihrem Vater und später auch der Haß gegen ihn, besonders als er ihre Mutter in der Ehe betrog. Auch später litt sie viel unter Vereinsamung und unter dem Mangel einer Aussprachemöglichkeit mit ihren Eltern.

Mit 25 Jahren versuchte sie das erste Mal, infolge beruflicher Schwierigkeiten aus dem Leben zu gehen, worauf sie in eine Nervenklinik verbracht wurde. Einige Jahre darauf erfolgte nach dem Tode ihrer Mutter der zweite ernsthafte Selbstmordversuch. Sie wurde in ein christliches Sanatorium aufgenommen, wo sie zum lebendigen Glauben an Jesus kam. Ihre Depressionen traten daraufhin, besonders auch durch den Umgang mit einer gläubigen Freundin, weniger häufig auf. Dennoch empfand sie auch in der Folgezeit oft viel Bitterkeit und Murren gegen Gott und hatte schwere Depressionen durchzumachen, in denen ihr das Bewußtsein der Wirklichkeit Gottes und die Gewißheit der Sündenvergebung abhanden gingen. Von dem Gedanken und dem ernsten Willen, ihrem Leben selbst eine Ende zu machen, kam sie nicht los. Auch jetzt noch befällt sie zuweilen ein überstarker Drang, aus dem Leben zu gehen. Sehr schwer ist ihr in den depressiven Zeiten die Unfähigkeit zum Bibellesen und Beten, da sie sich von Gott wie durch eine dicke Mauer getrennt fühlt. Sie klagt dann in völliger Verzagtheit und Verzweiflung Gott an. Auch der Abgrund, der sich in solchen Zeiten zwischen ihr und ihren Mitmenschen auftut, ist äußerst quälend für sie, weil sie das Gefühl hat, von allen mißverstanden und alleingelassen oder gar abgelehnt und verachtet zu werden, so daß sie ihnen ein starkes Mißtrauen entgegenbringt.

In den depressionsfreien Zeiten jedoch beseelt sie eine innige Liebe zu Gott. Sie ist überzeugt, daß all ihre Schuld vergeben ist, und kann dafür danken, daß Jesus sie rein und frei gemacht hat. Das Gebet und Bibellesen sowie die Teilnahme am Gottesdienst wie an jeglicher Wortverkündigung ist ihr ein tiefes Bedürfnis. Sie selbst hat dann, wenn auch nach Überwindung starker Anfechtungen, große Freudigkeit, für ihren Herrn zu wirken. Auffallend ist dabei: während sie in ihrem Beruf vor einer großen Schar von Anwesenden ohne jegliche Hemmung zu reden vermag, gerät sie, wenn sie von Gott den Auftrag zur Wortverkündigung bekommt, in das Gefühl völligen Unvermögens hinein, das nur auf seelsorgerlichen Zuspruch hin überwunden werden kann.

Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Melancholie auf der Grundlage einer depressiven Veranlagung erheblichen Grades, die durch eine schwere okkulte Belastung eine besondere Färbung bekam. Im Glaubensleben bestand gleichzeitig jahrelang eine dämonische Gebundenheit. Diese ist jedoch infolge der Übergabe der Patientin an Jesus sowie der Lossagung von Satan und der Lösung von dem Bann der Vorfahren seitens des Seelsorgers als nahezu überwunden anzusehen. Daß ein Rest von Gebundenheit noch vorliegt, zeigt ihr Unvermögen zur Wortverkündigung. Sie deutet dieses, wohl mit Recht, als eine Absicht des Feindes, sie von der Ausführung des göttlichen Auftrages abzuhalten.

 

4. Neurose oder Dämonie?

Gehen wir zu den erlebnisbedingten Seelenstörungen, den Neurosen, über. Es gibt zahlreiche seelisch empfindsame Menschen, die infolge schwerer Erlebnisse ihre Fassungskraft völlig verlieren und dadurch mit allerlei krankhaften Erscheinungen reagieren können: mit großer Unruhe und Angst, mit Weinkrämpfen und Jammern, Schreien und Davonlaufen, Dämmerzuständen und Visionen wie auch mit körperlichen Beschwerden der verschiedensten Art. Auch hierbei wird nicht selten allzu rasch eine dämonisdie Einwirkung angenommen. Aber eine eingehende Erforschung des Seelenlebens führt meist zu dem Ergebnis, daß ein vorher unerklärlicher oder als dämonisch beurteilter Zustand eine natürliche, psychologisch erklärbare Ursache aufweist.

So entpuppen sich nicht selten V i s i o n e n des Teufels oder angebliche Erscheinungen von Jesus und von Engeln als psychisch bedingte Angst  oder Wunschvisionen.
Eine Patientin z. B., die sich immer den Tod wünschte, sah eines Nachts den Tod als skelettartige Gestalt an ihrem Bett stehen. Als sie infolge dieses Erlebnisses große Angst vor dem Teufel und dem jüngsten Gericht bekam, sah sie bei Nacht den Bösen vor sich, der sie holen wollte. Eine Dämonie lag hier nicht vor; denn als der Patientin diese Zusammenhänge aufgedeckt wurden, verschwanden die Visionen sofort und für immer.
Es gibt also nicht nur satanische oder durch Geisteskrankheit hervorgerufene, sondern auch seelisch bedingte Visionen, die streng voneinander unterschieden werden müssen.

Ein weiteres Beispiel seelisch bedingter Visionen:
Ein gläubiges Mädchen litt an Angstzuständen, innerer Unruhe und dem Unvermögen, zu beten und die Bibel zu lesen. Auch sah sie oft finstere Geister vor sich, die sie verklagten. Sie hielt sich daher für besessen und war innerlich völlig verzweifelt. Ein psychologisch nicht geschulter Seelsorger hätte mit größter Wahrscheinlichkeit eine Besessenheit angenommen und dementsprechend mit ihr verfahren. Die Aufdeckung des Unterbewußten ergab jedoch eindeutig, daß der Zustand von einem bestimmten Erlebnis herrührte. Das Mädchen hatte nämlich eine Frau kennengelernt, die ihr von bösen Geistern erzählt und ihr gesagt hatte, diese würden auf sie übergehen und ihr Unglück bringen. Sie wurde infolge ihrer abnormen Beeindruckbarkeit von diesen Worten tief betroffen und in Angst versetzt. Durch die Klärung der Zusammenhänge konnte sie jedoch völlig beruhigt werden und wurde frei von allen Beschwerden. Damit war zugleich erwiesen, daß ihre vermeintliche Besessenheit nur die Folge einer Angstidee gewesen war.

Des öfteren wandten sich Menschen mit Depressionen, innerer Unruhe und Angst an mich. Sie fühlten sich durch angeblich besessene Menschen, mit denen sie zusammenkamen, stark belastet und waren von lebhafter Furcht vor einem Überspringen der feindlichen Mächte erfüllt. Manche von ihnen glaubten sogar, bereits selbst besessen zu sein. Da in sämtlichen Fällen festgestellt werden konnte, daß es sich bei den „Besessenen“ nur um Neurosen handelte, konnte ihnen mit Bestimmtheit gesagt werden, daß ihre Befürchtungen unbegründet seien. Als sie sich davon überzeugen ließen, schwanden ihre Beschwerden sehr rasch.

Auch Dämmerzustände sind in erster Linie auf seelische Ursachen zurückzuführen und als hysterisch anzusehen. Der Kranke versetzt sich hierbei bewußt oder unbewußt in eine Art Selbsthypnose zu dem Zweck, sich der rauhen Wirklichkeit zu entziehen und in eine Wunschwelt zu flüchten. Erfolgt die Aufdeckung des wahren Grundes, können solche Zustände rasch zum Schwinden gebracht werden. Es ist mir jedoch kein Zweifel, daß es auch dämonisch gewirkte Dämmerzustände gibt. So beobachtete ich bei mehreren Besessenen Dämmerzustände, in denen sie schrien und tobten, die Bibel zerrissen oder höhnisch lachten, wenn von dem Erlöser Jesus die Rede war. Wenn nach einiger Zeit das Erwachen erfolgte, wußten sie nichts oder nur wenig von dem, was vor sich gegangen war. Auch bei Gottliebin Dittus sowie bei dem philippinischen Besessenen, den Kurt Koch beschreibt, traten während der Gebetskämpfe immer wieder dämonische Dämmerzustände ein. Während also die psychogenen Dämmerzustände aus dem Unterbewußtsein stammen und durch Einwirkung von außen abgebrochen werden können, werden die dämonischen Dämmerzustände vom Teufel zu seinen Zwecken benützt. Sie sind meist so tief, daß ein Aufwecken nicht möglich ist. Bei den spiritistischen Medien handelt es sich zum Teil um seelisch bedingte, zum Teil um dämonische Dämmerzustände.

Sogar bei Klopfgeräuschen muß mit einem neurotischen Ursprung gerechnet werden, wenn sie von stark beeindruckbaren, ängstlichen Menschen gehört werden, denen von Spukerscheinungen erzählt wurde. So hörte eine neurotische Patientin immer dann Klopfgeräusche, wenn sie bei Nacht an ihren verstorbenen, ungläubigen Vater dachte; sie fürchtete nämlich, sein Geist könnte auf sie übergehen. Diese Furcht bewirkte in ihr das eingebildete Hören von allerlei Geräuschen. Von den anderen Hausbewohnern wurde das Klopfen nicht wahrgenommen.

Wenn nun einerseits zahlreiche dämonisch erscheinende Zustände sich als rein neurotisch erweisen, so müssen andererseits auch manche scheinbaren Neurosen auf eine Dämonie zurückgeführt werden. Hierfür diene das folgende Beispiel:

>Ein fünfundzwanzigjähriges Mädchen litt unter öfters auftretenden Zuständen von Gereiztheit, die sich zeitweise zu richtigen Erregungszuständen steigerten und auch mit Selbstmordgedanken einhergehen. Ihr Vater sei vor mehreren Jahren bei einem Unglücksfall tödlich verletzt worden. Von ihrer Mutter sei sie als kleines Kind wegen eines Hautausschlags besprochen worden. Als Ursache ihres Zustandes gab sie das schlechte Verhältnis zu ihrer Mutter an, die sie auch jetzt noch wie ein Kind behandle und beaufsichtige, so daß sie sich völlig unfrei fühle. Sie habe schon oft Mordgedanken gegen sie gehabt. Auch stoße sie die christliche Einstellung ihrer Mutter völlig ab, so daß sie sich vorgenommen habe, niemals ihren Glauben anzunehmen. Sie habe dadurch einen Abscheu vor allen entschiedenen Christen bekommen, die sie geradezu hasse. Durch ihren Beruf sei sie mit einem Mann bekannt geworden, der sie schon mehrmals zu spiritistischen Sitzungen mitgenommen habe. Sie konnte dies bisher ihrer Mutter gegenüber verheimlichen. Auch mit ihren Freundinnen habe sie sich infolge ihrer Gereiztheit verkracht. In dieser Lage habe sie Gott mehrmals gelästert und ihre Mutter verflucht.
Der Zustand der Patientin ging entschieden über eine neurotische Protesthaltung gegenüber ihrer Mutter hin¬aus. Auch hysterische Anzeichen waren nicht nachweisbar. Die Angaben wurden völlig sachlich und nüchtern vorgebracht. Eine kürzere therapeutische Behandlung wurde von ihr abgebrochen. Mit Wahrscheinlichkeit stand eine Dämonie leichten Grades im Vordergrund.<

Auch die eigenartigen Erscheinungen, die Johann Christoph Blumhardt bei Gottliebin Dittus beobachtete, werden zumeist für eine schwere Hysterie, genauer für eine eingebildete Besessenheit gehalten. Dennoch glaube ich an eine wirkliche Besessenheit bei diesem Mädchen, und zwar einmal deshalb, weil mehrmals fremde Stimmen in höhnischer und gotteslästerlicher Weise in verschiedenen Sprachen, die der Gottliebin selbst unbekannt waren, aus ihr redeten, und ferner, weil häufig Poltergeräusche von neutralen urteilsfähigen Personen festgestellt wurden. So hielten sich sowohl der behandelnde Arzt als auch mehrere Gemeinderäte von Möttlingen bei Nacht in der Wohnung auf, wobei sie Töne, Schläge, Klopfen der verschiedensten Art sowie Bewegungen des Tisches bemerkten. Alles wurde genau untersucht, ohne daß eine natürliche Erklärung dafür gefunden werden konnte. Gerade solche Spukerscheinungen trifft man, wie erwähnt, nicht selten in der Umgebung von Besessenen an.

Zu den hysterischen Neurosen zählt auch die eingebildete Besessenheit, deren Verwechslung mit echter Besessenheit schon zu folgenschweren Irrtümern geführt hat. Ein geradezu erschütterndes Bei¬spiel aus neuester Zeit könnte angeführt werden. Ich habe bereits an anderen Stellen kurze Ausführungen über diese Zustände gemacht. Doch sei in diesem Zusammenhang ebenfalls einiges über die Pseudobesessenheit erwähnt, die nach meiner Erfahrung die echte Besessenheit an Häufigkeit weit übertrifft. Sie hat auch in den Anfängen der Pfingstbewegung eine erhebliche Rolle gespielt, wenn auch damals wirkliche Besessenheitsfälle vorkamen. Auch im Raum der katholischen Kirche gibt es zahlreiche Fälle von hysterischer Besessenheit wohl aus dem Grunde, weil sie dem Besessenheits Phänomen eine große Bedeutung beilegt, während die evangelische Kirche der Frage der Besessenheit nahezu völlig interesselos gegenübersteht.

Wenn ein leicht beeindruckbarer Mensch besonders weiblichen Geschlechts in einer Umgebung lebt, in der viel über Teufel, Dämonen und Besessenheit gesprochen wird, oder gar wenn ein wirklich Besessener von sich reden macht, kann ein solcher Mensch von der Angst befallen werden, er könnte selbst vom Teufel besessen sein. Oder er kann in einem vermeintlichen Sendungsbewußtsein von dem unterbewußten Wunsch durchdrungen sein, sich besessen zu fühlen, um durch den Mund der „Dämonen“ wichtige Aussagen machen zu können. Dabei vermag er infolge seines lebhaften Vorstellungsvermögens oder seiner Nachahmungsfähigkeit sich vollkommen in die Rolle eines Besessenen zu ver¬setzen, so daß seine Umgebung keinen Zweifel an wirklicher Besessenheit hat. Er windet sich auf dem Boden, tobt, schreit, spricht Schimpfworte, ja sogar Lästerungen aus und spricht verächtlich über den Christenglauben, als wenn der Teufel aus ihm spräche. Wird der „Dämon“ vom Exorzisten gefragt, warum er in den Menschen gefahren sei, wie er heiße, ob noch andere Dämonen anwesend seien, wann er ausfahren werde u. a., fällt seine Antwort so aus, wie sie nach seiner Vorstellung der in ihm wohnende „Geist“ geben würde. Dabei läßt er meist eine klare Absicht seiner Worte erkennen. So bittet er etwa den Exorzisten, auf die Austreibung zu verzichten, oder er sagt den Termin seines Ausfahrens voraus, oder er läßt den Teufel über seine Verdammnis und über seine Angst vor dem Gericht reden. All diese Aussagen erfolgen in dem Tonfall, der dem „Besessenen“ im natürlichen Zustand eigen ist. Nach anhaltendem Gebet und Kampf der anwesenden Beter kann ein wiederholtes auffallendes Aushusten erfolgen, das das Ausfahren der „Dämonen“ demonstrieren soll. Ein derartiges Gebaren wirkt in einer suggestiblen Umgebung hochgradig ansteckend. So ist es kein Wunder, wenn ein solcher Mensch eine richtige Besessenheitsepidemie auslösen kann.

Bei einer derartigen Verhaltensweise eines vermeintlich Besessenen sind deutliche Unterscheidungsmerkmale gegenüber der echten Besessenheit festzustellen. Zunächst sind die Aussagen bei hysterischer Besessenheit durchaus menschlich gefärbt. Es kann nachgewiesen werden, daß der „Teufel“ aus dem „Besessenen“ solche Worte redet, die dessen eigener Vorstellungswelt entsprechen oder durch bestimmte Eindrücke von außen in sein Unterbewußtsein gelangt sind. Auch die ausführlichen Selbstgespräche oder die lebhafte Unterhaltung mit dem Seelsorger sprechen für eine Pseudobesessenheit, zumal wenn der Betreffende nicht in einer fremden Sprache redet, die ihm nicht geläufig ist. Nicht zuletzt deutet auf unechte Besessenheit auch der Umstand hin, daß der Betreffende außerhalb der Gebetskämpfe den Eindruck eines seelisch ausgeglichenen, frohen Menschen macht.

>Eine abnorm beeindruckbare und sehr suggestible Patientin fiel beim Beten und bei Hausandachten in einen Trancezustand, in dem sie in theatralischer Weise Aussagen des vermeintlich in ihr wohnenden Dämons machte. Dabei konnte festgestellt werden, daß die Trancezustände auf Autohypnose beruhten. Die Stimme, die aus ihr sprach, glich in der Klangfarbe und Sprechweise völlig ihrer eigenen Stimme. Auch der Inhalt ihrer Äußerungen entsprach den unterbewußten Erlebnissen, die nach eingehender Erforschung ihres Seelenlebens aufgedeckt worden waren. Bei ihren Trancezuständen handelte es sich daher nicht um eine dämonische Bewußtseinsstörung, sondern um eine unbewußt erfolgte Vortäuschung. Als die Patientin zur Erkenntnis dieser Zusammenhänge kam, schwanden die Trancezustände samt den „Geisterreden“ sehr rasch.<

 

5. Psychopathie oder Dämonie?

Was haben wir von den anomalen Charakterzügen seelisch abwegiger Menschen zu halten? Denken wir an die Erregungszustände und Wutausbrüche des reizbaren P s y c h o p a t h e n, die Roheiten des Gefühllosen, die Launen des Willensschwachen, die Intrigen und Gehässigkeiten des Hysterischen, die Unwahrheiten des Lügensüchtigen, die sexuellen Verirrungen des sittlich Belasteten, die Gewalttätigkeiten des Alkoholsüchtigen, die Prahlereien des Geltungssüchtigen. Handelt es sich bei diesen Menschen um psychopathische Merkmale, die einer Dämonie ähnlich sehen, oder um eine dämonische Gebundenheit, die im Gewand einer Psychopathie auftritt?

Zunächst kann angenommen werden, daß bei den erwähnten Zuständen mit Wahrscheinlichkeit erblich bedingte krankhafte Seelenstörungen vorliegen. Aber gerade seelisch labile und leicht versuchliche Menschen, wie es die Psychopathen sind, sucht der Teufel zu sündigen Handlungen zu verleiten und an sich zu ketten. Er benützt die krankhafte Anlage solcher Menschen als willkommenen Angriffspunkt. So kann ein Psychopath sich gewohnheitsmäßig solchen Sünden hingeben und dadurch in eine dämonische Bindung geraten. Aus diesem Grunde finden wir die Psychopathie häufig in Verbindung mit Dämonie, so daß sich beide Zustände vielfach kaum voneinander trennen lassen. Wir sollten uns daher beim Vorliegen psychopathischer Symptome nicht mit der Annahme einer erblichen Belastung begnügen, sondern uns fragen, wieweit dämonische Einflüsse, etwa infolge einer okkulten Belastung, vorliegen.

Wie schwierig die Frage: Psychopathie oder Dämonie? zu klären ist, soll das folgende Beispiel verdeutlichen:
>Ein Kriegsversehrter in den fünfziger Jahren war von jeher leicht erregbar und depressiv. Sein Großvater war gedrückt und nahm sich das Leben. Sein Vater war ebenfalls leicht depressiv, dazu oft sehr aufbrausend; er wurde in der Jugend wegen einer Krankheit besprochen. Der Patient selbst war ein unerwünschtes Kind und litt sehr unter der Verachtung seiner Eltern und der Ungerechtigkeit seiner Mitmenschen. Mit 22 Jahren bekam er seine erste Depression. Daraufhin ließ er sich durch eine Wahrsagerin die Zukunft deuten; die Voraussage traf ein. Eine zweite Depression erfolgte nach schwerem Erleben während des letzten Weltkrieges. Sobald er sich von seinen Nebenmenschen nicht verstanden oder ungerecht und lieblos behandelt fühlt, wird er laut und erregt und kann ihnen allerhand Unfreundlichkeiten an den Kopf werfen, so daß diese sich oft von ihm zurückziehen. Dadurch aber wird er noch empfindlicher, wobei er dazu neigt, den anderen die ganze Schuld an seiner Erregtheit zuzuschieben, und ihnen mißtraut, wenn sie sich versöhnlich zeigen. In erregungsfreien Zeiten ist der Patient dagegen ruhig und kontaktfähig, er erkennt, daß er selbst auch schuld hat, bereut ehrlich, den anderen wehegetan zu haben, und sucht sich mit ihnen auszusöhnen. Auch erweist er ihnen Liebe und Hilfsbereitschaft und legt ein echtes christ¬liches Verhalten an den Tag, ja er kann anderen gegenüber öfters ein Zeugnis von seinem Glauben ablegen. Über kurz oder lang gerät er jedoch schon bei einem geringfügigen Anlaß aufs neue in Erregtheit, Ärger, Verzweiflungsausbrüche und Lebensüberdruß. Ist die auslösende Ursache beseitigt oder erfährt er liebevollen Zuspruch, so beruhigt er sich rasch wieder.<

Ob es sich hier um eine rein krankhafte Erbanlage (reizbare und depressive Psychopathie) handelt oder ob die okkulte Vorgeschichte eine ursächliche oder auslösende Rolle spielt, ist nicht mit Sicherheit festzustellen.
Einige Merkmale zur Unterscheidung von Psychopathie und Dämonie seien jedoch angeführt:
Empfindet der Mensch immer wieder aufrichtige Reue über seine Erregungszustände, seine Unwahrheiten und Launenhaftigkeiten, kann von der Annahme einer Dämonie abgesehen werden. Ebensowenig sind Zwangsbefürchtungen und  handlungen des Zwangskranken, die ängstliche Selbstbeobachtung des Hypochonders, die Menschenscheu und die Minderwertigkeitsgefühle des Selbstunsicheren, das hemmungslose Benehmen des hypomanischen Psychopathen auf eine Dämonie zurückzuführen. Eine Gewalttat dagegen, die der Patient im Jähzorn unter Fluchen vollbringt, oder eine ausgesprochene Sucht, von der er sich weder lösen kann noch will, ist ein Zeichen dafür, daß der Teufel ihn an sich gebunden hat.

Wenn ferner trotz intensiver Seelsorge keine oder eine nur vorübergehende Befreiung eintritt, ist an eine psychopathische Erbanlage zu denken. Erreicht diese ei¬nen stärkeren Grad, so brechen ihre Merkmale trotz guten Willens des Betroffenen immer wieder durch. Beim Vorliegen einer Dämonie jedoch tritt meist allmählich oder rasch eine befreiende Wirkung ein, wenn der Mensch den Mut aufbringt, in voller Offenheit alles zu bekennen, das Absagegebet zu sprechen und sich von seinen Bindungen zu lösen.

6. Alterserscheinungen oder Dämonie?

Auch bei alten Menschen wird die Frage der Dämonie oft aufgeworfen. Da die Verkalkung der Ge¬hirngefäße meist eine Erschwerung der Konzentrationsfähigkeit zur Folge hat, macht sich diese auch beim Beten und Bibellesen bemerkbar. So fehlt dem alten Menschen häufig die Freudigkeit zum Beten, wie sie vorher bestanden hatte. Er muß sich zum Beten zwingen, ja er bringt ein richtiges Gebet oft kaum mehr zustande, obwohl er weiß, wie wichtig das Beten für ihn ist, um die Verbindung mit Gott aufrecht zu erhalten. Er macht sich daher leicht schwere Vorwürfe, daß er nicht mehr richtig im Glauben stehe. Und doch haben solche Erscheinungen nichts mit Dämonie zu tun, sie sind vielmehr ohne Zweifel als krankhaft zu bewerten.

Grundsätzlich zu unterscheiden von solchen krankhaften Erscheinungen sind die A n f e c h t u n g e n des Feindes, wie sie bei Gläubigen im Alter, zumal auf dem Kranken  und Sterbebett, nicht selten auftreten. Der Teufel weiß, daß der alte Mensch oft genug in beson¬derem Maße für Versuchungen anfällig ist. Um ihn aus der Verbindung mit Gott zu lösen, sucht er ihm einen ausgesprochenen Widerwillen gegen das Beten, wie auch den Zweifel am Wort Gottes und am Glauben einzugeben. So kann den Bibellesenden plötzlich der Gedanke befallen, es sei alles Unsinn, was die Bibel sage. Auch kann der Teufel ihm einreden, er sei verloren, weil Gott ihn verstoßen habe. Oder er wird zu sexuellen Gedanken und Handlungen verführt, deren er sich nur schwer zu erwehren vermag, so daß er oft in Depressionen gerät. Auch können ihm unschöne Erinnerungen aus seinem früheren Leben zu schaffen machen, die das Gefühl der Gottesferne in ihm erwecken. Er selbst hat den Eindruck, als suche der Feind ihn durch all diese Gedanken der Verzweiflung und dem Selbstmord auszuliefern. Doch handelt es sich in solchen Fällen weder um eine dämonische Gebundenheit noch um Besessenheit, da diese letzteren Zustände, wie eingangs besprochen, sich nur bei solchen Menschen finden, die sich bewußt von Gott entfernt haben. Deshalb darf der Gläubige sich im Alter durch solche Anfechtungen nicht bedrücken lassen. Wenn er immer wieder Gott um Hilfe anruft oder dem Feinde im Namen Jesu zu weichen gebietet, schwinden diese Versuchungen meist rasch.

7. Vorsicht bei fraglicher Dämonie !

Durch die bisherigen Ausführungen wurde zu zeigen versucht, wieviele Irrtümer uns unterlaufen können, wenn wir nicht größte Vorsicht bei der Beurteilung einer Dämonie walten lassen. Vorsicht ist daher auf diesem Gebiet ganz besonders erforderlich. Denn die Unterscheidung zwischen Krankheit und Dämonie ist vielfach nicht nur eine schwierige, sondern auch eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn es einerseits nötig ist, der Frage der Dämonie unvoreingenommen und aufgeschlossen gegenüberzutreten, so ist es andererseits dringend geboten, mit der Annahme einer dämonischen Gebundenheit und besonders einer echten Besessenheit größte Zurückhaltung zu üben. Dennoch besteht bedauerlicherweise, wie schon eingangs erwähnt, bei nicht wenigen Gläubigen die Neigung, in unklaren Fällen von seelischen Störungen ohne nähere Erforschung eine Dämonie anzunehmen. Mit dem Wort „besessen“ wird vielfach geradezu Mißbrauch getrieben. Bei jedem Vorliegen einer seelischen Belastung wird nur allzu rasch der Verdacht auf Dämonie geäußert. Eine solche ist aber von vornherein fraglich, wenn keine der eingangs angeführten Ursachen nachzuweisen ist. Und selbst wenn deutliche okkulte Machenschaften bei den Vorfahren oder erhebliche Versündigungen bei dem seelisch Gestörten vorliegen, darf dennoch nicht ohne genauere Prüfung eine Dämonie angenommen werden. Entscheidend für diese Diagnose ist nach Ausschluß einer krankhaften Störung allein das Vorhandensein von mehreren der in Abschnitt I angeführten Merkmalen der dämonischen Gebundenheit und der Besessenheit.

Vorsicht bei der Beurteilung ist schon deshalb erforderlich, weil es sich bei den Menschen, bei denen eine Dämonie in Frage kommt, häufig um seelisch sehr empfindsame Naturen handelt. Wenn einem solchen Belasteten ohne eingehende Untersuchung vorgehalten wird, er sei ein Gebundener Satans oder gar er sei besessen, kann dieser durch einen solchen Vorwurf derart stark beeindruckt werden, daß er in schwere innere Unruhe, Angst und Depression gerät. Besonders wenn einem Schwermütigen, dessen Glaubensleben infolge krankhafter Hemmungen erstarrt ist oder der von Lästergedanken geplagt ist, vom Seelsorger gesagt wird, es liege ein teuflischer Bann auf ihm, ist es verständlich, daß ein solcher Kranker nun erst recht sich ewig verloren glaubt, zumal wenn eine „Teufelsaustreibung“ zu keinem Erfolg führte. Ich habe in zahlreichen Fällen erlebt, welch ungünstige Wirkungen auf einen seelisch kranken Menschen ausgehen können, wenn er fälschlicherweise als dämonisch gebunden bezeichnet wird. Es ist ein großes Unrecht, wenn ein unter seinem Zustand leidender Gemüts  oder Geisteskranker den Vorwurf hören muß, er sei in die Gewalt des Teufels geraten. Wer ohne Kenntnis des krankhaften Seelenlebens und dämonischer Zustände sich ein solches Urteil anmaßt, der handelt höchst voreilig, ja geradezu grausam. So berichtete mir eine Patientin, die in einem christlichen Erholungsheim geweilt hatte, daß während ihres dortigen Aufenthalts ein Gast mit den bekannten Zeichen der Schwermut aufgenommen wurde. Der Hausvater erklärte ihn nach kurzer Unterredung für dämonisch und schickte ihn, als die entsprechende Seelsorge keine Wirkung zeigte, nach wenigen Tagen nach Hause zu¬rück. Ich selbst mußte oft ähnliche Erfahrungen machen.

Während wir solchen Menschen, bei denen man eine Dämonie vermuten könnte, zunächst mit Zurückhaltung in der Beurteilung gegenüberzutreten haben, ist es erforderlich, einem einwandfrei dämonisch Belasteten mit aller Deutlichkeit, aber zugleich mit verständnisvoller Liebe zu sagen, daß Satan ihn an sich gekettet oder gar von ihm Besitz ergriffen hat. Selbst wenn er sich gegen eine solche Äußerung wehren oder darüber erschrecken sollte, ist es doch ein heilsames Erschrecken. Denn er muß nun den Feind seiner Seele klar erkennen lernen und gemeinsam mit dem Seelsorger und, wenn möglich, mit Hilfe eines Kreises von Betern ihm zu widerstehen suchen.

Weil die Unterscheidung einer krankhaften Störung von einer Dämonie eine hohe Verantwortung in sich schließt, ist in allen fraglichen Fällen die Zuziehung eines gläubigen Nervenarztes oder eines auf diesem Gebiet kundigen und erfahrenen Seelsorgers dringend anzuraten. Aber daneben gilt es, ernstlich um die Gabe der Geisterunterscheidung zu bitten, die eine Gabe des Heiligen Geistes ist (1. Kor. 12, 10). Denn letztlich vermag der Geist Gottes allein uns die rechte Erkenntnis über die uns anbefohlenen Menschen zu vermitteln und uns vor verkehrten Worten und unbedachten Schritten zu bewahren.

 

IV. Christenglaube und Dämonie

Drei Fragen, die viele Gläubige stark beschäftigen, seien zum Schluß besprochen.

1. Kann bei einem Christen eine Dämonie vorliegen?

Wenn vielfach die Auffassung geäußert wird, der Teufel könne auch einen Jünger des Herrn an sich ketten, so ist zu sagen, daß in der Bibel kein Beispiel einer Dämonie bei einem an Jesus glaubenden und Ihm im Gehorsam treu bleibenden Menschen sich findet. So zeigt uns Maria Magdalena, die von sieben Teufeln besessen war (Mark. 16,9; Luk. 8,2), daß ein besessener Mensch durch die Verbindung mit jesus freiwerden kann. So wie in Ägypten jedes Haus, dessen Oberschwelle und Türpfosten mit dem Blut des Lammes besprengt war, den Vernichtungsengel nicht zu fürchten brauchte (2. Mose 12,13), so ist jeder, der im Glauben das Blut des gekreuzigten Christus als Sühnopfer für seine Schuld in Anspruch nimmt, vor einer Bindung an Satan geschützt. Es ist kein Zweifel: der Feind kann den nicht antasten, der durch das Blut seines Herrn gedeckt ist. Wer unter der ständigen vergebenden Gnade Jesu lebt, kann nicht in die Macht Satans geraten (Kol. 1,13.14).

Andererseits macht das Schicksal des Ananias und der Saphira wie auch der Fall des Judas Ischarioth deutlich, daß selbst Christen, die der Gemeinde Jesu angehören, oder daß ein von jesus erwählter und zum Dienst berufener jünger, wenn sie dem Geist Gottes bewußt Widerstreben und sich versündigen, ohne die Vergebung zu begehren, immer mehr unter den Einfluß Satans gelangen können, so daß dieser sie schließlich an sich kettet oder gar Besitz von ihnen ergreift. Der Anlaß hiezu war bei Ananias und Saphira ihre Lüge gegen den Heiligen Geist und gegen Gott (Apg. 5,3.4), bei Judas seine Gebundenheit an das Geld und sein wiederholter Diebstahl (Joh. 12, 6; Luk. 12, 3). Solche Menschen können zwar Buße tun wie Judas, der seine Schuld erkannte, bekannte, bereute und wiedergutzumachen suchte. Aber der Feind, der Gewalt über ihn hatte, redete ihm ein, seine Schuld sei zu groß, als daß er noch Vergebung finden könnte; es bleibe ihm daher nichts anderes übrig, als seinem Leben ein Ende zu machen. So unterließ er es, sich mit der Bitte um Vergebung an Gott zu wenden, und vollzog an sich selbst das göttliche Gericht.

2. Kann ein dämonisch Gebundener frei werden und wie geschieht dies.?

Oft ist selbst von gläubigen Christen zu hören, Satan habe heutzutage eine solch große Gewalt über viele Menschen, daß sie für die Verkündigung des Evangeliums unempfänglich seien, weil er sie eingeschläfert oder gar zur Gegnerschaft gegen Gott verführt habe. Daher sei auch die Fürbitte für diese Menschen nahezu wertlos; sie seien von solch einer Menge von Dämonen umgeben, daß die Gebete der Christen kaum noch zu Gott empor dringen könnten. Diese Auffassung ist jedoch das Zeichen eines ausgesprochenen Glaubensmangels. Wer mit Vollmacht im Vertrauen auf Jesu Sieg dem Feind entgegentritt und in eindringlichem Ringen für die dämonisch Gebundenen verharrt, der darf mit der Erhörung seiner Gebete rechnen. Wenn der Mensch Jesus als seinen Erlöser und Herrn annimmt und ernstlich bemüht ist, Ihm nachzufolgen, kann er von jeglicher Dämonie gelöst werden. Bei noch nicht allzu starker Gebundenheit tritt die Befreiung oft schon nach einer einzigen oder nach wenigen seelsorgerlichen Unterredungen ein. Allerdings kann die Befreiung sich über eine längere Zeit hinziehen, wenn die Versündigung des Menschen besonders schwer ist oder wenn der Seelsorger sich nicht der ganzen geistlichen Waffenrüstung bedient und es an dem entschiedenen Glaubenskampf fehlen läßt. Ebenso kann eine vollständige Lösung aus den Ketten Satans zunächst ausbleiben, wenn der Gebundene es mit der Übergabe an jesus nicht ganz ernst nimmt und dem Feinde, vielleicht unter dem Einfluß einer ungünstigen Erbanlage, weiterhin einen bestimmten Raum in seinem Herzen gewährt. Ein solcher Mensch kann zwar den Eindruck machen, wiedergeboren zu sein, weil in der Tat eine gewisse Wesensände¬rung bei ihm beobachtet werden kann. Und doch befindet er sich noch in Unkenntnis über die listigen Angriffe und betrügerischen Einflüsterungen des Teufels und erliegt ihnen zeitweise ohne seinen Willen. Er liebt zwar die Sünde nicht mehr, tut aber noch das Böse, das er nicht will. (Röm. 7, 15.19). In diesem Falle bleibt eine R e s t   D ä m o n i e bestehen, d. h. der Mensch ist zwar nicht mehr an Satan gebunden, aber der Feind sucht ihn mit allen Mitteln aufs neue durch V e r f ü h r u n g e n an sich zu binden, was ihm noch manchmal gelingt. Die Verführung äußert sich darin, daß die Lieblingssünden des Gebundenen sich noch zeitweise bemerkbar machen. So können etwa Trotz oder Lüge, Unversöhnlichkeit und Bitterkeit, Groll gegen Gott und Menschen, unreine Gedanken und sinnliche Begierden, häufiges Fluchen oder eine abnorm starke Empfindlichkeit mit Kurzschlußhandlungen den Menschen befallen; auch mediale Fähigkeiten bleiben oft noch längere Zeit bestehen. Besonders häufig kommen, auch wenn er nicht depressiv veranlagt ist, Selbstmordgedanken und  absichten über ihn.
Solche Zustände von Rest Dämonie sind vielfach zu beobachten. Nur ein Beispiel sei angeführt:

Eine Patientin hatte von Jugend auf mit schweren sexuellen Verirrungen zu tun. Jahrelang litt sie, besonders unter dem Einfluß ihres dämonischen Vaters, unter eindeutiger teuflischer Gebundenheit. Sie brachte es nicht fertig, sich mit eigener Kraft aus ihr zu lösen, bis schließlich unter dem Einfluß eines Seelsorgers ihre Hingabe an Christus erfolgte und sie von ihren sünd¬lichen Neigungen frei wurde. Nach einiger Zeit jedoch band der Feind sie wiederum an sich, sie suchte bewußt die Sünde auf, an der sie Gefallen hatte. Dieser Zustand datierte mehrere Jahre. Endlich wurde sie durch die schriftliche Beeinflussung des Seelsorgers und das regelmäßige Hören des Evangeliums Rundfunks so stark beeindruckt, daß sie eine wesentliche Besserung erleben durfte, die seit Jahren anhält. Doch der Teufel läßt sie noch nicht völlig in Ruhe. Jeden Abend vor dem Einschlafen gaukelt er ihr sinnliche Bilder vor und redet ihr ohne besonderen Grund Selbstmordgedanken und Angst ein. Sie aber wendet sich im Gebet zu Gott und gibt dem Teufel zu verstehen, daß sie nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Die Sünde, die ihr jahrelang zum Fallstrick geworden war, verabscheut sie nun, und doch fällt sie ihr noch hin und wieder zum Opfer. Auch die Selbstmordgedanken und Ängste machen ihr immer wieder zu schaffen. Sie selbst ist der Überzeugung, daß der Teufel hinter diesen Gedanken und Rückfällen steht, um sie aufs neue in seine Gewalt zu bekommen.

Je mehr jedoch der Geist Gottes in dem Glaubenden Raum gewinnt, um so mehr Siege darf er erleben. Zwar kann der Teufel, wenn er merkt, daß er seinen Einfluß völlig aufgeben muß, letzte schwere Angriffe unternehmen, indem er sein bisheriges Opfer auf jede erdenkliche Weise von dem entscheidenden Glaubensschritt abzuhalten sucht. Er kann dadurch eine erhebliche seelische Krise in dem Betreffenden auslösen und so die Gefahr eines schweren Rückfalles heraufbeschwören. Aber wenn dieser im Verein mit dem Seelsorger die endgültige und völlige Hingabe an den Befreier vollzieht und wenn im Namen Jesu dein Feinde geboten wird zu weichen, trägt zuletzt Jesus den Endsieg davon.

Der Glaubende wird allerdings auch weiterhin von dem Feind seiner Seele in Versuchung geführt; aber er behält dabei seinen freien Willen und kann nicht mehr, wie der Gebundene, zur Sünde gezwungen werden. Vielmehr schenkt der Heilige Geist dem Jünger Jesu die Fähigkeit, Satan zu widerstehen und die Sünde zu hassen, so daß dieser schließlich seine ständigen Angriffe aufgeben und fliehen muß (Jak.4,7). Die „feurigen Pfeile des Bösewichtes“ prallen an dem Glaubensschild des Wiedergeborenen ab. Denn dieser ist von dem Gesetz der Sünde freigemacht, weil seine aufsteigenden sündlichen Begierden immer wieder durch den Geist Gottes getötet werden (Röm. 8, 2.13). Und wenn er dennoch der Versuchung zum Opfer fällt, bedeutet dies nur eine Überrumpelung. Er hat kein Gefallen mehr an der Sünde, sondern bereut sofort von Herzen seine Schuld und darf der Vergebung gewiß sein, so daß keine unvergebenen Sünden mehr dem Feinde Macht über ihn einräumen können.
Weil die Worte „Gebundenheit“, „Verführung“ und „Versuchung“ häufig durcheinandergeworfen werden, ist eine klare Unterscheidung dieser Begriffe erforderlich. Während bei der Gebundenheit und in abgeschwächtem Maße bei der Verführung von Dämonie geredet werden muß, sollte bei der Versuchung das Wort „Dämonie“ nicht gebraucht werden.

3. Kann der Umgang mit dämonischen Menschen, besonders die Fürbitte für sie, irgendwelchen Schaden oder gar eine Krankheit verursachen?

Diese Auffassung, die immer wieder geäußert wird, ist auf den Glauben an das überspringen finsterer Mächte zurückzuführen. Zum Beweis wird auf die Tatsache hingewiesen, daß manche Menschen bei der Fürbitte für dämonisch Belastete in Angstzustände und innere Unruhe oder in Depressionen und Anfechtungen geraten. In der Bibel wird jedoch an keiner Stelle von einem übergehen von Dämonen auf Gläubige berichtet. Bei der Geschichte von den Söhnen des Skevas (Apg. 19,13 ff.), die vielfach als Beleg für diese Auffassung herangezogen wird, handelt es sich zwar um eine schwere Schädigung dieser Menschen durch einen Dämon. Doch waren sie nicht an Jesus gläubig, sondern sie maßten sich als jüdische Teufelsbeschwörer an, im Namen Jesu die bösen Geister aus Besessenen auszutreiben um ihrer Ehr- und Gewinnsucht willen. Von ihnen gilt das ernste Wort Jesu Matth. 7, 22.23.

Ein echter Jünger Jesu braucht jedoch keine Schädigung durch den Teufel zu befürchten. Hiervon ist auch in der Heiligen Schrift nirgends die Rede. Vielmehr verheißt jesus ausdrücklich den Seinen, daß niemand sie aus Seiner und Seines Vaters Hand reißen werde (Joh. 10, 28.29), ferner, daß Er ihnen Macht gegeben habe über alle Gewalt des Feindes und daß nichts ihnen schaden könne (Luk. 10, 19). Auch Paulus schreibt, daß der treue Herr die an Ihn Glaubenden vor dem Bösen bewahren werde (2. Thess. 3, 3) und daß keine finsteren Mächte sie von der Liebe Gottes zu trennen vermögen (Röm. 8, 3 8.3 9).

Auch die vielfach gehörte Warnung vor dem Beten für dämonische Menschen kann biblisch nicht begründet werden. Paulus ermahnt im Gegenteil, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen (l. Tim. 2, 1). Nur eine Ausnahme gibt es, nämlich bei dem, der eine „Sünde zum Tode“ begangen hat, indem er jesus in bewußter Verstocktheit ablehnt. Bei einem solchen Sünder rät Johannes von der Fürbitte ab (l. Joh. 5, 16), weil es für diesen keine Vergebung gibt (Hebr. 10, 26 30), nicht aber weil ein solcher Sünder dem Fürbittenden Schaden antun könnte. Daher braucht ein Christ, der mit einem dämonischen Menschen in Berührung kommt oder für ihn betet, nicht in Angst vor Schädigungen zu geraten, falls er in lebendiger Gemeinschaft mit seinem Herrn steht, sich durch das Sühnopfer Jesu frei von Schuld und Bindung weiß und in vollem Vertrauen die erwähnten Schriftworte für sich in Anspruch nimmt.
Immerhin ist es sehr wohl möglich, daß ein Christ, der okkult belastet ist oder sich in unvergebene Schuld verstrickt hat, vom Feind angegriffen und in seiner Arbeit für Gott gelähmt wird, wenn er sich in den Kampf um dämonisch gebundene Menschen einläßt. Dafür sei ein Beispiel erwähnt:

Ein Seelsorger, der von seinem Großvater her okkult belastet war und in seiner Jugend infolge Krankheit öfters besprochen wurde, war nach seiner Bekehrung nicht klar und vollständig von dämonischen Einflüssen gelöst worden. Als er sich nun an Gebundenen seelsorgerlich betätigte und dabei in Selbstsicherheit geriet, ließ er sich von dem Schmutz, dem er begegnete, beeinflussen, wodurch er in seinem Dienst beeinträchtigt wurde. Dadurch fand der Teufel Gelegenheit, sich an ihm zu rächen und ihn selbst in Gebundenheit zu versetzen. Diese äußerte sich darin, daß er in Groll und Bitterkeit, ja in unversöhnlichen Haß  und in Mordgedanken gegen einen Menschen geriet, der ihm beruflich geschadet hatte. Auch wurde er oft von Jähzorn und Rechthaberei befallen, so daß er manchen seiner Nebenmenschen zum Anstoß wurde. Seine Arbeit an den Gebundenen erfolgte ohne Vollmacht und wurde immer mehr gelähmt. Er bereute zwar seine Schuld und doch mußte er gegen seinen Willen dem Feind gehorchen. Jahrelang litt er stark unter dem Bewußtsein der klar erkannten dämonischen Bindung, Schließlich suchte er einen Seelsorger auf, vor dem er in echter Buße ein restloses Bekenntnis ablegte. Er erlangte alsbald die Gewißheit der Vergebung und konnte nach Lossprechung von seinen Bindungen befreit werden. Auch wurde ihm die Kraft geschenkt, den Groll gegen seinen Feind aufzugeben und ihn um Vergebung zu bitten, worauf dieser ihm alles verzieh. Seitdem darf er vollen Frieden und Freude in Gott erfahren und den Sieg Jesu rühmen. Auch wurde ihm neue Freudigkeit zur Arbeit für seinen Herrn geschenkt.

Aber auch einen seelisch labilen Jünger Jesu, der im Gebet gegen Satan ankämpft, vermag dieser durch Spukerscheinungen in einen kurzdauernden Schrecken zu versetzen oder ihm Anfechtungen im Glaubensleben einzuflößen oder Zwietracht zwischen ihm und seinem Nächsten zu säen. Jeder, der um dämonische Menschen ringt, muß sich darauf gefaßt machen, daß der Feind sich zu rächen versucht. Aber wer seine heimtückischen Pläne und Einflüsterungen sofort als satanisch erkennt, wird sie auch rasch im Glauben abwehren können. Es wäre für ihn ein Zeichen von mangelndem Gottvertrauen, würde er durch die teuflischen Angriffe sich ernsthaft einschüchtern lassen. Auf keinen Fall darf der Christ die Fürbitte für die Gebundenen fürchten. Dies wäre ein Beweis dafür, daß seine Sorge um das eigene Wohlbefinden größer ist als die Sorge um das Seelenheil des in Ketten Befindlichen. Es ist ihm vielmehr aufgetragen, angetan mit dem Schild des Glaubens, dem Helm des Heils und dein Schwert des Geistes den Kampf mit dem Feind aufzunehmen (Eph. 6,12 17).

Wie ist es aber zu erklären, daß tatsächlich manchen Jüngern des Herrn, die für dämonisch Belastete Fürbitte tun oder in nähere Berührung mit ihnen kommen, Schädigungen in Form von schweren und längerdauernden Angstzuständen und Anfechtungen zustoßen? Es handelt sich nach meiner Erfahrung in solchen Fällen um leicht beeindruckbare, ängstlich veranlagte Menschen. Wenn diese von einem Überspringen von Dämonen hören oder lesen und einen dämonischen Menschen vor sich zu haben glauben, oder wenn sie auf die angebliche Gefahr der Fürbitte für Gebundene hingewiesen werden, befällt sie leicht eine lebhafte Unruhe und Angst, ja sie können sogar körperlich nervöse Beschwerden verspüren, die sie auf dämonische Einflüsse zurückführen. Solche Beschwerden sind jedoch nur durch die Angst vor Schädigungen durch die Feindesmacht hervorgerufen. Dies läßt sich deutlich daran erkennen, daß die Beschwerden nach eingehender Aufklärung und Beruhigung schwinden. Nur wenn der andere auf seiner Meinung beharrt, halten die Beschwerden an. Ein nervlich und seelisch gesunder, mit seinem Herrn verbundener Christ bleibt beim Umgang mit dämonischen Menschen und bei der Fürbitte für sie von körperlichen und seelischen Störungen frei.

So konnte Johann Christoph Blumhardt am Schluß seines Gebetskampfes um Gottliebin Dittus seiner Behörde berichten: „So groß auch meine Anstrengung war, so fühlbar war mir ein göttlicher Schutz, indem ich nicht die geringste Ermüdung und Angegriffenheit fühlte, selbst nicht nach vierzigstündigem Wachen, Fasten und Ringen.“ Ich selbst wie auch eine Anzahl von Mitkämpfern und Mitbetern durften dieselbe Bewahrung beim Kampf um Gebundene und Besessene erfahren. Es erweist sich als eine Tatsache, daß ein wahrhafter Jünger des Herrn, wie bereits erwähnt, vor den Angriffen des Bösen bewahrt bleibt (l. Joh. 5, 18.19). Jesus selbst bittet als der himmlische Hohepriester Seinen Vater, Er möge die Seinen vor dem Einfluß des Teufels bewahren (Joh. 17,15). Und Paulus war bis ins Alter hinein von dem zuversichtlichen Glauben erfüllt, daß der Herr ihn auch fernerhin allen Anschlägen des Bösen entreißen werde (2. Tim. 4, 18).

Deshalb hat der Christ, der auf die bewahrende Macht seines Herrn vertraut, keinerlei Anlaß, den Umgang mit dämonischen Menschen zu scheuen und von der Fürbitte für sie Abstand zu nehmen. Gegen einen glaubensstarken Beter kann Satan keine ernstlichen Angriffe unternehmen. Wenn auch der Fürst dieser Welt schwerstes Unheil anzurichten vermag, darf der Jünger des Herrn in freudiger Zuversicht mit Martin Luther singen:

Und wenn die Welt voll Teufel wär‘
und wollt‘ uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt, wie sau’r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
Das macht: er ist gericht‘,
ein Wörtlein kann ihn fällen.

Die Hervorhebungen sind von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, 4. November 2008
 www.horst-koch.de
info@horst-koch.de

Dr. med. ALFRED LECHLER

war viele Jahre lang ärztlicher Leiter einer Kuranstalt im Taunus. Durch seine zahlreichen Veröffentlichungen, in denen er akute Probleme und Nöte unserer Zeit aufzeigt und Mittel und Wege zu ihrer Meisterung weist, ist er einem sehr großen Kreis von Menschen aller Lebensbereiche bekanntgeworden.

Weitere Titel von Dr. med. Lechler  –  evtl. unter amazon.de oder booklooker.de

Leg deine Nerven in Gottes Hand, 21. Auf l., 48 S.
Frei von Angst, 6. Auflage, 32 Seiten.
Der Dämon im Menschen, 4. Auflage, 84 S.
Briefe an Angefochtene, 3. Auflage, 78 S.
Was sagt die Bibel über die Krankheit und ihre Heilung? 56 Seiten.
Belastung und Befreiung –Die seelsorgerliche Behandlung der okkult Belasteten