Kurt E. Koch
KONTAKT MIT DEM HÖCHSTEN
INHALT
1. OHNE KONTAKT
2. HERGESTELLTER KONTAKT
3. DER NOTSCHREI DER UNGLÄUBIGEN
4. DAS FLEHEN DER GLÄUBIGEN
5. GEBET UNTER DANKSAGUNG
6. IM FEUEROFEN DER ANFECHTUNG
7. DIE FÜRBITTE
8. DAS EROBERNDE GEBET
9. BETEN UND FASTEN
10. DIE ANBETUNG
11. GEBETSZEITEN UND GEBETSLEBEN
12. GEBETSERHÖRUNGEN
13. DIE MACHT DES GEBETES
14. NICHT ERHÖRTES GEBET
15. GOTT ALS PARTNER UND VATER
1. OHNE KONTAKT
Im Frühjahr 1977 brachte eine Tageszeitung die Meldung von der Heimkehr eines ehemaligen Kriegsgefangenen aus Sibirien. 33 Jahre lang war er von seiner Frau getrennt. Über drei Jahrzehnte ohne Kontakt mit Menschen, die er liebt. Der Ehefrau war es nach dem Krieg gelungen, nach dem Westen zu fliehen. Ihre wartende Treue wurde belohnt. Im Zuge der Familienzusammenführung durfte der Mann in die Bundesrepublik ausreisen.
Unterbrochene oder verhinderte Kontakte können zu schmerzlichen Erlebnissen führen. Abertausende von Menschen haben das nach dem Krieg erlebt. Es gibt aber auch zu normalen Zeiten solche enttäuschenden Ereignisse des Kontaktmangels oder der Kontaktbehinderung. Ich will ein bißchen erzählen.
Vor einer Reihe von Jahren hatte ich in Lima, der Hauptstadt Perus, einige Vorträge, sowohl in der deutschen Evangelischen Kirche, als auch in einer peruanischen Gemeinde. Mein Gastgeber war ein Peruaner. Während dieses Aufenthaltes suchte der damalige Bundespräsident Lübke einige südamerikanische Hauptstädte auf und kam auch nach Lima. Ich war wie aus allen Wolken gefallen, als mir ein Bote die Einladung zu einem Festbankett mit Bundespräsident Lübke brachte. Wie ich zu dieser Einladung gekommen war, habe ich nie erfahren. In der politischen Welt bin ich völlig unbekannt.
Natürlich hatte ich die Absicht, diese Einladung anzunehmen. Abends 6 Uhr sollte das Bankett mit einer Rede Lübkes steigen. Mein südamerikanischer Gastgeber machte mir klar, daß alle politischen Anlässe in Südamerika zwei Stunden früher angesetzt werden, weil man der südamerikanischen p‑a-t‑i‑e‑n‑c‑i‑a (Geduld) Rechnung trägt. Ich antwortete dem Peruaner: “Lübke ist aber ein Deutscher und kein Südamerikaner. Bei uns in Deutschland gibt es so etwas wie eine preußische Pünktlichkeit.“ Ich konnte meinen Gastgeber nicht überzeugen und nicht überreden, mich vor 6 Uhr zu dem Bankett zu fahren. Da ich dauernd drängte, fuhr er 20 Minuten vor 8 Uhr los. Pünktlich um 8 Uhr waren wir da. Die Festversammlung war zu Ende, die Gäste schon verschwunden. Die Kellner waren gerade dabei, die Tische abzuräumen.
Es war gut, daß der Peruaner nicht in mein Herz sehen konnte. Dieser Mann hatte mir diesen wünschenswerten Kontakt durch seine südamerikanische Langweiligkeit zerstört.
Ein andermal zerstörte ich mir selbst einen Kontakt. Nach einer Vortragstour in USA erhielt ich einen Brief von Arthur Rubinstein. Er schrieb, daß er im Zusammenhang mit meinem Buch Between Christ and Satan einige Fragen habe, um deren Beantwortung er bitte. Was nun folgt, ist für Musikfreunde ein Skandal. Ich bekomme seit Jahren so viele Zuschriften aus aller Welt, daß ich die Briefe nicht mehr alle lesen, geschweige denn beantworten kann. Seelsorgebriefe haben den Vorrang. Briefe mit Fragen, Auskünften und Diskussionen bleiben gewöhnlich unbeantwortet und werden ein Opfer des Papierofens. So ging es mit dem Brief von Rubinstein. Als ich später erfuhr, wer Arthur Rubinstein ist, raufte ich mir die Haare. Ich Greenhorn hatte es nicht gewußt. Ein unverzeihlicher Bildungsmangel, für den ich hart bestraft worden war. Selbstverständlich hätte ich diesem berühmten Pianisten Antwort gegeben.
Wenn mancher Mann wüßte,
wer mancher Mann wär,
gäb mancher Mann manchem Mann
manchmal mehr Ehr.
So lautet der Kehrreim. Ich hatte durch meine Bildungslücke mir einen großartigen Kontakt zerstört.
Ein anderes Erlebnis war für mich zuerst verletzend, habe es aber doch zuletzt verstanden. 1955 sprach Billy Graham in Mannheim. Zu jener Zeit war ich Jugendpfarrer in dieser Stadt und bekam vom Dekan der Evangelischen Kirche den Auftrag, mit meinen Mitarbeitern die Veranstaltung von Billy Graham vorzubereiten. Es gab eine Menge Arbeit. Wir mieteten das Stadion, das rund 45.000 Menschen fassen kann. Zehn Wochen lang hatten wir alle Hände voll zu tun. Riesige Transparente standen vor dem Eingang:
Jesus der Weg
Jesus die Wahrheit
Jesus das Leben
Mit Handzetteln, Plakaten, Inseraten, Artikeln hatten wir ganz Nordbaden überschwemmt. Mit dem Erfolg waren wir zufrieden. 42 000 Besucher füllten das Stadion, in dem Billy eine zentrale packende Heilsbotschaft gab.
Einige Wochen nach dieser Großversammlung traten noch einige Fragen der Nacharbeit auf. Ich schrieb Billy Graham an. Keine Antwort. Ich versuchte es ein zweites Mal und sandte ihm mein Buch Seelsorge und Okkultismus und wiederholte die Fragen. Keine Reaktion. Ich schüttelte den Kopf und sagte einem Freund: „Jetzt habe ich mit meinem ganzen Stab zehn Wochen für die Veranstaltung dieses Mannes gearbeitet, und er würdigt mich nicht einer Antwort.“
Viel später entdeckte ich des Rätsels Lösung. In dem Artikel eines amerikanischen Blattes stand, daß jährlich etwa fünf Millionen Zuschriften Billy Graham erreichen. Das gibt rund gerechnet pro Tag 13 700 Schreiben. Soll das ein Mann lesen können? Werden zehn Menschen an einem Tag damit fertig? Nein, hundert Menschen hätten täglich 137 Briefe zu lesen und zu beantworten. Auch das ist unmöglich. Als ich diese Notiz gelesen hatte, zerrann jegliche Verstimmung in ein Nichts. Aber nicht nur Billy Graham stöhnt unter der Last der Zuschriften, auch kleine Evangelisten leiden oft unter den gleichen Nöten. Das ist der Grund, warum ich einmal in einem Rundbrief veröffentlichte: „Bitte, nach Möglichkeit mich nicht anschreiben.“
Es gibt nun einmal Situationen, in denen keine Kontakte von Mensch zu Mensch möglich sind oder durch menschliche Begrenztheiten zunichte gemacht werden.
Damit Billy Graham hier nicht beschattet wird, noch ein kleiner Hinweis. Der damals unmöglich erscheinende Kontakt ist heute hergestellt. Billy schrieb das Vorwort zu meinem Buch Koreas Beter und sendet mir an Weihnachten und bei anderen festlichen Anlässen schon 12 Jahre seine Grüße.
Den Menschen o h n e K o n t a k t gilt mein Mitgefühl. Es gibt so viele Leidende, Kranke, Einsame, vom Leben Enttäuschte, die zu ihrer Umgebung keinen Kontakt haben! Sie leiden mehr, als ihre Umwelt das weiß. Inmitten vieler Menschen sind sie einsam und unverstanden. Ich habe dieser Tragödie mein Taschenbuch Angst und Einsamkeit gewidmet. Das beste Beispiel dieser Kontaktlosigkeit haben wir in der Bibel.
In Johannes Kapitel 5 wird berichtet, daß Jesus am Teich Bethesda einen Schwerkranken anredete. Der Kranke antwortete ihm: ‘Herr ich habe keinen Menschen.’ (Vers 7) Mit niemand Gemeinschaft, mit niemand ein Verhältnis der Freundschaft, mit niemand K o n t a k t !
Gibt es in dieser chaotischen Zeit nicht Hunderttausende, die dieses Bekenntnis ablegen könnten? Muß es bei dieser Kontaktlosigkeit bleiben? ‑ Nein!
2. HERGESTELLTER KONTAKT
An einer Stelle funktioniert die Verbindung. Ein technisches Bild soll in den Fragenkreis einführen. Vor Jahren brachte Readers Digest die Nachricht, daß zwischen Washington und Moskau eine direkte Kabelverbindung besteht. Man nennt sie den heißen Draht. Bei Kriegsgefahr oder politischen Verwicklungen globalen Ausmaßes kann der Präsident der Vereinigten Staaten den russischen Staatschef ohne Zwischeninstanz in wenigen Sekunden erreichen. Was soll allerdings Gutes dabei herauskommen, da einer dem anderen nicht traut oder gar als Weltfeind Nr. 1 ansieht?
Immerhin kann diese technische Einrichtung die Brücke zu einer biblischen Wahrheit andeuten.
Es gibt einen anderen heißen Draht, bei dem nicht Mißtrauen, sondern Vertrauen zwischen den Gesprächspartnern besteht.
Von dieser Direktleitung steht oft in der Bibel. In Jeremia 33, 3 sagt Gott:
Rufe mich an, so will ich dir antworten.
Man hat diese Stelle Jer. 33,3 schon die Telefonnummer Gottes genannt. In einer Sekunde erreichen wir nicht den nächsten Kontinent, sondern den Himmel, den lebendigen Gott. Welch ein ungeheures Ausmaß hat diese Direktleitung! Kein Fernamt, kein überlastetes Kabel, keine verschwommene Satellitenübertragung kann dieses Direktgespräch stören.
In welch einer glücklichen Lage sind die Kinder Gottes! Wir haben in Psalm 91, 14‑15 die feste Zusage:
Er begehrt mein, so will ich ihm aushelfen.
Er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.
Er ruft mich an, so will ich ihn erhören.
Ich bin bei ihm in der Not.
Ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.
Hier ist die Leitung nicht besetzt. Hier kann sich niemand dazwischenschieben, kein Bischof, kein Priester, kein Pharisäer, kein Gemeinschaftspapst.
Zum Glück kann keine Kirche, keine Missionsleitung und keine Sektengruppe die Passierscheine zum Himmel verteilen, sonst wären die Elenden, die Zertretenen, die Ausgestoßenen abgeschrieben.
Wir haben einen Gott, der die Elenden hört, einen Herrn, der denen eine Direktleitung freihält, denen die Frommen die Türe vor der Nase zuschlagen.
Hören wir davon aus dem Wort Gottes:
Ps. 10,17 Das Verlangen der Elenden hörst du Herr.
Ps. 34,7 Da dieser Elende rief, hörte der Herr.
Jes. 49,13 Der Herr erbarmt sich seiner Elenden.
Wie bin ich froh über diese Zeugnisse der Bibel! Sie sind meine Rettung.
Ich bin ein Teilnehmer der Direktleitung zum Vater im Himmel. Diese Direktleitung hat viele Formen.
Nennen wir einige:
3. DER NOTSCHREI DER UNGLÄUBIGEN
Not lehrt beten, sagt das Sprichwort. In der letzten Sekunde des Lebens hat sogar schon mancher das Schreien gelernt, auch das Schreien zu Gott.
Im Bombenhagel des Krieges, im russischen Sperrfeuer, beim Absturz von einer hohen Felswand haben schon viele das Schreien gelernt.
Ich erinnere mich an ein Erlebnis aus meiner Kindheit. In unserer Kreisstadt, nur 7 km von dem elterlichen Haus entfernt, war ein Tag für Kunstflug angesetzt. Dabei gab es auch Absprünge mit dem Fallschirm. Ein solcher Springer ‑ er hieß Fußhöller ‑ sprang aus 500 in Höhe ab, und sein Fallschirm öffnete sich nicht. Er schrie aus Leibeskräften, so daß alle Zuschauer es hören konnten. Es war umsonst. Wer hätte Hilfe bringen können? Sein Körper schlug auf, so daß die Grasnarbe den deutlichen Abdruck zeigte. Für mich, der damals nur elf Jahre alt war, bedeutete das ein aufwühlendes Erlebnis, das ich viele Jahre nicht vergessen konnte. Darum kann ich mich noch heute mit 64 Jahren an den Namen des tödlich abgestürzten Mannes erinnern.
Das Schreien in den letzten Momenten des Lebens wird oft nicht mehr gehört. Darum verlasse sich niemand auf die sogenannte „Schächergnade“. Mein langjähriger Freund und Seelsorger, der vor einigen Jahren starb, Gottlieb Weiland, rief bei Evangelisationen oft in die Zuhörermenge hinein:
Heut lebst du, heut bekehre dich,
eh’s morgen kommt, kann’s ändern sich!
Wer heut gesund ist, frisch und rot,
ist morgen krank, vielleicht gar tot.
Wenn du dann sterbest ohne Buß,
dein Leib und Seel verderben muß.
Auch andere Ereignisse sind mir bekannt, da Gott solche Notschreie erhört hat. Ich kenne von Kind auf eine Missionarin, die als 17-jähriges Mädchen in der Nähe von Karlsruhe im Rhein badete. Sie geriet in einen Strudel, der sie herumwirbelte und dann in die Tiefe zog. Sie war eine gute Schwimmerin und warf sich quer über den Wirbel, doch der Sog war stärker. In diesem Kampf um ihr Leben schrie sie zu Gott und versprach: „Mein Leben soll dir gehören, wenn du mich hier rettest.“ Zunächst wurde sie von der Strömung unter der Wasseroberfläche ein großes Stück mitgerissen. Sie konnte so lange gar nicht die Luft anhalten und schluckte einige Male Wasser. Dann trieb die Strömung sie wieder an die Oberfläche. Sie erreichte das Ufer und brach dort erschöpft zusammen. Sie überstand diesen lebensbedrohlichen Unfall. Durch ein weiteres Eingreifen Gottes übergab sie dann ihr Leben Jesus und dient ihm bis heute.
Man mag fragen, warum hat Gott den Notschrei des Fallschirmspringers nicht erhört, dagegen den des Mädchens.
Manche werden prompt antworten: „Bei dem ersten Fall war nichts zu machen, beim zweiten Fall war die Rettung nichts Ungewöhnliches.“
So einfach darf man es sich nicht machen. Mir sind allein vier Fälle bekannt, da Menschen bei einem Absturz aus einigen tausend Metern mit dem Leben davongekommen sind. Als ehemaliger Flieger habe ich mir diese Fälle wohlgemerkt:
Ein Engländer sprang während des Krieges in 6400 m Höhe aus seiner brennenden Lancaster ohne Fallschirm ab und landete unverletzt im Gestrüpp und Schnee eines Waldes.
Juliane Köpke, die Tochter des bekannten Ornithologen in Pucallpa, den ich kenne, stürzte im Urwald der Shipibo ab, brach sich das Schlüsselbein, kam aber mit dem Leben davon.
Eine tschechische Stewardeß stürzte mit einem Jet aus 10 000 in Höhe ab und blieb am Leben.
Im Sommer 1976 wurde berichtet, daß ein Fallschirmspringer aus 2000 in sprang. Es öffnete sich weder der Hauptschirm noch der zweite Notschirm. Er brach sich ein Bein und erlitt innere Verletzungen, kam aber mit dem Leben davon.
Damit ist die gedankenlose Antwort abgewehrt, als könne Gott nicht auch einen Menschen retten, dessen Fallschirm sich nicht öffnet.
Der Unterschied zwischen Fußhöller und dem 17jährigen Mädchen kann viele andere Gründe haben.
Oft habe ich im Leben der Menschen beobachtet, daß junge Menschen bewahrt bleiben, wenn Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern Beter waren. Entschieden gläubige Menschen beten mindestens vier Generationen voraus. Gott kann über viele Generationen hinweg Gebet erhören. Der Herr kann den Notschrei eines Ungläubigen erhören, wenn er an die betende Großmutter oder Urgroßmutter denkt.
Ein biblisches Beispiel liegt in dieser Richtung. In 1. Mos. 19, 29 heißt es:
„Da Gott die Städte in der Gegend verderbte, gedachte er an Abraham und geleitete Lot aus den Städten, die er umkehrte, darin Lot wohnte.“
Nächst der Barmherzigkeit Gottes war es die Rettung Lots, daß er einen betenden Onkel besaß.
Es gibt noch viele Antworten auf die Fragen nach den Unterschieden. Der Kernpunkt ist der Wille und die Planung Gottes, in die wir nicht hineinsehen können. Bei der Siebzehnjährigen war es so, daß Gott sie als Missionarin haben wollte. Und er kam damit zum Ziel. In manchen Fällen geht es nicht anders, als daß der Herr solche Ungläubige bis zum äußersten Stadium der Lebensbedrohung führen muß, bis der Ungläubige vor ihm kapituliert.
4. DAS FLEHEN DER GLÄUBIGEN
Die echte Voraussetzung des Kontaktes mit Gott ist das Kindschaftsverhältnis zum Vater im Himmel. Das Kindschaftsverhältnis zum himmlischen Vater entsteht nicht durch unsere natürliche Geburt, sondern durch unsere Wiedergeburt.
Was verstehen wir unter einer Wiedergeburt? Es ist schon viel über diesen Begriff diskutiert und geschrieben worden. Eines steht fest ‑ und das sage ich als einer, der von der lutherischen Theologie herkommt ‑, daß wir in der Bibel keine Stelle finden, die davon zeugt, daß die Kindertaufe die Wiedergeburt darstellt. Als ein unumstößlicher Felsblock steht in Markus 16, 16:
„Wer da glaubt und getauft wird, der wird errettet werden.“
Es soll hier nicht gestritten werden. Selbst den Lutheranern sollte es zu denken geben, daß der berühmte lutherische Bischof Bezzel sagte:
„Die Taufe, die nicht zur Bekehrung führt, hat keinen Wert.“
Was bedeutet die Wiedergeburt? Um das Wort geht es nicht. Wir können dafür auch Bekehrung sagen, Umkehr, Lebenserneuerung, geistliche Umorientierung oder sogar das anrüchige Wort „Umfunktionierung“ gebrauchen. Es geht nicht um Wortklauberei, sondern um die Tatsache, daß der sündige Mensch vom Geist Gottes erfaßt und erneuert wird.
Man hat mich oft gefragt, wie man dazu kommt.
Im Rahmen dieser kleinen Schrift kann ich nicht ausführlich darüber sprechen. Kurz zusammengefaßt finden wir eine Antwort in 1. Joh. 1, 9:
So wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu, daß er unsere Sünde vergibt und reinigt uns.
Ich will es in Befehlsform ausdrücken: Bitte darum, daß Gott dir die Augen über deiner Schuld öffnet, sprich dich mit einem Seelsorger aus! Bitte um Vergebung, übergib dein Leben Jesus! Folge ihm nach diesem ersten Schritt treu nach!
Dieser Vorgang ist ein Werk des Heiligen Geistes, ein Geschenk der Gnade Gottes, um das wir ernstlich bitten dürfen und müssen, um es dann im Glauben anzunehmen.
Dann ist der große Kontakt mit Gott hergestellt, und wir haben die wunderbare, gewaltige Voraussetzung für erhörliches Beten.
Wer Kindesrecht hat, gehört zur Gottesfamilie und darf allezeit seine Nöte und Anliegen dem Vater vortragen. Das habe ich selbst reichlich in meinem Leben ausgenützt und ausprobiert.
Vor einigen Jahren hatte ich in New York eine Vortragswoche. Der Pastor der Presbyterianischen Kirche hatte Themen über den Okkultismus verlangt, weil die Umgegend voller Zauberei steckt. Mir sind solche Themenreihen unangenehm, weil man da stets mit harten Angriffen Satans zu rechnen hat.
Beim fünften Vortrag bekam ich plötzlich einen Blutsturz aus den Bronchien oder der Lunge. Ich mußte die Vortragswoche abbrechen. In der Nacht erbrach ich wieder viel Blut. Am nächsten Morgen brachten mich meine Gastgeber in ein Spital zu einem Lungenfacharzt. Nach der Untersuchung erklärte er: „Sofort hier im Krankenhaus bleiben!“ Ich fragte vorsichtig nach den Preisen. In New York geht ja das berüchtigte Sprichwort: „Bleibe einen Monat im Krankenhaus, und du stehst vor einem Konkurs.“ Nach der Auskunft, daß mich der Tag 1000 bis 1200 Mark kosten würde, fragte ich weiter: „Kann ich in diesem Zustand noch nach Deutschland zurückfliegen?“ Die Antwort des Spezialisten: „Es ist ein Risiko. Es kann sich alles wiederholen.“
Trotz der Warnung flog ich sofort zurück und hatte im Flugzeug nochmals zwei Blutstürze. Daheim angekommen, rief ich fünf verschiedene Krankenhäuser an und bat, aufgenommen zu werden. Alle fünf lehnten ab mit dem Hinweis, es sei alles besetzt. Eine Heidelberger Klinik sagte: „Wir können höchstens ein Bett auf den Flur stellen.“ Inzwischen bekam ich daheim noch einmal fünf Blutungen. Ich verlor insgesamt etwa 2 Liter Blut. Da kam mir der Gedanke, einen Schweizer Freund anzurufen. Was in Deutschland nicht möglich war, geschah in der Schweiz. Zwei Spezialkliniken sagten sofort zu. Ich entschied mich für die Bernische Höhenklinik in Montana. Das neue Problem war die weite Strecke dorthin mit der Gefahr neuer Blutstürze. Insgesamt hatte ich elf, bis ich Montana erreicht hatte.
Viele gläubige Freunde, die ich informiert hatte, beteten für mich. Das schmerzlichste war mir, daß ich mein Programm in USA nicht weiterführen konnte. Als mein Organisator in Minneapolis von meiner Erkrankung informiert wurde, antwortete er: „Ich habe 1500 Dollar (damals zwischen 5000 und 6000 DM) für die Werbung ausgegeben. Wer kommt nun dafür auf?“
Als ich bei der Einlieferung in Montana mit dem Chefarzt Dr. Frühberger sprach, fragte ich sofort: „Wie lange muß ich hierbleiben?“ Er antwortete: „Mindestens fünf Wochen.“ Ich hielt aber eifrig Zwiesprache mit dem Arzt aller Ärzte. Nach neun Tagen verließ ich Montana, flog zurück nach USA und hielt meine Reich‑Gottes‑Arbeiterkonferenz in Mineapolis, die größte, die ich je hatte. So hatte mein Organisator Quinton Alfors nicht einen Dollar an mir verloren, ich aber hatte die beglückende Erfahrung gemacht, daß der Herr in der schwierigsten Situation helfen kann. Die Blutstürze wiederholten sich nie wieder.
Wohl uns, wenn wir Kindesrecht haben und rufen dürfen: „Abba, lieber Vater!“ (Röm. 8, 15)
5. GEBET UNTER DANKSAGUNG
Der Apostel Paulus schreibt in Epheser 5,20: „Saget Gott Dank allezeit für alles!“ Allezeit für alles? Das will gelernt sein.
Paulus hat das nicht nur geschrieben, sondern auch praktiziert. Als Paulus und Silas in Philippi ins Gefängnis geworfen worden waren, und ihre Füße im Stock steckten, dankten sie Gott. Es heißt in Apg. 16, 25: „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott.“
Unsere Gebete können sehr egoistisch sein. Es dreht sich alles um unser Wohlbefinden. Die Erfüllung unserer Wünsche steht obenan. Damit machen wir uns zu Bettlern und versäumen, daß wir das „königliche Priestertum“ vor Gott wahrnehmen (l. Petr. 2,9).
Danken dürfen wir. Wofür? Zuerst, daß Jesus an einen Holzbalken genagelt wurde und unsere Schuld auf sich nahm.
Danken, daß wir eine lebendige Hoffnung seiner Wiederkunft und des ewigen Lebens haben.
Danken, daß die Verheißungen der Bibel wahr sind und wir sie in allen Lebenslagen gebrauchen dürfen. Die Reihe kann endlos fortgesetzt werden.
Vor einigen Jahren hatte einer meiner Freunde einen Dienst der Verkündigung in Berlin. Er fuhr mit der U‑Bahn, die zur Rushhour (Berufsverkehr) vollbesetzt war. Beim Anhalten drängten sich viele zur Tür. Er war einer der letzten. Die automatischen Türen schlossen sich, und sein flatternder Mantel wurde eingeklemmt. Der Zug schleppte ihn 400 Meter weit mit, bis endlich einer die Notbremse zog. Wie fand man ihn? Beide Beine waren unter dem Knie total abgetrennt, dazu kamen weitere schwere Verletzungen. Als er endlich im Krankenhaus nach der chirurgischen Versorgung seiner Beinstümpfe aus der Narkose erwachte, dankte er: „Herr, du hast mich durchgebracht.“ Danken, wenn einem beide Beine abgefahren worden sind?
In Soddo in Äthiopien sprach ich in einer Blindenschule vor 120 blinden Kindern und drei blinden Lehrern. Einige der Blinden haben es gelernt, dafür zu danken, daß der Herr Jesus in der Dunkelheit ihr Licht ist (Micha 7,8).
Danken für alles! An dieser Lektion bin ich oft zuschanden geworden. Nachdem ich zweimal in Neuseeland in rund 15 Städten evangelisiert hatte, wurde ich zum drittenmal eingeladen. Aufgrund der ersten Erfahrungen sandte ich für einige tausend Mark Bücher voraus. Dann kam auf Betreiben einer extremen Gruppe eine Absage. Meine Bücher waren aber in Neuseeland. Sie wurden weder bezahlt, noch kamen sie zurück. Ich schrieb mehrere Briefe nach Neuseeland und richtete nichts aus. Mein Gesamtschaden war rund 7200 DM. Paulus aber sagte: „Allezeit danken für alles.“ Ich tat wenigstens das eine. Ich betete, daß der Herr die Bücher gebrauche und segne, damit Leser den Herrn Jesus finden und frei werden könnten. Dann sind die Bücher vom Himmel her bezahlt. Das sind durchaus keine absurden Gedanken. Ein Beispiel, das in dieser Richtung liegt, soll erwähnt werden.
Vor vielen Jahren evangelisierte ich in der Marienkirche in Minden (Westfalen). Etwa ein halbes Jahr später erhielt ich von einem jungen Mann von Minden einen Brief. Er bekannte: „Ich habe bei Ihrer Evangelisation in der Marienkirche Bücher im Wert von 20,‑ DM gestohlen. Nach dem Lesen fand ich den Herrn Jesus. Nun will ich diesen Diebstahl beichten und Ihnen die Bücher bezahlen.“ Ich dachte, um diesen Preis, daß Bücherdiebe sich bekehren, dürfen mir alle Bücher gestohlen werden.
Nach mehreren Vortragstouren in den Vereinigten Staaten bestellte ein Missionar bei mir 5000 Broschüren. Mein Verlag sandte sie nach USA. Sie wurden nie bezahlt. Und das Ganze blieb an mir hängen. Danken allezeit für alles! Das ist mir oft sehr schwer gefallen.
Paulus hat die Lektion vom Danken oft erwähnt. So schrieb er in 1. Thess. 5, 18: „Seid dankbar in allen Dingen!“
Mir stehen dabei viele Dinge vor Augen. Ich bin brieflich mit einer querschnittgelähmten Frau in Verbindung, die qualvolle Schmerzen hat. Die Ärzte geben ihr nur noch Betäubungsmittel. Und sie soll für ihre Qualen danken?
Ein entfernter Verwandter starb an Krebs. Die letzten Wochen waren für ihn eine Hölle von Schmerzen. Und dafür danken?
Wenn die Bibel das von uns verlangt, muß es auch eine Möglichkeit geben, das zu vollziehen. In eigener Kraft ist das allerdings nicht möglich. Da müssen wir schon die Kraft des Gekreuzigten und Auferstandenen in Anspruch nehmen. Aber auch er wußte, was Schmerzen sind.
In Hebräer 5, 7 steht: „Er hat in den Tagen seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen geopfert zu dem, der ihm von dem Tode konnte aushelfen, und er ist auch erhört.“
Danken unter Schmerzen, danken unter Tränen, danken unter starkem Geschrei.
Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob wir unter Schmerzen hadern, fluchen, murren, klagen oder im Aufblick zum Herrn danken.
Nicht alle Lebenslagen sind aber so extrem. Wir dürfen und sollen auch für das Alltägliche, das Unscheinbare, das Unbeachtete danken. Danken für unsere gesunden Sinne und Glieder, danken für das Augenlicht, danken für jede Stunde ohne Schmerzen, danken für jede Stunde Schlaf, danken für das tägliche Sattwerden, danken vor allem für liebe Menschen und Freunde, die wir haben dürfen. Die Liste reicht nicht aus. Jeder kann sie nach seiner Erkenntnis fortsetzen.
Schließen wir mit einem dritten Pauluswort Phil. 4, 6: „In allen Dingen lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit D a n k s a g u n g vor Gott kundwerden.“
6. IM FEUEROFEN DER ANFECHTUNG
Vom Notschrei der Ungläubigen hörten wir im dritten Kapitel. Es gibt auch ein Schreien der Gläubigen, das Gottes Herz erreicht.
In Jesaja 37 wird berichtet, daß der assyrische Feldherr Sanherib König Hiskia einen Droh- und Schmähbrief sandte. Der König und das Volk in Jerusalem war in höchster Gefahr. Hiskia hatte niemand mehr, wo er Hilfe finden konnte. Aber ein Zufluchtsort war ihm geblieben.
Er ging hinauf in das Haus des Herrn und breitete den Brief aus vor dem Herrn. (Jes. 37, 14)
Wie viele „Sanherib‑Briefe“ habe ich in meinem Leben bekommen! Es ist ein Geschenk Gottes, wenn Christen unter dem „Kesseltreiben“ der „Frommen“ nicht zusammenbrechen.
Pfarrer Wilhelm Busch, mit dem ich befreundet war, hat eine ähnliche Bemerkung gemacht. Er war einmal im Erholungsheim von Hans Krebs in Oberstdorf im Urlaub. Bei einem Spaziergang mit Hans Krebs im Oytal sagte Pfarrer Busch: „Die gläubigen Brüder haben mir manchmal große Not bereitet.“
Zur Zeit der Entstehung dieses Taschenbuches erreichte mich wieder ein solcher „Sanherib‑Brief“ von einem Pfarrer J.J. Sw. aus einem afrikanischen Land.
Dieser Pfarrer unterstellte mir viele unlauteren Motive in meiner Arbeit. Er bezweifelte meinen Missionsauftrag und verdächtigte mich in jeder Weise. Dieser Brief war derart häßlich und voller Verleumdungen, daß ich tagelang wie verstört herumlief und nachts nicht schlafen konnte.
Der Evangelist Pahls sagte mir einmal, ich soll auf alle Angriffe nicht reagieren und es dem Herrn überlassen. Das hat vielfach seine Berechtigung, aber nicht in allen Fällen. Manche Probleme lassen sich aus der Welt schaffen, wenn man dem Verleumder einige Fotokopien vorlegt, aus denen die Haltlosigkeit der Anklagen hervorgeht.
In meiner Studentenzeit kaufte ich mir einmal die Biographie von Spurgeon. Darin las ich, daß Spurgeon drei Mappen führte, in denen er seine Zuschriften sammelte. Diese Mappen brachte er am Sonntag auf die Kanzel und informierte daraus seine Gemeinde. Die erste Mappe enthielt Briefe mit Wahrheiten. Die zweite Mappe enthielt Zuschriften mit einem Körnchen Wahrheit. Die dritte Mappe war die Sammlung der Verleumdungen und Lügen.
Damit ließ der Gottesmann seine Gemeinde teilhaben an seinen Nöten. Er hat also nicht das Rezept von Pahls eingehalten, obwohl Pahls mit seiner Meinung meistens recht hat.
Wiederholt erinnerte ich an das persönliche Ergehen von Pastor Louis Harms. Er wurde in seiner Amtszeit 62mal von seinen neidischen Amtsbrüdern beim Konsistorium verklagt. In jedem Fall konnten die Anklagen nicht bewiesen werden. Was muß dieser gesegnete Missionsmann aber innerlich durchgemacht haben!
Während dieser Niederschrift erreichte mich der Brief einer gläubigen Frau. Der Inhalt erschreckte mich. Sie ist schon viele Jahre gläubig, kann aber ihr Schicksal nicht mehr meistern. Ein Satz in ihrem Brief lautet: „Ist es nicht furchtbar, daß die Teufelsmacht doch stärker ist als Gottes Kraft. Ich bin jetzt am Ende.“ Natürlich habe ich postwendend geantwortet, daß ich diese Aussage weit von mir weise. Paulus triumphiert: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat.“ „Ihm ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Was muß aber alles geschehen sein, daß eine gläubige Frau zu diesem falschen Schluß gekommen ist?
Bei all diesen schweren Erlebnissen bei andern und bei mir dachte ich oft an das Bekenntnis von Apostel Paulus in Apg. 26, 11: „Durch alle Synagogen peinigte ich die Christen oft und zwang sie zu lästern.“ So handelte der Pharisäer Saulus, ehe ihm Christus begegnet war. Welche seelischen und körperlichen Folterungen hatte er angewandt, bis die Christen ihrer nicht mehr mächtig waren und Christus fluchten. Man hat mich schon gefragt, ob diese Christen dennoch das ewige Leben erhielten. In USA streiten sich die Pastoren um diese Frage. Meine Stellung ist die der Barmherzigkeit. Sollte Gott in einem solchen Fall nicht auch Barmherzigkeit üben können?
Bei diesen seelischen und körperlichen Qualen dieser ersten Christen denke ich an ihre Schreie zu Gott. Sie waren in einem Feuerofen glühender Anfechtung. Und nun kommt eine neue Anfechtung hinzu. Der Versucher fragte sie: „Wo ist euer Gott? Es heißt doch in der Schrift
Ps. 34, 16: Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.
Ps. 34, 18: Wenn die Gerechten schreien, so hört der Herr und errettet sie aus all ihrer Not.
Ihr habt zu Gott geschrien, und dieser Wüterich Saul hat euch geplagt, bis ihr zerbrochen seid. Ist die Bibel nicht eine einzige Lüge?
Diese Einflüsterungen Satans kamen bei diesen unglücklichen Christen zu all der Peinigung durch Saul.
Sollen wir dem Feind Gehör schenken und der Bibel mitsamt ihren Verheißungen den Abschied geben? Wollen wir Gott anklagen und ihm vorwerfen: „Warum läßt du das alles zu, der du ein gerechter Gott sein willst?“
Die Theologen nennen diese Zweifelsfragen das Theodizeeproblem. Eine fertige Antwort gibt es oft nicht, aber dennoch eine Lösung des Problems.
Der Psalmdichter Asaph gibt uns in Psalm 73 eine Antwort, die wir annehmen dürfen. Es gibt Führungen Gottes, die für uns unverständlich sind. Asaph schreibt Ps. 73, 2:
„Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten, da ich sah, daß es den Gottlosen so wohl ging.“
Wir könnten hinzufügen, und da ich beobachtete, daß die Gläubigen soviel leiden müssen. Welche Antwort erhalten wir nun von diesem glaubensstarken Psalmdichter?
Dennoch bleibe ich stets an dir,
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.
Du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich endlich mit Ehren an.
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Psalm 73.
Im Feuerofen das Schreien zu dem, der uns hört, wenn er auch nicht nach unseren Gedanken uns erhört! In der Gluthitze der Anfechtung das D e n n o c h des Glaubens, auch wenn es bis zur Zerreißprobe geht und uns die körperlichen und seelischen Kräfte verlassen!
Das Stichwort „Zerreißprobe“ erinnert mich an ein leidvolles fünfzigjähriges Jubiläum, das dennoch voll Herrlichkeit Gottes war.
Es handelt sich um die Geschichte einer gläubigen Frau, der Gott ein „voll gerüttelt Maß“ an Anfechtung und Leid auferlegen konnte, ohne daß sie daran zerbrochen ist.
Bei einer Vortragswoche im norddeutschen Raum wies man mich zu einer Schwerkranken, die 50 Jahre schon an ein Schmerzenslager gebunden war. In ihrem Krankenzimmerchen hörte ich von einem Dennoch des Glaubens, wie es mir zuvor nicht begegnet war.
Von Beruf war die Kranke Näherin. Mit 24 Jahren war sie verlobt. Durch eine schwere Erkrankung wurde sie total gelähmt. Damit begann eine Kette von Anfechtungen und Heimsuchungen. Da keine Hoffnung auf Genesung bestand, löste sich ihr Verlobter von ihr. Die Frage der Frührente war damals noch nicht so erträglich geregelt wie heute. Die Krankenkasse hörte bald auf, die Rechnungen des Krankenhauses zu zahlen. Die Rentenversicherung und Sozialversicherung sprangen nicht ein. Sie war noch nicht lange genug berufstätig gewesen.
Familienangehörige waren nicht in der Lage, die Pflege der total Gelähmten zu übernehmen oder zu finanzieren. Nicht lange danach starben auch alle, die aus verwandtschaftlichen Gründen hätten helfen können.
In dieser Notlage rührte Gott das Herz des Chefarztes an. Die Schwerkranke durfte kostenlos im Krankenhaus bleiben. Sie erhielt sogar ein kleines Einzelzimmerchen.
Nach Jahrzehnten trat dieser gütige Arzt in den Ruhestand. Der Nachfolger zeigte nicht die gleiche Hilfsbereitschaft. Die Gelähmte wurde bedrängt, das Krankenhaus zu verlassen.
Die schwergeprüfte Frau hatte keine Möglichkeit der Selbsthilfe. Sie kannte aber den, von dem es heißt: „Bei dem Herrn findet man Hilfe.“ (Psalm 3,9) Im Feuerofen der Anfechtung hatte sie sich zu einer glaubensstarken Beterin entwickelt.
Eine Christin, die sie kannte, erklärte sich bereit, das leidgepeinigte Menschenkind kostenlos aufzunehmen. So hatte der barmherzige Herr wieder für ein Einzelzimmer gesorgt.
In diesem Zimmer saß ich nun bei der Kranken und hörte die Geschichte einer fünfzigjährigen Leidenszeit ‑ nein, einer fünfzigjährigen Herrlichkeit. Ich bin nie in meinem Leben so an einem Krankenbett gesegnet worden wie hier. Kein Wort der Klage aus dem Mund der gelähmten Frau! Nur ein Lobpreis des Herrn, der sie 50 Jahre hindurch getragen hat!
Eine bessere Auslegung von Asaphs Psalm habe ich nie erfahren: ,,Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet . . .“ ‑ so bist du doch da! Im Feuerofen der Anfechtung der Sieg und die Herrlichkeit des Herrn!
7. DIE FÜRBITTE
Jeder Jünger Jesu übt Fürbitte. Wer diesen Priesterdienst nicht pflegt, nenne sich nicht Jünger Jesu. Natürlich sind Christen im Todeskampf oder in irrsinnigen Schmerzen ausgenommen.
Aus der christlichen Literatur sind uns wundervolle Beispiele der Fürbitte bekannt. Eigene Erlebnisse sprechen natürlich den Leser oft direkter an. Berichte eigener Erfahrungen enthalten nur die Gefahr des Hochmutes und der Prahlerei. Es lassen sich aber auch Erlebnisse mit dem Herrn Jesu berichten, ohne in den Abgrund des Eigenlobes zu fallen. Der Psalmdichter (Ps. 121) bezeugt: „Meine Hilfe kommt von dem Herrn.“ Wenn uns das bis ins Letzte hinein bewußt ist, daß die Hilfe nicht von uns kommt, dürfen wir zur Ehre Gottes auch eigene Erfahrungen bringen.
Vor einigen Jahren schrieb mich eine Mutter, die Frau eines Arztes an, ihr Sohn Thorsten habe einen Tumor. Der junge litt wochenlang, monatelang zunehmend an furchtbaren Schmerzen. Die Schmerzen nahmen ein Ausmaß an, daß der Junge seine Mutter oft anbettelte: „Mutter, töte mich, ich halte es nicht mehr aus.“
Die Bitte des verzweifelten Jungen griff meiner ganzen Familie ans Herz. Von diesem Tag an beteten wir alle um die Heilung des Jungen. Besonders meiner jüngsten Tochter, die mit Thorsten gleichaltrig ist, lag es am Herzen. Sie betete jeden Abend für den furchtbar geplagten Jungen.
Es dauerte einige Monate, da erhielt ich einen zweiten Brief der Mutter mit der Nachricht, daß die Schmerzen nachgelassen hätten und der Tumor sich zurückbilden würde. Es blieb nicht bei der halben Heilung. Laufend bekam ich die Berichte. Der letzte Brief kam erst kurz vor dieser Niederschrift, daß in einer Klinik in Zürich festgestellt wurde, daß von dem Tumor überhaupt nichts mehr festzustellen sei. Mutter und Sohn sind überglücklich. Von Zeit zu Zeit sandte die dankbare Frau meiner Familie einen Blumenstrauß und Missionsgaben für meine Bibel-Mission.
Wir kennen diese Familie von Angesicht nicht. Der Fürbitte sind aber keine räumlichen und zeitlichen Schranken gesetzt. Es sei hinzugefügt, daß wir die Fürbitte nicht aufgesteckt haben. Es geht ja auch darum, daß der Tumor kein zweites Mal sich bildet, wie es schon vorgekommen ist.
Über die Fürbitte ließe sich ein Kapitel wie Hebräer 11 schreiben, wo es heißt:
Hebr. 11, 34: „Sie haben des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwertes Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit, haben der Fremden Heere darniedergelegt . . .
Im Januar 1977 hielt ich in Wittlingen bei Urach eine Vortragswoche. Bei dieser Gelegenheit besuchte ich auch die Burgruinen von Hohen‑Wittlingen. Eine Gedenktafel zeigt an, daß der Reformator Johannes Brenz sich 1548 hier versteckt hielt. Von Pfarrer Stücklen in Wittlingen bekam ich zwei Bücher über Brenz geschenkt. Die Ortsnamen, die in diesen Büchern genannt sind, sind mir wohlvertraut. Brenz war nicht nur auf Hohen‑Wittlingen, er war auch als Flüchtling in Straßburg, in Basel, auf der Burg Hornberg, einer Stadt, der meine erste Liebe als Vikar der Badischen Kirche galt. Brenz war immer auf der Flucht vor seinen Häschern. Ein Erlebnis hat sich mir besonders eingeprägt.
Als die spanischen Soldaten des Kaisers in Stuttgart 14 Tage lang Hausdurchsuchungen hielten, um Brenz zu fangen, hatte sich der geplagte Mann hinter einem Holzstoß auf einem Speicher versteckt gehalten. Als Vorrat hatte er nur ein Lailblein Brot, das bald aufgezehrt war. Da sandte aber Gott die bekannten „Raben des Ella“ in Gestalt eines Huhns, das jeden Tag in sein Versteck kam und dort ohne zu gackern ein Ei legte. Damit erhielt es den Reformator am Leben. Der Höhepunkt war, daß die spanischen Häscher auch diesen Speicher durchsuchten. Brenz mußte sogar einem Säbel ausweichen, den ein Soldat durch den Holzstoß stach. Brenz lag gerade, wie fast immer in diesen Tagen der Razzia, auf den Knien und betete. Als die Spanier endlich nach zwei Wochen unverrichteter Sache abzogen, kam das Huhn nicht mehr. Brenz war durch Gottes Hand bewahrt und versorgt worden.
O der unerkannten Macht
von der Heil’gen Beten.
Ohne das wird nichts vollbracht
so in Freud als Nöten.
Schritt für Schritt
wirkt es mit,
so zum Sieg der Freunde,
wie zum End der Feinde.
Die Reformation wäre nicht zustande gekommen oder von der katholischen Gegenreformation erstickt worden, wenn nicht die Reformatoren Männer des Gebets gewesen wären, die das junge Pflänzchen des evangelischen Glaubens hindurchgebetet hätten. In der Evangelischen Weltmission herrscht genau das gleiche Prinzip.
Horst Flachsmeier hat die Geschichte der Evangelischen Weltmission geschrieben. In diesem Buch schreibt er auf Seite 171: „Vielmehr hing der Erfolg ihrer Aussendung (Aussendung der Missionare) jeweils immer mit der Bewährung einzelner Persönlichkeiten zusammen.“
Einer von diesen Bewährten war David Brainard. Er arbeitete unter den Indianern in Massachusetts und am Delaware. Er war ein Beter, wie wir nur wenige kennen. Tag und Nacht rang er um die Rettung der Indianer. Seine Wirkungszeit war nur kurz, von 1743 bis 1747. Dann starb er. Seine Freunde sagten, er habe sich zu Tode gebetet. Über seinem Grabe weinten die Indianer, und es begann eine große Erweckung unter ihnen. Brainard hatte die Erweckung nicht erleben dürfen ‑ und doch vom Himmel her sehen dürfen.
Eine Geschichte der Beter könnte man schreiben, nicht zu ihrer Ehre, sondern zu Gottes Lob und Preis.
John Hyde in Pakistan widmete jeden Morgen von 4 Uhr bis 10 Uhr sechs Stunden dem Gebet.
Der Gründer der Hermannsburger Mission, Louis Harms, war ein Frühaufsteher. Als er starb, sah man seine „Lederknie“. Er hatte sie hart gebetet. Es fehlen uns solche Männer mit Lederknien.
Hätte Georg Müller, der Waisenvater von Bristol, seine zehntausend Waisen ernähren können ohne die tägliche ausgiebige Audienz beim Vater im Himmel?
Wäre Spurgeon der vollmächtige Prediger gewesen, wenn nicht während seiner Verkündigung jedesmal 400 Brüder im Saal hinter seiner Kanzel für ihn gebetet hätten?
Fast alle Erweckungen haben ihre Vorgeschichte in der Fürbitte einiger Gläubigen.
Auf den Hebriden haben zwei gläubige Frauen 30 Jahre um Erweckung gebetet. Und sie kam.
Die koreanische Erweckung wurde geschenkt, als die Missionare der Presbyterianer und Methodisten von Ostern bis Pfingsten 1906 tägliche Gebetsstunden hielten. In meinem Taschenbuch “Koreas Beter” ist es nachzulesen.
Auch die Erweckung in Kanada, die 1971 einsetzte, hatte ihre Vorgeschichte in der Fürbitte, Bill McLeod, einer meiner Freunde, blieb zwei Jahre lang in Saskatoon jeden Morgen von 6 bis 10 Uhr im Bibelstudium und im Gebet. Er flehte um eine Erweckung, und sie kam.
Wie oft schon habe ich auch Mutter Knies erwähnt, die eine „Hanna war, die Tag und Nacht nimmer vom Tempel wich“. Sie konnte, als sie noch körperlich dazu fähig war, acht Stunden am Tage beten. Ihr Sohn Franz erzählte mir einmal, daß seine Mutter von den Knien aufstand und sagte: „Nun habe ich zwei Stunden für Kurt Koch und seine Arbeit gebetet.“ Hätte ich doch mehr solcher Beter in meinem Leben gehabt, mein Leben wäre anders verlaufen. Ich habe leider mehr steinewerfende Schwestern und Brüder als solche, die vor Gottes Thron Fürbitte üben.
Dem Herrn sei Dank, ich habe auch einen betenden Freundeskreis, dem ich an dieser Stelle herzlich danke.
Beter sind Wundervollbringer
Beter sind Wundervollbringer,
einsam in finsterer Nacht,
Beter sind Weltenbezwinger,
wartend auf stiller Wacht.
Beter sind sterbende Krieger,
trotzend dem König zugut,
Beter sind Satansbesieger,
Priester aus edlem Blut.
Beter sind bettelnde Fürsten,
haben viel Güter sie gleich.
Glüht doch in ihnen ein Dürsten:
Seelen für Gottes Reich!
Stehen die Beter zusammen
glaubend mit Vollmacht am Thron,
mächtig dann lodern die Flammen,
königlich ist ihr Lohn.
Toben auch teuflische Kräfte,
kennst du den nächtlichen Schrei?
Beter tun Siegesgeschäfte.
Beten den Tag herbei.
8. DAS EROBERNDE GEBET
Wir betreten hier ein umstrittenes und gefährliches Gebiet. Eroberndes Gebet heißt nicht, daß wir Gott unseren Willen aufzwingen dürfen.
Ich kenne die Geschichte eines Bischofs. Sein einziger Sohn erkrankte schwer an einer Meningitis (Hirnhautentzündung). Die Ärzte hatten wenig Hoffnung auf eine Genesung. Der Bischof rang mit Gott um die Heilung seines Sohnes. Er bat ihn: „Es ist mein einziger Sohn. Du darfst ihn mir nicht nehmen. Du mußt ihn mir lassen.“ Der Bischof versuchte also, Gott seinen eigenen Willen aufzuzwingen. Der Sohn genas, war aber seit dieser Krankheit verblödet. Welches Los wäre schwerer zu ertragen gewesen, der Tod des Sohnes oder seine Verblödung auf Lebenszeit?
In der Auseinandersetzung mit Extremisten bin ich oft auf das Beten gestoßen, das Gott zwingen will, die Wünsche des Beters zu erfüllen. Wie oft hat man mir die Stelle Lukas 11, 11 vorgehalten: wenn ein Sohn den Vater um ein Brot bittet, erhält er keinen Stein. Diese Stelle wird von Gliedern der charismatischen Bewegung so ausgelegt: wenn man Gott um die Gabe des Zungenredens bittet, dann gibt er die echte Gabe und nicht eine Imitation. Ich habe bereits in meinen Büchern „Die Geistesgaben“ und „Das okkulte ABC“ dazu Stellung genommen. Hier nur einige Stichworte:
a. Ich glaube an die Existenz der Geistesgaben auch heute noch. Es müssen aber Gaben des Heiligen Geistes sein und nicht menschliche oder gar dämonische Nachahmungen.
b. Für jede echte Gabe des Heiligen Geistes hat Satan eine dämonische Gegengabe produziert, um die Gläubigen zu verführen.
c. Wir haben im NT keine Aufforderung, daß wir um die Zungengabe beten sollen. Paulus sagt in 1. Kor. 14, 1: „Strebet nach der Liebe. Fleißiget euch der geistlichen Gaben, am meisten aber, daß ihr weissagen möget.
d. Gott ist in seinen Gaben souverän. Er läßt sich von niemand zwingen. Wenn ein Mensch versucht, von Gott etwas ertrotzen zu wollen, dann passiert es zu leicht und zu oft, daß ein Geist von unten einsteigt. Wir dürfen nicht 1. Joh. 5, 14 vergessen: „So wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns.“
e. Das hartnäckige Bitten um die Gabe des Zungenredens hat oft einen geistlichen Hochmut im Hintergrund oder eine unbiblische Sensationslust oder eine falsche Theologie.
f. Das Bekenntnis, unter a gegeben, muß in zwei Punkten eingeschränkt werden. Die Gabe der eschatologischen Prophetie (Endvollendung der Heilsgeschichte) ist mit der Kanonbildung (Vollständige Sammlung der biblischen Schriften) abgeschlossen. Die Gabe des Zungenredens hat ebenfalls mit der Kanonbildung ihre spezielle Bedeutung verloren. Sie kann aber als Möglichkeit der Anbetung im privaten Gebet auch heute noch gegeben werden. Weiteres ist im erwähnten Buch Die Geistesgaben nachzulesen.
Sinn dieser einzelnen Punkte ist die Erfahrung, daß Gläubige auf Irrwege geraten, wenn sie etwas gegen den Willen Gottes erzwingen wollen.
Geistlicher Hochmut und ein Beten, das nicht im Einklang mit dem Willen Gottes steht, erhält tatsächlich einen Stein statt Brot.
Man mag mir vorhalten: „Warum kommst du oft auf das Thema Zungenreden zurück?“ Die Antwort ist sehr einfach, weil die sogenannte charismatische Bewegung in der ganzen Welt zunimmt und überall Verwirrung anrichtet.
Wenn wir in der Lage sind, Irrwege und echte Wege des Betens unterscheiden zu können, dann dürfen wir auch von einem echten erobernden Gebet sprechen.
Es gibt solche Beispiele in der Bibel. War nicht das Gebet Gideons eine Herausforderung Gottes (Richter 6, 37‑40), daß einmal das Fell vom Tau naß war und die Umgebung trocken und in der nächsten Nacht umgekehrt? Es sieht aus wie eine Versuchung Gottes. Warum erhörte ihn der Herr? Weil es sein Plan war, Israel durch die Hand Gideons zu retten.
Ist es nicht eine Ermunterung für alle ernsthaften Beter, daß Gott dem König Hiskia 15 Jahre zusetzte, nachdem schon Jesaja dem König mitgeteilt hatte: „Bestelle dein Haus, du mußt sterben.“ Hiskia hatte sich mit seinem Weinen und Flehen 15 Jahre erobert. (Jes. 38)
Die Güte Gottes kennt keine Grenzen, darum wage ich es, ein kleines Beispiel meines unvergeßlichen Freundes Gottlieb Weiland zu bringen, auch wenn manche darüber lächeln mögen. Gottlieb hatte manchmal gebetet: „Herr, lasse mich mitten aus der Arbeit herausgeholt werden und nicht als untätiger Greis sterben. Bitte erspare mir ein langes Krankenlager. Du weißt, daß ich ungeduldig bin. Und mache das Maß deiner Barmherzigkeit voll und schenke mir einen Tod in der warmen Zeit, daß die Beerdigungsgäste nicht auf dem Friedhof frieren müssen.“
Wenn wir schon einen Vater im Himmel haben, dem wir kindlich alles anvertrauen dürfen, dann kümmert er sich um große und kleine Dinge. Gottlieb wurde in allen drei Punkten erhört. Er stand noch am 12. Mai 1974 auf dem Podium, um das Evangelium zu verkündigen. Zehn Tage später lag er todkrank im Krankenhaus, und 36 Stunden später war er tot. Seine Beerdigung erfolgte an einem sonnigen Maitag. Mitten aus der Arbeit ‑ nur ein Krankenlager von weniger als zwei Tagen ‑, und eine strahlende Sonne über der Beerdigung!
Wer seinen Gott nie in ernsthaftem Gebet erprobt hat, mag an diesem Beispiel Anstoß nehmen. Seit ein Waldarbeiter mir die Vorfahrt nahm, quer in meinen Wagen fuhr, ihn zertrümmerte und mir drei Rippen brach, bete ich auch darum, daß ich nicht bei einem Autounfall sterben muß. Wenn uns schon ein Kontakt mit dem Höchsten geschenkt worden ist, dann ist ihm nichts zuviel und nichts zuwenig. Jesus sagte:
„Nicht einmal ein Sperling fällt auf die Erde ohne den Willen des Vaters.“ (Mt. 10,29)
Wir kennen aus der Kirchengeschichte Beispiele erobernden Betens.
John Knox, der schottische Reformator, hatte viele adelige Freunde, die den evangelischen Glauben angenommen hatten. Einer von ihnen, noch ein junger Mann, ragte durch seinen Eifer hervor. Dieser junge Freund wurde todkrank und starb. John Knox kniete 36 Stunden am Sterbelager und schrie zu Gott: „Herr, was soll aus deiner Sache werden, wenn du mir diesen tatkräftigen Mitarbeiter nimmst.“ John Knox wich nicht vom Sterbelager. Der Herr hörte und erhörte sein Schreien. Der Tote kam wieder zu sich. Natürlich weiß ich um den Einwand der Mediziner, die sagen, dann lag der „Tote“ eben nur in einem Koma oder einer kataleptischen Starre. Lagen der junge Mann von Nain, Lazarus und die Tochter des Jairus auch nur in einem Koma oder einer totalen Starre? Wir lassen uns von dem Unglauben der meisten Mediziner nicht abhalten, unserem Herrn alles zuzutrauen!
Luther hatte ein ähnliches Erlebnis mit seinem Freund Mykonius. Mykonius war ein guter Kenner der biblischen Sprachen. Er wurde sterbenskrank. Luther lag vor seinem Krankenbett drei Stunden auf den Knien und betete um die Erhaltung seines Lebens. Luther betete so kühn, wie wir es nie nachahmen dürfen. Er betete zuletzt: „Herr, ich werfe dir den Sack vor die Füße, wenn du mir diesen Freund und notwendigen Mitarbeiter nimmst.“ Mykonius wurde gesund und starb erst nach Luther. Die schriftliche Quelle dieses Vorganges kenne ich nicht. Prof. Dr. Köhler, Kirchenhistoriker an der Universität Heidelberg, trug uns das im Sommersemester 1934 vor. Köhler war kein Phantast, sondern ein nüchterner Forscher, der die Quellen angeben konnte.
Jesus hat Beispiele gegeben oder Worte gebraucht, die auf das erobernde Gebet hinweisen.
In Mt. 11, 12 sagt er: „Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich.
In Lukas 18 erzählt der Herr das Gleichnis von der Witwe, die einem Richter zusetzte, bis er sich der Mühe unterzog und sich ihrer annahm.
In Lukas 11, 5‑8 gibt uns Jesus die Geschichte von dem Mann, der um Mitternacht seinen Freund weckte, um sich Brot auszuleihen. Wer von uns will schon in der besten Schlafzeit geweckt werden? Jesus schließt sein Gleichnis mit dem Hinweis: „Ob er nicht aufsteht und gibt ihm, darum daß er sein Freund ist, so wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen und ihm geben, wieviel er bedarf.
Welch einen Herrn haben wir, daß wir so intensiv bitten dürfen!
An dieser Stelle sei noch ein Beispiel gebracht, das ich in meinem Buch über „Heinrich Coerper und sein Werk“ auf Seite 248 bereits erwähnte. Es ist die Lebensgeschichte der Schwester Lina Stahl. Sie stammte aus einem echten, kernigen schwäbischen Pfarrhaus. Sie wurde Schwester und diente in der Schlayerburg in Bad Liebenzell. Dieser Schwester hatte der Herr es aufs Herz gelegt, für den Berg zu beten, der vor der Tür der Schlayerburg liegt. Ihr tägliches Flehen war: „Herr, mache aus diesem Berg einen feuerspeienden Berg.“ Schwester Lina stand mit dieser Bitte allein. Sie hatte aber den allermächtigsten Bundesgenossen, den Vater im Himmel, der ihr tägliches Flehen hörte und erhörte. Als eines Tages ein Pforzheimer Fabrikant auf diesem Berg eine Silberwarenfabrik bauen wollte, erklärte eine Freundin Schwester Lina: „Da siehst du, es wird kein Bethaus daraus.“ Schwester Lina antwortete: „Und ich glaube, daß dieser Berg noch ganz für den Heiland da sein wird, weil mir der Herr den Auftrag gegeben hat, dafür zu beten.“
Schwester Lina behielt recht ‑ ganz genau gesagt, der Heiland behielt recht und seine stahlharte Beterin. Sie hieß Lina Stahl, und ihr Beten war aus Stahl.
Sie bekam ihren feuerspeienden Berg. Die Baugenehmigung für die Fabrik wurde zurückgezogen. Die Schwester bekam auch den rechten Mann, ein Missionswerk zu gründen und zu leiten, Pfarrer Heinrich Coerper.
Es gibt eine „Härte“, die aus dem Heiligen Geist kommt, es gibt aber auch die Härte einer pharisäischen, gesetzlichen Selbstgerechtigkeit. Viele Erweckungen haben im Heiligen Geist begonnen und sind zur geistlosen Tradition und Gesetzlichkeit erstarrt.
Ich wage den Aufruf, für die noch bestehenden ehemaligen Erweckungszentren wie Chrischona, Marburg, Liebenzell, Aidlinger Mutterhaus, Korea zu beten, daß die „Vulkane nicht erlöschen“. Und ein zweiter Aufruf zur Fürbitte für die Erweckungen, die erst in den letzten Jahrzehnten geschenkt worden sind, wie Indonesien, Formosa, Madras (Daniel), Asbury College usw.
Eroberndes Beten ist nicht jedem Jünger Jesu gegeben, kann aber jedem geschenkt werden.
Am Schluß dieses Kapitels ein selbsterlebtes Beispiel. Ich wurde als junger Pfarrer in ein Dorf versetzt, das in dem betreffenden Dekanat als Strafstelle galt. Beim ersten Pfarrkonvent fragten mich die anderen Pfarrer ganz derb: „Was hast du ausgefressen, daß man dich dahin abgeschoben hat?“ Ich konnte keine Antwort geben. Um meine Gemeinde kennenzulernen, machte ich viele Hausbesuche. In einem Filialort betrat ich das Haus einer Familie, die aus Württemberg zugewandert war. Sie stammte aus dem schwäbischen Pietismus. Dieses Elternpaar war über den trostlosen geistlichen Zustand ihrer neuen Heimat überaus traurig. Die Predigten in der Kirche empfanden sie als Strohdreschen, obwohl sie durchaus nicht geistlich überheblich waren. Da fingen diese beiden Menschen zu beten an: „Herr, sende uns einen gläubigen Mann! Herr, lasse in dieser Gegend einmal dein Evangelium erschallen!“ Bei diesem ersten Besuch empfingen mich diese beiden Beter mit dem Willkommgruß: „Herr Pfarrer, Gott hat uns erhört. Wir haben jetzt 29 Jahre um einen gläubigen Mann gebetet.“
Diese beiden Beter haben 29 Jahre durchgehalten. Sie sind nun beide in der Ewigkeit, und ich freue mich darauf, sie einmal wiederzusehen.
Meine „Strafversetzung“ war die Gebetserhörung für die unentwegten Beter. Vier ihrer fünf Kinder waren dann die ersten, die sich in meiner Amtszeit bekehrten. Bald folgten viele andere nach. Ein kleines Feuer hatte zu brennen begonnen, so daß sonntags aus der ganzen Umgebung Menschen zum Gottesdienst kamen. Nach den Gottesdiensten hatte ich seelsorgerliche Aussprachen im Pfarrhaus. Menschen kamen ohne Aufforderung, beichteten und übergaben ihr Leben Jesus.
Das Himmelreich leidet Gewalt. Gehören wir zu denen, die dem Himmelreich in demütiger, aber beharrlicher Weise Gewalt antun?
9. BETEN UND FASTEN
Zum erobernden Gebet gehört auch das Beten unter Fasten. (Mt. 17, 21) Es gibt ein wucherndes, kämpferisches Beten, das alle Verheißungen der Bibel in Anspruch nimmt. Luther gebrauchte einmal den derben Ausdruck: „Man muß Gott die Verheißungen um die Ohren reiben.“
Ein Beispiel dieser Art erlebte ich in der Gemeinschaft mit Bakht Singh. Wir waren 14 Tage zusammen in Ostjava und hatten täglich Gebetsgemeinschaft. Er pflegte bei seinen Bitten stets Verheißungen mit Angaben von, Kapitel und Vers zu erwähnen und zu sagen: „Herr, aufgrund dieses Wortes bitte ich um Gehör.“
Bakht Singh war ein energischer Beter und ein vollmächtiger Beter. Er war auch einer der wenigen, der sehr frühzeitig vor der sogenannten charismatischen Bewegung warnte.
a. Zur Geschichte des Fastens müssen einige Anmerkungen gemacht werden. Der griechische Arzt Äskulap übte schon 1000 Jahre vor Christus das Heilfasten. Das Fasten hat also in der Medizin eine schon dreitausendjährige Geschichte.
Das Fasten findet sich auch in fast allen großen Weltreligionen. Bei den indischen Büßern sind es die Jogi (Yogi), die das Fasten als einen Weg der Selbsterlösung betreiben. Bei den Mohammedanern sind es die Sufi, die auf Alkohol, Fleisch und Ehe verzichten, um sich einen Platz im Paradies zu sichern.
Eine religiöse Form des Fastens finden wir auch im vorchristlichen Judentum. Es war feste Ordnung, daß einmal im Jahr gefastet wurde (3. Mos. 16, 29). Ein ergreifendes Buß‑ und Fastengebet haben wir in Daniel 9. Der Prophet tut stellvertretend Buße für sein Volk und fastet.
Neben dem echten Fasten als intensive Unterstützung ernstlichen Gebetes finden wir auch in der Bibel das heuchlerische Fasten mit verdienstlichem Charakter. Die Propheten im alten Bund haben sich gegen das verdienstliche Fasten gewehrt (Jes. 58, 3‑7). Der Mißbrauch des Fastens wird im NT vor allem in dem Pharisäergebet (Luk. 18, 12) deutlich.
Das am meisten herausragende Beispiel von Beten und Fasten ist die stille Zeit, die Jesus mit seinem Vater hatte. In Mt. 4 wird berichtet, daß er 40 Tage in der Wüste fastete. In Luk. 6, 12 und an anderen Stellen wird berichtet, daß er über Nacht im Gebet blieb.
Manche Christen meinen, sie könnten das Fasten Jesu einfach nachahmen.
So hörte ich von einer jungen Missionarin, die erklärte, sie habe vom Herrn den Auftrag, 40 Tage in Israel zu fasten und zu beten. Sie reiste nach Jerusalem und begann ihr Fasten. Sie nahm weder Speise noch Trank zu sich. Nach 12 Tagen brach sie zusammen. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. Die ärztliche Hilfe kam zu spät. Sie starb. Also war es kein Auftrag des Herrn, sondern ihr eigener religiöser Fanatismus.
b. Erfahrungen mit Fasten und Beten
In Süddeutschland lernte ich einen Kreis treuer Christen kennen, die einmal im Monat eine Nacht hindurch im Gebet zusammenblieben. Ich nahm einmal daran teil. Um 4 Uhr morgens war ich dann zu müde und begab mich zur Ruhe.
Eine andere Form sagte mir mehr zu, nicht jeden Monat eine Gebetsnacht durchzuführen, sondern einen Gebetstag zu halten. Natürlich lagen wir nicht 12 Stunden auf den Knien, sondern wechselten mit Bibelstudium, Singen, Stillesein im Nachdenken und dann wieder gemeinsames Gebet. Im einzelnen habe ich das in meiner kleinen Broschüre „Beten und Fasten“ beschrieben. Bei diesen Gebetstagen haben wir auch gefastet. Ich hatte stets einen großen Segen davon.
Nur einmal in meinem Leben fastete ich sieben Tage, allerdings mit dem täglichen Bedarf an Flüssigkeit. Diese Fastenwoche war nicht nur eine Zeit des Gebetes und der Meditation, sondern hatte auch einen Heileffekt. Ich nahm in dieser einen Woche 18 Pfund ab, und mein zu hoher Blutzuckerspiegel sank beträchtlich. Ich warne aber davor, das nachzumachen. Wir hörten ja, wie es der jungen Missionarin ergangen ist.
Das Fasten und Beten wird unter den Gläubigen mehr geübt, als in der Öffentlichkeit bekannt ist. Als ich vor Jahren in schwierigen Verhältnissen stand und einige Freunde zur Fürbitte aufgefordert hatte, schrieb mir ein Gebetskreis aus Dortmund: „Wir haben an dem betreffenden Tag für Sie gebetet und gefastet.“ Mich hat das tief bewegt.
Das eindrucksvollste Erlebnis auf dem Gebiet des Fastens war mir die Begegnung mit Vater Daniel in Madras. Er ist nun schon lange beim Herrn. Vater Daniel hielt jedes Jahr den Monat Juni als Fastenmonat. Er nahm 30 Tage keine Nahrung zu sich, sondern nur die tägliche Menge an Wasser, die der Körper braucht. Diese verborgene Zubereitung hat sich mächtig ausgewirkt. Unter der Verkündigung von Vater Daniel kamen viele zum Glauben. Auch Kranke wurden unter Gebet und Handauflegung gesund (Jak. 5, 14‑15). Ich habe die Geschichte von Vater Daniel in dem Buch Jesus auf allen Kontinenten berichtet, ferner in dem englischen Buch The Wine of God.
Die intensivste Gebetspraxis lernte ich in der koreanischen Erweckung kennen. In meinem Taschenbuch „Koreas Beter“ berichtete ich davon. Nirgends in der Welt fand ich solche gewaltigen Gebetsversammlungen, die durch Jahrzehnte hindurch jeden Morgen von 4 bis 6 oder 5 bis 7 Uhr zusammen waren. Die Versammlungen fanden gewöhnlich im Freien statt, weil keine Kirche groß genug war.
Wir im Westen fragen oft, warum wir keine Erweckung erleben dürfen. Es liegt zum größten Teil an unserer Gebetslauheit und mangelnden Bereitschaft, dem Herrn die Zeit zu geben, die ihm gehört und gebührt.
c. Sinn des Fastens und Betens ist nicht, daß wir uns geistlich aufblähen und das Gefühl der „Firstclass Christans“ (Erste‑Klasse‑Christen) nähren.
Fasten und Beten vor dem Angesicht des Herrn hat viele Bedeutungen. Wir werden entspannt, gelockert, enthemmt von allem Materiellen. Fasten bedeutet Stille in der täglichen Hetze. Fasten bereitet den Boden zur Selbsterkenntnis und schafft dem Reden Gottes Gehör. Prof. Hallesby sagt in seinem Buch „Vom Beten“ (S. 98):
„Der Sinn des Fastens besteht darin, für kürzere oder längere Zeit die Bande zu lösen, die uns an die materielle Welt und an unsere Umgebung knüpfen, um auf diese Weise die ganze Kraft der Seele auf das Unsichtbare und Ewige zu konzentrieren.“
Durch Fasten und Beten werden Alltagsdinge aus dem Weg geräumt, damit wir Gottes Willen besser erkennen. Als Paulus und Barnabas zur Missionsreise ausgesandt wurden, hatten die Brüder in Jerusalem zuvor gebetet und gefastet (Apg. 13, 2). Auch der Apostel Paulus betete und fastete, ehe er die Ältesten für die neugegründeten Gemeinden ernannte (Apg. 14, 23).
Diese Art, in seinen Entscheidungen durch Beten und Fasten Klarheit zu bekommen, ist nicht mit der Apostelzeit zu Ende gegangen. Ich kenne einen Missionsdirektor, der manchmal drei Tage betete und fastete, wenn er eine schwierige Entscheidung zu treffen hatte.
Fasten und Beten führt, wenn es lange durchgeführt wird, zu einer körperlichen Schwäche. Damit kann auch eine geistliche Wahrheit angedeutet oder angebahnt werden. Wir sollen vor Gott zerbrochen werden. Gott kann nur zerbrochene Werkzeuge gebrauchen. Bei den Zerbrochenen, Zerschlagenen stellt Gott am schnellsten den Kontakt von oben her. Der Psalmist bestätigt diese Wahrheit
Ps. 34, 19: „Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind.“ Diese Botschaft hören wir oft in der Bibel:
Ps. 147, 3: Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind.
Jes. 61, 1 ‑. Er hat mich gesandt, die zerbrochenen Herzen zu verbinden.
Jes. 66, 2: Ich sehe an den Elenden und der zerbrochenen Geistes ist.
Ps. 34, 19: Der Herr hilft denen, die ein zerschlagen Gemüt haben.
Jes. 57, 15: Ich wohne bei denen, die zerschlagen und demütigen Geistes sind.
Das allbekannte Sprichwort sagt: „Das Wasser sucht die tiefste Stelle.“ Gott, der Allmächtige, stellt seinen Kontakt am ersten nicht mit den Hohen und Gewaltigen her, sondern mit den Niedrigsten, den Niedergetretenen, den Zerschlagenen, den Zerbrochenen. Das wird uns im Fasten und Beten deutlich gemacht.
10. DIE ANBETUNG
Die Schöpfung Gottes hat mich oft das Staunen gelehrt. Vor allem waren es die hochaufragenden Berge, die meine Gedanken hochzogen und zu dem Ewigen lenkten.
Vor dem Mount Kinley in Alaska stand ich, ein Sechstausender, von dem zwei Drittel immer von Schnee und Eis bedeckt sind. An seinem Fuße befindet sich ein artenreiches Tierreservat, ein Nationalpark, der mir zu einem Fotoparadies wurde.
Im Süden Chiles bestaunte ich die höchste Erhebung der Anden, den Siebentausender Aconcagua. Welch wunderbare Wahrzeichen seiner Schöpfermacht hat Gott in aller Welt gesetzt! Am meisten aber von allen Gebirgen der Erde zogen mich die Achttausender des Himalaja in ihren Bann. Die glitzernden Schneeriesen hoben mein Herz empor zu dem, der über aller Herrlichkeit des Universums und der Erde thront.
Den Höhepunkt des Staunens erlebte ich auf dem Südpolkontinent. Die dickste Eisschicht dieses weißen Kontinentes ist 3200 m stark. Die wissenschaftlichen Stationen, die erfolgversprechenden Forschungsaufgaben nachgehen, erklärten mir folgendes: Pro Jahr wird durch den Schneefall die Eisschicht 30 cm höher. Gleichzeitig aber schmelzen an der Basis etwa 30 cm weg. So bleibt die Stärke der Eishülle konstant.
Nun kommt aber das Eigentliche. Die Holzbaracken von den Wissenschaftlern, auf Eis gebaut, sinken pro Jahr 30 cm in die Tiefe. Sie folgen dem Maß der Niederschläge. In zehn Jahren liegen sie 3 m unter der Schnee‑ und Eisdecke. Was sagt uns dieser Trend zur Tiefe? Bohrt man an der Oberfläche einen Schacht senkrecht in die Tiefe, dann stellen immer 3 m zehn Jahre dar. 300 m bedeuten 1000-fache. Bei 600 in finden wir das Eis aus der Zeit Jesu. In 900 m Tiefe haben wir das Eis aus der Zeit Davids. Bei 1200 m sind wir in der Zeit Abrahams angelangt. Einige Wissenschaftler reizte dieses Experiment. Sie holten sich Eis aus der Zeit Jesu herauf und sandten es in Kühlbehältern an verschiedene Labors der westlichen Welt, um es untersuchen zu lassen.
Die wissenschaftliche Seite interessiert mich aber weniger als die Tatsachen, daß wir nicht nur uralte Tempelruinen als Zeugen der Vergangenheit haben, sondern auch eine Eisuhr auf dem Südpol.
Darüber soll man nicht staunen? Dieses Staunen hat mich schon lange zur Anbetung geführt.
Stets neu wird mir da die Größe des Schöpfers.
König David singt in Psalm 65, 6‑7:
Gott, unser Heil, der du bist Zuversicht
aller auf Erden und ferne am Meer,
der die Berge fest setzt in seiner Kraft
und gerüstet ist mit Macht
Es ist wieder an der Zeit, daß wir den Schöpfungspsalm 104 betend lesen. Ich zitiere nur die Verse 5‑9.
Der du das Erdreich gegründet hast auf seinen Boden, daß es bleibt immer und ewiglich.
Mit der Tiefe decktest du es wie mit einem Kleide, und Wasser standen über den Bergen.
Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin.
Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast.
Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
Paulus schreibt in Römer 1, 19‑20:
„Was man von Gott weiß, ist ihnen (den Heiden) offenbar; denn Gott hat es ihnen geoffenbart.
Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt, also daß sie keine Entschuldigung haben.“
Gottes Herrlichkeit wird nicht nur an den Werken seiner Schöpfung erkannt, sondern tritt noch deutlicher in seinem Heilsplan, in seinen Heilsratschlüssen und Heilstaten hervor.
Das Kernstück des Evangeliums wird in Joh. 3,16 kurz zusammengefaßt:
Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.
D a h i n g e g e b e n
Der Sohn Gottes uns Sündern ausgeliefert zu unserer Errettung! In den letzten Jahren sind mir die Leiden Jesu immer größer geworden.
Sein Schweiß wie Blutstropfen Luk. 22,44
Gegeißelt Mt. 27,26
Angespien Mt. 27,30
Geschlagen Mt. 27,30,
Verspottet Mt. 27, 39
Verlästert Mt. 27, 31
Hände und Füße durchbohrt Mt. 27, 35.
Ausgestoßen aus der Menschheit, wie der übelste Verbrecher behandelt, mißachtet, verleumdet ‑ alles um unseretwillen! Und wir sollten ihn nicht darüber anbeten?
Sogar der heidnische Hauptmann, der Römer, der die Exekution leitete, lernte das bereits unter dem Kreuz. In Lukas 23, 47 lesen wir.
Da der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott.
Mir sind die Leiden Jesu so wichtig geworden, daß ich für mein pseudonymes Buch BEI IHM dem Grafiker die Idee für seinen Umschlagsentwurf gab. Ich schrieb ihm: „Stellen Sie einen Mann dar, der am Boden kniet und die durchbohrten Füße Jesu betrachtet.“ Eigentlich wollte ich es noch besser haben, daß der Mann die Füße Jesu umschlingt. Im Gebet habe ich das oft im Geiste vollzogen, vor allem dann, wenn christliche Brüder und Schwestern, wenn fromme Pharisäer auf mir „herumgetrampelt“ sind. Jesus hat es nicht verdient, ich habe es aber verdient.
Wer sich durch die Kraft des Heiligen Geistes in die Anbetung hineinleben will, der lese die Psalmen oder Kirchenlieder von gottbegnadeten Sängern. Ich gebe nur einzelne Anfänge von solchen Liedern:
Rühmet ihr Menschen den hohen Namen …
Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten …
Wir beten an und loben dich …
Großer Gott wir loben dich …
Dieses Tedeum wurde von Millionen von Gläubigen seit mehr als 1500 Jahren betend gesungen.
Die Anbetung nimmt im letzten Buch der Bibel einen großen Raum ein. In der Ewigkeit werden viele Gebetsformen aufhören. Dort gibt es keine Angstgebete mehr, keinen Notschrei von Gläubigen, aber die Anbetung bleibt. Nehmen wir nur ein einziges Beispiel aus der Offenbarung (5, 12):
„Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.“
Mit der Anbetung können wir aber nicht warten, bis wir beim Herrn sind. Wer hier auf Erden es nicht gelernt hat, wird es drüben auch nicht können. Stehen wir in den Reihen der Anbeter im Geist und in der Wahrheit?
11. GEBETSZEITEN UND GEBETSLEBEN
Die Bibel gibt uns Anweisung über die Häufigkeit und die Zeiten des Gebetes. Der Prophet Daniel hatte die Gewohnheit, dreimal am Tage zu beten. Wir lesen in Daniel 6, 11:
„Daniel hatte an seinem Söller offene Fenster gegen Jerusalem; und er fiel des Tages dreimal auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, wie er denn bisher zu tun pflegte.“
Dieser Vers zeigt, daß die Anbetung, Lob und Dank ein fester Bestandteil im Gebet Daniels war. Ferner wird deutlich, daß der Prophet viele Jahre diese feste Gebetssitte übte. Wie in Kapitel 9 berichtet wurde, hatte Daniel auch die Gewohnheit, unter Fasten zu beten.
Der Verfasser des „Goldenen Abc“, Psalm 119, bekennt in Vers 164:
Ich lobe dich des Tages siebenmal.
Dieser Vers hatte in der Kirchengeschichte große Auswirkungen gehabt. Viele Klosterorden richteten für die Mönche sieben Gebetszeiten ein. Sie hatten lateinische Bezeichnungen: Mette, Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Kompletorium.
Diese Gebetszeiten waren: Mette = Mitternacht, Laudes (Lobgesänge) = 3 Uhr morgens, Prim 6 Uhr, Terz = 9 Uhr, Sext = 12 Uhr, Non 15 Uhr, Vesper (Abend) -18 Uhr, Kompletorium (Tagesschluß) = 21 Uhr.
Prim, Terz, Sext, Non entsprechen der römischen Tageseintellung, die wir auch bei der Kreuzigung Jesu erwähnt finden. (Mt. 27,45‑46)
Wenn diese sieben Gebetszeiten nur eine Tradition darstellen und nicht von einer drängenden Inbrunst begleitet sind, haben sie kaum eine geistliche Bedeutung.
Bei dem Psalmisten, der uns hier in sein Herz und Gebetsleben blicken läßt, war es auf jeden Fall eine heilige, gottwohlgefällige Gewohnheit.
Es gibt auch evangelische Bewegungen, die das Horen‑Gebet, wie man es nennt, wieder eingeführt haben. Ja, es gibt sogar Gruppen, die eine dauernde Gebetskette gebildet haben. Zwei oder drei Christen beten eine Stunde, bis sie von anderen abgelöst werden. Ich kenne solche Gruppen, will sie aber nicht nennen, weil ich sie nicht dem Spott der „Laodizea‑Christen“ ausliefern will. Zum andern ist das ein Dienst im Heiligtum, den man nicht in der Öffentlichkeit breitschlägt. Ich selbst habe an einer Bibelschule am Horen-Gebet teilgenommen. Bei der Gebetskette handelt es sich nicht um sieben Gebetszelten am Tag, sondern um das 24‑Stunden‑Gebet mit dem stündlichen Wechsel der Beter.
Es gibt noch eine andere Form des Betens, die nicht an bestimmte Zeiten gebunden ist. Ein gläubiger Christ, der in einer Fabrik arbeitet, die in drei Schichten zu je acht Stunden ihren Betrieb führt, kann schwerlich feste Gebetszeiten einhalten. Die Schichten wechseln ja jede Woche. Im gleichen Dilemma befindet sich eine Mutter mit vielen Kindern. Wenn sie sich gerade zum Gebet zurückziehen will, kommt ein Kleinkind und verlangt nach ihr. Es gibt genug ähnliche Fälle im Alltagsleben. Müssen nun solche Christen ein verkümmertes, unterentwickeltes Gebetsleben führen? Nein!
Außer den festen Gebetszeiten gibt es eine ununterbrochene Gebetsverbindung mit dem Herrn.
Gerhard Tersteegen hat es in seinem Lied Gott ist gegenwärtig so ausgedrückt:
Herr, komm in mir wohnen!
Laß mein Geist auf Erden
Dir ein Heiligtum noch werden!
Komm, du nahes Wesen,
Dich in mir verkläre,
daß ich dich stets lieb und ehre!
Wo ich geh, Sitz und steh,
Laß mich dich erblicken
und vor dir mich bücken!
Eine ununterbrochene Gebetsverbindung kann uns geschenkt werden ‑ hinter dem Kochherd, hinter dem Pflug, hinter dem Steuer des Autos, auf dem Weg zum Einkaufen. Tausend Möglichkeiten des Alltages, wenn unser Geist, unser Herz ein Heiligtum des Gebetes geworden ist! Das ist ein Wandel mit Jesus, in Jesus, ein Leben in der dauernden Verbindung mit ihm.
12. GEBETSERHÖRUNGEN
Es gehört immer zum Schönsten, wenn man die Frucht des Betens erleben darf. Oft, wenn wir niedergeschlagen und verzweifelt sind, richtet uns der barmherzige Gott durch eine Gebetserhörung auf. Wenn Menschen Wunden schlagen, weiß der Herr diese Wunden zu heilen.
Nun stehe ich vor der Wahl, Erlebnisse von Freunden zu bringen oder eigene Erfahrungen. Eigene Erlebnisse sind wirkungsvoller, bergen aber die Gefahr des geistlichen Hochmutes in sich. Man setzt sich beim Erzählen eigener Erlebnisse auch der Gefahr gehässiger Kritik aus. Dennoch, „wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“.
Petrus und Johannes haben angesichts von Drohungen (Apg. 4, 20) bezeugt: „Wir können’s Ja nicht lassen, daß wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben.“
Alle Bedenken beiseite, mein Leben ist voll eigener Schuld ‑ aber noch mehr voll der Herrlichkeit des Herrn.
Es war in London. Ich hatte etwa 80 anglikanische Priester vor mir. Ich warnte vor dem Spiritismus, weil ich weiß, daß leider einige hundert anglikanische Priester im Spiritismus stecken. Was zu erwarten war, trat ein. Ein Priester in der vordersten Reihe stand auf und griff mich an. Er meinte, die. Bibel habe nicht verboten, mit den guten Geistern Kontakt zu pflegen. Ich antwortete ihm: Die guten Geister, die Engel Gottes, wissen, daß Gott den Geisterverkehr verboten hat. Sie würden sich nie zu einem Geisterverkehr durch Tischrücken und anderen medialen Vorgängen hergeben. Meine Argumente zogen nicht. Da bekam ich Hilfe von einem Bruder, der viele Jahre im Spiritismus gesteckt hatte und durch Gottes Tat frei geworden war. Ich kann die ganze Geschichte nicht erzählen. Sie steht in einem meiner Bücher.
Bei meinem Gastgeber angekommen, vereinigten wir uns zum Gebet und baten den Herrn, diesem anglikanischen Priester die Augen zu öffnen. Die Erhörung kam schneller, als wir erwarteten. Am nächsten Tag kam ein Anruf von diesem Priester mit der Bitte um eine Unterredung. Was ich kaum zu glauben gewagt hatte, trat ein. Dieser Priester beichtete seine Schuld und sagte sich vom Spiritismus los. Dann lud er mich in seine Gemeinde ein. Ich konnte vor einem überfüllten Gotteshaus zu seiner Gemeinde sprechen. Über Bitten und Verstehen hatte der Herr auf unser Flehen geantwortet.
Eine andere Pfarrergeschichte nahm folgenden Verlauf. Ich hielt in einer Gemeinde mehrere Vorträge. Ein Pfarrer aus einer benachbarten Stadt war einige Male unter den Zuhörern. Was ich nicht erwartet hatte, trat ein. Der Pfarrer kam zur Seelsorge und beichtete. Bei Pfarrern kommt das äußerst selten vor, weil viele von ihnen meinen, das sei nicht notwendig oder würde ihrem Ansehen schaden. Nach dieser seelsorgerlichen Aussprache traf dieser Pfarrer eine radikale Entscheidung, die ich ihm nicht geraten habe. Bei seinem nächsten Sonntagsgottesdienst sagte er in der Predigt: „Liebe Gemeinde, ich war bisher ein blinder Blindenleiter. Ich habe euch in die Irre geführt und euch Steine statt Brot gegeben. Bitte vergebt mir. Mit Gottes Hilfe will ich in Zukunft euch ein rechter Hirte sein.“
Ich gebe sein Zeugnis hier verkürzt wieder. Er sagte in seiner Predigt mehr und legte der erstaunten Gemeinde den Heilsweg aus.
In Jesaja 65, 24 steht ein Wort, dessen Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit ich oft erlebte. Es heißt:
Ehe sie rufen, will ich antworten.
Es war an dem schwärzesten Tag meines Lebens, an dem ich zugleich eine ungeheure finanzielle Einbuße erlitt. Das Datum will ich nicht nennen. Ich kam zerschlagen und verstört nach Hause. Müde sah ich die Post durch. Ich hatte keine Kraft, alle Briefe zu lesen. Da nahm mich aber ein Schreiben gefangen. Die Briefschreiberin war eine Frau, die ich bis dahin nicht persönlich kannte. Sie schrieb: „Ich stehe unter dem Eindruck, daß Sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Ich bin bereit, Ihnen 20.000 DM zu geben.“ Größer als diese Gabe, die tatsächlich eintraf, war mir die Führung des Herrn, daß dieser Brief mit der Ankündigung der Gabe auf dem Schreibtisch lag, als ich zermürbt, gedemütigt und geschädigt nach Hause kam. Die Spenderin hatte von der Bedeutung und dem Termin dieses Unglückstages nichts gewußt. Es gibt also nicht nur eine Inspiration bei den Männern der Bibel. Es gibt auch heute noch eine Geistesleitung.
Erst drei Jahre später erfuhr ich, warum diese edle Spenderin mir eine so große Summe anbot und gab. Diese Frau hat vor einem Jahrzehnt bei einer Missionskonferenz in Bad Liebenzell einige meiner Bücher gekauft. Da sie ein langjähriges unheilbares Leiden hatte, nahm sie die Bücher über die Frage der Glaubensheilung. Meine Berichte haben sie so ermuntert, daß sie Jesus ihre Heilung zutraute und auch erleben durfte. Das war der Anlaß zu ihrer Spende einige Jahre später. Und es hatte wieder einige Jahre gedauert, bis ich alle Zusammenhänge erfuhr. Erst drei Monate vor der Niederschrift dieses Berichtes habe ich alles gehört.
Jesus sagte der Martha (Joh. 11, 40):
„Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, solltest du die Herrlichkeit Gottes sehen?“
Die Herrlichkeit Gottes ist erfahrbar ‑ ich habe sie oft in kleinen und großen Dingen erlebt. Welch ein Herr, der sich heute noch so wunderbar an denen beweist, die ihm alles zutrauen!
13. DIE MACHT DES GEBETS
In meinem Rundbriefkreis habe ich viele treue Beter, die mich seit Jahren in all meinen Anliegen durchtragen. Eine von ihnen ist Mina Siegenthaler aus der Schweiz, eine Rentnerin, die ich persönlich nicht kenne. Aber ihre Fürbitte ist mir eine besondere Hilfe. Während der Niederschrift dieser Broschüre sandte sie mir die Abschrift eines Kalenderblattes vom 30. Nov. 1976 (Der evangelische Bücherfreund). Bei all meinen Büchern hat mir der Herr stets das Material zugeschoben, das ich benötigte.
Dieses Kalenderblatt hat die Überschrift „Die Macht des Gebetes“. Ich gebe es nur auszugsweise:
Abraham betete, und ‑ Lot wurde errettet.
Isaak betete und ‑ wurde Stammvater zweier Völker.
Jakob betete, und ‑ sein Bruder wurde versöhnlich.
Joseph betete und ‑ wurde Ministerpräsident von Ägypten.
Josua betete, und – Sonne und Mond erhellten die Nacht.
Samuel betete, und ‑ ein Gewitter verjagte die Philister.
David betete, und ‑ Absalom erhielt seine Strafe.
Elia betete, und ‑ Feuer und Regen fielen vom Himmel.
Hiskia betete, und ‑ die Feinde lagen tot auf dem Felde.
Daniel betete und ‑ bekam prophetische Durchblicke.
Jesus betete, und ‑ Tausende wurden gesättigt.
Jesus betete am Grabe, und ‑ Lazarus wird lebendig.
Petrus betete, und ‑ die tote Tabea wurde auferweckt.
Stephanus betete und ‑ sah den Himmel offen.
Das sind nur wenige Beispiele der Bibel, die um Tausende vermehrt werden könnten.
Und wir?
Welche Kraft hat unser Gebet? Ich habe in meinem Leben an vielen Gebetsversammlungen teilgenommen. Manche sind so, daß man davonlaufen möchte.
Im „Herold“ vom April 1977 stehen folgende Sätze: „Unsere Kirchen haben nahezu alles – außer Kraft. Wir haben Kultur, Gebäude, Geld, Talente, Bildung ‑ alles, was man ohne Gebet haben kann. Das aufopfernde Gebetsleben aber ist durch die Bequemlichkeit des 20. Jahrhunderts verlorengegangen. Dem Gebet fehlt es heute an der drängenden Inbrunst, wie sie den großen Gottesmännern der Vergangenheit eigen war. Es mangelt an geistlichem Feuer. Die Art des Betens eines Abraham, Jakob, David, Daniel, Paulus, Luther, Zinzendorf, Wesley, Brainard etc. würde heute als Schwärmerei bezeichnet werden, sollten diese Männer einmal plötzlich an einer unserer Gebetsversammlungen teilnehmen.“ Vielleicht werfen wir jetzt einmal einen Blick auf das Titelblatt. Es zeigt den betenden Elia. Wir lesen dazu in Jakobus 5, 16‑18:
Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Elia war ein Mensch wie wir, und er betete ein Gebet, daß es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monate. Und er betete abermals, und der Himmel gab den Regen, und die Erde brachte ihre Frucht.
Ein Mensch ‑ wie wir! Wir brauchen nicht Elia zu sein. Wir haben aber den gleichen Gott, die gleichen Verheißungen, die gleichen Möglichkeiten. Nützen wir sie aus zum Bau seines Reiches und zu unserer Zubereitung für die Ewigkeit?
14. NICHT ERHÖRTES GEBET
Die intensiven Gebete, die keine Erhörung finden, verursachen oft große Anfechtungen. Es gibt verschiedene Gründe, die eine Erhörung hindern können.
In diesem Taschenbuch wird von den Kontakten zum Höchsten gesprochen. Kontakte können unterbrochen werden.
Im Alltagsleben gibt es dazu viele Hinweise. Mein Rasenmäher zum Beispiel hat mir manche Predigt gehalten. Einmal zog ich 40mal den Starterzug, bis der Motor ansprang. Es war zum Verzweifeln. Und die Ursache? Die Zündkerze war verrußt, so daß der zündende Funke nicht überspringen konnte. Eine winzige Oxidationsschicht, vielleicht nur ein fünftel Millimeter stark, kann das Hindernis sein, daß der Motor nicht anspringt.
Bei nicht erhörten Gebeten kann eine winzige, unscheinbare Störschicht der Grund sein, daß unser Beten Gottes Arm nicht bewegen kann.
Es gibt mannigfaltige Störschichten wie Hochmut, Ehrgeiz, Pharisäismus, Richtgeist, Geschwätzigkeit, Unlauterkeit, Trägheit, Weltverflochtenheit, Ungehorsam, unreine Phantasie und hundert andere Hindernisse.
Jesaja sagt im Kapitel 59:
Eure Untugenden scheiden euch und euren Gott voneinander, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, daß ihr nicht gehört werdet.
Man hüte sich aber auf diesem Gebiet vor Kurzschlüssen. Von extremen Christen habe ich schon folgende Schlußfolgerung gehört: „Sein Gebet wurde nicht erhört, also muß bei ihm eine Sünde vorliegen.“
Damit kann man rechtschaffene Christen quälen und in die Enge treiben. Die kurzschlüssige Theologie der Extremisten kann furchtbar grausam sein.
Nicht erhörtes Gebet kann auch seinen Grund im anders gerichteten Willen Gottes haben. Denken wir an Jesus, der in Gethsemane (Luk. 22, 42) betete:
„Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“
Jesus hatte aber nach dem Willen des Vaters den schweren Leidenskelch auszutrinken. Uns ist damit eine entscheidende Lektion gegeben. Wenn eine Gebetserhörung nicht im Plan und Willen Gottes liegt, dann rennen wir vergeblich dagegen an.
Das schmälert aber nicht die Tatsache, daß Gott in seiner Barmherzigkeit auch seinen Willen ändern könnte. Das ist kein Widerspruch. In der Bibel liegt oft die Wahrheit in der Mitte oder in der Spannung zwischen entgegengerichteten Aussagen. Es fehlt in dieser Kurzdarstellung der Raum, dieses theologische Problem zu erörtern.
Es gibt aber für uns kurzsichtige Menschen beim nicht erhörten Gebet Probleme, die blindes Vertrauen fordern, auch wenn wir die Führung Gottes nicht verstehen können.
Ein furchtbares Beispiel wurde mir bei der Niederschrift dieses Kapitels von meinem Freund Albert Lörcher mitgeteilt. Der Liebenzeller Missionar Werner war in Bangladesh eingesetzt. Er wurde im März 1977 von Banditen erschossen. Er hinterläßt eine Frau mit fünf minderjährigen Kindern.
Bei dieser gräßlichen Heimsuchung entstehen viele Fragen. Kann Gott nicht seine Boten beschützen?
Warum hat Gott nicht die vielen Gebete dieser Familie um seinen Schutz erhört? Warum hat Gott nicht auf die Fürbitte der Missionsfreunde in der Heimat geachtet?
Solche Fragen sind seit 1900 Jahren gestellt worden. Die Christen wurden von den Pharisäern verfolgt, von den Römern, von den Heiden auf den Missionsfeldern, von der katholischen Kirche etwa mit der gräßlichen, fanatischen Mordgier der Inquisition. Christen wurden zu Tausenden umgebracht, von den Kommunisten in Rotchina, in Rußland, in Nordkorea oder jetzt von dem größenwahnsinnigen Verbrecher Idi Amin.
Auf diese notvollen Fragen gibt es keine befriedigende Antwort. Der Meistersinger Hans Sachs von Nürnberg hat uns ein Stück geschenkt, das ähnliche Fragen anschneidet. Ein himmlischer Bote sagt seinem Begleiter, der rätselhafte Dinge erlebt:
Schweig, sei still, du wirst es hernach erfahren.
Für uns stellt sich die Frage, ob wir unserm Herrn volles Vertrauen schenken, auch wenn wir seine Führungen nicht verstehen.
Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel. Bei einer Stickerei ist die Unterseite oft ein Gewirr von Fäden, die kreuz und quer laufen. Die Oberseite aber stellt ein harmonisches Muster dar. Unser Leben gleicht oft der krausen Unterseite. Blicken wir aber in der Ewigkeit von oben her auf unser Leben, dann stellen wir eine sinnvolle Führung nach dem Plan Gottes fest.
In dem Lied „Gott mein Trost und mein Vertrauen“ ringt sich der Verfasser zu dem Entschluß durch:
Ich empfehl mich deinen Händen,
Vater, voll Zufriedenheit.
Jede Klage wird sich enden,
Jeder Schmerz wird Seligkeit.
Kann ich von des Himmels Höhen
Einst mein Schicksal übersehen,
O dann sprech ich tiefgerührt:
Selig hast du mich geführt.
15. GOTT ALS PARTNER
Der Kontakt mit dem Höchsten enthält die große Wahrheit, daß wir Gott zum Partner, zum Bundesgenossen haben.
Auf einer Tagung der Theologen sagte ein früherer Studentenpfarrer: „Beten ist sinnlos. Es fehlt das Du, das hören und antworten könnte. Beten ist höchstens Meditation, eine Art Selbstbesinnung, eine Selbsthilfe.“
Armer Tropf! Wir haben das Du, das hört und antwortet. Wir haben den Partner. Wir haben einen Gott, dessen Arm vom Beter bewegt wird. Wir haben einen Herrn, der Wunder tut. Wir stehen nicht auf verlorenem Posten. Wir sind nicht abgeschrieben. Wir sind nicht vergessen. Wir haben den, der gesagt hat:
Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.
König David hat diese tröstliche Wahrheit erlebt. Er bekannte in Psalm 23:
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal
fürchte ich kein Unglück;
denn Du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Gott selbst hat zwischen uns Menschen und sich den Kontakt hergestellt. Das geschah auf Golgatha. Nehmen wir diese Kontaktbildung an?
Eingestellt von Horst Koch, Herborn, im Herbst 2023
Die Textbetonungen sind von mir
info@horst-koch.de