Antichrist u. Gemeinde Jesu (P.Beyerhaus)

Peter Beyerhaus

Gemeinde Jesu im Schatten des kommenden Antichristen

 

I. Der antagonistische Charakter der Kirchengeschichte

Als Jesus in Mt 16,18 in Antwort auf das Messiasbekenntnis von Simon Petrus erstmalig von seiner Gemeinde spricht, bringt er im Nachsatz sofort die finstere Gegenmacht zur Sprache, mit der sie konfrontiert sein werde: „die Pforten der Hölle …“

Die Gemeinde ist also wesensmäßig in eine Kampfsituation gestellt: Wird sie am Bekenntnis zu Jesus Christus, dem göttlichem Erlöser und Herrn, als ihrem Fundament festhalten, oder wird sie ihn angesichts von antichristlicher Verführung und Verfolgung verleugnen?

Das kann gar nicht anders sein; denn Jesus selber steht von seiner Geburt an in Auseinandersetzung mit seinem Gegenspieler. Vor Antritt seines messianischen Wirkens wird er vom Teufel in Wüste dazu versucht, seinen göttlichen Auftrag mit der diesseitigen Rolle des Antichristen zu vertauschen. Seine Sendung führt ihn sodann in den exorzistischen Kampf mit den Dämonen. Und so kann Johannes als Ziel seiner Heilssendung angeben:

„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre“ (1. Johannes 3,8).

Der Zweikampf ist gekennzeichnet durch drei dramatische Höhepunkte: Jesu Versuchung in der Wüste – sein Sieg über den Satan am Kreuz und Ostermorgen – dessen endgültige Entmachtung bei Christi Parusie. So heißt das große Thema der Welt- und Kirchengeschichte. „Christus oder Antichrist?“

Der Teufel will das Erlösungswerk Christi verhindern bzw. – weil er dabei scheitert – nachträglich zunichte machen. Denn der Sieg Christi ist seine Niederlage und signalisiert sein unvermeidbares Ende. Daraus nährt sich sein Haß gegen die Gemeinde. Er verfolgt dabei eine doppelte Strategie: Verfolgung von außen, Verführung von innen, und so sind seine beiden Hauptwaffen Mord und Lüge. Im ambivalenten Sinn der Präposition „anti “ (=gegen oder anstatt) stellt sich der Antichrist also entweder als offener Feind der Gemeinde gegenüber, oder er tritt maskiert als faszinierender Pseudochristus auf, wobei er diese Larve allerdings im geeigneten Augenblick fallen läßt und zum gewalttätigen Angriff übergeht.

Die Heilsgeschichte führt also nicht in organischer Evolution zur Aufrichtung des messianischen Reiches auf Erden, sondern sie muß sich durchsetzen gegen den Alternativplan des Widersachers. Beide Gegner verfolgen ihr eigenes analoges Telos: Jesus die endgültige, sichtbare Aufrichtung seiner universalen Friedensherrschaft bei seiner Wiederkunft – Satan seine usurpatorische Machtergreifung in Gestalt des Antichrists und seines Weltreiches. Schon innerhalb der Geschichte dieses Äons stehen, wie Augustinus klassisch dargestellt hat, Civitas Dei und Civitas Diaboli im beständigen Widerstreit, an dem alle Menschen auf je einer Seite teilnehmen. Das verbietet jegliche Gestalt optimistischerprogressiver Geschichtsphilosophie und –theologie.

II. Aufstieg und Sturz des Antichrists als eschatologischer Höhepunkt des heilsgeschichtlichen Dramas

In biblisch-eschatologischer Schau wird der Teufel einen letzten weltgeschichtlichen Triumph erringen im Erscheinen und in der Machtergreifung seines von ihm inspirierten menschlichen Stellvertreters, des Antichrists.

Dieses Geschehen bildete ein wichtiges Lehrstück, an das die urchristliche, wie später auch die altkirchliche Katechese und Gemeindeunterweisung als festen Beziehungspunkt erinnern konnte: „… wie ihr gehört habt, daß der Widerchrist kommt (1Jo 2,18) „Was ihr nun gehört habt von Anfang an …“(V. 24) „Erinnert ihr euch nicht, daß ich euch dies schon … wiederholt gesagt habe?“ (2Thess 2,5). Das Erscheinen des „Widersachers, der sich über alles erhöht“ bildet nach Paulus einen unaufhebbaren Bestandteil des geoffenbarten eschatologischen Planes und wird der Wiederkunft Christi vorausgehen. Darum steht es unter einem unaufhebbaren „es muß ja doch“ (2Thess 2, 3).

Jesus selber sagte – wenn auch verhüllt – das Kommen des Antichrists voraus, zumal dieser seit dem Propheten Daniel (Kap. 7,8; 9,27; 11,31) ein wesentliches Element alttestamentlicher und jüdischer Apokalyptik bildete, an das Jesus in der „synoptischen Apokalypse (Mt 24,15) ausdrücklich erinnert. Die neutestamentlichen Autoren Paulus und Johannes nahmen es auf und fügten es christologisch definiert in ihre heilsgeschichtliche Schau ein (2Thess 2; 1Joh 2 und 4; Offb 13-19). Für sie stand hier sowohl die göttliche Wahrheit als auch das göttliche Heil auf dem Spiel, sind doch allein in Jesus Christus Wahrheit und Leben zu finden.

Auch die frühen Kirchenväter haben sich ausführlich über dieses brisante Thema geäußert. So gehört der Antichrist nach Cyrill von Jerusalem zum Grundwissen, das seine Taufkatechesen (350 n. Chr.) vermittelten. Diese Kenntnisnahme ist für jeden Christen lebenswichtig, weil sich damit auch ernste Warnungen vor Verführung und Abfall verbinden, von deren Beachtung sein ewiges Geschick abhängt Offb 14,9-12). Die Erwartung des Antichrists ist also nicht etwa Gegenstand endzeitlicher Spekulation, sondern gehört integral zur kirchlichen Dogmatik  , Verkündigung und. Unterweisung. Angesichts deer in unserer Zeit sich ausbreitenden religiösen und moralischen Abfallerscheinungen darf sie auch heute nicht entmythologisiert oder verschwiegen werden. Ich postuliere dies im bewussten Gegensatz gegen einen überkonfessionell verbreiteten negativen Konsensus modernistischer Theologie, der sich entweder im Verschweigen oder in deer Entmythologisierung des Antichrists sowie der Personalität des Teufels überhaupt zeigt.

Geschichtliches
Wie fest die Vorstellung vom kommenden Antichrist in der Lehre der Alten Kirche verankert war, zeigt sich auch darin, daß im siebten Jahrhundert der Islam sie mit deutlichen Anklängen an die Aussagen der Johannesoffenbarung auch in seine eigene Eschatologie übernehmen konnte.   Aber auch in der späteren Kirchengeschichte hat die Gestalt des Antichrists die Gemüter immer wieder – meist aus aktuellem Anlaß – beschäftigt. Ich erinnere an das hochmittelalterliche Mysterienspiel „Ludus de Antichristo“ aus dem Jahre 1160, in dem „in einer ebenso dichterisch wie theologisch großartigen Geschichtsschau der Antichrist als die Schlüsselfigur für das ganze Weltgeschehen und die z. T. zwielichtigen Rollen der damaligen Weltmächte“ gesehen werden.

In der Christentumsgeschichte hat die Gestalt des Antichristen in populären Frömmigkeitsbewegungen und auch in der Theologie, zuweilen sogar in der Philosophie (z. B. bei Friedrich Nietzsche!   und in der Poesie unterschiedliche Deutungen gefunden. –

Leider wurde der Titel „Antichrist“ schon frühzeitig als Klichee auch für polemische Zwecke missbraucht, so vor allem bei der Ächtung der Juden, in denen man kollektiv ein antichristliches Volk sah und aus seiner Mitte auch die Person des Antichristen erwartete.

Daß in der Tat der Antichrist in besonderer Beziehung zum jüdischen Volk stehen werde, ist eine auch von seriösen Theologen unter Bezugnahme auf Bibeltexte wie Daniel 9,26 f und Joh 5,43) ohne antisemitischen Beiklang vertretene These.

Nach der Reformation gab es bei Katholiken und Protestanten gegenseitige Zuweisungen deer Bezeichnung „Antichrist“, welche auch später die kontroverstheologischen Auseinandersetzungen aufs Äußerste verschärften.  

Auch geschichtliche politische Gestalten konnten von den bedrängten Christen bis in die Gegenwart hinein mit dem vermeintlich in ihnen gekommenen Antichristen identifiziert werden: Nero, Mohammed, Kaiser Friedrich II. (1239), Napoleon, Stalin, Hitler, Mao Tse-Tung. Das geschah bzw. geschieht aufgrund ihresanmaßenden Auftretens, ihrer Immoralität, ihres christenfeindlichen Verhaltens und ihrer zynischen Weltanschauung und hat insofern sogar eine gewisse Berechtigung. Dabei werden aber jeweils frappierende Teilaspekte des Antichrists verabsolutiert, – unter Ausblendung anderer für das echt biblische Verständnis wesentlicher Züge, was zu voreiligen Verkürzungen führt.

So wurden die gängigen Vorstellungen vom Antichrist vielfach akut kontextuell bestimmt, ließen aber mehr oder weniger ausgeprägte Auslegungstraditionen entstehen, die sich mancherorts zäh bis in unsere Gegenwart behauptet haben. Das gilt besonders für ultraevangelikale Polemik, während im ökumenischen Dialog die gegenseitige polemische Zuweisung dieses Titels offiziell beendet worden ist. Auch die lutherischen Kirchen betrachten heute die in ihren Bekenntnisschriften gebrauchte – schon vorreformatorische – Identifikation des Papstamtes mit dem Antichristen als eine inzwischen überholte zeitbedingte Vorstellung.

Bemerkenswert ist es dagegen, daß auch von prominenten Theologen heute gelegentlich an die „Kurze Erzählung vom Antichrist“ (1900) des russischen Religionsphilosophen Wladimir Solowjew als für die heutige Ökumenische Bewegung bedeutsam erinnert wird. Der originelle Beitrag Solowjews liegt nun darin, daß er nicht etwa erneut den Antichrist einer der großen Konfessionen zuordnet, sondern ihm stattdessen eine überkonfessionelle Rolle zuerteilt. An seinem verführerischen imperialen Einigungsprogramm kommt es nämlich zu einer transkonfessionellen Polarisierung der Christenheit, wodurch auf beiden Seiten ein eigener Zusammenschluß erfolgt: hier die aus der jeweiligen willfährigen Mehrheit aller drei Konfessionen sich bildende Ökumene des Antichristen, dort die sich unter den drei typologisch wiedererscheinenden Säulenapostel Petrus, Paulus und Johannes ebenfalls transkonfessionell vereinende christustreue Gemeinde der Endzeit.

Auch wenn man der Erzählung Solowjews nicht den Charakter einer prophetischen Vision zusprechen wird, liegt doch seine geniale theologische Einsicht darin, daß nach ihm in jeder der drei empirischen Konfessionen die antichristliche Möglichkeit latent vorhanden ist. Diese kann, sobald die Versuchung ihre Spitze erreicht, offen zutage treten. Dann wird die Kirche zur Antikirche, indem sie sich entweder – in Perversion ihres wahren Wesens – mit deer antichristlichen Weltmacht verbündet oder selbst innerweltliche, sei es sozial-utopische, sei es brutale Machtgestalt annimmt. Dafür kennt die Kirchengeschichte in der Tat erschreckende Beispiele.

Solche Entwicklung haben Theologen wie Karl Barth als Verleugnung Jesu Christi gebrandmarkt, und der verstorbene Papst Johannes Paul II. hat sich mit seiner Kurie im Jahre 1999 in jener denkwürdigen „Mea culpa“-Zeremonie um eine katholische „Reinigung des Gedächtnisses“ bemüht. Eine reformatorische Selbstreinigung der Kirche wird in allen Kirchentümern immer wieder erneut notwendig sein. Auch auf römisch-katholischer Seite wird die Gefahr eines Umschlagens von Kirche bzw. Teilen der Kirche in Antikirche von ernsten Christen und Theologen wahrgenommen. So heißt es in einer von konservativen Katholiken häufig zitierten Kundgabe Mariens an die Seherkinder in La Salette: „Rom wird den Glauben verlieren und der Sitz des Antichrists werden.“ Auch wer jene Erscheinungen für unecht und einen Ausdruck falschen Mystizismus halten will, sollte auf jeden Fall nachdenklich werden über Aussagen, die der heutige Papst Benedikt XVI. 1972 als Regensburger Theologieprofessor unter dem biblischen Leitwort „Schwarz bin ich, aber schön“ (Hoheslied 1,5) über das wesentliche Paradox der Kirche wie auch des Papsttums niederschrieb. Zustimmend zitiert er dabei Gedanken des Donatisten Tyconius, „die sich in der gesamten Überlieferung der Väter finden lassen und die auf seine Weise, kritisch begrenzt, auch Augustinus übernommen hat“. Tyconius spreche davon, daß die Kirche eine rechte und eine linke Seite habe, daß sie Christ und Antichrist, Jerusalem und Babylon in einem sei. „Und ist es nicht die ganze Kirchengeschichte hindurch so geblieben“, fragt Ratzinger unter Anspielung auf Matthäus 16, Vers 18 und danach Vers 23 „daß der Papst, der Nachfolger Petri, ‚Petra’ und ‚Skandalon’, Gottesfels und Strauchelstein, in einem war? In der Tat wird es für jeden Gläubigen darauf ankommen, dieses Paradox des göttlichen Heilshandelns auszuhalten, das seinen Stolz allzeit von neuem beschämt – diese Spannung von Fels zu Satan, in der die äußersten Gegensätze unheimlich ineinander liegen.“

Theologische Probleme
Zu den in der Exegese viel erörterten Fragen gehören seit langem zum einen die, ob die Figur des Antichristen in Bezug auf eine geschichtlich auftretende Einzelperson oder korporativ zu deuten sei, und zum anderen die, ob sie symbolisch oder eher als amtliche Spitze eines politischen bzw. religiösen Systems zu verstehen sei.

Wir können uns hier unmöglich auf eine Diskussion dieser verschiedenen Hypothesen einlassen, sondern wollen uns auf die Hauptelemente der biblischen Aussagen konzentrieren. Dabei gilt es zunächst, eine dreifache Unterscheidung zu treffen, die im exegetischen Befund begründet ist:

1. erscheint das Wort anticristoi im Plural und bezieht sich hier in Verbindung mit den „falschen Propheten“ auf christologische Irrlehrer, die in den Gemeinden auftreten (1Joh 2,18-26; 2Joh 7).

2. ist in 1. Johannes 4,2-5 vom „Geist des Antichrists“ (pneuma tou anticristou) als einer präsentischen Größe die Rede, die schon jetzt am Wirken ist und das eschatologische Erscheinen des einen personalen Antichristen anzeigen. Weil psychologisch und verbal eine täuschende Ähnlichkeit zwischen dem Wirken und Reden des Geistes Gottes und dem des Antichrist, dem Geist der Wahrheit und dem des Truges besteht, gilt es für die Gemeinde ständig, eine sorgfältige Prüfung und Unterscheidung der Geister vorzunehmen.

3. erscheint der Antichrist entweder unter dieser oder auch alternativen Bezeichnungen und Bildern im Singular als der eine dämonische Widersacher Christi und der Gemeinde, der als machtvoller Herrscher am Ende der Geschichte aufstehen wird. Bis dahin wird sein Kommen durch eine geschichtliche Macht aufgehalten, die von den Kirchenvätern auf den römischen Staat bezogen gedeutet wurde.

Wir sehen: Die beiden erstgenannten Größen: die zahlreichen antichristlichen Irrlehrer und der Geist des Antichristen sind als schon in der jetzigen Geschichte wirksame, vorlaufende Erscheinungen zu verstehen, die das schließlich Auftreten des einen, personalen Antichrist vorbereiten und ihm also wesensmäßig eng zugeordnet sind.

Die beiden Fragen, ob es sich beim Antichristen um eine singuläre oder plurale, um eine innergeschichtliche oder endgeschichtliche Größe handelt, sind also nicht alternativ, sondern komplementär zu beantworten.

Biblische Kennzeichnung des kommenden Antichristen
Für die an dritter Stelle genannte apokalyptische Figur des einen persönlichen Antichrists sind in Zusammenschau seiner biblischen Ankündigung folgende Elemente wesentlich:

 – Er ist die abschließende Verkörperung einer zuerst von Daniel (Kap. 2, 7 und 9) prophetisch geschauten weltgeschichtlichen Entwicklung, in der nacheinander ein irdisches Weltreich das vorangegangene verdrängt, um im vierten Weltreich – gemeint ist in Dn 2,40-43 offenbar das Imperium Romanum – ihre Vollendung und im letzten Monarchen ihre personale Spitze zu finden.

 – Es handelt sich um eine satanisch inspirierte Gestalt, die in Konkurrenz zum authentischen Christus und dessen Königtum steht und ihn teils subtil, teils brutal zu verdrängen sucht. Es geht also um den entscheidenden Schlussakt des uralten Kampfes des Teufels mit Gott um die Weltherrschaft.

 – Seine beiden Grundmotive sind ein maßloser Selbstverwirklichungsdrang und in Verbindung damit der Haß gegen Gott und seine Ordnungen. Er wird ihn lästern (Dan 7, 20. 25; Offb 13,5f.) und seine Gebote auflösen, also als großer Verführer Gottlosigkeit und Immoralität verbreiten.

 – Er tritt mit einem sich selbst vergötternden Herrschaftsanspruch auf und verlangt von allen Menschen unbedingte Gefolgschaft und Verehrung, die sich in deer Anbetung seines Idols und der Aufnahme seiner Zahl 666 als Erkennungszeichen beweist.

 – Er nimmt täuschend die Stellung des wiedergekommenen Christus ein. Er ähnelt ihm bis dahin, daß er ein Haupt „wie geschlachtet“, also eine Todeswunde trägt, die geheilt wurde (Offb 13,3f.) Er imitiert dessen Werke und kommt in der ersten Phase seines insgesamt dreieinhalbjährigen Wirkens unter der Maske des die Menschheit beglückenden Wohltäters. So wird es ihm – unterstützt durch dämonische Wundertaten (Mt 24,24; 2Thess 2,9) echter oder täuschender Art – gelingen, den Großteil auch der Christenheit zum Abfall zu verführen. Er wird sich in den Tempel Gottes   setzen und von der gesamten Menschheit angebetet (2Thess 2,4; Offb 13,3-4). Man könnte in ihm die Erfüllung der in vielen Religionen vorhandenen Hoffnung auf eine das Goldene Zeitalter heraufführende Rettergestalt unter Namen wie Maitreya, Krischna oder Mahdi erblicken.

 – Er macht sich zum Haupt eines durch globale Machtzusammenballung geschaffenen politischen und ideologischen Einheitssystems, eines zentralistischen Zehnstaatenbundes. Schließlich wird seine Herrschaft in Terror umschlagen.

 – Sein besonderer Zorn richtet sich im irdischen Bereich auf die glaubenstreue Gemeinde Jesu Christi, die er einerseits durch Verführung sich gefügig machen möchte, andererseits da grausam verfolgt, wo sie ihm durch ihr unverfälschtes, auch leidensbereites Christuszeugnis widersteht. Für sie bricht nun die endgeschichtliche, Phase der „großen Trübsal“ (Mt 24,21f; Dan 12,1) an. Von außen betrachtet wird der Antichrist die Gemeinde Jesu besiegen (Offb 13,7).

 – Aber gerade in ihrer Niederlage wird sie innerlich vereint mit Jesus, dem Lamm, durch ihr Martyrium den endgültigen Sieg über ihn davontragen (Offb17, 14). Der wiederkommende Christus wird den Antichristen „durch den Hauch seines Mundes“ töten (2Thess 2, 8) und ihn mit seinem Anhang dem höllischen Feuer übergeben (Offb19, 20).

Der Antichrist wird in seinem Herrschaftsanspruch unterstützt durch zwei weitere apokalyptische Gestalten: den Falschen Propheten und die Hure Babylon (Offb 17,1-6).

Ersterer ist dem Antichristen wie ein verwandtes Tier dem anderen eng beigesellt. Err verhilft ihm zur universalen Anerkennung seiner Herrschaft dadurch, daß er in seinem Namen und Interesse spektakuläre Wunder vollbringt (Offb 13, 14f.), welche dessen Göttlichkeit beweisen sollen und tatsächlich seine Anbetung und die seines von ihm angefertigten Bildes   zur Folge haben. Der Falsche Prophet verkörpert also den transzendenten bzw. okkulten Aspekt der Person und des Systems des Antichristen.

Letztere, die Hure, ist in ihrer Identität noch schwieriger zu bestimmen, weil sie in den sie betreffenden Kapiteln der Apokalypse in einer zweifachen Rolle beschrieben wird:

Einerseits (Offb 18) verkörpert sie eine Metropole, die als merkantiles Zentrum über globalen Einfluß verfügt. Andererseits (Offb 17,1-6) erscheint sie jedoch eher als eine religiöskulturelle Größe, die im erotisch-dienstbaren Verhältnis zum Antichrist steht – sie reitet auf dem Untier – und insofern dem antichristlichen System religiöse Einheit und kultische Weihe verleiht.

Die beiden genannten Aspekte lassen sich dadurch verbinden, daß „Babylon“ als politisch-wirtschaftliche Metropole zugleich auch die hierarchische Zentrale der antichristlichen Einheitsreligion beherbergt. In zeitgeschichtlicher Deutung ist Babylon deswegen der biblisch-symbolische Deckname für Rom in den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt und dessen die Alte Kirche bedrängenden politisch-religiösen Totalitätsanspruch.

In langfristiger prophetischer Perspektive, so sehen es viele Ausleger, steht die babylonische Hure später für eine synkretistische Pseudokirche, welche im Gegensatz zur christustreuen Gemeinde in ihrem authentisch christlichen Wesen pervertiert ist. Diese Typologie „Braut versus Hure“ ist schon alttestamentlich vorgebildet. Die Propheten, besonders Hosea, stellen nämlich Israel in seinem Idealzustand zu Beginn seiner Erwählungsgeschichte dem später abtrünnigen, mitfremden Göttern buhlenden Volk gegenüber. Die in der Apokalypse abgebildete Hure Babylon breitet in Anbiederung an die imperiale Staatsmacht ihre eigene amoralische Macht innerweltlich aus. Sie verfolgt die wahren Nachfolger Jesu und macht sie zu Märtyrern.

Am Ende aber wenden sich die Regenten des antichristlichen Herrschaftssystems auch gegen die Dirne und bereiten ihr einen grausigen Untergang (Offb 17,16).

Der Antichrist, sein Prophet und das Weib bilden also gemeinsam eine unheimliche Trias, in welcher die alle  ebensbereiche erfassende gottfeindliche Entwicklung der Menschheit ihre empörerische Spitze erreicht. Für eine Weile genießt sie einen innerweltlichen Triumph, der die Gemeinde Jesu in ihre letzte Bedrängnis bringen wird. Aber – das ist ihr zum Trost versprochen – die Tage dieser Phase sind gezählt: Der am Ende wiederkommende Christus wird ihre Macht zum Einsturz bringen und ihr das verdiente Strafgericht bereiten (Offb 19,20).

Bedeutsam für das heilsgeschichtliche Verständnis des Weges der Gemeinde Jesu ist, daß sie nach Offb 12,10 die Überwindung des Teufels nicht in einer rein passiven Haltung erleben wird, sondern sie selber aktiv zu diesem Sieg beitragen wird. Ihr unbeirrbares Christuszeugnis und ihr williges Erdulden des Martyriums verleihen ihr eine Macht, an welcher der Vernichtungswille Satans letztlich scheitern muß.

Das gilt nun aber nicht erst für den letzten Akt des heilsgeschichtlichen Dramas. Vielmehr kennzeichnet es die Geschichte des permanenten antichristlichen Konfliktes der Kirche überhaupt.

III. Die Vorschattung des apokalyptischen Konflikts in den gegenwärtigen Bedrängnissen der Gemeinde

Die biblische Lehre vom Antichrist und seines satanischen Systems darf nicht nur im Schlusskapitel biblischer Theologie oder kirchlicher Dogmatik behandelt werden. Das wäre eine futuristische Verkürzung und Verharmlosung dessen, was sie für den Weg der Kirche durch die Zeiten und die Existenz jedes Nachfolgers Christi immer erneut und aktuell zugespitzt aussagen will.

Der dereinst als bestimmte Person auftretende Antichrist wirft seinen dämonischen Schatten voraus auf jede Generation von Christen, und dies in aktuellen Abwandelungen in jedem geschichtlichen Kontext. Es gilt also für die kirchliche Verkündigung, die Relevanz des biblischen Zeugnisses über den Antichrist hier und jetzt für die Gemeinde aufzuweisen und sie zu einer entsprechenden Reaktion zu motivieren.

Das wird biblisch bestätigt dadurch, daß Johannes in seinem 1. und 2. Brief die Gemeinden ausdrücklich vor einer Mehrzahl von „Antichristen“ warnt, in deren Auftreten sich die Ankündigung von dem einen am Ende erscheinenden Antichristen antizipierend bestätigt.

Durch deren Wirken wird die Gegenwart bereits als „letzte Stunde“ eschatologisch qualifiziert: „Kindlein, die letzte Stunde ist da, und wie ihr gehört habt, daß der Widerchrist kommt, so sind jetzt schon Widerchristen in großer Anzahl aufgetreten …“ (1Jo 2,18 ff.)

Hinsichtlich der Antichristlichkeit dieser Verführer richtet Johannes den Blick auf einen ihm besonders wichtigen Aspekt: Sie leugnen, daß Jesus der Christus der Mensch gewordene Gottessohn und messianische Erlöser ist. Mit dem Sohn zugleich wird auch Gott der Vater geleugnet, wodurch die tiefe Gottlosigkeit des Antichristen und seiner Vorläufer ans Licht tritt. Die Brisanz verschärft sich noch dadurch, daß diese Bestreitung des christlichen Glaubens nicht von außen, sondern aus der Mitte der Gemeinde selbst kommt (1Jo 2,19), was ihre Verführungskraft noch steigert.

Die Hauptgefahr dieser innerkirchlichen Antichristen ist also theologischer Art: Es geht um die Außerkraftsetzung zweier bzw. dreier zentraler christlicher Glaubenswahrheiten: zunächst der Trinität Gottes und der Inkarnation. Mit der Leugnung letzter verbindet sich auch die des Sühnetodes Christi für unsere Sünden. Denn die im 1.Johannesbrief entlarvten Irrlehrer bestreiten auch die Tatsächlichkeit der menschlichen Sünde und die Notwendigkeit einer Erlösung von ihr, womit sie Gott zum Lügner machen (1Jo 1,8-10) und den Opfertod am Kreuz für unnötig erklären. Eine unausbleibliche Konsequenz ist ein ethischer Libertinismus, der besonders auf sexuellem Gebiet verheerende Auswirkungen zeitigt und immer wieder zeigen wird, wie wir heute auch innerkirchlich erfahren müssen.

Das erinnert daran, daß Jesus in seiner eschatologischen Ölbergpredigt als ein Hauptkennzeichen der Endzeit die Gesetzlosigkeit, also die Auflösung aller göttlichen Normen nennt. Und es frappiert, daß Paulus in 2Thess 2,3 den Antichristen – anstatt diesen Namen zu gebrauchen – den „Mensch der Sünde“ nennt, der, „selber zum Verderben bestimmt, sich über alles erhöht, was Gott oder anbetungswürdig heißt“.

Die bei Johannes zum antichristlichen Wesen gerechneten Häresien sind nun typisch für jene machtvolle Geistesströmung der antiken Gnosis, welche schon in der apostolischen Epoche in die Alte Kirche einzudringen suchte und sich in den folgenden beiden Jahrhunderten zu ihrer gefährlichsten Bedrohung entwickelte. Die theologische Auseinandersetzung mit ihr bildete eine Hauptaufgabe der Apologeten und der früheren Kirchenväter, wie besonders Irenäus. Es war in der Tat ein Kampf auf Leben und Tod, weil es den pseudochristlichen Gnostikern vielerorts gelang, durch ihre mündlich vorgetragenen Lehren und ihre Schriften Einfluß auf die Gemeinden zu gewinnen. Es entstanden bis in das 3. Jahrhundert hinein gnostische Evangelien, Apostelakten und Liturgien, die von vielen Gemeinden ahnungslos für echt gehalten und gebraucht wurden.   Hätte die Alte Kirche diesen Abwehrkampf nicht so resolut geführt, wäre sie zu einer jener zahlreichen gnostischen Sekten mutiert und als solche zugrunde gegangen.

Nun bildete die gnostische Auflösung und Umdeutung des biblischen Evangeliums nicht nur ein auf die ersten drei Jahrhunderte beschränktes Phänomen. Vielmehr haben gnostisierende Strömungen die Kirche ihre ganze Geschichte hindurch begleitet. Gerade in der Gegenwart haben wir es mit einer weltweit verbreiteten neognostischen Bewegung zu tun. Sie begegnet uns nicht nur extern in Gestalt synkretistischer Kulte wie New Age, sondern auch in Form einer esoterischen Spiritualität in kirchlichen Meditationszentren beider westlicher Konfessionen sowie in Entwürfen zu einer pluralistischen Religionstheologie, in welcher die innere Erfahrung des Einsseins des Selbst mit dem göttlichen Universum zur verbindenden Gemeinsamkeit aller Religionen, einschließlich des entsprechend umgedeuteten Christentums erklärt wird.

Diese neognostische Tendenz setzt die Christologie und Soteriologie schutzlos der Symbolisierung und Synkretisierung aus. Damit wird der Absolutheitsanspruch des Christentums, der sich auf die Einzigartigkeit Jesu Christi und die Universalität der von ihm vollbrachten Erlösung gründet, prinzipiell außer Kraft gesetzt.

Wir begegnen in der Tat seit der Aufklärung bis in die Gegenwart modernistischen, zeitgeistig infizierten Theologien, welche in unterschiedlichem Maße genau jene Kennzeichen von Auflösung tragen, wie sie auch der Gnosis innewohnen: Die Leugnung der Göttlichkeit Jesu, der Anstoß am Sühneopfer Christi, der ethische Libertinismus z.B. hinsichtlich des Lebensschutzes und der Heiligkeit der Ehe, die Verlagerung der biblischheilsgeschichtlichen Offenbarung in die spirituelle Erfahrung einer panreligiösen Mystik, die prinzipielle Offenheit für den Wahrheits- und Heilsanspruch anderer Religionen und damit die Forderung nach auch inhaltlicher Toleranz ihnen gegenüber.

Eine Kirche, die ihre Lehre, Verkündigung und Praxis dogmatisch und ethisch aushöhlen und überfremden läßt, verliert unvermeidlich ihre im Christusbekenntnis gegründete Identität. Das macht sie im Ernstfall unfähig zum Widerstand gegenüber anderen religiösideologischen Totalitätsansprüchen, wenn deren Anerkennung gewaltsam von ihr gefordert wird. Dafür gibt es aus der neueren Kirchengeschichte unrühmliche Beispiele. Man denke an die Anbiederung der Deutschen Christen an den nationalsozialistischen Staat oder an die Kapitulation der von liberaler Theologie infizierten japanischen Einheitskirche, der Kyodan, vor der staatlichen Forderung, die Shinto-Zeremonie, also die kultische Verehrung des Tenno, in ihren eigenen Gottesdienst aufzunehmen. Was aber geschieht, wenn eine Minderheit innerhalb solcher konzessionsbereiten Kirchentümer dem Trend der Mehrheit nicht folgt? Was droht ihr, wenn sie der Loyalitätsforderung, die im Namen sich selbst vergötternder Herrscherpersönlichkeiten und ideologischer Herrschaftssysteme erhoben wird, ihr Bekenntnis zur Alleingültigkeit des biblischen Evangeliums entgegenstellt? Dann müssen sich diese standhaften Christen auf zunehmenden Druck, auf Ausgrenzung sogar seitens der angepassten kirchlichen Mehrheit und schließlich auf Verfolgung bis hin zum Martyrium gefasst machen. So geschieht es heute unter dem Kim Jong-Ill-Regime in Nordkorea. In äußerster Radikalität das Los der gesamten Christus getreuen Gemeinde sein, wenn dereinst der Antichrist sein Einheitsreich weltweit aufrichten wird.

Es gibt aber Vorformen solchen Geschickes in den Erfahrungen bekenntnistreuer Christen in unserer Gegenwart. Man denke besonders an deren Situation in islamischen Staaten. Ernsthaft gefährdet sind zum Christentum bekehrte Muslime sogar in toleranteren Ländern, wenn sich die Aufmerksamkeit islamistischer Bewegungen auf sie richtet. Denn das Gesetz, daß auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe steht, die u. U. sogar von den nächsten Angehörigen zu vollstrecken ist, gilt grundsätzlich universal.

Wenn allerdings die Deutung des endzeitlichen Weltreiches des Antichristen auf das durch die Jahrhunderte hindurch in diverser Form überlebende und heute in der EU in neuer politischer Gestalt auflebende Imperium Romanum zutreffend ist, so wäre es voreilig, die gefährlichste antichristliche Bedrohung in dem sich ausbreitenden Islam zu erblicken. Gewiß stehen uns im Blick auf den sich verschärfenden Nahostkonflikt und dem sich seit dem 11. September 2002 ausbreitenden Terrorismus noch schwere Auseinandersetzungen mit ihm bevor. Gleichzeitig wird man jedoch mit einer Entwicklung rechnen müssen, die sich zunächst auf dem Boden des Abendlandes vollzieht und von seiner säkularisierten Zivilisation ausgehend sich weltweit verbreitet. Wir haben schon bei unserm Ersten Ökumenischen Bekenntniskongreß in unserm Freudenstädter Aufruf beklagt, daß es nicht gelungen ist, in die Präambel des Verfassungsentwurfs für die EU die Berufung auf Gott aufzunehmen. Europa hat sich seit der Renaissance und der Französischen Revolution immer rasanter von den christlichen Grundlagen seiner Kultur gelöst und dem Geist eines widergöttlichen Humanismus ausgeliefert. Dieser manifestiert sich in einer Reihe von Ideologien, in einer Relativierung aller normativen Wahrheitsansprüche, in einem pseudowissenschaftlichen Sozial-Darwinismus und einem moralischen Libertinismus. Dazu tritt gegenwärtig eine Offenheit für mannigfache Angebote außerchristlicher Religionen mit dem Ziel interkultureller Verbrüderung. Die damit verbundene Forderung nach Toleranz gegen alle Geisteshaltungen und Lebensstile schlägt jedoch um in eine neue Intoleranz gegenüber dem Bekenntnis zu einer auf die biblische Offenbarung gegründeten verbindlichen Wahrheit. Wo bekennende Christen sich ihrem Glauben widerstreitenden Zumutungen wie z. B. dem obligatorischen und zugleich emanzipatorischen Sexualunterricht wie auch mystisch-magischen Experimenten in fremdreligiöser Spiritualität an den Schulen verschließen, können sie schon heute deswegen in Bedrängnis und Ausgrenzung geraten, bis hin zu Gefängnisstrafen!

Womit wir langfristig zu rechnen haben, ist die Bildung internationaler politischer und juristischer Institutionen, welche durch ihre Gesetzgebung das Überleben deer Weltgemeinschaft in einer nachhaltig geschützten Umwelt durch eine religiös sanktionierte Friedensordnung sichern sollen. Pläne solcher Art werden in geheimen Verbindungen schon seit über zwei Jahrhunderten geschmiedet und durch ihre einflussreichen Mitglieder in die internationalen Organisationen eingebracht. Angesichts der häufig beschworenen globalen Gefahren stellt man nachdrücklich Forderungen nach einer Weltregierung mit durchgreifenden Befugnissen. Auch wenn solche Utopien vorläufig noch nicht durchsetzbar sind, gewinnen die biblischen Prophetien Einheitsreich des Antichrists realpolitische Plausibilität!

Folgerungen
Angesichts ihrer angefochtenen Existenz im Schatten des kommenden Antichrists darf die Ihrem gekreuzigten Herrn getreue Gemeinde sich nicht selbstzufrieden innerweltlich einrichten. Vielmehr muß sie ständig ihrer doppelten Bedrohung sowohl von innen wie von außen bewußt sein und „endzeitfest“ werden.

Das bedeutet zum einen, alle antichristlichen Verführungen ideologischer, spiritueller sowie theologischer Art in klarer Geisterunterscheidung rechtzeitig zu erkennen und sie wachsam abzuweisen.

Es bedeutet zum andern, sich auf ihr drohende Verfolgungen einzustellen und da, wo es unausweichlich wird, bereitwillig Leiden für Christus anzunehmen, in der biblischen Erkenntnis, daß für die bekennende Gemeinde ein solches Leiden nicht etwas Absonderliches, sondern eher Normales, ja ein Grund zur Freude ist, weil sie ja nach dem Anteilnehmen an Christi dereinst um so mehr jubeln können, wenn er seiner Herrlichkeit offenbar werden und ihr daran Anteil geben wird (1 Petr 4,12-14).

Dabei sollte sie bedenken, daß ein Leiden um des Evangeliums willen auch in harter Gestalt – bis hin zum Martyrium! – für viele Teile der weltweiten Christenheit schon heute bittere Gegenwart ist. Hier ist sie auf zum Mit-leiden im tiefsten Sinne des Wortes aufgerufen, nämlich einem innerlichen Teilen dieses Leidens, als sei es das eigene, eingedenk des paulinischen Wortes (1Kor 12,26): „Wo ein Glied leidet, da leiden alle Glieder mit … .“ Es gilt, sich mit den um Christi willen verfolgten Brüdern und Schwestern mit Herz und Seele wie auch leiblich zu identifizieren, als wären wir Mitgefangene und Mitgefolterte (Hebr 13,3), und dies Leiden durch treue Fürbitte und tätigen Beistand zu lindern.

Die Grundstimmung der antichristlich angefochtenen Gemeinde ist, wenn sie wirklich in geistlicher Gemeinschaft mit ihrem himmlischen Haupte Christus lebt, weder von Wehleidigkeit, Angst noch Fatalismus gekennzeichnet, sondern eher von einer vom Heiligen Geist gewirkten freudigen Siegesgewißheit. Uns steht ja die „geistliche Waffenrüstung“ zu Gebote, in der wir gegen die listigen Anläufe des Teufels bestehen, ja sogar den Gegenangriff führen können (Eph 6, 10-20). Die „Salbung des Geistes“ gibt uns den klaren Blick und läßt uns die Heilswahrheit von den verführerischen Lügen antichristlicher Lehrer unterscheiden (1Joh 2, 27). Trotz aller Warnungen vor dem Antichristen und seiner Begleiter sowie der erschreckenden Schilderung ihres Wütens betont der Seher Johannes keineswegs ihre übermenschliche Mächtigkeit. Vielmehr lautet das entscheidende biblische Zeugnis, daß die Tage seiner Herrschaft gezählt sind. Zum vorgesehen Zeitpunkt wird er stürzen und sein ganzes dämonisches System zusammenbrechen. Das gilt nicht nur eschatologisch für den eigentlichen kommenden Antichrist, sondern auch für seine Vorläufer und deren tyrannische Systeme. Die Geschichte liefert dafür eindrückliche Beispiele – vom Niedergang des heidnischen, die Christen verfolgenden Imperium Romanum bis hin zum jähen Einsturz des kommunistischen Ostblocks.

Besonders ermutigend für die angefochtene Gemeinde ist, daß sie selber bei all ihrer äußeren Kümmerlichkeit durch ihr unerschrockenes Bekenntnis, ihr geduldiges Ausharren unter deer Verfolgung bis hin zum Martyrium einen wesentlichen Beitrag zur schlußendlichen Niederlage des Antichristen leisten darf.

Darum verheißt ihr der wiederkommende Herr selber, daß er sie nach aller durchstandenen Drangsal zu sich erheben werde, um ihr Anteil an seinem eigenen göttlichen Leben und seiner ewigen Königsherrschaft zu verleihen (Mt 24,30 f.). Je unerträglicher die Bedrängnis wächst, desto näher kommt der Tag ihrer Erlösung (Lk 21,28). Alle an die sieben vom Martyrium bedrohten kleinasiatischen Gemeinden gerichteten Sendschreiben sind von der Zusage an die akut verfolgte Gemeinde zu Smyrna (Offb 2,10 b) gekennzeichnet:

„Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben!“

Die Hervorhebungen wurden von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, den 18. 2. 2007

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