Dr. Samuel R. Külling
Entsprechen die Parolen der französischen Revolution «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» biblischen Forderungen?
Man preist heute, nach 200 Jahren, die Proklamation der unveräußerlichen Menschenrechte der Menschenrechtserklärung der französischen Revolution 1789: «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit».
Entsprechen diese Forderungen wirklich denen der Bibel und gehören sie zur göttlichen Schöpfungsordnung? Hier besteht weitgehend, auch bei bibeltreuen Christen, große Unklarheit. Darum sollen die drei Begriffe untersucht werden. Ich beginne mit der Gleichheit:
1. Gleichheit
Wie verhängnisvoll sich die Proklamation von «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» auf Gleichheit auswirkt, zeigt der heutige Feminismus. Gott hat z. B. Mann und Frau ungleich geschaffen; also ist dies seine Schöpfungsordnung und alle Gleichheitsideologie in dieser Hinsicht ist nicht von Gott, sondern von unten. Wir merken ihre negativen Auswirkungen bereits heute in der Politik und werden sie noch deutlicher erkennen in der Zukunft, wenn sie vielleicht nicht mehr zu ändern ist. Wir haben die negativen Auswirkungen der Gleichheitsideologie der französischen Revolution bereits einmal bei der Frage des neuen Eherechts besprochen und damals gesagt: «Zugunsten der Gleichheitsansprüche wird die Gemeinschaft der Ehe geopfert. Zwischen Gleichheitsansprüchen zweier unabhängigen Partner und der Gemeinschaft der Ehe gibt es nur ein Entweder – Oder.»
Gott hat auch jeden Menschen ungleich geschaffen. Also ist der Ruf nach Gleichheit aller Menschen unbiblisch. «Es gibt keine größere Ungerechtigkeit als unterschiedliche Wesen identisch zu behandeln», sagte Montesquieu zurecht. Er schreibt: «Diese Unterschiede ignorieren oder aufheben wollen heißt, gegen das Wesen der Dinge angehen, heißt, der Ideologie weichen.» Gewiß sind wir nicht gegen das Prinzip: «Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz». Aber dieses Prinzip der «Gerechtigkeit» kann leicht zu neuer Unge¬rechtigkeit führen, wenn man nicht vom biblischen Menschenbild ausgeht. Und dies tat die französische Revolution nicht. Sie ging nicht von einem dem Schöpfungswerk entsprechenden vielfältigen, individuell ganz unterschiedlichen (jedes nach seiner Art) Menschenbild aus, sondern von einem uniformen, gleichgeschalteten. Gleichheit bedeutet für sie darum einheitliche Denk Glaubens und Verhaltensweise. Und das ist eine der göttlichen Schöpfung radikal widersprechende Gleichheitsideologie. Dieses unbiblische Verständnis von Gleichheit zeigte sich besonders deutlich den Juden gegenüber. Wohl wurden, besonders durch den Einfluß des radikalen Revolutionärs Robespierre, am 27. September 1791 zum ersten Mal in der Geschichte der Juden im Exil in Europa die Juden rechtlich den Nichtjuden gleichgestellt. Das hieß aber für die Juden, ihre Jüdischkeit weitgehend aufzugeben. Sie sollten nicht mehr als religiöse Minderheit mit eigener Religion, Kultur und Sprache leben. «Die Juden wurden emanzipiert, weil sie Menschen, nicht weil sie Juden waren» (Daniel Gerson in Jüdische Rundschau Nr. 28 1989). Dieses Gleichheitsverständnis bezog sich auch auf andere Minderheiten. Gleichheit hieß für sie Gleichschaltung, Aufgabe ihrer individuellen Überzeugungen. Das zeigt sich sehr deutlich bei einem andern der proklamierten Menschenrechte, der Freiheit.
2. Freiheit
Die Freiheit der französischen Revolution war nicht die biblisch verstandene Freiheit. Diese Freiheit war absolut nicht die Freiheit von aller Sklaverei. Sie war gebunden an das uniforme Menschenbild der Revolution. Und das war ein atheistisches Menschenbild.
Freiheit, losgelöst von göttlicher Autorität, wird zur Tyrannei durch Menschen, wie Wilhelm Hahn ausführt: (Hahn Christliche Weltrevolution. Stehen wir vor einer Spaltung der Christenheit, in Rupert Hofmann, Verlag Regensberg 1987). «Der Mensch soll sein Schicksal und das der Menschheit in seine eigenen Hände nehmen und eine menschenwürdige, ideale Welt schaffen! Das Reich der Gerechtigkeit und des Glücks für alle Menschen, die alle gleich sind, läßt sich von Menschen auf dieser Welt erreichen.» «Welchen Fanatismus das Ziel der Menschheitsbeglückung hervorgebracht hat (von Robespierre bis Marx, von Lenin, Stalin bis hin zu Hitler oder Pol Pot und schließlich Ajatollah Khomeini) wird erhellt aus dem folgenden programmatischen Wort Robespierres: ‚Die Triebkraft der Volksregierung ist in Friedenszeiten die Tugend. Sie ist in Zeiten der Revolution zugleich Terror und Tugend: Die Tugend, ohne die der Terror unheilvoll ist, der Terror, ohne den die Tugend machtlos ist. Der Terror ist nichts anderes als das schlagfertige, unerbittliche, unbeugsame Recht. Er ist somit eine Emanation (Ausfluß) der Tugend».
Darum war es auch gar keine echte Freiheit, auch wenn sie noch so lauthals verkündet wurde. Sie bestand in lauter Verboten, was die Glaubens und Gewissensfreiheit betrifft. Ist das etwa Freiheit, die nur mit neuen Verboten (christliche Feiertage und Feste, bestimmte religiöse Handlungen usw.) gepaart war, gegeben von Menschen, die von göttlicher Autorität nichts wissen wollten, sondern einer «Göttin der Vernunft» (Demoiselle Maillard) huldigten, oder die das Volk zum Gott machten?
Wen wundert es, daß schon in den ersten Jahren nach der Emanzipation (besonders 1793/94) die jüdischen Gottesdienste meistens im Geheimen abgehalten werden mußten und es zu Verhaftungen von Rabbinern kam. Was ist das für eine Freiheit, wo nicht jeder nach seiner Überzeugung seines Glaubens leben kann?
3. Brüderlichkeit
Heute sollte man nach den Forderungen der Feministinnen «Schwesterlichkeit» sagen! Aber lassen wir den Ausdruck der Revolution stehen. Auch hier ist natürlich nicht an christliche Bruderschaft zu denken. Auch hier gibt es nur bedingte Brüderlichkeit. Auch hier galten diejenigen, die die Gedankengänge und gottlosen Prinzipien der Revolution, ihr Bekenntnis («die Existenz eines höchsten Wesens und die Unsterblichkeit der Seele») oder ihre ideologischen Kultfeiern usw. nicht guthießen, praktisch nicht als Brüder, sondern als unliebsame Außenseiter oder Fremdkörper im Staat, die man entweder als «quantité négligeable» (zu vernachlässigende Größe) überging oder gewaltsam zum Bruder machen wollte («Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein»). Die Schreckensherrschaft Robespierres geschah sicher nicht im Sinn der Brüderlichkeit seiner Untertanen!
4. Was sagt die Bibel?
Aus obigen Darlegungen ist hervorgegangen, daß die französische Revolution mit ihrer Proklamierung von «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» etwas anderes meinte als die Bibel und darum nicht christliche Begriffe oder Werte durchgesetzt hat. Im Rahmen dieses Aufsatzes kann natürlich nur sehr beschränkt und lückenhaft darauf eingegangen werden, was wir von der Bibel her zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu sagen haben.
a) Freiheit
Nach der Bibel gibt es keine absolute Freiheit. Als das Volk Israel von der Knechtschaft in Ägypten befreit wurde, kam es zum Sinai, wo es lernen sollte, sich an das Gesetz Gottes zu binden. In Römer 6,15 – 7,6 sagt Paulus, daß der Gläubige freigemacht wurde von der Sündenknechtschaft, aber zugleich Knecht der Gerechtigkeit wurde. «Jetzt dagegen, wo ihr von der Sünde frei und Knechte Gottes geworden seid, habt ihr als eure Frucht die Heiligung und als Endergebnis das ewige Leben.» (Römer 6, 22) Dieser zentrale Vers sagt alles. Die Proklamation einer ziellosen, zügellosen Freiheit ist völlig unbiblisch. Die Bibel lehrt uns keine Freiheit von aller Sklaverei. Sie lehrt uns, daß wir entweder «Sklaven» der Sünde oder «Sklaven» Gottes sind. Es gibt nur dieses Entweder Oder. Als Knechte Gottes haben wir als Ziel die Heiligung (in diesem Leben) und als Endergebnis das ewige Leben. Wir sind nie absolut frei, also haben wir auch keine solche Freiheit zu verkündigen. Luther sagte es in dem Paradox: «Der Christ ist ein freier Mann und niemandem untertan. Der Christ ist ein dienstbarer Knecht aller und allen untertan». Freiheit vom mosaischen Gesetz bedeutet nicht Zügellosigkeit, sondern Gehorsam Christi, Gebundenheit an das Gesetz Christi (1.Kor.9,21). Biblisch verstandene Freiheit ist nur möglich durch die neue Gebundenheit an den Geist Gottes und seine Leitung (Röm 8,14). Freiheit muß ein Ziel haben (verherrlicht Gott mit eurem Leibe (1.Kor 6,20), sonst wird sie nur Menschenknechtschaft (1. Kor 7,23). Da diese Freiheitsproklamation der französischen Revolution kein solches Ziel hatte, wurde sie nur zur neuen Gebundenheit an Menschengebote und verbote. Sklaven des Verderbens können nicht wahre Freiheit verheißen (sie verheißen ihnen Freiheit, sind dabei aber selbst Sklaven des Verderbens; denn von wem jemand im Kampf überwunden ist, dem ist er auch als Sklave verfallen (2. Petr 2,19.15).
b) Gleichheit
Es gibt nach der Bibel nur eine Gleichheit, die für uns alle gilt, nämlich die von Röm 3, 10 – 19: Die ganze Menschheit ist dem Gericht Gottes verfallen! Und es gibt nur einen Heilsweg für uns alle: Die Gottes Gerechtigkeit, die durch den Glauben an Jesus Christus für alle da ist und an alle kommt, die da glauben (Röm 3,22). Denn hier gibt es keinen Unterschied; alle haben ja gesündigt und bleiben unteilhaftig des Ruhmes, den Gott verleiht; so werden sie geschenkweise durch seine Gnade gerechtfertigt infolge der Erlösung, die in Christus Jesus begründet ist (Röm 3,23.24).
Hier ist es angebracht von Gleichheit zu reden. Aber davon redet die französische Revolution nicht. Und die Gleichheit, die sie verkündet, gibt es, wie wir ausgeführt haben, nicht. Sie führt nur zu neuer Ungerechtigkeit im Namen eines unbiblischen Menschenverständnisses von Gleichheit.
c) Brüderlichkeit
Die Bruderschaft im biblischen Sinn ist nur möglich durch den Vater im Himmel («Vater» ist etwas anderes als «die Existenz eines höchsten Wesens» von Robespierre). Gott möge uns verschonen vor einer Brüderlichkeit des Schafotts! Gott möge uns verschonen vor einer Brüderlichkeit des atheistischen Genossen! Gott möge uns verschonen vor einer Zwangsbruderschaft! Gott möge uns auch bewahren vor einer Zwangsschwesternschaft des Feminismus! Gott möge uns bewahren vor einer Bruderschaft, die keine ist! Die Bruderschaft der französischen Revolution, die die Vaterschaft Gottes leugnete, ist keine Bruderschaft.
Und diesen Vater in Jesus Christus hat die Revolution ausgeschaltet. Sie wollte «Brüder», ohne den «Meister» anzuerkennen (Mt 23,8).
Ihr Bruderbild war nicht das der Bibel: «dem Bilde seines Sohnes gleich zu werden: dieser sollte der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein (Röm 8,19).
Reden wir also nicht mehr davon, die französische Revolution habe «christliche Rechte» durchgesetzt. Sie war weit entfernt davon.
Vertiefen wir uns mehr in die Bibel, um zu erfahren, was sie über «Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit» sagt.
Aus FUNDAMENTUM, 1/1989
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