Der linke Progressivismus will das Modell der Zukunft sein und ist doch nur der Sozialismus der Vergangenheit
November 2020 – von Antony P. Mueller
Die Welt befindet sich derzeit inmitten eines neuen aggressiven Strebens, durch einen mächtigen und „effizienten“ technokratischen Staat eine kollektivistische Weltordnung herbeizuführen. Diese neue Ordnung wird als „fortschrittlich“ bezeichnet, auch wenn sie nur die neueste Version des sozialistischen Herrschaftsanspruchs ist, unter dem die Menschheit in der Geschichte sehr oft schon leiden musste. – Antony P. Mueller
Abschaffung des Privateigentums
Wie im Kommunistischen Manifest ausgeführt „können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen“. Von dort folgen die anderen Forderungen, wie die Abschaffung der Familie, der Nation und der Länder, und schließlich schafft der Kommunismus „die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab, die Moral“.
Die Sozialisten unterscheiden sich von den Kommunisten nicht dadurch, dass sie ein anderes Ziel verfolgen, sondern durch die Methode. Was die Kommunisten mittels eines gewaltsamen revolutionären Umbruchs zu erringen trachten, wollen die Sozialisten schrittweise erlangen.
Damit stehen sowohl der Kommunismus wie auch seine sozialistischen Varianten dem ursprünglichen Sinn des Liberalismus diametral entgegen. Das Programm des Liberalismus, in einen Satz gefasst, ist „Privateigentum an den Produktionsmitteln“, erklärt Ludwig von Mises, während das Gegenprogramm zur freiheitlichen Ordnung, das neben den Kommunisten und den Reformsozialisten auch die Nationalen Sozialisten vertreten, die Abschaffung des Privateigentums ist.
Insoweit wie die gewaltsamen Umsturzversuche der Kommunisten in den westlichen Ländern auf harte Gegenwehr traf, gewann der Reformsozialismus an Boden. Diese Methode geht so vor, dass das Privateigentum nicht unmittelbar abgeschafft wird, sondern dass die Eigentumsrechte schrittweise ausgehöhlt werden.
Das Versprechen von Effizienz und Kompetenz
Während die unmittelbare Abschaffung des Privateigentums in den westlichen Ländern nicht viele Anhänger fand, ist der Appell an Gerechtigkeit und Gleichheit auf viel mehr Resonanz gestoßen. Als solcher fand der Sozialismus versteckt selbst bei den Amerikanern Gehör. In den Vereinigten Staaten erschien das Evangelium des Sozialismus unter dem Namen „Progressivismus“ und wurde dort als die Vervollkommnung der Gesellschaft gepredigt.
Unter der Regierung von Woodrow Wilson (US-Präsident von 1913-1921) erreichte die progressistische Bewegung (progressive movement) ihren ersten Höhepunkt als die vorherrschende amerikanische Staatsphilosophie. Wenig ist bekannt, wie sehr unter Woodrow Wilson in den USA eine Tyrannei errichtet wurde. In seinem Buch über den linken Faschismus weist Jonah Goldberg darauf hin, dass unter der Präsidentschaft von Wilson „mehr Dissidenten verhaftet oder inhaftiert wurden als unter Mussolini in den gesamten 1920er Jahren. Wilson hat in seinen letzten drei Amtsjahren wohl genauso viel, wenn nicht sogar mehr Gewalt gegen bürgerliche Freiheiten ausgeübt als Mussolini in seinen ersten zwölf Jahren. Wilson hat ein umfassenderes und effektiveres Propagandaministerium geschaffen als Mussolini es jemals getan hat.“
Diese Vision des Progressivismus erfordert:
• Teilverstaatlichung aller großen Unternehmen durch die Teilnahme von Regierungs- und Arbeitnehmervertretung in der Unternehmensführung
• Gewinnabführung der öffentlichen Dienstleistungsunternehmen
• Staatseigentum an den Kommunikationsmitteln
• Staatseigentum an den Verkehrsmitteln
• Umfassendes System staatlicher Altersversorgung
• Verstaatlichung des Gesundheitssystems.
Darüber hinaus wurden als weitere Forderungen und Programme von der progressiven Bewegung Eugenik, Bevölkerungs- und Geburtenkontrolle, Familienplanung, Alkoholverbot, Wettbewerbs- und Industriepolitik, umfassende öffentliche Bildung, Zentralbanksystem und eine Einkommensteuer gefordert und realisiert.
Fast alle dieser Programmpunkte wurden inzwischen verwirklicht. Auch die Eugenik, inzwischen eher unter dem Namen „Transhumanismus“ bekannt, darf man nicht weglassen. In seiner programmatischen Schrift zur Gründung der Organisation für Bildung, Kultur und Wissenschaft (UNESCO) hat der als erster Direktor dieser Organisation fungierende Julian Huxley deutlich gemacht, dass die Eugenik einen integralen Bestandteil der Schaffung der neuen Weltordnung darstellt, die unter Führung der Vereinten Nationen herbeigeführt werden soll.
Diese Programmpunkte des Progressivismus, die heute weltweit die Linksparteien vertreten, ist ein deutliches Echo der Forderungen des Kommunistischen Manifests. Darin fordern Marx und Engels folgende „Maßregeln“:
• Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben
• Starke Progressivsteuer
• Abschaffung des Erbrechts
• Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol
• Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staates
• Zentrale Planung der Produktionsinstrumente
• Arbeitszwang für alle
• öffentliche Erziehung aller Kinder.
Im Gegensatz zum Kommunistischen Manifest predigten die Progressiven jedoch keine proletarische Revolution, sondern sprachen sich für wirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit aus und forderten die bürokratische Herrschaft der vermeintlich sachkundigen öffentlichen Verwalter.
Wie Murray Rothbard zusammenfasste, führte die progressive Bewegung zu Beginn des zwanzigsten Jahrhundert eine tiefgreifende Transformation der amerikanischen Gesellschaft durch, indem „aus einer ziemlich freiheitlichen Laissez-faire-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, als die Wirtschaft frei war, die Steuern niedrig waren, die Menschen in ihrem täglichen Leben ungezwungen nachgehen konnten und die Regierung im In- und Ausland nicht interventionistisch war, gelang es der neuen Koalition (der Progressivisten) in kurzer Zeit, Amerika in einen imperialen kriegerischen Wohlfahrtsstaat zu verwandeln, in dem das tägliche Leben der Menschen massiv kontrolliert und reguliert wurde.“
Sozialismus im Tarnkleid
Durch eine umfassende Transformation der Gesellschaft die Menschen in den Himmel zu führen, ist die Quintessenz des Sozialismus, sei es die Staatskonstruktion in Platos „Republik“, der „Utopische Sozialismus“ des 19. Jahrhunderts oder in unserer Zeit die Forderung nach einer „konkreten Utopie“. Doch anders als die marxistische Mythologie, dass der Sozialismus der unaufhaltsame Nachfolger des Kapitalismus sein würde, zeigt die Geschichte, dass das „sozialistische Phänomen“ im Laufe der Geschichte immer wieder aufgetaucht ist. Anstatt das Modell der Zukunft zu sein, ist der Sozialismus de facto eine Idee, die immer wieder auftaucht, um jedes Mal erneut zu scheitern.
Der Sozialismus ist der Versuch von Gutmenschen, nach deren Gutdünken eine neue bessere Gesellschaftsordnung zu schaffen. Aber man kann „Ordnung“ nicht nach seinen Wünschen konstruieren. Die gewollte Verwirklichung eines sozioökonomischen Systems führt zur Etablierung der Gesellschaft als staatlich dominierte Organisation. Als solche ist sie notwendigerweise hierarchisch und muss auf Befehl und Gehorsam statt auf der freien Vereinigung der Gesellschaftsmitglieder basieren, wie es in einer spontanen Ordnung geschehen würde.
Präsident Wilson scheiterte mit seinem Plan, die Vereinigten Staaten in den Völkerbund einzubringen und so eine Organisation zur Förderung einer neuen Weltordnung im Einklang mit den Visionen der Progressiven zu gründen. Für einige Zeit nahmen die Amerikaner die Tradition des Individualismus und Isolationismus wieder auf. Doch die Große Depression und der Zweite Weltkrieg brachte erneut die Chance, die Gesellschaft zu verändern und bürokratische Experten an die Spitze zu setzen.
Der 1933 an die Macht kommende Präsident Franklin Delano Roosevelt ergriff die Chance mit Vehemenz, um unter seiner Regierung die meisten Pläne Wilsons zu vollenden. Die dazu nötige Gesetzgebung war schon mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vorbereitet. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges konnten dann die Vorbereitungen dafür getroffen werden, nach dem Krieg ein gigantisches Netzwerk von internationalen Organisationen aufzubauen. Deren Mission sollte es sein, Gesellschaft und Wirtschaft unter der Schirmherrschaft einer global operierenden Bürokratie zu etablieren. Ein entscheidender Schritt in diese Richtung geschah mit der Gründung der Vereinten Nationen und ihrer verschiedenen Untergruppen und Schwesterorganisationen, die in den Bereichen Finanzen, Bildung, Entwicklung und Gesundheit aktiv wurden.
Globalismus
Mit dem Start der Vereinten Nationen hat der Progressivismus als Programm dessen, was James Ostrowski die „Zerstörung Amerikas“ nennt, eine globale Plattform erreicht. Der Hauptsitz dieser Philosophie ist in das Hauptquartier der Organisationen der Vereinten Nationen eingezogen. Von Anfang an waren die Vereinten Nationen der Lichtträger des globalen Progressivismus.
Der Schutz der Umwelt und die „globale Gesundheit“ erwiesen sich als ideale Vorwände, um die Agenda des Progressivismus voranzubringen. Im Juni 1994 wurde die UN-Agenda 2021 von der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro initiiert und forderte die Einführung einer „nachhaltigen Entwicklung“ auf globaler Ebene. Während die Agenda 2021 in ihren Forderungen noch relativ bescheiden und für ihre vollständige Umsetzung unverbindlich war, ließ die spätere Agenda 2030 die Katze aus dem Sack. Die neue Agenda wurde angenommen, als sich die Staats- und Regierungschefs und hohe Vertreter im September 2015 am Sitz der Vereinten Nationen in New York trafen. Auf diesem Treffen billigten sie die Annahme von „Global Sustainable Development Goals“ über umfassende und weitreichende universelle Ziele zur Transformation der Welt.
Die neue Agenda beschreibt ein Programm der umfassenden Übernahme fast aller Aspekte des Privatlebens durch den Staat. Ohne auch nur mit einem Wort auf die Freiheit der Menschen und Marktlösungen hinzuweisen, listet das Dokument siebzehn Ziele auf, die durch eine bürokratische Übernahme der Gesellschaft auf weltweiter Ebene erreicht werden sollen. Hinter populären Versprechungen wie der Armut und dem Hunger ein Ende zu setzen (was der moderne Kapitalismus schon längst geleistet hat), fordert die Agenda „gesundes Leben“, „gerechte Bildung und Gleichstellung der Geschlechter“ als Tarnung, um den globalen Sozialismus durchzusetzen. Forderungen wie die Verringerung der Einkommensungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern, die Schaffung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster und der Aufbau inklusiver Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung sind Teil eines übergeordneten Plans zur Abschaffung der Marktwirtschaft und der Einrichtung einer umfassenden Staatsplanung.
Mit Behauptungen, es gäbe „die Verewigung der Disparitäten zwischen und innerhalb der Nationen, die Verschärfung von Armut, Hunger, Krankheit und Analphabetismus und die anhaltende Verschlechterung der Ökosysteme, von denen wir für unser Wohlergehen abhängig sind“ (Kapitel 1, Präambel), ruft die Konferenz zu einer „globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ auf.
Unter der Überschrift „Programmbereiche“ betont die Agenda „die Zusammenhänge zwischen demografischen Trends und Faktoren und nachhaltiger Entwicklung“. Das Wachstum der Weltbevölkerung in Verbindung mit „unhaltbaren Konsummustern“ gefährdet den Planeten, da sie „die Nutzung von Land, Wasser, Luft, Energie und anderen Ressourcen beeinträchtigen“. Unter Punkt 5.17 ihres Ziels fordert die Konferenz: „Vollständige Integration der Bevölkerungsbelange in die nationalen Planungs-, Politik- und Entscheidungsprozesse.“ Der Schutz der Umwelt erfordert eine umfassende Regulierung der Weltbevölkerung, was wiederum die Kontrolle über das persönliche Verhalten erforderlich macht.
Resümee
Die Annahme dieser „neuen Weltordnung“, deren Realisierung jüngst enorme Fahrt aufgenommen hat, würde die Abschaffung des Privateigentums bedeuten und damit jener Welt ein Ende setzen, die auf Privateigentum als Garant der Freiheit basiert. Mit jedem Tag – solange man es zulässt, dass dieses Projekt verwirklicht wird – steigen die Kosten für die betroffenen Menschen. Auch wenn am Ende das Projekt scheitern muss, bringt in der Zwischenzeit der Versuch seiner Verwirklichung immenses Leid für die Betroffenen mit sich. Eine weltweite Katastrophe ist im Gange, auch wenn es im Wesentlichen nur die Regierungen der Schlüsselstaaten (darunter die BRD) sind, sowie einige der internationalen Organisationen (wie die WHO) und global private Organisationen (wie das WEF), die maßgeblich das Projekt vorantreiben.
Dr. Antony P. Mueller ist habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und derzeit Professor der Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomie, an der brasilianischen Bundesuniversität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für angewandte Wirtschaftsforschung und an deren Konjunkturbericht mitarbeitet und im Doktoratsprogramm für Wirtschaftssoziologie mitwirkt. Er ist Mitglied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Brasilien und Senior Fellow des American Institute of Economic Research (AIER). Außerdem leitet er das Webportal Continental Economics
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