Adelgunde Mertensacker
Anthroposophische Heilkunde
Die Anthroposophische Gesellschaft (mit Sitz in Dornach bei Basel, Schweiz) ist mit über einer Million Anhängern die bedeutendste Esoterik-Gruppe in Deutschland. Begründet wurde sie 1913 von Rudolf Steiner (1861-1925).
In seiner Autobiographie „Mein Lebensgang“ berichtet Steiner von okkulten Erlebnissen bereits in seiner Kindheit. Als Achtjähriger z.B. begegnete er einem „Geistwesen“, das ihm Anweisungen gab, die er ausführte (Steiner TA 38, Dornach, S. 10). Später ließ sich Steiner von dem Wiener Kräutersammler Felix Koguzki und dessen „übersinnlichem Meister“ in die okkulten Mysterien einweihen.
Im Jahr 1884 begegnete Steiner dem spiritistischen Medium Helena Petrovna Blavatsky. Begeistert von ihren „übersinnlichen Eingebungen“ und ihrer Geheimlehre, der „Theosophie“, einer Mischung aus Buddhismus, Gnosis und jüdischer Kabbala, schloß Steiner sich ihrer Bewegung zunächst an, gründete dann aber seine eigene „anthroposophische Geheimwissenschaft“.
Der Begriff Anthroposophie setzt sich zusammen aus dem griechischen „anthropos“ = der Mensch und „sophia“ = die Weisheit. „Anthroposophie“ ist nach Steiner „ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte“ (Steiner, GA 26, Dornach, S. 14).
Mit anderen Worten: Die Anthroposophie ist ein Weg, der den Zugang zu okkult esoterischem Geheimwissen und magischen Praktiken öffnet.
Grundlegend für die anthroposophische Heilkunde ist die Vier-Leiber Lehre:
Nach Steiner besitzt der Mensch nicht nur seinen physischen (stofflichen, materiellen) Leib, sondern noch drei weitere Leiber, den Ätherleib (übersinnlicher Lebensleib), der mit 7 Jahren geboren würde, den Astralleib (übersinnlicher Bewußtseinsleib, der beim Schlaf und zwischen Tod und Wiedergeburt im Weltall weilt), der mit 14 Jahren geboren würde und den Ich-Leib (Erinnerungsleib), den der Mensch mit 21 Jahren erhält.
Ziel des Menschen sei, sich über Wiedergeburten und Karma (selbstgeschaffenes Schicksal) zum „Geistesmenschen“ zu entwickeln. In der Menschheitsgeschichte sei diese Entwicklung durch das sog. „Luzifer Ereignis“ gestört worden, als böse „Mondenwesen“ dem Menschen Leidenschaften, Triebe und Begierden in seinen Astralleib eingossen und den bisher nur drei Leibern den vierten, den physischen Leib, hinzufügten. Mit diesem Leib seien die Krankheiten in die Welt gekommen.
Von dieser materiellen Verstrickung mußte der Mensch durch das Sonnenwesen „der Christus“ erlöst werden, damit Mensch und Kosmos wieder vergeistigt würden.
Nach zahlreichen Verkörperungen hätte sich das „Sonnenwesen“ zuletzt in „Jesus“ verkörpert, und zwar zunächst in zwei Jesusknaben, von denen der eine eine Re-Inkarnation Buddhas und der andere eine Wiedergeburt Zarathustras gewesen sei.
Mit 12 Jahren sei der physische Leib Buddhas gestorben, und die beiden Jesusknaben hätten sich zu einem einzigen Individuum vereinigt.
Bei der Taufe des Jesus habe das Zarathustra Ich den Jesusleib verlassen, um Platz zu machen für den einziehenden „Christus Sonnengeist“.
Im „Mysterium von Golgotha“ habe das auf die Erde tropfende Blut des Gekreuzigten der Erde „Sonnenkraft“ gegeben und den „Sonnengeist“ Christus zum „Erdgeist“ umgewandelt.
Bei der Auferstehung des „Jesus“ sei der „Christusgeist“ in den Ätherleib des „Jesus“ zurückgekehrt.
Nur wer – durch die Anthroposophie geschult – zum „Äthersehen“, einer Art Hellsehen, befähigt sei, könne den „Erdgeist Christus“ erkennen.
Dieser Jesus Christus Steiners hat mit dem wahren JESUS CHRISTUS, dem menschgewordenen GOTTES Sohn, nichts gemein. Er ist ein Anti-Christ und will es ausdrücklich sein.
In seinem Mysterienspiel „Die Prüfung der Seele“ läßt R. Steiner Luzifer sagen:
„Man kann für Christi Gegenbild am besten Menschenherzen fangen, wenn Christi Namen man dem Bilde gibt“ (Steiners Mysteriendramen I, Dornach, S. 229).
Die anti-christliche Irrlehre und die magischen Praktiken Steiners sind auch für die anthroposophische Heilkunde bestimmend:
„Die Weltschau der Anthroposophie Rudolf Steiners kann als eine esoterisch okkultistische Geheimwissenschaft mit Elementen aus der Kosmologie, der Astrologie, der Alchemie, der Homöopathie, fernöstlichen Lehren u.a. zusammengefaßt werden. Das Karma, die vier Wesensglieder („Leiber“) des Menschen, eine vermeintliche Dreigliederung des Menschen und der Gestalt der Pflanzen, daraus konstruierte physiologische, pathologische und therapeutische Zusammenhänge, postulierte Beziehungen zwischen Gestirnen, irdischen Metallen und Körperorganen, aus denen absurde Therapieverfahren abgeleitet werden, und vieles andere wurde von Steiner ohne jegliche empirische Basis zu einer mystischen Gesamtschau der Weit und des Menschen vereinigt“ (Klaus Dietrich Bock, Am Ende des Weges: Magie als Kassenleistung? unter: www.konsequente positivliste. de).
Zu den diagnostischen Methoden der Anthroposophen gehört das „intuitive Erkennen“, das Hellsehen: „Ihm (Steiner) war es möglich, mit exaktem Hellsehen die Ursache der Krankheit zu erforschen“ (G. Wehr, Rudolf Steiner, S. 305).
Krankheiten entstehen nach Steiner dann, wenn das Gleichgewicht zwischen den vier Leibern gestört ist. Ziel anthroposophischer Heilkunst ist die Wiederherstellung des Gleichgewichts. Das geschieht mit einer Vielzahl von Heilverfahren und Medikamenten:
Massagen, Bädern, Gymnastik, Eurythmie, Gesprächs- und Maltherapie, vegetarischer Kost und der Kontaktaufnahme mit Geistwesen, die Schicksalsschläge, Krankheiten und Unfälle zu koordinieren haben.
Krankheiten können nach anthroposophischer Irrlehre auch in früheren Erdenleben erworben worden sein. Diese sind als Karma dem Menschen bestimmt und deshalb unheilbar.
Hergestellt werden die anthroposophischen Medikamente von der Weleda AG (Arlesheim und Schwäbisch Gmünd) und der Wala oHG (Bad Boll, Eckwädchen).
Steiner selber wählte für seine Firma den Namen „Weleda“, um damit die germanische Heilgöttin zu ehren.
Die Weleda AG arbeitet u.a. mit Potenzierungen nach dem Vorbild der Homöopathie, wandelt diese aber ab durch Einmischen der anthroposophischen Irrlehren und eigenwillige Deutungen.
Anthroposophische Heilmittel werden „rhythmisch geschüttelt und nach den Mondrhythmen geerntet“.
Zur künstlerischen Therapie gehört die Heil – Eurythmie:
„Durch diese neuartige Tanzkunst sollen vor-christliche Mysterientänze aufgegriffen und weiterentwickelt werden, so daß der moderne Mensch, wie einst der antike Tänzer, Kontakt mit überirdischen Wirklichkeiten bekommt… Rudolf Steiner sprach selbst im Zusammenhang mit Eurythmie über eine ’Erneuerung der alten Tempel-Tanzkunst’. Eine Beziehung des Menschen zum Kosmos sollte hier – wie es in alten Mysterien auch getan wurde – hergestellt werden. So entstanden z.B. Kreistänze, die in ihren Bewegungen im Zusammenhang mit den Planetenbewegungen stehen, und Gebärden, die Wirkungen der Tierkreiszeichen darstellen…
Wie der ernsthaft tanzende Mensch zu allen Zeiten mit seinem Tanz eine Beziehung zur übersinnlichen Welt herstellen wollte, so liegt auch der eurythmischen Betätigung ein solches Bestreben zugrunde“ (Johannes Hemsleben, Rudolf Steiner, S. 114 f).
In den Waldorfschulen lernen schon die Kinder das „kosmische ABC“, die Zuordnung der Konsonanten zu Tierkreiszeichen und der Vokale zu den Planeten. Das L wird z.B. dem „Steinbock“, das N den „Fischen“, das V dem „Krebs“ zugeordnet. Der Doppellaut „au“ entspricht der Sonne, das A der Venus, das E dem Mars usw. Dieses kosmische ABC wird eurhythmisch eingeübt.
In der Gesundheitslehre der Waldorfschulen lernen die Schüler: „Seit altersher wissen die Menschen, daß Leber, Niere und Milz mit bestimmten Planeten in Beziehung stehen. Die Leber wird seit ältesten Zeiten auf den Planeten Jupiter bezogen… Die Nieren sind der Venus zugeordnet… In der Milzfunktion spiegeln sich die Saturnkräfte, die in Tod und Verjüngung wirksam sind“ (S. Jacob/D. Drewes, Aus der Waldorfschule geplaudert, S. 196f).
Anthroposophische Mistel-Therapie
Während bei konservativen Medikamenten Wirkung und Unbedenklichkeit klinisch und experimentell nachgewiesen werden müssen, fordert der Gesetzgeber (Arzneimittelgesetz und Sozialgesetzbuch) von den Arzneimitteln der Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie keine Qualitätsprüfung, so auch nicht für die anthroposophische Misteltherapie.
Für die Krebstherapie mit Mistelpräparaten sind Steiners Vorstellungen von den angeblich vier Leibern des Menschen grundlegend:
Nur der physische Leib sei sichtbar; die drei höheren Leiber seien nur dem Geistesauge als farbige Lichtgestalt erkennbar: Der Ätherleib, der sich um den physischen Leib lagere, erscheine als rosafarbene, der Astralleib als rot violette und der Ich Leib als blaue Aura. Geschwulstartige Erkrankungen träten auf, wenn der Ätherleib den Zusammenhang mit dem Astral- und dem Ich-Leib verliere. Die Ursache für Krebs könne aber auch in vergangenen Erdenleben liegen, in diesen Fällen sei Krebs unheilbar.
Anthroposophische Vorstellungen von Entstehung und Verlauf von Krankheiten sind mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar. Trotzdem haben Mistelpräparate in der Krebsbehandlung größere Verbreitung gefunden.
Nach R. Steiner bauen beim Krebs der Ich- und Astral-Leib den Äther- und physischen Leib nicht genügend ab. Ziel der Therapie müsse es also sein, das Gleichgewicht zwischen den Leibern wiederherzustellen.
Nach Steiner „übernimmt die Mistel als äußere Substanz dasjenige, was wuchernde Äthersubstanz beim Karzinom ist, verstärkt dadurch, daß sie die physische Substanz zurückdrängt, die Wirkung des Astralleibes und bringt dadurch den Tumor des Karzinoms zum Aufbröckeln, zum In-sich-Zerfallen“ (In: R. Leroi, Misteltherapie, S. 31).
Wie die Mistel als „verunglückte“ Samenpflanze, als „mißratener“ Baum betrachtet werden könne, so die Krebskrankheit als mangelhaft ausgestattete Scheinorganbildung. Wie die Mistel Ätherkräfte ihres Wirtsbaumes in sich hineinziehe, so könne sie dem krebskranken Menschen helfen, dem Fremdgebilde hemmende Kräfte entgegenzuführen. Die Mistel entziehe dem Tumor den menschenfremden Wucheräther, die Lebenskraft, verstärke den Astralleib und aktiviere den Ich Leib. Dies könne „immer wieder beobachtet werden“ (ebda S. 32).
Großen Einfluß auf Ernte und Verarbeitung der Mistel habe der Planet Uranus, da er ein Außenseiter in der planetarischen Familie sei wie die Mistel in der Pflanzenwelt.
Geerntet wird zweimal im Jahr, um Johanni und in der Weihnachtszeit. Die Sommer und Wintersäfte der Mistel werden in der Oster und Michaeliszeit verarbeitet.
Je nach Konstitution des Kranken und der Geschwulst Art werden Misteln bestimmter Wirtsbäume (Laub- oder Nadelbäume) ausgesucht und zugeordnet.
Die Indikationen der fünf Hersteller von Mistelpräparaten weichen allerdings voneinander ab, ohne Begründung. „Iscador“ setzt Mistelpräparaten von Apfelbaum (für Frauen) und Eiche (für Männer) Silber hinzu und zwar bei Krebs im Urogenitalbereich, bei Darm- und Lymphdrüsenkrebs Quecksilber und Kupfer bei Leber-, Galle-, Magen- und Nierenkrebs.
Steiner fordert, den Sommersaft der Mistel in den Wintersaft fließen zu lassen, während dieser in einer Zentrifuge bewegt wird. Bei hoher Rotationsgeschwindigkeit käme die Substanz in den Bereich der vom Kosmos einströmenden ätherischen Kräfte. Die Mischung solle anschließend in einer Tierblase aufbewahrt werden.
D i e Mistelpräparate gibt es nicht, da sie sich je nach Hersteller deutlich unterscheiden, und zwar hinsichtlich Extraktionsverfahren, Konservierung, Mischungsverhältnis und Mengenverhältnis der Inhaltsstoffe.
Wissenschaftliche Forschungen haben die Mistel auf ihre Inhaltsstoffe untersucht und festgestellt, daß sie in ihrer Konzentration variieren – je nach Standort, Klima, Wirtsbaum und Erntezeit.
Standardisierung und Normierung werden von den Anthroposophen vehement abgelehnt, weil die Misteltherapie dadurch ihre „an der Komplexität realen Lebens und Leides orientierte Wirksamkeit verliert und auf meßbare, quantifizierbare Wirkungen reduziert.“
Mistelpräparate werden in der anthroposophischen Therapie grundsätzlich nur in einem Gesamtkonzept mit Zusatztherapie eingesetzt.
Weil klinische Untersuchungen fehlen, kann über die Wirkung von Mistelpräparaten keine zuverlässige Aussage gemacht werden. Anthroposophen selber gestehen ein, daß die Mistelforschung (nach mehr als 70-jähriger Anwendung) noch im „Anfangsstadium“ sei.
Da weder Patienten noch Heiler Einblick in das anthroposophische Gesamtkonzept haben, verlassen sie sich auf unbewiesene Behauptungen von Heilerfolgen.
Aus dem Buch von Frau Mertensacker Irrwege des Glücks.
Horst Koch, Herborn, im Mai 2025