Römer 13 (J.Tscharntke)

Jakob Tscharntke


Christ und Obrigkeit – Gott bindet uns ans Recht  (1.Petrus 2,13)

(Predigt vom 21. Mai 2017.)

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Gäste,
anschließend an die Predigt vom letzten Sonntag hatte ich angekündigt, heute noch etwas tiefer auf das rechte Verständnis des Begriffes „Obrigkeit“ und auch seiner Bedeutung für uns als Gemeinde Jesu einzugehen.

Deshalb heute die Predigt zum Thema: Christ und Obrigkeit – Gott bindet uns ans Recht.

So haben wir es in der Lesung aus Matthäus 22,15-22 gehört, in der Streitfrage, ob dem Kaiser Steuern zu bezahlen sind. Jesus verweist auf das geltende Recht, das sich etwa auch im Abbild des Kaisers auf der Münze widerspiegelt, und gebietet: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“


So sagt es Gottes Wort auch in 1.Petrus 2,13: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung“ – . Das griechische Wort für „Ordnung“ … ist die Anordnung, eben das Recht. An dieses Recht sind wir als Christen gebunden. Denn alle staatliche Obrigkeit ist von Gott gegeben „zur Bestrafung der Übeltäter, aber zum Lob derer, die Gutes tun“, wie 1.Petrus 2,14 zur Begründung fortfährt.
Dem Chaos und dem Bösen zu wehren,
das ist die gottgegebene Aufgabe der Obrigkeit. In dieser Aufgabe hat der Christ die Obrigkeit und das Recht zu achten. Dazu hat die Obrigkeit das Schwert. So betont es auch Römer 13,1-7.

Hier aber in 1.Mose 14 greift Abraham ganz selbstverständlich selbst zum Schwert. Wir lesen: „Als Abram hörte, daß sein Bruder (hier im Sinne von naher Verwandter) gefangen weggeführt war, ließ er seine bewährten Männer, seine Hausgeborenen ausrücken, 318 Mann.“ Ganz offensichtlich waren diese 318 Mann gut bewaffnet. Sonst hätten sie gegen das gewiß nicht kleine Heer der vier feindlichen Könige, das vorher die Amalekiter und etliche andere besiegt hatte, keine Chance gehabt. Von einem wunderbaren Eingreifen Gottes ist im biblischen Bericht nicht die Rede. Es wird zwar später schon gesagt, daß Gott ihm den Sieg geschenkt hat. Aber offenbar nicht durch ein wunderbares Eingreifen des Herrn. Vordergründig auf jeden Fall hat Abraham den Sieg errungen auf der Grundlage der Bewaffnung und des kämpferischen Geschicks seiner Leute.

Haben wir uns schon mal gefragt: Warum konnte Abraham so völlig unkompliziert zu den Waffen greifen? Das könnten wir in einer vergleichbaren Lage ja so nicht ohne weiteres tun. Warum konnte es Abraham?

Abraham war seine eigene Obrigkeit.

Er hatte wohl benachbarte Stammesfürsten als Verbündete. Nämlich die amoritischen Brüder Mamre, Eschkol und Aner. Aber Abraham war ihnen nicht untertan. Er lebte als selbständiger Fürst seines eigenen Stammes unter ihnen. Und daß sein Stamm, das waren in diesem Falle vor allem seine Knechte und Mägde mit ihren Familien, nicht klein war, das zeigt uns die Zahl der Männer, die Abraham ohne weiteres zu den Waffen rufen konnte. Die Bibel sagt uns, diese 318 wehrfähigen Männer waren alle Hausgeborene. Sie waren alle in seinen Haushalt hineingeboren. Zu diesen 318 sind also deren Eltern sowie deren Geschwister hinzuzurechnen. Wir kommen da auf eine Gesamtzahl von kaum weniger als 1000 Leuten! Die zu Abraham gehörten. Deren Fürst er war. Abraham bewegte sich was Größe, Reichtum und Macht betraf, auf einer Ebene mit den umliegenden Stammesfürsten und Stadtkönigen.
So war Abraham selbst Obrigkeit.

Da ist die spannende Frage: Wer ist bei uns „Obrigkeit“?

Die meisten Menschen antworten auf diese Frage ohne viel nachzudenken: Die Regierung. Diese Antwort ist nicht ganz falsch aber auch nicht wirklich richtig. Wenn das Neue Testament die Obrigkeit mit dem König gleichsetzt, dann gilt nicht einfach für alle Zeiten: Obrigkeit ist die jeweilige Regierung. Erst das im jeweiligen Staatswesen geltende Recht sagt uns, wer hier konkret die Obrigkeit ist. Denn die Regierungen, selbst Könige und Kaiser, stehen normalerweise nicht über dem Recht, sondern darunter! Wo sie sich über das Recht erheben, sind sie verbrecherische Willkürherrscher.

Die wohl einzige Ausnahme ist der Absolutismus etwa vom Schlage eines Ludwig XIV. Der sagte „l‘ état, c’est moi“ – der Staat bin ich. Er ließ keine Gesetze über sich gelten. Er war das Gesetz in Person. Man muß wissen: im Unterschied zur deutschen Geschichte und Rechtslage, war die französische Rechtslage schon lange vor Ludwig XIV. auf den Absolutismus hin angelegt. Diese Tatsache spielt wohl auch eine Rolle, wenn man die Frage der Hugenottenkriege geistlich beurteilen will im Unterschied zu den evangelischen Kriegen der Reformationszeit und danach. Vermutlich war die Rechtslage bei den Hugenotten eine völlig andere als bei den evangelischen Fürsten in der Zeit nach der Reformation.

Und die Rechtslage spielt eine ganz entscheidende Rolle. Darum geht es ja in der heutigen Predigt.
In der Bundesrepublik Deutschland ist das ganz anders als bei Ludwig XIV. Hier ist nicht irgendein selbsternannter Herrscher das Maß aller Dinge, sondern das Grundgesetz. Mit ihm müssen alle weiteren Gesetze und Ordnungen übereinstimmen. So bestimmt es ganz klar das Grundgesetz in seinem zentralen Artikel 20 in Absatz 3: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden“. Diese „verfassungsmäßige Ordnung“ ist das Grundgesetz. Ich habe hier mal ein Schaubild gemacht, damit man das Ganze ein bißchen einfacher nachvollziehen kann.

Ganz oben steht das Grundgesetz. Alle weiteren Gesetze stehen darunter. Und jedes weitere Gesetz kann nur dann Gültigkeit erlangen, wenn es in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz ist. Ein Gesetz kann vom Bundestag mit 100%iger Zustimmung beschlossen, vom Bundesrat bestätigt und vom Bundespräsidenten unterzeichnet sein. Wenn es mit dem Grundgesetz nicht übereinstimmt, kann es meines Wissens nie rechtswirksam in Kraft treten.


Es darf nach dem Grundgesetz keine Gesetze und Ordnungen geben, die dem Grundgesetz widersprechen. Dazu ist ja eigentlich das Bundesverfassungsgericht da, um zu überprüfen, wenn irgendeiner in Deutschland der Meinung ist, daß da ein Gesetz nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmt, dann kann er das Bundesverfassungsgericht anrufen. Das muß dann ein neues Gesetz bezüglich seiner Übereinstimmung mit dem Grundgesetz überprüfen. Selbst wenn so ein Gesetz, das nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmt, von der Staatsmacht mit Gewalt durchgesetzt wird, ist es deshalb noch lange nicht geltendes Recht.
Man muß unterscheiden, was durchgesetzt wird und was geltendes Recht ist. Das können zwei komplett verschiedene Dinge sein! Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht berechtigte Einsprüche gegen ein solches Gesetz abweist und damit sein Amt mißbraucht, bleibt ein solches Gesetz ungültig. Denn auch das Bundesverfassungsgericht steht unter dem Grundgesetz. Es darf es auslegen, aber nicht aufheben oder pervertieren.

Das Grundgesetz ist also das Maß aller Dinge. Der Absatz 3 Artikel 20 fährt entsprechend fort: „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Und stellt damit klar, daß alle vollziehende Gewalt, das sind alle Verwaltungen sowie Staatsanwaltschaften und Polizei, und auch die Rechtsprechung, also die Gerichte, ebenfalls an das Grundgesetz gebunden sind.

Diese rechtliche Obrigkeit, das Grundgesetz, regelt nun sehr eindeutig, wer die tatsächliche Obrigkeit in unserer Bundesrepublik Deutschland ist. Und jetzt höre man und staune! Nicht die Regierung! Sondern das Volk!


Das Volk! Wir! Nicht wir allein, sondern wir alle, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ist die Obrigkeit. Denn Artikel 20 (2) GG sagt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“! Nicht von der Regierung! Nicht vom Bundesverfassungsgericht. Nicht vom Militär.
Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus! Wohlgemerkt: alle! Nicht ein bißchen, nicht sehr viel, nicht fast alle, sondern ausnahmslos alle! Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Unser gesamtes Staatswesen in Deutschland ist vom Grundsatz auf das Volk ausgerichtet.

Eine solche staatliche Ordnung bezeichnet man als „Volkssouveränität“. Ich zitiere dazu aus Wikipedia:

„Das Prinzip der Volkssouveränität bestimmt das Volk zum souveränen Träger der Staatsgewalt. Die Verfassung als politisch-rechtliche Grundlage eines Staates beruht danach auf der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes. Nicht ein absoluter Monarch, sondern das Volk in seiner Gesamtheit steht einzig über der Verfassung.“ Dafür habe ich noch ein Schaubild.

Wichtig an dieser Aussage ist: das Volk steht als verfassungsgebende Gewalt sogar noch über dem Grundgesetz. Einzig das Volk steht über dem Grundgesetz. Die Regierung und alle staatliche Gewalt dagegen stehen unter der Verfassung. Wir haben also eine ganz klare Hierarchie der Gewalt. Ganz oben das Volk, dann das Grundgesetz und darunter alle weitere staatliche Ordnung.

Daß dieses Volk, das da ganz oben steht, nur das deutsche Volk sein kann, daran läßt z.B. Artikel 1 GG keinen Zweifel. Dieser handelt vom Schutz der Menschenwürde und stellt dazu in Abs. 2 fest:

„Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft…“. 

Damit ist zugleich in unmißverständlicher Klarheit zum Ausdruck gebracht, um wen es im Grundgesetz geht: um das Deutsche Volk.

Das deutsche Volk beauftragt und berechtigt durch die Wahlen die von ihm gewählten Volksvertreter, damit diese stellvertretend für das Volk die obrigkeitliche Aufgabe wahrnehmen. Daß dies in einer indirekten Demokratie abgegeben wird, ändert aber nichts daran, daß die eigentliche Obrigkeit das Volk bleibt. Alle anderen handeln nur in der Legitimation durch das Volk. Deshalb sind die Abgeordneten in den Landtagen wie im Bundestag nicht Interessenvertreter ihrer Parteien oder von Wirtschaftsverbänden oder gar ausländischer Interessen. Sie sind Volksvertreter. Zumindest sollten sie das sein.

Ich vermute deshalb, daß auch der sogenannte Fraktionszwang wesensmäßig grundgesetzwidrig sein dürfte. Genauso sagt es wohl Artikel 38 (2) GG über die Bundestagsabgeordneten:

„Sie sind Vertreter des ganzen Volks, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Wenn hier festgestellt wird, sie sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“, dann dürfte der Fraktionszwang genau solch eine Weisung sein, die hier ausdrücklich untersagt ist. Das Gewissen der Abgeordneten ist natürlich kein freischwebendes Gewissen, sondern ein dem Wohl des Volkes verpflichtetes Gewissen!

Diese Ordnung ist derart zementiert, daß Artikel 79 Absatz 3 GG festhält: „Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche … die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden – das sind diejenigen, von denen wir hier gerade reden – , ist unzulässig.“ Das heißt, das Grundgesetz schreibt diese grundlegenden Artikel und Tatsachen als unveränderliche Grundsätze für Zeit und Ewigkeit – menschlich gesprochen – fest.
Selbst wenn das gesamte deutsche Volk, der Bundesrat, der Bundestag und alle sonstigen erdenklichen Organe mit 100% Zustimmung eine Änderung des Grundgesetzes beschließen würden, welche die Artikel 1 und 20 GG berühren, wäre eine solche Änderung unzulässig und grundgesetzwidrig. Sie würde rechtlich wohl nie wirkliche Gültigkeit erlangen können. Das ist die einzige Grenze, die das Grundgesetz dem Souverän setzt:
Du darfst nicht die Menschenrechte antasten und du darfst nicht deine eigene Souveränität antasten oder sie dir von irgend jemand in Frage stellen lassen. Mit so großem Nachdruck sind die Volkssouveränität und die Achtung der Menschenrechte unveränderlich festgeschrieben. Damit auch niemand das Volk dahin manipulieren kann, sich selbst als Souverän abzuschaffen. Noch viel weniger dürfen das logischerweise seine Vertreter, die ja zwei Stufen unter dem Volk stehen.

Ihr fragt Euch vielleicht: was haben all diese rechtlichen Betrachtungen mit uns als Christen zu tun?
Extrem viel. Wenn uns Gott ans Recht bindet, dann müssen wir das Recht kennen, um uns recht zu verhalten. Wie wichtig die jeweilige Rechtslage sein kann, sehen wir etwa im Rückblick auf das 3. Reich. Unter Christen war es damals eine heiß umstrittene Frage:

dürfen wir unsere Hand gegen die Obrigkeit erheben, auch wenn diese ein furchtbarer Tyrann und Menschenverächter ist wie Adolf Hitler?


Denn es war ganz anders – als man es uns heute politisch korrekt weiszumachen versucht, – es gab einen breiten Widerstand quer durch alle Bevölkerungsschichten in Deutschland gegen Adolf Hitler. Schon allein der kirchliche Widerstand war gewaltig. Tausende von Pfarrern und Gemeinden waren in der Bekennenden Kirche organisiert. Aber auch darüber hinaus haben die Menschen, auch viele Offiziere, die Not ganz genau erkannt. Aber es war die Frage: 

Was dürfen wir dagegen tun? Dürfen wir einen solchen Verbrecher in der Regierungsverantwortung mit Gewalt aus dem Weg räumen?

Die Einen entschieden sich dafür. Fast alle am Umsturzversuch und Attentat vom 20.Juli 1944 Beteiligten waren Christen, wie etwa Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Andere Christen waren strikt gegen eine gewaltsame Entfernung der Regierung etwa mit dem Hinweis auf Römer 13: „Seid untertan der Obrigkeit“.

Wenn ich also als Christ wissen will: was darf ich und wie verhalte ich mich richtig, dann darf ich dazu keineswegs nur in die Bibel schauen. Ich muß das Recht kennen, dem ich auch als Christ unterstehe.

Gerade in grundlegenden Fragen wird dies, soweit ich sehe, in den heutigen christlichen Kreisen weithin nicht mehr wahrgenommen und unterschieden, deshalb auch heute diese Predigt! Vielmehr wird oft so getan, als könne man der Bibel und speziell der Bergpredigt unmittelbar entnehmen, was Christen in einem konkreten Staatswesen dürfen und was nicht. Diese Sicht ist komplett falsch. Denn die Bibel bindet uns an das geltende Recht. Soweit sich dieses nicht im Widerspruch zum Wort Gottes befindet. Was in unserer noch bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung normalerweise nicht vorkommen sollte.

Die konkrete Rechtslage war die große Not für die Christen im 3.Reich.

Denn damals gab es meines Wissens keine Rechtsgrundlage für einen gewaltsamen Widerstand, um Adolf Hitler legal zu entmachten. Ich habe nochmal im Internet recherchiert. Demnach waren alle derartigen Mittel, welche die Verfassung vorher enthalten hatte, bis 1934 systematisch entfernt worden. Und auch der dann ab 1934 eingeführte Führereid tat sein Übriges, weil dann treuebewußte Offiziere, die den Führereid geleistet hatten, sich durch diesen gebunden sahen.

Das sieht heute ganz anders aus. Denn das Grundgesetz als oberste Rechtsnorm sagt in Artikel 20 (4) „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Dieses Recht dürfen ganz eindeutig auch Christen wahrnehmen. Warum? Weil es geltendes Recht ist. Und Gott bindet uns ans Recht. Gott bindet uns nicht an die Willkür irgendwelcher Tyrannen! Er bindet uns ans geltende Recht. 

Auf dieser Grundlage hätten auch der Verantwortung vor Gott verpflichtete Wehrmachtsoffiziere keine Skrupel haben müssen, Hitler und seine Mittäter notfalls durch ein Attentat zu beseitigen und die Rechtsordnung wiederherzustellen.

Daß das Widerstandsrecht auch aktive Maßnahmen vor Augen hat, ist ganz klar. Das Widerstandsrecht kann nicht die Teilnahme an Wahlen meinen. Die Ausübung des Wahlrechts gehört ja zur normalen Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk. Dasselbe gilt für die Befehlsverweigerung von offenkundig rechtswidrigen Anordnungen. Auch die ist unabhängig vom Widerstandsrecht meines Wissens etwa im Soldatenrecht wie auch im Beamtenrecht festgeschrieben. Jeder haftet bei Ausführung offensichtlich rechtswidriger Befehle persönlich für deren Umsetzung und daraus entstehende Schäden! Das Widerstandsrecht dagegen tritt ja gerade erst dann in Kraft, wenn diese normalen ohnehin geltenden Mittel nicht mehr ausreichen, um die Beseitigung der Ordnung des Grundgesetzes zu verhindern.

Damit haben wir in der Bundesrepublik Deutschland eine völlig andere rechtliche Ausgangssituation als die Christen im 3.Reich. 

Daß diese rechtlichen Fragen für uns Christen im konkreten Falle von ausschlaggebender Bedeutung sein können, betonte Martin Luther mit Nachdruck. Weil mit der Bindung ans Recht zumeist auch der Gehorsam gegenüber der Obrigkeit verbunden ist, wurde Luther völlig zu Unrecht als „Fürstenknecht“ diffamiert. Diese Leute haben überhaupt nicht verstanden, was Luther gesagt und was ihn bewegt hat. Vor allem der aufrührerische Thomas Müntzer gehörte dieser Kategorie an. Dem ging die biblisch besonnene Art von Luther nicht weit genug. Müntzer wollte Aufruhr. Luther wollte keinen Aufruhr. Aufruhr schadet in der Regel dem Volk und nutzt zumeist den Mächtigen, die Aufruhr mit Gewalt niederschlagen und dadurch ihre Tyrannei noch mehr etablieren.

Gegen diesen Vorwurf, daß Luther ein „Fürstenknecht“ sei, stellte der Leipziger Professor für Kirchengeschichte Franz Lau klar: „Luther ist nicht der Lehrer eines stummen Untertanengehorsams, sondern einer fast tollkühnen Opposition gegen alles obrigkeitliche Unrecht… Er erhebt seine Stimme gegen alle Vergewaltigung des Rechts und gegen alle Gottlosigkeit … Er greift den Politikern wohl ins Maul, pfuscht ihnen jedoch nicht ins Handwerk“ (Fanz Lau (1907-1973) „Luthers Lehre von den beiden Reichen“. 
Lau war ein großer Luthergelehrter und gehörte im 3.Reich zum Pfarrernotbund und zur Bekennenden Kirche.).

Wer mal einige Schriften Luthers liest, man kann natürlich seine Briefe wegen den Bauern herausnehmen. Dann würde man sagen: Okay, er war ein Fürstenknecht, denn er hat den Aufruhr der Bauern massiv verurteilt. Aber Luther hat genauso umgekehrt dem Adel in einer Art und Weise und zum Teil in einer Wortwahl ins Gewissen geredet, da bleibt uns heute die Spucke weg. Das traut sich heute keiner mehr! Von wegen Fürstenknecht! 


Wir haben als Christen durchaus das Recht und die Pflicht, die Regierenden auf ihre Verantwortung vor Gott und damit verbunden auch auf eventuelles Unrecht, das sie tun, hinzuweisen. Das tun wir im Namen Gottes. Im Blick auf Pfarrer und Prediger, die dieser Pflicht nicht nachkommen, schrieb Luther: „Das sind die faulen und unnützen Prediger, die den Fürsten und Herren ihre Laster nicht sagen.“ (Luthers Psalmenauslegung, Band 2, hrsg. Von Erwin Mühlhaupt, zitiert von Uwe Siemon-Netto „Luther – Lehrmeister des Widerstands“). 

Auch in Württemberg gab es Hofprediger, die haben Kopf und Kragen riskiert, ich hatte immer wieder schon mal Beispiele erwähnt, indem sie ihren Königen und Fürsten ordentlich die Leviten gelesen haben.


Auch nach Luther konnte der Widerstand gegen eine rechtsbrecherische Obrigkeit keineswegs nur in Worten bestehen. Das wußte ich bis vor kurzem auch nicht, weil Luther da in seiner Erkenntnis gegenüber seinen früheren Schriften noch zugenommen hat. Im Oktober 1530, nach dem Augsburger Reichstag, unterschrieb Martin Luther zusammen mit seinen Mitstreitern Philipp Melanchthon, Justus Jonas, Johannes Bugenhagen und Georg Spalatin das „Torgauer Gutachten“.

Bis dahin hatte Luther jeden Widerstand gegen das Unrecht der Obrigkeit mit dem Hinweis auf Römer 13 abgelehnt. Nun begründet er seine Sinnesänderung folgendermaßen: „Denn was wir bisher gelehrt, stracks nit zu widerstehen der Obrigkeit, haben wir nicht gewußt, daß solche der Obrigkeit Rechts selbst erlauben, welchen wir doch allenthalben zu gehorchen fleißig gelehrt haben.“
Luther sagt also: ich habe Widerstand gegen die Obrigkeit untersagt, weil ich gar nicht gewußt habe, daß das Recht der Obrigkeit diesen Widerstand selbst erlaubt. Das war eben die Situation in Deutschland, daß ein Kaiser Karl V keineswegs ein absolutistischer Herrscher war. Vielmehr waren die deutschen Fürsten wie auch die deutschen Reichsstädte als selbständige Obrigkeiten mit ihm praktisch auf Augenhöhe. Gewaltsamer Widerstand gegen die Obrigkeit ist Christen dann erlaubt, wenn die Rechtslage einen solchen Widerstand zuläßt. Denn dieser Rechtslage zu gehorchen, das ist das Entscheidende.

Allerdings muß solcher Widerstand Aussicht auf Erfolg haben. Der norwegische Bischof Eivind Berggrav (1884-1959) war selbst ein besonnener Mann des norwegischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten. Er legte dem deutschen Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke ans Herz: wenn die deutschen Widerständler ein Attentat gegen Hitler durchführen wollen, dann müssten sie „imstande sein …(nicht nur) Hitler zu töten“ sondern „zugleich eine neue Regierung zu bilden, die Frieden schließen könne“ (Uwe Siemon-Netto S.92).

Mit der Ausschaltung dessen, der Unrecht tut, ist ja noch nichts gewonnen. Dramatische Beispiele dafür sehen wir weltweit mehr als genug. Ziel legitimen Widerstandes kann sich nicht darauf beschränken, einen Unrechtsherrscher zu beseitigen und dadurch das Chaos möglicherweise noch zu vermehren. Ziel eines legitimen Widerstands muß es vielmehr sein, das Recht und den Frieden wieder herzustellen. Nur wenn dies realistisch erreicht werden kann, rechtfertigt das entsprechenden Widerstand bis hin zum Attentat etwa gegen Adolf Hitler.

Wie aber verträgt sich die Option des Tötens mit dem biblischen Gebot: „Du sollst nicht töten“?
Aus Zeitgründen war ich letzten Sonntag darauf nicht eingegangen. Das muß hier nachgeholt werden. Diese Wiedergabe des nach üblicher Zählung 5. Gebots ist schlicht falsch. Leider haben nur wenige Übersetzungen dieses Gebot richtig wiedergegeben mit: „Du sollst nicht morden“. Selbst die Schlachter 2000, sonst eine hervorragende Übersetzung, gibt im Text falsch wieder „Du sollst nicht töten“ und weist lediglich in der Fußnote darauf hin „Das hebräische Wort bezeichnet besonders das Morden, d.h. ungesetzliches Töten“. Warum nehmen sie dann die als eigentlich richtig erkannte Übersetzung nicht gleich direkt in den Text auf?

Wahrscheinlich, weil die Übersetzer der Schlachter wesentlich dem brüdergemeindlichen Hintergrund zuzuordnen sind, und da ist ein unbiblischer Pazifismus meines Wissens besonders verbreitet.

Die Wiedergabe „Du sollst nicht töten“ ist sprachlich wie inhaltlich falsch und stiftet fortlaufend Verwirrung. Viele sagen: da widerspricht sich die Bibel ja selbst. Dieser Vorwurf begegnet mir immer wieder. Auf der einen Seite verbietet Gott das Töten. Auf der anderen Seite gebietet er Tieropfer, ordnet für bestimmte Fälle die Todesstrafe an und läßt Kriege führen. Das paßt doch alles überhaupt nicht zusammen?! 

Das führt dann auch zu Unsicherheiten, wie z.B. als Rückfrage auf die letzte Predigt kam, „ob ein wiedergeborener Christ in einer echten Notwehrsituation auch töten darf, um sein Leben oder das Leben eines Familienmitgliedes zu retten?“

Diese Frage ist mit einem eindeutigen Ja zu beantworten.

Daß auch Christen töten dürfen, bestätigt eindeutig auch die Antwort Johannes des Täufers auf die Frage der Soldaten in Lukas 3,14: „Es fragten ihn – nämlich Johannes den Täufer – auch Kriegsleute und sprachen: Was sollen wir tun? Und er sprach zu ihnen: Misshandelt niemand, erhebt keine falsche Anklage und seid zufrieden mit eurem Sold.“

Das griech. Wort für „mißhandeln“ – – ist ein juristischer Fachausdruck für Mißhandlung zum Zwecke der Gelderpressung. Fast bedeutungsgleich ist der nächste Begriff für „falsche Anklage erheben“ – – ist die falsche Anklage ebenso zum Zwecke der Gelderpressung – wir würden heute von Schutzgelderpressung reden. Das ist die römische Besatzungsmacht. Der Sold war oft gering. Mißhandlung und Schikanen gegenüber der Bevölkerung dienten als Erpressungsmanöver, diesen geringen Sold aufzubessern. Johannes verbietet nicht das Soldatenhandwerk und das Töten an sich. Er sagt nicht: Ihr müßt euer Kriegshandwerk aufgeben. Obwohl mit dem Kriegshandwerk mehr oder weniger unvermeidlich auch immer wieder das Töten verbunden ist. In dieser gefallenen Welt braucht die Obrigkeit das Schwert, um die Grenzen des Landes gegen Feinde von außen zu schützen und auch, um etwa durch die Polizei Gefahren für die Bürger im Innern abzuwehren. Stattdessen gibt Johannes den Soldaten die Mahnung mit auf den Weg: „seid zufrieden mit eurem Sold.“

Dem Slogan der Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ liegt eine typisch schwärmerische Verkennung der Heilszeiten zugrunde. Denn dieses Wort stammt aus Micha 4,4 par. Jesaja 2,4 und handelt vom 1000jährigen Friedensreich Christi. Da werden definitiv keine Schwerter mehr gebraucht. Satan ist in diesen 1000 Jahren gebunden und das minimale Restböse, das es noch gibt, wird von Christus selbst niedergehalten. Für diese Zeit heißt es:

„Dann – aber eben erst dann! – werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Nie mehr wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden das Kriegführen nicht mehr lernen.“
Für die Zeit vor dem 1000jährigen Reich gilt das nicht!

Martin Luther sagt deshalb in völliger Übereinstimmung mit der Bibel, daß das Kriegsamt an sich recht und göttlich ist. Ja, er sagt sogar: indem es das Unrecht und die Bösen straft, ist das Kriegswerk geradezu ein Werk der Liebe. So ist es!
Ich hatte letzten Sonntag schon darauf hingewiesen: wenn das Unrecht wüten kann, wenn das Böse nicht mehr bestraft wird, ist das Lieblosigkeit und Menschenverachtung. Und umgekehrt: recht angewandtes Kriegshandwerk zur Bestrafung des Bösen und zum Abwehren des Unrechts ist ein Werk der Liebe.
Luther sagt dazu noch viel mehr. Etwa, daß Christen sich als Henker melden sollen. Denn er sagt, es ist viel besser, es übt einer das grausame Henkerhandwerk aus, der es mit innerem Widerwillen tut, als einer, der Genuß daran hat, Menschen umzubringen. Genauso sagt er es im Blick auf die Soldaten.
Es ist viel besser, christliche Soldaten ziehen in den Krieg. Die werden die ihnen anvertraute Gewalt nicht mißbrauchen.
Während Legionäre, Söldner, Berufssoldaten, die Lust an der Gewalt und am Morden haben, die stehen in der Gefahr, zu viel Gewalt anzuwenden. Das sind ganz interessante und wichtige Gedanken. Da wird es Einigen in der heutigen Zeit die Schuhe ausziehen, wenn sie das lesen oder hören. Aber es ist alles nicht nur menschlich, sondern auch biblisch, sehr klug durchdacht.



Allerdings sagt Luther ebenso klar: „Wer Krieg anfängt, – Luther hat die Dinge ganz genau unterschieden – der ist im Unrecht“. Wobei es nicht formal darauf ankommt, wer die erste Kugel abgefeuert hat, sondern wer den Krieg will und provoziert. „Denn,“ so sagt Luther „weltliche Obrigkeit ist von Gott nicht dazu eingesetzt, daß sie Frieden brechen und Kriege anfangen soll, sondern dazu, daß sie den Frieden bewirke und den Kriegführenden wehre.“
Deshalb gibt Luther den Soldaten im Blick auf ungerechte Angriffskriege die Weisung: „Wenn du gewiß weißt, daß er unrecht hat, so sollst du Gott mehr fürchten und gehorchen als Menschen, und sollst nicht Krieg führen noch dienen“. Luther ruft explizit, was für einen Soldaten seiner Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit die Todesstrafe nach sich zog, zur Befehlsverweigerung auf, wenn ihn sein Herr in einen ungerechten Krieg schicken will. Luther begründet das und sagt: Hier darf und soll der Soldat den Befehl verweigern, „denn du kannst da kein gutes Gewissen vor Gott haben.“

Im Vertrauen auf den lebendigen Gott soll der Soldat dann mutig und zuversichtlich alle Folgen seiner Befehlsverweigerung tragen: „um Gottes willen laß dahinfahren, was dahinfährt“ – Freiheit, Verlust des Lebens, des Lohn, der gesellschaftlichen Achtung etc..
Laß fahren dahin, sie habens kein Gewinn, sagt Luther mit Verweis auf Matthäus 19,29 „Wer um meinetwillen Haus, Hof, Weib und Gut verläßt, der soll’s hundertfältig wiederkriegen“; muß man doch solche Gefahr auch in allen anderen Werken gewärtigen, wo die Obrigkeit zwingt, Unrecht zu tun.“

Wir sehen, wie der passive Widerstand für Luther die selbstverständliche Pflicht eines jeden Christen gegen Unrecht ist. Der Christ darf sich, selbst wenn es seine Vorgesetzten gebieten, nicht am Unrecht beteiligen. Er muß dann auch alle möglichen Konsequenzen tragen. Aber das darf ihn nicht davon abhalten, seinem Gewissen vor Gott zu folgen und das zu tun, womit er ein gutes Gewissen vor Gott haben kann.
Ob die Einmischungs- und Destabilisierungskriege in Libyen, in Syrien, im Irak, in Afghanistan etc. gerechte Kriege sind, wird man mit Fug und Recht bezweifeln dürfen. Ich muß einst im Erdkundeunterricht sehr tief geschlafen haben, als die deutsche Grenze am Hindukusch behandelt wurde. Nein, Reden wie „Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt“ sind billige Rechtfertigungsversuche offenkundig ungerechter Kriege. Und die ganze Welt leidet unter dem Unheil, das durch diese ungerechten Kriege hervorgebracht wurde und wird.

Ganz anders sieht das aus, wenn ein Land von Fremden überfallen und bedroht wird. Dann ist es ein sträfliches und zutiefst unbiblisches Versagen der Regierung, wenn sie die Grenzen des Landes und damit die Sicherheit des eigenen Volkes nicht schützt.
Es ist ein sträfliches Versagen, wenn sie ihre Bundeswehr nicht in einem wirklich verteidigungsfähigen Zustand erhält,
wie auch die Polizei von Fremden unterwandern läßt, die Sicherheitslage dadurch von innen heraus gefährdet und destabilisiert und zu guter Letzt dann noch Streitkräfte, die im Inland zum Schutz der Grenzen und der Bürger dringend benötigt wären, zu ungerechten Kriegen oder zur Vorbereitung solcher ins Ausland verlegt. Da handelt die Obrigkeit stracks gegen das ihr von Gott gegebene Gebot, ihr eigenes Volk durch Militär und Polizei zu schützen! Denn dazu hat sie das Schwert

Wo hier die Regierung versagt, ihr Volk zu schützen und seine Sicherheit zuverlässig zu gewährleisten, da weist Luther darauf hin, daß es auch „untere Obrigkeiten“ gibt. Als „untere Obrigkeiten“ haben alle Familienväter das Recht, ihre Angehörigen und Nachbarn zu verteidigen, wenn sie in Abwesenheit der staatlichen Schutzmacht angegriffen werden. Auch das ist ganz wichtig, daß Luther sagt: Obrigkeit ist nicht einfach irgendeine Staatsgewalt ganz da oben.
Obrigkeit ist in der Verantwortung vor Gott jeder, der in irgendeiner Weise für andere Verantwortung trägt. In diesem Bereich ist er eine untere Obrigkeit. Er ist nicht die oberste. Er ist eine weiter unten angesiedelte Obrigkeit, für die aber in seinem Bereich die gleichen Grundsätze gelten, wie für die oberen Obrigkeiten. Das heißt, auch wir als Familienväter können unsere Verantwortung für unsere Familien nicht einfach an den Staat delegieren. Wenn der Staat versagt, sind wir als Familienväter gefordert, in diese Bresche zu springen und das unsere zu tun.

Nun kam nach dem letzten Sonntag noch die berechtigte Frage: wie sieht das aber aus bei einem Angriff von Seiten des Islam? Denn ich hatte ja letzten Sonntag mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß in geistlichen Dingen keine Gewalt angewandt werden darf. Wenn aber ein Muslim einen Christen aus Glaubensgründen angreift, dann vermengen sich ja die geistliche und die äußere Dimension. Und in geistlichen Dingen soll Gewalt ja keinen Platz haben.
Die Antwort: Daß das so ist, daß in geistlichen Dingen keine Gewalt angewendet werden soll, bezieht sich ausschließlich auf die geistliche Ebene einer Auseinandersetzung. Ich darf niemandem mit Gewalt meinen Glauben aufzwingen wollen. Das Recht dazu hat Luther seine Obrigkeit damals auch heftigst abgesprochen. Wo es aber um einen Angriff auf Leib und Leben geht, auch wenn der religiös motiviert ist, da ist die rein geistliche Ebene verlassen. Hier dürfen sich Christen auch auf der äußeren Ebene wehren.

Der Fehler des Petrus, den wir letzten Sonntag schon im Garten Gethsemane gesehen haben, wie er dem Malchus das Ohr abhaut, war nicht, daß er Jesus vor unrechter Gewalt schützen wollte. Sein Fehler war erstens, daß er den heilsgeschichtlichen Moment falsch eingeschätzt hat.
Und zweitens, da kommt die rechtliche Situation dazu, es waren ja Kriegsknechte des Hohen Rats, also der jüdischen Obrigkeit, gegen die Petrus das Schwert erhoben hat. Ich vermute, daß Jesus auch deshalb Petrus so scharf getadelt und sofort dem Malchus das Ohr wieder angeheftet und angeheilt hat, um den Schaden sofort wieder gut zu machen. Es waren ja Kriegsknechte des Hohen Rats. Und der Hohe Rat war die auch für Petrus und Jesus zuständige jüdische Obrigkeit. Das heißt: Petrus hat gegen seine Obrigkeit das Schwert gezogen. Das hätte er nicht dürfen. Wäre er von Muslimen angegriffen worden, die es damals noch nicht gab, wäre das eine vollständig andere Situation gewesen.

Zu solch einer Situation, wenn wir etwa heute von muslimischen Attentätern auch um unseres Glaubens willen angegriffen würden, sagt Martin Luther konkret bezogen auf die damalige Zeit:
„Wo es zum Kriege kommt, da Gott vor sei, so will ich das Teil, das sich wider diese mörderischen und blutgierigen Katholiken zur Wehr setzt, nicht aufrührerisch gescholten haben noch schelten lassen, sondern will’s gehen und geschehen lassen, dass sie es eine Notwehr nennen, und will sie dafür aufs weltliche Recht und an die Juristen weisen. Denn in solchem Fall, wenn die Mörder und Bluthunde ja Krieg führen und morden, so ist’s in Wahrheit kein Aufruhr, sich gegen sie zu erheben und zu wehren.“

Wir sehen: Luther argumentiert genauso. Wenn die geistliche Ebene von den Angreifern verlassen wurde, und damals ging es um Religionskriege, da war die geistliche Ebene durchaus dabei, dürfen auch wir uns auch als Christen auf der weltlichen Ebene zur Wehr setzen.


Auf dieser Grundlage haben sich die evangelischen Fürsten mit Waffengewalt gegen die Rekatholisierung gewehrt. Hätten sie dies nicht getan, und wäre nicht schließlich der schwedische König Gustav Adolf mit seinem Heer den Evangelischen zu Hilfe gekommen, dann wären wir heute wohl alle römisch-katholisch und das Evangelium wäre für weitere Jahrhunderte unterdrückt worden. In dankbarer Erinnerung für dieses kriegerische Eingreifen wurde etwa das Gustav-Adolf-Werk nach ihm benannt. Wir sehen, daß die Christenheit also sehr dankbar war für den Einsatz von Waffen an der richtigen Stelle.
Summa summarum: es ist durchaus von großer geistlicher Bedeutung, diese Dinge einigermaßen durchdacht zu haben. Wir leben als Christen nicht allein in dieser Welt. Wir tragen nicht nur als Familienväter Verantwortung für andere.

Wobei wir diese Verantwortung als Christen zuallererst im Gebet wahrnehmen und in der Verkündigung des Evangeliums. Hier bewegen wir Gottes starken Arm. Und dieser starke Arm allein kann letztlich verhindern, daß wir überhaupt in Situationen kommen, in denen wir dann über Notwehr und ähnliches nachdenken müssen. Und dafür wollen wir den Herrn auch weiterhin bitten, daß er seinen starken Arm schützend über unserem Volk hält, über Europa, über unserer Gemeinde und über unseren Familien.
Amen

Und wenn es dann doch anders kommen sollte, daß Gott entsprechende Bedrohungen zuläßt, dann bleibt in allen Dingen das Wichtigste unser Vertrauen auf unseren himmlischen Vater.

Denn egal, was die Zeiten bringen, in seinen Händen sind wir als seine Kinder geborgen.

Jakob Tscharntke, Riedlingen 2017

Evangelische Freikirche Riedlingen, Jakob-von-Stein-Str. 5, 88524 Uttenweiler;
E-Mail: efkriedlingen@t-online.de;

PS: Die Betonungen sind von mir. Horst Koch, im Januar 2021