Neue Praktiken in d. Charismatik (H.Stadelmann)

Helge Stadelmann

Neue Praktiken innerhalb der pfingstlich – charismatischen Bewegungen

– Eine Problemanzeige zu Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten  –

 

Vor einiger Zeit hat McConnell, selbst Absolvent der Oral Roberts Universität und Befürworter der charismatischen Bewegung, darauf hingewiesen, daß sich keine Bewegung so vielen Irrlehren geöffnet hat, wie gerade die Charismatische. In seinem Buch Ein anderes Evangelium? schreibt er:
„Von ihren Anfängen bis in die Gegenwart hat die charismatische Bewegung eine fehlerhafte Offenbarungslehre vertreten … Solange wir uns nicht ernsthaft dem Prinzip verpflichten, daß Lehre und Praxis einer hermeneutisch sauberen Auslegung des Wortes Gottes entstammen muss, wird unsere Bewegung für eine endlose Serie prophetischer Offenbarer und ihrer bizarren Lehren ein willfähriges Opfer sein.“
„Die Bewegung hat immer neue Phänomene hervorgebracht. Diese stellen sich teils als eigentümliche Betonungen biblischer Sachverhalte dar, teils aber auch als neue, der Bibel nicht bekannte Praktiken. Es fällt auf, daß diese Praktiken, zusammen mit der pfingstlichen Betonung von Geistestaufe, Zungenrede, Prophetie und Heilung, oft gerade als das Besondere der Bewegung betont werden.“

Angesichts des Schulterschlusses zwischen Deutscher Evangelischer Allianz und charismatischer Bewegung wird es gut sein, wenn diese Praktiken beachtet und geprüft werden. Charismatiker, die in der Evangelischen Allianz mitarbeiten wollen, sind zu fragen ob sie sich von unbiblischen Praktiken distanzieren und auch bereit sind, Sonderbetonungen aus dem Kontext der Allianz herauszuhalten.

 

 Unbiblische Praktiken und Lehren

1.  Slain in the Spirit

(Ruhen im Geist). Menschen werden bei Versammlungen, sehr oft nach Berührung des „charismatisch“ begabten Verkündigers, von einer Kraft erfaßt und zu Boden geworfen.

Problemanzeige: Paulus gibt als Kennzeichen eines falschen Geistes in 1.Kor 12, 2 den Hinweis, daß man unwiderstehlich weggerissen wird zu den stummen Götzen. In den meisten Fällen sinken die Menschen rücklings zu Boden, was der Bibel fremd ist, bzw. nur im Zusammenhang mit Gericht erwähnt ist (Jes 28,13). Auch ist dies Rücklingsfallen bzw. Hinstürzen ein bekanntes Phänomen im Heidentum.

Dokumentation: Das Phänomen des „Slain in the Spirit“ (Ruhen im Geist) begleitet zwar streckenweise von Anfang an die pfingstlichen Manifestationen, erfährt aber durch Kathryn Kuhlman weltweite Publizität innerhalb der Christenheit.

Allmählich gewöhnt man sich daran, daß unter Krafteinwirkung die Teilnehmer auf den Rücken fallen und bei solchen Veranstaltungen eigens Auffänger anwesend sind. Auch dies war der Christenheit in fast 2000-jähriger Geschichte fremd. Im Hinduismus nennt man dieses Phänomen Shakti Pat.

Im Mesmerismus ließen die Mesmeristen ihre Schüler rücklings fallen. Sie nannten dies „Experimente der magnetischen Anziehungskraft“. 

2. Lachen im Geist

Ein oft unnatürliches bzw. übernatürliches Lachen wird als Lachen des Heiligen Geistes interpretiert.

Problemanzeige: Das Neue Testament kennt dies nicht als eine Wirkung des Heiligen Geistes. Tatsache ist, daß die Bibel das Lachen Gottes ausnahmslos nur in Verbindung mit Gericht erwähnt (Ps. 2,4; 59,9; Spr. 1,26).

Dokumentation. Unter dem bemerkenswerten Titel Darüber kann man lachen, schildert der Neuseeländer Murray Robertson seine Ausrüstung für den Heilungsdienst bei einem Treffen mit John Wimber:
„Alle, die der Herr zum Dienst der Heilung beruft, werden an ihrem Körper dies merken, dann kommen Sie nach vorne, und wir werden für Sie beten…  Da begann meine rechte Hand plötzlich stark zu zittern, so als ob sie einen Pressluftbohrer festhalten würde. … Darum ging ich nach vorne. Für alle, die nach vorne gekommen waren, wurde gebetet  … In mir stieg ein Lachen auf, doch da der Augenblick dafür völlig unpassend war, unterdrückte ich es.  ’Der Geist wird in Wellen kommen’, sagte Wimber, ’jede neue Welle wird mehr Menschen mit hineinnehmen als die vorherige’. In den ersten Reihen fingen einige Menschen an zu lachen… Diejenigen, die gelacht hatten, wurden still – bis auf mich. Ich konnte einfach nicht aufhören. Und schließlich konnte ich auch nicht mehr stehen. Ich fiel zuerst nach vorne, dann nach hinten, und zum Schluß lag ich auf dem Boden, rollte hin und her und hielt mir vor Lachen die Seite. Inzwischen war ich umringt von Zuschauern, ich lieferte eine gute Unterhaltungsshow… Ich lachte etwa eine dreiviertel Stunde lang. Als ich schließlich aufhörte, kam ein Kollege, ein sehr guter Freund von mir, legte mir die Hand auf den Kopf und sagte: ’Herr, gib ihm noch mehr davon’ – und ich mußte noch einmal eine dreiviertel Stunde lang lachen. Dann flehte ich ihn an, nicht mehr für mich zu beten, meine Rippen schmerzten schon von all dem Lachen!“
– Siehe auch idea-Spektrum 20/92 über den Kongress mit John Wimber in Hamburg unter der Überschrift „Das Lachen Gottes“.

3. Toronto‑Segen

Anfangs 1994 brach wie ein Wirbelwind der sogenannte „Toronto‑Segen“ über die charismatischen Gemeinden und eine erstaunte evangelikale Welt herein. La­chen trat streckenweise so zwanghaft und ansteckend auf, dass dieser „Segen“ auch „Die lachende Erweckung“ ge­nannt wurde. Zudem traten höchst unge­wöhnliche Manifestationen in Form von Tierlauten auf.

Problemanzeige: Auch bei größtem Wunschdenken ist es biblisch nicht nachzuvollziehen, dass vernunftbegabte Wesen auf einmal Laute wie Tiere von sich geben. Gerade in 1.Kor. 14,6‑19 liegt die Hauptargumentation des Apo­stels Paulus auf der Darlegung, warum die Äußerungen der Redenden verstan­den werden müssen (Vers 9).

Dokumentation: Der Grund für den Be­such von Toronto ist, „Es“ zu bekommen … Einige der Manifestationen von „Es“ sind Leute, die wie Löwen oder Bären brüllen, einer schrie sogar wie ein Esel, was eine Pastorin veranlasste an­zukündigen, wie wunderbar es sei, dass Gott Jesus wiederum auf dem Rücken ei­nes Esels kommend offenbaren würde.

Eine wachsende Zahl von Ohn­machts‑ und Hysterieanfällen in Gottes­diensten beunruhigt die anglikanische „Kirche von England“. In der charismatisch geprägten Londoner Gemeinde „Heilige Dreieinigkeit“ musste ein Got­tesdienst nach Zeitungsberichten wegen „chaotischer Zustände“ beendet werden. Besucher seien in hysterisches Lachen und in Weinkrämpfe ausgebrochen, hät­ten in fremden Sprachen gesprochen und seien reihenweise umgefallen … Pastor Sandy Miller, sieht in den Vorkommnis­sen ein „Wirken des Heiligen Geistes“. Sie seien Vorboten einer weltweiten „re­ligiösen Erweckung“.

Auch der sich immer größerer Be­liebtheit erfreuende und Konfessionen übergreifende „Alpha‑Kurs“ hat seine Wurzel zum großen Teil in diesem Auf­bruch. Nicky Gumbel, Verantwortlicher für diesen Kurs, ist ordinierter Pastor eben dieser Londoner Gemeinde, die als erste den Toronto‑Segen hier in Europa aufgegriffen hat. Als Wimber ihm die Hände auflegte, war es Gumbel, als wür­de „so etwas wie eine zehntausend Volt starke elektrische Spannung“ durch sei­nen Körper fließen.

Im Juni 1995 begann in der Browns­ville Assembly of God in Florida die so­genannte Pensacola‑Erweckung. Sie ist eine Neuauflage des Toronto‑Segens in streckenweise ansprechenderer Ver­packung. Manches erscheint biblischer, anderes ist dafür bald noch bizarrer. Leu­te erlebten heftigste Zuck‑ und Schüttel­anfälle. Geistliche Landkarten der Um­gebung wurden erstellt, um die „territorialen Geister“ zu identifizieren und zu binden. Vor jeder Veranstaltung wurde der Gemeinderaum durchkämmt, um Dämonen von jedem Sitz und jeder Ecke auszutreiben.

Vertreter: Rodney Howard-Browne, Claudio Freidzon, Benny Hinn, Randy Clark, Walter Heidenreich, Peter Wenz, Ingolf Ellßel, Jobst Bittner, Geri u. Lilo Keller, Ortwin Schweitzer, JMEM, Hanspeter Nüesch, Stephen Hill, Michael Brown, John Kilpatrick.

4. Tanzen im Geist

Ähnlich dem Lachen wird auch das Tanzen als eine besondere Wirkung des Geistes interpretiert, das zum Lobpreis Gottes geschehen soll. Man spricht sogar vom „Prophetischen Tanz“.

Problemanzeige: Tanzen im Geist ist dem Neuen Testament unbekannt. Die wahrhaftigen Anbeter beten im Geist und der Wahrheit an. Tanzen und Körperbewusstsein sind starke Betonungen der New-Age-Bewegung bzw. im Heidentum bekannt zur Ehre der Götter.

Dokumentation: Sogar David Wilkerson hat darüber geklagt, daß, seitdem die Charismatiker den Tanz im Gottesdienst eingeführt haben, die sexuellen Sünden in diesen Kreisen schwunghaft zunahmen.

5. Wohlstandsevangelium

Nach dieser Überzeugung bewirkt der angeblich volle Glaube nicht nur Befreiung von der Schuld der Sünde, sondern auch Sieg über alle Krankheiten und Armut.

Problemanzeige: Es war dies die „Theologie“ der Freunde Hiobs. Paulus wäre nach dieser Lehre weniger als Apostel sondern als Versager ein Beispiel (1.Kor 4,8-10; 2.Kor 6,10). Der unbedingte Glaube an Gesundheit hat schon viele Menschen in Gewissensnöte geführt, wenn die Heilung ausblieb. Nicht selten sind Christen an ihrem Glauben buchstäblich gestorben. Die Bibel lehrt, daß wir auf die Erlösung des Leibes warten (Röm 8.23).

Dokumentation: Der Sieg Jesu wird nicht nur für Sünde und Krankheit in Anspruch genommen, sondern wirkt sich auch auf Wohlstand und Erfolg aus. Dieses Denken hat sich besonders in den letzten Jahren stark verbreitet. Wesentlich zur Ausbreitung dieses Gedankenguts haben Kenneth Hagin und Kenneth Copeland beigetragen. Copeland als engster Mitarbeiter Hagins behauptet sogar, daß der Mensch ein Gott ist, jedoch mit einem kleinen „g“ geschrieben.

Auch Dr. Wolfhard Margies ist ein entschiedener Verfechter dieses „Prosperity-Evangeliums“. In seinem Buch Das Kreuz der Gesegneten geht er in der Beurteilung des sichtbaren Segens und Wohlstands so weit, daß er die verfolgten Christen in Rußland als Opfer ihrer eigenen nicht ausgelebten Glaubensüberzeugung bezeichnet, weil sie diese Gesetze des Glaubens, die ja Gesundheit und Erfolg garantieren, nicht angewendet haben. Sie  „…haben durch ihre unbiblischen, dem Willen Jesu zuwiderlaufenden Leidensprioritäten die Obrigkeit indirekt in die jahrhundertlangen antigöttlichen Herrschaftsformen getrieben. Mit ihrem verkehrten Verständnis haben sie dann schließlich das geerntet, was sie gesät haben.“

Sehr stark auf dieser Ebene des Erfolgsdenkens ist auch Yonggi Cho. Da man neue oder größere Dimensionen erkannt zu haben meint, tragen solche Bewegungen bzw. Kirchen sehr oft die Bezeichnung „Volles Evangelium“. Cho spricht von einer fünffältigen Auswirkung des Evangeliums. Dazu gehört nicht nur die Befreiung von Krankheit, sondern auch die Befreiung vom Fluch der Armut. Wohlstand und Erfolg sind gemäß dieser Überzeugung der sichtbare Beweis für Gottes Wohlgefallen.  „…und ich glaube, daß es Gottes Wille ist, daß wir geistlich, leiblich und finanziell im Wohlstand leben“.

Siegfried Müller in Karlsruhe, der sehr stark von Yonggi Cho geprägt ist, erklärte in einer Predigt vom 19.10.86, daß wir Gott verunehren, wenn wir ein rostiges Auto fahren. In derselben Botschaft bezeichnet er sich als „König von Karlsruhe“. . .

Vertreter: Oral Roberts, T.L. Osborn, Robert Schuller, Yonggi Cho, Kenneth Hagin, Kenneth Copeland, Wolfhard Margies, Siegfried Müller, John Angelina, Terry D. Jones, Volkhard Spitzer.
 

6. Visualisierung

Besonders durch Yonggi Cho verbreitet. Durch eine aktive Vorstellung und lebendige Phantasie produziert man die Ergebnisse. Das innerlich visualisierte bzw. lebhaft vorgestellte Bild wird im Glauben für die Wirklichkeit genommen. So muß ein kranker Mensch sich einfach vorstellen, wie er gesund ist und dies nur fest genug glauben, um zu genesen.

Problemanzeige: Es erinnert an Techniken der Autosuggestion und Selbsthypnose, wo man versucht, sich das gewünschte Resultat einzureden. Selbstsuggestion wird mit Glaube verwechselt. Die Methode der Visualisierung ist eine magische Technik, in der der Mensch sein eigenes Universum erdenkt bzw. erschafft oder „erglaubt“ und somit selber zu Gott wird.

Dokumentation: Durch Agnes Sanford und Camp Farthest Out kommen diese Vorstellungen bereits Ende der 40er Jahre auf, erzielen aber erst durch Pastor Yonggi Cho großen Einfluß und globale Verbreitung.  Diese Methoden der Visualisierung sind sehr stark im Heidentum verbreitet, besonders bei den Schamanen und im Hexentum.

Vertreter: Agnes Sanford, Morton Kelsey, Dennis und Rita Bennett, John und Paula Sandford, Yonggi Cho, Wolfhard Margies.

7. JDS (Jesus died spiritually)

Nach dieser Lehre starb Jesus nicht nur physisch, sondern auch geistlich. Er sei in der Hölle angeblich vom Teufel drei Tage und Nächte lang gequält worden und habe so unsere Erlösung bewirkt.

Problemanzeige: Diese Lehre schmälert das vollbrachte Werk Christi und stilisiert den Teufel ungewollt zum Miterlöser. Außerdem war diese Lehre der Christenheit jahrtausendelang unbekannt.

Dokumentation: In den 80er Jahren wird die Faith Movement der Positive Confession Movement zur größten charismatischen Streitfrage, besonders wegen dieser Sonderlehre JDS.
Vertreter: Kenneth Hagin, Kenneth Copeland, Paul E. Billheimer, Wolfhard Margies.

8. Shephard-Discipleship-Bewegung

In den 70er Jahren formiert sich durch den übergroßen Einfluß von Bob Mumford, Derek Prince, Charles Simpson, Don Basham und Ern Baxter, die auch als die ’Fort Lauderdale’s Five’ bezeichnet werden, die sogenannte Shepharding-Discipleship-Bewegung. Jeder Gläubige ist einer Person über ihm, gewöhnlich Hirte genannt, besonders verantwortlich.

Problemanzeige: Dies führte zu solch einer Hörigkeit und Abhängigkeit von dem jeweiligen „Hirten“ bzw. Seelsorger, daß der Manipulation und Knechtschaft durch andere „geistliche“ Menschen Tür und Tor geöffnet wurde (1.Kor 7,23).

Dokumentation: Die Hörigkeit und Abhängigkeit des jeweiligen Gläubigen von seinem „Hirten“ ging so weit, daß Charismatiker selbst von Gehirnwäsche und Behexung sprachen (Pat Robertson). Es ergab sich daraus in den Jahren 1975 und 1976 die größte Kontroverse innerhalb der charismatischen Bewegung.  Derek Prince hat sich später öffentlich von dieser Lehre distanziert und über seine Gesetzlichkeit Buße getan (Vortrag im August 1991, Ost-West-Konferenz, Karlsruhe).

9. Königreichs-Theologie (Dominion Theology)

Eine neue Generation von Gläubigen, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, wird allen Widerstand gegen das Evangelium überwinden und schließlich alle Nationen unterwerfen. Auf den Schultern dieser Elite wird die Herrschaft ruhen und wenn sie sich alle Regierungen untertan gemacht haben, wird Christus wiederkommen und sie werden ihm das Königreich übergeben.

Problemanzeige: Diese triumphalistische Vorstellung widerspricht der biblischen Eschatologie. Die Bibel spricht am Ende der Tage vom großen Abfall und schildert die Kräfte der Zeichen und Wunder im Kontext der Verführung.

Dokumentation: Durch den Einfluß von Paul Caine vertritt John Wimber in jüngster Zeit die Lehre von der „Armee Joels“. Es sei dies ein neues Geschlecht von Gläubigen, das mit übernatürlichen Kräften und besonderen Charismen ausgerüstet sei. Diese „Überwinder“ würden alle Opposition gegen das Evangelium beseitigen und schließlich alle Nationen unter ihre Herrschaft bringen. Diese Lehre ist Teil der genannten Königreichs-Theologie. Bemerkenswert ist nur, daß diese Armee, auf die sich Wimber bei Joel beruft, wie Clifford Hill zurecht anmerkt, keine Armee des Herrn, sondern eine Armee der Zerstörung ist.

10. Gabentransfer

Durch Charismatiker wie John Wimber verbreitet sich die Überzeugung, es sei möglich, Gaben an andere weitergeben und erlernen zu können. So werden beispielweise Kongresse abgehalten, auf denen die Gläubigen die Gabe der Heilung erlernen.

Problemanzeige: Dieses Machbarkeitsdenken widerspricht der Souveränität Gottes, der bekanntlich die Gaben austeilt, wie er will (1.Kor 12,7). Bei göttlicher Heilung handelt es sich um ein freies Eingreifen Gottes. Wenn es erlernbar wäre, führte dies in die Machbarkeit und letztlich Magie, wo der Mensch über Gott verfügen kann.

Dokumentation: Ein Beispiel ist der John-Wimber-Kongress in Frankfurt 1987. McClure fordert dort alle Teilnehmer, die die Gabe der Evangelisation empfangen wollen, auf, die Hand zu heben: „Empfangt die Gabe der Evangelisation!“ Es folgt ein Sprachengebet, dessen Auslegung versichert, daß Gottes Geist jetzt diese Gabe schenkt. Dann geht es um Handzeichen für die Gabe der Weissagung. Bei der Frage nach der Gabe der Heilung melden sich mehr als die Hälfte der Anwesenden. McClure: „Ich sage Dir an Christi Statt: Heile die Kranken, treibe die Dämonen aus, predige das Evangelium. Empfangt diese Gabe von Christus!“  (Applaus des Publikums).

11. Geistliche Kampfführung

Diese Lehre, die in den letzten Jahren immer einflussreicher geworden ist, be­fasst sich in besonderer Weise mit der Wirklichkeit territorialer Geister. Um eine Erweckung zu ermöglichen, müsse man über spezielle Eingebungen die Na­men der dämonischen Hierarchie des je­weiligen Ortes, der erweckt werden soll, erfahren. Diese Mächte könnten dann von besonders begnadeten Kämpfern gestellt und vertrieben werden, worauf die Erweckung einsetzt.

Problemanzeige: Für diese Art geistli­cher Kampfführung gibt es keinen Hin­weis im Neuen Testament. Es führt zu einer ungesunden Beschäftigung mit dämonischen Mächten, die teils sogar an spiritistische Praktiken und heidnische Weltbilder erinnert.

Dokumentation: Einflussreichster Ver­treter und Verbreiter dieser Lehre ist Pe­ter Wagner. So berichtet er beispielswei­se von dem argentinischen Pastor Omar Cabrera, der „Erfahrungen im Umgang mit örtlich begrenzt wirksamen Dämo­nen hat“, die er auch in körperlicher Form zu sehen bekommt, deren Namen er erkundet, um ihre Macht über ein Ter­ritorium zu brechen. Gemeinsam mit an­deren „hervorstechenden christlichen Leitern in Argentinien“ fordern sie … Sa­tan direkt heraus und verfluchen ihn. ‑ Ein Buch von Peter Wagner trägt bezeichnenderweise den Titel Territoriale Mächte.

Auch die nun propagierten Je­sus‑Märsche sind als Strategie im Rah­men dieser „Geistlichen Kampfführung“ zu sehen. Durch solche Märsche werden die Gegenwart bzw. der Sieg Jesu in den jeweiligen Ort buchstäblich hineingetra­gen. Als kirchengeschichtlicher Beleg für solche „Kampfführung“ werden in der Zeitschrift „Gemeinde‑Erneuerung“ u.a. die katholischen Bittprozessionen angeführt:
„Seit dem 4. Jahrhundert kennt die Kirche den Zug von Christen durch Land und Stadt unter Gebet und Gesang; seit dem 13. Jahrhundert auch mit der Darbietung der Hostie ‑ die Pro­zession in ihrer vielfältigen, geschicht­lich gewachsenen Ausprägung. In ihrer eigentlichen Form ist die (katholische) Prozession „ein feierlicher Bittgang. … Dass die Kirche die Prozession sehr wohl auch als Mittel im geistlichen Kampf eingesetzt hat, zeigen die sog. Lustrationsprozessionen, bei denen man im allgemeinen durch Räume (Häuser oder Gebiete) zieht, die exorziert – also von Dämonen befreit bzw. Gottes Herrschaft übereignet ‑ wer­den sollen. Sollte Gott derzeit wieder Schätze der Kirche heben, die im Zu­sammenhang mit dem Gebet um Einheit, Erweckung, Evangelisation und Wieder­eroberung von Stadt und Land für Jesus wichtig werden? Es sieht ganz so aus!“ (Gemeinde-Erneuerung Nr.41 vom 3/91).

Vertreter: Peter Wagner, Carlos Ana­condia, Omar Carbrera, George Otis jr., Wolfhard Margies.  Ver­treter der Jesus‑Märsche: Graham Ken­drick, Reinhard Bonnke, Peter Wenz, Walter Heidenreich, Keith Warrington. 

12. Stellvertretende identifizierende Buße

Die letzten Jahre haben weitere Entwick­lungen im Zusammenhang mit dieser be­sonderen Form der „Kampfführung“ ge­bracht: Dazu gehören Praktiken wie das Erstellen geistlicher Landkarten, Ein­schlagen von Pfählen, um Städte für Gott zu beanspruchen, Versöhnungsmärsche und in jüngster Zeit auch „stellvertreten­de identifizierende Buße“.

Damit ist die symbolische Anerkennung und Buße wegen der Sünden unserer Vorfahren gegenüber den Nachfahren der Leute gemeint, die unsere Vorväter unterdrückt haben. Peter Wagner stellt in einem Artikel der amerikaniscangenheit zu ändern.“
Auch „Gebetsberge“ when Zeitschrift Charisma zu diesem Thema fest, dass es die Vollmacht der Kirche sei, die „Vergerden seit neuestem eingeweiht. Zum Teil wird stellvertre­tende Buße für Ereignisse getan, die 2500 Jahre zurückliegen!

Problemanzeige: Diese das Dämoni­sche in unbiblischer Weise betonenden Sonderlehren erinnern an das in 1.Tim. 4,1 angesprochene ’Achten auf Verfüh­rungsgeister und Lehren von Dämonen.’  Bill Randles, selbst Pfingstpastor, fragt in diesem Zusammenhang: “Sind wir die erste Generation, die ’geistliches Kartographieren’, ’identifizierende Buße’ er­funden hat und dem Geist gebietet, zu uns zu kommen?  Man sollte sich Char­les Spurgeons berühmtes Zitat in Erinne­rung rufen: ’Es gibt nichts Neues in der Theologie, außer dem, was falsch ist.’“

Dokumentation: Etwa 200 Menschen füllen das Zelt. Sie sind …gekommen, um gemeinsam für schuldhafte Ereignisse in der Geschichte Deutschlands Buße zu tun … Margies gibt nach Vorstellung der geschichtlichen Fakten einzelne Gebets- ­und Bußimpulse…. „Wir tragen hier nicht selbst die schwere Last der Schuld und Sünde, die wir hier benennen. Wir legen sie nur am Kreuz ab.“  “Wenn ihr ein leises Lächeln auf eurem Gesicht findet darüber, dass ihr für etwas betet, das 2500 Jahre zurückliegt, schiebt es beiseite.“

Vertreter: Wolfhard Margies, Christoph Häselbarth, Ortwin Schweitzer, John Mulinde, Peter Wenz, Walter Heidenreich.

 

Eigentümliche Ansichten und Betonungen

13. Charismatische Spiritualität und Ökumene

David du Plessis, genannt Mr. Pentecost, berichtet:  „…im Jahre 1951 sprach der Herr zu mir und sagte mir deutlich, zu den Leitern des Weltkirchenrats zu gehen und ihnen Zeugnis zu geben, …denn in der Pfingstbewegung und im modernistischen Weltkirchenrat finden wir die gewaltigsten Kundgebungen des Geistes.“

Problemanzeige: Der Geist Gottes ist ein Geist der Wahrheit. Von daher ergeben sich Anfragen an das häufig vertretene Motto: „Lehre trennt – Charisma eint!“ Die Beobachtung dessen, was unter dem Schirm der Charismatischen Bewegung zusammengebracht werden soll, verleiht den diversen “Schulterschlüssen“ mit pfingstlich-charismatischer Bewegung ihre besondere Brisanz.

Dokumentation: Nicht nur David du Plessis, auch der Vater der Charismatischen Bewegung, Dennis Bennett, erlebt nach seiner Geistestaufe ähnliche ökumenische Impulse:
“Wieder erlebten wir, wie der Heilige Geist die Mauern der Konfessionen abbrach und die Christen zur Einigkeit der Herzen führte … Auf einer Reise nach Berkeley, Kalifornien, im Jahre 1970, empfingen auf einer überkonfessionellen Versammlung allein fünf römisch-katholische Priester die Taufe im Heiligen Geist. Es schien, als werde das Gebet des verstorbenen Papstes Johannes aufs lebhafteste erhört, nämlich, daß die römisch-katholischen Christen ein neues Pfingsten erleben möchten“ (Bennett: In der Dritten Stunde).
Bei dem Kongress für Erweckung in Nürnberg 1991 wurde der Schulterschluss zwischen Charismatikern und Evangelikalen gefordert, der dann mit der “Kasseler Erklärung“ zwischen der Deutschen Evangelischen Allianz und dem Bund Deutscher Pfingstgemeinden zumindest im Grundsatz 1995 vollzogen wird. Inzwischen fordert C.P. Wagner den Schulterschluss zwischen Charismatikern, Evangelikalen und Liberalen.

14. Propheten‑Bewegung

Von Rick Joyner und John Wimber wur­de die Wiederherstellung des Dienstes und des Amts der Propheten vorausge­sagt. Diese angekündigte Prophetenbe­wegung begann Ende der 80er Jahre in Kansas City, USA, hat danach England erreicht und durchdringt seit 1990 auch die charismatische Szene in Deutsch­land.

Problemanzeige: Die Bibel warnt am Ende der Tage vor den falschen Pro­pheten (Mt.24,11). Außerdem treten im Zusammenhang mit diesen „Offenba­rungen“ Phänomene auf, die typisch sind für Geistheiler und Hellseher bzw. Wahrsager. Auch wird die eigene Wunschvorstellung „übergeistlich“ überhöht. Ständig ist in diesen Kreisen von der großen weltweiten Erweckung, Erweckung in England, Erweckung in Deutschland usw. geweissagt worden. „Gott habe einen Fuß auf London und den anderen auf Berlin gesetzt und diese beiden Nationen würden die Leiterschaft für die große kommende Erweckung hervorbringen.“
Dies widerspricht nicht nur dem eschatologischen Gesamt­bild der Heiligen Schrift, spricht doch Gottes Wort von Abfall und lügenhaften Zeichen und Wundern (2.Thess 2,3 u. 9‑11) am Ende der Tage, sondern gerade die rapiden Entwicklungen der letzten Jahre haben diese Prophezeiungen als wunschhafte Illusionen offenbart. Ge­mäß 5.Mose 18,22 ist dies aber der klas­sische Test für den Falschpropheten. Auch werden diese Weissagungen nur zu oft mit dem Ausspruch, „so spricht der Herr“, eingeleitet. Eine Formulie­rung, die dem Neuen Testament unbe­kannt ist.

Dokumentation: Bei dem Seminar zum Thema „Der prophetische Dienst“ unter der Leitung von Friedrich Aschoff beim Gemeindekongress 1993 in Nürn­berg forderte Phil Elsten von den „Can­sas City Propheten“ das anwesende Pub­likum auf, man möge ihm die Handflä­chen zeigen. Gott würde dadurch beson­dere Einsichten geben. Auch der Leiter dieser Propheten, Mike Bickle, war an­wesend. Er berichtete, wie er ein Bren­nen in der Magengegend und ein Heißwerden seiner Hände spürte. Dies war für ihn das Zeichen, dass das „Feuer Gottes“ unter den Seminarteilnehmern wirken werde. John Paul Jackson, ebenfalls auf diesem Seminar und „be­währter“ Prophet, erklärte der Los Ange­les Times ohne mit der Wimper zu zu­cken, wie er die Fähigkeit habe, Gott zu riechen. „Gott duftet nach Rosen.“

Paul Cain galt lange Zeit als der „vollmächtigste“ Prophet dieser Bewe­gung, dessen Weissagungen angeblich immer pünktlich eintrafen. Es wird be­richtet, dass er am 2. 11. 92 einen „prophetischen“ Traum wegen der Präsiden­tenwahl hatte. „Das erstaunlichste an Paul Cains Traum war, dass er sah, wie Gottes Geist auf Bill Clinton kam und er dadurch zu einem anderen Mann wurde, wie einst König Saul im Alten Israel (1.Sam 10). Clinton soll der beste Präsident werden seit Eisenhower! …  Er wird Amerika eine neue Vision vermitteln. Eine göttliche Salbung wird auf ihm ru­hen, um sein Volk zu einer größeren Ein­heit zu führen.“

15. Innere Heilung

ist eine Form der Seelsorge, in der man versucht, die schädlichen Erinnerungen der Vergangenheit zu korrigieren, indem man sie in der Gegenwart durch Visualisierung oder andere Techniken neu durchlebt.

Problemanzeige: Es ist eine Methode, die größtenteils auf den Theorien von Freud und Jung und oft auf den Praktiken des religiösen Mystizismus basiert.

Dokumentation: Zu dem Thema Innere Heilung schrieben John Ankerberg und John Weldon:
„Innere Heilung ist eine Form der Seelsorge, wo man versucht, die schädlichen Erinnerungen der Vergangenheit zu korrigieren, indem man sie in der Gegenwart durch Visualisierung oder andere Techniken neu durchlebt, wobei man Jesus öfters als einen „inneren Ratgeber“ oder „inneren Führer“ verwendet. Diese religiös-mystische Adaption tiefenpsychologischer Ansätze ist in die Gemeinden eingedrungen durch Jungsche Therapeuten, durch Laien wie Agnes Sanford, den Episkopalen Priester Morton Kelsey, … Dennis und Rita Bennett, Paul Yonggi Cho, Pater Francis MacNutt und Ruth Carter Stapleton.  …
Das Problem der Inneren Heilung besteht darin, daß sie auf der unbewiesenen Annahme eines unbewussten Geistes (mind) beruht, der in besonderer Weise funktioniert, da er in einer angeblich natürlichen Verbindung mit Gott stehen, oder ein Teil von Gott sein soll. Dieser unbewußte Geist ist das Mittel, Jesus zu begegnen und geheiligt zu werden. Abgesehen davon, daß man Christen für die okkulten Theorien von Jung öffnet, kann Innere Heilung für das Okkulte selbst via innerer Führer, die in Wirklichkeit Dämonen sind, öffnen.“
In dem Buch „Innere Heilung“ schreibt Betty Tapscott: „Innere Heilung ist Psychotherapie plus Gott.“

Vertreter: Agnes Sanford, Dennis und Rita Bennett, John und Paula Sandford. Betty Tapscott, Ruth Stapleton Carter.
 

16. Befreiungsdienste

Teil einer über die Heilige Schrift hinausgehen­den Dämonologie ist die oft übertriebene Exorzismusbetonung. Gläubige sind an­geblich von allen Arten von Dämonen besessen. Oft werden schon kleinere Gesundheitsprobleme, seelische Nöte oder Heiligungsprobleme auf Besessenheit zurückgeführt und sollen dann durch Exorzismus, gewöhnlich mit Handauflegung und begleitet von Zungenreden, behoben werden.

Problemanzeige: Eine solche dämo­nenzentrierte Seelsorge fährt weg von dem christozentrischen Akzent des Neuen Testaments. In dieser Po­wer‑Encounter‑Seelsorge wird das Ok­kulte überbetont und gewinnt ungebühr­liche Beachtung.  Die Gefahr, auf diesem Wege Schaden bei Notleidenden anzu­richten, ist erheblich. Die Bibel lehrt nicht „Kraft‑Befreiung“ sondern Befrei­ung durch die Erkenntnis der Wahrheit (Joh 8,32).

Dokumentation: Zur Gefahr einer dä­monenzugewandten Seelsorge, die man allerdings auch von Nichtcharismatikern kennt, vgl. H. Stadelmann, Das Okkul­te, Brunnen Verlag, 1984.

17. Segnungsdienste

Eine starke Betonung erfährt in der charismatischen Bewegung das gegenseitige Segnen durch körperliche Berührung, besonders durch Handauflegung. Solche Segnungen können gegenseitig zu jeder Art von Anlässen erteilt werden. Teils werden besondere Segnungsgottesdienste eingerichtet, teils charismatische Zusammenkünfte durch gegenseitige Handauflegung abgeschlossen.

Problemanzeige: Es liegt die Auffassung einer freien Verfügbarkeit über Segen und Segnung zugrunde. Es fragt sich, ob dies der Bedeutung des Segens in der Bibel sowie der biblischen Mahnung, niemandem die Hände schnell aufzulegen (1.Tim. 5,22), gerecht wird.

Dokumentation: Ein Beispiel, daß solchen Segnungen besondere Bedeutung zugemessen wird: Anlässlich eines Segnungsdienstes in Schloss Craheim hat der jetzige 1.Vorsitzende der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Ev. Kirche, Pfr. Friedrich Aschoff , einen besonderen „Segen“ erfahren. „Es war Mitte der 70er Jahre in Craheim auf einer Leitertagung … Die persönliche Segnung durch einen katholischen Priester und das Segenswort, das ich damals empfing, hat meinen Dienst nachhaltig verändert.“

18. Funktionalisierung des Lobpreises

Zu Recht haben Charismatiker auf die Gefahr der Vernachlässigung der Anbetung Gottes hingewiesen. Inzwischen zeigt sich aber die Gefahr, dass sie gewissermaßen ’auf der anderen Seite vom Pferd herunterfallen’: Organisierter Lobpreis soll die Gegenwart des Geistes hervorrufen und z.B. zu Gemeindewachstum oder Krankenheilungen führen.

Problemanzeige: Es besteht die Gefahr, den Heiligen Geist zu instrumentalisie­ren. Auch wird oft genug eine seelisch und bes. durch Musik emotional aufgeheizte Atmosphäre als Wirkung des Heiligen Geistes angesehen. Psychisches wird mit Pneumatischem verwechselt. Gerade die Anbetung, die Gott allein zum Ziel ha­ben soll, wird aber mißbraucht, wenn sie ‑ vielleicht nur als Nebenprodukt ver­harmlost ‑ letztlich doch als Endziel wieder menschlichen Zwecken dienen soll.

Dokumentation: Vergleiche den Be­richt von John Wimber, wie er zu Hei­lungserfahrungen in seiner Gemeinde kam. Zunächst predigte er 20 Wochen lang über Heilung, aber nichts geschah. Seine Reaktion: „Ich warf mich auf den Fußboden und weinte und schrie und be­tete, bis ich nicht mehr konnte. Hatte ich nicht alles getan? Hände aufgelegt, ge­glaubt, gefleht. Ich war ärgerlich über Gott… Aber ich ließ nicht locker. Ich wollte den christlichen Glauben besitzen, der stark ist, funktioniert und Resul­tate bringt. Wenn ich ihn nicht erlangte, dann wollte ich kein Pastor mehr sein.“
Dann entdeckte er den Wert der Anbe­tung und des Lobpreises und erfuhr infolgedessen ab Mai 1979, dass nun die Kraft Gottes zu wirken begann und Hei­lungen geschahen:  „All das ist aus dem gemeinsamen Lobpreis zur Ehre Gottes geboren.“  –  Kevin Prosch, ehemaliger Anbetungsleiter von John Wimber, er­klärte: „Ich habe gemerkt, dass bestimm­te Wirkungen des Heiligen Geistes nur eintreten, wenn ich mit dem Schlagzeu­ger zusammen spiele, also nicht sin­ge ….Bestimmte Noten und Harmonien bringen den Geist Gottes in Bewe­gung.“
Dies ist ein altbekanntes Phäno­men im Heidentum und im Spiritismus (Macumba, Umbanda u.a.) Durch be­stimmte Tonfolgen werden die Geister gerufen.

19. Trunkenheit im Geist

Mit Berufung auf Apostelgeschichte 2,13 versucht man den Zustand einer ek­statischen Berauschung zu rechtfertigen, bei dem die Betroffenen mit offensicht­lich reduzierter Selbstkontrolle sich wie betrunken verhalten. Dies ist besonders im Zuge des „Toronto‑Segens“ und der nachfolgenden „Pensacola‑Erweckung“ aufgetreten, wird aber auch außerhalb dieser „Wogen“ im pfingstlich‑charis­matischen Bereich vertreten.

Problemanzeige: Die Bibel sagt an mindestens neun Stellen, dass man nüch­tern sein soll (1.Thess 5,6 u.8; 1.Tim.3,2: 1.Petr 4,7; 5,8 u.a.). Weil sie die Gefahr der Berauschung kennt (Eph. 5,18), des­wegen wird so oft diese Warnung ausge­sprochen. Außerdem heißt es in der so stark missbrauchten Stelle in Apostelge­schichte 2, dass es Spötter waren, die be­haupteten, die Jünger seien betrunken. Es ist nicht weise, Lehren auf Aussagen von Spöttern zu gründen.

Gerhard Bially, Chefredakteur der einflussreichen Zeitschrift Charisma, spricht in dem Versuch, solche Berau­schungen trotz der vielen biblischen Er­mahnungen dennoch zu rechtfertigen, von „Nüchterner Trunkenheit“.  Es wird die Quadratur des Kreises versucht.

Dokumentation: Martin Bühlmann, Leiter der in der Schweiz einflussreichen Basileia-Gemeinde in Bern, schreibt über die 10 Symptome des Toronto‑Se­gens zum Thema Betrunkenheit: Mehr­stündige Trunkenheit, die in der Wir­kung mit alkoholischer Trunkenheit ver­gleichbar ist. Die Gedanken sind klar, Bewegungsabläufe und Sprache schei­nen behindert.

Von demselben Autor stammt auch das Zitat: Der Rock`n`Roll hat der Welt eine Sprache gegeben, die alle verstehen. Gott wird diese Sprachen nehmen, um den Völkern das Heil zu vermitteln.

Hier kommt sehr deutlich zum Aus­druck, wie man in diesen erfolgreichen Strömungen Seele und Geist, Psyche und Pneuma, Geist Gottes und Gerichts­geist verwechselt (1.Petr 4,17).

 

Die klassischen pfingstlichen Sonderbetonungen

Die klassische Pfingstbewegung steht manchen der neueren charismatischen Entwicklungen eher skeptisch gegen­über. Andererseits haben ihre eigentüm­lichen Sonderbetonungen bis heute die Charismatische Bewegung nachhaltig beeinflusst. Sie sollen im Folgenden kurz in Erinnerung gerufen werden.

1. Geistestaufe

Die Geistestaufe wurde in der Pfingstbe­wegung häufig als zweite Erfahrung jenseits der Wiedergeburt gelehrt und gesucht. Gläubige werden angehalten, sich nach dieser (oft ekstatischen) Erfah­rung auszustrecken und sich die Hände auflegen zu lassen, um die Geistestaufe zu empfangen. Als Auswirkungen wer­den erwartet: die Gabe der Zungenrede, Fortschritte in der Heiligung, vollmäch­tiges Zeugnis und Gebetsleben. Nicht selten wird der Umkehrschluss gezogen, dass, wer diese ‚zweite Erfahrung‘ nicht gemacht hat, vermutlich Defizite habe in den genannten Bereichen. So wird fak­tisch ein Zwei‑Stufen‑Christentum eta­bliert, selbst wenn dies nicht ausdrück­lich zugegeben wird.

Problemanzeige: In der Bibel hat die Geistestaufe mit solch einer ‚zweiten Erfahrung‘ nichts zu tun. Die ‚Geistes­taufe‘ wird im Alten wie im Neuen Tes­tament als jenes Geisteswirken in der messianischen Zeit beschrieben, durch das geistlich tote Menschen zum geistli­chen Leben kommen. Sie ist wie Wasser auf Wüstenland, durch das Leben ent­steht; die Alternative zur Geistestaufe ist das Gericht Gottes. Durch sie wird der Mensch in den Leib Christi eingefügt. Die Geistestaufe ist damit identisch mit der Wiedergeburt (Jes.32,15; 44,3; Hes.39,29; Joel 3,1; Mt. 3,11; Apg. 1,5; 1.Kor 12,13; vgl. Römer 5,5; Titus 3,5f).

Von der ‚Geistestaufe‘ zu unterscheiden ist die Erfüllung mit dem Geist Gottes (Apg 4,8; Eph 5,18f).

2. Zungenrede

Die Zungenrede ist für die Pfingstbewe­gung so typisch, dass sie auch Zungenbewegung genannt wurde. Zungenrede wird stark betont; möglichst jeder Gläu­bige sollte sie ‑ als Erweis seiner ‚Geis­testaufe‘ ‑ praktizieren können. Sie wird in der Regel als ein Reden in einer nicht‑irdischen Sprache (‚Engelszun­gen‘) verstanden.

Problemanzeige: Die Betonung und Praxis der pfingstlichen Zungenrede äh­nelt in verschiedener Hinsicht dem, was Paulus in 1.Kor 12‑14 gerade korrigieren will (Überbetonung; Forderung der Zun­genrede für jeden; Durcheinanderreden; unübersetztes Reden im Gottesdienst). Grundsätzlicher ist noch das Problem, dass das moderne Zungenreden offenbar etwas anderes ist, als die biblische Glos­solalie: während letztere ein geistge­schenktes Reden in einer nicht gelernten aber irdischen Fremdsprache zum Lob Gottes und zur persönlichen Erbauung bzw. ‑ wenn es verstanden wird ‑ zur Er­bauung der Hörer ist (Apg. 2,6‑11;10,47; 11,17; 19,6; 1.Kor 14), stellt sich die Zungenrede der Pfingstbewegung als ein Lallen in einer Art ‚himmlischem Espe­ranto‘ dar. Und während 1.Kor 13,8 an­deutet, dass die Sprachenrede der apo­stolischen Zeit einmal „aufhören“ wird und sie auch im Lauf der Kirchenge­schichte weitgehend zurückging, ers­taunt die weltweite Verbreitung dieses neuartigen Zungenredens seit Aufkommen der Pfingstbewegung.

3. Prophetie

Neben das biblische Wort kommt betont das aktuelle Prophetenwort zu stehen, mit dem man jederzeit rechnet und nach dem man sich in wesentlichen Entschei­dungen richtet. Teils fordert man ‑ im Missverstehen von Eph 4,11 ‑ die Wie­dereinführung des sog. „fünffältigen Dienstes“ (also die Wiedereinführung der Ämter des Apostels, des Propheten, des Evangelisten, des Hirten und des Lehrers).

Problemanzeige: Die ‚Apostel und Propheten‘, von denen der Epheserbrief spricht, haben als Offenbarer des neutes­tamentlichen Gotteswortes ein für alle­mal das Fundament für die gesamte Zeit der Gemeinde gelegt (vgl. Eph 2,20). Daneben kennt das Neue Testament auch die nicht‑autoritative und jeweils zu prüfende Gemeindeprophetie, von der 1.Kor 14 als einem die Gemeinde er­bauenden Reden zur Ermutigung, zur Ermahnung und zum Trost spricht. Al­les, was zum Heil dient, ist ein für alle­mal im biblischen Wort geoffenbart. Im Rahmen dessen, was die Schrift vorgibt, hat man im Lauf der Kirchengeschichte auch immer mit einem individuellen Re­den Gottes im Sinne von Führungen ge­rechnet. Dies war eingebettet in das Vertrauen auf die Souveränität Gottes (der Mensch muss hier nichts forcieren; Gott hat Wege sich verständlich zu machen), eingebettet in das Wissen um die Gefal­lenheit des Menschen (seine Äußerun­gen bedürfen der Prüfung; seinem Wunschdenken und Geltungsstreben ge­genüber ist Vorsicht geboten), und ein­gebettet in Gottesfurcht (nicht jeder Ein­fall ist sogleich als prophetischer ‚Ein­druck‘ ‑ möglichst noch in der Ich-Jesus-Sage-Form zu überhöhen). Es fragt sich, ob die Prophetiebetonung der Pfingstbewegung dem so gerecht wurde.

 

4. Heilungswunder

Teilweise wurde und wird in der Pfingst­bewegung Krankheit als vom Teufel kommend angesehen, die in jedem Fall  nicht Gottes Willen entspricht. Wer rich­tig glaubt, wird gesund, denn Gott will heilen. Es wird in diesem Zusammen­hang darauf verwiesen, dass Jesus am Kreuz ja nicht nur unsere Sünden, son­dern auch unsere Schmerzen und Krank­heiten getragen habe (Jes. 53,4). Gele­gentlich wurde auch der Hinweis auf Gottes Heilen mit einer Ablehnung von ärztlicher Hilfe verbunden.

Problemanzeige: Es ist unumstrit­ten, dass Gott der Arzt ist, an den sich seine Kinder in Krankheitsnöten wenden dürfen und sollen (2.Mose 15,26; Jak. 5,13). Jesus hat geheilt und den Dienst seiner Apostel durch mitfolgende Zeichen be­stätigt (Mt. 4,23; 2.Kor. 12,12). In seiner Gemeinde kann Jesus als sein ‚Charisma /Gnadengeschenk‘ Heilungen schenken (1.Kor. 12,28). Eine neutestamentliche Ordnung ist, dass Kranke die Gemeinde­ältesten zur Krankensalbung rufen kön­nen (Jak.5,14ff). Das alles schließt medizinische Hilfe nicht aus. Das Neue Testament macht auch deutlich, dass die Zeit, in der es keine Krankheit und keine Schmerzen mehr gibt, der Vollendung vorbehalten ist (Offb.21,4; 22,2). Jetzt leben auch Gläubige mit geschöpflicher Schwachheit und auch Krankheit (Römer 8,22; Phil. 2,26; 2.Tim 4,20; 2.Kor.12,7). Die Heilungsversprechen mancher Wunderheiler sind damit nie vom Wort Gottes abgedeckt, und es wird bedenklich, wenn ihnen mit Medialität oder Massensuggestion nachgeholfen werden soll. Manche Art der Heilungsbetonung verlässt den Boden des Neuen Testaments und wird zu einer Form des Wohlstandsevangeliums, wie sich Mensch dies gerne wünscht.

Es fällt auf, dass die Pfingstbewegung gerade mit ihren Sonderbetonungen, biblisch betrachtet, sich eher auf Problemgrund bewegt. Aber gerade diese problematischen Ansatzpunkte wirken in der charismatischen Bewegung nach. Das Problem der pfingstlich‑charismatischen Bewegungen ist nicht das, was sie mit anderen evangelikalen Christen verbindet, sondern was sie von ihnen unterscheidet. Dass die pfingstlich‑charismatischen Bewegungen aber gerade mit ihrem Sondergut andere christliche Kreise zu beeinflussen suchen und die Charismatische Bewegung es von Anfang an als ihre Strategie betrachtete, ihre Sonderanliegen in bestehende Gemeinden und Kirchen hineinzutragen, macht sie so konfliktträchtig und infektiös. Sie ist das Kuckucksei im evangelikalen Nest.

Wolfram Kopfermann sagte vor eini­ger Zeit: „Die Charismatische Bewe­gung ist heute in einer extremen Weise gefährdet durch Irrlehre. Ich habe manchmal den Eindruck gehabt: wenn nicht ein grundsätzlicher Kurswechsel erfolgt, eine radikale Rückbesinnung auf die Bibel unter der Frage: Können wir das, was wir hier im Begriff sind, zu tun und zu lehren, von der Bibel her begrün­den?, dann wird sich ein Mechanismus verfestigen, …nämlich eine extreme Mo­deanfälligkeit. Dann wird es so sein, dass alle zwei bis drei Jahre, vielleicht sogar rascher, eine neue sogenannte charismati­sche Mode auftritt, die man zunächst herzlich begrüßt, dann nach einiger Zeit nicht mehr mitmacht, weil sie von einer neueren Mode überrollt wird, wobei die bi­blisch notwendige Frage: Ist das der Schrift gemäß? bestenfalls nachträglich gestellt wird ‑ wo sie doch an allem An­fang notwendig gewesen wäre.“ –  Dem kann man nur zustimmen und Buße for­dern, anstatt voreilig Schulterschlüsse zu vollziehen.

 

 

Der Autor Prof. Dr. Helge Stadelmann ist  Rektor der Freien Theologischen Akademie (FTA) Gießen.  –  Die Schrift entstand unter Mitwirkung von Alexander Seibel, Wetzlar, Evangelist bei der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland.

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