Heinrich Jaenecke
Es lebe der Tod
– El viva muerte –
Die Tragödie des Spanischen Bürgerkrieges (1936 – 1939)
Eine Kurzfassung des Stern – Buches: Es lebe der Tod.
Herausgeber: Henri Nannen.
Gekürzt von Horst Koch, Madrid, im Januar 2025
Inhalt
Vorwort
1. Eine Republik wird ermordet
2. Die Stunde der Revolution
3. Hitler greift ein
4. Stalin greift ein
5. Die Schlacht um Madrid
6. Die Deutschen retten Franco
7. Rot gegen Rot
8. Fertigmachen zum Untergang
9. Der Zusammenbruch
10. Die Lange Nacht der Diktatur
Vorwort
Diese vorliegende Kurzfassung zeigt Geschichte, Hintergründe und ihre Folgen eines uns Deutschen fast völlig unbekannten Konfliktes, dem Fachleute eine Bedeutung ähnlich der beiden großen Weltkriege zumessen. Er ist die Vorwegnahme oder der Beginn eines bis heute andauernden Kulturkampfes zwischen Links und Rechts. Und immer hielten sich beide Lager für die Besseren, für das Gute, für welches es sich zu kämpfen und sterben lohnt.
El viva muerte – Es lebe der Tod -, war zeitweilig der Schlachtruf beider Seiten. Ein zerstörtes Spanien, über 600.000 Tote und eine tiefe Spaltung des Volkes sind das Resultat.
Heinrich Jaenecke
Eine Republik wird ermordet
„Der Spanische Bürgerkrieg war kein Bürgerkrieg im herkömmlichen Sinn. Spanien hat damals den großen europäischen Bürgerkrieg des Jahrhunderts auf seinem Boden ausgetragen und mit 600.000 Toten und den Verwüstungen des Landes bezahlt.“
So Heinrich Jaenecke im Vorwort. Weiter schreibt er: „Der Krieg wurde von Anfang an durch Legenden verklärt und verdunkelt, auf der Rechten wie auf der Linken. … in diesem Krieg wurden drei Kriege zugleich geführt:
Der Krieg der Spanier untereinander,
der Krieg der Achsenmächte gegen die Sowjetunion und schließlich
der innere Krieg der Linken untereinander, die eigentliche Tragödie der Republik.“ – „…denn ohne die Zersplitterung der Linken … hätte Franco schwerlich gesiegt.“
Soweit aus dem Vorwort.
„Unter Links verstand man die sog. Progressisten, die Republikaner und ihren Kern, die Liberalen. Der stärkste Block jedoch war die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), daneben noch Gruppierungen von Marxisten als auch Anarchisten, mit ihrer Hochburg Barcelona.“
„Die Traditionalisten waren die Monarchisten, der Adel, die Kirche, die Großgrundbesitzer, das katholische Bürgertum und das Offizierskorps. Sie waren aber auf irrationale Weise reaktionär. Ihre Ideologie war die ‘Hispanidad‘, ein mystischer Glaube an die Größe, Auserwähltheit und historische Sendung Spaniens. Jener Glaube, der schon die Konquistadoren bei der Eroberung
Südamerikas beseelte . . .
Mit der Zeit entstand noch die ‘Falange‘, eine faschistische Gruppe mit Verbindungen zur NSDAP und Mussolini …“
Kurz die Entwicklung. In den letzten hundert Jahren, von 1833 bis 1931 hatte es drei Bürgerkriege gegeben, . . . die Dynastie der spanischen Bourbonen erwies sich als unfähig, auch nur eines der Probleme zu lösen. Es waren immer die gleichen Probleme:
Großgrundbesitz oder Landreform, Zentralstaat oder Autonomie für Basken und Katalanen, Staatskirche oder laizistischer Staat, Autoritarismus oder Demokratie.
Spaniens letzter König, Alfonso XIII., versuchte es zum Schluss mit einer Diktatur, von 1923 bis 1930. Er setzte 1931 Neuwahlen an, die die Republikaner in allen größeren Städten gewannen.
Alfonso dankte ab und verließ das Land. Die span. Monarchie war erloschen. Sang- und klanglos. Unbeschreiblicher Jubel erfüllte im Jahre 1931 ganz Spanien. „Die Revolution war so sauber vor sich gegangen, … dass das erste Gefühl das Gefühl stolzer Freude war, … die Republik ist lächelnd gekommen und hatte schon bald einen Namen, – La nina bonita – das schöne Mädchen“
Soweit Salvador de Madariaga.
Doch das schöne Mädchen erwies sich bald als anämisch, ja als todkrank. Die Republik war ebenso außerstande, die spanischen Lebensfrage zu lösen wie die Monarchie. Nach wie vor zog sich durch die Nation ein Graben, der die Spanier in zwei unversöhnliche Lager teilte, die Traditionalisten und die Progressisten.
Diese beiden Lager bildeten das einzige Kontinuum in der ganzen chaotischen Geschichte des Landes. Sie hatten alle Bürgerkriege und Umstürze überlebt, und sie standen sich in der Republik mit größerem Hass als je zuvor gegenüber. …
Dem Abgrund entgegen
Die fünf Friedensjahre der Republik waren jedoch letztlich nichts anderes, als eine verdeckte Vorbereitung auf den Bürgerkrieg. Ab 1931 hatte die Linke im Parlament die Mehrheit, und ihr Programm hieß eindeutig:
‘…Demokratische Republik der Arbeitenden aller Klassen‘, so die Präambel.
Staat und Kirche wurden getrennt, Basken und Katalanen erhielten Autonomie, eine Agrarreform sah die Enteignung des Großgrundbesitzes vor.
… die Anarchisten sahen in den Reformen einen Freibrief zur Gewalt. Kirchen und Klöster gingen in Flammen auf, Gutshöfe wurden besetzt, Polizisten ermordet. Auf der anderen Seite unternahm die Rechte schon den
ersten Militärputsch, unter der Führung von General Sanjurjo, der aber scheiterte. Sanjurjo musste nach Portugal fliehen. Im Jahr darauf gewannen die Rechten die Neuwahlen. …
Die Antwort der Linken war eine Welle von neuen Terroranschlägen und Streiks, …1934 drohte Spanien im Chaos zu versinken. …
Die Regierung schlug mit grosser Härte zurück…, die gesamte Parteiführung der Linken wurde verhaftet…, die Autonomie für Katalonien wieder aufgehoben, viele Katalanen wurden verhaftet, auch Führer der katalanischen Nationalisten…, der Bergarbeiteraufstand in Asturien wurde niedergeschlagen, mit der Bilanz von 1300 Toten bei den Bergarbeitern und 300 auf Regierungsseite. … Ende 1934 waren 30.000 Spanier wegen politischer Straftaten in Haft.
Doch die Mitte-Rechts-Regierungen konnten sich ebensowenig halten wie die
Mitte-Links-Regierungen. Nach der 26. Regierungskrise der Republik wurde das Parlament abermals aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben. …
Inzwischen hatten sich beide Seiten neu geordnet, für eine Mitte war kein Platz mehr. Die vereinten linken Gruppierungen nannten sich nun Volksfront, die rechte Seite ihr Bündnis Nationale Front (Fronte Nacional. – Es waren die vorweggenommenen Fronten des Bürgerkrieges, der fünf Monate später ausbrach. . . .
So traten beide Spanien im Februar 1936 zur Wahl an, die ruhig begann, so dass man meinte, die Vernunft hätte doch gesiegt. Die Wahl brachte einen klaren Sieg der Linken. Die Volksfront erhielt in den neuen Cortes (Parlament) in Madrid die absolute Mehrheit. Der erste Ministerpräsident, Azana, erließ sofort eine Amnestie für alle politischen Gefangenen. . . “
Kurz, für die Fronte Nacional war dies das Signal zum Angriff. Sie forderten die Annullierung der Wahlen, General Franco persönlich wurde beim Staatspräsident Zamora vorstellig, worauf er aber strafversetzt wurde, nach Teneriffa. Nun traf die Verhaftungswelle die Rechten. . . .
Die Regierung begriff, daß es jetzt um die Existenz der Republik ging. . . . Doch es gelang der Volksfront-Regierung nicht, die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Der Terror entwickelte seine Eigendynamik. Täglich wurden Überfälle, Morde und Brandschatzungen gemeldet. Von beiden Seiten. . . .
Der letzte Versuch, die Katastrophe abzuwenden, war die Neuwahl des Staatspräsidenten, welches keine Veränderung der Situation brachte. …
Die Lawine rollt
Die Rechten hatten einen Putsch geplant, der so aussah: In Spanisch – Marokko sollte General Franco alle Garnisonen in seine Hand bringen, sie mit der spanischen Marine aufs Festland bringen, wo sie im Zangengriff auf Madrid zusteuern wollten. . . .
Doch die Marine verweigerte General Francos Befehl. Nun saß er in Marokko fest, kurz, der Putsch war vorerst gescheitert. . . .
Doch General Franco gibt nicht auf. Er sucht Kontakt nach Deutschland und bittet Hitler um Flugzeuge, um aufs Festland zu kommen. . . .
Die Stunde der Revolution
Die Regierung der bürgerlichen Liberalen steht dem Generalsputsch ohnmächtig gegenüber.
Am nächsten Tag, dem 17. Juli 1936, springt die Militärrevolte von Spanisch-Marokko auf das Mutterland über und breitet sich wie ein Steppenbrand in alle Himmelsrichtungen aus. Überall erheben sich die Garnisonen. Die regierungstreue Truppen schmelzen dahin… Nach 48 Stunden besitzt die Regierung kein einziges Regiment mehr.
Es gibt nur eine Chance, die Republik zu retten – die Bewaffnung der Arbeiter. . . , und bald ziehen Hunderttausende freudetrunkener Arbeiter mit roten Fahnen durch die Straßen. Das ist die Revolution.
Das Ja der Regierung zur Volksbewaffnung ist nur der letzte Knopfdruck, für die Revolution. In dieser Nacht des 19. Juli geht die Gewalt des Staates auf die Straße über.
Die Stunde, auf die die Anarchisten so lange gewartet haben, ist endlich gekommen. In der Nacht zum 19. Juli gibt der Ministerpräsident Dr. Jose Giral Order, die Waffenarsenale des Staates den Arbeitern zur Verfügung zu stellen. Die Schleusen der Revolution sind geöffnet.
Als Madrid am 20. Juli erwacht, ist es eine andere Stadt. Es ist Petersburg 1917, Paris 1789.
Am Morgen des 20. Juli wälzen sich Massen bewaffneter Arbeiter auf Madrids letzte Festung zu, die Montana Kaserne. Sie ist der Hauptsitz der Madrider Garnision. . . . Nach verlustreichen Kämpfen fällt sie in die Hände der Aufständischen, kurz, als der 20. Juli zur Neige geht, hat die Revolution in Madrid gesiegt. Über allen Kasernen weht die Rote Fahne. Die Volksmiliz ist
geboren. Die Toten dieses Tages wurden nie gezählt. . . .
In Barcelona ist Francos Putsch ebenso verlustreich im Blut erstickt. . . .
„Man erschiesst hier, wie man Bäume fällt“.
Militärisch gesehen hatte Franco die erste Runde verloren. Eine Woche nach Beginn der Erhebung zeichnet sich folgendes Bild ab. Die Volksfront-Regierung kontrolliert den größten Teil des Landes, mit den Industriegebieten Kataloniens und des Baskenlandes…
Der Staat war unter dem doppelten Anprall des Militärputsches und der Revolution zusammengestürzt wie ein Kartenhaus. . . .
Es gab keine Polizei, keine Justiz, keine Bürgermeister mehr. Der alte Traum der Anarchisten war erfüllt – der Staat hatte sich aufgelöst.
Es gab nur noch die Macht der Komitees. Spanien wurde eine Räterepublik.
„Sobald man die Grenze überschritten hat, wird man von Bewaffneten angehalten“, berichtet im August 1936 der französische Journalist Robert Louzon. „Wer sind diese Menschen? Sie sind Milizangehörige, das heißt Arbeiter in ihrer gewöhnlichen Kleidung, aber mit Waffen. Bei ihnen liegt die Entscheidung, ob man gleich zurückgeschickt oder ob das Komitee eingeschaltet wird.
Das Komitee ist eine Gruppe von Menschen, die irgendwo im Nachbardorf residiert und dort die gesamte Macht ausübt. Es hat lokale Miliz organisiert, es genehmigt das Betreten und Verlassen des Ortes, es hat die Geschäfte der Faschisten geschlossen und nimmt die unvermeidlichen Requisitionen vor“.
So ähnlich sah es in den ersten Monaten des Bürgerkrieges überall auf dem Territorium der Republik aus. …
Der deutsche Kommunist Gustav Regler, der in jenen Tagen in Madrid eintraf, schreibt: Es war etwas Trunkenes in den Menschen, ein heiterer Irrsinn im Spiel, ein Fanatismus für eine Freiheit, die nie zu einem geordneten Staatsgebilde führen konnte. In ihrem äußeren Gebaren wirkten die Milizionäre, als hätte die Französische Revolution sie auf die Straße geschleust. Sie liebten wehende Fahnen, sie bauten Barrikaden, die mehr hinderten als nutzten, sie rasten mit
beschlagnahmten Cadillacs durch die Gran Via.“
Vom ersten Tag an versuchten sie ihre Utopie von der klassenlosen Gesellschaft in die Praxis umzusetzen – ohne Rücksicht auf die Erfordernisse des Krieges. Auch in Barcelona führten die Milizen ein düsteres proletarisches Regiment. Sie trugen rote Halstücher, Revolver im Gürtel, beherrschten die Straßen. Theater, Restaurants, Luxushotels waren geschlossen. Man empfahl den Frauen, keine Hüte mehr zu tragen…
Auch im ländlichen Aragonien wurde die Landwirtschaft kollektiviert. Kleinbauern zwang man in Kolchosen… Überschattet wurde alles durch die vielen Erschießungen. Der Auftakt des Bürgerkrieges war ein Blutrausch, wie ihn Spanien noch nicht erlebt hatte. Er stieg aus den Tiefen der Geschichte auf und entlud sich in einer Orgie gegenseitiger Vernichtung – auf der Rechten wie auf der Linken. Nach Schätzungen des britischen Historikers Hugh Thomas
wurden in diesem Sommer 80.000 Menschen umgebracht. Es war der Versuch der beiden Spanien, die andere Seite auszurotten.
Der deutsche Augenzeuge Franz Borkenau schreibt, ein ‘Massenterror im doppelten Sinn des Wortes. Er wurde von den Massen geführt, und er forderte Massen von Opfern. Er erinnerte an die Massaker vom September 1792 in Paris und an die Massaker von 1918 in Russland.‘
Der Terror richtete sich gegen die Kirche, gegen das Bürgertum, gegen ‘rechte’ Politiker, gegen die Funktionsträger des bürgerlichen Staates. Er richtete sich gegen alle Andersdenkenden und war ein bequemer Deckmantel für Abrechnungen mit privaten und politischen Rivalen.
Das Instrument des Terrors waren die „Tschekas“, so genannt nach der ersten
bolschewistischen Geheimpolizei. Aber die spanischen Tschekas von 1936 waren nichts anderes als Mordkommandos bestimmter Gruppen und oft simple Gangsterbanden. Alle Milizgruppen, alle politischen Parteien der Linken, alle Stadtteile, alle Dörfer hatten ihre Tschekas. Allein in Madrid soll es 277 Tschekas gegeben haben.
Alle Tschekas hatten die gleiche Methode: Vor Sonnenaufgang holte sich das Kommando seine Opfer, setzte es in ein Auto und erledigte es irgendwo außerhalb am Straßenrand. Die spanische Redensart „dar un paseo“ (eine Spazierfahrt machen) wurde zum Synonym für Mord, und bis heute hat das Wort seinen makabren Klang nicht verloren. . . .
Die Regierung war außerstande, den Terror einzudämmen. Sie schloss die Augen vor den Blutbädern. Erst ein Jahr später raffte sich der neuernannte Justizminister Manuel de Irujo, ein katholischer Baske, dazu auf, den Terror öffentlich zu verurteilen. . . .
Der Terror wütete am erbarmungslosesten gegen die Kirche. Die Revolutionäre glaubten, daß „die Kirche der schlimmste und gefährlichste Feind des Fortschritts, der Reform, der sozialen Gerechtigkeit sei“, so der französische Historiker Broue.
„Wenn spanische Arbeiter und Bauern Kirchen in Flammen aufgehen ließen und Geistliche erschossen, glaubten sie nicht nur den Erzfeind zu treffen, sondern auch das schlechthin Böse auszurotten.“
Es gibt Dokumente unbeschreiblichen Grauens über die Kirchenverfolgung. Heute erschrecken selbst spanische Anarchisten darüber. … Es wurden fast 8000 Kleriker ermordet. . . ., am 11. August 1936 verbot die Zentralregierung in Madrid offiziell den Gottesdienst und ordnete die Schließung aller Kirchen an.
Der französische Dichter Saint-Exupéry zieht im Sommer 1936 mit einer Kommission durch Spanien, um Unschuldige zu retten.
“Man erschießt hier, wie man Wälder abholzt“, schreibt er. . . .
Es war ein politisches Wunder, dass aus dieser Republik, die vom Fieber des Massenterrors geschüttelt wurde, die keine Armee besaß, die nur noch ein Spielball der Anarchie war – dass aus dieser Republik wieder ein Staat wurde … und sich nun dem eigentlichen Gegner, dem General Franco, zuwenden konnte.
Hitler greift ein.
Der Bürgerkrieg war gerade eine Woche alt, als Hitler beschloss, militärisch einzugreifen. . . . (Aufgrund von Francos Hilfeersuchen)
. . . Das Unternehmen „Feuerzauber“, Göring direkt unterstellt, läuft mit einer Präzision ab, auf die alle Beteiligten noch Jahre später stolz sind. Am 11. August 1936 landet die erste JU 52 in Spanisch- Marokko…, die leichteren deutschen Jagdflugzeuge werden mit Schiffen nach Cádiz gebracht, das in der Hand der Franquisten ist.
… Es ist erste Luftbrücke der Kriegsgeschichte. … Aber keiner der jungen deutschen Flieger schien darüber nachzudenken, für welche Sache er eigentlich sein Leben einsetzte. Der Gegner waren für sie schlicht die Roten, die gleichen, mit denen der Führer zu Hause Schluss gemacht hatte. Die Nationalen, das waren die „echten“, die patriotischen Spanier. Keinem der Deutschen schien aufzufallen, dass die fremden Soldaten, die sie in ihren JU 52 aus Marokko
herübergeholt hatten, keine glühenden Patrioten waren, in ihrer Mehrzahl nicht einmal Spanier.
Diese Truppen waren Söldner – Fremdenlegionäre und Marokkaner. Sie führten Krieg, weil sie dafür bezahlt wurden. Töten war ihr Beruf. So waren die Speerspitze des „Kreuzzuges“ – fanatische Moslems. Und ihre gefürchtetste Waffe war das Messer. Sie führten Krieg so, wie im Orient immer Krieg geführt wurde:
Die Gefangenen wurden niedergemacht, die Orte geplündert, die Frauen vergewaltigt, und mehr…
Fremdenlegion und Moros bildeten zusammen eine Streitmacht von 34.000 Mann. Bald waren sie alle auf das Festland gebracht, kurz, Sevilla fiel
zuerst, dann Toledo, und jede Stadteinnahme wurde zum Blutgemetzel. . . Waren vor einem Jahr die Regierungstreuen die Rechten, die von den Linken ermordet wurden, waren die jetzigen Regierungstreuen die Linken die massenweise erschossen wurden. Es entwickelte sich ein Blutrausch sondergleichen. Oft wurden auf den Plätzen die Erschossenen liegen gelassen,
zur Abschreckung…
„Viva la muerte“ – es lebe der Tod
Toledo war der erste grosse Sieg Francos…
Im Jahre 1937 schätzen Historiker um 40.000 Tote durch Hinrichtung. . . . Über das ‚befreite‘ Spanien senkt sich das Schweigen der Friedhöfe. …
(Die im Buch von Henri Nannen aufgezählten Einzelschicksale sind hier nicht aufgezählt. Anm.H.Koch).
Stalin greift ein
Die Volksfrontregierung unter dem linksliberalen Jose Giral hoffte auf Unterstützung der Westmächte, bes. Frankreich, doch diese schlossen ein Nichteinmischungsabkommen ab, kurz, nur Hitler unterstützte Franco, und Stalin die Seite der Republik. Anfangs übte Stalin Zurückhaltung, doch er konnte ja nicht tatenlos zusehen, wie die spanische Arbeiterklasse vom Faschismus
zermalmt wurde. Es trafen erste Waffenlieferungen aus Moskau ein. Am 12. Oktober lief ein Frachter in Cartagena ein, leichte Waffen und Munition sowie einige leichte Panzer… Bezahlen ließ sich Stalin die Waffen mit Goldbarren, man spricht von über 7000 Kisten Goldbarren, viel zu viel, die Details wurden nie genau aufgeklärt. …
Die Internationalen Brigaden werden geboren
Unter russischer Leitung entstand nun eine Truppe, die Internationalen Brigaden. Sie wurden zur großen Saga des Bürgerkrieges. Tausende von Freiwilligen hatten sich bald nach Kriegsbeginn bei den spanischen Botschaften im Ausland gemeldet. Die meisten kamen aus den Reihen der kommunistischen Parteien, aber auch Liberale und Parteilose. Sie spürten, dass auf dem glühenden Hochplateau Kastiliens um die Zukunft Europas gekämpft wurde. Unter den Intellektuellen dieser Generation gab es kaum einen, der nicht wenigstens als
Augenzeuge dabei sein wollte. . . . Im Gegensatz zu den spanischen Milizen herrschte hier von Anfang an militärische Zucht und Gehorsam. Es gab fünf Internationale Brigaden mit über 10.000 Mann, insgesamt kämpften im Verlauf des Krieges ca. 40.000 Mann aus über 50 Nationen. . . . Leider waren ihre Verluste ungewöhnlich hoch. . . .
Die Schlacht um Madrid
Madrid war in den dreißiger Jahren eine der großen Metropolen. Eine Mischung aus Berlin und Paris. . . Schon früh besaß Madrid ein vielbewundertes U-Bahn-Netz, den einzigen Wolkenkratzer Europas, kurz vor dem Sturz von Alfonso XIII. errichtet. . . . Das war vor dem Bürgerkrieg.
Im November 1936 erlebte diese Stadt als erste die Feuerwalze des modernen
Luftkrieges. Etwas ähnliches gab es vorher nicht. Francos Afrika-Armee hatte sich Anfang Oktober von Südwesten her bis auf 40km an Madrid herangeschoben. Von der Gran Via aus konnte man jetzt schon das Artilleriefeuer hören.
Franco traf alle Vorbereitungen für die Besetzung der Stadt. Er ließ Verhaftungslisten ausarbeiten. . . Die ausländischen Journalisten erwarteten täglich den Fall der Stadt. . . Am 4. Oktober durchbrechen die Marokkaner nach schwerer Artillerievorbereitung den inneren Verteidigungsring Madrids beim Vorort Getafe. Die republikanische Miliz wird aufgerieben. . . .
Madrid scheint verloren zu sein. . . .
Die Russen kamen buchstäblich in letzter Minute. Das erste Kriegsmaterial traf am 12. Oktober in Cartagena ein, wenige Tage später rollten die ersten Panzer im Ostbahnhof Madrids von der Verladerampe, sie fuhren direkt ins Zentrum der Front, kurz, . . . aus allen Rohren feuernd fuhren die Russen in die Masse hinein und zermalmten in den engen Gassen Pferde und Reiter unter ihren Ketten. Der Vorstoß hatte eine beträchtliche psychologische Wirkung, aber er konnte die Offensive der Marokkaner nicht aufhalten. … Madrid scheint verloren zu sein. …
. . . Zugleich fegt eine neue Terrorwelle durch Madrid. Sie ist mit dem Namen Santiago Carrillo verknüpft. Damals war er 21 Jahre alt und der sog. Sicherheitskommissar, und damit der Polizeichef der Millionenstadt. . . Als der Chef der Belagerer, General Mola, im Radio auf die Frage, welche seiner vier Kolonnen die Hauptstadt einnehmen, antwortet er: „Keine der vier, sondern die fünfte, die ist schon in der Stadt“.
Mit dieser Aussage schürt General Mola die Hysterie der kommunistischen Sicherheitsorgane.
Wer auch nur nach „Faschist“ aussieht, wird verhaftet. Die „paseos“, die heimlichen Morde, gehen von neuem los. Carrillos jugendliche Sicherheitsfanatiker fackeln nicht lange. . . .
In der zweiten Novemberwoche ereignet sich ein grauenvolles Blutbad: Die Junta ordnete die Evakuierung der politischen Gefangenen an, nach einem Gefängnis 30 km östlich von Madrid.
Es sind etwa 500 bis 800. Der Transport geht am Abend des 7. November ab – aber er kommt nie in Arganda an. Auf halbem Weg, bei dem Dorf San Fernando, findet man später die Leichen in eilig ausgehobenen Massengräbern. . . .
Carrillo leugnet das Verbrechen nicht – bestreitet aber seine Verantwortung.
Mitte November tritt Francos Afrika-Armee zum Sturm an . . . der Manzanares wird überschritten und man ist am Fuße des Königsschlosses. Doch die Moros bleiben im Feuer der Verteidigung stecken. . . .
Die XI. Brigade rettet Madrid
Am nächsten Tag, als die Panik in den Häusern Madrids lauert, dröhnt der seltsame Marschtritt von Nagelstiefeln über die Gran Via. Eine Truppe von 2000 Mann, mit Stahlhelm, zieht singend durch die Hauptstraße. Was singen sie – es ist die „Internationale“.
„Hurra, die Russen kommen“, schreien die Madrilenen. Aber es sind keine Russen, _ es ist die XI. Internationale Brigade. Sie erscheint wie Blücher bei Waterloo. Chef der Brigade ist General „Kleber“, ein Bukowiner namens Stern, ein Offizier des 1.Weltkrieges. Er greift die Marokkaner direkt so
massiv an, dass nur wenige von ihnen entkommen. . . .
Die Schlacht dauert 16 Tage und ist sehr verlustreich.
So muss die XII. Brigade der Internationalen ran. … Dennoch gelingt es den Marokkanern über die Manzanaresbrücke zum Universitätsgelände vorzudringen. … Ein erbarmungsloser Kampf um jedes Haus beginnt. …
Die Universitätsstadt, der Stolz Spaniens, sinkt in Trümmer. Beide Seiten krallen sich in den Ruinen fest. Jeder Tag kostet Hunderte von Toten. …
Unterdessen fliegen deutsche und italienische Bomberstaffeln ununterbrochen Luftangriffe gegen Madrid. Es ist die erste systematische Flächenbombardierung einer Großstadt. Aber, während Madrid brennt, stabilisiert sich die Front. Francos Offensive ist steckengeblieben. …
Franco versucht nie wieder, Madrid frontal zu erobern. . . Die Stellungen erstarren bis zum Ende des Bürgerkrieges. …
Ilja Ehrenburg berichtet, . . . als eine Granate ins Hotel Florida auf der Gran Via einschlug, trank Ernest Hemingway in Ruhe Whisky und schrieb an seinem Buch ‚Wem die Stunde schlägt’ weiter …
Die Deutschen retten Franco.
Francos Niederlage vor Madrid veränderte den Krieg. Der Traum vom schnellen Sieg war aus.
Es war sogar zweifelhaft, ob Franco den Krieg überhaupt gewinnen konnte. . . .
So mussten die faschistischen Mächte ihrem Schützling den Sieg erkämpfen. . . Aus Francos Krieg wurde ein Krieg der Achsenmächte. Italienische Infanterie – Einheiten waren in Cádiz an Land gegangen. Sie wuchsen bald auf 50.000 Mann, ihre erste Eroberung war Málaga im Februar 1937. Dann dringen sie vor bis Guadalajara, wo sie eine Niederlage erleben, kurz, Mussolini hat verloren. …
Damit kommt die Stunde der Deutschen. Diese Legion Condor umfasst ca. 6.000 Mann. …
Ihren Kern bilden die fliegenden Verbände. Sie werden 1937 mit den modernsten Maschinen der deutschen Luftwaffe ausgerüstet, dem Bomber He 111, dem Sturzkampfflugzeug (Stuka) Ju 87, dem Fernaufklärer Do 17 und dem Jäger Me 109, mit diesen Flugzeugtypen erringt Hitler bald darauf die Blitzsiege des Zweiten Weltkriegs. In Spanien werden die Modelle erstmals erprobt. … Diese
Truppe ist das schlagkräftigste Instrument auf dem ganzen Kriegsschauplatz. …
Guernica in Flammen
Der deutsche Kommandant schlägt Franco vor, zuerst den Norden zu erobern und damit den Zweifrontenkrieg zu beenden. Außerdem lag hier die industrielle Basis Spaniens, kurz, das erste Ziel war das Baskenland.
Die Basken waren streng katholische Bauern und Besitzbürger. Aber sie standen treu zur roten Republik. …
Am 31. März 1937 begann Francos Offensive. Für die Legion Condor war es die erste große Operation. …
General Sperrle und sein Vize General von Richthofen waren sich bewusst, daß sie den ersten Kriegseinsatz der neuen deutschen Wehrmacht leiteten und das Auge des Führers auf der Legion Condor ruhte.
Die Basken waren dem ersten Einsatz einer modernen Luftwaffe schutzlos preisgegeben. …. Pausenlos wurden Luftangriffe geflogen . ….
Am 26. 4. 1937 wird Guernica angegriffen. Die Stadt war das politisch – religiöse Zentrum des Landes. Nach der Bombardierung hatte laut Angaben der Regierung die Stadt 1654 Tote zu beklagen, es blieben nur noch Ruinen übrig. Ihr Name wurde zum Symbol für den Bombenterror gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung. … Der internationale Protest wurde General Sperrle angelastet, sogar von Franco heißt es: Er war blass vor Wut und sagte dem deutschen Verbindungsoffizier, „er führe ja schließlich keinen Krieg gegen sein eigenes Volk“. – So der Historiker Ramon Salazar. ….
Die Reste der Baskenarmee kapitulierten kurz nach dem Fall Bilbaos. …
Nach der Unterwerfung der Basken machte sich Franco an die Eroberung Asturiens, des letzten Bollwerks im Norden. …. und gegen die deutschen Luftangriffe hatten auch die tapferen Asturier kein Mittel. … Kurz, die deutsche Luftwaffe probierte sowohl Flächenbombardements als auch ein Vorläufer der Napalmbomben.
Oberleutnant Adolf Galland schrieb: „… meine Techniker montierten an einem Benzinbehälter, der mit Benzin und Altöl gefüllt war, jeweils eine Brandbombe und diese warfen wir über den Dörfern und Städten ab. Die Wirkung war immens. „ „So sammelten wir Erfahrungen, die nach Berlin gemeldet wurden“. Für die deutsche Luftwaffe waren alle diese Erfahrungen sehr hilfreich. …
Hitler fordert seinen Lohn
Ende Oktober war ganz Asturien besetzt. Franco kontrollierte jetzt ganz Nordspanien. Dank der Legion Condor hatte er ein Jahr nach seiner Niederlage vor Madrid einen entscheidenden Sieg gegen die Republik errungen. Aber, zusammen mit seinen Glückwünschen präsentierte Hitler seine Rechnung. Er verlangte die Abtretung eines Großteils der nordspanischen Erz- und Kohlegruben.
Franco wies die Beuteforderung zurück . … Göring schäumte vor Wut. Er drohte Franco mit dem sofortigen Abzug der Legion Condor. … Spanien gab nach. Es räumte den Deutschen die Kapitalmehrheit an fünf Bergbaugesellschaften, … was die Sicherung der Eisen- und Kupferversorgung bis fast Kriegsende sicherstellte. Franco blieb aber dauerhaft verstimmt. …
General Mola stürzte mit dem Flugzeug in Burgos ab, vorher war General Sanjurjo auf dem Weg von Portugal verunglückt, somit blieb aus dem Triumvirat der Anfänge nur noch Franco am Leben. Ab Sommer 1937 war er somit Alleinherrscher über „National-Spanien“. Dies war der Beginn seiner persönlichen Diktatur.
Rot gegen Rot
„Ein Bürgerkrieg ist kein Krieg, sondern eine Krankheit“, schrieb Antoine de Saint-Exupéry 1936 in Spanien. „Es geht bei diesem Kampf nicht darum, den Feind aus dem Land zu jagen, sondern ein Übel zu heilen. Der Tod erfüllt hier die Funktion der Isolierabteilung in einem Lazarett. Man reinigt sich von Keimträgern …“
Die span. Republik wurde von zwei Krankheiten, zwei Bürgerkriegen zugleich geschüttelt. Der eine war der Kampf gegen Franco, der andere war ein Krieg im eigenen Lager, der Kampf der kommunistischen Partei gegen die übrige Linke.
Für viele, die nach Spanien kamen, um Freiheit und Sozialismus zu verteidigen, wurde dies zur traumatischen Erfahrung ihres Lebens. In der europäischen Linken hat dies tiefere Spuren hinterlassen als die Niederlage gegen Franco.
Etliche Linke brachen daraufhin mit dem Leninismus, wie George Orwell und Arthur Koestler. Über dem Drama lag der düstere Schatten Josef Stalins. Gerade zu der Zeit, als Madrid Hilfe brauchte, lief in Moskau die große Säuberung an. …
Dies hatte auch international Auswirkungen. Auch in Spanien bekämpften die „Stalinisten“ die „Trotzkisten“, wie alle „Abweichler“ genannt wurden. Kurz, Rot gegen Rot schwächte die republikanische Seite ungemein. …
Das Ende der Anarchisten
In Barcelona dauerten die Kämpfe zwischen den Anarchisten und den Republikanischen Kräften vier Tage an. Als, zum Ende hin, LKWs mit Anarchisten die Via Layetana herunterfuhren, glaubten sie schon alles in der Hand zu haben. Plötzlich feuerte von einem Balkon ein Maschinengewehr. Die Männer sprangen heraus und suchten Deckung, doch das MG hörte erst auf, als sich keiner mehr rührte. …
Kurz, die Anarchisten streckten die Waffen, das war das Ende dieser Bewegung.
Nun waren die moskautreuen Kommunisten die beherrschende Kraft der Republik. Der Mann, der nun die Regierung übernahm und die große Säuberung in Gang setzte, ist die umstrittenste Figur des spanischen Dramas. Er hieß Juan Negrin. …
Man kann von Negrin annehmen, dass er nur ein Ziel im Auge hatte, nämlich den Krieg gegen Franco zu gewinnen. … Im April 1937 gab es jedoch nur eine Macht, die ihm dabei helfen konnte, die Sowjetunion. Wenn er die Republik retten wollte, musste er Stalins Bedingungen akzeptieren. Und wenn Stalins Hauptbedingung darin bestand, die Revolution in Spanien endgültig zu stoppen und die nichtkommunistische Linke auszuschalten, so konnte ihm das nur
recht sein. …
So wurde Negrin in den Augen der meisten Zeitgenossen zum Erfüllungsgehilfen Moskaus …
Kurz, die Kommunisten saßen nun in allen Schlüsselstellungen des Staates und der Armee. Sie waren zur beherrschenden Macht in Spanien geworden. Bereitwillig überließ Negrin den Kommunisten die Ausschaltung der linken Opposition, … und im ganzen Land begann nun die Hexenjagd auf die „Spione im Dienst des Faschismus, die verbrecherischen Trotzkisten …“, wie es hieß. … Unter vielen anderen auf Marc Rein, ein guter Freund von Willy Brandt. Brandt schreibt in Mein Weg nach Berlin: >Eines Tages war Marc aus seinem Hotel in Barcelona verschwunden, …wie später ermittelt wurde, dass man ihn liquidiert hatte<. Brandt hat kurz darauf Spanien verlassen. Für Willy Brandt wurde diese Episode zu einem politischen Schlüsselerlebnis. Als leidenschaftlicher Verfechter der sozialistischen Einheit war er nach Spanien gekommen, als erbitteter Gegner der Kommunisten kehrte er zurück.
Der erste Schlag war die Liquidierung des POUM. (Arbeiterpartei) Alle wurden verhaftet, auch ausländische Sympathisanten und Trotzkisten …, die meisten wurden nie wieder gesehen.
Die Operation wurde unter Führung des NKWD durchgeführt. …
Für viele Ausländer wurde die Hexenjagd zum Schock. Zu ihnen gehörte George Orwell, der daraufhin sein weltbekanntes Buch 1984 schrieb …
Am 19. Juli 1937 erklärte die Anarchistenführerin Frederic Montseny – wenige Wochen zuvor war sie noch in der Regierung in Barcelona- : „In Tarragona haben Mitglieder der Kommunistischen Partei Kataloniens 36 Genossen ermordet, in Sardanola wurden auf dem Friedhof die verstümmelten Leichen von zwölf Mitgliedern unseres Jugendverbandes gefunden …, eine Untersuchung fand nie statt.“…
Die letzte Bastion der Anarchisten war Aragonien. Seit Sommer 1936 übten sie die Macht aus, … doch im Herbst 1937 übernahm der kommunistische General Lister die Macht … „Er marschierte mit seiner Division in Aragonien wie in Feindesland ein, die Kollektivgüter wurden aufgelöst, die CNT-Mitglieder aus den Gemeinderäten entfernt, und der „schwarze Fleck“ Aragonien gesäubert“, schrieb die Kommunistische Presse. All dies vollzog sich natürlich unter dem Mantel strengster Geheimhaltung, und so bot das Spanien von 1937 nach außen ein respektables Bild, resepektabler als 1936… Der Staat hatte seine Autorität wieder hergestellt, und der Regierungssitz wurde Oktober 1937 von Valencia nach Barcelona verlegt, dem Wirtschaftszentrum Spaniens.
Nun konnte Negrin sich voll dem Kampf gegen Franco widmen. Die Republik besaß wieder eine Chance, vorausgesetzt, sie würde gleich gute und gleich viele Waffen erhalten wie der Feind.
40.000 Tote in Teruel.
Teruel, eine mittelalterliche Provinzstadt in Aragonien, fast 1000m über dem Meeresspiegel, bildete die äußerste Spitze eines Frontkeils, der tief in das republikanische Gebiet hineinragte.
Am 15. Dezember 1937 griffen die Republikaner mit 40.000 Mann an, aber sie kamen bei frostiger Kälte nur langsam voran. Dennoch besiegten sie die 3000 Verteidiger… Jedoch Franco schlug zurück. Am 5. Februar 1938 eröffneten 100 Batterien das Feuer auf die Republikaner. Zusätzlich flog die Legion Condor pausenlos Bombenangriffe, bis nach zwei Tagen die republikanische Front zusammenbrach. … 15.000 Mann gingen in Gefangenschaft, 10.000 lagen tot in den Trümmern von Teruel. Insgesamt forderte der zweimonatige Kampf um
die Stadt 40.000 Tote auf beiden Seiten.
Teruel brach die Kampfkraft der republikanischen Armee. Sie konnte sich von diesem Aderlass nicht mehr erholen. …
Abzug der internationalen Brigaden
Inzwischen hatte der Völkerbund vorgeschlagen, alle internationalen Truppen aus Spanien zurückzuziehen. So kam es zur Abschiedsparade am 29. Oktober 1938 in Barcelona. Es waren 6000 Mann, 3000 lagen in den Lazaretten. …
Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens im September 1938 war das Schicksal der spanischen Republik besiegelt. Die Westmächte hatten sich noch einmal mit Hitler arrangiert und gaben die Republik endgültig auf. Auch Stalin zog sich zurück…, er schloss mit Hitler den Nichtangriffspakt, und wandte sich von den Westmächten ab. Damit überließ er Spanien seinem Schicksal…, auf sich allein gestellt machte sich die spanische Republik fertig zum Untergang.
Hitler und Mussolini wollten die Sache schnell zu Ende bringen. Sie verdoppelten die Bombenangriffe. Was Barcelona im Herbst 1938 erlebte, war ein Vorgeschmack dessen, was Warschau ein knappes Jahr danach erleiden sollte.
Unter dem Bombenschirm der Verbündeten tritt Franco einen Tag vor Weihnachten 1938 zum Großangriff auf Katalonien an. An der Ebro – Front stehen auf republikanischer Seite nur noch 90.000 Mann, jeder dritte hat überhaupt keine Waffe mehr. Franco jedoch besitzt mehr Artillerie und Panzer als je zuvor. … Nach kurzer Zeit fiel Barcelona in die Hände Francos. …
Der Zusammenbruch
Über die Straßen der Costa Brava wälzte sich im Januar 1939 ein Heerwurm des Elends. Hunderttausende waren auf der Flucht. Ihr Ziel war die französische Grenze. Ihre Parole lautete: Rette sich, wer kann. …
Die besiegten Soldaten wurden in Frankreich, in den sumpfigen Niederungen an der Küste des Golfs von Lion interniert. Die Lager bestanden aus nichts als Stacheldraht und nackter Erde. Keine Baracken, kein Wasser, keine sanitären Anlagen, kaum Verpflegung. … Kaum besser erging es den Zivilisten, die weiter ins Landesinnere transportiert wurden. …
Am 8. Februar überschritt auch der Präsident der Republik, Manuel Azana, die Grenze. Über einen schmalen Bergpfad, mit Mitgliedern der katalanischen Regionalregierung, verließ er Spanien. …
Nur wenige Stunden später erreichten Francos Truppen die Grenze. Am Schlagbaum begrüßte ein Hauptmann die französische Grenzwache mit erhobenem Arm. Der Krieg war aus.
Der Krieg war aus – dies war die Meinung der Welt. …
Madrid – die letzte Bastion.
Madrid war seit über zwei Jahren Frontstadt, und die Stellungen verliefen noch immer dort, wo die Internationalen Brigaden Francos die Marokkaner gestoppt hatten. Aber Madrid war nicht mehr dieselbe Stadt. Es gab schon lange keinen Strom, kein Gas, kein Heizmaterial mehr. Die Stadt war am Ende ihrer Kraft. Sie wartete auf ihre Hinrichtung. …
Wie bei allen Zusammenbrüchen brachten sich die Führer, die eben noch vom Durchhalten um jeden Preis gesprochen hatten, in Sicherheit. General Miaja, der 1936 Franco vor Madrid schlug, entkam mit dem letzten Flugzeug nach Oran. Oberst Casado ging im Mittelmeerhafen Gandia an Bord eines britischen Zerstörers. Nur Julian Besteiro blieb in Madrid, wo er verhaftet und zu dreißig Jahren Haft verurteilt wurde. …
Alicante. In den letzten Märztagen drängte sich auf dem langen Steinwall am Hafen eine kompakte Menschenmenge, ca. 8.000 Personen. Es ist die verzweifelte Nachhut des großen Flüchtlingsstroms. Zehntausende sind in den Tagen und Wochen zuvor mit Booten und Schiffen entkommen. Jetzt ist der Hafen von Alicante leer, der letzte britische Frachter ist ausgelaufen. Doch die Menschenmasse wartet immer noch auf ein Wunder. Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Westen werde helfen… Sie alle hofften …
Am 31. März taucht endlich ein Schiff auf. Als es näher kommt, sehen sie die rot-gelb-rote Flagge von Franco… Lähmendes Entsetzen auf der Mole… Ein einsamer Ruf erschallt: Viva la repúblika! Ein Schuss. Stille. Schluchzen…
Am 1. April wurde in Alicante die Mole geräumt. Es waren die letzten Flüchtenden, die eigentlich über das Meer entkommen wollten, aber kein westliches Schiff kam ihnen zur Hilfe.
Der Krieg war offiziell beendet . . .
Vae Victis
„Wehe den Besiegten“ – Der Bürgerkrieg hatte Spanien in das schrecklichste Blutbad seit der Vertreibung der Mauren gestürzt. Ungefähr 600.000 Menschen kamen ums Leben. Allein die Luftangriffe forderten ca. 20.000 Tote, ca. 100.000 verhungerten. …
Franco hätte als großer Staatsmann in die Geschichte eingehen können, wenn er nach dieser Apokalypse versucht hätte, das Land zu befrieden, also die Spanier miteinander zu versöhnen. Doch ihm fehlte der Großmut dazu. Stattdessen zeigte er sich engstirniger und grausamer als je zuvor – und das in der Stunde seines größten Triumphs. Er begann einen Rachefeldzug, der den Terror des Krieges noch in den Schatten stellte.
Franco hatte seine republikanischen Gegner immer als „Meuterer“ betrachtet, und so behandelte er die Republikaner auch nach dem Sieg, wie eine Bande von Kriminellen. Seine Parole blieb: „Al pardeon – An die Wand!“
Alle, die der Republik in irgendeiner Form gedient hatten, wurden zu politischen Verbrechern gestempelt. Dies bedeutete für Zehntausende den Tod, für Hunderttausende den Verlust ihrer Arbeit bis zu Haftstrafen. …
Nun lief eine „Säuberung“ an, die vergleichbar ist mit der Inquisition des 16. Jahrhunderts. Eine Denunziationswelle unvorstellbaren Ausmaßes ging durch das Land. Jahrelang aufgestaute Rechnungen wurden beglichen. Kein Dorf in Spanien, in dem nicht Rache genommen wurde. …
Nach vorsichtigen Schätzungen wurden in den Jahren 1939 und 1940 etwas zwei Millionen Spanier in KZs und Gefängnisse eingeliefert. Die Zahl der Todesurteile wird auf 80.000 geschätzt.
Bis heute liegt das Dunkel des riesigen Kerkers, das Spanien damals war, über diesen Terrorjahren. Der blutige Epilog des Bürgerkrieges spielte sich im Geheimen ab. Das Ausland wandte sich gleichgültig ab.
Die lange Nacht der Diktatur
Franco regierte 36 Jahre lang. Damit überlebte er seine Gönner Hitler und Mussolini um dreißig Jahre. Dann, nach seinem Tod in 1975, brach das Regime wie ein Kartenhaus zusammen. Wie war diese lange Herrschaft möglich?
Die Antwort liegt im Schrecken des Bürgerkrieges. Die Erinnerung an die Greuel erlosch nicht. Und leider unternahm auch Franco keinen Versuch, diesen Zustand zu ändern. Keine Geste der Versöhnung, keinen Ansatz zu einem Dialog.
Sein Herrschaftssystem blieb bis zum Schluss ein Militärstaat. Und die stärkste Säule, auf die er sich stützte, war die Armee.
Franco war kein Dummkopf. Auch Hitler täuschte sich in ihm. …
Am Ende des 2. Weltkriegs war Spanien die letzte Bastion des Faschismus in Europa. . . .
Ungezählte Spanier erwarteten 1945, dass die Alliierten nach der Niederwerfung der faschistischen Großmächte auch Franco entthronen würden. Doch die Westmächte wollten verhindern, daß sich die Sowjets in Spanien festsetzten. …
Und schon ab 1950 wurde Spanien zu einem strategischen Pfeiler im amerikanischen Sicherheitssystem. 1954 überließ Franco den USA zwei Flottenbasen, Cartagena und Cádiz, und für die Luftwaffe Sevilla, Madrid und
Saragossa. Somit war das Regime unter dem Schutzschild der Vereinigten Staaten. 1959 besuchte Eisenhower den Caudillo in Madrid. Dies war für Franco eine ungeheure Aufwertung, … und Europa beschloss, den Span. Bürgerkrieg endgültig zu vergessen.
Erleichtert wurde das Vergessen durch das gefällige Äußere des Regimes. Spanien war unter Franco in den sechziger Jahren das sauberste und ordentlichste Land in Europa. Und mit dem Lebensstandard ging es ständig bergauf. Ein neuer Mittelstand entstand und gewann ständig an gesellschaftlichem Einfluss. … Dies war die Oberfläche. Denn der Paz Espanola, der Span. Friede, verhüllte mehr, als er offenbarte. …
Die folgenden Jahre glichen politisch und kulturell eher einer Wüste. Den Rest schaffte die allgemeine Zensur. …
Dennoch erwies sich in Spanien abermals die Unausrottbarkeit des Freiheitsgedankens. Nach Jahrzehnten der Agonie rebellierte eine neue Generation, die nicht mehr gelähmt war vom Grauen des Bürgerkriegs. … Der Kampf der Studenten dauerte viel Jahre. . . Auch in der Arbeiterschaft gärte es. …
Doch mehr noch als durch den Widerstand einer wachsenden Opposition zerbröckelte das Regime von innen her. Da es allein auf die Person Francos zugeschnitten war, verlor es mit zunehmender Vergreisung des Caudillo jede Integrationskraft. ….
Der Bürgerkrieg kehrt zurück
Die entscheidenden Rammstösse gegen das Regime wurden jedoch von einem Feind geführt, dem selbst die meisten Franco – Gegner misstrauten. Von der baskischen ETA. Die ETA war eine späte Frucht des Bürgerkrieges, vielleicht seine schrecklichste. In Gestalt dieser Terrorgruppe holte die Geschichte das Franco – Regime ein. Keine andere Region Spaniens war von Franco so hart bestraft worden wie das Baskenland. Er annullierte ihre Sonderrechte
und verbot die baskische Sprache. Tausende von Basken wurden zur Zwangsarbeit in die Kohlengruben geschickt. …
In den Fünfziger Jahren entstand die ETA. … Bald entwickelte sie sich nach dem Muster der südamerikanischen Stadtguerilla. …
Im Dezember 1973 jagte ein ETA-Kommando den Wagen des Regierungschefs Carrero Blanco im Zentrum von Madrid in die Luft. Dass er mitten in der Hauptstadt durch ein generalstabsmässig vorbereitetes Unternehmen getötet werden konnte, ohne dass die Täter gefasst wurden, erschütterte das Prestige des Regimes nach innen und außen. …
Das sterbende Regime reagierte mit großer Wut. Ausnahmegesetze hoben die spärlichen Grundrechte der Spanier wieder auf. … Massenverhaftungen und Zeitungsverbote waren nun an der Tagesordnung. Das Franco Regime kannte keine Milde. Sogar Todesurteile wurden noch 1975 ausgesprochen, aber es waren auch die letzten des Franco Regimes. … Der Baske Juan Peredes wurde an einer Gefängnismauer in Barcelona erschossen. Er sang in den letzten Minuten die baskische Hymne. Sein Bruder durfte der Exekution beiwohnen. Er warf sich über den Körper des Toten, sammelte die leeren Patronenhülsen vom Boden auf und rief dem sechsköpfigen Exekutionskommando der Guardia Civil zu: „Das ist nicht das Ende, es ist der Anfang eines Krieges“.
Ganz Spanien erstarrte an diesem blutigen Sonnabend. …
Der Schritt ins Freie
Am 30. November 1975 starb Franco mit 83 Jahren. Er hatte fast vier Jahrzehnte lang regiert.
Die Masse der Spanier besaß keine Erinnerung an die Zeit vor Franco. Und für alle Anhänger des Caudillo brach eine Welt zusammen. Tagelang zogen Zigtausende an dem aufgebahrten Leichnam im königlichen Schloss vorbei. Über der Hauptstadt lag eine gespenstische Stille. Es war die Sekunde der Zeitenwende. Niemand wusste, was kommen würde. …
Juan Carlos wurde überraschend schnell von den Cortes zum König von Spanien proklamiert.
Er wurde in Italien geboren und kehrte erst als zehnjähriger nach Spanien zurück. Dann absolvierte er die Militärakademie in Saragossa … Und wurde sogar Pilot der Luftwaffe … dann heiratete er Sophie, die Schwester des griechischen Königs Konstantin.
1969 wurde Juan Carlos offiziell zum künftigen Staatschef proklamiert. Franco richtete ihm ein kleines Palais im Pardo ein, in der Nähe von Francos Wohnsitz.
Dass Spanien nun zur parlamentarischen Demokratie zurückkehren konnte, ist zuerst das Verdienst von Juan Carlos.
In seiner Thronrede schon sprach er von „einer freien Gesellschaft“, und von „der Beteiligung aller Bürger“. Behutsam, aber entschlossen, leitete der König den „Cambio“, den Systemwechsel ein. …
Die alten Gegensätze von Rechts und Links hatten an Bedeutung verloren. Monarchie oder Republik – das regte nun niemanden mehr auf. Diktatur oder Demokratie – das war jetzt die Frage. So entwickelte sich Spanien aus einem feudalistischen, klerikalen Agrarland zu einem der führenden Industriestaaten der Welt. …
Prototyp dieser Generation war Adolfo Suarez, den der König 1976 zum Ministerpräsidenten ernannte. …
1977 fanden nun die ersten freien Wahlen statt. …
Wandlungen der Linken
Den schmerzhaftesten Wandlungsprozess hatte die Linke schon durchgemacht. Nach dem Ende des Bürgerkrieges beschuldigten beide Seiten sich gegenseitig, für die Niederlage schuldig zu sein. …
Doch mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich wurden die Flüchtlinge wieder zu Gejagten. Der katalanische Präsident Luis Companys wurde mit zahllosen anderen Emigranten von der Vichy-Regierung an Franco ausgeliefert, und erschossen. Etwa 70.000 Spanier wurden in deutsche Konzentrationslager verschleppt. Nur wenige Tausend davon wurden bei Kriegsende von den alliierten Truppen befreit. …
Viele nach Moskau geflüchteten Spanier erlitten das Los des NKWD, und waren somit vom Kommunismus enttäuscht. …
Auch in den anderen osteuropäischen Volksdemokratien gerieten die einstigen Spanienkämpfer ins Zwielicht. …
Nach dem Abfall Titos lief eine neue Säuberungswelle in den Bruderparteien an. Ihr Auftakt war die Hinrichtung des ungarischen Außenministers Lazlo Rajk, der einst in Spanien als Kommissar gedient hatte. Plötzlich galten alle ehemaligen Interbrigadisten pauschal als unzuverlässige Elemente. Es war nun nicht mehr ratsam, in Spanien dabeigewesen zu sein. Jeder lief Gefahr, nachträglich für die schmachvolle Niederlage verantwortlich gemacht zu
werden.
Der Begriff der „Demoralisierten“ wurde zum diffamierenden Schlagwort in der
stalinistischen Presse. Zahllose Spanienkämpfer, die in Staatsstellungen aufgerückt waren, verschwanden für immer in der Versenkung. In der CSSR erließ das Innenministerium eine interne Verfügung, alle einstigen Interbrigadisten aus dem Staatssicherheitsdienst und der Armee zu entfernen. Der prominenteste Spanien- Kämpfer der DDR, Sicherheitsminister
Willhelm Zaiser, ehem. Kommandeur der XIII. Brigade, wurde nach dem 17. Juni 1953 gestürzt. …
An der kommunistischen Partei Spaniens (PCE) konnten diese Erfahrungen nicht spurlos vorübergehen. Ihr Generalsekretär Santiago Carrillo, begann sich allmählich aus der Umarmung des Großen Bruders zu lösen. Denn wenn die Partei in Spanien jemals wieder Fuß fassen wollte, dann musste sie sich von dem Odium befreien, eine willenlose Agentur der Sowjetunion zu sein.
Er begann nun, das Konzept des Eurokommunismus zu entwickeln: Garantie der bürgerlichen Freiheiten in einer sozialistischen Gesellschaft.
„Die Generation von Marxisten, die sowohl die schmerzliche Erfahrung des Faschismus gemacht hat und die Stalinsche Entartung kennengelernt hat, bewertet den Begriff der Demokratie anders: nicht als Gegensatz zum Kommunismus, sondern als Weg dahin“, schrieb der spanische Parteichef Carrillo. Als dieser in Spanien seine Arbeit beginnen durfte, ab 1975, beschwor er seine Genossen auf die Linie ein:
kein Wort gegen den König,
kein Wort von Revolution,
keine republikanischen Fahnen. . . .
Dennoch stellte die Wiederzulassung der komm. Partei die erste Zerreißprobe für den neuen Prozess der Demokratisierung. Sprachlos standen viele Spanier vor der wiederzugelassenen PCE, die mit einer perfekten Organisation aus dem Untergrund auftauchte und schnell mühelos ganze Fußballstadien mit ihren Anhängern füllte. Wo es gestern noch verboten war, die Schriften von Karl Marx zu verbreiten, sangen jetzt Zehntausende unter einem Wald roter Fahnen die Internationale. Obwohl Franco noch keine zwei Jahre tot war, schien er bereits
Legende zu sein. …
Im Dezember 1978 trat eine neue Verfassung in Kraft.
Die Todesstrafe wurde abgeschafft,
Katalonien u, dem Baskenland wurde wieder das Recht auf Autonomie gewährt,
die röm. kath. Konfession genoss künftig keine Privilegien mehr,
der Staat war konfessionell neutral.
Doch die ETA konnte mit dem Mordgeschäft nicht aufhören. Sie konzentrierte sich besonders auf die Guardia Civil, deren Abzug aus dem Baskenland sie forderte. Allein 1978 wurden 68 Verwaltungsbeamte und Polizisten ermordet. …
Wie ein Krebsgeschwür vergiftet der Terror diese reichste Region Spaniens und sendet seine Metastasen in alle Teile des Landes aus.
Der spanische Terrorismus ist indessen nicht auf die Linke beschränkt. Nach dem Tod des Diktators gingen rechte Mordkommandos zu bewaffneten Aktionen über. Eine der furchtbarsten Bluttaten verübten sie im Januar 1977. Ein Kommando drang in ein Anwaltsbüro in Madrid ein, das als Zentrum der Kommunisten galt, und stellte alle Anwesenden an die Wand. Fünf Tote
war das Ergebnis. …
Nach wie vor ist die Armee der große Risikofaktor in Spanien. Als einzige Institution hat sie den Tod des Diktators unbeschadet überlebt. Alle Kommandeure wurden in der Bürgerkriegstradition erzogen, viele sind noch Veteranen der „Blauen Division“. …
Doch auch die potentiellen Putschisten wissen, dass sich die Geschichte nicht selbst kopiert. …
Heute jedoch haben sich die gesellschaftlichen Kräfte entscheidend verschoben und bes. die Wirtschaft ist an nichts so interessiert wie an einer Konsolidierung des Status quo. Der politisch organisierte Anarchismus, der in Spanien seine Heimat hatte, ist untergegangen. …
Als einziges Land Europas hat Spanien den politischen Irrationalismus des 20. Jahrhunderts auf eigenem Boden bis zum Exzess durchlitten: die Utopie der herrschaftsfreien Gesellschaft und ihren Gegenpol, den Rückfall in den Teufelsglauben des Mittelalters. Beides waren Verweigerungen der Vernunft, die in einem apokalyptischen Rausch der Vernichtung endeten.
Die Versuchung der Gewalt scheint ebenso unausrottbar wie der Wille, die Gewalt zu überwinden.
Doch wenn es überhaupt denkbar ist, dass eine Nation aus der eigenen Katastrophe lernt, dann kann Spanien eine Hoffnung sein.
Die Kurzfassung ist von mir.
Auch einige Hervorhebungen habe ich gemacht.
Horst Koch, Madrid, im Januar 2025