Thüringen – Demokratie ausgehebelt (Auerbach)

Thüringen: Wie man die Demokratie aushebelt

09.02.2020

von Doris Auerbach

Selten haben Wahlen einen derart hohen politischen Wellengang entfacht wie die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten für Thüringen. Kaum war Thomas Kemmerich in Erfurt in einer immerhin geheimen Wahl am Mittwoch, den 5. Februar, gewählt worden, brach ein Sturm der Entrüstung über ihn herein, da das Resultat, wie es sich anschliessend herausstellte, mit der Unterstützung der derzeit vom Gros der Altparteien wohl verfemtesten Partei Deutschlands, der AfD, zustande gekommen war, und damit in erster Linie eindeutig zum Missfallen der Berliner Regierung. Bundeskanzlerin Merkel, auf Reisen in Südafrika, bezeichnete das Votum daher am 6. Februar unmittelbar als »unverzeihlich« und verlangte eine Korrektur, wodurch sie sich indirekt hinter die Forderung von Neuwahlen stellte.

Das Wahlresultat hatte Merkel mittwochs auf ihrem mehr als elfstündigen Flug von Berlin nach Südafrika erreicht, vermutlich über der östlichen Sahara. Auf ihrer Pressekonferenz in Südafrikas Hauptstadt Pretoria gab die Kanzlerin dann gut 20 Stunden nach der Wahl ihre Stellungnahme ab:  

»Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies in der Konstellation, in der im dritten Wahlgang gewählt wurde, absehbar war, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und das Ergebnis deshalb rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass sich die CDU nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf. Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat. Jetzt muss alles getan werden, damit deutlich wird, dass dies in keiner Weise mit dem, was die CDU denkt und tut, in Übereinstimmung gebracht werden kann. Daran wird in den nächsten Tagen zu arbeiten sein«.

Wie sich in der Folge herausstellte, war FDP-Chef Christian Lindner, dessen Partei lediglich mit 5 % der Thüringer gewählt worden war, unmittelbar nach der Wahl am Donnerstagmorgen, 6. 2., höchstpersönlich nach Erfurt gereist, wo er Thomas Kemmerich zum Aufgeben zwang.

Und ausgerechnet Lindner hat der AfD Skrupellosigkeit im Umgang mit höchsten Staatsämtern vorgeworfen ! Am selben Donnerstag, 6. Februar, erklärte dann Kemmerich, der sich als Kandidat der ›bürgerlichen Mitte‹ präsentiert hatte und im dritten Wahlgang mit den Stimmen der AfD am Tag zuvor zum Landesvater gekrönt worden war, in der Thüringer Staatskanzlei: »Der Rücktritt ist unumgänglich«. Seine Entscheidung legte nicht etwa die an ihn ergangene Aufforderung Lindners offen, nein, Kemmerich begründete sie wie folgt: Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen: »Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen«. Wie er weiter sagte, »brauchen Demokraten demokratische Mehrheiten, die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen«.

Die FDP kämpfe in Thüringen weiter für einen Politikwechsel »und gegen die Extreme von rechts und links«. Schon eine erstaunliche Wende ….. Während Kemmerich bei einer Wahlkampfveranstaltung im vergangenen Herbst in Nordhausen vor halb besetztem Saal noch gerufen hatte, »Unsere Freiheit wird uns in Deutschland scheibchenweise genommen«, hat er sich diese im Prinzip doch soeben selbst nehmen lassen, indem er sich dem Diktat Lindners beugte.

In seinem jetzigen Wahlkampf setzte er sich für die Stärkung der Polizei ein. Er wolle Hunderte zusätzlicher Polizisten einstellen. Die Menschen dürften nicht das Gefühl haben, dass Falschparken stärker bestraft werde als Drogenhandel. Kernthema ist für der Vater von sechs Kindern die Bildung. »Auf keinen Fall darf es noch einmal passieren, dass sich Abiturienten auf ihre Abschlußprüfungen nicht ordentlich vorbereitet fühlen, dass Schüler in manchen Fächern keine einzige Note bekommen«, sagte er. 

Unmittelbar nach der Wahl gab es Drohanrufe bei Kemmerich gegen ihn und seine Familie. Auf sein Wohnhaus in Weimar war schon in der Nacht zum Mittwoch, 5. 2., ein Farbanschlag verübt worden. Die Hauswand links und rechts der Eingangstür wurde mit roter Farbe besprüht, darunter schrieben Unbekannte: ›Wer die AfD unterstützt, ist unser Feind‹. Kemmerich sagte dann am Mittwoch, er sei erschüttert, dass dies zum Mittel der politischen Auseinandersetzung werde. Er lasse sich davon aber nicht abbringen, »für die Mitte der Gesellschaft Politik zu machen. Solchen Tendenzen zu widerstehen, sei das politische Angebot der FDP«.

»Das hysterische Aufheulen nach Kemmerichs Wahl«, schreibt Kurt Zach in der ›Jungen Freiheit‹, »die maßlosen und absurden Nazivergleiche, Schmähungen und Beschimpfungen, der erpresserische Druck aus den eigenen Reihen, der auf Kommando entfesselte linksextreme Straßenterror und die physischen Drohungen auch gegen die eigene Familie, waren für den FDP-Mann eine neue Erfahrung und offenbar zuviel für den wackeren Mittelständler und Familienvater, der anders als die marodierenden linken Sturmtruppen eine selbstgeschaffene Existenz zu verlieren hat. Das ist nichts weniger als die Aufkündigung der parlamentarischen Demokratie und ihrer nach dem Rechtsstaatsprinzip für alle gleich geltenden Regeln durch eine in äußerste Defensive geratene, abgehobene und selbstherrliche politische Klasse, in der auch vermeintlich ›bürgerlichen‹ Unions- und FDP-Politikern das stalinistische Kampfvokabular, das jeden Nicht-Linientreuen zum ›Nazi‹ und ›Faschisten‹ stempelt, so locker von den Lippen kommt wie altgedienten Kommunisten und Linksextremisten«.

Hierzu vermerkt Wolfgang Hübner:
»Der politisch-mediale Machtkomplex läßt es nicht nur zu, sondern fördert es auch, dass ein demokratisch gewählter Politiker sein Amt wegen krimineller Angriffe, medialer Hetze und massivem Druck auf gewählte Volksvertreter aufgeben muss, um nicht mit seiner großen Familie in fortdauernde Lebensgefahr zu geraten«.
Immerhin hat wenigstens Helmut Markwort in einem Interview mit dem einst von ihm selbst gegründeten ›Focus‹ erklärt, dass »es von Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich richtig gewesen sei, sich zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Zudem kritisierte er die Reaktionen auf die Wahl im Landtag von Erfurt«.

Der Schuldige: Ganz klar die AfD

Es ging offensichtlich nicht darum, sich bei dem gesamten Wahldebakel eine eigene Schuld zuzuweisen, nein, die AfD wurde unmittelbar in die Löwengrube befördert und mit Beschimpfungen überschüttet, von denen hier einige festgehalten werden sollen. Im übrigen hatte Kemmerich noch am 5. 2. CDU, SPD und den Grünen unter Ausschluss jedweder Zusammenarbeit mit der AfD Gespräche über eine mögliche Regierungsbildung angeboten, was SPD und Grüne jedoch ablehnten. Matthias Hey, SPD-Fraktionschef im Landtag, erklärte hierzu: Die Sozialdemokraten »tragen kein politisches Projekt mit, das nur von Gnaden der AfD zustande gekommen ist«.

Prominente FDP-Kritik kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff. Er forderte seinen Parteikollegen Kemmerich zum Rücktritt auf und befürwortete rasche Neuwahlen. Am 5. 2. twitterte er: »Man kann, ja soll in einer demokratischen Wahl antreten. Aber man läßt sich nicht von AfD-Faschisten wählen. Wenn es doch passiert, nimmt man die Wahl nicht an«.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak distanzierte sich in einem kurzen Presse-Statement von seinen Parteikollegen in Thüringen: »Sie hätten billigend in Kauf genommen, dass auch mit ihren Stimmen ein Kandidat mit Hilfe der AfD gewählt worden wäre. Die Entscheidung ›spaltet unser Land‹ und sei keine Grundlage für eine bürgerliche Politik«, erklärte er sichtbar aufgebracht.

Volker Wissing, rheinland-pfälzischer FDP-Landeschef, sieht ungeachtet der Wahl Kemmerichs mit Stimmen der AfD eine klare Abgrenzung zur AfD. Es werde mit Sicherheit keine Zusammenarbeit, keine Gespräche und keine Vereinbarung mit der AfD geben. Es sei klar, dass Kemmerich ›ein Kandidat der Mitte‹ sei und keine AfD-Politik umsetzen werde. »Einen Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD kann und darf es nicht geben. Wenn demokratische Kräfte die Zusammenarbeit ablehnen, braucht Thüringen Neuwahlen«. Die Frage, ob die Ablehnung selbst demokratischen Gepflogenheiten entspricht, stellt man sich natürlich nicht.

Einen Tag nach der Wahl sprach sich auch die CDU von Rheinland-Pfalz für Neuwahlen in Thüringen aus. »Eine FDP-geführte Regierung wäre abhängig von der Höcke-AfD«, so der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021, Christian Baldauf.
Baldauf und die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner hatten am 5. 2. erklärt, für sie käme eine Zusammenarbeit oder eine Koalition mit der AfD nicht in Frage.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigte sich nach der Wahl Kemmerichs ›fassungslos‹: »75 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in Deutschland wählt die CDU mit der AfD einen FDP-Mann zum Ministerpräsidenten. Heute ist ein extrem trauriger Tag für unsere Demokratie in Deutschland«. Dies sei mehr als ein Dammbruch, es sei ein Tabubruch.
Auch die rheinland-pfälzischen Grünen zeigten sich ›erschüttert‹; auch für sie ist die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen der AfD ›ein demokratischer Dammbruch‹, so die Grünen-Landesvorsitzenden Misbah Khan und Josef Winkler. »Wir sind entsetzt über das verantwortungslose Verhalten von CDU und FDP in Thüringen. Das ist ein eiskalter und würdeloser Pakt mit Rechtsextremen«. Sie forderten den Rücktritt Kemmerichs und Neuwahlen. »Das muss auch Herr Wissing unmissverständlich klar machen«. 

Es wäre durchaus wünschenswert, dass die lauthals Klagenden trotz der gut verankerten Parteienideologie vielleicht jetzt nach Merkels Machtwort erkennen, wo hier ein Dammbruch erfolgt ist und wer hier die Demokratie knebelt.

Als einen der widerwärtigsten Kommentare betrachte ich den von Jacques Schuster in der ›Welt‹: »Dass sich Thomas Kemmerich mit Hilfe der AfD zum Regierungschef küren läßt, haben seine Thüringer Wähler mit Sicherheit nicht gewollt. Denn nun ist der Liberale auf Gedeih und Verderb von Björn Höcke und seinen rechten Rabauken abhängig. Zumal die AfD in Thüringen wohl der übelste Landesverband der Gesamtpartei ist. Mit den Gemäßigten in der AfD haben die Rabauken um Björn Höcke in etwa so viel gemein wie Mutter Teresa mit Arnold Schwarzenegger. Die wildesten völkischen Ideen, das radikalste Gebräu aufgeraffter brauner, auch antisemitischer Gedanken lassen sich im thüringischen Landesverband finden; vertreten von Personen, die zwischen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus hin- und herschwanken«

Zu Mike Mohring meint er: »Mohring muss in einem engen Verhältnis zur Dummheit stehen. Anders kann man sich die politische Beschränktheit nicht erklären, seine CDU ohne Not in dieselbe Ecke mit ausgerechnet dieser AfD zu stellen. Kemmerich und Mohring haben ihren Parteien, die bis heute für die Stabilität der bundesdeutschen Parteienlandschaft stehen und mehr als andere die Geschichte des Landes verkörpern, einen schweren Schaden zugefügt. Sie haben Freie und Christdemokraten in die Nähe des Extremismus geführt und Björn Höcke einen Sieg davontragen lassen, den er nach alten bundesdeutschen Gepflogenheiten niemals bekommen hätte«.

Nicht weniger angriffig zeigte sich Ingo Lierheimer: »Die Aktion ist ein Angriff auf die Demokratie. Die Thüringer Halbstarken sind der CDU-Landeschef Mohring und sein FDP-Kollege Kemmerich. Sich gegen ihre Parteizentralen auflehnend, haben sie die Stimmen, die Unterstützung der AfD, bereitwillig genommen, um vermeintlich Macht zu erhalten. Man kann sich eigentlich nur wünschen, dass sie dies in pubertär-hirnloser Manier taten, dass sie nicht wußten, was sie da tun. Anzunehmen ist das allerdings nicht. Und so sind sie die Hauptverantwortlichen dafür, dass 75 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes ein Faschist Sieger der Landtagswahlen in Thüringen ist«. Auch in diesem Fall ist ersichtlich, dass ein Abweichen von der herrschenden Regierungsdoktrin als ›Auflehnen‹ gilt.

»Mit der AfD dürfe es keinen Millimeter von Kooperation, von Zusammenarbeit geben«, erklärte CSU-Generalsekretär Markus Blume. »Es ist unerträglich«, so Blume ferner, »dass mit den Stimmen der übelsten AfD-Truppe, nämlich der Höcke-AfD, hier jemand zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Das ist wirklich ein schwerer Schaden nicht nur für Thüringen, sondern für unser ganzes Land«. Die AfD tue alles, um »unsere Demokratie brüchig zu machen, das politische System herauszufordern«. Es wäre für die CDU in Thüringen »gut und richtig gewesen«, sich auch im dritten Wahlgang zu enthalten, da man mit dem Verhalten der AfD rechnen können hätte. 
Durchaus bemerkenswert, was Blume so vorausschauend erwartete . . .

Natürlich darf auch ein Statement des Aussenministers nicht fehlen: »Sich von ›Rechtsextremisten‹ wählen zu lassen«, so Heiko Maas, »sei komplett verantwortungslos.«

Auch Söder konnte es offensichtlich nicht lassen, harsche Töne gegen die AfD laut werden zu lassen, dies direkt nach der Wahl am 5. 2.: »Dieser ganze Tag, sagte er, nützt nur der AfD«.

Es sei ein ›inakzeptabler Dammbruch‹, sich mit den Stimmen der AfD und des Thüringer AfD-Landeschefs Höcke zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen‹, erklärte er des weiteren am 6. 2. »Das ist kein guter Tag für Thüringen, kein guter Tag für Deutschland und erst recht keiner für die Demokratie in unserem Land«. 

Offensichtlich muss sich das, was man unter einer Demokratie tatsächlich versteht, längst ungemein verfälscht haben. . .  Im Chor der Ankläger findet sich auch Thüringens Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel; zwar empfahl er, dass »die CDU die Bereitschaft zeigen sollte, in einer Regierung mitzuarbeiten – aber nur unter einer Bedingung: Ohne die AfD!«
Die Nürnberger Allianz gegen Rechtsextremismus hat das Vorgehen in Thüringen ebenfalls scharf kritisiert: »Die Tatsache«, so der Vorsitzende Stephan Doll, »dass gerade der Faschist Björn Höcke mitbestimmt, wer Ministerpräsident wird, stellt einen extremen Tabubruch dar. Die Entscheidung mit der rechtsextremen und völkischen AfD gemeinsam Politik zu machen, ist ein Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland«. Wie er des weiteren erklärte, sei die Ministerpräsidentenwahl für alle Demokraten ein Schlag ins Gesicht. Sowohl FDP als auch CDU hätten sich in Thüringen zum Steigbügelhalter der Rechtsextremen gemacht.
Auch in Würzburg gab es eine Spontandemo gegen Kemmerich: »Wer hat uns verraten? Freie Demokraten! Wer war mit dabei? Die christliche Partei!« hallte es durch die Würzburger Innenstadt. »Nie wieder Faschismus« oder »No Nazis? No Problems!« stand auf den Plakaten der Demonstranten. 

Man fragt sich, wer der Organisator solch blitzartig zusammentretener Demonstranten ist, die auch über einen geübten Plakatmaler verfügen müssen.

Der unaufhaltsam schreibfreudige Kommentator Berthold Kohler meinte in der ›FAZ‹: Höckes Coup in Erfurt wurde für beide Parteien [gemeint sind CDU und FDP] zum Desaster. In dem Moment, in dem die AfD unter Mithilfe der Thüringer CDU den FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich schuf, verbrannte sie ihn auch. Höckes Handschlag mit Kemmerich war ein Brandbeschleuniger, den es nicht mehr gebraucht hätte.

Man darf annehmen, dass es die Wut auf die AfD war, die zu einer eigentlich unverzeihlichen Entgleisung führte, die einen schweren Schatten auf die mit dem öffentlichen Amt einer Landesvorsitzenden der Linken betraute Susanne Hennig-Wellsow wirft:
Den Blumenstrauss, den sie zur Gratulation von Kemmerich mitgebracht hatte, schmiss sie ihm vor die Füsse. Nun sei ein »ein 5 %-Mensch‹, der sich mit den Stimmen einer extrem rechten Partei ins Amt wählen lassen habe, Ministerpräsident. Sie schäme sich für Kemmerich«.

Es werden nicht wenige sein, die sich nicht etwa für Kemmerich, sondern für sie selbst schämen. . .  Wie sie in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix ferner erklärte, bereue sie die Protestaktion nicht: »CDU und FDP sind in Thüringen einen Pakt mit dem Faschismus eingegangen. Und ich werde dem Faschismus nicht wieder den Weg in die Regierung ebnen« …. »Die FDP hat unser Land in Brand gesteckt« …. »Man läßt sich nicht von AfD-Faschisten wählen!« 

»Gegen die AfD und insbesondere deren thüringischen Vorsitzenden Björn Höcke«, so Wolfgang Hübner, »wird in einer Weise Haß und Hetze geschürt, die in der Wirkung und Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas alles weit übertrifft, was in den sozialen Medien an Unsäglichem geäußert wird. Das Festhalten von SPD und Grünen an der Koalition mit der Ramelow-Linken kennzeichnet beide Parteien als linke Kräfte, deren ›Bürgerlichkeit‹ reine Fassade ist. Das betrifft vor allem die Grünen, den offensichtlichen Wunschkoalitionspartner der CDU/CSU«.

Wenigstens hatte FDP-Landeschef Wissing die Kandidatur Kemmerichs am Wahltag selbst verteidigt: Kemmerich halte das Land regierbar. »Ich finde es sehr honorig, dass sich Herr Kemmerich in dieser schwierigen Situation in die Verantwortung nehmen lassen hat«. Im Thüringer Landtag habe ein demokratisches Verfahren stattgefunden. Auf die Frage, ob Kemmerichs Kandidatur mit dem FDP-Bundesvorstand abgesprochen gewesen sei, antwortete Wissing: »Die Länder sind in solchen Situationen frei«.
Der rheinland-pfälzische AfD-Fraktionschef Uwe Junge sagte am 5. 2.: »Das ist ein guter Tag für die Demokratie«. Mit der Wahl Kemmerichs habe sich der Wählerwille in Thüringen, »der Rot-Rot-Grün eindeutig das Vertrauen entzogen hat«, durchgesetzt.

Eine positive Stimme am Wahltag war ferner die von Wolfgang Kubicki (FDP): »Jetzt geht es darum, eine vernünftige Politik für Thüringen voranzutreiben. Daran sollten alle demokratischen Kräfte des Landtages mitwirken«. Offenbar mit Blick auf die Wahl Kemmerichs auch durch die AfD sagte er: »Was die Verfassung vorsieht, sollte nicht diskreditiert werden«.
Hierzu noch eine Erklärung von Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Verfassungsschutzpräsident. Er hat Kemmerichs Wahl als Riesenerfolg bewertet.  »Hauptsache, die Sozialisten sind weg«. 

Hier könnte er sich allerdings zu früh gefreut haben, da Merkels Schachzüge diese durchaus wieder in den Sattel hieven könnten.
  
»Es war ein schlechter Tag für die Demokratie«  

Merkels Statement zur Thüringen-Wahl hätte es nicht treffender ausdrücken können; übersehen hat sie dabei offensichtlich, dass diese Feststellung vollumfänglich auf sie zurückfällt! Mit der Anordnung, die Wahl rückgängig zu machen, war es indessen nicht getan; es traf ein weiteres Bauernopfer, den Ostbeauftragten der Bundesregierung Christian Hirte, der auch stellvertretender Thüringer CDU-Chef ist; er trat am 8. 2. auf Betreiben der Bundeskanzlerin zurück.
Der Auslöser hierfür war sein Tweet, in dem er Kemmerich gratuliert und CDU, FDP und AfD als ›Mitte‹ bezeichnet hatte; in diesem hieß es: »Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats«.

Wie Hirte erklärte, habe ihm Merkel in einem Gespräch mitgeteilt, dass er nicht länger Beauftragter für die Neuen Länder sein könne: »Ihrer Anregung folgend, habe ich her um meine Entlassung gebeten«. Spätestens damit dürfte die allgemeine Fassungslosigkeit ob Merkels Weisungen nicht mehr zu ›toppen‹ sein, wenn die Order, grundlos zurückzutreten, als ›Anregung‹ umschrieben wird.

Dietmar Bartsch, Bundestagsfraktionschef der Linken, begrüsste die Entlassung von Hirte: »Das war ein notwendiger und folgerichtiger Schritt. Wer Kemmerich zur Wahl gratuliert, der hat im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Und er hat deshalb in der Bundesregierung nichts zu suchen«.

Aber auch Wolfgang Tiefensee hat den Rücktritt begrüsst und weitere Konsequenzen in der CDU gefordert. »Ich respektiere die Entscheidung Herrn Hirtes, sie war unausweichlich und längst überfällig«. Hirte dürfe aber als Bauernopfer nicht die einzige Konsequenz bei der CDU sein, schrieb er am 8. 2. beim Kurznachrichtendienst Twitter.
»Wenn die Kanzlerin aus dem fernen Afrika ein ›Machtwort‹ sprechen muß«, legt Wolfgang Hübner dar, »um eine demokratisch einwandfreie Wahl per Selbstermächtigung zu annullieren und die regierungsfromme Medienschar dem ehrfürchtig Beifall zollt, wenn Parteivorsitzende sich absprechen, um ihre laut Verfassung nur dem eigenen Gewissen verantwortlichen Abgeordneten in einem Landtag herumzukommandieren, zu kujonieren und zu zentral verordnetem Wahlverhalten zu nötigen, und wenn der Medientross nichts dabei findet, sondern sogar eifrig immer noch eins obendrauf setzt, wird jedem nüchternen Beobachter klar, daß hier ein abgewirtschaftetes Machtkartell aus dem letzten Loch pfeift und dieses Pfeifen nur noch durch stetig schrillere Mißtöne überdecken kann. Die Mauer um das Narrenhaus der bundesrepublikanischen Politik hat einen weiteren Riss bekommen. Der nächste könnte von der Thüringer CDU kommen. Wird auch sie den von der Parteiführung verordneten Selbstmord begehen und wie von Kanzlerin Angela Merkel, Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak gewünscht, endlich dem Kommunisten Ramelow den Macht- und Pfründeerhalt zu sichern? Dann braucht sie zur nächsten Wahl, vorgezogen oder nicht, gar nicht mehr anzutreten. Das bisherige Geschehen in Thüringen hat ebenso eindrucksvoll wie überzeugend all das bewiesen, was patriotisch-freiheitliche Kräfte in Deutschland schon lange beschreiben. Denn es handelt sich dabei keineswegs um ›Verschwörungstheorien‹ oder gar ›Haß und Hetze‹, sondern schlicht um die unschöne Wahrheit:

– Angela Merkel, die ehemalige DDR- und FDJ-Streberin aus systemergebenem linksprotestantischen Pfarrhaus, treibt die einst mäßig konservative CDU zielstrebig nach links und in den Ruin [was allerdings wegen all der Parteiklatschhasen nicht mehr zu bedauern ist];

– Bundeskanzlerin Merkel hat mit ihren Auslassungen zu Thüringen [Die Wahl muß rückgängig gemacht werden!] zum wiederholten Male ihren Amtseid, Schaden vom Volk abzuwenden, gebrochen: Nach den Vorgängen in Erfurt sind die Deutschen gespaltener denn je.
Wer dieser Tage die skandalösen Ereignisse um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen aufmerksam mitverfolgt, erkennt mit Schrecken, wie weit die Erosion von Demokratie und Verfassungstreue bereits fortgeschritten ist – und was die Lippenbekenntnisse zu Demokratie und Verfassung in Medien und Altparteien wert sind: Nichts.
Wir haben es mit einem veritablen Putschversuch von Parteien zu tun, die sich inzwischen selbst für den Staat halten. In Thüringen wurde Thomas Kemmerich ordnungsgemäß gewählt; indessen denkt man in den Altparteien gar nicht daran, das Ergebnis zu akzeptieren, da es den Wünschen des Altparteienkartells nicht entspricht.

Es gibt keinen Grund, die Wahl von Thüringen moralisch zu verurteilen, schreibt Benedict Neff in der ›Neuen Zürcher Zeitung‹. Die deutsche Demokratie hat keinen Schaden genommen. Dass sich der FDP-Kandidat auch von der AfD wählen liess, ist kein Makel. Abgesehen davon liegt es auch nicht an ihm, zu sagen, wen die AfD zu wählen hat. Beunruhigend wäre es eher, wenn bürgerliche Politiker in Deutschland nicht mehr kandidieren würden, aus Angst, von der AfD gewählt zu werden. Das Entsetzen in Berlin scheint grenzenlos zu sein. Von einem Tabubruch wird geschrieben, von einer Schande für die Demokratie und einem unentschuldbaren Dammbruch. Die Parteien und viele Journalisten befinden sich gerade in einem Überbietungswettbewerb darum, wer in der Lage ist, die Wahl von Thomas Kemmerich am schärfsten zu verurteilen. Der Grund ist klar: Der FDP-Mann wurde auch mit den Stimmen der Abgeordneten der Thüringer AfD gewählt. Allen, die sich jetzt um die Demokratie sorgen, möchte man sagen:
Das ist Demokratie! Was im Erfurter Landtag stattgefunden hat, ist eine freie Wahl, und darüber hinaus hat ein liberaler und bürgerlicher Kandidat diese Wahl gewonnen. Es ist geradezu irritierend, wenn man sieht, wie sich bürgerliche Politiker von der Union und der FDP genieren und sich öffentlich von ihren Thüringer Kollegen distanzieren.


Linke Scheinmoral erhebt sich über die Verfassung

»Was in Deutschland gerade abgeht, weil in Thüringen 45 demokratisch gewählte Abgeordnete demokratisch einen Ministerpräsidenten gewählt haben, hätte ich in einer Demokratie nicht für möglich gehalten«.
Dies die Stellungnahme von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl, der sich über die Reaktion weiter politischer Kreise, die ein demokratisches Ergebnis nicht zur Kenntnis nehmen und dem Bundesland Neuwahlen oktroyieren wollen, schockiert zeigt. »Demokratie«, schreibt Kickl, »ist aus Sicht der Etablierten offenbar nur dann demokratisch, wenn man sie ausschließlich untereinander praktiziert und die anderen davon ausschließt. Die Verfassung ist angesichts dieser Scheinmoral völlig irrelevant. Ein totalitär anmutendes Zerrbild von Demokratie, das ihre selbsternannten Gralshüter da abliefern«. Er erwarte sich von den Spitzen der österreichischen Parteien, dass sie ihre deutschen Gesinnungsfreunde mit mahnenden Worten an das Wesen der Demokratie erinnern.       

Journalisten setzen auf Strafverhör

Beschämend sei auch die mediale Berichterstattung. Der neu gewählte FDP-Ministerpräsident habe sich im ZDF einem als Interview getarnten Strafverhör stellen müssen. Im Gegenzug habe Armin Wolf im ORF vier Minuten lang andächtig geschwiegen und keine einzige Zwischenfrage gestellt, als sein deutscher Kollege Hans-Ulrich Jörges eine Unglaublichkeit nach der anderen zum Besten gegeben habe. »Besonders widerwärtig war dabei der Vorwurf, dass in Österreich das Verantwortungsgefühl für die Nazi-Vergangenheit nicht ausgeprägt genug sei«, so Kickl. »Diese Entgleisung fügt sich nahtlos an den widerwärtigen Hitler-Vergleich, den Thüringens bisheriger Ministerpräsident Bodo Ramelow gepostet hat und mit dem er die von ihm jahrelang regierten Bürger nun indirekt als Nazis verunglimpft hat«.

Das wahre Gesicht der linken Eliten   

»Die aktuellen Ereignisse sind auf dem Boden gewachsen, der von linken Parteien, linken Journalisten, linken Wissenschaftlern und linken Lehrern jahrzehntelang aufbereitet wurde. Es zeigt sich hier das wahre Gesicht der linken Eliten, die auch einst bürgerliche Parteien bereits tief infiltriert haben. Dazu sind sie auch bereit, den demokratischen Grundkonsens aufzugeben, indem sie mißliebige Parteien – und damit deren Wähler – willkürlich von jedem demokratischen Mitgestaltungsrecht ausschließen wollen. Das ist ein lautes Warnsignal, das die wirklichen Demokraten in Europa hören sollten, um sich diesen Entwicklungen mit aller Entschlossenheit entgegenzustellen«, appellierte Kickl.

Bananenrepublik Deutschland

»Wer fordert«, heisst es auf ›mmnews‹, »eine demokratisch legitime Wahl rückgängig zu machen, wie Merkel und ihre servilen Medien, stellt sich unzweifelhaft auf eine Stufe mit Despoten und Diktatoren dieser Welt. Es ist wahrlich schwer zu ertragen, wie unsere Berliner Regierungskoalition und deren willfährige Medien schon das vierte Reich herbeifabulieren, nur weil Demokratie und Rechtsstaat in Thüringen noch einigermaßen funktioniert haben. Weil dort nämlich Landtagsabgeordnete, die nach dem Grundgesetz nur dem eigenen Gewissen und ausdrücklich keiner Parteidoktrin zu folgen haben, ihnen bei dem mißbräuchlichen Versuch, das Land als ›Beute‹ unter sich aufzuteilen, einen Strich durch die Rechnung gemacht haben«. 

Es gibt inzwischen jede Menge Kritikverbote, doch offensichtlich fällt der Fakt der Volksverdummung, wie ich ihn in der folgenden Aussage vorgetragen sehe, nicht darunter: Laut dem früheren SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem Machtwort zu Thüringen »die Ehre Deutschlands gerettet«. In Thüringen sei ein Schaden eingetreten, der sich nicht mehr reparieren lasse, sagte er im Gespräch mit der ›Welt‹. »Aber es hätte auch ein Schaden für ganz Deutschland werden können, wenn das so dabei geblieben wäre. Und dass die Kanzlerin da eingeschritten ist, das ist aus meiner Sicht wirklich zur Ehrenrettung Deutschlands passiert. Schließlich gehe es bei der ganzen Angelegenheit nicht um irgendwen, sondern um die ›Höcke-AfD‹.«

Wie am 7. 2. bekannt wurde, konnte sich die thüringische CDU in ihren Krisenberatungen nicht auf die Zustimmung zu raschen Neuwahlen einigen. Wie Annegret Kramp-Karrenbauer in der Nacht zum Freitag, 8. 2., beim Verlassen der Sitzung in Erfurt erklärte, wolle man zunächst mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen im Landtag einen Ausweg aus der Krise suchen.
So, wie die Dinge im Moment liegen, dürfte eine endgültige Entscheidung noch eine Zeitlang in der Schwebe sein.  –  Doris Auerbach, Schweiz

Die Hervorhebungen im Text sind von mir. Horst Koch, Deutschland

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