Sprachenreden oder Zungenreden – R.Liebi

Roger Liebi

 

Sprachenreden oder Zungenreden?

 

Inhaltsverzeichnis

1. Wesen und Wirkung des Zungenredens aus der Sicht der Charismatiker

Aspekte des Zungenredens
Wunderwirkungen des Zungenredens
Auslegung der Zungenrede

2.  Dreißig Thesen zum Thema Sprachenreden in der Bibel

3.  Der biblische Befund in der Übersicht

a)  1. Mose 2
b)  1. Mose 11,1-9
c)  Jesaja 28,11-12
d)  Markus 16,15-20
e)  Apostelgeschichte 2,1-21
f)   Apostelgeschichte 10,44-48
g)  Apostelgeschichte 19,1-7
h)  1. Korinther 12-14

4. Sprachliche und exegetische Hinweise

Sprachenreden kontra Zungenreden
Neue Sprachen
Menschliche Sprachen und Dialekte
Engelsprachen
Erbauung durch Sprachenreden
Sprachverständnis und Sprachbeherrschung
Eine Gabe für alle Christen?
Verantwortlichkeit beim Sprachenreden
»Geist« kontra »Verstand«?
Quellen falscher Sprachenrede
Sprachenrede wozu?
Die Sprachenrede sollte einmal abklingen

Die Bibelzitate erfolgen nach der alten Elberfelder Übersetzung (Wuppertal-Elberfeld 1905).

 

Einleitung

Das Zungenreden ist eines der auffälligsten Kennzeichen der so genannten »Pfingstlich-Charismatischen Bewegung«. Dies gilt für alle drei Phasen ihrer Geschichte.

Die Perioden dieser religiösen Erscheinung lassen sich wie folgt umschreiben:

1. ab 1906: die Zeit der Pfingstgemeinden in aller Welt
2. ab ca. 1960: die Charismatische Bewegung innerhalb der Volks- und Freikirchen
3. ab ca. 1980: die Gemeindewachstumsbewegung mit »Power Evangelism« und ihrem starken Einfluss auf die bisher noch nicht charismatisch gewordenen Gemeindegruppen

Die Beurteilung dieser Strömung hat seit ihrem Beginn vor etwa 100 Jahren zu starken Kontroversen unter Christen geführt. Es stellt sich daher die Frage:

Handelt es sich hier um eine von Gott gewirkte Erweckung oder um eine endzeitliche Verführung im Sinn von Mat 24,11.24 und 7,21-23?

»… und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen; …

V. 24: Denn es werden falsche Messiasse und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um so, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen.

V.21: Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt, und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben, und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!«

Im Neuen Testament finden wir die Beschreibung der von Gott gewirkten Fähigkeit, fremde Sprachen zu sprechen, ohne sie zuvor gelernt zu haben. Charismatiker und Nicht-Charismatiker, welche die Wahrheit der göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift festhalten, sind sich darin völlig einig, dass im Zeitalter der Apostel dieses Sprachenwunder tatsächlich stattgefunden hat.
Es stellt sich aber die Frage, ob das heutzutage von Millionen Menschen praktizierte Zungenreden dem einstigen biblischen Phänomen entspricht oder nicht.

Im Folgenden versuche ich darzulegen, dass das heute weithin ausgeübte Zungenreden etwas ganz anderes ist als das, was wir in der Bibel finden.
Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass sich die Erscheinungen von damals bzw. heute grundsätzlich voneinander unterscheiden, und zwar so grundsätzlich, dass es sich eigentlich lohnen würde, sie auch begrifflich scharf gegeneinander abzugrenzen.
Zur sprachlichen Differenzierung
schlage ich vor, dass man im Zusammenhang mit dem Sprachenwunder im Neuen Testament von »Sprachenreden« spricht, während man die Erscheinung von heute im Gegensatz dazu konsequent als »Zungenreden« bezeichnet. Auf diesem Hintergrund erklärt sich denn auch die Titelformulierung der vorliegenden Ausarbeitung: »Sprachenreden oder Zungenreden?«.

Beim Sprachenreden handelt es sich um die von Gott durch seinen Geist geschenkte Fähigkeit, eine Fremdsprache – ohne sie zu lernen – einwandfrei zu beherrschen, so wie Adam am Tag seiner Erschaffung sogleich die Ursprache der Menschheit sprechen und auch verstehen konnte (1Mo 2), so wie die verschiedenen Menschengruppen beim Turmbau von Babel aufgrund der Sprachenverwirrung die von Gott geschaffenen neuen Sprachen perfekt anwenden und verstehen konnten (1Mo 11).

Beim heutigen von Millionen praktizierten Zungenreden handelt es sich im Gegensatz dazu um Lautäußerungen, die dem Redenden als Lautäußerungen unverständlich sind. Der Zungenredner ist lediglich Lautvermittler.
Zungenreden in diesem Sinn umfasst eine riesige Bandbreite: von platter Eigenproduktion bis hin zu übernatürlicher Inspiration. Wenn ich hier den Ausdruck »Inspiration« verwende, so habe ich damit aber im Moment noch nichts über die Quelle der Eingebung ausgesagt.

Die Feststellung, dass das verbreitete Zungenreden von heute nicht dem Sprachenreden der Bibel entspricht, birgt im Zusammenhang mit der ganzen Kontroverse um die Pfingstlich-Charismatische Bewegung große Konsequenzen in sich.
Wenn sich das Zungenreden, das ja ein derart auffälliges Kennzeichen dieser Bewegung ist, als ein völlig unbiblisches Phänomen entpuppen sollte, dann ist man doch konsequenterweise gezwungen, auch hinter alle weiteren Sondererscheinungen und ebenso hinter alle Sonderlehren dieser Bewegung ein Fragezeichen zu setzen, und zwar, indem man diese Dinge neu anhand der Bibel hinterfragt und die Geister prüft.

Beispiele für Sondererscheinungen und Sonderlehren der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung sind: Geistestaufe als zweites Erlebnis, Toronto-Segen, Geistliche Kriegsführung, Ruhen im Geist (»Slain in the Spirit«), Lachen im Geist, Tanzen im Geist, Proklamation mit Fahnen und Bannern, Visualisierung, Shepherd-Discipleship-Bewegung, Vermittlung des Heiligen Geistes, Gabentransfer, Innere Heilung, Wohlstandsevangelium, Königreichs-Theologie (»Dominion Theology«), Charismatische Spiritualität und Ökumene, Geistlicher Tod Jesu, Wiederherstellung des Apostel- und des Prophetenamtes etc. (vgl. STADELMANN: Neue Praktiken innerhalb der pfingstlich-charismatischen Bewegung). – Siehe unter www.horst-koch.de

Die vorliegenden Ausführungen gehen im Kern auf einen Teil meiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit über die Entstehung der Sprachen zurück, die ich im Jahr 2000 bei einer amerikanischen Hochschule eingereicht hatte.

 

1. Wesen und Wirkung des Zungenredens aus der Sicht der Charismatiker

Vier Aspekte des Zungenredens

1. Erweis der Geistestaufe

In der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung wird das Zungenreden von vielen als Erweis der Geistestaufe angesehen. Wer den Heiligen Geist in einem angeblich zweiten Erlebnis nach der Bekehrung empfängt (im Gegensatz zu Eph 1,13-14), muß gemäß klassischem Dogma der Pfingstbewegung in Zungen reden. Gemäß den Charismatikern, die nicht diesem Dogma folgen, ist das Zungenreden nur ein mögliches, jedoch nicht ein zwingendes Zeichen der Geistestaufe.

2. Reden, ohne zu verstehen
Charismatiker erleben das Zungenreden als ein Sprechen, bei dem der Verstand des Redenden ausscheidet. Der Zungenredner versteht seine sprachlichen Artikulationen nicht.

3. Zungengebet
Das Beten in Zungen wird von Charismatikern als besonders wirksame Form des Gebets angesehen. Es sei ein Mittel zur Selbstauferbauung im Sinn von körperlicher, seelischer und geistlicher Stärkung – obwohl man selbst nicht versteht, was man sagt. Das Zungengebet sei gegeben zur wirkungsvollen Fürbitte – selbst für unbekannte Anliegen, zur eigenen Erfrischung und Erholung, zum Schutz gegen den Schmutz der Welt, ferner zur »geistlichen Kriegführung«. Es wird betont, Zungenreden versetze in das Reich des Übernatürlichen. Im persönlichen Gebetsleben eines Charismatikers kann das Zungenreden einen großen Teil der Zeit in Anspruch nehmen.

4. Zungenbotschaften
In der Auslegung von Zungenbotschaften glauben Charismatiker, besondere Offenbarungen und Mitteilungen Gottes in der heutigen Zeit zu empfangen.

Wunderwirkungen des Zungenredens

In der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung wird dem Zungenreden, wie bereits ein wenig angedeutet, eine Vielzahl von wunderbaren Wirkungen zugeschrieben. Nachfolgend seien die wichtigsten von ihnen unter drei Punkten zusammengefasst:

1. Segenswirkungen auf den Zungenredner

Das Zungenreden soll eine tiefe und umwandelnde Wirkung auf das geistliche Leben dessen haben, der es ausübt. Es lade die geistlichen Batterien auf, und man werde bereichert im Glauben, in der Vollmacht, im Frieden, in der Freude und im Segen.

Durch das Zungenreden sollen die Einfallstore des Feindes wie Süchte und dergleichen geschlossen werden können. Gestaute Spannungen, Zorn, Groll, Bitterkeit, Rachegefühle, Angst, Neid, Ärger, Launen, böse Begierden, Eifersucht, Depressionen, Sorgen, seelische Qualen, Belastungen, ja, alles Negative könne durch das Zungenreden förmlich weggeschwemmt werden.

2. Vermittlung von Vollmacht

Die Vollmacht der eigenen Wortverkündigung werde durch das Zungenreden erhöht. Das Zungengebet sei eine besonders mächtige Waffe im Kampf gegen Dämonen. Abwehr der Finsternismächte und Austreibung von Dämonen könne wirkungsvoll stattfinden, wenn das Instrument des Zungengebets angewendet werde. Die Zungenrede sei im Kampf gegen Dämonen eine Art »Wasserwerfer« der Feuerwehr, mit dem man die Dämonen förmlich zu Boden reißen vermöge und das höllische Feuer löschen könne.

3. Vollkommene Kommunikation

Das Zungengebet sei das »vollkommene Gebet« weil es zu 100 % vom Heiligen Geist inspiriert sei – im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Gebet in der eigenen Sprache. In Zungen könne man sich viel besser ausdrücken als in seiner eigenen Muttersprache. Im Zungengebet erreiche die Anbetung ihren Höhepunkt. Der menschliche Geist sei nicht mehr an den Verstand gefesselt. Er könne sich aufschwingen und alle Begrenzung des vom Verstand kontrollierten Sprechens hinter sich lassen. Der Verstand werde beim Zungenreden ausgeschaltet. Es sei möglich, mit Gott auf einer höheren Ebene zu kommunizieren, von Geist zu Geist. Man könne mit Gott Kontakt in einer neuen Dimension erreichen und sich in geistlicher Stärke in der Liebe Gottes bewahren.

Auslegung der Zungenrede

Die Auslegung der Zungenrede geschehe nicht durch den Verstand des Auslegers, sondern durch direkte Inspiration des Geistes Gottes. Der Ausleger verstehe niemals die Zunge, von der er die Auslegung gibt. Es sei auch nicht seine Aufgabe, gleichwertige Ausdrücke in seiner eigenen Sprache für die übernatürlichen Worte zu finden. Bei der Zungenrede handle es sich um völlig unbekannte Worte. Die Auslegung sei in demselben Maß ein Wunder wie die ursprüngliche Äußerung in Zungen.

Im Folgenden wollen wir dem Sprachenreden in der Bibel auf den Grund gehen. Wir untersuchen genau, was die Heilige Schrift über das Wesen und die Wirkungen des Sprachenredens aussagt. Dadurch werden wir schließlich in die Lage versetzt werden, das biblische Sprachenreden und Sprachenauslegen mit dem charismatischen Zungenreden und Zungenauslegen von heute zu vergleichen und zu kontrastieren.

2. Dreißig Thesen zum Thema »Sprachenreden in der Bibel«

Worum handelte es sich eigentlich beim Sprachenreden zu biblischen Zeiten? Wie geschah das Sprachenreden?

Nachfolgend stelle ich 30 Thesen zu dieser Thematik auf. Es handelt sich zunächst einfach einmal um unbewiesene Behauptungen. Gewisse Thesen können Charismatiker problemlos nachvollziehen und bestätigen, doch einen Teil der nachfolgenden Aussagen werden sie entschieden verwerfen. Wie dem auch sei: Wir werden im Anschluss daran alle Thesen näher erläutern und anhand des Bibeltexts untersuchen.

1. Gott ist der Urheber aller natürlichen menschlichen Sprachen, von denen es übrigens – heutzutage – ohne die Dialekte zu zählen – mindestens ca. 6800 gibt (vgl. 1Mo 2 und 11).

2. Da menschliche Sprachen eigentlich Gottessprachen sind (Folgerung aus These 1), eignen sie sich alle dazu, Träger des Wortes Gottes zu sein. Dies gilt sowohl für die Sprachen des inspirierten und vollkommenen biblischen Urtextes (Hebräisch, Aramäisch und Griechisch) als auch für die natürlichen Sprachen der Bibelübersetzungen in aller Welt. (Heutzutage gibt es Übersetzungen der Bibel bzw. von Bibelteilen in über 2300 Sprachen.)

3. Die Sprachen der biblischen Sprachenredner waren im Vergleich zu den Sprachen, die Gott Adam bei seiner Erschaffung und den verschiedenen Sippen anlässlich der Sprachenverwirrung zu Babel eingab, keine höheren Kommunikationsmittel.

4. Bei der Gabe der Sprachenrede in der Bibel handelte es sich um eine übernatürliche Gabe von Gott.

5. Der Heilige Geist vermittelte die Fähigkeit zur Beherrschung von Fremdsprachen.

6. Die Sprachenredner beherrschten diese Fremdsprachen, ohne sie sich je zuvor in einem Lernprozess angeeignet zu haben.

7. Die biblischen Sprachenredner beherrschten ihre jeweiligen Fremdsprachen aktiv. Ihr menschlicher Geist wirkte aktiv bei der Sprachproduktion.

8. Die Beherrschung schloss selbst die korrekte Aussprache mit ein.

9. Die biblischen Sprachenredner beherrschten nicht nur bestimmte Hauptsprachen, sondern sogar verschiedene Dialekte.

10. Beim Sprachenreden in der Bibel handelte es sich nicht um ein Gestammel, um unartikulierte Laute oder um einen Schwall von Lauten mit fehlender Prosodie, sondern um wirkliche Sprachen. (Die Prosodie beinhaltet den rhythmischen und metrischen Aspekt der Sprache im Zusammenhang mit Ton, Intonation, Akzent und Länge. In der Prosodik, einem Teilgebiet der Phonologie, beschäftigt man sich mit diesem Gebiet).

11. Die biblischen Sprachenredner wirkten nicht als Medien. Ihr Bewusstsein bzw. ihr Verstand / Intellekt war nicht passiv, eingeschränkt oder gar ausgeschaltet.

12. Die biblischen Sprachenredner waren sich daher auch immer dessen, was sie sagten, voll und ganz bewusst. Sie waren ja die Redenden, mit Hilfe des Heiligen Geistes.

13. Die biblischen Sprachenredner waren beim Sprechen in einem nüchternen Zustand der völligen Selbstkontrolle.

14. Die Selbstkontrolle beinhaltete insbesondere auch die sprachliche Selbstkontrolle.

15. Der Inhalt der Sprachenrede sollte den Zuhörern Auferbauung vermitteln.

16. Die Aussage der Sprachenrede bewirkte Auferbauung, nicht das übernatürliche Phänomen an sich.

17. Die Sprachenrede hatte nur einen Sinn, wenn die anwesenden Zuhörer den Inhalt verstehen konnten. Falls die Anwesenden die jeweilige Fremdsprache nicht verstanden, musste für Übersetzung gesorgt werden.

18. Der Sprachenredner wurde immer geistlich erbaut (genauso wie beim Beten oder Predigen in der Muttersprache, weil er stets wusste, was er sagte. (Beim Predigen kann man oft die Erfahrung machen, dass man von den eigenen Darlegungen geistlich noch mehr profitiert als die Zuhörer. Durch das Beten in der Muttersprache erfährt man in der Gemeinschaft mit Gott stets Stärkung und Auferbauung, weil man dadurch immer wieder ganz neu auf den HERRN ausgerichtet wird).

19. Nicht alle Christen der Anfangszeit konnten in Sprachen reden, sondern nur gewisse, die in Gottes souveräner Auswahl diese Gabe bekommen hatten.

20. Es gab nur einen Typ von Sprachenrede im NT. Bei der Sprachenrede von Apg 2 handelte es sich um dasselbe Phänomen wie in 1Kor 12-14.

21. In Sprachen konnte geredet, gesungen oder gebetet werden.

22. Sprachenredner durften sich nur einer nach dem anderen äußern, niemals mehrere gleichzeitig.

23. In einer Gemeindezusammenkunft durften höchsten drei Sprachenredner einen Dienst tun.

24. Die übernatürliche Sprachengabe sollte insbesondere dem Volk Israel bezeugen, dass mit Pfingsten (Apg 2) ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Weltmission, begonnen hatte: Gott spricht seitdem nicht mehr überwiegend lediglich in einer Sprache (Hebräisch) zu einem Volk (Israel) – sondern in vielen Sprachen zu allen Völkern.

25. Obwohl die Gabe des Sprachenredens in erster Linie für das ungläubige Israel gegeben wurde, durfte diese Gabe auch zum Nutzen der Gläubigen in den Gemeindezusammenkünften verwendet werden.

26. Die biblische Sprachenrede sollte allmählich verklingen und – im Gegensatz zu verschiedenen anderen Gaben – nicht bis zur Wiederkunft Christi bestehen bleiben.

27. Das heutzutage vielfach propagierte und von Millionen praktizierte Zungenreden entspricht nicht dem biblischen Phänomen der Sprachenrede.

28. Bei der vielfach verwendeten Bezeichnung »Zungenreden« handelt es sich um eine falsche Wiedergabe der griechischen Wendung en glossais lalein. Korrekt muss man diese verbale Wortkette im Deutschen mit »Sprachenreden« bzw. »Fremdsprachenreden« übersetzen.

29. Diejenigen, welche die Gabe der Auslegung / Übersetzung erhalten hatten, waren von Gott befähigt worden, die fremde Sprache des Sprachenredners wirklich zu verstehen. Sie besaßen ein solches Sprachverständnis wie Adam, der nach seiner Erschaffung Gottes Sprache sogleich verstehen konnte (1Mo 2), und wie die Menschen nach der Sprachenverwirrung, die jeweils ihre neue Sprache verstehen konnten, ohne sie gelernt zu haben (1Mo 11).

30. Die Ausleger der Sprachenreden übersetzten das Gesprochene. Sie brauchten keine spezielle Offenbarung darüber, was die Sprachenrede bedeutet haben soll, da sie die zu übersetzenden Fremdsprachen real verstanden.

 

3. Der biblische Befund in der Übersicht

In der Bibel gibt es acht eindeutige Abschnitte, in denen das Phänomen des Sprachenredens behandelt wird. – In gewissem Sinn gehören die Heilungen von Tauben und Stummen durch den Messias Jesus (Jes 35,4-6) auch in die Nähe dieser Thematik. Die Evangelien bezeugen eine Reihe von solchen Fällen, in denen Menschen nach der Heilung ohne Lernprozess plötzlich sprechen konnten: vgl. Mat 9,32-33 (Stummer); Mat 11,5 (Tauber); Mat 12,22 (Stummer); Mat 15,30-31 (Stumme); Mark 7,32-37 (Tauber, der schwer redete); Mark 9,17.25 (Taubstummer); Luk 7,22 (Taube); Luk 11,14 (Stummer).

Diese Stellen unterscheiden sich graduell abgestuft von der vorliegenden Thematik. Deshalb habe ich sie nicht unter die acht klassischen Abschnitte über das Sprachenreden aufgenommen.

Drei Stellen finden sich im AT, die fünf weiteren stehen im NT. Es ist wichtig, alle Abschnitte genau zu untersuchen, um den biblischen Befund zu dem vorliegenden Thema vollständig überblicken zu können. Es handelt sich um folgende Texte:

1. 1Mo 2,16-17.19-20.23
2. 1Mo 11,1-9
3. Jes 28,11-12
4. Mark 16,15-20
5. Apg 2,1-21
6. Apg 10,44-48
7. Apg 19,1-7
8. 1Kor 12-14

Nachfolgend seien sie zunächst im Sinn einer Bestandsaufnahme zitiert, verbunden mit einer Charakterisierung und Umschreibung ihres jeweiligen Kontexts:

a) 1. Mose 2

Sprachverständnis von allem Anfang an

In 1Mo 2,16 und 17 wird davon berichtet, wie Gott mit Adam, gleich nach dessen Erschaffung, einen Bund geschlossen hat. (Vgl. Hos 6,7).

»Und der HERR, Gott, gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen. Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen, denn an dem Tag, da du davon issest, wirst du gewisslich sterben.«

Adam war gemäß dieser Stelle von Beginn seiner Existenz an in der Lage, Gottes Sprechen zu verstehen, ohne dass er dies zuerst hätte lernen müssen. Hier haben wir den ersten Fall von biblischem Sprachenreden vor uns. Adam konnte Gottes Rede sofort verstehen. Sein Sprachzentrum – das Wernickesche Zentrum im Temporallappen – war seit Anbeginn bereits vorprogrammiert und voll funktionsfähig. Zum ersten Mal sehen wir hier in der Bibel, dass Gott dem Menschen die Fähigkeit geben kann, eine Sprache, die er nie gelernt hat, sofort zu verstehen. Diese Feststellung wird noch wichtig werden, wenn wir uns im NT mit der Gabe der Auslegung bzw. der Übersetzung des Sprachenredens beschäftigen werden. Übersetzung einer Sprachenrede bedeutet, dass der Übersetzer durch Gottes Wunderwirkung die fremde Sprache tatsächlich versteht und sie in seine eigene Sprache übertragen kann!

Sprechfähigkeit von allem Anfang an

Gemäß 1Mo 2,23 war Adam von seiner Entstehung an auch fähig, sich durch eine artikulierte Sprache aktiv auszudrücken. Nach der Erschaffung Evas durch eine Art »Klonen« aus einer Rippe artikulierte sich Adam in einem romantischen, in Verszeilen gepackten Ausspruch:

»Da sagte der Mensch:
Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch; diese soll Männin [hebr. ’ishah] heißen, denn vom Mann [hebr. ’ish] ist sie genommen.«

Dies geschah noch am selben Tag, an dem Adam ins Dasein gekommen war (vgl. 1Mo 1,26-31). – (Eva wurde ja auch am sechsten Schöpfungstag erschaffen. Dass eine saubere Bibelauslegung zur Auffassung führen muß, dass die Schöpfungstage normale Tage, d.h. keine ausgedehnten Zeitperioden waren, wird z.B. in folgender Publikation nachgewiesen: OUWENEEL: Gedanken zum Schöpfungsbericht).

Daraus lässt sich schließen, dass das motorische Sprachzentrum – das Brocasche Feld – im Gehirn des ersten Menschen vorprogrammiert war und so ohne Lernprozess Sprechakte produzieren könne.

Befähigung zur Neubildung von Wörtern

Aus 1Mo 2,19-20 geht ebenso hervor, dass Adam vom Tag seiner Erschaffung an in der Lage war, neue Wörter zu erfinden und somit sein Vokabular durch so genannte Neologismen zu erweitern und zu bereichern:

»Der HERR, Gott, hatte ja aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels gebildet, und so brachte er sie nun zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde. Und wie irgend der Mensch ein lebendes Wesen nennen würde, so sollte sein Name sein. Und der Mensch gab Namen allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes.«

b) 1. Mose 11,1-9

Nach der Sintflut hatte die Urgesellschaft in Babel eine einzige gemeinsame Sprache. Infolge ihres Hochmuts und ihrer Rebellion gegen Gott verwirrte der HERR ihre Sprache, indem er verschiedenen Sippen neue Sprachen eingab. Alle Sippen, die eine neue Sprache bekamen, verloren ihre ursprüngliche. Dafür beherrschten sie die jeweils neue Sprache ohne vorangegangenen Lernprozess. Das war nichts anderes als ein von Gott gewirktes Sprachenreden.

Wie bei Adam und seiner Frau in 1Mo 2, so erhielten die Menschen auch in Babel durch göttliche Eingebung ein komplettes Sprachsystem geschenkt, das sie selbstständig einsetzen konnten, ohne dass irgendwie ihr Wille, ihr Verständnis, ihre Selbstkontrolle eingeschränkt wurde. Sie erhielten von Gott zweierlei: die Fähigkeiten zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion im Rahmen eines Sprachsystems, das sie nie zuvor gelernt hatten. Sowohl das Wernickesche Zentrum im Gehirn als auch das Brocasche Feld wurden von Gott völlig neu programmiert. Dies geschah so, dass die Persönlichkeit der Menschen zu 100 % gewahrt blieb.

Durch das Sprachenwunder von Babel sollte die Menschheit in verschiedene Nationen aufgeteilt und über das ganze Erdenrund hinweg zerstreut werden.

1Mo 2 zufolge gab Gott dem Menschen anfänglich eine Sprache. Der Bericht, wie Gott der Menschheit weitere Sprachen vermittelte, findet sich in 1Mo 11,1-9:

»Und die ganze Erde hatte die gleiche Sprache und die gleichen Wörter. Und es geschah, als sie nach Osten zogen, da fanden sie eine Ebene im Land Sinear und wohnten dort.
Da sprachen sie einer zum andern: Auf, lasst uns Ziegel streichen und hart brennen! Der Ziegel diente ihnen als Stein, und der Asphalt diente ihnen als Mörtel.
Sie sprachen: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm, dessen Spitze an den Himmel reiche, und machen wir uns einen Namen, dass wir nicht zerstreut werden über die ganze Erde!
Da fuhr der HERR herab, um die Stadt und den Turm zu besehen, welche die Menschensöhne bauten.
Darauf sprach der HERR: Siehe, sie sind ein Volk, und haben alle eine Sprache, und dies haben sie angefangen zu tun; und nun wird ihnen nichts verwehrt werden, was sie zu tun ersinnen.
Auf, lasst uns hinabfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass sie einer des andern Sprache nicht verstehen!
Da zerstreute sie der HERR von dort aus über die ganze Erde. So hörten sie auf, die Stadt zu bauen.
Darum gab man ihr den Namen Babel, weil der HERR dort die Sprache der ganzen Erde verwirrt hatte. Und von dort zerstreute sie der HERR über die ganze Erde.«

Der Name Babel geht zurück auf die Wortwurzel balal. Sie besitzt im Hebräischen die Grundbedeutung »vermischen«. Dieses Wort wird im Alten Testament in den meisten Stellen dann verwendet, wenn es speziell um Vermengung von Öl mit Mehl geht.  Eine solche Vermischung von Öl mit Mehl führt bekanntlich zu einem völlig unentwirrbaren Ergebnis. Dadurch, dass Gott der Urmenschheit eine Vielzahl von neuen Sprachen eingegeben hatte, entstand für die Menschheit ein unentwirrbares Kommunikationsproblem. Bis zum heutigen Tag konnte diese Schwierigkeit nicht überwunden werden. Daraus erklärt sich die im Kontext von 1Mo 11 geforderte sekundäre Bedeutung von balal im Sinn von »verwirren« (1Mo 11,9). Davon abgeleitet bedeutet der Städtename »Babel« ganz einfach »Verwirrung«.

c) Jesaja 28,11-12

Jesaja kündigte um 700 v.Chr. an, dass der Ewige dereinst durch fremde Sprachen zu dem Volk Israel reden würde. Obwohl dieses Ereignis die besondere Aufmerksamkeit der Angesprochenen erwecken sollte, würde Israel als Nation leider auch dennoch keineswegs bereit sein, auf diese Botschaft zu hören:

»Ja, durch stammelnde Lippen und durch eine fremde Sprache wird er zu diesem Volke reden, er, der zu ihnen sprach: Dies ist die Ruhe, schafft Ruhe dem Ermüdeten; und dies die Erquickung! Aber sie wollen nicht hören.«

In 1Kor 14,21 zitierte der Apostel Paulus diese Jesaja-Verse und bezog sie ausdrücklich auf das neutestamentliche Sprachenreden:

»Es steht in dem Gesetz geschrieben [Jes 28,11-12]: »Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr. Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Der inspirierte Schreiber folgerte aus dieser Stelle, dass dieses Zeichen insbesondere für Ungläubige bestimmt sei (1Kor 14,22), allerdings nur, wenn die Angesprochenen diese Fremdsprachen auch selbst verstehen, sonst würden sie ja fast gezwungenermaßen denken, dass die Sprachenredner verrückt seien. Dieses Problem wird im folgenden Vers angesprochen (1Kor 14,23):

»Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle in Sprachen redeten, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid?«

d) Markus 16,15-20

Nach seiner siegreichen Auferstehung gab der Herr Jesus Christus seinen 11 Aposteln den Auftrag zur Weltmission. Diese neuartige Botschaft sollte durch verschiedene Zeichen bestätigt werden. Eines dieser Zeichen würde das Phänomen des Sprachenredens sein:

»Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Diese Zeichen aber werden denen folgen, welche glauben:
In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden; Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden. Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber gingen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen.«

e) Apostelgeschichte 2,1-21

Am Pfingsttag wurde der Heilige Geist über die messianisch-gläubigen Juden in Jerusalem ausgegossen. Dieses Ereignis markierte einen tiefen Einschnitt bzw. einen Neuanfang in der Heilsgeschichte: Durch die Taufe mit dem Heiligen Geist wurde die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, gegründet (1Kor 12,13). An diesem Tag erfüllte sich die Verheißung aus Jes 28 und Markus 16 zum ersten Mal. Die Jünger Jesu begannen, in allen möglichen Fremdsprachen und Dialekten, die sie zuvor noch nie gelernt hatten, die großen Taten Gottes zu verkündigen (Apg 2,4-11).

Dieses Zeichen symbolisierte gegenüber Israel, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer jeweiligen Sprache gebracht werden, ganz gemäß dem Vier-Punkte-Programm des Weltmissions-Mandats aus Apg 1,8:

1. Jerusalem
2. Judäa
3. Samaria
4. bis ans Ende der Erde

Da dieses Geschehen mit dem jüdischen Tempelfest »Schavuoth« (= Pfingsten) zusammenfiel, waren, neben den Besuchern aus Städten und Dörfern des Landes Israel, unzählige Juden aus dem ganzen römischen Weltreich und selbst aus Ländern darüber hinaus nach Jerusalem zu Besuch gekommen. Diese Juden konnten die vielen Fremdsprachen, welche die für ihre fehlende Formalbildung bekannten Galiläer sprachen, verstehen. Dies brachte die Hörer in Verlegenheit. Die Einheimischen konnten damit allerdings gar nichts anfangen. Sie taten das Phänomen mit dem Verweis auf Trunkenheit spottend ab.

Pfingsten war die Umkehrung der babylonischen Sprachenverwirrung. Babel bedeutete Trennung und dass man sich nicht mehr verstehen konnte. In Jerusalem kam es im Kontrast dazu an Pfingsten zu einer Zusammenführung und Vereinigung in Christus. Durch das Evangelium sollten Kultur-, Rassen- und Sprachbarrieren abgebrochen werden. An Pfingsten 32 n.Chr. wurde dies zum ersten Mal zeichenhaft demonstriert.

Der Arzt Lukas beschrieb das Wunder des Sprachenredens in Verbindung mit dem Pfingstereignis im zweiten Teil seines biblischen Doppelwerks (Apg 2,1-21):

»Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle einmütig an einem Ort beisammen. Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem daherfahrenden, gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen. Und sie wurden alle mit Heiligem Geiste erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer, von jeder Nation derer, die unter dem Himmel sind. Als sich aber das Gerücht hiervon verbreitete, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, weil jeder Einzelne in seiner eigenen Mundart sie reden hörte. Sie entsetzten sich aber alle und verwunderten sich und sagten zueinander: Siehe, sind nicht alle diese, die da reden, Galiläer? Und wie hören wir sie, ein jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind: Parther und Meder und Elamiter, und die Bewohner von Mesopotamien und von Judäa und Kappadocien, Pontus und Asien, und Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden von Libyen gegen Kyrene hin, und die hier weilenden Römer, sowohl Juden als Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden!  Sie entsetzten sich aber alle und waren durcheinander und sagten einer zum anderen:
Was soll dies wohl sein? Andere aber sagten spottend: Sie sind voll süßen Weines. Petrus aber stand auf mit den Elfen, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Männer von Judäa, und ihr alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, dies sei euch kund, und nehmt zu Ohren meine Worte! Denn diese sind nicht trunken, wie ihr meint, denn es ist die dritte Stunde des Tages; sondern dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist [Joel 3,1-5]:
›Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, dass ich von meinem Geiste ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Träume haben; und sogar auf meine Knechte und auf meine Mägde werde ich in jenen Tagen von meinem Geiste ausgießen, und sie werden weissagen. Und ich werde Wunder geben in dem Himmel oben und Zeichen auf der Erde unten: Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne wird verwandelt werden in Finsternis und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt. Und es wird geschehen, ein jeder, der irgend den Namen des Herrn anrufen wird, wird errettet werden.‹«

Beim Sprachenreden am Pfingsttag handelte es sich offensichtlich um eine Erscheinung, die in ihrem Wesen deutliche Parallelen und Kontraste mit dem nachsintflutlichen Ereignis der Sprachenverwirrung aufweist. In gewissem Sinn könnte man das Pfingstereignis als Umkehrung der Turmbaugeschichte aus 1. Mose bezeichnen. Apg 2 bildet den neutestamentlichen Kontrapunkt zu 1Mo 11.

Die Jünger Jesu redeten in allen möglichen existierenden Fremdsprachen. Die Juden aus dem Ausland hörten die Jünger Jesu in vielen verschiedenen Sprachen und Dialekten ihrer Herkunftsländer sprechen (Apg 2,5-12). Es handelte sich nicht um ein Hörwunder, wie zuweilen aufgrund von Apg 2,8 fälschlicherweise behauptet wird, sondern tatsächlich um ein Sprechwunder, denn Apg 2,4 bezeugt klar, dass sich die Jünger Jesu in fremden Sprachen artikulierten.

f) Apostelgeschichte 10,44-48

Bis zu dem in Apg 10 beschriebenen Zeitpunkt herrschte unter den messianisch-gläubigen Juden die Meinung vor, dass Nichtjuden, die zum Glauben an den Erlöser Jesus Christus gekommen waren, durch eine Proselyten-Taufe zum Judentum übertreten sollten. Nur auf diese Weise sollte es möglich sein, dass auch sie den Heiligen Geist empfangen würden, so wie dies mit den jüdischen Christen am Pfingsttag geschehen war (Apg 2).
Als der Apostel Petrus jedoch das Evangelium nach langem Zögern dem römischen Hauptmann Kornelius und denen, die ihm nahe standen, verkündigte, empfingen diese den Heiligen Geist, sobald sie die Frohe Botschaft im Glauben angenommen hatten. Dies entspricht dem apostolischen Lehrgrundsatz aus Eph 1,13-14: Auf den rettenden Glauben an das Evangelium folgt die Versiegelung mit dem Heiligen Geist. Was davon abweicht, ist als Sonderfall anzusehen. Vgl. Apg 2,38: Von den Juden am Pfingsttag wurde mehr verlangt als von den Heiden in Apg 10, nämlich das zuvor erfolgte Taufbekenntnis zu dem verworfenen Messias. Apg ,14-17: Samariter, die als mit den Juden verfeindetes Volk zuerst durch Handauflegung die Einheit mit den jüdischen Gläubigen anerkennen mussten.

Der Beweis dafür war die Tatsache, dass diese Römer begannen, in für sie selbst bislang fremden Sprachen Gott zu loben, und dies zu Beginn noch ohne dass sie getauft worden waren. Die jüdischen Begleiter des Apostels hörten und verstanden diese Gebete. Sie gerieten außer sich, da sie so etwas als unmöglich angesehen hatten. Weil diese Juden die Fremdsprachen – (Plural »Sprachen« in Apg 10,46) – der Römer im Haus des Kornelius verstanden hatten, liegt es auf der Hand, dass es sich wohl um Hebräisch und sogenanntes jüdisch-palästinensisches Aramäisch gehandelt hat, was im Mund dieser Heiden damals wirklich etwas Besonderes war. Dieses Ereignis sollte demonstrieren, dass Gott bekehrte Heiden in seine Kirche / Gemeinde aufnimmt, und zwar ohne dass sie zuvor durch eine Proselyten-Taufe Juden werden mussten.

Apg 10, 44: Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten. Und die Gläubigen aus der Beschneidung, – (d.h. die Gläubigen aus dem Judentum, in dem man die Knaben am 8. Tag nach der Geburt zu beschneiden pflegte (3Mo 12,3) – so viele ihrer mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich, dass auch auf die Nationen (d.h. auf die Heiden, die nichtjüdischen Völker) die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war; denn sie hörten sie in Sprachen reden und Gott erheben. Dann antwortete Petrus: Könnte wohl jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft würden, die den Heiligen Geist empfangen haben, gleichwie auch wir? Und er befahl, dass sie getauft würden in dem Namen des Herrn. Dann baten sie ihn, etliche Tage zu bleiben.«

g) Apostelgeschichte 19,1-7

Als Paulus um 54 n.Chr. nach Ephesus gekommen war, begegnete er etwa zwölf Jüngern von Johannes dem Täufer. Diese Gläubigen hatten den Heiligen Geist nie empfangen. Das Pfingstereignis (Apg 2) war ihnen fremd und wohl noch vieles andere, was mit der Lehre des Christentums zentral in Verbindung steht. Paulus führte sie weiter. Als Zeichen seiner Identifikation mit ihnen, die darauf von Paulus die apostolische Evangeliumsverkündigung angenommen hatten, legte er ihnen die Hände auf. – (Im israelitischen Opferdienst spielte die Handauflegung eine sehr wichtige Rolle. Durch sie machte sich der Opfernde mit dem Opfer eins. Anstelle des Opfernden starb darauf das Opfer 3Mo 1,4; 4,29). – Dadurch, dass diese Männer die apostolische Handauflegung akzeptierten, machten sich diese bis dahin alttestamentlich Gläubigen ihrerseits mit den neutestamentlich Gläubigen eins. Als sie den Heiligen Geist empfingen, begannen sie in anderen Sprachen zu sprechen.

Hier steht das Sprachenreden in Verbindung mit diesem dramatischen Schritt, wo Gläubige im Sinn des AT Gläubige im Sinn des NT wurden:

[1] Es geschah aber, während Apollos in Korinth war, dass Paulus, nachdem er die oberen Gegenden durchzogen hatte, nach Ephesus kam. Und nachdem er etliche Jünger gefunden hatte,
[2] sprach er zu ihnen: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid? Sie aber sprachen zu ihm: Wir haben nicht einmal gehört, dass der Heilige Geist da ist.
[3] Und er sprach zu ihnen: Worauf seid ihr denn getauft worden? Sie aber sagten: Auf die Taufe Johannes’.
[4] Paulus aber sprach: Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volk sagte, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm käme, das ist an Christus Jesus.
[5] Als sie es aber gehört hatten, wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft;
[6] und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und weissagten.
[7] Es waren aber insgesamt etwa zwölf Männer.«

Es fällt auf, wie stark die drei einzigen Stellen, die in der Apostelgeschichte vom Sprachenreden handeln, in Verbindung mit der Anfangszeit des Christentums stehen:

• In Apg 2 haben wir den Beginn der Gemeinde vor uns.
• In Kapitel 10 werden die Nichtjuden zum ersten Mal offiziell in die
   Gemeinde eingeführt.
• In Apg 19 geht es um den Übergang vom AT zum NT.

h) 1. Korinther 12-14

Paulus belehrte die Christen in Korinth allgemein über das Thema der geistlichen Gaben. Neben vielen anderen Manifestationen des Heiligen Geistes wird hier in allen drei Kapiteln über die Gabe des Sprachenredens gesprochen. In Korinth gab es diversen Missbrauch der Gaben und ebenso unordentliche Anwendungen derselben. Daher sind diese Kapitel charakterisiert durch allgemeine Belehrung einerseits und spezifische Korrektur andererseits. Über das innere Wesen des Sprachenredens erfahren wir allerdings nirgendwo im NT so viel Detailliertes wie hier, und zwar insbesondere in 1Kor 14.

In Kapitel 12 geht es um die Vielfalt der Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Diese Vielfalt äußert sich in einer Vielfalt von verschiedenen Gaben, Diensten und Wirkungen.

In 1Kor 13 geht es um die Wichtigkeit der Liebe. Die Liebe Gottes muss das Motiv sein beim Gebrauch der von ihm gewirkten Gaben.

In Kapitel 14 geht es um das Thema des Nutzens. Die Gaben müssen in den Gemeindezusammenkünften so eingesetzt werden, dass sie anderen Menschen zur Erbauung gereichen. Es darf niemals um Selbstdarstellung gehen. Mit den Gaben soll man nicht sich selbst dienen, sondern anderen Menschen, den Mitgeschwistern und den Ungläubigen.

Um dieses Thema prägnant darstellen zu können, wählte Paulus zwei Gaben aus, die er einander gegenüberstellte:
das Sprachenreden und die Weissagung, d.h. das durch den Geist Gottes geleitete Reden zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung.

Wenn keine fremdsprachigen Personen anwesend sind – so die Belehrung des Apostels –, nützt das Sprachenreden gar nichts.
Der Sprachenredner selbst hat zwar einen Nutzen (1Kor 14,4a), weil er – und dazu natürlich auch Gott, der Hörer von Gebet – genau weiß, was er sagt (1Kor 14,2). Aber die anderen Menschen werden – im Gegensatz zu ihm – nicht erbaut (1Kor 14,4.6.17), weil das Gesagte für sie ein sprachlich codiertes Geheimnis ist (1Kor 14,2), die Hörer haben keinen Nutzen, weil sie nicht wissen, was geredet wird (1Kor 14,9).
Der Redende ist für sie ein Barbar (1Kor 14,9). Sie nehmen die Stellung von Unkundigen ein (1Kor 14,16). Deshalb können sie die Sprachenrede auch nicht mit einem bekräftigenden »Amen« (= »so sei es!«) bestätigen (1Kor 14,16).

Die Hörer können also so nicht unterwiesen werden (1Kor 14,19). Fällt hier nicht auf, dass einzig und allein nur von den anderen, den Zuhörern, gesagt wird, dass sie beim Sprachenreden einen Nachteil haben können, niemals aber von dem Redenden? Wie kann man da noch der Meinung sein, der Sprachenredner wüsste nicht, was er sagt? Eine solche Auffassung widerspricht dem gesamten Text in 1Kor 14!
Der Sprachenredner zu biblischen Zeiten wusste immer, was er sagte,
er wurde erbaut, und zwar durch den Inhalt des Gesagten. Es ist ja offensichtlich nicht das übernatürliche Phänomen an sich, das Auferbauung bringt, sondern die dadurch vorgebrachte Aussage.
Sobald die Sprachenrede für die Hörer durch Übersetzung verständlich gemacht werden konnte, wurde auch ihnen Auferbauung zuteil (1Kor 14,5).
Der Redner selbst erhielt aber in jedem Fall Auferbauung (1Kor 14,4). Doch pure Selbstauferbauung ist ein zu geringes Ziel. Jede Ausübung einer Gabe soll den anderen im Auge haben.

Der Bibeltext spricht mit keinem Wort von besonderen Gefühlen, auch nicht von all den in Kapitel 1 dieses Buches genannten so hoch gepriesenen Wirkungen, die Charismatiker ihrem Zungenreden zuschreiben. Diese Zuschreibungen sind reine Fantasie, die man nicht in den Aussagen des Wortes Gottes finden kann, weder in 1Kor 14 noch irgendwo sonst in der Bibel!

Es folgt der Text von 1Kor 12-14:

12,1 Was aber die geistlichen (Wirkungen = griech. pneumatikos = Offenbarung/Gabe) betrifft, Brüder, so will ich nicht, dass ihr unkundig seid.
2   Ihr wisst, dass ihr, als ihr von den Heiden wart, zu den stummen Götzenbildern hingeführt wurdet, so wie ihr irgend [zu ihnen] hingerissen wurdet.
3   Deshalb tue ich euch kund, dass niemand, im Geist Gottes (in der Kraft) redend, Jesus verflucht nennt, und es kann niemand Jesus Herrn nennen als nur im Heiligen Geist.
4   Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, (Griech. charisma = unverdientes Geschenk. Vgl. Röm 6,23; 1Kor 7,7) aber es ist derselbe Geist;
5   und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und doch ist es derselbe Herr;
  und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt.
7   Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.
8   Denn einem wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist;
9   einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen in demselben Geist,
10 einem anderen aber Wunderwirkungen, einem anderen aber Weissagung, einem anderen aber Unterscheidungen der Geister; einem anderen aber [verschiedene] Arten von Sprachen, –
     (Griech. glossa = Sprache, Fremdsprache, Zunge (als Organ im Mund) – einem anderen aber Übersetzung der Sprachen.
11 Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will. (Der Heilige Geist ist eine Person. Eine Person besitzt Wille (»wie er will«), Gefühl (Eph
     4,30; Röm 15,30) und Handlungsfähigkeit (»wirkt«; »austeilend«).
12 Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des einen Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus. (»Christus« hier = der Leib = Christus vereinigt mit
     den Erlösten der Gemeinde (vgl. 1Kor 1,13; Eph 3,4-6).
13 Denn auch in (d.h. in der Kraft) einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle zu einem Geist getränkt worden.
14 Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.
15 Wenn der Fuß spräche: Weil ich nicht Hand bin, so bin ich nicht von dem Leib; ist er deswegen nicht von dem Leib? (das Problem des Minderwertigkeitskomplexes).
16 Und wenn das Ohr spräche: Weil ich nicht Auge bin, so bin ich nicht von dem Leib; ist es deswegen nicht von dem Leib?
17 Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch?
18 Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen an dem Leib, wie es ihm gefallen hat.
19 Wenn aber alle ein Glied wären, wo wäre der Leib?
20 Nun aber sind der Glieder zwar viele, der Leib aber ist einer.
21 Das Auge kann nicht zu der Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füssen: Ich bedarf euer nicht; – (das Problem des Überlegenheitskomplexes).
22 sondern vielmehr die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen, sind notwendig;
23 und die uns die unehrbareren des Leibes zu sein dünken, diese umgeben wir mit reichlicherer Ehre; und unsere nichtanständigen haben desto reichlichere Wohlanständigkeit;
24 unsere wohlanständigen aber bedürfen es nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt, indem er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat,
25 damit keine Spaltungen in dem Leib seien, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten.
26 Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit.
27 Ihr aber seid Christi Leib, (Es heißt hier nicht »Ihr seid der Leib Christi«, sondern »Ihr seid Leib Christi« (ohne Artikel). Die Ortsgemeinde ist nicht der Leib Christi, sondern nur Teil davon. Alle
     Christen auf der ganzen Welt bilden zusammen den Leib Christi) – und Glieder insonderheit.
28 Und Gott hat etliche in der Gemeinde gesetzt: erstens Apostel, – (Die Apostel – die Zwölf für Israel und Paulus für die Heiden – hatten keine Nachfolger, vgl. Eph 2,20. Diese Gabe hat aufgehört.
     Wir müssen daher zwischen temporären und permanenten Gaben unterscheiden!) – zweitens Propheten, drittens Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen,
     Hilfeleistungen, Regierungen, (verschiedene) Arten von Sprachen.
29 Sind etwa alle Apostel? – (Das Wort »etwa« drückt aus, dass diese rhetorische Frage mit »Nein!« beantwortet werden muss) –  Sind etwa alle Propheten? Sind etwa alle Lehrer? Haben etwa alle
     Wunderkräfte?
30 Haben etwa alle Gnadengaben der Heilungen? Reden etwa alle in Sprachen?
31 Übersetzen etwa alle? Eifert aber um die vorzüglicheren Gnadengaben; und einen noch weit vortrefflicheren Weg zeige ich euch:

13,1 Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel redete (Dieser Satz besagt nicht, dass Engel andere Sprachen als die Menschen reden. Es geht einfach um die Sprachen, die sowohl
        Engel als auch Menschen sprechen (vgl. Jes 6; Dan 9; Luk 1; Apg 10; Off 4 etc.) aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.
Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis wüsste, und wenn ich allen Glauben hätte, so dass ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts.
3  Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeilte, und wenn ich meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, aber keine Liebe hätte, so nützte es mir nichts.
4  Die Liebe ist langmütig, ist gütig; die Liebe neidet nicht; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf,
sie gebärdet sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihrige, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu,
sie freut sich nicht Über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles,
7  sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Die Liebe vergeht nimmer; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden; (Griech. katargeo = wörtl. herabmachen, sodann: vernichten, zerstören (vgl. Heb 2,14) seien es Sprachen,
     sie werden abklingen; (Griech. pauo = aufhören, abklingen (vgl. das allmähliche Abklingen des Tumults in Ephesus, Apg 20,1: »aufhören« = pauo). Die Sprachenrede sollte nicht bei der
     Entrückung in einem Nu weggetan werden (wie z.B. Erkenntnis und Weissagung), sondern zu einem früheren Zeitpunkt allmählich abklingen (mit dem Sterben derer, die diese Gaben haben) sei
     es Erkenntnis, sie wird weggetan werden.
9   Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise;
10 wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, (Zur Zeit der Entrückung (1Thess 4,13ff; 1Kor 15,51 ) dann wird das, was stückweise ist, weggetan werden (Griech. katargeo = wörtl.
     vernichten, zerstören (vgl. Heb 2,14).
11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich war.
12 Denn wir sehen jetzt durch ein Fenster, (Die Fenster im Altertum bestanden aus halbdurchsichtigem Glas) undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, (D.h.
     »ich« als Subjekt) dann aber werde ich erkennen, gleichwie auch ich erkannt worden bin.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

14,1 Strebt nach der Liebe; eifert aber um die geistlichen [Wirkungen], vielmehr aber, dass ihr weissagt.
2 Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist (D.h. in der Kraft) aber redet er Geheimnisse. (In Korinth hatte man normalerweise nicht die ideale Situation von Jerusalem zur Zeit von Pfingsten (Apg 2; viele Ausländer anwesend). Wenn man in Korinth z.B. Arabisch sprach, verstanden es die Menschen in Korinth normalerweise nicht. Das Gesprochene war für sie ein Geheimnis. Nur Gott verstand die Aussage.)
3 Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung.
4 Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; (Da der Sprachenredner seine Sprache beherrschte, wurde er stets durch die geistliche Aussage selbst erbaut (so wie jeder Betende oder jeder Prediger von seinen eigenen Aussagen oft am meisten profitiert), aber die Liebe (1Kor 13) gebietet, dass man anderen zum Nutzen sein soll, nicht nur sich selbst) wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde. (Der Nutzen der Weissagung ist nicht situationsabhängig. Diese Gabe kann allezeit zum Nutzen der anderen eingesetzt werden.)
5 Ich wollte aber, dass ihr alle in Sprachen redetet, vielmehr aber, dass ihr weissagtet. Denn wer weissagt, ist größer, als wer in Sprachen redet, es sei denn, dass er es übersetze, damit die Gemeinde Erbauung empfange. (Ein übernatürliches Phänomen an sich (z.B. Sprachenrede) erbaut nicht. Nur der Inhalt des Gesprochenen vermag geistlich weiterzuführen / zu erbauen.)
6 Jetzt aber, Brüder, wenn ich zu euch käme und in Sprachen redete, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch redete, entweder in Offenbarung oder in Erkenntnis oder in Weissagung oder in Lehre?
7 Doch auch die leblosen Dinge, die einen Ton von sich geben, es sei Flöte oder Harfe, wenn sie den Tönen keinen Unterschied geben, wie wird man erkennen, was auf Flöte oder auf der Harfe gespielt wird?
8 Denn auch wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampfe rüsten?
9 Also auch ihr, wenn ihr durch die Sprache nicht eine verständliche Rede gebt, wie wird man wissen, was geredet wird? Denn ihr werdet in den Wind reden.
10 Es gibt wohl so und so viele [verschiedene] Arten von Stimmen in der Welt, und von ihnen ist keine ohne bestimmten Ton.
11 Wenn ich nun die Bedeutung der Stimme nicht weiß, so werde ich dem Redenden ein Barbar sein, und der Redende für mich ein Barbar. (Griech. barbaros (lautmalerisch von barbarbarbarbarbarbarbar. So klingt für den Unkundigen eine fremde Eingeborenensprache).
12 Also auch ihr, da ihr um geistliche [Wirkungen] eifert, so sucht, dass ihr Überströmend seid zur Erbauung der Gemeinde.
13 Darum, wer in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze. (oder auslege. Unter Beachtung der Durativformen muss dieser Vers wie folgt lauten: »Darum, wer [immer wieder] in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze.«)
14 Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, (= der Geist des Menschen (vgl. 1Thess 5,23; Ps 77,7; Röm ,16). Der Geist des Menschen hat – im Gegensatz zum Tier (Jes 31,3)  – die Fähigkeit zum höheren Denken, zum Forschen und zum Begreifen. Der Geist Gottes vermittelt dem Geist des Menschen göttliche Erkenntnis)  – aber mein Redesinn [od. meine Aussage] (= Griech. nous mou = »Sinn / Bedeutung / Aussage / Aussagekraft/ Redesinn von mir« (d.h. der Inhalt dessen, was ich aussage); Das Wort nous bedeutet meistens »Verstand«, »Gesinnung«, »Vernunft«. Doch hier steht nous im Gegensatz zu pneuma (Geist). Verstand kann aber nicht ein Gegensatz zum Geist des Menschen sein. Deshalb kommt hier eine andere Bedeutung von nous zum Zug, die dem Textzusammenhang gerecht wird) – ist fruchtleer [für die Zuhörer].
15 Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Redesinn; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Redesinn.
16 Sonst, wenn du mit dem Geist preisen wirst, wie soll der, welcher die Stelle des Unkundigen einnimmt, das »Amen« (Hebr. = Wahrhaftig! / Wahrlich! / So sei es! / So ist es! / Jawohl!) sprechen zu deiner Danksagung, da er ja nicht weiß, was du sagst? (Der Redner weiß, was er sagt, der Sprachunkundige hingegen nicht. Der Sprachenredner kann »Amen« (= hebr. Wahrhaftig! / So sei es! sagen, im Gegensatz zum sprachunkundigen Hörer.)
17 Denn du danksagst wohl gut, aber der andere wird nicht erbaut.
18 Ich danke meinem Gott, ich rede mehr in Sprachen als ihr alle. ( Paulus hatte auf seinen vielen Missionsreisen mit allen möglichen Sprachgruppen zu tun (vgl. die Barbaren auf Melite, Apg 2,1, die Lykaonisch sprechenden Heiden in Lystra, Apg 14,11, etc.)
19 Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Wörter (Ein Beispiel für 5 Wörter: »Der HERR ist mein Hirte« (Ps 23,1) reden mit meinem Redesinn, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Wörter in einer Sprache.
20 Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand, (Griech. phrén; so auch 2x in diesem Vers. Dieses Wort erscheint im NT nur hier. Es wurde hier verwendet, weil das übliche Wort für »Verstand« in den Versen davor in der selteneren Bedeutung »Redesinn« verwendet wurde) – sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber werdet Erwachsene (Glauben und Denken sind an sich keine Gegensätze! Im Christentum darf der (gesunde) Verstand nicht an den Nagel gehängt werden.)
21 Es steht in dem Gesetz (gesamte AT) geschrieben:
»Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen (Im Hebr. des AT gibt es zwei Wörter für »Sprache«: laschon = Zunge; saphah = Lippe) zu diesem Volke reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.« (Zitat aus Jes 28,11-12. Diese Prophezeiung hatte sich in besonderer Weise am Pfingsttag in Jerusalem erfüllt: Gott sprach zu Israel durch viele fremde Sprachen. Dennoch kehrte die Nation nicht um, nur ein Überrest von 3000 Menschen kam zur Bekehrung.)
22 Daher (Mit dem Wort »daher« leitet Paulus aus Jes 28 ab, dass die Sprachenrede von Gott insbesondere für Ungläubige bestimmt war) – sind die Sprachen zu einem Zeichen, (Ein Zeichen ist ein Hinweis, ein Signal. Die Sprachenrede war ein Hinweis in Bezug darauf, dass Gott ab Pfingsten (Apg 2) die Sprachen in aller Welt mit dem Evangelium erreichen wollte) -nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen (D.h. insbesondere für die Ungläubigen aus Israel); -die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Orte zusammenkäme und alle in Sprachen redeten, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid? (Obwohl die Sprachenrede für Ungläubige bestimmt ist, hat sie in einer Situation, in der die Ungläubigen die betreffende Fremdsprache nicht verstehen, gar keinen Sinn. Sie ist dann sogar kontraproduktiv.)
24 Wenn aber alle weissagten, (Griech. propheteuo = weissagen / prophezeien; pro-pheteuo = wörtl. »herausreden«, d.h. etwas Verborgenes durch die Rede ans Licht bringen (unabhängig davon, ob das Verborgenene in der Vergangenheit [vgl. Jes 14,12ff.; Hes 2,12ff.], in der Gegenwart [Joh 4,17-19] oder in der Zukunft [Off 1,1ff.] liegt) – und irgendein Ungläubiger oder Unkundiger käme herein, so würde er von allen überführt, von allen beurteilt;

25 und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar werden, und so würde er auf sein Angesicht fallend Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist. (Obwohl die Weissagung insbesondere für Gläubige bestimmt ist, ist sie dennoch auch für Ungläubige stets von Nutzen.)

26 Was ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder von euch (So war es normalerweise in Korinth der Fall. Es gab keine Spur von einem Ein-Mann-System) einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache, hat eine Offenbarung, hat eine Übersetzung. Alles geschehe zur Erbauung!

27 Wenn nun jemand in einer Sprache reden will, so sei es zu zwei oder höchstens drei und nacheinander, und einer lege aus.

28 Wenn aber kein Übersetzer da ist, so schweige er in der Gemeinde, rede aber sich selbst und Gott.

29 Propheten aber lasst zwei oder drei reden, und die anderen lasst urteilen.

30 Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung wird, so schweige der Erste.

31 Denn ihr könnt einer nach dem anderen alle weissagen, damit alle lernen und alle getröstet werden.

32 Und die geistlichen Wirkungen der Propheten sind den Propheten untertan (Vgl. den Kontrast zum Heidentum gemäß 1Kor 12,2).

33 Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens (Der Ablauf der Gemeindezusammenkunft war nach biblischer Weisung nicht im Voraus festgelegt. Es sollte eine Freiheit des Dienstes geben)

Wie in allen Gemeinden der Heiligen (In allen christlichen Gemeinden damals galt das Schweigen der Frauen im Gottesdienst, Korinth machte sich jedoch zu einem Sonderfall)

34 sollen [auch] eure Frauen schweigen (sigao = schweigen, stumm od. ruhig sein;  sige = Schweigen, Stillschweigen, Stille, Ruhe; 10x: Luk 9,36; 18,39; 20,26; Apg 12,17; 15,12.13; Röm 16,25; 1Kor 14,28.30.34) in den Gemeindezusammenkünfte (»in den Versammlungen«, griech. en tais ekklesiais (V.33+34); vgl. 4x en ekklesia: 1Kor 11,19; 14,19.28.35). Das Schweigegebot beschränkt sich auf die offiziellen Zusammenkünfte der Gemeinde. Nicht jede Zusammenkunft von Christen ist eine Zusammenkunft als Gemeinde (vgl. Hauskreis, Frauentreffen, Jugendgruppe, Sonntagschule, Familienandacht etc)

denn es ist ihnen nicht erlaubt ( »nicht erlaubt« = griech. ou … epitrepetai) = in göttlicher Verfügung verboten; vgl. Apg 14,16; 16,7; Mark 10,4 etc) zu reden, (laleo = sprechen, reden etc.; dasselbe Wort wird gebraucht für Gott (1Kor 14,29), für solche, die beten, weissagen, lehren, in Sprachen reden und zur Erbauung sprechen; 21x in 1Kor 14! Die Umschreibung »nicht erlaubt zu reden« erklärt die Bedeutung des Wortes »schweigen«) sondern unterwürfig zu sein, wie auch das Gesetz sagt. (Vgl. 1Mo 3,16. Es geht hier nicht um das Gesetz vom Sinai (2Mo 19.), unter dem nur Israel steht, sondern um Gottes Gebot an die Urahnen der Menschheit, das als Schöpfungsordnung universelle Bedeutung hat).

35 Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen; denn es ist für Frauen schändlich (»schändlich« = aischros; 4x: 1Kor 11,6; 14,35; Eph 5,12; Tit 1,11.) in der Gemeinde zu reden.

36 Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? (Ironische Frage: In allen Gemeinden schweigen die Frauen. In Korinth ist es anders. Vielleicht ist diesbezüglich in Korinth eine anders lautende Offenbarung empfangen worden, welche die anderen Gemeinden leider nicht kennen); Oder ist es zu euch allein gelangt? (Ironische Frage: In allen Gemeinden schweigen die Frauen. In Korinth ist es anders.)

37 Wenn jemand sich dünkt, ein Prophet zu sein oder geistlich (Ein Prophet oder allgemein jemand, der sich durch den Geist Gottes leiten lässt, sollte in der Lage sein, zu erkennen, dass diese Anweisungen vom Herrn stammen), so erkenne er, dass die Dinge, die ich euch schreibe, Gebote des Herrn sind.
38 Wenn aber jemand [dies] nicht versteht, so verstehe er es nicht!
39 Daher, Brüder, eifert danach zu weissagen, und wehrt nicht, in Sprachen zu reden.
40 Alles aber geschehe anständig und in Ordnung.

 

4. Sprachliche und exegetische Hinweise

Nachfolgend stelle ich einige Bemerkungen philologischer und exegetischer Natur zu den neutestamentlichen Stellen über das Sprachenreden zusammen. Durch das gründliche Herausarbeiten einiger Feinheiten kann das Wesen des biblischen Sprachenredens besser erfasst und gesamtbiblisch eingeordnet werden:

»Sprachenreden« kontra »Zungenreden«

Das Wort »Sprache« im NT ist die Übersetzung des griechischen Wortes glossa. Das Wortfeld glossa umfasst u.a. folgende Bedeutungen:

a) Zunge (als Organ)
b) Sprache / Fremdsprache

Im Zusammenhang mit dem Sprachenreden finden sich im griechischen Grundtext folgende Wendungen:

a) glossé lalein, (1.Kor 14,27)
b) lalein en glossé, (1. Kor 14, 19)
c) lalein glossé, bzw. lalein glossais (Apg 2,4)
d) und glossais lalein. (Markus 16, 17; 1. Kor 12,30; 13,1; 14,6.18).

Im Deutschen können wir die Ausdrücke a)-c) wiedergeben mit: »eine (Fremd)-Sprache sprechen«. Die Wortkette d) bedeutet: »(Fremd)-Sprachen sprechen«.

Die Übersetzung mit »in Zungen reden« ist sachlich falsch und weckt irrige Assoziationen mit fremd gesteuerter Zungenakrobatik oder mit ekstatischem Lallen. Derartige Gedankenverbindungen mit diesen vier verbalen Wortketten waren den ursprünglichen Griechisch sprechenden Lesern der neutestamentlichen Schriften mit Sicherheit fremd.

H. Glück umschreibt den Begriff »Glossolalie« (»Zungenreden«) in dem linguistischen »Metzler Lexikon der Sprache« wie folgt:

»In (religiöser) Ekstase hervorgebrachte unartikulierte Lautproduktionen, hinter denen göttl. Botschaften vermutet und gesucht werden (z.B. 1. Kor. 14,2: »Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist Geheimnisse«).

Man fragt sich wirklich, mit welchem Recht er zu solchen Schlussfolgerungen gekommen ist. Der biblische Text spricht in Verbindung mit Sprachenreden nie von »Lallen«, »Stammeln« oder »Ekstase«. Es ist nahe liegend, dass der falsche Begriff »Zungenreden« bei diesem Missverständnis einen gewissen Beitrag dazu geleistet hat.

Aufschlussreich ist, was G. Hörster dazu schreibt:

»Während in den älteren Übersetzungen und Kommentaren der Begriff Zungenrede vorherrscht, hat sich inzwischen bei den Exegeten die Überzeugung durchgesetzt, dass dieser Begriff unangemessen und irreführend ist. … Sie erweckt den Eindruck, als würde bei diesem Charisma die Zunge als Organ, von einer anderen Macht beherrscht, unartikulierte Laute bilden.«

»Neue Sprachen«

In Mark 16,17 kündigte der auferstandene Christus seinen elf Jüngern und denen, die durch sie zum Glauben kommen würden, verschiedene Zeichen und Wunder an, u.a. auch das Phänomen der Sprachenrede. In diesem Zusammenhang redete der Herr von »neuen Sprachen«. Man könnte leicht auf die Idee kommen, dass dies besage, Sprachenredner würden in neuartigen Sprachen reden, die es zuvor noch nie gegeben habe. In diesem Fall müsste man im griechischen Text jedoch viel eher das Adjektiv neos erwarten. Dieses Wort bedeutet insbesondere »neu« im Sinn von »jung«, »frisch« oder »neuartig«. Der Begriff neos weist auf Dinge hin, die erst vor kurzem ins Dasein gekommen sind. Markus verwendet an der besagten Stelle allerdings das Wort kainos, das insbesondere »neuartig«, »ungewohnt«, »fremd« bedeutet und oftmals Dinge bezeichnen kann, die schon längst bestanden haben, aber erst vor kurzem bekannt geworden sind. So bringt kainos hier in unserem Kontext zum Ausdruck, dass diese Sprachen, obwohl sie schon früher existiert haben, neu für die Sprechenden sein würden. Mark 16 kündigte an, dass gewisse Menschen plötzlich Sprachen beherrschen würden, die sie früher nicht sprechen konnten und die zum Zeitpunkt ihrer ersten Anwendung für die Sprechenden daher in diesem Sinn »neu« sein würden. Die Sprechenden sollten die gleichen Erfahrungen machen wie einst Adam und später die Menschen beim Turmbau zu Babel. Genau in diesem Sinn sprachen die Jünger am Pfingsttag in »neuen« Sprachen (Apg 2). Für die Sprechenden waren die Sprachen neu, für die Hörenden jedoch altbekannt.

Menschliche Sprachen und Dialekte

Klanglich korrekte Aussprache

Aus den detaillierten geographischen Angaben in Apg 2,8-11 geht hervor, dass die Redner am Pfingsttag aus weiten Teilen des damals zum Römischen Reich gehörigen Mittelmeerraumes Nordafrikas und Europas, der heutigen Türkei sowie dem darüber hinausgehenden Bereich des Nahen Ostens (u.a. aus Gebieten, die heute zu Persien und zum Irak gehören) herstammten.

Nicht nur Sprachen an sich, sondern sogar verschiedene Dialekte konnten die Jünger sprechen (Apg 2,8).152 Dies ist sehr beachtlich. Somit beherrschten sie nicht allein auf verständliche Weise einfach völlig verschiedene Sprachsysteme, sondern jeweils auch die genaue Aussprache mitsamt lokal ausgeprägtem Akzent, was exakte Klangfarbe und richtige Betonung mit einschloss. Beim Sprachenwunder des NT handelte es sich also ganz eindeutig um wirkliche, bereits existierende menschliche Sprachen und Dialekte.

Der soeben hervorgehobene Punkt erfährt durch Apg 2,4 eine weitere Bestätigung. Dort verwendete Lukas das Verb apophthengomai, was »aussprechen«, »geradeheraus sagen«, »betont deklarieren« bedeutet. Dieses Wort hat einen besonderen Bezug zum lautlichen und klanglichen Aspekt der Sprache. Der Heilige Geist bewirkte somit auch die korrekte Aussprache, mitsamt korrekter Intonation und richtigem Akzent.

Zwei verschiedene Gruppen von Zuhörern

Das Publikum am Pfingsttag war zweigeteilt: Es gab einerseits die fremdsprachigen Auslandsjuden und andererseits die Einheimischen. Die Auslandsjuden konnten mit dem Sprachenreden der Jünger problemlos etwas anfangen. Sie wurden dadurch betroffen, indem sie sich entsetzten und in Verlegenheit gerieten (Apg 2,12). Sie hörten klipp und klar, wie durch das Sprachenreden »die großen Taten Gottes« verkündigt wurden (Apg 2,11). Die Einheimischen dagegen verstanden die für sie fremden Sprachen nicht. So bezichtigten wohl insbesondere viele von ihnen zynisch spottend die Sprachenredner der Trunkenheit (Apg 2,13). Für diese Gruppe war der Inhalt der Sprachenreden gewissermaßen ein »Geheimnis«, mit Ausnahme von denen, die über Sprachkenntnisse verfügten, die über das Normale hinausgingen.

Die Situation der Einheimischen entsprach exakt der später in Korinth allgemein üblichen. Paulus schreibt daher in 1Kor 14,2:

»Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist aber redet er Geheimnisse.«

Der Heidenapostel musste sich alle Mühe geben, um der Gemeinde in Korinth klar zu machen, dass die Sprachenrede nur dann einen Sinn hatte, wenn Fremdsprachige anwesend waren oder wenn zumindest die fremdsprachige Botschaft für alle verständlich Übersetzt wurde. Hierin liegt der Grund, weshalb in 1Kor 14 aus der in Kapitel 12 aufgeführten Fülle von Gaben speziell zwei ausgewählt wurden, Sprachenrede und Weissagung, um anhand dieser beiden Musterbeispiele klar zu machen, dass Verständlichkeit des Gesprochenen zu den obersten Prioritäten gehört.

Nur ein Typ von Sprachenreden im NT

Im Allgemeinen haben Zungenredner von heute keine Mühe, zuzugeben, dass sie – im Gegensatz zu den Sprachenrednern in Apg 2 – nicht in der Lage sind, fremdsprachige Menschen anzusprechen und so die großen Taten Gottes in real existierenden Sprachen zu verkündigen (vgl. Apg 2,8.11). Das ist jedoch eigentlich höchst eigenartig. Millionen von Menschen können heutzutage zwar in Zungen reden, aber diese selben Millionen sind völlig unfähig, das Pfingstphänomen von Apg 2 zu praktizieren! Man spricht in der Charismatischen Bewegung von der endzeitlichen Wiederherstellung aller Gaben, wie sie im NT beschrieben werden, von einer Neuausgießung des Heiligen Geistes wie zur Zeit der Apostel, und doch würde kaum einer der heutigen Zungenredner behaupten, er könne das, was die Sprachenredner von Apg 2 in aller Perfektion ausübten. Diese Fakten können Zungenredner in innere Schwierigkeiten bringen, sodass sie sich ernsthaft fragen müssen, ob das, was sie tun, wirklich der Bibel entspricht.

Viele versuchen diesem Konflikt zu entgehen, indem sie behaupten, dass es zwei verschiedene Arten des Zungenredens gäbe:

1. die Sprachengabe am Pfingsttag von Apg 2 mit real existierenden menschlichen Sprachen und

2. ein unverständliches Lallen gemäß 1Kor 14,2-20.

Es ist jedoch völlig abwegig, zwei verschiedene Arten von Sprachenreden im NT unterscheiden zu wollen. In allen Stellen verwendet die Bibel denselben Begriff glossa. Aus 1Kor 14,21-22 geht zudem deutlich hervor, dass die Sprachenrede in 1Kor 14 dasselbe Phänomen ist wie das in Apg 2, indem es in erster Linie ein Zeichen in verständlichen realen Sprachen für das ungläubige Volk Israel sein sollte:

»[21] Es steht in dem Gesetz geschrieben [Jes 28,11-12]:

›Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.‹

[22] Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Dies entspricht exakt dem, was wir in Apg 2 in Verbindung mit dem Pfingsttag vorfinden. Die Worte aus 1Kor 14,21-22 bilden eine direkte Brücke zwischen Apg 2 und 1Kor 12-14. Durch den darin enthaltenen Hinweis auf Jes 28,11-12, wo alttestamentlich bezeugt wird, dass das Sprachenreden ein Zeugnis für Israel sein sollte – so wie sich dies schließlich am Pfingsttag auch tatsächlich erfüllte –, wird deutlich, dass das Sprachenreden im 1. Korintherbrief nicht ein anderes Phänomen sein kann als das Sprachenwunder in der Apostelgeschichte.

 

Was ist ein wirkliches Wunder – Sprachenreden oder Zungenreden?

Das Phänomen von Apg 2 kann man nicht imitieren, unverständliches Zungenreden kann dagegen problemlos auch von solchen, die nicht behaupten, in Zungen zu reden, ausgeübt werden. Eindrücklich wäre, wenn heute Millionen von Menschen das Phänomen von Apg 2 praktizieren könnten. Aber genau das können diese Massen nicht!

Für den Redner unverständliches Zungenreden praktizieren auch Hindus, Spiritisten und Medizinmänner (Schamanen). Auch Charismatiker sind der Ansicht, dass solche Zungenredner unter dem Einfluss von Dämonen stehen.

Als okkultes Phänomen ist es auch möglich, dass jemand nicht einfach lallend, sondern tatsächlich in einer für ihn fremden menschlichen Sprache spricht, die er aber selbst nicht versteht und nicht beherrscht. Der Geist des Redners ist dabei passiv. Er wird von Dämonen als Medium verwendet. Doch offensichtlich kann Satan eines im Zusammenhang mit unserem Thema nicht: Er kann nicht Menschen eine neue Sprache eingeben, die sie selbst beherrschen. Könnte er es, so würde er es wohl tun. Aber bitte – wo sind die Beispiele dafür, oder besser gesagt, wo sind die Abertausenden von Esoterikern, Gurus, Spiritisten, die das könnten? Im Gegensatz dazu kann der allein wahre Gott genau dies: Er gab Adam die erste Sprache, er wies den Urstämmen von Babel ihre Sprachen zu, er gab den Jüngern in Apg 2 die Fähigkeit, den ausländischen Juden in ihren Sprachen und Dialekten Gottes Größe zu bezeugen. Satan will Menschen als Medien benutzen, Gott jedoch erhält ihre Identität und Persönlichkeit. Warum kann die unzählbare Masse von Charismatikern das Zeichen, das am Pfingsttag eindrücklich Gottes Größe manifestierte, nicht praktizieren? Warum können sie nur das, was menschlich oder dämonisch problemlos ausgeübt werden kann? Das ist doch höchst sonderbar!

Zur Inspiration der Bibel

In diesem Zusammenhang ist es von Nutzen, sich einige Gedanken über die Inspiration der Heiligen Schrift zu machen. Bei der Inspiration des ewig gültigen und unfehlbaren Gottesworts haben wir mit Gewissheit die vollkommenste Form der göttlichen Inspiration vor uns. Doch: Wurden die Bibelschreiber so inspiriert, dass ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigener Verstand beiseite gesetzt wurden? Nein! Jeder Schreiber hatte einen eigenen Stil. Das lässt sich z.B. schon ganz einfach anhand der Wortwahl feststellen. Die Schriften des Johannes beispielsweise enthalten viele typische immer wiederkehrende Vokabeln, die man bei Paulus so nicht vorfindet. Das Johannesevangelium hat einen Wortschatz von ca. 800 Wörtern, was der Vokabulargröße eines Kleinkinds entspricht. Natürlich hat er keine Kleinkinder-Sprache benutzt. Denn er verwendet viele Wörter, die man erst lernt, wenn man größer wird oder erwachsen ist. Aber es ist schon erstaunlich, dass Johannes bei einem derartigen Tiefgang der Botschaft ein ganz einfaches und schlichtes Vokabular mit kurzen Sätzen verwenden konnte, ganz im Gegensatz zu den Briefen des Paulus, wo z.B. Epheser 1,3-14 im Griechischen ein einziger Satz ist. Paulus war im Gefängnis, wo er über Gottes Gnade und Segen jubelte. Sein Herz war so voll von Gottes herrlichem Ratschluss, dass er in seinen Ausführungen ab Eph 1,3 immer wieder einen weiteren Satzteil anhängte, bis sich der Satz schließlich über ganze 12 Verse erstreckte. Auch Paulus besaß einen ihm eigenen Schreibstil.

Hoseas Schreibweise wirkt oft unruhig und aufgewühlt (er war ein Mann, dessen Frau ihm untreu war), während Jesajas Texte vielfach eine majestätische und Trost vermittelnde Ruhe ausstrahlen. So könnte man fortfahren und den Stil jedes Bibelschreibers in seiner Eigenart beschreiben.

In 1. Korinther 14 geht es u.a. um die Weissagung, um das Reden zur Auferbauung, Tröstung und Ermahnung. Paulus verglich das Reden in der Gemeinde mit verschiedenen im Tempel verwendeten Musikinstrumenten wie Posaune, Harfe oder Flöte. Dies ist ein sehr interessanter Vergleich, denn jedes Musikinstrument hat ja eine andere Klangfarbe. Wenn ich auf der Harfe ein a‘ zupfe, handelt es sich um die exakt gleich schnelle Schwingung von der Tonhöhe her, als wenn man auf der Flöte ein a‘ bläst (ca. 440 Hz). Doch jeder merkt sofort, dass der Ton auf der Flöte nicht das Gleiche ist wie der entsprechende Ton auf der Harfe. (Der Unterschied hängt zusammen mit der unterschiedlichen Struktur der Obertonreihe.) So ist es auch mit den Bibelschreibern. Jeder hat eine andere »Klangfarbe«. Johannes klingt ganz anders als Paulus, aber sie ergeben zusammen keinen dissonanten Lärm. Zusammen geben sie ein vollkommen harmonisches und wohltuendes Konzert. Wir müssen ein Gespür für die Vielfalt und für die Unterschiede in der Bibel bekommen. Dann wird die Klangvielfalt ein wahrer Genuss.

In der Zeit der Reformation wurde Luther – nachdem er durch den Römerbrief die »Rechtfertigung aus Glauben allein« entdeckt hatte – von den Papst-Anhängern mit dem Jakobusbrief gestichelt. Im Jakobusbrief geht es um die Rechtfertigung aus Werken. Calvin hat in seiner »Institutio« auf wunderbare und ganz ruhige Weise beschrieben, dass diese Unterschiede zwischen dem Römer- und dem Jakobus-Brief gar kein Problem sind. Es handelt sich nur um zwei verschiedene »Klangfarben«. Paulus betonte im Römerbrief, dass ein Sünder vor Gottes Augen nur durch den Glauben an Jesus Christus für gerecht erklärt wird (= gerechtfertigt wird). Man kann selbst nichts dazu beitragen. Jakobus sagte aber: Wenn du behauptest, du seiest ein Gläubiger, dann müssen wir Menschen das an deinen Taten und an der Art, wie du lebst, sehen können. Wenn deine Werke wirklich christlich sind, dann kannst du quasi vor den Augen der Menschen für gerecht erklärt werden (= gerechtfertigt werden), weil dann die Menschen die Auswirkungen eines echten Glaubens sehen können.

Verschiedene Schreibstile?

Weshalb kann es in der Bibel eigentlich so verschiedene Schreibstile geben? Wenn die ganze Bibel wirklich – Wort für Wort – von Gott inspiriert ist, wie sie dies selbst bezeugt (2Tim 3,16), müsste doch alles völlig gleichförmig sein. Warum haben wir denn solche Unterschiede? Warum schreibt Paulus anders als Johannes, warum Obadja anders als Salomo und Josua wiederum ganz anders als die Söhne Korahs?

In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass wir zwischen der Inspiration Gottes und der Inspiration der Dämonen unterscheiden. Wenn Menschen von Dämonen inspiriert sind und Bücher schreiben, wird deren Persönlichkeit eingeschränkt oder sogar ausgeschaltet. Manche Okkultisten besitzen die Gabe des automatischen Schreibens. Wenn ein Medium in Trance Botschaften ausspricht, ist das Bewusstsein ausgeschaltet oder eingeschränkt. Die Dämonen haben immer ein Interesse daran, unsere Kontrollinstanz zu beseitigen, damit sie uns als ihre Werkzeuge missbrauchen können (vgl. auch die Wirkungsweise von Drogen, von Alkoholmissbrauch und von östlicher Meditation etc.). Aber wenn Gott Menschen benutzen möchte, will er sie als vollständige Personen in seinem Dienst einsetzen, mit Geist, Seele und Körper. Gott, der Schöpfer, hatte Johannes genau so geformt, wie er ihn als Gefäß zu seiner Ehre haben wollte (vgl. Jer 18; Röm 9,19-24). Auch die ganze Entwicklung in seinem Leben war so in der führenden souveränen Hand Gottes, dass er Griechisch als Fremdsprache genau in der Weise lernen konnte, wie Gott es wollte. Als Johannes dann mit vollem Bewusstsein und ohne irgendwelche Einschränkung seiner Persönlichkeit seine Briefe, das vierte Evangelium und die Offenbarung schrieb, war seine von Gott geheiligte Persönlichkeit nicht ausgeschaltet. Nein, sie wurde zu 100 % von Gott gebraucht. Ja, das Eindringen von Irrtum und Falschem war 100 %ig ausgeschaltet. Das aber, was Johannes schrieb, stimmte genau mit dem überein, was der Geist Gottes, der ihn in seiner Aufgabe »trieb« (2Pet 1,21), sagen wollte. Das ist ein Wunder Gottes! Wenn man dies gut beachtet, kann dadurch oft auf ganz einfache Weise dämonische Inspiration, die dazu völlig im Kontrast steht, entlarvt werden.

Nun sehen wir auch, dass heutige Zungenbotschaften von ganz anderer Art sind als die Inspiration der Bibel. Beim Zungenreden wird der eigene Verstand übergangen. Der Redende versteht die Laute, die er äußert, nicht. Diese Art von Inspiration ist der biblischen Inspiration diametral entgegengesetzt! So etwas kommt nicht von dem Gott der Bibel.

Engelsprachen

Zur Bedeutung von 1Kor 13,1

In 1Kor 13,1 wird sowohl von »Sprachen der Menschen« als auch von »Sprachen der Engel« gesprochen:

»Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.«

Dies ist die einzige Stelle in der Bibel, wo der Begriff »Engelsprachen« vorkommt. Da die Heilige Schrift sich nur so spärlich zu diesem Thema äußert, ist es schwierig, mit Absolutheit Genaueres zur Natur der Engel-Kommunikation zu sagen.

Es gibt manche Stellen, in denen Engel mit Menschen sprechen, und da benutzen diese Boten natürlich immer menschliche Sprachen. – (Vgl. z.B. Dan 10,12-15; 10,20-12,4. In diesen Stellen wurde sehr wahrscheinlich Hebräisch gesprochen. In Apg 10,3ff. sprach der Engel wohl Latein oder Griechisch). – Selbst in Fällen, wo Engel zueinander oder gar direkt zu Gott sprachen, konnten Menschen ihr Reden verstehen.

Es gibt keine Stelle in der Bibel, aus der hervorgehen würde, dass Engel wirklich andere Sprachen reden als Menschen. Rein sprachlich gesehen, ist es eigentlich ganz nahe liegend, dass der Ausdruck »Sprachen der Menschen und der Engel« in 1Kor 13,1 die Bedeutung hat: »die Sprachen, welche sowohl die Menschen als auch die Engel sprechen«.

Die Annahme – allein aufgrund von 1Kor 13,1 –, dass Gott den Engeln eine Vielzahl von Sprachen gegeben habe, wäre problematisch. Eine Vielzahl von Sprachen drückt ja Spaltung und Gericht aus. Für die Menschen von Babel war die Sprachenverwirrung ein Gericht (vgl. 1Mo 11). Gott gab der Menschheit ja ursprünglich nur eine einzige Sprache (1Mo 2; 11,1).

Natürlich, man könnte spekulieren, dass es seit dem Fall Luzifers (Jes 14,12ff.; Hes 28,12ff.) vielleicht auch in der Engelwelt eine Sprachenverwirrung gegeben habe. Dabei muss jedoch Folgendes beachtet werden: Die gefallenen Engel sind nicht in eine Vielzahl von »Völkern« aufgespalten worden wie die Menschen nach dem Turmbau zu Babel. Satan bildet mit den gefallenen Engeln ein einheitliches Reich der Finsternis, ohne Zerteilung (vgl. Mat 12,25-27). Gut, vielleicht gibt es einfach zwei Sprachen, die Sprache der gefallenen und die Sprache der treu gebliebenen Engel. Aber dann würde dies heißen, dass Sprachenredner – weil sie ja in den Sprachen (Plural!) der Engel reden, u.a. die Sprache der Dämonen sprechen würden. Das wäre auch undenkbar. Merken wir, wie spekulativ alles wird, wenn man aufgrund des Wortlauts von 1Kor 13,1 eine Lehre über Engelsprachen aufbauen will? Dies ist aus dem einfachen Grund so, weil die Heilige Schrift nichts davon sagt, dass Engel eigene Sprachen hätten. In der Bibel sprechen sie – auch wenn sie sich direkt an Gott wenden – stets Sprachen, die von den Menschen auch verstanden werden. Daher entspricht die schlichte, oben bereits erwähnte Auffassung – ohne irgendwelche Spekulationen – dem gesamtbiblischen Befund: Der Ausdruck »Sprachen der Menschen und der Engel« in 1Kor 13,1 hat die Bedeutung: »die Sprachen, welche sowohl die Menschen als auch die Engel sprechen«.

Ein Wenn-dann-Satz

Ferner ist darauf zu achten, dass durch 1Kor 13,1 in keiner Weise die real gemeinte Aussage gemacht wird, Paulus habe in Engelsprachen geredet. In den Versen 1-3 haben wir eine Reihe von Wenn-dann-Sätzen, die zum Teil offensichtlich irreale Bedeutung haben. Ein Beispiel vermag dies sofort zu verdeutlichen: Paulus hatte nur stückweise Erkenntnis (1Kor 13,9.12), und dennoch heißt es in 1Kor 13,2:
»Und wenn ich … alle Erkenntnis wüsste …«

Paulus hatte auch nie seinen Leib der Verbrennung hingeben müssen, dennoch sagte er (1Kor 13,3):
»… und wenn ich meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, …«

Lallen – keine höhere Kommunikation

Ich komme hiermit zu folgendem Schluss: Aufgrund von 1Kor 13,1 ist es nicht zulässig, zu behaupten, dass es sich bei dem in der Bibel erwähnten Sprachenreden um nicht-menschliche, überirdische Sprachen gehandelt habe. Der Hintergrund dieser Behauptung besteht nämlich in Folgendem: Es gibt Unzählige, die heutzutage Zungenreden in Form von unverständlichem Lallen mit fehlender Prosodie praktizieren.  –  (Die Prosodie beinhaltet den rhythmischen und metrischen Aspekt der Sprache im Zusammenhang mit Ton, Intonation, Akzent und Länge. In der Prosodik, einem Teilgebiet der Phonologie, beschäftigt man sich mit diesem Gebiet. Die gesprochene Sprache zeichnet sich klanglich u.a. durch Rhythmus und Betonung sowie durch Heben und Senken der Stimme aus. Dadurch werden u.a. sinngebende Einheiten strukturiert. In der Schrift wird solches z.T. durch Satzzeichen (Kommas, Punkte, Ausrufe- und Fragezeichen) sowie durch Absätze etc. verdeutlicht. Bei dem heutzutage von Millionen praktizierten Zungenreden fällt das Fehlen prosodischer Elemente auf.) –

Da es sich in diesen Fällen offensichtlich nicht um bestehende Fremdsprachen handelt, möchte man diese Praxis mit dem Hinweis auf Engelsprachen als ein biblisches Phänomen darstellen. Doch: Soll man wirklich glauben, dass Engel, die in der Bibel verschiedenste menschliche Fremdsprachen – d.h. wunderbare, komplex aufgebaute Codesysteme – beherrschen, unter sich keine höhere Kommunikation besitzen als nur gerade ein Lallen, wie es Millionen von Zungenrednern heute praktizieren?

Ganz abgesehen davon widerspricht es dem gesunden, von Gott geschenkten Denken, ein Lallen, unartikulierte Laute, unstrukturierte Äußerungen als »den menschlichen Kommunikationsmitteln überlegene übernatürliche Sprachen« zu bezeichnen. Eine solche Meinung beinhaltet letztlich – ohne dass man dies beabsichtigt – eine Verachtung der von Gott dem Menschen geschenkten Sprachen! Bedenken wir gut, dass gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift nicht der Mensch, sondern vielmehr Gott der Urheber der Sprachen ist. Die Bibelsprachen Hebräisch, Griechisch und Aramäisch, so sehr es sich auch um von Menschen gesprochene und geschriebene Sprachen handelt, und auch alle anderen Sprachen sind im Grunde genommen göttliche Sprachen. Sie sind daher ideale Gefäße, um Gottes Botschaft an die Menschheit weiterzugeben.
Deshalb kann die Bibel, Gottes vollkommen inspiriertes Wort, in jede der ca. 6800 existierenden menschlichen Sprachen übersetzt werden. Der Schöpfer wusste genau, welche Mittel angemessen sind, um seine Gedanken dem menschlichen Geschöpf zu vermitteln. Da die menschlichen Sprachen von Gott als offene Systeme geschaffen worden sind, können fehlende Begriffe in eine bestimmte Sprache durch Neologismen (neue Wortschöpfungen) eingeführt werden, genauso wie Adam in 1Mo 2 das Vokabular der Ursprache durch neue Tiernamen erweitern konnte. Deshalb kann man sagen, dass in jeder Sprache jeder beliebige Gedanke ausgedrückt werden kann!
Von Sprache zu Sprache sind die Mittel dazu jeweils sehr unterschiedlich, aber es sind im Prinzip überhaupt keine Schranken in den Möglichkeiten, jeden Inhalt zu übermitteln, gesetzt.

Zur Bedeutung von Röm 8,26-27

Manche Charismatiker bringen die in Röm 8,26-27 erwähnten »unaussprechlichen Seufzer« des Heiligen Geistes mit dem Lallen des Zungenredens in Verbindung:

»Desgleichen aber nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheiten an; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sich’s gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern. Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Sinn des Geistes ist, denn er verwendet sich für Heilige Gott gemäß.«

Diese Stelle hat jedoch nichts mit Sprachenreden zu tun. Das Adjektiv »unaussprechlich« bringt ja gerade zum Ausdruck, dass es sich hier um eine stumme und wortlose Kommunikation handelt, d.h. um eine Kommunikation ohne Sprache, also auch ohne Sprachenrede! Sprachenrede ist gerade nicht »wortlos«, sondern Kommunikation mit Wörtern – ob laut ausgesprochen oder nicht. Das mit »unaussprechlich« übersetzte griechische Wort alaletos bedeutet nämlich »wortlos« oder »stumm«.

In Röm 8,26-27 geht es um ein Wirken des Heiligen Geistes, das jedem Erlösten zukommt. Beim Sprachenreden handelt es sich jedoch um eine Gabe, die nie für alle Kinder Gottes vorgesehen war, wie wir weiter unten noch darlegen werden.

Keine Bewusstseins-Einschränkung

Beim biblischen Sprachenreden handelte es sich niemals um ekstatische Zustände. Niemals gab es dabei ein eingeschränktes Bewusstsein. Dies wäre grundsätzlich im Widerspruch zur Lehre der Heiligen Schrift. In 2Tim 4,5 befahl Paulus: Du aber sei nüchtern in allem …«

Das mit »nüchtern sein« übersetzte Verb nepho bedeutet gemäß dem neutestamentlichen Standardwörterbuch zum griechischen NT von Walter Bauer:
»… frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, von Überschwang, Leidenschaft, Überstürzung, Verwirrung, Exaltiertheit«.

In 2Tim 4,5 handelt es sich um ein neutestamentliches Gebot. Die verwendete Verbform ist ein Imperativ. Wir realisieren damit, dass all der für die Charismatische Bewegung so typische leidenschaftliche Überschwang ein klarer Verstoß gegen ein ausdrückliches Gebot des Neuen Testaments darstellt. Was ist ein Verstoß gegen biblische Gebote? Sünde gegen Gott!

Große Freude ist selbstverständlich biblisch (vgl. z.B. Ps 100,1-2; Phil 4,4), aber niemals in unnüchterner Weise, niemals in einer Art, bei der die Selbstkontrolle irgendwie eingeschränkt oder gar aufgehoben wird, niemals in der Art, dass die menschliche Würde dabei berechtigterweise darunter leidet. Das NT ruft noch weitere 10-mal zur Nüchternheit auf:

• 1Kor 15,34: »Werdet rechtschaffen, nüchtern [eknepho] und sündigt nicht, denn etliche sind in Unwissenheit über Gott; zur Beschämung sage ich’s euch.«
• 1Thes 5,6-8: »Also lasst uns nun nicht schlafen wie auch die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein [nepho]. Denn die da schlafen, schlafen des Nachts, und die da trunken sind, sind des Nachts trunken.
Wir aber, die vom Tag sind, lasst uns nüchtern sein [nepho], angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit.«
• 1Tim 3,2: »Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern [nephalios],besonnen, sittsam, gastfrei, lehrfähig; …«
• 1Tim 3,11: »Die Frauen desgleichen, würdig, nicht verleumderisch, nüchtern [nephalia],treu in allem.«
• 2Tim 2,24-26: »Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, duldsam, er in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit, und sie wieder nüchtern werden [ananepho] aus dem Fallstrick des Teufels, die von ihm gefangen sind, für seinen Willen.«
• Tit 2,1-2: »Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt: dass die alten Männer nüchtern [nephalios] seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren; …
1Pet 1,13: »Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern [nepho] und hofft völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi; …«
1Pet 4,5: »Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern [nepho] zum Gebet.
• 1Pet 5,8: »Seid nüchtern [nepho], wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge …«

Ferner findet sich im NT 14x der Befehl »Wacht!« Das NT lehnt jegliche Passivität des Geistes ab und ruft die Gläubigen zu Wachheit und gesunder Aktivität auf, und zwar mit Befehlen wie z.B. »Widersteht, »Kämpfe!« usw.

Dies steht deutlich im Gegensatz zur Mystik in allen möglichen mit der Bibel unvereinbaren religiösen Praktiken wie Transzendentale Meditation, Traumreisen, Yoga, Autogenes Training, Rockmusik, Drogen etc., wo Einschränkungen des Bewusstseins in allen möglichen Abstufungen eine wesentliche Rolle spielen.

Als die Beatles mit ihrem Song »Let It Be« an die Öffentlichkeit traten, wollten sie die Jugend nicht dazu aufrufen, das Leben doch ein bisschen lockerer zu nehmen und nicht alles gar so schwer aufzufassen. Nein, sie riefen damit zur Passivität des Geistes auf, wie dies in den fernöstlichen Religionen im Zusammenhang mit der Meditation praktiziert wird. »Let It Be« meint »Lass dich – in Passivität – gehen, schalte den Verstand ab!«. Im Songtext wird des Weiteren gesagt »… whisper words of wisdom …« (»… flüstere Worte der Weisheit …«).
Damit war die stete Wiederholung von Mantras gemeint. Indem man bestimmte Wörter oder Wendungen – oft ohne deren Bedeutung zu kennen – dauernd wiederholt, kann man den menschlichen Geist passiv machen, sodass andere Geister (sprich: Dämonen) die Kontrolle Übernehmen können. Die Hindus würden sagen, »damit man mit den Göttern in Kontakt treten kann«.
Der Heilige Geist ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ein »Geist der Besonnenheit«, der Kraft gibt zur Selbstbeherrschung, Mäßigung und zum gesunden Verstandesurteil (vgl. 2Tim 1,7).

Er führt den Menschen niemals in einen Trance-Zustand. Wenn Paulus in 1Kor 12 über die geistlichen Gaben zu sprechen beginnt, macht er gerade in dieser Hinsicht einen auffälligen Unterschied zum Heidentum deutlich (1Kor 12,2):
»Ihr wisst, dass ihr, als ihr von den Heiden wart, zu den stummen Götzenbildern hingeführt wurdet, so wie ihr irgend [zu ihnen] hingerissen wurdet.«

 

Erbauung durch Sprachenreden

Spezialfall Korinth

Beim Pfingstereignis in Apg 2 waren viele fremdsprachige Menschen zugegen. Für sie erwies sich das Sprachenreden als perfektes Kommunikationsmittel. In Korinth gab es indessen oft Verständnisprobleme. Was nützte dort das Sprachenreden in den Fällen, wo keine Fremdsprachigen da waren? Wenn die Korinther, von denen ja viele aus der Unterschicht kamen, die Fremdsprachen nicht verstanden, so gab es keine Erbauung. Daher war in diesen Fällen »Auslegung» bzw. »Übersetzung» absolut notwendig. Einzig und allein durch die Übersetzung bekam die Gemeinde »Erbauung» im Glauben (1Kor 14,5). Daraus erkennen wir: Nicht das Sprachphänomen an sich, sondern allein die dadurch übertragene Botschaft war erbauend.

Keine Erbauung durch den Sprachklang

Man kann das eben Gesagte an einem Beispiel verdeutlichen: Die Psalmen sind ursprünglich auf Hebräisch verfasst worden. Nach dem Selbstzeugnis der Heiligen Schrift sind sie vom Geist Gottes inspiriert, so wie alle Bibelbücher (2Tim 3,16). Das Hebräische der Psalmen ist daher gewissermaßen Sprache des Heiligen Geistes. Man könnte die Psalmen im Gottesdienst auf Hebräisch rezitieren. Obwohl die Sprache der Propheten zweifellos wunderschön und feierlich klingt, wird keiner der des Hebräischen nicht mächtigen Gottesdienstbesucher davon irgendeinen geistlichen Nutzen haben. Die Sprachlaute sind Träger von Information. Wer die Laute jedoch nicht aufschlüsseln kann, vermag nichts von der Information aufzunehmen. Die Laute an sich sind keine Kommunikation. Nur wenn der Inhalt einer Botschaft übermittelt wird, hat der Empfänger einen Gewinn davon. Wir machen ein Beispiel:

’aschrei ha’ish ’asher lo halakh ba’atzath resha’im
uvederekh chata’im lo’amad
uvemoshav letzim lo jashav
ki ’im bethorath ’adonai chevtzo
uvethoratho jehegeh jomam valailah
vehajah ke’etz shatul ’al palgei majim
asher pirjo jithen be’itho ve’alehu lo jibbol …

Die eben zitierten Sätze sind perfektes Reden des Heiligen Geistes. Sie sind zu 100 % von ihm inspiriert (2Tim 3,16). Aber was nützt dies dem Leser und denen, die ihm zuhören, wenn sie alle diese Sprache gar nicht verstehen? Es bringt gar keine Erbauung. Doch sobald wir die Übersetzung vorbringen, gibt es echte Erbauung:

Psalm 1

Glückselig der Mann, der nicht wandelt im Rat der Gesetzlosen,
und auf dem Weg der Sünder nicht steht,
und auf dem Sitz der Spötter nicht sitzt,
sondern am Gesetz des HERRN seine Lust hat,
und über sein Gesetz nachsinnt Tag und Nacht.
Und er wird sein wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen,
der seine Frucht gibt zu seiner Zeit
und seine Blätter verwelken nicht,
und alles, was er tut, gelingt.
Nicht also die Gesetzlosen,
sondern sie sind wie die Spreu, die dahintreibt der Wind.
Darum werden nicht aufstehen die Gesetzlosen im Gericht,
und die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Denn es kennt der HERR den Weg der Gerechten;
aber der Weg der Gesetzlosen wird zugrunde gehen.

Was ist Kommunikation?

Gesprochener Dialog unter Menschen geschieht beim Reden so: Der Sender besitzt oder bildet in seinem Inneren Information. Er verschlüsselt sie in Code-Zeichen, und zwar in Form von Schallwellen, die er an einen Empfänger Übermittelt. Der Empfänger entschlüsselt die Code-Zeichen und nimmt die Information in sich auf. Nun kann er darauf reagieren, und so wird er in der eben beschriebenen Form selbst zum Sender, während der vorherige Sender die Möglichkeit hat, auf Empfang umzuschalten.

Verfehlte Kommunikation

Wenn beim Zungenreden der Sprechende gar nicht wirklich versteht, was er sagt, so wird hier am Wesen der Sprache als Kommunikationsmittel vollständig vorbeigeschossen.
Der sich meines Erachtens fälschlicherweise auf 1Kor 14,2 berufende Zungenredner steht ja beim Beten überhaupt nicht in einer Kommunikation mit Gott. Was er tut, verfehlt vollständig die von dem Schöpfer gewollte und von ihm so hoch eingeschätzte Sprache als Verständigungsmittel zwischen Gott und Mensch. Gott spricht doch zu uns durch sein geschriebenes Wort. Wir dürfen ihm durchs Gebet antworten, und zwar indem wir bei vollem Bewusstsein von Herzen auf das reagieren, was er uns sagt. Dies ist Kommunikation. Alles andere liegt unter der Würde des Menschen. Bileams Eselin beherrschte die Sprache, die sie redete, nicht (4Mo 22,28-30). Doch vergessen wir nicht: Sie war ein Tier und kein im Bild Gottes geschaffenes Wesen (vgl. 1Mo 1,27)!

Sprachverständnis und Sprachbeherrschung

Der menschliche Geist = Aktivist der Sprachenrede

Wer in einer Sprache betete, wusste genau, was er sagte. Für ihn war die Sprache nicht unverständlich: Er erbaute sich selbst (1Kor 14,4). Soeben haben wir gesehen, dass nicht das Übernatürliche Phänomen erbaute, sondern der Inhalt, das Kommunizierte, sonst wöge ja auch die Gemeinde jeweils erbaut worden, wenn keine Auslegung da war (1Kor 14,17), nämlich einfach durch das Übernatürliche Geschehen.

Beim Sprachenreden betete nach 1Kor 14,14 der menschliche Geist. Der Geist des Menschen hat die Fähigkeit, zu »erkennen«, zu »forschen« und zu »verstehen«. Er ist der Sitz des menschlichen Intellekts. Beim Sprachenreden war das Organ des Denkens und des Verstehens nicht passiv, sondern im Gegenteil vollständig aktiv, ja sogar Quelle der Kommunikation. Der Sprachenredner konnte das sagen, was er wollte. Gemäß Apg 2,4 befähigte der Heilige Geist zur richtigen Aussprache. Doch aus 1Kor 14,14 geht hervor, dass der Geist des Menschen jeweils der Sprecher war. Biblisches Sprachenreden hat nichts mit Medialität gemein, wo der Geist des Menschen passiv ist und ein anderer Geist aktiv durch ihn spricht.

Nur der unkundige Zuhörer verstand nichts

In 1Kor 14 heißt es Übrigens nicht vom Sprechenden, sondern vom Zuhörer: Er ist ein Barbar, der nichts versteht (1Kor 14,11), er kann nicht »Amen« sagen zur Bestätigung (1Kor 14,16), er nimmt die Stellung des Unkundigen ein (1Kor 14,16). Der Sprecher wusste selbst genau, was er sagte. Er war der Aktive. Aber der nicht-fremdsprachige Zuhörer konnte mit der Mitteilung des Sprachenredners jeweils gar nichts anfangen.

Beten um die Gabe der Auslegung?

Aufgrund von 1Kor 14,13 könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Sprachenredner zwar nicht wusste, was er sagte, dass ihm jedoch die Möglichkeit offen stand, um den Empfang der Gabe der Auslegung zu bitten. Es heißt dort:
»Darum, wer in einer Sprache redet, bete, damit er es übersetze.«
Beim Studium dieses Satzes im griechischen Original wird aber deutlich, dass dem nicht so ist. Die von Paulus benutzten Zeitformen weisen nicht auf ein einmaliges Ereignis hin. Der Apostel benutzte Durativ-Formen, die ein wiederholtes Handeln ausdrücken. Unter Berücksichtigung der griechischen Aspekte übersetze ich daher wie folgt:
»Darum, wer [immer wieder] in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze.
Es geht nicht darum, eine bestimmte Gabe zu erbitten. Der in Sprachen Redende weiß ja genau, was er sagt. Doch er soll Gott um Hilfe bitten, um anderen das Gesagte möglichst klar verständlich zu machen.
In der gleichen Weise bittet man auch um Gelingen, wenn man jemanden z.B. bei einem biblischen Vortrag, sagen wir mal von Englisch auf Deutsch, Übersetzt. Auch wenn man zwar beide Sprachen perfekt beherrscht, so ist man doch jedes Mal von der Gnade und Hilfe Gottes abhängig, um einen solchen Dienst möglichst gut und gewinnbringend für die Hörer auszuführen.

Eine Gabe für alle Christen?

Die Fragen »Reden alle in Sprachen? und »Legen alle aus? (1Kor 12,30) verlangen eine verneinende Antwort. Fragen, die mit der griechischen Partikel mè gestellt werden, was an dieser Stelle der Fall ist, sind rhetorische Fragen, die ein »Nein» als Antwort verlangen. Daraus folgern wir: Nicht alle Christen hatten die Gabe der Sprachenrede!
Die unter gewissen Charismatikern vertretene Meinung, dass eigentlich alle wahren Gläubigen in Zungen reden sollten, steht also in völligem Widerspruch zu den Aussagen des Wortes Gottes.

Verantwortlichkeit beim Sprachenreden

Unter Berücksichtigung von all dem bisher Ausgeführten wird klar, dass es biblisch nicht zu verantworten ist, die Zungenrede von heute, bei der die Redner sich selbst nicht verstehen und somit auch nicht wissen, was sie sagen, mit dem Sprachenreden der Heiligen Schrift in Verbindung zu bringen. Nicht minder unbiblisch sind die heutigen Zungen-Ausleger, welche die Zungenredner auch gar nicht verstehen (!), sondern aus einer, wie auch immer gearteten Eingebung heraus – z.B. indem sie ohne zu denken einfach ihrem Redefluss freien Lauf lassen und dabei auf »Inspiration« zählen – eine Deutung geben wollen.

Der Verstand darf nie und nimmer ausgelöscht oder eingeschränkt werden. Die Gläubigen sollen vielmehr »Erwachsene / Vollkommene am Verstand« sein (1Kor 14,20). Der Mensch ist eine von Gott geschaffene Einheit von Geist, Seele und Leib (1Thess 5,23). Kein Aspekt des Menschen darf verachtet und vernachlässigt werden.

Der Herr Jesus Christus lehrte, dass wir für all unsere Worte, die wir reden, verantwortlich sind (Mat 12,36-37): Ich sage euch aber, dass von jedem unnützen Worte, das irgend die Menschen reden, sie von demselben Rechenschaft geben werden am Tag des Gerichts; denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.«

Diese Verse helfen uns zu verstehen, dass es niemals Gottes Wille sein kann, dass wir Laute aussprechen, von denen wir gar nicht wissen, was sie eigentlich bedeuten. Auf diese Weise wären sie ja unserer Kontrolle und Verantwortung entzogen. Wenn der Herr von uns Christen verlangt, dass wir Verantwortung für alle unsere Worte ablegen werden, so wird er uns niemals ein Zungenreden geben wollen, bei dem unser Verstand und unser Verständnis abgehängt sind.

»Geist« kontra »Verstand«?

In 1Kor 14,14.15 werden die sich überschneidenden Begriffe »Geist« und »Verstand« scheinbar als Gegensatzpaare behandelt:
»Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstand.

Zum Bedeutungsfeld von nous

In dieser Stelle scheinen die Begriffe »Geist« (pneuma) und »Verstand« (nous) Gegensätze zu sein. Dies überrascht, denn diese Konzepte können doch eigentlich gar keine Gegensätze sein! »Verstand« ist doch gerade eine Fähigkeit des Geistes (Ps 77,6). Deshalb fragen wir uns: Was kann mit nous denn sonst noch alles ausgedrückt werden? Das Wortbedeutungsfeld von nous ist sehr groß, folgende Bedeutungen seien daraus herausgegriffen: »Verstand«, »Gesinnung«, »Gemüt«, »Absicht«, »Zweck (bei Handlungen)«, »Sinn«, »Redesinn«, »Aussage«, »Bedeutung (von Wörtern« etc.).

Was bedeutet »fruchtleer«?

Nun stellt sich die Frage: Was bedeutet eigentlich »fruchtleer« in 1Kor 14,14? Die Antwort ergibt sich aus dem Kontext und dem gesamten Gedankenverlauf des Kapitels: »keine Frucht bringen für andere«. Man beachte, wie oft in diesem ganzen Abschnitt Über den anderen bzw. die anderen gesprochen wird. Die Zielrichtung in 1Kor 14 ist im gesamten Textverlauf diese: Wer eine geistliche Gabe besitzt, soll sie zur Auferbauung anderer einsetzen. Es ist darauf zu achten, dass das Kommunizierte, das Mitgeteilte zum Nutzen anderer richtig ankommt (vgl. 1Kor 14,12). Es reicht nicht, dass man sich selbst weiterbringt und nur selbst versteht, was man ausspricht (1Kor 14,4).

Übersetzung von 1Kor 14,14-15

Paulus’ Aussage in 1Kor 14,14-15 lässt sich somit wie folgt umschreiben: »Ich will mich zwar in Fremdsprachen ausdrücken, jedoch möchte ich auch, dass andere mich dabei verstehen.« Das Wort nous bedeutet daher in unserem Kontext »Bedeutung«, »Sinn« oder »Aussagekraft des durch Fremdsprachen Ausgesagten«.

Ich übersetze daher 1Kor 14,14-15.19 wie folgt:
»Denn wenn ich in einer Fremdsprache bete, so betet mein Geist, aber mein Redesinn [od. meine Aussage] ist [dabei] fruchtleer [für die Zuhörer]. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Redesinn; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Redesinn. …[19] Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Redesinn, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache.«

Zur Opposition zwischen nous und phrên

Da, wo es in 1Kor 14 eindeutig um intellektuelle Verstandeskraft geht, gebrauchte Paulus auffälligerweise nicht nous, sondern ein anderes Wort, das so selten verwendet wird, dass es im gesamten NT nur hier vorkommt. Durch diese semantische Opposition, wie man dies in der Linguistik nennt, entsteht eine deutliche, Missverständnisse verhütende Begriffsunterscheidung im Kontext. Dadurch wird die Verständlichkeit der Aussage erhöht. Diese Opposition kommt beim Übergang von 1Kor 14,19 zu 14,20 wirkungsvoll zum Tragen:
»[19] Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Redesinn [= nous], damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache.
[20] Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand [= phren], sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand [= phren] aber werdet Erwachsene.«

Die Bedeutung des Verstands wird hier betont: Christen sollen den Verstand niemals ausschalten. Sie sollen am Verstand »Erwachsene« sein. Wenn man an dieser Stelle nochmals bedenkt, dass das mit »Erwachsene« übersetzte griechische Wort teleioi die Nebenbedeutung »Vollkommene« besitzt, so wird die Aussage weiter zugespitzt. Christen sollen ihren Verstand gebrauchen. Gerade dadurch vermögen sie u.a. einzusehen, dass das Reden in Fremdsprachen ohne Übersetzung völlig sinnlos ist, da die rein klangliche Seite der Sprachen den Hörenden nichts bringt und mit Kommunikation, der Zielsetzung der Sprachen, nichts zu tun hat.

In manchen Religionen hat das Rezitieren von unverständlichen Wörtern, Sätzen und Texten eine ausgesprochen wichtige Bedeutung. Man denke z.B. an die Mantras und die vedischen Opfertexte im Hinduismus sowie an das Rezitieren des Korans in der Grundtextsprache bei Muslimen, die kein Arabisch können. In diesen Religionen wird dem Wort als Lautgestalt übernatürliche, sprich magische Bedeutung zugeschrieben. Das biblische Christentum distanziert sich jedoch völlig von aller Art der Magie, und damit auch von der Wortmagie.

Quellen falscher Sprachenrede

Wir haben gesehen, dass es sich beim biblischen Sprachenreden um die Beherrschung von Fremdsprachen handelt, die man vorher nie gelernt hat. Dies hebt sich markant von allem Lallen des Zungenredens, der so genannten »Glossolalie«, ab, wo die Redenden sich der Passivität hingeben und wo sie ihre Laute nicht einmal verstehen. Diese Art von Zungenreden findet man übrigens in mystischen Praktiken verschiedenster Kulte, so z.B. im Hinduismus, im Spiritismus, in den alten Mysterienkulten etc. Auch im Schamanismus, d.h. in animistischen Stammesreligionen, ist das Zungenreden ein bekanntes Phänomen, das eingesetzt wird, um Besessenheit, d.h. Machtergreifung durch einen Geist, auszulösen. Ferner kann es sich dort auch als Folgeerscheinung von Besessenheit einstellen, neben Phänomenen wie Zittern, Zucken, Umfallen, Vonsichgeben von Tierstimmen und unkontrolliertem Lachen etc.

Aus welchen Quellen kann die »Glossolalie« in christlichem Umfeld entspringen? Es kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage:

a) Es kann sich um ein selbst produziertes Lallen oder Stammeln handeln.

b) Die Glossolalie kann aus bestimmten seelischen Zuständen heraus entstehen. Sie ist ein in der Psychiatrie bekanntes Phänomen, das z.B. wohl aus seelischer Überspanntheit heraus erklärbar sein kann.

c) Zungenreden kann auch dämonischen Ursprungs sein. Ein deutliches »christliches Beispiel aus der Zeit der Camisarden (Die Camisarden bildeten eine entartete Bewegung, die sich aus dem Hugenottentum entwickelte) vermag dies ein wenig zu verdeutlichen: Ein Mädchen aus sozial einfachstem Umfeld pflegte damals im Trance-Zustand Hochfranzösisch zu sprechen. Diese Sprache konnte sie im Wachzustand nicht sprechen. In ihren Botschaften forderte sie die Camisarden zu Mord auf. (In diesem Fall handelte es sich nicht lediglich um ein Stammeln, sondern um eine wirkliche Sprache. Zwei Aspekte machen jedoch deutlich, dass es sich dennoch nicht um das biblische Sprachenreden handelte: 1. Nicht sie sprach, sondern ein Geist sprach aus ihr heraus. Sie wirkte als Medium, indem ihr Verstand abgekoppelt war. 2. Ihre Aussage stand deutlich im Widerspruch zur Bibel (Mat 5,44).

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei echten Christen prinzipiell mit dämonischem Einfluss gerechnet werden kann. Aufgrund verschiedener Hinweise aus dem NT muss man dies leider mit »Ja« beantworten. In Mat 16,16 sprach Petrus kraft göttlicher Offenbarung (vgl. Mat 16,17) ein wunderbares Bekenntnis zu dem Messias aus – doch seine Aussage in Mat 16,22 ging auf teuflische Eingebung zurück (Mat 16,23). Der Herr rügte Petrus mit aller Schärfe (Mat 16,23):
»Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnest nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.«

Die »Heiligen« und »Treuen« in Ephesus (vgl. Eph 1,1) werden gewarnt, dem Teufel keinen Raum (griech. topos) zu geben (Eph 4,27).

Der Apostel Petrus warf Ananias vor, dass er dem Teufel sein Herz geöffnet hatte (Apg 5,3):
»Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und von dem Kaufpreis des Feldes [etwas] für dich beiseite geschafft hast?«

Paulus musste bei den Korinthern von einem derart miserablen Zustand ausgehen, dass er ihnen vorwerfen konnte, sie seien durchaus bereit, einen fremden Geist zu empfangen (2Kor 11,4):
»Denn wenn der, welcher [zu euch] kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertrüget ihr es gut.«

Sprachenrede wozu?

Ein Zeichen für Israel

Wie schon weiter oben ausgeführt, bestand der erste Sinn des Sprachenredens in einem zeichenhaften Hinweis für den ungläubigen Teil des Volkes Israel, der Mühe hatte, zu akzeptieren, dass in dem Zeitalter der Weltmission (Das gegenwärtige Zeitalter der Weltmission von Pfingsten bis zur Entrückung der Gemeinde wird in 2Kor 6,2 »die wohlangenehme Zeit« und »der Tag des Heils« genannt), das gewissermaßen mit Pfingsten 32 n.Chr. begonnen hatte, Nichtjuden durch reuiges Sündenbekenntnis und Glauben an den Messias Jesus direkt mit Gott ins Reine kommen könnten, ohne den Weg über das Judentum gehen zu müssen.

In 1Kor 14,21-22 erklärte Paulus die Zeichenbedeutung des Sprachenredens, indem er auf eine diesbezügliche prophetische Stelle aus dem Buch Jesaja hinwies:
»[21] Es steht in dem Gesetz (Hier bezeichnet der Begriff »Gesetz« das gesamte AT) geschrieben [Jes 28,11-12]: ›Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volke reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.‹
[22] Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Gott spricht zu allen Völkern

Das Zeichen der übernatürlichen Sprachenrede war ein symbolischer Hinweis auf die damals für Juden unheimlich schwer fassbare Tatsache, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer Sprache gebracht werden, ganz gemäß dem göttlichen Auftrag des Messias in Jes 49,6:
»Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.«

Die Bibel für alle Völker

Durch eine unermüdliche Pionierarbeit konnten die ganze Bibel bzw. einzelne Bibelteile bis heute in über 2300 Sprachen übersetzt werden. Damit sind die Sprachgrenzen auf allen fünf Kontinenten derart durchbrochen worden, dass heute fast alle Menschen Gottes Wort verständlich hören könnten. Diese gewaltige Übersetzungsarbeit ist allerdings im Lauf der Kirchengeschichte ohne die Gabe des Sprachenredens vonstatten gegangen. Es war eine Arbeit von unvorstellbaren Mühen, Gefahren und aufopfernder Hingabe. Es ist keine Frage: Gott hätte dieses Werk durch Sprachenreden in grandioser Weise vereinfachen können. Er hat es aber nicht getan. Weshalb nicht? Ganz einfach deshalb, weil sein souveräner Wille es anders wollte! Das Sprachenreden war nur ein Zeichen, ein Hinweis auf eine wunderbare heilsgeschichtliche Entwicklung: Die ganze Welt soll Gottes Reden in der Heiligen Schrift vernehmen, entsprechend dem Auftrag des Auferstandenen (Mat 28,19-20; Mark 16,15-16; Luk 24,46-49; Joh 20,21; Apg 1,8).

Die Sprachenrede sollte einmal abklingen

Zur Opposition zwischen katargeô und pauô.

In 1Kor 13,8.10.13 wird erklärt, dass geistliche Gaben wie Weissagung und Erkenntnis, samt allem, was »stückweise« ist, einmal »hinweggetan« werden sollen (1Kor 13,8-13):

8 Die Liebe vergeht nimmer; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden (katargeô); seien es Sprachen, sie werden aufhören [pauô]; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden (katargeô)
9 Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise;
10 wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, dann wird das, was stückweise ist, weggetan werden (katargeô).
11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg (katargeô), was kindlich war.
12 Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie auch ich erkannt worden bin.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

Das in der Elberfelder Übersetzung mit »hinwegtun« übersetzte griechische Wort katargeô bedeutet u.a. auch »vernichten, »abschaffen, »zunichte machen« (vgl. Heb 2,14), »entfernen. Die Grundbedeutung ist »herabmachen« (kata=herab; argeô=machen). Dieser starke Ausdruck deutet ein plötzliches, unmittelbares Beseitigen an, das bei der Wiederkunft Christi stattfinden soll, »wenn … das Vollkommene gekommen sein wird (1Kor 13,10) – dann, wenn Gläubige ihren Herrn »von Angesicht zu Angesicht« sehen werden (1Kor 13,12).  Könnte aber mit dem »Vollkommenen« nicht etwa die Zeit ab der Vollendung des Kanons der biblischen Bücher gemeint sein, d.h. die Zeit ab ca. 98 n.Chr., als der Apostel Johannes sein letztes Bibel¬buch verfasste und der Heiligen Schrift abschließend hinzufügte? Nein! Mit dem Abschluss des Kanons kam zwar Gottes schriftliche Offenbarung zu seinem Ende. Das stellte heilsgeschichtlich einen entscheidenden Einschnitt dar. Doch seither ist die Erkenntnis des einzelnen Gläubigen immer noch »stückweise« geblieben. Paulus sagt ja gewissermaßen subjektiv (1Kor 13,12): »Jetzt erkenne ich stückweise …« »Das Vollkommene« wird erst dann gekommen sein, wenn der Einzelne persönlich vollkommen erkennen kann (1Kor 13,12): »Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht.«

Während das Wort katargeô in 1Kor 13 im Zusammenhang mit »Weissagung« (1Kor 13,8), »Erkenntnis« sowie mit dem, was »stückweise« , und dem, was »kindlich« ist, viermal vorkommt, wird indessen in Verbindung mit dem Ende des Sprachenredens ein ganz anderes Tätigkeitswort verwendet, nämlich der Begriff pauô, der »aufhören« oder »abklingen« bedeutet. Durch katargeô wird eher eine abrupte Handlung ausgedrückt, durch pauô hingegen ein Prozess. In Apg 20,1 wird dieses Wort von Lukas bei der Beschreibung eines Volkstumults, der sich langsam beruhigte, gebraucht. Es leuchtet ein, dass bei der Wiederkunft Christi die Gaben in einem Nu zu ihrem Ende kommen werden. Wenn Paulus in Verbindung mit dem Sprachenreden jedoch im Prinzip von einem allmählichen Abklingen spricht, so können wir daraus schließen, dass diese Gabe irgendwann im Lauf der Kirchengeschichte vor der Wiederkunft Christi verstummen würde, und zwar in einem Prozess.

Kirchengeschichtliche Zeugnisse zum Aufhören des Sprachenredens

In diesem Zusammenhang ist es allerdings bemerkenswert, dass es eine Reihe von kirchengeschichtlichen Zeugnissen aus der nachapostolischen Zeit gibt, die verdeutlichen, dass mit dem Sterben der Apostel und derer, die durch sie zum Glauben gekommen waren, die Zeichen und Wunder der Frühzeit tatsächlich verschwanden. Augustinus schrieb um 392 n.Chr.:

»Warum geschehen heute solche Dinge nicht? Sie würden niemanden bewegen, wenn sie nicht wunderbar wären. … Gott ist darum in Weisheit mit uns umgegangen, indem er sie ein für alle Mal gab, um die Welt zu überzeugen, damit sie sich in der Folge auf die Menge verlasse, die auf diese Weise überführt wurde.«

Augustinus äußerte sich nicht allein zu den apostolischen Zeichen im Allgemeinen, sondern ebenso speziell zum Zeichen des Sprachenredens. Dieser bedeutende Kirchenlehrer seiner Zeit erklärte, dass durch die Sprachenrede das Kommen des Heiligen Geistes durch ein sichtbares Zeugnis unter Beweis gestellt worden war. Ferner habe das Sprachenreden Gottes Plan der Weltmission deutlich gemacht, dass nämlich die Frohe Botschaft von Jesus Christus nun allen Menschen in allen Sprachen verkündigt werden sollte. Das Zeichen der Sprachenrede habe sich ereignet, doch danach sei es verschwunden:
»Denn es war nötig, dass der Heilige Geist so mit allen Sprachen zei¬chenhaft bezeugt würde, weil Gottes Evangelium mit allen Sprachen dem ganzen Erdkreis zulaufen sollte. Jenes wurde zeichenhaft bezeugt, und (danach) verging es.«
Chrysostomos, der große Prediger des 4. Jahrhunderts, äußerte sich im Blick auf die Wunder zur Zeit der ersten Christen wie folgt:
»Behaupte nicht, Wunder geschahen damals nicht, weil sie heute nicht geschehen. … In jenen Tagen waren sie nützlich, heute sind sie es aber nicht. Von Wunderkräften ist nicht die geringste Spur geblieben.
Isidor von Pelusium (4. Jh.) spekulierte: »Vielleicht würden heute auch Wunder geschehen, wenn das Leben der Lehrer dem der Apostel an Bedeutung entspräche.«
Sogar noch im 7. Jahrhundert, als Aberglaube und Jagd nach Übernatürlichem längst einen großen Platz in der römischen Kirche eingenommen hatten, schrieb Isidor von Sevilla:
»Der Grund, warum die Kirche heute nicht die Wunder wirkt wie zur Zeit der Apostel, ist der, dass die Wunder damals notwendig waren, um die Welt von der Wahrheit des Christentums zu Überzeugen; jetzt steht ihr zu, nachdem sie überzeugt ist, durch gute Werke zu leuchten. … Wer heute als Gläubiger nach Wunderkräften strebt, trachtet nach eitler Ehre und menschlichem Beifall.«

 

5. Schlussfolgerungen und Konsequenzen

Beim biblischen Sprachenreden konnten Menschen ohne vorherigen Lernprozess plötzlich ihnen bis dahin unbekannte Sprachen beherrschen. Selbst der Akzent war perfekt. Es handelte sich um ein heilsgeschichtliches Zeichen, insbesondere als Zeugnis für das Volk Israel: Gott will zu allen Menschen in allen Sprachen reden, nicht mehr nur in einer Sprache zu einem Volk!
Das Sprachenreden vermittelte eine missionstheologisch tief gehende Aussage mit gewaltigen kirchengeschichtlichen Konsequenzen.

Beim Sprachenreden in der Zeit der Apostel geschah im Prinzip dasselbe wie bei der Erschaffung der ersten Menschen (1Mo 2) und bei der Sprachenverwirrung zu Babel (1Mo 11). Auch damals konnten Menschen eine neue Sprache sprechen, ohne sie vorher lernen zu müssen. Während jedoch in 1Mo 11 bei denen, die neue Sprachen redeten, das alte Sprachsystem gelöscht war, blieb es bei den Sprachenrednern des NT erhalten.
Ein weiterer Unterschied war der: Die Menschen zu Babel konnten jeweils nur eine Sprache sprechen, während neutestamentliche Sprachenredner unter Umständen befähigt waren, eine Vielzahl neuer Sprachen zu beherrschen (1Kor 14,18).

Das Sprachenreden der Bibel ist etwas grundsätzlich anderes als das heute in der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung praktizierte Zungenreden. Das heutige Zungenreden ist ein misslungener Kopieversuch des in der Bibel bezeugten Sprachenwunders der Apostelzeit (1. Jh. n.Chr.).

Das Zungenreden, bei dem das bewusste Verstehen keinen Platz hat, der Verstand ausgeschaltet wird, ist eine in vielen nichtchristlichen Religionen und im Okkultismus ausgeübte Praxis. In der Christenheit sollte sie gar nichts zu suchen haben.

Das Zungenreden ist eines der auffälligsten Kennzeichen der »Pfingstlich-Charismatischen Bewegung. Durch die vorliegenden Ausführungen sollte aber deutlich geworden sein, dass das Zungenreden dieser Bewegung völlig unbiblisch ist. Damit wird die gesamte Bewegung aus biblischer Sicht grundsätzlich in Frage gestellt, mitsamt all ihren zahlreichen Sonderpraktiken und Sonderlehren, auf die im Rahmen dieser Ausführungen nicht weiter eingegangen werden konnte.

Wer das Zungenreden selbst praktiziert hat und nun erkennt, dass dies ein Irrweg ist, muss sich davon distanzieren. Gott bietet die Vergebung für alle unsere Verirrungen an. In 1Joh 1,9 lesen wir die ermutigenden Worte: »Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.«

Man braucht dazu keinen speziellen Befreiungsdienst. Wir dürfen unsere Schuld Gott reuig bekennen und seine Vergebung und Reinigung dankend annehmen. Danach gilt es, sich ganz nach dem Wort Gottes auszurichten.

Die Hervorhebungen sind von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, den 20. 2. 2007

Der Autor
HD Dr. theol. Roger Liebi (Dipl. Mus., B.Th., M.Th., Th.D.), Jahrgang 1958, verheiratet, sechs Kinder, studierte Musik (Konservatorium und Musikhochschule Zürich, Violine und Klavier), Sprachen der biblischen Welt (Griechisch, klassisches und modernes Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch) und Theologie. Doktoralstudium und Promotion am Whitefield Theological Seminary in Florida mit einer Dissertation über den Zweiten Tempel in Jerusalem (Fachbereiche: Judaistik und Archäologie des NT). Er ist als Referent und Bibellehrer in verschiedenen Ländern tätig. Als Hochschuldozent hält er Vorlesungen im Bereich Archäologie und Geschichte Israels (STH Basel). Aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und mit angrenzenden Gebieten ist eine Rei¬he von Veröffentlichungen hervorgegangen. Das Themenspektrum umfasst u.a.: Bibelauslegung, Kulturanalyse, Ursprung der Sprachen, Prophetie, Israel, Archäologie und Apologetik des christlichen Glaubens. Als Bibelübersetzer hat er bisher im Rahmen von drei Projekten mitgewirkt.

www.horst-koch.de
info@horst-koch.de