C.S.Lewis (F.Grassl)

Fabian F. Grassl

VERNUNFT UND FANTASIE:



DIE APOLOGETISCHE METHODE DES C. S. LEWIS

UND SIEBEN FAKTOREN FÜR SEINEN ERFOLG


C. S. Lewis ist einer der großen, ja vielleicht der größte der christlichen Denker des 20. Jahrhunderts. Als wortgewandter Literaturwissenschaftler, erfolgreicher Schriftsteller, geschulter Philosoph, gewiefter Laientheologe und origineller Verteidiger des christlichen Glaubens, erreichte er mit seinen Schriften ein Millionenpublikum. Sein Einfluß ist im Jubiläumsjahr 2023 unvermindert spürbar, ja am Zunehmen. Anläßlich seines 60sten Todestages am 22. November und seines 125sten Geburtstages am 29. November ist es mehr als angemessen, dem Erfolgsgeheimnis dieses wirkmächtigen Apologeten, „Gottes Terrier“, wie er von Dorothy Sayers einmal freundschaftlich genannt wurde, nachzuspüren.

Was war die apologetische Methode von Lewis?

Was machte ihn zum erfolgreichen Apologeten?

Und hat er uns heute noch etwas zu sagen?
Um diese drei Fragen soll es uns im Folgenden gehen.

WAHRHEITSSUCHE – C. S. LEWIS ALS KLASSISCHER APOLOGET


Viele, vielleicht die meisten innerhalb seiner christlichen Leserschaft kennen Lewis vor allem durch sein wohl bekanntestes Werk, Pardon, ich bin Christ (Mere Christianity)
Pardon war nicht sein erstes apologetisches Werk. Das trug vielmehr den Titel Über den Schmerz (The Problem of Pain) und erschien im Jahre 1940. Dieses Buch ließ die British Broadcasting Company auf Lewis aufmerksam werden. Die BBC fragte am 7. Februar 1941 brieflich bei Lewis an, ob er sich vorstellen könne, für die kriegsgebeutelte Hörerschaft Rundfunkansprachen über den christlichen Glauben zu halten. Lewis konnte und wurde schon bald zur zweitbekanntesten Stimme Englands – nach der von Winston Churchill. Denn aus dieser Anfrage ergaben sich unter anderem vier Radioansprachen, welche dann später die Grundlage für den im Jahre 1952 veröffentlichten Buchklassiker Pardon bildeten. Der erste Abschnitt des Buches bzw die erste Radioansprache trägt in der dt. Neuübersetzung von 2014 den Titel: „Recht und Unrecht als Schlüssel zum Sinn des Universums“. Das im englischen Original stehende Wort clue könnte anstelle von „Schlüssel“ auch mit „Hinweis, Wegweiser“, Indiz“ wiedergegeben werden. Es liefert uns einen wichtigen Einblick in die apologetische Herangehensweise des großen Oxforder Literaturprofessors.
Denn Lewis ist der Überzeugung, daß unsere Welt voll von Indizien steckt, die auf die Existenz Gottes hinweisen. Er begründet diese Überzeugung nicht nur mit seiner eigenen Erfahrung, sondern auch mit der christlichen Lehre von der imago Dei. Da wir im Bilde Gottes erschaffen sind, spiegeln wir mit unserer vernunfthaften Wesensnatur das göttlich-personale Wesen, das vollkommen vernunftgemäß ist, bruchstückhaft wider. Diese Ebenbildlichkeit wurde durch den Sündenfall zwar beschädigt, aber nicht vollkommen zerstört.
Somit ist es allen Menschen universal und über die Zeiten hinweg möglich, Gottes Herrlichkeit in der Natur und im Gewissen zu erahnen; und zwar ganz unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung. Aus diesem Grunde kann Lewis in Pardon Buch I, Kap.5, schreiben, daß in der Erkenntnisfrage zunächst „nicht die Bibel oder die Kirchen“ herbeiziehen möchte. Vielmehr „schauen (wir), was wir auf eigene Faust über diesen Jemand (Gott) herausfinden können.“ Lewis beruft sich also auf die sogenannte allgemeine Offenbarung, die im Unterschied zur speziellen Offenbarung Gottes in Form des Alten und Neuen Testamentes noch ohne konkrete Inhalte, also noch ohne direkte Kommunikation Gottes an das Volk Israel auskommt.

Unsere tiefsten menschlichen Phänomene wie unser rationales Selbstbewußtsein, unser Drang zur wahrheitssuche, unser tief in uns verankertes moralisches Bewußtsein, unser Freiheitsempfinden, unser Angewiesensein auf Beziehung, unsere schöpferischen Fähigkeiten, unsere Sehnsucht nach Sinn und Bedeutung, unser Empfinden für Schönheit – kurz, all das, was uns zu Menschen macht, all diese Phänomene verweisen für Lewis auf die Existenz des christlichen Gottes.
Warum? Weil der christliche Glaube, so Lewis, den besten Erklärungsrahmen für all diese Phänomene bietet.
Zusammengenommen ergeben sie ein existentielles Gesamtbild, welches sich durch den weltanschaulichen „Bilderrahmen“ namens „Christentum“ am überzeugendsten deuten und fasssen läßt. Der christliche Glaube bietet die beste Erklärung für die vorhandenen Fakten, die stimmigste Interpretation des Wahrgenommenen. Wir erhalten einen Verständnishorizont, der besser als andere das zweifellos Gegebene erklären kann. Kurz: das Christentum hat unter all den verschiedenen weltanschaulichen Deutungsmöglichkeiten „the better story“, die bessere Geschichte zu erzählen. Diese Überzeugung formuliert Lewis wohl nirgends treffender als am Ende seines Essays „Ist Theologie Dichtung?“

Dank der christlichen Theologie werden unsere tiefsten menschlichen Phänomene in einer Art und Weise beleuchtet, sodaß sie ein harmonisches Gesamtbild ergeben, innerhalb dessen es sich leben läßt. Unsere zutiefst menschlichen Erfahrungen werden innerhalb des christlichen Rahmens stimmig und finden darin ihren angemessenen Platz. Für Lewis trifft dies speziell auf die drei großen Phänomene der Vernunft, der Moral und der Sehnsucht zu, drei menschliche Wesenheiten, auf die er in seinen Schriften immer wieder mit Vorliebe apologetischen Bezug nimmt. Das Christentum ermöglicht also eine kohärente Begründung der Wirklichkeit, hat eine stimmige Erklärung für unsere Existenz, ist der weltanschauliche Schlüssel, der ins Schlüsselloch namens „Realität“ paßt.
Die christliche Interpretation der Wirklichkeit ist sinnstiftend, weil sie wahr ist. Die Wahrheit einer Weltanschauung festzustellen ist die Aufgabe der Vernunft. Die Wahrheit ist notwendige Vorbedingung für die Sinnhaftigkeit einer Sache. Würde etwas nur sinnvoll erscheinen, aber nicht wahr sein, so wäre uns keinen Schritt weitergeholfen. In seinem wichtigen Essay „Christliche Apologetik“ betont Lewis, „daß das Christentum eine Äußerung ist, die, wenn falsch, ohne jeden Belang ist, wenn wahr, aber von unendlichem Belang. Das eine, was es nicht sein kann, ist, von mäßigem Belang zu sein“. Somit ist die menschliche Kapazität der Vernunft, der ihr innewohnende Drang nach Wahrheit und eine damit verbundene Korrespondenztheorie der Wahrheit für Lewis unvermeidbarer Ausgangspunkt für alles Weitere.


SINNSUCHE – C. S. LEWIS ALS IMAGINATIVER APOLOGET

Für sich genommen ist die Vernunft unbedingt notwendig, aber noch nicht ausreichend. Es sind schließlich viele Dinge wahr, ohne gleich sinnstiftend zu sein. Als Menschen sind wir außerdem mehr als pure Ratio. Wir sind auch fantasievolle Geschöpfe, ausgestattet mit einem je eigenen Willen und tiefer Emotivität. In seinem Büchlein Dienstanweisung für einen Unterteufel (The Screwtape Letters) unterscheidet Lewis mithilfe seines fiktiven Charakters Screwtape drei Schichten der menschlichen Seele. Die äußere Schicht ist die Fantasie; die mittlere Schicht die Vernunft, und der innerste Kern besteht aus dem Willen. Es ist nun gerade die Fantasie, die auf entscheidende Art und Weise ein Türöffner für die Vernunft und dadurch für den Willen werden kann. Dies war Lewis’ eigene Erfahrung. In seiner Autobiografie Überrascht von Freude schreibt er, daß seine spätere Bekehrung zum christlichen Glauben entscheident vorbereitet wurde durch die „Taufe seiner Fantasie“, genauer: durch das Lesen von MacDonalds Fantasyroman Die Reise des Phantastes im Teenageralter.

Im Rückblick war diese Lektüreerfahrung für ihn eine Weichenstellung, die viele Jahre später in seiner Hinwendung zu Christus gipfeln sollte. Lewis wußte also aus eigener Erfahrung, wie wichtig die imaginative Sinndimension für uns Menschen ist. Unsere Imagination spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Wir können ohne Sinn, ohne eine tiefe Antwort auf das „Warum?“ unseres Daseins nicht leben. Doch Sinn ohne Wahrheit trägt nicht, genauso wenig wie Wahrheit ohne Sinn überzeugt. Wir brauchen beides! Vernunft und Fantasie sind keine Konkurrenten, sondern Teamplayer. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Lewis war sowohl philosophisch geschult als auch poetisch veranlagt. Dementsprechend kann er als Philosoph und Poet, als Erklärer und Erzähler unsere Vernunft wie auch unsere Vorstellungskraft in Wallung versetzen. Und gerade hierin liegt die zeitlose Bedeutung von Erzählungen wie der Chroniken von Narnia oder der Perelandra-Trilogie. Hierin liegt, wenn auch lange nicht sein einziges, so doch sicherlich sein bleibendes Verdienst: in der imaginativen Apologetik! In den Worten seines Freundes Austin Farrer: „Wir denken, wir hören eine Argumantation, doch in Wirklichkeit bekommen wir eine Vision präsentiert, und es ist die Vision, die die Überzeugungskraft in sich trägt.“ In der Trauerpredigt bei Lewis’ Beerdigung bringt es Farrer wie folgt zum Ausdruck: „Seine wahre Kraft lag nicht in der Beweisführung; sie lag in der Abbildung. In seinen Schriften wurde ein christliches Universum lebendig, das man sowohl denken als auch fühlen konnte, in dem er beheimatet war und in dem er seine Leser beheimatet machen konnte.“

Wahrheit allein ist noch keine Garantie für Relevanz. Ein Hauptproblem der sogenannten „Neuen Atheisten“ wie Richard Dawkins oder Daniel Denett besteht darin, daß sie es versäumen, überzeugende fesselnde Geschichten zu erzählen, die ihre ohnehin schon fragwürdigen Wahrheitsansprüche untermauern würden. Ein religionskritischer Thriller wie Dan Brown: Sakrileg (The Da Vici Code) hingegen ist voller zweifelhafter Thesen und historischer Ungenauigkeiten, schafft es jedoch, eine packende Geschichte zu erzählen. Welche Methode entfaltet nun die größere kulturelle Wirkung? Sicherlich nicht die trockene, vermeintlich rationale Herangehensweise von Dawkins und Denett, sondern doch wohl die aufregende, imaginative Methode eines Dan Brown!
Mit Lewis’ Bild von der menschlichen Seele gesprochen ist es die äußere Schicht der Fantasie, durch die die öffentliche Wahrnehmung primär in den Bann gezogen und die Vernunft beeinflußt wird. Wenn nun aber beides – Wahrheit und Sinn, Vernunft und Imagination – in einem christlichen Meisterwerk wie den Chroniken von Narnia kunstvoll zusammentreffen, so wird eine Sprengkrft freigesetzt, die ihren positiven Zauber über die noch kommenden Generationen unwiderstehlich weiter entfalten wird. Wir sollten literarische Glanzstücke wie Narnia oder auch Tolkiens Der Herr der Ringe im Hinblick auf ihr apologetisches Potenzial keinesfalls unterschätzen. Denn sie berühren eine tiefe Schicht in unserem Innersten, nämlich unsere Sehnsucht nach dem Wahren, dem Guten und dem Schönen. Indem Schriftsteller wie Tolkien und Lewis das Wahre, Gute und Schöne greifbar und strahlend erscheinen lassen, wecken sie in uns die Sehnsucht nach mehr.
Durch Narnia entsteht in uns der – oft unbewußte – Wunsch, daß das Christentum doch wahr sein möge. Selbst religionskritische Leser und Kinobesucher werden von der Faszianation ergriffen, die von der Welt hinter der Schranktür ausgeht. Somit aber haben sie den ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Was MacDonalds Phantastes für Lewis bewirkte, kann Narnia oder Der Herr der Dringe bei uns auslösen: Solche Werke werden zum Einfallstor für die christliche Botschaft.
Durch die Fantasie wird die Vernunft angerührt und schließlich unser Wille. Sie liefern eine wichtige Vorarbeit bzw Ergänzung für die klassische Herangehensweise der Apologetik, die sich auf rationale Argumente stützt. Gerade in der sogenannten „postmodernen“ Zeit, in der wir uns angeblich gerade befinden, kann sich diese narrative imaginative Strategie als besonders effektiv erweisen. Da wir Menschen uns jedoch schon immer für gute Stories faszinieren konnten, ist die imaginative Apologetik klassisch zeitlos. Und dieser einzigartigen Kombination von Vernunft und Fantasie, Wahrheit und Sinn, verdanken auch die Schriften von Lewis ihren bleibenden Wert.


WAS MACHTE LEWIS ZUM ERFOLGREICHEN APOLOGETEN?


SIEBEN FAKTOREN


Nachdem wir in den letzten beiden Abschnitten die apologetische Methode von Lewis eingehender betrachtet haben, ist es nun an der Zeit, unsere Aufmerksamkeit seiner persönlichen Einstellung hinsichtlich der Apologetik zu widmen. Ich tue dies mithilfe von sieben Faktoren, die aufgrund des begrenzten Rahmens in der notwendigen Kürze dargestellt werden müssen. Anhand dieser Faktoren läßt sich sein großartiger Erfolg als christlicher Schriftsteller wohl besser verstehen, sicherlich aber nicht vollends erklären. Bei den folgenden Erfolgsfaktoren handelt es sich um notwendige Voraussetzungen, nicht um allein ausreichende Bedingungen. Christlich gesehen ist die letzen Endes ausreichende Bedingung für den Erfolg von Lewis das personale Wirken des Heiligen Geistes, der es offensichtlich als gut erachtet hat, durch Leben und Werk von Lewis auf vielfältige Art und Weise tätig zu werden.
Nichtdestotrotz offenbaren die folgenden Faktoren eine Grundhaltung, die uns helfen kann, in unserem Auftreten selbst christusähnlicher und somit „erfolgreicher“ zu werden. Mit „erfolgreich“ meine ich dabei nicht meßbare Quantität, sondern christuszentrierte Qualität.


1. ERFOLGSFAKTOR: INHALT.
LEWIS WAR THEOLOGISCH ORTHODOX.

Lewis distanzierte sich von liberalen Umdeutungen der christlichen Glaubenslehre und äußerte immer wieder explizit Kritik am theologischen Liberalismus. So bezeichnet er sich beispielsweise gleich zu Beginn seines Essays „Über Ethik“ als „ein dogmentreuer Christ ohne alle modernistischen Vorbehalte und dem Supranaturalismus uneingeschränkt verpflichtet. An anderer Stelle warnt er nüchtern: „Versuchen Sie nicht, das Christentum zu verwässern. Sie dürfen nicht so tun, als könne man es ohne das Übernatürliche haben. Soweit ich es sehen kann, ist das Christentum präzise die eine Religion, von der das Wunder nicht abgetrennt werden kann. Sie müssen von Anfang an offen für den Supranaturalismus eintreten.“
Lewis fand Theorien von einer kausalen Geschlossenheit des Universums schlicht nicht überzeugend. Er kritisierte eine mechanistische theologisch-liberale Weltsicht im Bultmannschen Sinne, in der Wunder a priori ausgeschlossen wurden. Im Gegensatz dazu rechnete er mit der handelnden Gegenwart Gottes im Hier und Heute. So schreibt Norbert Feiendegen in seiner Biographie über die „vielleicht wichtigste Entdeckung seines Lebens: Der Gott, den er im Sommer 1930 gegen alle inneren Widerstände anerkannte, ist ein geschichtlich handelnder Gott….“ Das macht Lewis so originell und aufregend, eben orthodox.


2. ERFOLGSFAKTOR

: WEITBLICK.
LEWIS ZOG GRENZEN, ABER KEINE UNNÖTIGEN


Lewis vertrat und verteidigte die großen Glaubenswahrheiten, die von allen Christen egal welcher konfessioneller Couleur zu allen zeiten vertreten wurden. Er nannte dies „deep church“ oder auch „mere Christianity“, „Christentum schlechthin“, eine Bezeichnung, die er von dem puritanischen Theologen Richard Baxter übernahm. Damit meint er einen grundlegenden Konsens über die orthodoxe, also die richtige christliche Lehre, „den Glauben, der von den Aposteln gepredigt, von den Märtyrern bezeugt, in den Glaubensbekenntnissen verkörpert, von den Kirchenvätern ausgelegt wurde“. Für Lewis ist das Christentum dann in bester Verfassung, wenn es in der Vergangenheit wurzelt und sich auf die Gegenwart einläßt. Dieser überkonfessionelle Fokus brachte Lewis Freunde und Verbündete in allen konfessionellen Lagern. So empfiehlt zum Beispiel in einer heute fast vergessenen, eindrucksvollen Vorleseung an derr Cambridge Univesity im Jahre 1988 Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., Lewis Klassiker Die Abschaffung des Menschen ( The Abolition of Man) als Korrektur für unsere durch den Relativismus geplagte Zeit. Die vier Arten der Liebe (The Four Loves) gehörte zeitlebens zu den Lieblingsbüchern Karol Wojtylas alias Papst Johannes Paul II.
In einer Predigt als frisch gewählter Papst stellte er dieses Werk gar auf eine Stufe mit den Schriften des heiligen Augustinus. Auch andere Bücher von Lewis zählten zur Lektüre Wojtylas, darunter Pardon und Dienstanweisungen für einen Unterteufel. Kurz. Lewis ließ sich nicht auf konfessionelle Grabenkämpfe ein, sondern verkündete die zentralen Glaubenswahrheiten, die allen christlichen Mainstream-Konfessionen gemein sind.

3. ERFOLGSFAKTOR: FOKUS.
LEWIS KANNTE SEINEN AUFTRAG


Lewis wußte um seine Stärken und Schwächen, hatte eine klare Idee von seiner Berufung und ließ sich davon nicht abbringen. So sah er sich beispielsweise in seinem Selbstverständnis klar als theologischer Laie: „Ich bin ein Schaf, das den Hirten sagt, was nur ein Schaf ihnen sagen kann.“ Diese Selbsteinschätzung wirkte sich auch auf seine Verkündigung aus.: „Meine einzige Aufgabe als christlicher Autor ist es, das ’Christentum schlechthin’ zu predigen, und zwar nicht ad clerum, sondern ad populum. Aller Erfolg, der mir bescxhieden war, beruht auf einer strikten Einhaltung dieser Grenze. Würde ich etwas anderes versuchen, so würde ich den reihen der Kontoverstheologen lediglich einen weiteren (äußerst schlecht qualifizierten) Rekruten hinzufügen. Von da an wäre ich für niemanden mehr von Nutzen. In einer Audienz im November 1984 offenbarte Papst Johannes Paul II. dem engen Lewis-Vertrauten Walter Hooper, was er an dem Oxforder Gelehrten so schätze: „Lewis kannte seinen apostolischen Auftrag. Und er erfüllte ihn.“

4. ERFOLGSFAKTOR. ÜBERSETZUNG.
LEWIS VERSTAND UND SPRACH DIE SPRACHE SEINER ZUHÖRER.


Der evangelische Zheologe Helmut Thielicke mahnt, daß eine Theologie, die nicht gepredigt werden könne, schlechte Theologie sei.
Lewis stößt ins gleiche Horn, wenn er in „Christliche Apologetik“ schreibt, daß wir „jeden Aspekt unserer Theologie in die Umgangssprache übersetzen“ müssen. Hätten die „echten Theologen“, so Lewis süffisant, dieses Prinzip der Akkommodation – also die Angleichung an den Verständnishorizont anderer – schon ungefähr hundert Jahre früher umgesetzt, so hätte es für ihn und sein apologetisches Wirken überhaupt keine Notwendigkeit gegeben. Für Lewis ist „Die Fähigkeit zu übersetzen . . . der Test dafür, ob man wirklich weiß, was man sagen will. Theologische Fachbegriffe in die Umgangssprache zu übertragen ist das eine. Das andere besteht darin, die Fragen und Bedürfnisse des Publikums überhaupt erst wahrzunehmen und ihnen auf Augenhöhe kommunikativ zu begegnen. Lewis war geradezu ein Experte darin, sich auf den Verständnishorizont seiner Zuhöre- und leserschaft einzulassen. Dies war keine natürliche begabung, sondern vielmehr auch für ihn ein bewußter Lernprozeß, der während des Zweiten Weltkriegs schon vor seinen berühmten Radioansprachen bei einer Tour durch die Militärbasen der britischen Air Force einsetzte. Lewis, der eigentlich hochbegabte Studenten gewohnt war, mußte sich nun auf einmal jungen Soldaten ohne große Bildung verständlich machen. Er nahm die Herausforderung an und meisterte die Kunst der kommunikativen Übersetzung im Laufe der Zeit immer mehr. Lewis beherrschte die kulturelle Umgangssprache seiner Zeit. Er kannte sein Publikum.

5. ERFOLGSFAKTOR: KLARHEIT.


LEWIS KOMMUNIZIERTE DIREKT UND KONKRET

Dies ist eine Eigenschaft, die uns gerade in der deutschsprachigen Theologie abhanden gekommen ist. Besonders als Theologen brauchen wir gute, klare Argumente und einen genauen Schreibstil. Lewis hat dies bereits als Teenager gelernt. So berichtet er im neunten Kapitel seiner Autobiographie von den – teils amüsanten – Erfahrungen mit seinem Privatlehrer William Kirkpatrick, auch „the great Knock“ genannt. Kirkpatrick war ein Erzrationalist und hämmerte dem jungen Jack die Gesetze der Logik unerbittlich ein. Auch sein späteres dreijähriges Philosophiestudium an der Oxford University half Lewis enorm. Er liebte die Logik und direktes, nachvollziehbares Denken. So war Lewis später dann auch seinen Freunden Barfield und Tolkien im Debattieren überlegen: „Die Dialektik war der vertraute Boden von Lewis, nicht von Tolkien. ‚’Distinguo, Tollers, distinguo!“, hat man Lewis oft ausrufen hören, und wahrscheinlich war Tollers weniger geschickt darin . . . scharfsinnige philosophische Unterscheidungen zu treffen, als Lewis.“ Am Ende seines Klassikers Bis wir wirklich werden (Till We Have Faces) läßt Lewis einen seiner Haupcharaktere, den Fuchs, sagen: „Kind, eine Sache genau auszudrücken, die du wirklich meinst, und zwar in ihrer Gänze – nicht mehr und nicht weniger und nichts anderes, als du wirklich meinst, das ist die wirkliche Kunst und das Glück der Worte.“ Es ist eine Kunst, die Lewis selbst aus dem Effeff beherrschte.

6. ERFOLGSFAKTOR: ERFAHRUNG.

LEWIS VERSTAND UNGLÄUBIGE, DA ER SELBST EINMAL EINER WAR.


Siebzehn Jahre lang, von 1913 bis 1930, durchwanderte Lewis verschiedene Formen der beiden großen monistischen Weltanschauungen Materialismus und Idealismus. In keiner konnte er heimisch werden. Die Sehnsucht nach jenem „namenlosen Etwas“ ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Entscheidend für Lewis war, daß er einerseits stets offen blieb in seiner Wahrheitssuche und dem Prüfen neue Argumente und andererseits immer versuchte, die Weltanschauung auch zu löeben, die er theoretisch vertrat. „Über Idealismus“, so Lewis in seiner Autobiographie, „kann man reden, man kann ihn sogar empfinden, aber man kann ihn nicht leben.“ Norbert Feinendegen bringt es auf den Punkt: „Da er die anderen Weltsichten selbst ’durchprobiert’ . . . hatte, kannte er ihre Schwächen gut . . . Dies ist vielleicht der wichtigste Grund, warum Lewis später als Apologet so erfolgreich war.“ Wer kennt das Gewicht eines Arguments besser, als derjenige, der sich selbst davon überzeugen hat lassen?! Aus eigener Erfahrung wußte Lewis genau, wie er Skeptikern begegnen mußte.

7. ERFOLGSFAKTOR: DEMUT.
LEWIS SAH SICH VOR GOTTES ANGESICHT


In Dienstanweisung für einen Unterteufel widmet Lewis ein Kapitel der Demut. Darin definiert er Demut gerade nicht als die Geringschätzung der eigenen Fähigkeiten (ein häufiges Mißverständnis), sondern vielmehr als das Vergessen des Ichs.
Je mehr wir von der Herrlichkeit und Größe Gottes erkennen,
so Lewis in Pardon, desto demütiger, sprich: selbstvergessener werden wir. Das Gegenteil von Demut ist der Hochmut, die uns allen innewohnende Ursünde des Stolzes, die verabsolutierung des Ichs. Lewis war sich dieses Übels in seinem eigenen Leben wohlbewußt. Gerade diese bittere Einsicht war für ihn der erste Schritt zur Demut. Sein Wachstum in der Erkenntnis Gottes führte ihn in eine zunehmende Selbstvergessenheit, die sich konkret in seiner Nächstenliebe offenbarte. Beispiel hierfür ließen sich viele anbringen. Zum Abschluss beschränke ich mich auf eines. Lewis hat mit zunehmender Berühmtheit tausende von Leserbriefen erhalten. Diese waren ihm eine große Last. Doch die jeweilige Person hinter jedem einzelnen dieser Briefe, ganz gleich ob Kind, Gelehrter oder Greis, war ihm so wichtig, daß er keinen einzigen Brief unbeantwortet lassen konnte. Lewis hatte stets echtes Interesse an seinem konkreten Gegenüber. Dies war nur möglich, wenn man selbstvergessen ist. „Gott widersteht den Hochmütigen; den Demütigen aber schenkt er Gnade“ (Jak.4,6; 1Petr 5,5).


FAZIT

 C. S. Lewis ist einer der großen Apologeten des Christentums. In diesem Beitrag habe ich in aller Kürze den Versuch unternommen, darzulegen, warum dies so ist. Es müßte noch viel mehr gesagt werden. Doch schon jetzt läßt sich erkennen: Von seiner zweigleisig apologetischen Methode, die sowohl die Vernunft als auch die Fantasie anspricht, können wir viel für unser Hier und Heute lernen. Und seine persönliche Geisteshaltung, die sich in den sieben skizzierten Erfolgsfaktoren widerspiegelt, sollten auch wir uns zu eigen machen. Ich bin der Überzeugung, daß wir im Westen in den kommenden Jahren Leben und Werk des großen Narnia-Schöpfers ganz neu für uns entdecken werden, ja entdecken müssen. Es wäre um einiges besser um unser westliches Christentum bestellt, wenn wir mehr Lewis lesen würden. Im Hinblick auf seine Bücher und seine Gedankenwelt rufe ich somit wie das Einhorn am Ende des finalen Narnia-Bandes: „Weiter hinauf und weiter hinein!“

Entnommen aus dem Heft: DIAKRISIS, 4/2023.

Eingestellt von Horst Koch, Herborn, im Januar 2024
Einige Textbetonungen sind auch von mir

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