Wort-des-Glaubens-Bewegung (Seibel)
Alexander Seibel
Die Wort-des-Glaubens-Bewegung
Diese „Glaubensbewegung“ heißt in der englischsprachigen Welt auch „Positive Confession Movement“ wegen ihrer besonderen Betonung, nur positive Aussagen zu treffen. Dies hängt mit ihrer Vorstellung von dem gesprochenen Wort zusammen. Sie verbindet sich auch stark mit dem Gedankengut des Wohlstandsevangeliums. Die Glaubensbewegung beginnt sich in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts auszubreiten.
Man vertritt die Überzeugung, daß durch das gesprochene Wort, was man also mit dem Munde bekennt, tatsächlich auch das Gewünschte oder Geglaubte in die Existenz gerufen wird, und Glaube sei nun einmal ein Bekenntnis. Diese Vorstellung hat ihren Ursprung bei E.W. Kenyon. Nach Kenyons Tod 1948 haben etliche „Wort des Glaubens Werke“ dieses Gedankengut verschieden stark propagiert, vor allem Kenneth Hagin, Kenneth Copeland, Frederick Price und andere. Besonders die beiden Erstgenannten kann man als Gründer bzw. Säulen dieser hier zu betrachtenden Bewegung ansehen. E.W. Kenyon war eine der Schlüsselfiguren der „New Thought Bewegung“ (Bewegung des Neuen Denkens oder Neugeist-Bewegung), deren Hauptinhalte Gesundheit oder Heilung, Überfluß oder Wohlstand, Reichtum und Glück beinhalten. Seine Ideen hat nun besonders Kenneth Hagin übernommen und zum Teil als seine eigene Erkenntnis propagiert.
Die Wurzel dieser Vorstellungen ist auf den Geistheiler Phineas Quimby (1802-1866) zurückzuführen. Er befaßte sich mit Spiritismus, Hypnose, Okkultismus und andere Bereiche der Parapsychologie. Von ihm wird gesagt, daß er Mary Baker Eddy geheilt hat, die Begründerin der Christlichen Wissenschaft. In dieser Sekte wird ein zum Teil verblüffend ähnliches Gedankengut vertreten.
Auf Quimby, William Branham, E.W. Kenyon geht auch die Ansicht zurück, die ebenfalls in der Wort des Glaubens-Bewegung verbreitet wird, der Mensch sei ein Teil Gottes und in gewisser Hinsicht ein (kleiner) Gott selbst. Kenneth Hagin (1917-2003), der Vater der „Glaubensbewegung“, beispielsweise behauptete: Der Mensch wurde auf der Basis der Gleichheit mit Gott erschaffen, und er konnte in der Gegenwart Gottes stehen ohne irgendein Bewußtsein der Unterlegenheit. Kenneth Copeland erklärt sogar: Du hast nicht einen Gott in dir, du bist selbst einer. An anderer Stelle: Adam, im Garten Eden, war Gott manifestiert im Fleisch. Noch sonderbarer: Copeland lehrt, daß Gott ca. 2m groß ist (6 Fuß und 2 oder 3 Zoll) und ca: 90 kg (200 Pfund) wiegt.“
Zurecht kommentiert das „Dictionary of the Pentecostal and Charismatic Movements“, dessen Autoren zum Teil selbst zur Pfingstbewegung gehören: Der Ursprung dieser Ansicht stammt von den Worten der Schlange in Genesis 3,4.
Trotz dieser offenkundigen Häresien warnte Benny Hinn in ominöser Weise, daß „solche, die Kenneth Copeland attackieren, attackieren in Wirklichkeit die Gegenwart Gottes.“ Copeland ist durch seine weltweit ausgestrahlten Radio- und Fernsehbotschaften der vielleicht einflußreichste Repräsentant dieser „Glaubensbewegung“. Er gilt als der eifrigste Schüler von seinem großen Mentor und Vorbild Hagin, der 1974 die „Rhema-Bibelschule“ in Tulsa, Oklahoma gründete. Aus dieser Richtung kam Jahrzehnte später auch indirekt der „Toronto-Segen“.
Besondere Kontroverse löste die Lehre (Jesus died spiritually) vom „geistlichen Tod“ Jesu aus. Hartwig Henkel lehrt ebenso wie Wolfhard Margies und andere Vertreter der Wort-des-Glaubens-Bewegung, daß unsere Autorität über Satan in dem „geistlichen Tod“ Jesu begründet ist. Diese von E.W. Kenyon und Hagin zuerst entwickelte „Identifikationslehre“ besagt, daß Jesus angeblich nicht nur körperlich, sondern auch geistlich gestorben ist und der Geist nach seinem leiblichen Tod drei Tage lang im Totenreich (Hades) von Dämonen gequält wurde. Dadurch sei unsere Erlösung erwirkt worden. All dies, obwohl Jesus sagte, „Es ist vollbracht“ und „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“.
„Erst am Kreuz gab sich Jesus freiwillig in die Hand des Teufels… nach dem physischen Tode wurde Jesus im Geist in die Gewalt der Finsternis gebracht.“ Eindeutiger erklärt wiederum Kenneth Copeland: „Er (Jesus) ging in die Hölle als ein von Dämonen besessener, sterblicher Mensch und entstieg ihr als ein Wiedergeborner und Auferweckter.“ Noch ungeschminkter sagt dieser „Glaubenslehrer“: „Satan besiegte Jesus am Kreuz.“
Gemäß dieser Anschauung war Jesus der erste Mensch, der in der Hölle wiedergeboren wurde. All dies ist eine kaum noch zu überbietende Erfüllung von 1. Tim. 4,1. Vertreter dieser Sonder- und Irrlehren sind in Deutschland neben Wolfhard Margies, und Hartwig Henkel auch John und Mirjana Angelina. Sie sind (oder waren?) Leiter der „Wort des Glaubens Bibelschule“, die sie 1984 in Feldkirchen bei München „unter direkter Führung des Heiligen Geistes gegründet“ haben. Die Vorstellung, daß man durch Aussprechen seiner Wünsche diese auch wahrmachen kann, führt notwendigerweise zu einem Wohlstandsevangelium, in dem auch Gebrechen und Krankheit keine Existenzberechtigung mehr haben. Wer möchte schon, wenn er die Möglichkeit dazu hat, nicht gesund, reich und glücklich werden? Und all dies hängt von unserer Zunge ab, daß wir durch die Gesetze des Glaubens die gewünschte Dinge aussprechen und Wirklichkeit werden lassen. Letztlich der Triumph des Geistes über die Materie.
So schreibt Hank Hanegraaff über Kenneth Copeland: Er vertritt die magische Vorstellung, daß nicht greifbare Worte, getränkt mit der Kraft des Glaubens, sichtbare Realität hervorrufen. Er besteht darauf, daß Gläubige befehlen können, daß eine fast 30m lange Yacht Wirklichkeit wird.
Gloria Copeland behauptet über den Apostel Paulus mit schriller Stimme, daß er seine Heilung deshalb nicht bekam, weil er Gott darum bat, anstatt es selber zu tun.
In der Schrift von Kenneth Hagin, „Erlöst von Armut, Krankheit und Tod“, wird Armut im Leben der Kinder Gottes gemäß 5. Mose 28 als Fluch interpretiert und als Folge des Ungehorsams gelehrt. Wenn wir gehorchen, gehört uns andererseits der materielle Segen und Reichtum Abrahams. Der Segen Abrahams gehört uns! Man kann ihn uns nicht wegnehmen. Diese Zweifler, Ungläubigen, Freudenräuber und Zweifelhausierer werden ihn uns nicht wegnehmen können.
Es ist die nicht neue „Theologie“ der Freunde Hiobs. Ihrer Ansicht nach konnte bei Hiob nur Sünde vorliegen, sonst müsste er einfach nach wie vor gesund, reich und wohlhabend sein. Die Vorstellung, daß er in diesem Elend sich befand, weil er im Willen Gottes war, konnten sie nicht nachvollziehen. Wir wissen, wie dann Hiob für seine Freunde beten musste, weil sie falsch von ihm und Gott geredet hatten (Kap. 42,10).
Während Paulus noch erklärte: „Als die Armen, aber die doch viele reich machen“ kann man von den Predigern dieses Wohlstandsevangeliums buchstäblich sagen: „Als die Reichen, die viele arm machen“.
Um dem gesprochenen Wort eine besondere Vollmacht zu vermitteln, unterscheidet man in diesen Strömungen zwischen den griechischen Begriffen Rhema und Logos. Ersteres sei ein vom Geist gesalbtes Wort, daß Wirkungen hervorbringe. Logos hingegen sei nur das geschriebene oder gesprochene Wort, das mehr dem Buchstaben, denn dem Geist entspräche. Deswegen nennen sich auch etliche Gemeinden, die diese besondere Lehre vertreten, Rhema-Gemeinden. Dies ist eine von der Gesamtaussage der Bibel nicht haltbare Unterscheidung. Hier wurde sogar von pfingstlicher Seite aufgezeigt, wie z.B. die Septuaginta, also die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die beiden Begriffe völlig unterschiedslos und austauschbar verwendet. Diese besonderen Heilungskräfte werden gewöhnlich über Handauflegung weitergegeben. So habe Jesus Hagin 1950 in einer Vision mitgeteilt: Ich habe dir einen Dienst der Handauflegung gegeben. Bevor du ihnen die Hände auflegst, zitiere immer Apg. 19,6: „Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie und sie redeten in Zungen und weissagten“ …Sage den Betreffenden, daß Ich Dir aufgetragen habe, Ihnen dies mitzuteilen, wenn du ihnen die Hände auflegst, dann wird der Heilige Geist über sie kommen.
Von Kenneth Hagin heißt es in Charisma in einem Nachruf: Achtmal sei ihm Jesus in Visionen persönlich erschienen, heißt es, und habe dadurch den Verlauf seines Dienstes entscheidend beeinflusst. Die Frucht von fast sieben Jahrzehnten seines ausgedehnten weltweiten Predigt- und Lehrdienstes begann mit einer Offenbarung Gottes … „Im Anfang war das Wort.“
Die Vorstellung, durch die Kraft der Gedanken und die Macht der Worte die Wirklichkeit zu beeinflussen oder gar zu steuern, ist das Wesen der Magie. Der Mensch steht nicht in der Abhängigkeit von Gott und wartet bzw. erbittet sein Eingreifen, sondern er schafft sein eigenes Universum, in dem er selbst die Umstände bestimmt. Angeblich durch einfaches Aussprechen der besonderen Wünsche. Deswegen nennt man in den USA diese Praxis auch das „name it and claim it“, also benenne und beanspruche es einfach. Letztlich wird Gott von den Befehlen und Wünschen der Menschen abhängig. Auch wird die „Geistliche Kampfführung“ in diesen Kreisen sehr ausgiebig praktiziert. So erklärt Wolfhard Margies: Eine herausragende Botschaft des Heiligen Geistes heute an sein Volk ist die, daß wir als Gemeinde Jesu durch kriegerisches Gebet die Fürsten und Gewaltigen in der unsichtbaren Welt und in der Luft unter unsere Kontrolle bringen können.
Da wir gegenwärtig in einem zutiefst magischen Zeitalter leben, – der unübertroffene Welterfolg von dem Zauberlehrling Harry Potter ist da nur die Spitze des Eisbergs – haben solche Strömungen und Lehren auch immer größeren Zulauf.
Tatsächlich sind die Erfolge dieser Leute mehr als beeindruckend. Zwar muß auch gesagt werden, daß bestimmte Lehren der Glaubensbewegung, besonders daß Jesus angeblich auch geistlich gestorben sei, von einigen Charismatikern selber entschieden zurückgewiesen worden sind. Doch schon McConnell, und auch er gehört zur charismatischen Bewegung, klagt: Mit ihrer „Glaubensformel“ für Gesundheit, Reichtum und Wohlstand hat diese Bewegung die Charismatische Erneuerung im Sturm genommen. Niemand kann ernsthaft ihren Erfolg in Frage stellen.
Der Nigerianer Sunday Adelaja hat die größte Gemeinde Europas in Kiew mit beinahe 30.000 Mitgliedern ins Leben gerufen. Auch er ist Anhänger dieser „Rhema-Lehre“. Zu seinem Buch Die Macht deiner Worte, Untertitel: Wie das, was du sagst, dein Leben bestimmt kommentiert Rita Bially: Genauso wie Saat und Ernte ist auch das, was unser Mund ausspricht, ein göttliches Gesetz – wir erhalten, was wir aussprechen. Der Autor ermutigt uns, das auszusprechen, was wir haben möchten und benötigen, wo wir eine Veränderung sehen möchten, …wo wir körperliche Gesundheit brauchen, usw.
Als ich Andelajas Gemeinde in Kiew besuchte, sah ich dort Ölfläschchen angeboten, die man für einen bestimmten Preis erstehen konnte. Da über diesem Öl gebetet worden war, habe es nun bei der Anwendung an der jeweiligen Körperstelle besondere Wirkung. Dies ist nichts anderes als die Vorstellung von der Wirkung des Weihwassers, nur in etwas frommerer Verpackung. In Deutschland sind die Gemeinden von Wolfhard Margies in Berlin und von Peter Wenz in Stuttgart immer einflußreicher und größer geworden. Inzwischen werden wegen dieses Erfolgs diese Gemeinden und ihre Repräsentanten auch bei uns deutlich salonfähiger.
Die Tatsache z.B., daß Wolfhard Margies immer mehr Zugang in Allianzkreise findet, zeigt, wie sehr auch die evangelikale Bewegung in Deutschland im Aufweichen begriffen ist. In einer Zeit des Pluralismus und Relativismus zählt weniger die Lehre, sondern der sichtbare Erfolg. Er ist für eine vom Bild geprägte, postmoderne Generation einfach überzeugender. Kenneth Hagin, der Vater dieser Glaubensbewegung, wurde einmal von einem Kritiker als der Gnostiker der Evangelikalen bezeichnet. Als er September 2003 starb, stand als Nachruf über ihn in der Zeitschrift Charisma u.a. zu lesen, er gehörte zu den großen Bibellehrern unserer Tage. Ein deutlicheres Zeugnis für Durchblickslosigkeit und dafür, daß man nun wirklich unter einem fremden Geist steht, ein anderes Evangelium und einen anderen Jesus verkündigt, wie Paulus es in 2. Kor. 11,4 beklagt, ist kaum denkbar.
Alexander Seibel