Wer rehabilitiert Wurmbrand? (H.Matthies)
Interview
Wer rehabilitiert Richard Wurmbrand?
Ein umstrittener Pfarrer wird bestätigt.
Das Interview führte Helmut Matthies, Chefredakteur der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.
Im Februar 1990 wurde es in idea abgedruckt.
– Neu eingestellt im Coronajahr 2020, in welchem das Entstehen von Diktaturen wieder ein Thema geworden ist. Horst Koch, Herborn, im Mai 2020 –
Ein umstrittener Pfarrer sieht sich bestätigt: »Gefoltert für Christus«
Rumänien macht seit Wochen Schlagzeilen. Die Wende ausgerechnet an Heiligabend mit dem Sturz des Diktators Ceausescu bewegte die ganze Welt. Die in den letzten Monaten bekannt gewordene Brutalität des Regimes führte zu großem Erschrecken: Kinder wurden gefoltert, Frauen geschändet, Alte nicht versorgt. Die Geheimpolizei quälte mit ihren 50.000 Mitarbeitern ein 23-Millionen-Volk. Die UNO stellte in einem Bericht fest: In Rumänien herrschte unter dem Kommunismus »grausamste Armut, Barbarei und Vandalismus«. Ein Mann hat dies alles bereits vor mehr als 30 Jahren miterlebt und aufgezeichnet: der lutherische Pfarrer Richard Wurmbrand. Der Sohn jüdischer Eltern wurde 1909 in Bukarest geboren. Als junger Mensch schloss er sich der kommunistischen Partei an. Er bekehrte sich und wurde Evangelist.
Nach der Machtübernahme der Kommunisten war er von 1948 bis 1956 und von 1958 bis 1964 in Haft. 1965 zahlte eine norwegische Judenmission für ihn ein Lösegeld in Höhe von 40.000 DM, das ihm die Ausreise ermöglichte. Wurmbrand gründete die Hilfsaktion Märtyrerkirche zur Unterstützung diskriminierter Christen. Sein Buch »Gefoltert für Christus« (Auflage über vier Millionen) und seine Aktivitäten führten besonders Ende der sechziger und in den siebziger Jahren zu großen Auseinandersetzungen vor allem in den deutschen Kirchen. Während die kirchliche Basis zu seinen Evangelisationen und Vortragsveranstaltungen strömte, warnten Kirchenleitungen. Ein Direktor des Weltkirchenrates erklärte öffentlich: »Wurmbrand wird wirklich gefährlich.«
Heute lebt der 80jährige lutherische Geistliche in den USA und evangelisiert in zahlreichen Ländern – zur Zeit in Indien. Bei einem Besuch kurz zuvor in der idea-Redaktion wurde das folgende Interview geführt.
Herr Pfarrer Wurmbrand, was empfinden Sie nach dem Sturz des Regimes, das Sie 14 Jahre einkerkerte?
Wir danken Gott für dieses große Wunder. Das größte Erlebnis ist für mich der hier zum Ausdruck gekommene Triumph Christi: Dass Menschen wieder frei atmen können, und das Evangelium ungehindert verbreitet werden darf. Dass ich gleichzeitig durch die Geschichte rehabilitiert worden bin, bewegt mich na- türlich nach den jahrelangen Angriffen und Verleumdungen von Seiten der kommunistischen Propaganda wie zahlreicher deutscher Kirchenleitungen, des Weltkirchenrates und des Lutherischen Weltbundes. Man hat gesagt, ich hätte die Situation in Rumänien und in anderen kommunistischen Staaten übertrieben. Nun gestehen die Kommunisten in Rumänien, der UdSSR usw. selbst ein, dass ihre Vorgänger Verbrecher waren, die Millionen Menschen umbrachten. Die Grausamkeit eines Ceausescu-Regimes wurde über Fernsehen der ganzen Welt offenbart. Man hat ferner gesagt, ich hätte die Kirchenführer in Rumänien als regimetreu und damit negativ dargestellt. Was ist pas- siert: Orthodoxe und evangelische Bischöfe haben sich nach der Revolution Ende 1989 für ihr Verhalten, ihr Schweigen gegenüber der Diktatur entschuldigt. Das Oberhaupt der Reformierten Kirche, Bischof Papp, und andere Kirchenführer versuchten gar, durch Flucht ihrer Verhaftung zu entgehen, weil sie mit der Geheimpolizei zusammengearbeitet haben. Andere Bischöfe traten zurück. Man hat auch gesagt, ich überzeichne den Druck des Staates auf die Kirche. Nun plötzlich räumte der EKD-Beauftragte für Rumänien, Bischof Heubach (Bückeburg), ein, dass die Kirchen Rumäniens »unter einem beispiellosen Druck« standen, die Geheimpolizei alles überwachte, abhörte usw. Alles das habe ich vor 25 Jahren gesagt und geschrieben. Doch keine deutsche Kirchenleitung wollte mir glauben.
Problem: Rechts und Links
Weshalb sind Sie damals eigentlich verhaftet worden?
Das ist eine typisch westdeutsche Frage. Für einen konsequenten Pfarrer war die Verhaftung nichts beson- deres. Schon wer das gepredigt hat, was in der Bibel steht, musste mit einer Verhaftung wegen konterrevolu- tionärer Propaganda rechnen. Mir hat man beispielswei- se folgendes vorgeworfen: An einem Ostersonntag pre- digte ich über Johannes 21. Die Jünger hatten die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen. Da sagte Jesus: »Werfet die Netze auf die rechte Seite.« Am nächsten Tag wurde ich verhaftet und massiv geschlagen, ver- bunden mit dem Vorwurf: »Warum hast Du konterrevo- lutionäre Propaganda gemacht?« Ich verwies darauf, dass ich kein Wort über Politik gesprochen hatte. Man gab mir als Antwort: »Warum hast Du dann gesagt, dass man die Netze auf die rechte Seite werfen sollte, also die der Faschisten und amerikanischen Imperialisten, und nicht auf die linke?«
Wann geschah das?
Zu Beginn der kommunistischen Machtübernahme
Ende der 40er Jahre. Damals wurden katholische Bi- schöfe, viele Priester und Nonnen, evangelische Pfar- rer, Baptistenprediger, jüdische Rabbiner usw. verhaf- tet.
Ihre Kritiker haben Ihnen vorgeworfen, Sie seien nicht wegen Ihres Glaubens, sondern aus politischen Gründen verhaftet worden?
Was heißt politische Gründe?
In der Sowjetunion gibt es das Verbot des Staates, Kindern unter 18 Jahren das Evangelium zu predigen, also Jugendarbeit zu treiben. Auf der anderen Seite habe ich die Pflicht allen Menschen das Evangelium zu sagen. Wenn ich hier Gott mehr gehorche als der Obrigkeit, und in diesem Falle muss ich das tun, dann verstoße ich gegen Gesetze, bin kriminell. Ich bin in Rumänien einmal wegen meiner konsequenten biblischen Predigt und zum anderen auch deshalb verhaftet worden, weil ich den etwa eine Million sowjetischen Soldaten in unse- rem Land Bibeln gab, die wir damals heimlich gedruckt hatten, und ihnen auch – da ich russisch spre- che – das Wort Gottes verkündigte. Das war natürlich alles höchst verdächtig.
Stalin als Religionschef
Haben Sie auch offen gegen das Regime protestiert?
Es gab zu Beginn der kommunistischen Zeit einen sogenannten Konfessionenkongress. Zu ihm lud die Regierung in das Bukarester Parlamentsgebäude ein. Alle Kirchen machten mit. Der Vorsitzende dieser religiösen Konferenz war einer der größten Christenverfolger in der Geschichte: Josef Stalin. Ein Bischof lobte, dass jetzt die Kommunisten im Lande herrschten, also die, die zuvor und gleichzeitig in der Sowjetunion Millionen Menschen auf dem Gewissen hatten. Ein einziger von den 4.000 religiösen Vertretern widersprach.
Wer?
Als ich vom Podium her sagte, dass es die Pflicht der Christen sei, nicht irdische Mächte und Ideologien, die kommen und gehen, zu preisen, sondern allein Christus den Erlöser, gab es minutenlang Aufruhr. Der Kongress endete im Tumult. Ich war in höchstem Maße aktenkundig, und als 1947 die Verhaftungen einsetzten, war es klar, dass ich bald drankam.
Kirchen in der Diktatur
Wie haben sich die Kirchen in der Zeit der Diktatur bis Ende 1989 verhalten?
Jeder, der in den Kirchen ein Amt hatte, war gezwungen mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Ich möchte keinen richten. Entscheidend ist nicht so sehr, dass man mit dem Regime paktierte wie die Frage, wie das geschehen ist und auf wessen Kosten. Viele haben vermutlich innerlich sehr darunter gelitten, dass sie diplomatisch reagierten. Von ihnen sind die zu un- terscheiden, die aus Überzeugung und auf Kosten ih- rer Mitchristen mitgemacht haben.
Gab es Unterschiede im Verhalten der Kirchen?
Die in Rumänien vorherrschende orthodoxe Kirche hat auf Bischofsebene geschlossen mit dem Regime zusammengearbeitet. Dagegen hat sich die katholi- sche Kirche bis hin zu den Priestern weithin verwei-
gert und dafür einen hohen Blutzoll gezahlt.
Wie ist es zu erklären, dass gerade die katholische Kirche so mutig war?
Einer der Hauptgründe ist merkwürdigerweise das Zölibat. Ein evangelischer Pfarrer hat stets auch an die Verantwortung für seine Familie zu denken. Wenn er inhaftiert wird, leidet darunter seine gesamte Fami- lie.
Was ist denn mit Ihrer Familie passiert?
Auch meine Frau wurde mit mir verhaftet. Unsere beiden kleinen Buben wurden einfach auf die Straße gesetzt. Ihrer erbarmte sich dann eine Sonntagschullehrerin, die schon mehrere Kinder von gefangenen Eltern aufgenommen hatte. Für ihre Barmherzigkeit wurde sie dann später mit acht Jahren Gefängnis bestraft. In dieser Zeit kümmerten sich dann andere um unsere Kinder.
Grausam gegenüber Christen
Sie haben den Kommunismus in seinen Auswirkungen noch schlimmer als den Nationalsozialismus kritisiert. Ist da der Vorwurf, sie übertrieben, nicht ver- ständlich?
Ich kann diese Kritik in gewisser Weise sogar verstehen. Wer möchte schon wahrhaben, dass Verbrechen, wie wir sie erlebt haben, auch tatsächlich von Menschen verübt werden können. Obwohl man ja eigentlich schon von der Hitlerdiktatur her hätte wissen müssen, wozu Menschen fähig sind. Aber dem Kom- munismus wollte man so etwas einfach nicht zutrau- en. Dabei habe ich in meinen Büchern die massivsten Verbrechen noch verschwiegen, weil sich wohl kein Verleger finden würde, der alle Grausamkeiten be- schreiben ließe, die den Christen tatsächlich angetan wurden.
Welche zum Beispiel?
Ich möchte sie nicht nennen.
Um der Wahrheit willen, ein Beispiel:
Ein noch verhältnismäßig harmloses: Mehrere Soldaten urinierten in die aufgerissenen Münder von inhaftierten Christen.
Geschah das auch Ihnen?
Ja.
Was haben Sie getan?
Ich wischte mir den Mund ab und sagte dem Offizier: »Ich liebe Dich, weil Gott Dich lieb hat.«
Wie war seine Reaktion?
Er war völlig verblüfft. Kniete dann plötzlich nieder und sagte: »Ich möchte deinen Gott kennen lernen«. Daraufhin wurde er abgeführt. Ich habe nie mehr etwas von ihm gehört. Vermutlich wurde er erschossen.
Ausnahme: Deutschland
Gab es im Westen nur Unverständnis über Ihre Veröffentlichungen?
Nein, im Gegenteil. Ich wurde zu Vorträgen eingeladen und konnte ein großes Hilfswerk für die verfolgte Gemeinde aufbauen. Nur in Deutschland und von den großen von Deutschland aus bestimmten kirchlichen Dachverbänden wie Weltkirchenrat und Lutherischer Weltbund gab es massive Kritik.
Wie war die Reaktion in Deutschland?
Äußerst merkwürdig. Obwohl man durch die brutale Teilung des eigenen Landes eigentlich hätte wissen müssen, wozu der Kommunismus fähig ist, hat man vor allem in den evangelischen Landes- und Freikir- chen einfach nicht wahrhaben wollen, was jetzt vor aller Welt offenbar wurde: Dass die bewussten Chri- sten unter dem Kommunismus teilweise entsetzlich zu leiden hatten. Dazu ein Beispiel: 1966 lud mich der amerikanische Senat ein, über die Situation in meiner Heimat zu berichten. Ich schloss mein Zeugnis damit, dass ich die Folternarben auf meinem Körper mit der Bemerkung zeigte: »Das sind die Narben meines ge- plagten Vaterlandes Rumänien«. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) meinte dann in Stel- lungnahmen: Das wären Narben von einer Lungen- entzündung. Ich werde diese Infamie wohl nie verges- sen. Jeder Arzt kann bestätigen, dass eine Lungenent- zündung nie solche Narben hinterlässt. Ein anderes Beispiel: Mitte der sechziger Jahre besuchte der da- malige Präsident des Kirchlichen Außenamtes der EKD eine Pfarrerkonferenz in Rumänien. Alle Pfarrer hatten Schreckliches hinter sich. Doch der deutsche Kirchenmann wollte es offensichtlich nicht wahrhaben. In das Schweigen der Anwesenden hinein erzählte er Wit- ze, um die Situation aufzulockern. Merkte er gar nicht, dass keiner lachte?
Von solchen Beispielen abgesehen . . .
die gesamte Kirchenpresse, die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), das Kirchliche Außenamt der EKD, Bischöfe, Repräsentanten der Baptisten usw. behaupteten, ich hätte zwar die Zeit des Stalinismus in Rumänien korrekt beschrieben, aber danach – Ceausescu kam 1965 an die Macht – sei alles viel freier für die Kirchen geworden und von einer Untergrundkirche und Unterdrückung könne keine Rede sein. Dazu kamen viele Verleumdungen meiner Person.
Aber das konnte doch nicht alles aus der Luft gegriffen sein?
Das war es auch nicht. Die Quelle aller Verleumdungen war im wesentlichen ein rumänischer Pfarrer. Sein Name spielt hier keine Rolle, weil ich ihm vergeben habe. Er reiste in der Bundesrepublik herum und schrieb zahllose Briefe, in denen er mein Lebenszeugnis unglaubwürdig machte. Dieser Amtsbruder konnte mich vor einigen Jahren in den USA besuchen. Er bat mich in großer Aufrichtigkeit um Vergebung für das, was er mir, meiner Mission und den unterdrückten Christen angetan habe.
Und es stellte sich heraus, was ich auch längst vermutet hatte: Die Geheimpolizei hatte ihn mit einer mehrjährigen Haftstrafe bedroht, wenn er nicht diese und jene Dinge über mich im Westen verbreitete. Aus Sorge um das eigene und das Leben seiner Familie ging er darauf ein. Ich möchte ihm daraus keinen Vorwurf machen. Schlimmer ist, dass westliche Kirchen ihm und den Kirchenleitungen in Rumänien, die mit dem Staat zusammenarbeiteten und von daher gegen mich sein mussten, mehr vertrauten als einem Mann, der für seinen Glauben 14 Jahre im Gefängnis gesessen hat.
Weltkirchenrat nicht interessiert
Wie verhielten sich die internationalen Dachorganisationen Lutherischer Weltbund und Weltkirchenrat Ihnen gegenüber?
Ich habe alle – darunter auch die deutschen Kirchen – in zahllosen Schreiben in den letzten 25 Jahren über die Situation in Rumänien informiert. Diese Briefe sind teilweise in meinem Buch »Wurmbrandbriefe« dokumentiert. Man hat mir oft nicht einmal geantwortet. Stattdessen wurde ich öffentlich in der Kirchenpresse und in Stellungnahmen diskreditiert. Ja man behauptete gar das völlige Gegenteil. So stellte ein führendes Organ der Genfer Ökumene 1966 fest: »Die orthodoxe Kirche und der Protestantismus in Rumänien entwickeln sich in einer Atmosphäre völliger Freiheit«. Ähnliche Beschönigungen kamen von der EKD, der EZW und anderen. Und zwar zu einer Zeit, als zahllose Christen in rumänischen Gefängnissen gefoltert wurden.
Haben Sie sich einmal um ein persönliches Gespräch mit dem jetzigen Generalsekretär des Weltkirchenrates, Emilio Castro, bemüht?
Ja, ich habe mit Castro gesprochen. Aber er war nicht interessiert an meinem Bericht über Rumänien. Seine Vorgänger hatte ich um Hilfen aus dem Sonderfonds des Antirassismusprogramms gebeten, aus dem auch die gewaltanwendenden kommunistischen Gruppen wie SWAPO und ANC unterstützt werden. Ich bat um Geld, um den Angehörigen von inhaftier- ten Christen helfen zu können. Sie litten unter dem größten Apartheidregime überhaupt, dem kommuni- stischen. Doch man lehnte ab. Inhaftierte Christen im Kommunismus gab es für sie nicht. Noch im August letzten Jahres lehnte es ja der Weltkirchenrat auf sei- ner Zentralausschusssitzung im Moskau ab, die rumä- nische Diktatur zu kritisieren.
Kirchliche Entschuldigung?
Gibt es bereits Reaktionen Ihrer Kritiker nach der Revolution in Rumänien?
Sie meinen, dass sich die EKD, einzelne Landes- und Freikirchen, der Weltkirchenrat oder der Lutherische Weltbund bei mir entschuldigt hätten?
Das erwarte ich gar nicht mal.
Für mich ist eine öffentliche Genugtuung nicht wichtig. Die deutschen Kirchen haben in großer Zahl Hitler bejubelt. Sie, der Weltkirchenrat wie der Lutherische Weltbund haben bis in die jüngste Zeit hinein den Kommunismus verharmlost oder sogar mit seinen Organisationen zusammengearbeitet. Was nützt es wenn man hier jetzt aufrechnen würde? Wie die Christen in Rumänien zu mir stehen, zeigt sich daran, dass mich zahllose Gemeinden zu Evangelisationen eingeladen haben. Ich hoffe, im März in meiner Heimat wieder predigen zu dürfen.
Wie soll es nun in Rumänien politisch weitergehen?
Nach jahrzehntelanger Diktatur sind die Menschen dort eine Demokratie weder gewohnt noch in ihre Formen eingeübt. Nur einer hat gegenwärtig Vertrauen: Der 1947 von den Sowjets und den rumänischen Kommunisten zum Verlassen des Landes gezwungene König Michael. Für die Wiedereinführung der Monarchie unter ihm haben sich bereits die Bauernpartei und die Liberale Partei ausgesprochen. Der im Exil in der Schweiz lebende König ist übrigens entschiedener Christ. Ich kenne die königliche Familie persönlich sehr gut.
Ein Jude wurde Christ
Wie wurden Sie als Jude eigentlich Christ?
Ich war rassisch Jude, religiös aber Atheist. Aber im Unterschied zu vielen anderen Atheisten tat es mir leid, dass es keinen Gott geben sollte. Ich hatte im damals antisemitisch geprägten Rumänien eine schwere Kindheit. Vielfach wurde ich von anderen geschlagen, nur weil ich Jude war. Wir waren so arm, dass ich nie Spielzeug und beispielsweise Schokolade bekam. Ich war von daher sicher, dass es keinen Gott geben konnte, denn sonst hätte ich als Kind wenigsten Spielzeug haben dürfen.
Wie verhielten sich die Christen?
Juden waren schon zur vorkommunistischen, der faschistischen Zeit Rumäniens total isoliert. Die Christen kamen nicht einmal auf die Idee uns zu beeinflussen, indem sie uns wenigstens ein Neues Testament gegeben hätten. Selbst die wenigen Freunde unter den Christen, die ich trotz allem Judenhass hatte, schenkten mir zum Geburtstag eine Krawatte oder ähnliches, aber nichts Christliches. Man wollte mich nicht bekehren oder wie ich es besser sagen möchte: Man wollte mich nicht glücklich machen. Und wenn wir Christen hätten werden wollen? Weder Baptisten noch Orthodoxe hätten uns aufgenommen – aus Angst vor den Behörden. Nur die katholische Kirche wehrte sich gegen das Verbot, einen Juden taufen zu dürfen.
Wie wurden Sie nun trotzdem Christ?
Merkwürdigerweise ausgerechnet durch einen deutschen Zimmermann und Christen aus Siebenbürgen. Er hatte den damals üblichen Judenhass überwunden und jahrelang darum gebetet, einem Juden den Weg zu Christus zeigen zu dürfen. Und da es in seinem Dorf keine Juden gab, bat er Gott: »Bring mir einen Juden in mein Dorf«. Ich weiß nicht, wie er mich und meine Frau dann bei einer Durchreise erkannt hat, aber er sprach mit uns und gab mir, dem 27jährigen, ein Neues Testament.
Ich habe dann mein Leben verglichen mit dem Leben Jesu und erkannt, dass alles, was ich bisher geglaubt habe, Lüge war. Ebenso erging es meiner Frau.
Wie sahen die Konsequenzen aus?
Erfüllt von unserem Glauben an Christus sagten wir auch anderen Juden das Evangelium, und es entstand eine judenchristliche Gemeinde in Bukarest. Später emigrierten dann fast alle Judenchristen nach Israel. Es entstanden Gemeinde in Haifa, Jaffa und Jerusalem. Und wenn Sie gefragt werden, wie ist eure Gemeinde entstanden, dann be- ginnt die Geschichte von jenem deutschen Zimmermann aus Siebenbürgen. Aber die Nachwirkungen dieses Zim- mermanns gehen noch weiter, bis in die Tage der Revoluti- on Ende letzten Jahres.
Das Bewegendste an dieser Revolution war das Ende: Hunderttausende gingen am Ende einer großen Demonstration nach Ansprachen zweier Pfarrer auf dem großen Platz vor der Oper in Bukarest auf die Knie. Sie dankten Gott für das große Wunder, das geschehen ist. Im Mittelpunkt des Dankes stand ein Gedicht eines der größten christlichen Dichter Rumäniens: Constantin Ioalid. Das Gedicht beschreibt, wie man an Gott glaubt. Es machte einen gewaltigen Eindruck. Der Dichter ist tot. Wer hat ihn zum Glauben gebracht? Ein Jude.
Aus Ihrer Gemeinde?
Es war mein Sohn. Der Dichter saß auf einer Bank. Mein damals kleiner Sohn ging zu ihm und fragte ihn: »Was lesen Sie?« Der Mann sagte irgendetwas und mein Sohn meinte: »Lesen Sie besser die Bibel. Wenn Sie sie befolgen, dann kommen Sie auch in den Himmel. Wenn nicht, werden Sie zum Teufel gehen. Wenn Sie mehr wissen wollen, dann gehen Sie zu meinem Vater.«
Dieser Dichter war bis dahin ein militanter Judenhasser.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Kurzbiographie
Richard Wurmbrand wurde am 24. März 1909 als 4. Sohn einer Zahnarztfamilie in Bukarest, Rumänien, geboren. Seine Eltern waren deutsch-jüdischer Abstammung, praktizierten jedoch den jüdischen Glauben nicht. Erst neunjährig, verlor Richard seinen Va- ter. Nie gab es genug Essen und Kleidung. Richard wuchs ohne Glauben auf. Zwar suchte er immer nach dem Sinn des Lebens, las viel und war mit 16 Jahren doch ein Verfechter des Atheismus und des Kommunismus.
Als junger Geschäftsmann nahm er am Wirt- schaftsaufschwung der 30er Jahre in Rumänien teil und konnte sich leisten, was die Hauptstadt zu bieten hatte. Am 26. Oktober 1936 heiratete er Sabine Oster, eine praktizierende Jüdin. Ein Jahr nach der Hochzeit erkrankte Wurmbrand an Tuberkulose und musste zu einer Kur in die Karpaten. Ein alter Zimmermann sprach ihn dort auf den christlichen Glauben an und gab ihm ein Neues Testament. Nachdem er es gelesen hatte war er von der Person Jesus Christus fasziniert. Kurz danach fand er zum lebendigen Glauben und ließ sich taufen. Seine Frau, die zunächst entsetzt war und mit Selbstmordabsichten spielte, folgte ihm ein halbes Jahr später nach. 1938 kam ihr erstes und einziges Kind, Michael, zur Welt, später adoptierten sie noch einen Jungen. In einer Zeit, die mehr und mehr vom Judenhass geprägt war, fanden sie als Judenchristen nur schwer Anschluss bei christlichen Gemeinden. Als aktiver Missionar scharte Wurmbrand aber bald eine Gemeinde von Judenchristen und Rumänen um sich. Nach einer theologischen Ausbildung wurde er 1939 von der Anglikanischen Judenmission, für die er arbeitete, zum Pastor ordiniert. Sowohl als Jude als auch als Deutschstämmiger war Richard Wurmbrand in den 40er Jahren mehrfach im Gefängnis. Als 1945 die Sowjetarmee zur Befreiung in Bukarest einzog, fing er an, unter den Soldaten zu missionieren. Am 29. Februar 1948 wurde Richard Wurmbrand von der Straße weg verhaftet und verschwand für 8 Jahre hinter Gittern, 3 Jahre lang in Einzelhaft mit schwerer Folter. Lange wusste seine Frau nichts von ihm. Auch sie wurde 1950 verhaftet und zu 3 Jahren Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeer-Kanal verurteilt. Ihre Kinder wurden heimlich von einigen Gemeindegliedern versorgt. Offiziell war dies verboten. Alice Panaiodor z.B. bezahlte diesen Liebesdienst mit langen Gefängnisjahren. 1956 kam Wurmbrand frei und nahm seine Gemeindearbeit wieder auf. 1958 wurde er erneut verhaftet und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Durch eine Amnestie 1964 wurde er jedoch vorzeitig entlassen. Seine Gemeine bat ihn dann, in den Westen zu gehen und dort über die Leiden der Kirche unter dem Kommunismus zu sprechen. Eines seiner Gemeindemitglieder, Anutza Moise, ebenfalls eine rumänische Jüdin und eine Freundin der Familie, hatte nach Norwegen auswandern können und brachte dort ein Lösegeld von $ 10 000 für den Freikauf der Familie zusammen. Am 6. Dezember 1965 kamen die Wurmbrands dann aus Bukarest in Italien an.
Weihnachten 1965 feierten sie mit Anutza Moise in Oslo, Norwegen. Dort wurden auch die ersten Vorträge über das vom Kommunismus unterdrückte Christentum gehalten. Bald darauf entstanden Missionen in der ganzen Welt, die bis heute einen entscheiden- den Dienst für die leidende Kirche in aller Welt tun.