Überwindung des Marxismus (K.Löw)
Überwindung des Marxismus – Eine unvollendete Aufgabe
Von Prof. Dr. jur. Konrad Löw
Marx – einer unserer Besten?
– Hinführung –
Was heißt „Marxismus“? Das Wort ist mehrdeutig und kann meinen: authentischer Marxismus. Neomarxismus, Marxismus-Leninismus u.a.
In diesem begrenzten Rahmen soll nur der authentische Marxismus zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden. Alle anderen Formen haben ihn als Grundlage und Ausgangspunkt. Die Abweichungen untereinander sind nicht fundamental.
„Authentischer Marxismus“ meint die Lehre des Karl Marx und seiners Alter Ego (anderen Ichs) Friedrich Engels.
3,3 Millionen Zuschauer haben sich vor knapp einem Jahr (29. 11. 03) an der Abstimmung zu „Unsere Besten“ im Zweiten Deutschen Fernsehen beteiligt. Für Karl Marx stimmte über eine halbe Million, was ihm – nach Konrad Adenauer und Martin Luther – Rang drei einbrachte. Die Bewohner der neuen Bundesländer halten Marx mehrheitlich sogar für „unseren Besten“.
Schon allein daraus folgt die Aktualität unseres Themas. Wenn seine Befürworter über ihn Bescheid wissen, dann ist die Herausforderung besonders groß, da sie dann offenbar seine Lehre für etwas Wertvolles und Wichtiges halten; wenn nicht, dann besteht in hohem Maße Aufklärungsbedarf.
Wir beschränken uns auf jene Aussagen des authentischen Marxismus, die für uns und unsere zeit besonders wichtig sind. Sie stehen – und dies sein schon vorab gesagt – zur christlichen Lehre in scharfem Widerspruch, was in den folgenden Abschnitten aufgezeigt und belegt werden soll.
Marxismus und Religion
Es ist unschwer möglich, den Marxismus als Ersatzreligion nachzuweisen mit zahlreichen Parallelen zur christlichen Heilslehre: Paradies, Sündenfall, Jammertal, Jüngstes Gericht und Erlösung. Auf den ersten Blick erscheinen so die christlichen Religion und der Marxismus als austauschbare Größen mit einem ähnlichen Weltbild, einer ähnlichen Zukunftserwartung. Also eine gute Basis für Zusammenarbeit!?
Dieser Anschein ist trügerisch. Der Marxismus verneint Punkt für Punkt die wesentlichen Bestandteile des christlichen Glaubens:
Marx war Atheist. Der Marxismus leugnet Gott ohne Wenn und Aber, ohne nähere Begründung. Die Nicht-Existenz Gottes ist eine Selbstverständlichkeit. Die Wissenschaft hat mir zu beweisen, daß es keinen Gott gibt, und nicht zu prüfen, ob es Gott gibt oder nicht.
Jede Religion ist den Freunden verhaßt. Marx nennt sie „Opium des Volkes“, und Engels meint: „Diese Heuchelei führen wir auf die Religion zurück, deren erstes Wort eine Lüge ist oder fängt die Religion nicht damit an. daß sie uns etwas Menschliches zeigt und behauptet, das sei etwas Übermenschliches, Göttliches? Weil wir aber wissen, daß alle diese Lüge und Unsittlichkeit aus der Religion folgt, daß die religiöse Heuchelei, die Theologie der Urtypus aller andern Lügen und Heuchelei ist, so sind wir berechtigt, den Namen der Theologie auf die gesamte Unwahrheit und Heuchelei der Gegenwart auszudehnen…“
Der Mensch ist kein Geschöpf, sondern aus sich selbst hervorgegangen. Marx bietet dafür den folgenden“unwiderstehlichen Beweis“: „Indem aber für den sozialistischen Menschen die ganze sogenannte Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für den Menschen, so hat er also den anschaulichen unwiderstehlichen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozess“. (Daß dieser „unwiderstehliche Beweis“ nichts anderes ist als eine bloße Behauptung, ist auf den ersten Blick erkennbar.)
„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch [und nicht etwa Gott] das höchste Wesen für den Menschen sei…“
Marxismus und Sittengesetz
Es gibt also keinen Gott; es gibt keine gottgewollte Ordnung. Es gibt auch kein zeitloses Sittengesetz. Für Marx ist Moral eine „Phrase“; jede Zeit habe ihre eigene Moral. Marx brüstet sich: „Die Kommunisten predigen überhaupt keine Moral…“, und zwar deshalb, weil es doch nichts nütze. Engels: „Wir weisen demnach eine jede Zumutung zurück, uns irgendwelche Moraldogmatik als ewiges, endgültiges, fernerhin unwandelbares Sittengesetz aufzudrängen, unter dem Vorwand, auch die moralische Welt habe ihre bleibenden Prinzipien, die über der Geschichte und der Völkerverschiedenheit stehen. Wir behaupten dagegen, alle bisherige Moraltheorie sei das Erzeugnis, in letzter Instanz, der jedesmaligen ökonomischen Gesellschaftslage“.
Es ist nur konsequent, wenn auch die Unterscheidung von gut und böse ausdrücklich bestritten wird.
Gut ist nach der christlichen Lehre neben der Gottesliebe die Nächsten- und die Feindesliebe. Für Marx und Engels aber ist das Postulat der Nächstenliebe nur ein Anlaß, um sich zu mokieren. Haß, Verachtung anderer, Hohn und Spott, Racheschwüre, ja Terror und Mord, also die Gegensätze von Liebe, werden andererseits ausdrücklich bejaht.
Diese Feststellung ist so gewichtig und andererseits für die Marxisten so belastend, daß eine eingehende Begründung notwendig ist:
Nächstenliebe, mit einem Fremdwort auch „Philanthropie“ genannt, sowie Brüderlichkeit, französisch: fraternité, werden ausdrücklich abgelehnt.
In einem seiner ersten Briefe an Marx berichtet Engels die Einstellung der Arbeiter, denen er in Paris begegnet: „Milde, Sanftmut, warme Brüderlichkeit. Ich hab‘ sie aber gehörig gerüffelt, jeden Abend bracht‘ ich ihre ganze Opposition von fünf, sechs, sieben Kerls … zum Schweigen“.
Philanthropie und Humanismus nennt Engels ausdrücklich „antirevolutionäre Untugenden“. Besonders deutlich werden Marx und Engels in einem „Zirkular“, d. h. Rundschreiben, das sich gegen einen ehemaligen Gesinnungsgenossen namens Kriege, der an die Nächstenliebe appelliert, wendet:
„Dieser Liebessabbelei entspricht es, daß Kriege … den Kommunismus als den liebevollen Gegensatz des Egoismus darstellt und eine weltgeschichtliche revolutionäre Bewegung auf die paar Worte: Liebe Haß, Kommunismus Egoismus reduziert … Welche entnervende Wirkung auf beide Geschlechter diese Liebesduselei ausüben und welche massenweise Hysterie und Bleichsucht sie bei den Jungtrauen hervorrufen muß, darüber möge Kriege selbst nachdenken“.
„Es versteht sich, daß Krieges Liebessabbelei und Gegensatz gegen den Egoismus weiter nichts sind als die schwellenden Offenbarungen eines durch und durch in Religion aufgegangenen Gemüts. Wir werden sehen, wie Kriege, der sich in Europa immer für einen Atheisten ausgab, hier sämtliche Infamien des Christentums unter dem Wirtshausschilde des Kommunismus an den Mann zu bringen sucht und ganz konsequent mit der Selbstschändung des Menschen endigt“.
Haß und Verachtung, Hohn und Spott werden gepredigt. In Versform lautet das Programm:
„Nichts Schöneres gibt es auf der Welt als seine Feinde zu beißen,
als über all die plumpen Geselln seine schlechten Witze zu reißen“.
Voll Stolz schreibt Engels an Marx, daß ein britischer Gewerkschaftsführer namens Jones „ohne unsere Doktrinen nicht auf den richtigen Weg geraten wäre und nie gefunden hätte, wie man … den instinktiven Klassenhaß der Arbeiter gegen die industriellen Bourgeois nicht nur beibehalten, sondern noch erweitern, entwickeln und der aufklärenden Propaganda zugrundelegen kann.“
Marx nennt sein System, das „System of mockery and contempt“, das System der Verhöhnung und Verachtung.
Noch einige weitere Zitate, die ohne jeden Kommentar eindeutig für sich sprechen: „Bei uns ist eher Haß nötig als Liebe“. „Es war gerade die Verachtung und der Spott, mit dem wir die Gegner behandelten, die uns in den sechs Monaten bis zum Belagerungszustand fast 6000 Abonnenten einbrachte…“
„Diese freie Luft muß das Blatt ’Der Social Demokrat’ nach Deutschland hineintragen, und dazu dient vor allem, daß der Gegner mit Verachtung behandelt, verhöhnt wird“.
„Nicht sich drehen und winden unter den Schlägen des Gegners, heulen, winseln und Entschuldigungen stammeln: so böse war’s nicht gemeint; wie noch so viele tun. Widerhauen muß man, für jeden feindlichen Hieb zwei, drei zurück. Das war unsere Taktik von jeher, und wir haben bis jetzt, glaub‘ ich, noch so ziemlich jeden Gegner untergekriegt.“
Racheorgien werden mit schauerlicher Genüßlichkeit als Menetekel an die „Wand“ gemalt: „Der heilige Kirchenvater wird sich doch sehr wundern. wenn der Jüngste Tag, an dem sich dies alles erfüllet, über ihn hereinbricht ein Tag, dessen Morgenrot der Widerschein brennender Städte am Himmel ist, wenn unter diesen ’himmlischen Harmonien’ die Melodie der Marseillaise und Carmagnole mit obligatem Kanonendonner an sein Ohr hallt, und die Guillotine dazu den Takt schlägt; wenn die verruchte ’Masse ca ira, ca ira’ brüllt und das Selbstbewußtsein vermittels der Laterne aufhebt“.
Doch damit nicht genug. Marx und Engels fordern Rache, ja, sie wollen selbst „blutige Rache“ üben und die Leitung der Volksrache in die Hand nehmen: „Vergeßt nur keine Euch und allen unsern Leuten getane Niedertracht, die Zeit der Rache kommt und muß redlich ausgenutzt werden“.
„Nun, ich hoffe, daß der Volkszorn endlich geweckt und Rache genommen wird. Es wird Zeit“.
„Und für diesen feigen, niederträchtigen Verrat an der Revolution (Die Slawen haben sich 1848/49 mehrheitlich konservativ verhalten.) werden wir einst blutige Rache an den Slawen nehmen“.
„Weit entfernt, den sogenannten Exzessen, den Exempeln der Volksrache an verhaßten Individuen oder öffentlichen Gebäuden, an die sich nur gehässige Erinnerungen knüpfen, entgegenzutreten, muß man diese Exempel nicht nur dulden, sondern ihre Leitung selbst in die Hand nehmen“.
Auch wer Marx und Engels geistige Väter des Terrorismus nennt und ihnen die Verherrlichung von Mordtaten vorwirft, tut ihnen kein Unrecht, sondern nimmt sie nur beim Wort. Schon das bisher Zitierte würde eigentlich genügen. Denn was ist „blutige Rache“ anderes als mörderischer Terror? Aber Marx und Engels werden noch deutlicher:
„Die resultatlosen Metzeleien seit den Juni und Oktobertagen, das langweilige Opferfest seit Februar und März, der Kannibalismus der Konterrevolution selbst wird die Völker überzeugen, daß es nur ein Mittel gibt, die mörderischen Todeswehen der alten Gesellschaft, die blutigen Geburtswehen der neuen Gesellschaft abzukürzen, zu vereinfachen, zu konzentrieren, nur ein Mittel den revolutionären Terrorismus“.
„Auf die sentimentalen Brüderschaftsphrasen, die uns hier im Namen der konterrevolutionärsten Nationen Europas dargeboten werden, antworten wir, daß der Russenhaß die erste revolutionäre Leidenschaft bei den Deutschen war und noch ist; daß seit der Revolution der Tschechen und Kroatenhaß hinzugekommen ist und daß wir, in Gemeinschaft mit Polen und Magyaren, nur durch den entschiedensten Terrorismus gegen diese slawischen Völker die Revolution sicherstellen können … Dann Kampf … Vernichtungskampf und rücksichtslosen Terrorismus nicht im Interesse Deutschlands, sondern im Interesse der Revolution“!
„Wir sind rücksichtslos, wir verlangen keine Rücksicht von euch. Wenn die Reihe an uns kommt, wir werden den Terrorismus nicht beschönigen“.
Blenden wir wieder zurück zum Wesen des Christentums. Als christliche Tugend wurde die Wahrhaftigkeit erwähnt. Im Marxismus findet sie nirgendwo, auch nur ansatzweise und theoretisch, einen Anwalt. Engels betont ausdrücklich, daß ihm „als Revolutionär jedes Mittel recht (sei), das zum Ziele führt, das gewaltsamste, aber auch das scheinbar zahmste“.
“Jedes Mittel“!, die Lüge also eingeschlossen. Und wir können ganz exakt nachweisen, daß sie, wenn es opportun schien, bedenkenlos geheuchelt und gelogen und sich dabei einvernehmlich zugeblinzelt haben.
So ist die Frage naheliegend und berechtigt: Was haben sie von ihrer Lehre selbst geglaubt?
Sie haben sich als Schöpfer des dialektischen Materialismus verstanden und werden als solche gefeiert. Doch bei Licht betrachtet verflüchtigt sich der dialektische Materialismus, das Grundgesetz des Alls und allen Lebens, wie es in ekstatischer Blindheit oder teuflischer Blendsucht genannt wird, teils in Selbstverständlichkeiten, teils in Anleitungen, wie man immer recht behält, auch wenn man sich noch so sehr geirrt hat.
Die marxistische Ideologie ist durchsetzt mit Rabulistik, der Kunst der Wortverdrehung, der Diabolik, der Fähigkeit, alles durcheinander zu werfen, zu verwirren. Das lateinische Wort Diabolus kommt daher wie unser deutsches Lehnwort ’Teufel’. Die Diabolik widerstreitet der Wahrhaftigkeit geradewegs. Begnügen wir uns mit einem Marx Zitat, das recht eindeutig für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung spricht: „Es ist möglich, daß ich mich blamiere. Indes ist dann immer mit einiger Dialektik wieder zu helfen. Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, daß ich im umgekehrten Fall auch recht habe“.
Zur christlichen Ethik gehört schließlich die Verantwortlichkeit für das eigene Tun. Nach Marx und Engels jedoch bestimmt das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein der einzelnen Menschen. „In seiner Wirklichkeit ist es [das menschliche Wesen] das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“. Die Umwelt, die Umstände sind an allem „schuld“. Marx klagt alles (und alle) an, nur nicht sich selbst. Ein Confiteor kennt diese Ersatzkirche in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht. Selbstkritik hat Marx nie geübt. Sie ist Sache jener, die nicht an der Spitze stehen.
Zweites Zwischenergebnis: Das Sittengesetz, insbesondere Liebe, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, ist für Marx und Engels keine, zumindest keine wirksame, keine bindende Realität. Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewußtsein. „Verantwortlich“ sind die Gegebenheiten.
Marxismus und christliches Menschenbild
Zum christlichen Welt- und Menschenbild gehören, über das Gesagte hinaus, Ehe und Familie. Marx und Engels hingegen sehen in Ehe und Familie schädliche Institutionen, die es zu beseitigen gelte. Engels: „Welchen Einfluß wird die kommunistische Gesellschaftsordnung auf die Familie ausüben? Sie wird das Verhältnis der beiden Geschlechter zu einem reinen Privatverhältnis machen, welches nur die beteiligten Personen angeht und worin sich die Gesellschaft nicht zu mischen hat. Sie kann dies, da sie das Privateigentum beseitigt und die Kinder gemeinschaftlich erzieht und dadurch die beiden Grundlagen der bisherigen Ehe, die Abhängigkeit des Weibes vom Mann und der Kinder von den Eltern vermittels des Privateigentums vernichtet“.
Nochmals Engels: „Es wird sich dann zeigen, daß die Befreiung der Frau zur ersten Vorbedingung hat die Wiedereinffihrtug des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie, und daß dies wieder erfordert die Beseitigung der Eigenschaft der Einzelfamilieii als wirtschaftlicher Einheit der Gesellschaft.“ So werden heute Mütter von ihren Kindern „befreit“, damit sie im Erwerbsleben eingesetzt werden können, während andererseits Millionen arbeitslos sind, die keine Kinder zu betreuen haben.
Marx: „Die positive Aufhebung des Privateigentums, als die Aneignung des menschlichen Lebens, ist daher die positive Aufhebung aller Entfremdung, also die Rückkehr des Menschen aus Religion, Familie, Staat etc. in sein menschliches, d. h. gesellschaftliches Dasein“.
Auch der Staat ist also ein Übel und nicht minder das Privateigentum zumindest an den Produktionsmitteln.
Drittes Zwischenergebnis: Ehe und Familie, Staat und Privateigentum sind zwar Realitäten, doch sollen sie möglichst rasch verschwinden.
Wege zur Überwindung
Die Wege zur Überwindung kenne ich nicht. Aber ich mache mich gerne mit Ihnen zusammen auf die Suche und darf dabei die nächsten Minuten vorangehen.
Eines scheint sicher: Eine Patentlösung für diese Herausforderung gibt es nicht.
Und was ich an Rezepten zur Überwindung zu bieten habe, kann mich nicht voll befriedigen. Daher weiß ich auch nicht, ob diese Aufgabe gelingt. Aber ich tröste mich mit der Überzeugung: Wir werden nicht nach unseren Erfolgen gerichtet, sondern nach unserein guten Willen und unseren Taten, danach, ob wir versucht haben, unsere Verantwortung nach besten Kräften wahrzunehmen.
Wen oder was jeder am ehesten steuern kann, ist die eigene Person, auch wenn der ’Alte Adam’ in uns nicht immer parieren möchte: Der Geist ist zwar willig, „aber das Fleisch ist schwach“.
Kein gangbarer, erfolgversprechender Weg ist der schlichte Appell an die säkularisierte Gesellschaft, zur christlich abendländischen Ethik zurückzukehren. Solche Appelle verhallen leider ungehört, wenn sie nicht sogar Gelächter auslösen. So ist unsere Zeit.
Mehr Außenwirkung verspreche ich mir von Aufklärung, Aufklärung über die Anstößigkeit und Verlogenheit des Marxismus (1), Aufklärung über die möglichen furchtbaren Konsequenzen dieser Lehre (2). Aufklärung schließlich darüber, daß diese Lehre nicht die Frucht humanitärer Gesinnung ist, sondern dem Wahn der Selbstvergottung entspringt, verbunden mit der Verachtung all dessen ist, was andere geschaffen haben (3). Ich glaube, ich weiß, wovon ich rede, habe ich doch über Jahrzehnte hinweg Vorlesungen über Marxismus abgehalten und referiere auch heute noch über das Thema in allen Variationen. Kurz zu den drei Punkten:
Zu 1. Insofern darf ich auf das eben Vorgetragene verweisen.
Zu 2. Ganz kurz zu den Konsequenzen: 1998 erschien das „Schwarzbuch des Kommunismus“. Es beweist, daß Kommunisten, Menschen, die sich zu Marx bekannt haben, also bekennende Marxisten, ab 1917 weltweit den Tod von mindestens 85 Millionen Menschen verschuldet haben. Die Frage lautet: Haben sich diese Verbrecher zu Recht auf Marx berufen, oder basiert diese Berufung auf einem Mißverständnis; handelt es sich gar um eine Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener? Hunderte von Seiten lassen sich mit Zitaten füllen, die zeigen, daß diese Berufung das geistige Erbe von Marx nicht vergewaltigt und pervertiert. (Konrad Löw “Das Rotbuch der kommunistischen Ideologie. Marx und Engels, die Väter des Terrors“.)
Zu 3. Daß die Handlungsmotive der beiden Freunde nicht Nächstenliebe und Mitleid gewesen sind, läßt sich ganz exakt belegen. Dafür reicht leider die vorgegebene Zeit nicht aus. Wer insofern näher einsteigen möchte, der sei insbesondere auf das Buch „Der Mythos Marx“ verwiesen. (Konrad Löw “Der Mythos Marx und seine Macher. Wie aus Geschichten Geschichte wird“).
Wer die Erfolgsaussichten skeptisch beurteilt, braucht dennoch nicht zu verzagen. Er soll hoffen gegen alle Wahrscheinlichkeit. Blicken wir 20 Jahre zurück. Damals war unsere Gefährdung durch Staaten, die sich zum Marxismus bekannten, ganz gewaltig, da sie gleichzeitig ein ungeheures militärisches Potential verkörperten. Gleichsam über Nacht verschwand dieses Gespenst des Kommunismus, so daß wir um unsere äußere Freiheit nicht besorgt sein müssen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht groß ist, aber die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, daß gute Argumente Frucht tragen.
Viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß leidvolle Erfahrungen, die Konsequenzen eines amoralischen Lebens, zerbrochener Familien, suchtkranker Kinder, die Einsicht in die Notwendigkeit eines Umdenkens fördern. Denken Sie nur an den Pisa Schock, wobei es verfrüht wäre, schon jetzt von einem Erfolg dieses Schocks zu sprechen. Aber die Erschütterung hält doch beachtlich lange vor.
Ganz wichtig erscheint mir auch, alternativ zu leben, alternativ zu marxistisch heißt hier schlicht: christlich. Einen wunderbaren Wirkungsbereich bildeten für mich über Jahrzehnte hinweg neben den eigenen Kindern – meine Studenten. Ich habe mich ihnen gegenüber stets zu meinen, zu unseren Werten bekannt Lind dabei nie Schiffbruch erlitten. Dabei war es gar nicht notwendig, von meinen Werten zu sprechen, sondern von der Wertordnung des Grundgesetzes. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland stellt die Würde des Menschen über alles, nachdem es vorher die Verantwortung vor Gott und den Menschen bekannt hat. Das Grundgesetz bejaht explizit nicht nur die Menschenrechte, sondern auch das Sittengesetz. Ferner heißt es ausdrücklich: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Wenn wir darauf hinweisen, so muten wir anderen nicht unsere eigene höchst subjektive Meinung zu, sondern das, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes nach wochenlangen Debatten als gleichsam historischen Kompromiß beschlossen haben. Zugleich negieren wir die Kernaussagen des Marxismus.
– Wenige Wochen, bevor Michail Gorbatschow im März 1985 zum Generalsekretär der KPdSU gewählt wurde, schrieb ich in der Bayerischen Staatszeitung unter der Überschrift „Noch ist Deutschland nicht verloren!“: “Ist es wirklich reine Utopie, zu hoffen, daß sich unter den jüngeren sowjetischen Kommunisten anständige Leute befinden, die schrittchenweise die Konsequenzen aus den leeren Versprechenungen des Marxismus-Leninismus ziehen; denen das Glück der Mitmenschen mehr wert ist als die eigene Macht? … Das ist unsere Hoffnung, die Chance der freien Welt, der Menschen in Ost und West.“
Warum ich das erwähne, liegt auf der Hand. Schneller, als selbst von mir erwartet, ist diese Hoffnung in Erfüllung gegangen. Und so brauchen wir auch die Hoffnung nicht aufgeben, daß das geistige Erbe des Marxismus überwunden wird.
Dieses Referat wurde gehalten am 14. Oktober 2004 beim VII. Europäischen – Ökumenischen Bekenntnis Kongreß in Freudenstadt.
Prof. Dr. jur. Konrad Löw (* 1931 in München) war nach staatlichen Diensten in München und Bonn von 1972 bis 1999 Professor für Politikwissenschaft an den Universitäten Erlangen und Bayreuth. Er ist verheiratet und Vater von 5 Kindern und lebt im Ruhestand in der Nähe von München.
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