Seelsorge
Dr. theol. Kurt E. Koch
Seelsorge und Okkultismus
– Die seelsorgerliche Behandlung der Menschen, die durch die Beschäftigung mit okkulten Dingen seelisch angefochten oder erkrankt sind –
Vorwort
Die Flutwelle leiblicher und seelischer Erkrankungen steigt in einem erschreckenden Ausmaß. Angesichts dieser Nöte verdient jeder unser Gehör, der als ehrlicher Helfer sich zum Wort meldet. Der Verfasser der vorliegenden Untersuchung hat Jahrzehnte in evangelistischer Arbeit gestanden. Dabei sind ungezählte belastete Menschen durch seine seelsorgerliche Betreuung gegangen. In erstaunlich vielen Fällen ergab das Beichtgespräch, dass die Hilfesuchenden entweder aktiv auf dem okkulten Gebiet experimentiert hatten oder dass sie im passiven Sinn solchen Beeinflussungen unterworfen worden waren. Die Wirkungen aber zeigten sich jedes mal in der gleichen Weise: die Menschen gelangten wohl auf diesen Wegen zu bestimmten Wunscherfüllungen, mussten sie aber mit seelischen Belastungen aller Art in Gestalt von Schwermut, Lebensüberdruß, Selbstmordgedanken, Zwangslästerungen, Tobsucht oder lüsternen Perversionen bezahlen.
Der Verfasser verfügt über ein sehr beachtliches medizinisches, psychiatrisches, psychologisches und psychotherapeutisches Fachwissen. Und es ist dem Verfasser der überzeugende Nachweis gelungen, daß nur eine mehrdimensionale Betrachtung diesem ungeheuren Problemkreis gerecht zu werden vermag. …
Adolf Köberle – Tübingen
Leicht gekürzt, auch die Hervorhebungen sind von mir, Horst Koch, 2010 –
I. EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDSÄTZLICHE BEHANDLUNG DER OKKULTEN
PHÄNOMENE
II. SEELSORGERLICHE FÄLLE AUS DEM GEBIET DES OKKULTISMUS IM
BLICK AUF DAS ZIEL DER UNTERSUCHUNG
III. DIE ZUSAMMENFASSUNG DER BEI OKKULTEN FÄLLEN BEOBACHTETEN
HÄUFIGKEITSBEZIEHUNGEN
IV. DER WEG DER BEFREIUNG AUS OKKULTER BEHAFTUNG
I. EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDSÄTZLICHE BEHANDLUNG DER OKKULTEN PHÄNOMENE
. . . Es ist dem Verfasser der überzeugende Nachweis gelungen, dass nur eine mehrdimensionale Betrachtung diesem ungeheuren Problemkreis gerecht zu werden vermag. Der Theologe muss lernen, die biologischen und psychologischen Grundlagen der okkulten Struktur zu erkennen.
Der Arzt und Seelenarzt aber sollte dahin kommen, dass er die Tiefe der religiösen Schuld und Verfehlung bei all diesem Geschehen ermessen lernt. Der Antrieb, der zur Wahrsagerei und zur magischen Besprechung führt, ist immer der Wille zur Macht, ist das Wissend-Sein-Wollen wie Gott. Der Mensch erzwingt sich seine Wünsche. Er durchbricht mit Gewalt die ihm von Gott gesetzten Schranken. Er erreicht vielleicht auch sein Ziel, verliert aber darüber das höchste Gut, dessen der Mensch fähig ist, die Gemeinschaft mit Gott
Diese Entsicherung des menschlichen Daseins durch die düsteren weltpolitischen Aspekte, die wirtschaftlichen Nöte, die Existenzlosigkeit, die Ehekrisen und dergl. mehr ist der Hintergrund, der günstige Nährboden für Neurosen aller Art. Der Fachmann spricht geradezu von einer Volksseuche der Neurosen oder von psychischen Epidemien. Dieser Neurosenseuche, mit der es der Psychotherapeut zu tun hat, entspricht auf der seelsorgerlichen Ebene die vermehrte Flut seelischer Störungen, die in vielen beobachteten Fällen in merkwürdigen Häufigkeitsbeziehungen zu der gesteigerten Welle okkulter Praktiken stehen.
Eine exakte medizinisch- psychologische Erforschung der sogenannten okkulten Phänomene ist auch für den Theologen als Voraussetzung seiner Beurteilung unerläßlich. Zudem darf bei dem noch weitgehend ungeklärten Fragenkomplex keine Flucht ins Übersinnliche erfolgen, solange noch stichhaltige rationale Erklärungsmöglichkeiten bestehen. Gott hat uns den Verstand gegeben, dass wir ihn brauchen. . . .
II. DIE FORMALE GESTALTUNG DER ABHANDLUNG
1. Der Impuls zu der Behandlung des vorliegenden Themas kam, wie oben gesagt, aus der Praxis. Fünfzehnjähriger evangelistischer Dienst vermitteln erschütternde Einblicke in seelische Erkrankungen, die zum Teil in das Gebiet des Facharztes gehörten, in vielen Fällen aber auch mit okkulter Betätigung zusammenhingen. Seit Jahren habe ich die schwersten und seltsamsten Fälle solcher Erkrankungen aufgezeichnet und gesammelt. Die drängende seelische Problematik der Hilfesuchenden gab den Anstoß, aus dem vorliegenden Material etwa 600 Fälle okkulter Behaftung herauszugreifen und sie einer kritischen Auswertung zu unterziehen.
2. Das Ziel der Abhandlung ist die Darstellung eines speziellen Anliegens der praktischen Theologie: Es soll den durch okkulte Betätigung seelisch Erkrankten in ihrer Not geholfen werden. Die Erfahrung der seelsorgerlichen Aussprachen mit solchen Hilfesuchenden lehrt, dass diese besondere Aufgabe seelsorgerlicher Tätigkeit nicht nur im aufmunternden Zuspruch und teilnahmevollen Trost besteht. Nein, es geht darum, dass diese okkult Behafteten aus dem Kerker seelischer Verkrampfung und dem Zwang unerklärlicher Beziehungen wirklich frei werden. Um dieses seelsorgerliche Bemühen noch deutlicher zu machen, muss gesagt werden, dass es sich nicht allein um die Gesundung seelisch Kranker handelt, sondern vor allem um die Hinführung des Angefochtenen zu dem großen Befreier Jesus Christus.
3. Das Problem der Abhandlung ist dreigestaltig:
a. Es geht erstens um die Feststellung, ob es eine sogenannte okkulte Behaftung
überhaupt gibt.
b. Weiter muss die noch sehr umstrittene Beziehung zwischen okkulter
Behaftung und seelischer Erkrankung zur Diskussion gestellt werden.
c. Zuletzt handelt es sich um die vordringliche Frage des Problems, ob dem
okkult Angefochtenen vom Seelsorger entscheidende Hilfe gebracht werden
kann, oder ob der Seelsorger jeden seelisch Kranken ausschließlich dem
Facharzt zu überweisen hat.
4. Aus dieser Problemlage kristallisieren sich die verschiedenen Aufgaben der Abhandlung:
a. Es muss durch eine große Zahl seelsorgerlicher Beispiele ein Einblick in die okkulte Behaftung gegeben werden, um die Folgen der Beschäftigung mit okkulten Dingen aufzuzeigen.
b. Es ist nicht zu umgehen, nach den Ursachen okkulter Behaftung zu forschen; denn ohne klare Erkenntnis der Wurzeln seelischer Erkrankungen ist keine Heilung und Hilfe möglich. Wie die Voraussetzung jeder medizinischen Behandlung die eingehende und richtige Diagnosestellung ist, so ist es unerläßlich, dass der Seelsorger den Hintergrund der seelischen Erkrankungen im Zusammenhang mit okkulter Betätigung durchschaut.
c. Es muss ferner nach einem Weg der Befreiung aus okkulter Behaftung gesucht werden. Das ist das eigentliche seelsorgerliche Anliegen, um das sich alle Teilaufgaben gruppieren.
5. Die Methode der Behandlung dieser Aufgaben wurde schon angedeutet. Es wird zunächst der Weg vom Menschen her, von der seelsorgerlichen Erfahrung her, beschritten, und dann werden die Ergebnisse der praktischen Beobachtung geprüft. Dieser Arbeitsgang ist der Weg der Induktion: Aus den speziellen Fällen wird das Allgemeingültige herausgearbeitet.
6. Der Aufbau der Untersuchung richtet sich nach den zu behandelnden Teilgebieten. Im ersten Teil wird von der seelsorgerlichen Praxis her durch etwa 120 Beispiele die seelsorgerliche Notlage bei okkulter Behaftung gezeigt. Im zweiten Teil werden die Beiträge der wissenschaftlichen Grenzgebiete zur kritischen Prüfung dieser seelsorgerlichen Fälle herangezogen. Vor allem müssen die speziellen seelischen Erkrankungen, wie sie der Evangelist als Folge okkulter Behaftung kennen lernt, dem Feuer medizinisch wissenschaftlicher Kritik konfrontiert werden. (Dieser Aspekt der wissenschaftlichen Vergleiche wurde aus Raumgründen gekürzt. H.Koch)
7. Die Fixierung des Themas ergibt sich aus der seelsorgerlichen Fragestellung unseres Anliegens. Der Evangelist trifft fast überall in der Seelsorge auf viele seelische Erkrankungen, die oft im Zusammenhang mit okkulter Behaftung stehen. Aus dieser Häufung spezieller seelsorgerlicher Notfälle formt sich ohne weiteres das Unterthema: die seelsorgerliche Behandlung der Menschen, die durch die Beschäftigung mit okkulten Dingen seelisch angefochten oder erkrankt sind. In dieser Formulierung müssen vier Begriffe zur Vermeidung von Mißverständnissen kurz abgegrenzt werden:
a. Wenn hier von seelsorgerlicher Behandlung die Rede ist, dann ist damit nicht eine medizinische Heilbehandlung, etwa eine psychotherapeutische Aussprache, gemeint, sondern eine neutestamentlich ausgerichtete, theologische Seelsorge.
b. Wenn in dieser Abhandlung der Terminus „okkult“ verwendet wird, so soll damit das Randgebiet der sinnlichen Erfahrung gekennzeichnet werden: Die rational kaum noch erfaßbaren Phänomene, die Erscheinungen, die in den metaphysischen und metapsychischen Bereich hinübergreifen, die Beziehungen zwischen dem sinnlichen und übersinnlichen Raum.
c. Der dritte Begriff, der kurz deutlich gemacht werden muss, ist die Beschäftigung mit okkulten Dingen. Der Terminus „Beschäftigung“ umfaßt sowohl das aktive Experimentieren auf okkultem Gebiet als auch das passive okkulte Beeinflußtwerden. Sowohl die aktive als auch passive Beteiligung, sowohl das Subjektsein als auch Objektsein auf okkultem Gebiet schafft eine okkulte Behaftung, um deren seelsorgerliche Behandlung es hier geht.
d. Zuletzt bleibt noch der Begriff der seelischen Anfechtung und der seelischen Erkrankung. Der Terminus „seelisch“ hat in dieser Abhandlung zwei Bedeutungen. Zunächst ist damit rein psychologisch oder fachtechnisch die inwendige Natur des Menschen gemeint: das Psychische als Partner des Somatischen. Ferner umfaßt der Begriff der seelischen Erkrankung aber auch das religiöse Problem des Krankseins vor Gott. Die seelische Erkrankung in diesem Sinn ist nicht nur ein naturhaft biologischer Tatbestand, sondern eine Störung der Grundhaltung des Menschen zu seinem Schöpfer. Unter seelischer Erkrankung ist hier also sowohl eine Störung auf psychosomatischer als auch religiöser Grundlage gemeint.
8. Das christozentrische Vorzeichen der Abhandlung
Vom Neuen Testament aus kommt nur ein positives Vorzeichen vor dieses rätselhafte Gebiet des Okkultismus, nämlich, dass Jesus Christus auch in diesem Labyrinth ungeklärter Fragen das letzte Wort behält. Er ist das „Ende der Dämonen“. Diese Tatsache wird durch den Sprachgebrauch der Urgemeinde klar bezeugt, die nur von einem Kyrios redet, vom Herrn Jesus Christus. Der Heroldsruf, dass Christus der Sieger über alle geheimnisvollen Kräfte und dunklen Mächte ist, bedeutet die beherrschende Mitte dieser Untersuchung.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass in den letzten Jahren das Reden über okkulte und dämonische Dinge zu einer Zeitkrankheit, ja zu einer gewissen Sucht geworden ist.
Das letzte seelsorgerliche Ziel der Abhandlung ist, den Weg der Befreiung aus okkulter Behaftung zu weisen.
III. SEELSORGERLICHE FÄLLE AUS DEM GEBIET DES OKKULTISMUS IM BLICK AUF DAS ZIEL DER UNTERSUCHUNG
A. System der Darbietung der seelsorgerlichen Beispiele
1. Das Gebiet der okkulten Phänomene ist so mannigfaltig, dass eine Ordnung nach vereinheitlichenden Gesichtspunkten unerläßlich ist. Das einfachste Schema wäre eine alphabetische Reihenfolge der mehr als 20 Teilgebiete. Bei dieser Anordnung würden aber zusammengehörige Gebiete auseinandergerissen werden.
Wir kommen einen Schritt weiter, wenn wir fragen, um welche Probleme es bei den okkulten Phänomenen geht. Im wesentlichen handelt es sich bei den okkulten Vorgängen um zwei Bereiche: die Wissensfrage und die Machtfrage.
Es sind dies die beiden Grundprinzipien der Urversuchung in 1. Mose 3, 5: Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Frei übersetzt heißt das: Ihr werdet mächtig sein wie Gott und wissend.
Diese Urversuchung hat also den doppelten Inhalt: die Erhebung des Menschen zur Macht und zur letzten Schau der Dinge und beides mit einem antitheistischen Vorzeichen. Übertragen auf das okkulte Gebiet heißt das: Der Mensch löst sich aus der Bindung zum Schöpfer; er will die gottgesetzten Schranken durchbrechen und Verborgenes oder Zukünftiges ergründen. Es handelt sich hier also um die außersinnliche Wahrnehmung.
Der heimliche Hintergrund dieses Strebens nach okkultem Wissen ist die Gier nach Macht. Der Mensch will sich gegen Gott und gegen den Menschen behaupten und im Machtkampf die Oberhand gewinnen. . . . Damit haben sich durch eine einfache Überlegung drei Hauptgebiete herauskristallisiert:
a. Die außersinnliche Wahrnehmung (ASW)
b. Die außersinnliche Beeinflussung (ASB)
c. Die außersinnlichen Erscheinungen (ASE)
2. Der Aufbau der Einzelbeispiele
Eine seelsorgerliche Aussprache bei seelisch Angefochtenen vollzieht sich im allgemeinen in folgendem Rahmen:
Zuerst hat der Hilfesuchende das Wort. Er darf alles berichten, was ihn bewegt und seelisch belastet. Auf der Seite des Seelsorgers will da rechtes Hören gelernt sein. Zur Vervollständigung des Berichtes werden in geeigneter Form kurze Zwischenfragen gestellt. Bei der Darstellung des Hilfesuchenden hat der Seelsorger die erste Möglichkeit, einen Gesamteindruck von der Persönlichkeit des Berichtenden zu bekommen. … Diesem Bericht des Angefochtenen schließt sich der Versuch an, in behutsamem Vortasten eine Krankengeschichte zu erarbeiten. Zuerst folgt die eigene Anamnese: bisherige Krankheiten, organische Leiden, Neurosen usw. Auf seiten der Frauen spielt noch eine abnorme psychische Reaktion bei Menstruation, Gravidität, Klimakterium eine Rolle. Bei Männern ist die seelische Labilität bei Alkoholismus, perverser Sexualität, Klimakterium virile usw. zu beachten.
An die eigene Anamnese schließt sich die Familienanamnese an: Psychosen, Erbkrankheiten, Todesursachen, Selbstmordfälle bei Geschwistern und Vorfahren.
Nach Feststellung des medizinischen Befundes folgt eine Anamnese okkulter Beziehungen: Teilnahme an spiritistischen Sitzungen, Besuch bei Besprechern, Wahrsagern, Kartenlegern, Pendlern usw. Auch sind nicht nur die eigenen okkulten Erlebnisse, sondern auch die der Vorfahren von entscheidender Bedeutung. – Schon hier sei folgendes vorweggenommen: Ergibt sich aus der Anamnese, dass die Ursachen der seelischen Erkrankung medizinischer Art sind, dann wird der Angefochtene zwar aus dem Wort Gottes gestärkt, aber zur eigentlichen Behandlung dem Facharzt überwiesen. …
Weiter sei als kurze Vorbemerkung erwähnt, dass alle Beispiele, die aus der Seelsorge kommen, mit B1, B2, B3 usw. nummeriert werden. Alle Beispiele, die vergleichsweise aus der Literatur übernommen werden, sind mit E1, E2, E3 usw. bezeichnet.
B. Der Einblick in die seelische Not der okkulten Fälle
1. Die außersinnliche Wahrnehmung (ASW)
Der Spiritismus
Als erstes Teilgebiet soll der Spiritismus durch seelsorgerliche Beispiele beleuchtet werden. Es geht hier nicht darum, die Entstehung und die Geschichte des Spiritismus klarzustellen. Darüber haben schon viele Sachkenner Gründliches geschrieben. Die folgende Darstellung ist beherrscht von einem praktischen Anliegen der Seelsorge: die Folgen der Beschäftigung mit okkulten Dingen zu zeigen. Die klargefaßte Formulierung Prof. Tischners soll uns in medias res führen: „Der Spiritismus stellt eine geistige Bewegung dar, begründet auf der Überzeugung, dass die Menschen über bestimmte Personen, die ,Medien‘, mit den Verstorbenen in Verbindung treten und so Offenbarungen aus dem Jenseits erhalten können.“
Damit ist zugleich das Hauptmotiv für die Beteiligung an spiritistischen Sitzungen gekennzeichnet. Viele Menschen wünschen etwas über das Jenseits zu erfahren oder mit ihren verstorbenen Angehörigen oder Freunden in Verbindung zu treten. Wie die Verwirklichung dieses Zieles im einzelnen gesucht wird, soll an fünf Arten spiritistischer Praxis gezeigt werden.
a. Die Totenerscheinung
B 1 Bei einer Evangelisation kommt eine siebzigjährige Frau zur seelsorgerlichen Aussprache. Sie ist eine treue Kirchgängerin und seit 40 Jahren Mitglied einer lebendigen Gemeinschaft. Wie von anderer Seite bezeugt wurde, hat sie sich als Christin bewährt. Sie klagt über Schwermut, Selbstmordgedanken, Unlust zum Beten und Bibellesen. Sie fügt hinzu, sie habe das früher nie gehabt, auch nicht nach dem Tode ihres Mannes. Es drängen sich ihr ungewollt Gedanken auf, deren sie sich schäme. Die Frau bietet ihrer Konstitution nach das Bild einer kräftigen, gesunden Bauersfrau. Nur der etwas bekümmerte Gesichtsausdruck lässt auf seelische Konflikte schließen.
Zunächst wird durch Fragen festgestellt, ob die Hilfesuchende nicht an Alterserscheinungen, etwa an Arteriosklerose oder sonst einer organischen oder nervösen Erkrankung leidet. Nach negativem Bescheid wird noch nach Erbkrankheiten und Todesursachen der Eltern geforscht. Auch hier ergeben sich keine besonderen Anhaltspunkte.
Es folgt nun die Anamnese okkulter Betätigung. Auf eine diesbezügliche Frage gesteht die Frau, dass sie nicht wisse, was das sei. Nach einigen Erläuterungen kommt doch eine typisch okkulte Geschichte ans Licht, die in das Gebiet des Spiritismus gehört.
Die Frau erzählt, dass ihr Gatte ein Trinker und unchristlicher Mann gewesen sei. Da sie ihn aber trotzdem liebgehabt habe, sei sie nach seinem Tode um sein Ergehen in der Ewigkeit besorgt gewesen. Im Gebet habe sie daher Gott oft angefleht, Er möchte ihr im Traum ihren Mann erscheinen lassen.
Da erklärt ihr eines Tages eine fremde Frau, sie könne ihren Wunsch erfüllen. Sie möge sich abends bei ihr einfinden. Die Siebzigjährige kommt dieser Aufforderung nach. Nach verschiedenen frommen Zeremonien – so hat es wenigstens den Anschein – wird eine Wand des Zimmers hell erleuchtet. Im Lichtkreis kommt der verstorbene Mann mit einem fürchterlichen Gesichtsausdruck auf einem Ziegenbock reitend ihr entgegen. Die Frau erschrickt und verzichtet von da an auf den Wunsch, jemals wieder ihren Mann zu sehen.
Auf die Frage, ob ihre Schwermut vor oder nach diesem Erlebnis eingesetzt habe, bejaht die Patientin, dass kurz nach diesem seltsamen Erlebnis die Selbstmordgedanken und der Widerwille gegen das Wort Gottes eingesetzt haben. Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung, dass es sich bei jener fremden Frau, welche die Totenerscheinung „inszenierte“, um die berüchtigte Leiterin eines spiritistischen Zirkels handelt. Sie ist mit ihrer unheilvollen Tätigkeit dem Autor seit 22 Jahren gut bekannt.
Dieses Beispiel wird an dieser Stelle noch nicht voll ausgewertet. Es werden lediglich die Probleme angedeutet, um die es hier geht.
Den Mediziner interessieren hier im wesentlichen vier Fragen: Haben die psychischen Störungen der Frau eine organische Erkrankung als Ursache?
Oder handelt es sich um eine reaktive, psychogene Depression mit dem schweren Erlebnis bei der Spiritistin als Anstoß?
Könnte nicht die Totenerscheinung einfach eine Halluzination sein?
Ist die Koinzidenz (Zusammentreffen zweier Ereignisse) der seelischen Erkrankung mit jener Totenerscheinung real oder imaginär?
Den Parapsychologen wiederum interessieren im wesentlichen drei Fragen:
Ist auf die Totenerscheinung die Betrugshypothese anzuwenden?
Ist dieses Phänomen die Auswirkung einer Hypnose oder Suggestion?
Gilt hier vielleicht sogar die spiritistische Hypothese?
Den Seelsorger interessieren neben den medizinischen und parapsychologischen Problemen die Fragen nach den Folgen okkulter Betätigung und nach dem Weg seelsorgerlicher Hilfe.
Bei diesem Kreis der verschiedenen Fragen muss in diesem Kapitel folgendes festgehalten werden: Die Siebzigjährige nahm nach erfolglosem Beten die Hilfe einer Spiritistin in Anspruch, ohne zu ahnen, dass sie „die Geister, die sie rief, nicht mehr loswerden“ sollte. Als Folgen dieses okkulten Erlebnisses stellten sich hinterher Störungen des seelischen Lebens und ihrer religiösen Haltung ein. Die anderen hier auftauchenden Probleme werden in späteren Kapiteln gesondert untersucht.
b. Das Glasrücken
B 2 Bei einer Bibelwoche berichtete ein Reichgottesarbeiter, ein Akademiker, folgendes Erlebnis: Der Wunsch nach der Erforschung der spiritistischen Phänomene führte ihn zur Teilnahme an Séance. Die Glieder des Zirkels saßen um einen Tisch, auf dem ein großes Alphabet auslag. Die Buchstaben waren mit einer Glasplatte abgedeckt, auf der ein Likörgläschen stand. Nach der Eröffnung der Sitzung mit einem philosophisch-religiösen Gebetswunsch wurde ein Geist zitiert. Die Anwesenden richteten dann an den unsichtbar gegenwärtigen Geist Fragen, die damit beantwortet wurden, dass das Likörgläschen auf dem Alphabet tanzte und auf einzelnen Buchstaben stehen blieb. Die zusammengeschriebenen Buchstaben ergaben die Antwort auf die gestellten Fragen.
Der Berichterstatter mühte sich zunächst um die Feststellung, welche Energiequelle hinter den einzelnen Bewegungen des Gläschens stand. Seine Untersuchung führte in vielen Sitzungen zu keinem Erfolg. Er befand sich zuletzt vor der Alternative, entweder mit der Geisterhypothese oder mit dem wesentlich verständlicheren Phänomen der Telekinese zu rechnen.
Die Teilnahme an diesen spiritistischen Sitzungen, die lediglich dem Studium der okkulten Phänomene dienen sollte, hatte bei dem Experimentator schwerwiegende Folgen. Das Interesse für das Wort Gottes schwand. Wenn er am Sonntag den Gottesdienst halten sollte, stellten sich merkwürdige seelische Anfechtungen ein. Es galt immer einen furchtbaren inneren Widerstand niederzuringen, wenn er den Altar oder die Kanzel betreten wollte. Diese Anfechtungen steigerten sich so sehr, dass diesem Mann zuletzt nichts mehr anderes übrig blieb, als bei der Kirchenbehörde um seine Entlassung zu bitten, die ihm ungern gewährt wurde.
Nach der medizinischen Seite hin ergab sich bei diesem Akademiker kein Anhaltspunkt für seine seelischen Störungen. Er war in seinem Leben selten krank. Nerven- oder Gemütskrankheiten lagen nicht vor. Nach seiner Entlassung aus dem Kirchendienst ergriff er einen anderen Beruf, dem er jetzt noch ohne Hemmungen nachgehen kann. …
In seelsorgerlicher Hinsicht geht es in erster Linie um die Auswirkungen der okkulten Betätigung in der seelischen Verfassung des Experimentators: die totale Abstumpfung gegen das Wort Gottes und die unerklärlichen Anfälle, wenn er in der Kirche seines Amtes walten wollte.
B 3 Eine zweite Art von Glasrücken bringt neue Momente in die Diskussion. Eine junge Frau pflegte privatim das „Gläseln“ auf einer mit Buchstaben versehenen kreisrunden Scheibe. Sie wollte damit für alle Entscheidungen und Fragen, ganz gleich welcher Art sie sein mochten, Klarheit schaffen. Diese private Praxis entwickelte sie aus den in spiritistischen Sitzungen gesammelten Erfahrungen. Das Besondere war, dass die junge Frau der Meinung war, sie könne sogar große Persönlichkeiten wie Luther, ja sogar Paulus und Christus aus dem Jenseits rufen. Sie pflegte das Glasrücken mit Gebet einzuleiten und war von der Religiosität ihres Treibens überzeugt. Im Dorf galt sie als treue Kirchgängerin. Gelegentlich beriet sie auch Bekannte mit Hilfe ihrer magischen Scheibe. Sie benutzte dabei als geläufige Redewendung die Formel: „Warte, ich will mal den Heiland fragen.“
Dieser Spiritistin war eine nur kurze Lebensdauer beschert. Im besten Alter wurde sie unerwartet krank. Sie ahnte ihr bevorstehendes Ende und redete davon, dass der Heiland sie holen würde. Eine im Sterbezimmer anwesende Hausgenossin berichtete von den letzten Augenblicken der Hinscheidenden. Die Sterbende äußerte in der Agonie plötzlich: „Jetzt holt mich der Heiland.“ Sie blickte gespannt zum Fenster hin. Die Augenstellung verriet das Näherkommen eines Unsichtbaren. Da veränderte sich schlagartig der Gesichtsausdruck zu einer angsterfüllten Grimasse, und mit einem Angstruf verschied sie. Es war nach dem Bericht der Augenzeugin eine Szene, als ob die Sterbende im Augenblick des Abscheidens von einem Wahn zu einer schrecklichen Wirklichkeit erwacht wäre.
In seelsorgerlicher Hinsicht treten hier Momente hervor, die sich bei sehr vielen okkulten Fällen wiederholen: Die Frau übte unter christlichem Gewand eine spiritistische Praxis aus. Vermutlich war sie sogar selbst von der „Christlichkeit“ ihres Handelns überzeugt. Erst vor dem Tor der Ewigkeit zerriß dieser Schleier frommen Irrwahns.
Der Mediziner wird einwenden, dass der plötzliche Umschwung im Gesichtsausdruck und der Wehruf nicht auf die religiöse Einstellung oder auf die okkulte Betätigung zurückzuführen sei, sondern auf die Agonie, auf das letzte Aufbäumen körperlicher Funktionen.
Der Parapsychologe ist desinteressiert an der ethischen Bewertung okkulter Phänomene. Ihn beschäftigt lediglich das Experiment des Glasrückens, ob hier das Phänomen des Hellsehens, des „Geisterverkehrs“ oder sonst eine Form der außersinnlichen Wahrnehmung in Frage kommt, abgesehen davon, dass es auch genug Fälle groben Schwindels und Geldmacherei gibt.
Wenn auch hier die verschiedenen Probleme nicht zur Darstellung kommen, so muss doch der doppelte Befund festgehalten werden: Die spiritistischen Manipulationen geschahen unter frommem Deckmantel. Die Ausübende erlebte einen sehr schweren, unheimlichen Todeskampf, ein Symptom, das sich bei okkulter Betätigung in allen mir bekannten Fällen einstellte. Beachtet darf werden, dass Prof. Bender, ein Fachmann auf dem Gebiet des Glasrückens, vor diesem psychischen Automatismus ausdrücklich warnt.
c. Das Tischrücken
Die okkulte Literatur ist voll von Beispielen über das Tischrücken. . . . Zu den besten Echtheitsbeweisen gehören die Sitzungen des Physikers Prof. Zöllner mit dem amerikanischen Spiritisten Dr. med. Slade.
Slades Levitationsphänomene und Apporte erregten größtes Erstaunen und konnten trotz bester Kontrollierungsmaßregeln nicht als Schwindel entlarvt oder rational erklärt werden. Wie bei allen Beispielen dieser Untersuchung geht es hier nicht darum, das Phänomen der Levitation zu untersuchen, sondern nur die psychischen Verwirrungen aufzuzeigen, die sich im Gefolge okkulter Betätigung einstellten.
B 4 Eine gebildete Dame aus gutem, christlichem Hause berichtete in der Aussprache folgendes Erlebnis: Sie erhielt eines Tages von dem Rektor der städtischen Schule eine Einladung zu einem gesellschaftlichen Abend. Ahnungslos nahm sie die Einladung an. Es war ein Kreis von etwa sieben Personen im Hause des Rektors zusammen. Nach dem Essen schlug der Hausherr ein unterhaltendes Gesellschaftsspiel vor. Die Gäste wurden aufgefordert, mit den gespreizten Fingern eine Kette zu bilden und die Hände etwa 15 cm über die Tischplatte zu halten. Nachdem dieser Aufforderung nachgekommen war und die Sitzenden gespannt warteten, was kommen sollte, äußerte der Rektor: „Es ist ein Nichtleiter dabei.“ Eine Person wurde ausgeschieden, die sich neben die Gruppe der Teilnehmer setzte und alles mit ansehen durfte.
Nach der Ausscheidung dieses Nichtleiters spürten die Teilnehmer ein prickelndes Gefühl in den Fingern, wie wenn ein Schwachstrom durch die Kette der Hände liefe. Dem Experiment stand jetzt nichts mehr im Wege. Es wurde den Teilnehmern erklärt, dass ein Verstorbener zitiert würde, der ihre Fragen beantworten sollte. Das Erscheinen des Verstorbenen gab sich durch Klopfzeichen kund. Und nun setzte ein Frage und Antwort Spiel ein. Schließlich bat einer der Anwesenden, der Geist möchte doch seinen Namen klopfen. Die Antwort folgte unverzüglich. Da rief einer der Teilnehmer aus: „Den habe ich gekannt, der hat sich vor 20 Jahren aufgehängt!“
So verlief der Abend bei diesem seltsamen Gesellschaftsspiel. Die Berichterstatterin ging mit merkwürdigen Eindrücken nach Hause. Bevor sie sich zur Ruhe begab, griff sie, wie seit langen Jahren gewohnt, nach ihrer Bibel, um das Wort Gottes zu lesen und zu beten. Im gleichen Augenblick spürte sie einen heftigen Widerstand gegen die Bibel und empfand an der Kehle einen unerklärlichen Druck, so dass sie kein Gebet über die Lippen brachte. Bei einer seitlichen Kopfbewegung sah sie gleichzeitig zwei weiße Gestalten mit einem dämonischen Blick am Kopfende ihres Bettes stehen. Sie stieß einen Angstschrei aus, auf den sofort ihre Schwester herbeieilte. Ihre Furcht war so groß, dass die Schwester bei brennendem Licht in ihrem Zimmer schlafen musste. Diese Anfechtung dauerte viele Nächte. Erst nach einem halben Jahr waren die Auswirkungen jenes spiritistischen Abends verschwunden, und sie konnte wieder wie früher ihre Bibel lesen und beten. . . .
. . . Der Seelsorger hat trotz der Kenntnis der medizinischen und psychologischen Fragen, die hier auftauchen, noch ein entscheidendes Wort mitzureden. Das Problem, ob die Levitation des Tisches und die Klopfzeichen Betrug oder Psychokinese oder ein spiritistisches Phänomen darstellen, interessiert ihn zunächst wenig, wenn er den empirischen Befund einer notvollen seelischen Anfechtung vor Augen hat. Da die berichtende Dame vor jener verhängnisvollen Séance körperlich und seelisch gesund war und auch ein halbes Jahr nach jenem Erlebnis ihre seelische Stabilität wiedererlangte und seither – seit 18 Jahren – nicht mehr verlor, so liegt für den Seelsorger der Schluß sehr nahe, dass jene spiritistische Sitzung diese psychischen Störungen hervorrief. Dem Seelsorger genügen solche Erfahrungen – zumal, wenn sie in Hunderten von Fällen vorliegen -, um vor jeder Teilnahme an spiritistischen Sitzungen zu warnen. Ferner weist die sich in allen Fällen wiederholende und akut eintretende Resistenz gegen das Wort Gottes und Gebet – soweit die Teilnehmer überzeugte Christen sind – noch auf einen anderen als nur psychischen Sachverhalt hin. Ein weiteres Beispiel soll die Auswirkungen des Tischrückens unterstreichen und ein neues Moment spiritistischer Praxis beleuchten.
B 5 Eine ältere Hausangestellte kommt zur Aussprache. Sie klagt über verschiedene seelische Nöte, wie Schwermut, Lebensüberdruß, Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus. Sie bekommt Anwandlungen zu Jähzorn und Neigung zu Tobsuchtsanfällen. Wenn sie beten hört, möchte sie davonlaufen, oder sie hält sich die Ohren zu und schließt die Augen. In der Gegenwart von gläubigen Christen ekelt sie alles an. Sie fühlt sich vom Wort Gottes abgestoßen. Sie spürt den Trieb in sich, alles zu zerschlagen und zu zerreißen. – Äußerlich geht es ihr gut. Sie lebt im Ausland bei einer Herrschaft in wohlhabenden Verhältnissen. Sie hat die Möglichkeit, sich gut zu verheiraten. Doch sie weiß nicht, ob sie den Bewerber mit ihrer schwermütigen Art unglücklich machen soll.
Die erste Frage, ob die Entscheidung der Verheiratung die seelischen Konflikte bei ihr ausgelöst habe, verneint sie. Einige Fragen nach bisher durchstandenen Krankheiten fördert außer geringfügigen Katarrhen nichts zutage.
Nun folgt die Anamnese okkulter Beziehungen. Zunächst zeigt sie sich bei der Frage nach okkulter Betätigung unwissend. Es bleibt nichts anderes übrig, als ihr den ganzen okkulten Katalog aufzuzählen. Sie staunt, als das Stichwort „Tischrücken“ fällt. Sie erzählt, dass sie das jahrelang geübt und für nichts Schlimmes angesehen habe. Die Dame ihres Hauses habe sie oft zu einer Gesellschaft mitgenommen, in der unter frommen Zeremonien das Tischrücken gepflegt worden sei. Eines Tages, als sie vor einer schweren Entscheidung gestanden habe, sei ihr in den Sinn gekommen, das Tischrücken privatim zu probieren. Es entwickelte sich dann nach diesem Erlebnisbericht folgendes Experiment:
Das Mädchen stellt ein Ziertischchen vor sich hin, gebraucht den gleichen frommen Spruch, den sie in der Gesellschaft gehört hat; nur der zweite Spruch ist ihr nicht mehr in Erinnerung. Das Tischchen rührt sich nicht. Da flucht sie: „Wenn nicht in Gottes Namen, dann eben in des Teufels Namen!“ Daraufhin fängt das Tischchen zu klopfen an. Dieses Erlebnis ist für das Mädchen der Start zu der jahrelangen Gepflogenheit des Tischrückens. Auf entsprechende Fragen wird noch einmal folgendes klargestellt:
Sie pflegte jahrelang das Tischrücken ganz privatim für sich. Andere Menschen beriet sie mit ihrem Tischchen nicht. Sie ließ sich in allen wichtigen Fragen und Entscheidungen vom Tischchen beraten, das bei der Antwort „Ja“ sich vor ihr verbeugte und bei „Nein“ sich seitwärts neigte. Das Zimmer wurde bei dieser Praxis nie verdunkelt. . . .
Mit welcher Hypothese man dieses Phänomen der Levitation auch erklären will, eines steht für den Seelsorger bei einer Häufung derartiger Beispiele fest, dass die aktive oder passive Teilnahme an spiritistischen Experimenten in der seelischen Struktur des Teilnehmers Spaltungen und Verkrampfungen produziert und die religiöse Haltung des Menschen antichristlich fixiert. Diese letzte These wird bei den Spiritisten viel Widerspruch hervorrufen; es muss daher in einem späteren Abschnitt darauf zurückgekommen werden.
E 1 In der Frage des Tischrückens darf aus der Literatur ein Beispiel eingefügt werden, da in der spiritistischen Praxis nicht nur die Levitation – das einfache Hochheben – des Tisches und das Klopfen bekannt sind, sondern auch das Wegrücken, das Hüpfen und Fliegen des Tisches beobachtet wurde.
Martensen Larsen berichtet von dem Physiker Barret, der dem Phänomen der Telekinese mit Skepsis gegenüberstand. Um so mehr ist zu bewerten, dass er seine Zweifel durch eine Reihe von Erlebnissen überwand. Eines schilderte der Physiker mit folgenden Worten: „Ich hatte Gelegenheit, eine Sitzung … abzuhalten. Das Zimmer war ganz erhellt, und nachdem verschiedene Klopflaute eine Mitteilung hervorbuchstabiert hatten, kam ein kleiner Tisch, den niemand berührte, über den Fußboden auf mich zugehüpft, bis er mich ganz in meinen Lehnstuhl einschloss. Es fanden sich keine Drähte oder Leitungen oder sonst Gründe für die Bewegung des Tisches vor.“
E 2 Die letzte Überspitzung dieses Phänomens des Tischrückens wurde in mündlichen Berichten von Forschern und Missionaren aus Tibet berichtet, die einstimmig bezeugen, dass viele Priester des Taschi Lama über enorme okkulte Fähigkeiten verfügen und kleine Tischchen bis zu 30 m durch die Luft fliegen lassen können. Vor allem sind die sogenannten Rotmützenmönche Experten der Telekinese, Levitation, Materialisation und der Schwarzen Magie. Eine Kontrolle dieser phantastisch anmutenden Berichte, die von den Forschern aus Tibet wiedergegeben werden, ist nicht möglich. Als Argument für die Wahrscheinlichkeit und Echtheit spricht lediglich die Tatsache, dass diese Berichte in das weltanschauliche Gesamtbild Tibets passen, das nach der Meinung der Forschungsreisenden und der Missionare unter allen Völkern und Ländern der Erde die erste Hochburg des Okkultismus ist.
Wenn sich bei diesen Beispielen aus der Literatur und der geokulturellen Sicht auch keine psychologische oder einzelseelsorgerliche Untersuchung durchführen lässt, so ist das Tibetbeispiel doch nicht ganz ohne Ausbeute. Tatsache ist, dass Tibet allen christlichen Missionierungsversuchen am längsten von allen Ländern getrotzt hat. Die Missionare wurden bis in die jüngste Vergangenheit getötet; so wahrscheinlich auch der indische Missionar Sadhu Sundar Singh. Erst 1934 haben christliche chinesische Flüchtlinge das Evangelium nach Tibet hineingetragen. Und erst 1946 bekam Tibet die Bibel. Es ergibt sich hier also religionsgeschichtlich die interessante Perspektive, dass die okkulte Betätigung und der Fortschritt der christlichen Mission sich umgekehrt proportional verhalten. Selbstverständlich ist diese Feststellung durch ein Beispiel nicht genügend erhärtet. Sie passt aber doch in das System der in den übrigen Beispielen entwickelten Gedanken. Vor allem wird diese These durch die Berichte der Missionare von China und Indien bestätigt.
d. Das Trancereden
Unter diesem Phänomen versteht man einen somnambulen Zustand, in den die Medien durch Autohypnose oder Fremdhypnose versetzt werden. Die Spiritisten sind der Meinung, dass sie mit Hilfe dieser Sprechmedien Botschaften von Verstorbenen erhalten können. Um die Auswirkungen des Tranceredens zu zeigen, sollen hier drei Beispiele aus der seelsorgerlichen Praxis folgen.
B 6 Bei einem Fahrradhändler wurde ein Einbruch verübt und viel Fahrradzubehör entwendet. Der geschädigte Geschäftsmann meldete den Diebstahl der Polizei. Darüber hinaus beauftragte er den Leiter eines spiritistischen Zirkels, in dem betroffenen Geschäft eine Séance abzuhalten, um durch ein Sprechmedium mit Hilfe der „Geister“ den Täter beschreiben zu lassen. Die Sitzung fand im Beisein von sechs Personen statt. Das Medium beschrieb den Täter, und man bekam dadurch auf einen verschuldeten Arbeiter starken Verdacht.
Ganz abgesehen von dem zweifelhaften Charakter eines solchen Fahndungsdienstes hatte diese Sitzung ein merkwürdiges seelsorgerliches Nachspiel. Zwei beteiligte, christliche Personen dieser Sitzung, ein Mann und eine Frau, kamen zur Aussprache und klagten wieder wie bei allen anderen Fällen über Schwermut, Lebensüberdruß und Beobachtung von Spukerscheinungen.
B 7 Ein Pfarrer berichtete mir von einem Sterbebett folgendes Erlebnis: Der Leiter einer kirchlichen Gemeinschaft lag im Sterben. Der angesehene Mann erlebte einen furchtbaren Todeskampf. Im Haus und im Garten rumorte, rasselte und krachte es so unheimlich, als ob die Hölle los wäre. Der Ortsgeistliche, der zur Stärkung des Angefochtenen geholt wurde, erzählte nach dem Tod des Mannes: „Da sieht man, dass auch gläubige Menschen auf dem Sterbebett schwer angefochten werden können.“ Diese Aussage des Pfarrers soll keineswegs bestritten werden. Nur muss zur Vervollständigung hinzugefügt werden, dass mir seit 20 Jahren bekannt ist, dass in dem Hause des Gemeinschaftsleiters mit einem Sprechmedium spiritistische Sitzungen abgehalten wurden. Von dieser Tatsache hat der herbeigerufene Ortsgeistliche nichts gewußt. …
B 8 Ein für die Untersuchung ergiebiges Beispiel, das durch ergänzende Berichte von drei Personen, die mir alle drei gut bekannt sind, bezeugt ist, soll neue Gesichtspunkte deutlich machen. In dem zweiten Stockwerk eines Hauses fanden regelmäßig spiritistische Sitzungen mit einem Sprechmedium statt. Die Hausgenossin des 1. Stockwerkes, eine christliche Frau, wurde bald auf dieses Treiben aufmerksam. Es war ihr an den betreffenden Abenden immer so unheimlich zumute. Als diese Spiritisten wieder einmal zusammen waren, ging diese Frau in ihrem Zimmer auf die Knie und betete, Gott möchte doch diesen Männern Einhalt gebieten. Während sie im Gebet verharrte, hörte sie, wie oben ein Tumult entstand, Stühle umgeworfen wurden und ein Mann die Treppe herunterstürmte. Sie vernahm, wie er sich auf sein Motorrad setzte und lossauste. Nach etwa 30 Minuten kam der Motorradfahrer mit einem Soziusfahrer zurück. Wie hinterher durch Mitglieder der Sitzung bekannt wurde, hörte das Medium, während die Frau betete, mit dem Trancereden auf und blieb in tiefer Bewußtlosigkeit. Dem leitenden Spiritisten gelang es nicht, das Medium aus dem Trancezustand zu erwecken. Darum fuhr er in ein Nachbardorf und holte einen zweiten spiritistischen Leiter. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen dann, das Medium ins Bewußtsein zurückzurufen.
Als Ergänzung folgt nun der Bericht über den Organisator dieser Sitzung. Im besten Mannesalter von nur 40 Jahren wurde er schwer krank und starb einen qualvollen Tod. Einige Tage vor seinem Hinscheiden schrie er laut vor Schmerzen, dass die Nachbarschaft es hörte. Weiteren Einblick in diesen Zirkel erhielt ich durch Angaben des leitenden Spiritisten selbst. Nach dem Tode seiner Frau war er so erschüttert, dass er eine Zeitlang für das Wort Gottes aufgeschlossen war und ein neues Leben beginnen wollte. Er gestand in dieser Zeit, dass seine Frau, die er oft als Medium benutzt hatte, durch sein Experimentieren erblindete. Er wusste um die Dämonie seines Treibens. Tagelang rang er mit seelsorgerlicher Hilfe um einen Durchbruch aus dem spiritistischen Irrgarten. Aber er war wie mit ehernen Ketten gebunden und fiel bald in sein früheres Leben zurück.
Das vorliegende Beispiel tiefenpsychologisch und parapsychologisch zu untersuchen bringt wenig Klärung in den Vorgang. Es sollen lediglich die Gesichtspunkte der seelsorgerlichen Arbeit deutlich gemacht werden: Der Christ kann mit Gebet und Glauben wirksam dem okkulten Treiben entgegentreten. Das ist eine Erfahrungstatsache der Reichgottesarbeit. Das furchtbare Ende des spiritistischen Managers ist nicht der Ausdruck einer naiven, mystischen Schwarzweißmalerei, sondern eine stets beobachtete Erfahrung. Das vorliegende Beispiel paßt in dieser Hinsicht in den Rahmen von B3 (S. 22) und B7 (S. 26). Die Erblindung des Mediums ist in der okkulten Praxis kein seltenes Phänomen. In seelsorgerlichen Aussprachen mit Okkulten tritt das gelegentlich immer wieder in den Vordergrund. Der ergebnislose Kampf um einen religiösen Durchbruch des Spiritisten zeigt, wie okkulte Betätigung eine seelische Hörigkeit schafft. Menschen mit solcher Behaftung können sich nur sehr schwer für Jesus Christus entscheiden.
e. Das automatische Schreiben
Medial Veranlagte können im Wachzustand oder in Trance unter Ausschaltung bewußter Überlegung Sätze, Worte oder Buchstaben niederschreiben, die von den Spiritisten für Botschaften aus dem Jenseits gehalten, von vielen Parapsychologen aber als motorischer Automatismus angesehen werden. Da mir aus der Seelsorge kein markantes Beispiel zur Verfügung steht, soll eines aus der Literatur genommen werden. Tischner, der als Parapsychologe nur die okkulten Phänomene untersucht, ohne im geringsten an der seelsorgerlichen Fragestellung interessiert zu sein, bringt in seinem 1950 herausgekommenen Werk Beispiele, die dem Seelsorger von großer Wichtigkeit sind. Eines davon soll hier wiedergegeben werden. Er schreibt:
E 3 „Es ist davor zu warnen, sich dieser reizvollen Beschäftigung (= automatisches Schreiben) rückhaltlos hinzugeben! Am besten ist es, sich durch einen Fachmann beraten zu lassen, der darauf dringen wird, von vornherein die Angelegenheit mit Maß zu betreiben und nicht jedem Wunsch und Drängen nachzugeben, andernfalls kann es bald dazu kommen, dass man selbst nicht mehr der Herr im eigenen Körper ist, sondern Diener, ja Sklave, der gehorchen muss, wenn nicht Unangenehmes geschehen soll. So erlebte ich es einmal, dass eine Dame, die viel automatisch schrieb, in einem Kaffeehaus den Trieb dazu verspürte und dann, als ihr Mann sagte, das gehe hier nicht, die Hand automatisch auf dem Marmortisch laut zu trommeln anfing, so dass die Umgebung aufmerksam wurde und wir fluchtartig den Raum verlassen mussten.
Tischner ist also selbst Zeuge dafür, dass der Mensch durch okkulte Betätigung in Gefahr kommt, die Herrschaft über sich zu verlieren. Hier muss also der religiös uninteressierte Fachmann in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler dem Seelsorger bestätigen, dass okkulte Betätigung die geschlossene seelische Struktur des Menschen aufspaltet. Okkulte Betätigung bedeutet eine Energieaufladung, welche die Stabilität der psychischen Verfassung des Menschen sprengt. Tischner’s Beobachtung wird von dem Psychiater Albert Moll bestätigt. Moll schreibt: „Etwas wesentlich anderes stellen die gesundheitlichen Gefahren des Okkultismus dar. Ich weise auf die Tatsache hin, dass schon beim automatischen Schreiben, wenn es bei krankhaften Personen geübt und ausgebildet wird, schwere Persönlichkeitsspaltungen beobachtet werden. Auch ich habe Fälle dieser Art gesehen, wo die anfangs ganz schwache Persönlichkeitsspaltung durch das automatische Schreiben so gesteigert wurde, dass schließlich geradezu eine Krankheit der Persönlichkeit auftrat … Ich habe wiederholt starke krankhafte Beeinflussung als Folge gesehen.“ . . .
Die Hyperästhesie
Die Überempfindlichkeit der Sinne ist ein Phänomen, dem neuere Psychologen und Parapsychologen weitgehend Beachtung schenken. … In der Seelsorge interessiert in erster Linie das Bild der psychischen Verfassung des mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestatteten Menschen. Die in der Seelsorge mir zugegangenen Beispiele werden unter vier Gruppen besprochen.
a. Der Wahrtraum
In der Wertbemessung der Träume gehen in der medizinischen Wissenschaft die Meinungen auseinander. Viele Psychologen sehen in den Erwachsenenträumen nur eine Summe von ungereimten Bildern und verworrenen Bruchstücken von Begebenheiten. Andere dagegen sehen in den Träumen wertvolle Brücken zur Entschlüsselung der unterbewussten Vorgänge des Seelenlebens. … Tiefenpsychologen sehen in dem Erwachsenentraum eine Kombination von „Tagesrest“ und „Kindheitswünschen“. …
Im Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Untersuchung tritt das Problem der Traumdeutung zugunsten der Behandlung eines seelsorgerlichen Anliegens zurück: Gibt es eine spezielle notvolle Beziehung zwischen der Hyperästhesie und der psychischen Verfassung des Menschen? Zur Erhellung dieser Frage werden hier Beispiele von Wahrträumen angeführt.
B 9 Eine Schweizerin erzählt in der Aussprache, wie sie eines Nachts im Traum einen Großbrand sieht. Sie kann sich viele Einzelheiten des Brandplatzes einprägen. Nach der Brandnacht bringen die Tageszeitungen Bildberichte über das Großfeuer, die mit den in dem Wahrtraum gemachten Beobachtungen haargenau übereinstimmen. Wohnort des Mädchens und Brandort liegen fast 200 km auseinander.
Den Parapsychologen interessiert die Frage, wie diese außersinnliche Übermittlung des aktuellen Ereignisses funktioniert. …
Den Seelsorger beschäftigt die Frage, ob das Mädchen im Zusammenhang mit dem Wahrtraum irgendwelche psychischen Störungen erlebt hat. Der vorliegende Fall ist in dieser Hinsicht ohne Befund.
B 11 Ein junger Mann, der mir von Kind auf bekannt ist, wurde in das Krankenhaus zur Operation eingeliefert. In der Nacht nach der Operation schrie er plötzlich so laut, dass alle Kranken im gleichen Zimmer aufwachten. Er stöhnte laut und rief mehrmals: „Ich will nicht sterben!“ Am Morgen fragte ihn ein Zimmergenosse nach der Ursache seines Rufens. Der Angeredete erzählte, wie er träumte, vier schwarze Männer hätten ihn in einen Sarg legen wollen. Nach seinem heftigen Widerstand wäre plötzlich eine weiße Gestalt erschienen, die ihm eröffnete, dass er noch ein halbes Jahr zu leben hätte. Er sollte sich besinnen und umkehren. Daraufhin wären die vier unheimlichen Männer verschwunden. Soweit geht der eigene Bericht des Betroffenen. Den zweiten Teil des Erlebnisses berichtete seine Schwester. Ganz überraschend schnell heilte die Operationsnarbe. Das schwere Traumerlebnis blieb nicht ohne Wirkung. Dem jungen Mann wurde es geschenkt, ein neues Leben in der Gottesfurcht anzufangen. Nach einem halben Jahr musste die Operation wiederholt werden. Der Chefarzt sagte dem Patienten: „Sie werden es gewiß wieder überstehen. Es sind keine Komplikationen zu befürchten.“ Der Patient widersprach und erwiderte: „Ich sterbe heute nacht.“ Der Arzt lachte ihn aus. In der Nacht verlangte der Patient seinen gläubigen Schwiegervater, der mit ihm betete. In der gleichen Nacht starb der Mann, genau ein halbes Jahr nach jener Traumankündigung.
Der Psychologe wird diesen Traum als Resultante aus den beiden Komponenten Todesangst und Schuldbewußtsein darstellen. …
Schwieriger wird dann die Deutung der religiösen Wandlung des Mannes und der Erfüllung des Traumes sechs Monate danach, wenn nur psychologische Maßstäbe angelegt werden sollen. …
In dem vorliegenden Fall wird man mit psychologischen Kategorien dem Traumgeschehen und der religiösen Erneuerung des Mannes nicht gerecht. Das kurze halbe Jahr offenbarte den Charakter einer tiefgehenden Wendung, so dass auch die Familienangehörigen durch ihn gesegnet und zur Nachfolge Jesu Christi angespornt wurden. Diese drei Beispiele, die sich um viele vermehren ließen, zeigen, dass solche Spontanerlebnisse keine Spuren okkulter Behaftung im Seelenleben zurücklassen.
b. Die Telepathie
Mit Telepathie wird das Phänomen bezeichnet, dass „Wissen ohne die Zuhilfenahme der Sinne erlangt werden kann“. Man unterscheidet Gedankensenden, Gedankenlesen, … weiter die psychometrische Telepathie, bei der „medial begabte Personen an Hand eines Gegenstandes paranormale Angaben über seinen Besitzer machen“. Wie bei allen parapsychologischen Phänomenen interessieren hier nicht die telepathischen Experimente, sondern die Personen mit telepathischen Fähigkeiten. Wenn hierin nach seelsorgerlichen Gesichtspunkten gegliedert werden soll, so sollen die Spontanerlebnisse und die telepathischen Experimente unterschieden werden. Zunächst folgt eine Reihe von Spontanerlebnissen.
B 12 Ein evangelischer Pfarrer sah während des Krieges plötzlich seinen Sohn, der an der Ostfront kämpfte, in seinem Blute vor sich liegen. Der Vater dachte sofort, dass dem Sohn etwas passiert wäre. Nach drei Wochen kam dann die Todesnachricht. Todestag und Stunde stimmten mit der visionellen Erscheinung überein.
B 13 Ein katholischer Priester sah nachts seinen Vater, der ihm erklärte, er wäre soeben gestorben. Der Priester schaute auf die Uhr und merkte sich die Zeit. Am nächsten Tag kam das Todestelegramm. Die Todesstunde stimmte zeitlich mit dem nächtlichen Erlebnis überein.
B 14 Eine Missionsschwester war in ihrem Zimmer im Gebet versunken. Da ging die Tür auf, und ihr Bruder, der an der Westfront weilte, trat ein. Die Schwester rief ihn an: „Na, Herrmann, hast du Urlaub?“ Bei dieser Frage verschwand die Gestalt. Einige Zeit später kam die Todesnachricht. Todestag und Stunde stimmten mit dem Erlebnis überein.
B 15 Ein evangelischer Pfarrer ging zu Dienstgeschäften weg. Zehn Minuten vom Haus entfernt packte ihn eine große Unruhe. Er kehrte um und strebte seiner Wohnung zu. Da bemerkte er zu seinem Entsetzen, dass sein fünfjähriger Sohn auf dem Dach des hohen Hauses herumturnte. Der Junge wollte da oben Kaminfeger spielen. Der Vater konnte das Kind aus seiner gefahrvollen Lage retten.
B 16 Eine seltsame und sehr prägnante Form von Telepathie wurde mir in der Schweiz bei einer Aussprache berichtet. Eine Missionarsfrau wohnte in dem Vorort einer Großstadt. Ein ihr befreundeter, christlicher Mann besorgte ihr in der Stadt oft die Einkäufe, ohne dass er die Missionarsfrau vorher fragte, was sie benötigte. Sie war jedesmal überrascht, wie er alle Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände brachte, an die sie beim Hantieren in der Küche gedacht hatte. Dieser Mann und die Missionarsfrau haben beide eine mediale Veranlagung. Sie gaben auch sonst Beweise für übersinnliche Fähigkeiten.
E 4 Ein charakteristisches, historisches Beispiel steht in Jung-Stillings Geisterkunde. König August II. von Polen war mit König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und seinem Feldmarschall von Grumbkow befreundet. Am 1. Febr. 1733 um 3 Uhr bemerkte von Grumbkow plötzlich bei dem Schein der Nachtlampe, dass die Gestalt König Augusts sein Schlafzimmer betrat und die Bettvorhänge öffnete. König August sagte dem erstaunten Grumbkow: „Mon cher Grumbkow! Je viens de mourir ce moment à Varsovie“. Der Feldmarschall schrieb den Vorfall sofort nieder und sorgte für die Verständigung des preußischen Königs. 46 Stunden später kam der Meldereiter von Warschau, der die Nachricht vom Tode des polnischen Königs überbrachte. Das nächtliche Erlebnis und die Todesstunde stimmten genau überein.
Wenn die fünf eigenen Beispiele nun kurz zusammengefasst untersucht werden, so könnte man B 12 – B 14 unter die Rubrik „Gedankensenden“ nehmen. Die sterbenden Menschen haben in der Todesstunde an ihre Lieben gedacht und ihnen einen letzten Gruß gesandt. B15 wäre zur Not ein Beispiel von Gedankenlesen. Der Vater erfaßt die gefahrvolle Situation des Sohnes. B16 ist ein Beispiel für den zusammenwirkenden Akt des Gedankensendens und Gedankenlesens.
Bei der Rubrizierung dieser Beispiele darf nicht vergessen werden, dass mit diesen Benennungen keineswegs das Wesen der Erscheinungen erklärt ist. Der psychisch technische Vorgang der außersinnlichen Gedankenübermittlung ist bis heute nicht erforscht. . . .
In seelsorgerlicher Hinsicht sind diese Spontanfälle ohne Befund im Blick auf unsere Untersuchung. Anders steht es bei bewußt durchgeführten telepathischen Experimenten. Langjährige Versuche auf diesem Gebiet können psychische Störungen hervorrufen, wie das folgende Beispiel zeigt.
B 17 Ein 20jähriges Mädchen war mit einem Seemann verlobt. Abends war sie mit ihren Gedanken bei dem jungen Freund, mit dem sie sich seelisch aufs innigste verbunden wusste. Eines Nachts wachte sie mit einer furchtbaren Angst um den Verlobten auf. Sie betete, Gott möchte ihn auf dem Meer in der Gefahr bewahren. Einige Zeit später erhielt sie einen Brief, in dem der Verlobte ihr mitteilte, sie hätten auf der Nordsee einen furchtbaren Sturm erlebt, den sie nicht zu überstehen glaubten. In der höchsten Gefahr hätte er nach dem Bild der Verlobten gegriffen und lebhaft an sie gedacht.
Das war bei den jungen Leuten der Anfang eines regen telepathischen Austausches. Sie konnten im Lauf der Zeit ihre Empfindungen und Gedanken telepathisch einander übertragen. Es entstand trotz der großen Entfernung eine starke seelische Hörigkeit, in deren Gefolge das Mädchen in krankhafter Weise alles mitempfand, was der Verlobte durchmachte. Wurde der Bräutigam krank, wurde sie es durch Fernübertragung auch. Litt der Verlobte Schmerzen, empfand sie den gleichen Schmerz. Nahm der Verlobte Medikamente ein, hatte sie die gleiche Geruchs- und Geschmacksempfindung. War am Anfang die Übertragung der seelischen Situation des Verlobten dem Mädchen eine Freude, so wurde ihr diese telepathische Verbindung allmählich zur Last, ja zur großen Not. Aus dem ursprünglich amüsanten Spiel wurde ein psychisches Verhaftetsein, ja sogar eine Art Besessenheit, deren sich das Mädchen nicht mehr erwehren konnte. Sie suchte einen Nervenarzt auf, der ihr durch Hypnose zu helfen suchte. Nach der Behandlung erklärte mir das Mädchen in der seelsorgerlichen Aussprache, sie wäre aus dem Regen in die Traufe gekommen. Von der seelischen Hörigkeit und dem telepathischen Austausch mit dem Verlobten wäre sie frei geworden. Sie würde aber jetzt unter dem Einfluß des Arztes stehen, an den sie immer denken müsste, obwohl sie an dem Arzt kein Interesse hätte.
Den Parapsychologen interessiert das nicht alltägliche Phänomen …
Der Mediziner wird zunächst an der Tatsache hängen bleiben, dass das Mädchen durch die Hypnose des Nervenarztes von der telepathischen Hörigkeit dem Verlobten gegenüber frei wurde, doch in Zukunft mit dem Arzt seelisch verbunden war. Diesen Vorgang nennt man in der Psychotherapie Übertragung. … Wird durch Suggestion ein seelischer Konnex gelöst, so darf nicht ein neuer dadurch entstehen. Das wäre keine Heilung, sondern nur eine psychische Verlagerung.
Dem Seelsorger genügt bei diesem Beispiel die Feststellung, dass langjähriges Experimentieren mit telepathischen Versuchen den Experimentator aus dem seelischen Gleichgewicht bringen kann. Das zeigt sich an dem Mädchen, das durch jahrelange Übung regelrecht eine mediale Fähigkeit für Telepathie erwarb. Ferner wurde mir das durch einen Arzt bestätigt, der 18 Monate lang auf diesem Gebiet experimentierte und die ungünstigen Auswirkungen auf das Seelenleben an sich selbst beobachtete.
c. Das Hellsehen
„Unter Hellsehen verstehen wir die außersinnliche Erfahrung von objektiven Tatbeständen, von denen jeweils kein Mensch Kenntnis hat, unter Ausschluß der bekannten Sinne.“ So charakterisiert Tischner die eigentümliche Gabe einzelner Menschen, in Spontanerlebnissen Verborgenes in der Vergangenheit (Retroskopie), der Gegenwart (Teleskopie) und der Zukunft (profane oder religiöse Prophetie) hellsichtig zu erfassen. Wie bisher interessiert das eigentliche Phänomen des Hellsehens nur sekundär, dagegen die Person des Hellsehers primär. Nicht das parapsychologische, sondern das seelsorgerliche Problem steht hier im Brennpunkt der Erörterung. In der Seelsorge sind in Aussprachen Hellsehphänomene auf dreifacher Basis aufgetaucht. Es sind Spontanerlebnisse auf religiöser, profaner und okkulter Ebene.
B 18 Einer meiner Freunde ging in einer Großstadt eine große Verkehrsstraße entlang. Plötzlich mitten im Menschengewühl verlor er die Umgebung um sich her aus den Augen, aus dem Bewußtsein. Stattdessen sah er sich auf einem ihm unbekannten Friedhof. Er sah vor sich eine große Trauergemeinde, einen Geistlichen, ein offenes Grab, einen Sarg und sich selbst am Grab stehen. Nach der Grabrede des Geistlichen, die seinem verstorbenen Freund galt, sagte er auf Wunsch dessen Angehörigen ein Bibelwort und sprach einige Minuten darüber. – Das war die Vision am hellen Tage mitten im Gewühl der Straßenpassanten. Wie lange ihm das normale Bewußtsein geschwunden war, wusste er nicht. Er sah sich nur besorgt um, ob die Passanten ihm diese Geistesabwesenheit angemerkt hatten. Er konnte nichts dergleichen feststellen. Er musste wohl während der Vision automatisch mit der Sicherheit eines Traumwandlers mit offenen Augen weitergegangen sein. Am gleichen Tage noch folgte des Rätsels Lösung. Es kam eine telegraphische Todesnachricht mit der Bitte der Angehörigen, am Grabe ihres Sohnes zu sprechen. Mein Freund reiste hin und erlebte am Grabe die gleiche Situation, die gleiche Aufstellung der Trauergemeinde, die gleiche Anordnung der Kranzspenden, den gleichen Verlauf der Grabfeier, wie er es zwei Tage zuvor 160 km davon entfernt in der Großstadt in der hellseherischen Vision gesehen hatte. Natürlich sprach er über den Bibeltext, der ihm in der visionären Schau mitgeteilt worden war.
Zur Vermeidung von falschen Schlüssen muss gesagt werden, dass mein Freund von der Erkrankung des Bekannten keine Ahnung hatte und nie vorher in seinem Leben den betreffenden Friedhof betreten hatte. Ferner ist er ein überzeugter Christ und ein bekannter Reichgottesarbeiter. …
Dem Seelsorger ist bei dem vorliegenden Beispiel klar, dass bei solchen visionären Erlebnissen auf religiöser Basis keine psychischen Störungen eintreten, es sei denn die Anfechtung zum geistlichen Hochmut. Schmeïng schreibt dazu: „Im allgemeinen haben die Seher, deren Visionen religiösen Charakter tragen, ein Gefühl der Auserwähltheit.“ …
Diese Auswirkung liegt aber auf der ethischen Linie, die hier nicht zur Diskussion steht. – Es sei hier zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich am Rande vermerkt, dass nicht jedes Hellsehphänomen, das einen religiösen Inhalt hat, auch auf religiöser, christlicher Basis entstanden ist. Es gibt unzählige Hellsehphänomene mit religiöser Tendenz, die auf okkulter oder eidetischer Basis entstanden sind. Ja, sie stehen in einem Mehrheitsverhältnis von 50 zu 1, d. h., auf eine echte christliche Vision kommen vielleicht 50 oder noch mehr okkulte oder eidetische Gesichte. Das ist eine merkwürdige Erfahrungstatsache der Seelsorge, die davon Zeugnis gibt, dass die Gegenwart mit den unübersehbaren Maria-, Christus- und Heiligenvisionen kein pneumatisches Geschehen, sondern eine okkulte, wenn nicht gar dämonische Überrumpelung erfährt.
Neben den Hellsehphänomenen auf religiöser Basis ist das profane Vorschau-Erlebnis viel häufiger. Oft handelt es sich bei diesen Phänomenen um vage Zukunftsprophezeiungen, oft überrascht solche profane Prophetie durch ihre präzise Genauigkeit oder Erfüllung.
B 19 1934 veröffentlichte ein Mann per Rundbrief, der mir damals im gleichen Jahr noch in die Hände kam, hellseherische und wahrsagerische Erlebnisse. Er schrieb in einem visionären Stil, dass das deutsche Heer in einem atemberaubenden Tempo Polen und Frankreich überrennen werde. Fünf und sechs Jahre später ist diese „Vorschau“ eingetroffen.
E 5 Noch interessanter ist ein Fall der Literatur. Ein Hauptmann hatte 1914 eine Vorschau. Er sah die Entwicklung des 1. Weltkrieges richtig. Vor allem erkannte er schon vier Jahre zuvor den Zusammenbruch Deutschlands auf das Jahr 1918 und die Abdankung des Kaisers. Das Wichtigste an dem Gesicht ist der Satz: „Russland erwacht und streitet mit Amerika um den Besitz der Zukunft.“
E 6 Neben diesen Spontanerlebnissen, die keine psychischen Störungen hervorrufen, gibt es Menschen mit dem „zweiten Gesicht“. Unter den Trägern dieser Fähigkeit des „zweiten Gesichts“ gibt es solche, die ihre Gabe als eine gewisse Begnadung ansehen und keineswegs darunter leiden. Es gibt aber auch solche – und es sind nach dem Bild der seelsorgerlichen Aussprachen die meisten -, deren Nervensystem stark dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird.
In seelsorgerlicher Hinsicht sind die vereinzelten Spontanerlebnisse meistens ohne psychische Auswirkung. Nur die typischen Vertreter des „zweiten Gesichts“ empfinden oft nach ihren Gesichten eine körperliche Erschlaffung und nervöse Erschöpfung. In den Fällen, bei denen die Eidetik mit magischer Praxis gekoppelt ist – eine sehr häufige Erscheinung -, treten schwere psychische Störungen auf. Das führt schon hinüber zu dem Phänomen des Hellsehens auf okkulter Grundlage. Dazu einige Erlebnisse aus der Seelsorge:
B 20 Ein typischer Fall von der Koppelung von Eidetik und Magie bot sich in der okkulten Praxis eines bekannten Schäfers. In einer Reihe von seelsorgerlichen Aussprachen wurde dieser Mann mir als Vorschauer, Vorbrandbanner, Viehbesprecher, Krankheitsbanner und Wahrsager bekannt. Er hat um seiner okkulten Fähigkeiten willen einen großen Zulauf. Weil er seine verhängnisvolle, okkulte Tätigkeit mit Bibelsprüchen verbrämt, gilt er teilweise als frommer Mann. Das ist immer der Höhepunkt der dunklen Geschäfte, dass die Leichtgläubigen durch die christliche Fassade getäuscht werden. Ein Beispiel soll in die Praxis des Mannes einführen.
Auf der Weide sah der Schäfer plötzlich in großer Wirklichkeitstreue den Hof eines Dorfbewohners in Flammen stehen. Das Vorgesicht war so lebhaft, so drastisch, dass der Schäfer dem betreffenden Hofbesitzer erklärte: „Innerhalb von vier Jahren brennt dein Haus ab. Wenn du aber das Feuer bannen willst, dann gib mir ein abgetragenes Hemd von dir, in das ich das Feuer wegbannen werde.“ Der Angeredete lachte über dieses Gesicht und die angebotene magische Abwehr. Er lehnte ab. Vier Jahre später brannte sein Hof tatsächlich ab, ohne dass etwa die Polizei die Täterschaft des Schäfers feststellen konnte. Es wäre ja immerhin möglich gewesen, dass er sich durch Brandstiftung in seinem Ruf als Vorschauer hätte festigen wollen.
Der Parapsychologe erkennt in diesem Beispiel zwei Phänomene: Erstens die Teleästhesie = die Schau des kommenden Brandes, zweitens das Angebot der magischen Abwehr. Hier wird das Gebiet der sogenannten Weißen Magie berührt, das noch behandelt werden wird.
Der Psychologe Schmeïng sieht hier einen der typischen eidetischen Fälle. Er schildert in seinem Buch, wie solche Vorbrandgesichte das Bannen des Feuers, das sogenannte „Wegversetzen“ in einen Teich oder einen Baum oder einen Stein auslöst. Es gibt in dem von ihm erforschten Gebiet eine Menge „Brandsteine“, „Brandbäume“ oder „Vorbrandseen“. Das „Wegversetzen“ soll das durch das Gesicht gefährdete Objekt vor dem Feuer feien.
Aus der Seelsorge sind mir ähnliche Geschichten bekannt, wie sie Schmeïng in seinem Buch berichtet. Im süddeutschen Raum nimmt man als Bannobjekt nicht Bäume und Steine, sondern ein abgetragenes Hemd des durch das Vorgesicht bedrohten Mannes. Der Feuerbanner trägt dieses Hemd, oder er gräbt es in das Erdreich ein. Ferner werden als Bannobjekte sogenannte „Brandbriefe“ gebraucht, die auf den obersten Balken des Hauses gelegt werden. In seelsorgerlicher Hinsicht erhielt ich durch den oben erwähnten Schäfer bedeutsame Aufschlüsse. Seit 15 Jahren bekomme ich immer wieder Menschen zur Aussprache, die sich von dem Schäfer okkult beraten oder behandeln ließen. Im einzelnen ergab sich für die vorliegende Untersuchung folgende wichtige Ausbeute:
B 21 Eine Frau, die sich von dem Schäfer besprechen ließ, geriet von diesem Tag an in schwere seelische Anfechtungen. Sie fühlte sich wie von Furien gehetzt. Nie vorher in ihrem Leben hatte sie solche Empfindungen.
B 22 Ein junger Mann wurde von dem Schäfer besprochen und tatsächlich dadurch von einer organischen Erkrankung geheilt. Von dieser Zeit an aber hatte er Tobsuchtsanfälle, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus und eine abnorme sexuelle Verwilderung.
B 23 Eine Familie ließ sich von dem Schäfer einen Diebstahl aufdecken und sonst noch das Vieh besprechen. Von dem Tag der okkulten Beratung und Hilfe beobachteten die Hausbewohner seltsame Spukerscheinungen in ihrem Haus.
So könnte die Reihe dieser Schäferaktionen fortgesetzt werden. In allen Fällen, die mir in den letzten 15 Jahren in der Seelsorge durch die Beichte der Betroffenen bekannt wurden, löste die okkulte Behandlung durch den Schäfer ganz schwere seelische Störungen aus. Das Merkwürdigste bei der okkulten Praxis dieses Mannes ist, dass ein Teil der von ihm behandelten Menschen plötzlich selbst hellsichtig werden und gewisse Spukerscheinungen sehen.
Es taucht hier das in der Seelsorge an okkult Behafteten oft beobachtete Phänomen auf, dass okkult Besprochene selbst hellsehend werden. … Die seelsorgerlich fast immer zutage tretende Tatsache von der Kombination von Eidetik und Magie soll nun in einem geradezu klassischen Fall dokumentiert werden.
B 24 Ein Mann, der Konstitution nach ein nordischer Typ, hochwüchsig, blond, mit blauen Augen, herb und verschlossen, bekam Jahre hindurch immer Nachschaugesichte. Er konnte am hellen Tag auf der Straße plötzlich seinen Schritt hemmen, wurde ganz geistesabwesend, das Gesicht bleich, das Mienenspiel erstarrt, und sah dann einen Leichenzug die Straße daherkommen. Oft waren es Gestalten mit der Kleidung der Gegenwart, manchmal auch mit Trachten aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Autos und Wagen fuhren durch die Leichenzüge hindurch, ohne dass der Geisterzug auswich. Die Gestalten warfen keinen Schatten. Es waren keine starren Bilder ähnlich den Fotografien, sondern bewegliche, lebensnahe Gestalten. Wurde der Schauer im Augenblick der Erstarrung mit Namen angerufen, dann verschwand der kataleptiforme Zustand, und er konnte dann von seinem Gesicht berichten.
Diese Nachschau- oder Vorschaugesichte waren für den Mann stets ein nervenaufreibendes Erlebnis. Hinterher stellte sich eine seelisch-leibliche Erschlaffung ein. Neben der Schau der Leichenzüge sah er auch oft sogenannte „Wiedergänger“. Er geriet dabei ebenfalls in Erstarrung, sah z. B. einen guten Bekannten, der Jahre zuvor gestorben war. Redete der Schauer den Verstorbenen an, dann verschwand das Phantom. Gelegentlich beobachtete er auch Wiedergänger bei einer zu ihren Lebzeiten typischen Beschäftigung. Er konnte z. B. einen ehemals geizigen Bauern beobachten, wie er seine Holzscheite vor dem Haus zählte, so wie es der Betreffende zu Lebzeiten immer getan hatte, um sich gegen Diebstahl zu sichern. Die meisten dieser Gesichte traten nicht in der Dämmerung auf, sondern am hellen Tage. Als eines seiner interessantesten Erlebnisse sei folgendes mit ausdrücklicher Veröffentlichungsgenehmigung hier wiedergegeben. Eines Morgens stand der Schauer in seinem Arbeitsraum. Da ging die Tür auf, und ein ehemaliger Kriegskamerad trat ein. Der Schauer begrüßte ihn sehr herzlich. Da der Angeredete aber mit fahlem Gesichtsausdruck die Antwort schuldig blieb, erschrak der Schauer, und es fiel ihm ein, dass dieser Kamerad 22 Jahre zuvor im Kriege gefallen war. Da fing dieser Wiedergänger sogar zu reden an und sagte zu ihm: „Du bist mit schuld daran, dass ich bei den Unseligen am Ort der Qual bin. Du hättest mich warnen können. Damit es aber meiner Frau nicht geradeso geht wie mir, suche sie auf und sage ihr, sie solle sich bekehren. Sie kommt sonst auch an den Ort der Qual.“ Mit dieser Aufforderung verschwand der Wiedergänger. Der Schauer war sich nun bewußt, dass es sich um eines der üblichen Gesichte, nur mit besonders starker Ausprägung handelte. Er ging daraufhin zu seinem Ortspfarrer und fragte ihn, was er mit dieser Aufforderung machen sollte. Der Geistliche riet ihm, den Auftrag auszuführen. Die Frau war von dieser Erscheinung ihres Mannes sehr bewegt. Sie ging in sich und wurde von da an eine eifrige Bibelleserin und treue Besucherin der Gottesdienste.
Die Auswertung dieses Beispiels liefert uns im Rahmen unserer Untersuchung wertvolles Material. Darum folgt hier eine etwas eingehendere Besprechung dieser Geschichte. Die Grundlage für diese Besprechung ist eine für diesen Fall gründlich durchgeführte Familienforschung durch vier Generationen hindurch.
Nachdem eine kleine Charakteristik der äußeren Konstitution des Schauers bereits gegeben ist, folgt hier die medizinische Anamnese. Bei dem Schauer liegen seit der Kindheit keine organischen oder nervösen Leiden vor. In psychischer Hinsicht ist eine gewisse depressive Veranlagung festzustellen. In der Jugend neigte der Schauer zur Schwermut und zu Selbstmordgedanken. Diese Stimmung der Lebensüberdrüssigkeit schwand, als der Schauer sich dem Christentum zuwandte. Diese depressive Stimmung hatte ihre Wurzel nicht in einer nachweisbaren Psychoneurose, Organneurose oder organischen Erkrankung, sondern in einer okkulten Behaftung, wie wir noch hören werden.
Die okkulte Anamnese ist in diesem Fall bedeutsam. Die Großmutter des Schauers hat mit Hilfe des 6. und 7. Buches Moses Vieh besprochen, Krankheiten gebannt, Schwarze und Weiße Magie betrieben und anderes mehr. Diese Frau hat ihr ganzes Geschlecht durch vier Generationen magisch infiziert. Kinder, Enkel und Urenkel hatten alle mit Lebensüberdruss, Selbstmordgedanken, mit seltsamen Hellsehphänomenen und mit der Fähigkeit des „zweiten Gesichts“ zu tun. Ferner ist die Charakteristik dieses Geschlechtes die Verbiegung des Charakters, die Retroversion aller seelischen Beziehungen. Die Abkömmlinge dieses Geschlechtes sind zum großen Teil abgekapselte, egozentrische, ungesellige, gefühllose, harte Naturen. …
Die Seelsorge hat zu dem Fall dieses Schauers einen gewichtigen Beitrag zu liefern. Bedeutsam ist wie in B21 die okkulte Wurzel des „zweiten Gesichts“. Die Großmutter des Schauers hatte eine magische Praxis. Ihre Nachkommen entwickelten bei ähnlicher okkulter Beschäftigung immer deutlicher das Phänomen des „zweiten Gesichts“. Die Tochter hatte noch keine ausgesprochene eidetische Prägung, aber sonst Merkmale einer okkulten Behaftung. Der Enkel war bereits Seher, aber einer, der nur Nachschaubilder und keine Vorgesichte hatte. Eine Urenkelin hatte dann auch Vorschaugesichte. Sie sah einmal den Tod ihres Kindes voraus, der bald darnach eintrat. Ein anderer Urenkel hatte auch eine sehr lebhafte eidetische Veranlagung, der er aber mit Macht entgegenstrebte. Der vorliegende Fall ist eines von den vielen Beispielen, die zeigen, wie das Besprechen in der Nachkommenschaft Hellseher und Eidetiker hervorbringt.
Das zweite seelsorgerliche Anliegen dieses Falles ist die Frage: War der Rat jenes Pfarrers richtig? Vermutlich ließ sich doch jener Pfarrer durch den religiösen Inhalt des Gesichtes dazu verleiten, dem Seher den Rat zu geben, diesen seltsamen Auftrag des Wiedergängers auszuführen. … Der Psychotherapeut wird unter Umständen vielleicht diese Entscheidung bejahen, weil er damit die Auflösung des Schuldkomplexes gewährleistet sieht. Es geht ja in der Psychotherapie immer darum, Komplexe aufzudecken, zu entwirren und abzubauen.
Ich möchte trotzdem aus drei Gründen diese Entscheidung in Frage stellen. Zunächst wird vom Neuen Testament her abgelehnt, dass Verstorbene als Boten Gottes gesandt werden. Auf eine derartige Bitte erhielt der reiche Mann in Lukas 16 die Antwort: „Sie haben Mose und die Propheten; auf diese sollen sie hören!“ Das NT lehnt also Botschaften durch Verstorbene mit dem Hinweis ab, dass die Lebenden das Wort Gottes haben. Da können sie sich orientieren.
Zweitens bin ich gegen die Annahme solcher Aufträge, da ich aus vielen ähnlichen Beispielen den Fortgang solcher rätselhaften Geschichten kenne. Der erste Auftrag ist vernünftig. Der zweite Auftrag ist weniger vernünftig. Der dritte ist unvernünftig. Der vierte ist widersinnig usw.. So steigern sich die Aufträge, bis der geplagte Seher in einer Zwangsneurose steckt und die unsinnigsten Befehle ausführen muss. Ich habe die Entwicklung von solchen Anankasten (jemand, der unter Zwangsvorstellungen leidet) von ihrem Anfangsstadium an verfolgt und bin der Meinung, dass solche Aufträge von Anfang an nicht anzunehmen sind, wenn sie auch noch so sehr mit einem bekannten religiösen Inhalt übereinstimmen.
Der dritte Grund für die Ablehnung derartiger Aufträge ist die Tatsache, dass der Christ nicht den Auftrag eines Wiedergängers braucht, um seine Schuldgefühle abzureagieren. Dazu gibt es biblisch einen ganz anderen Weg, den Weg zu Jesus Christus.
Das dritte seelsorgerliche Anliegen bei diesem Beispiel ist die Frage, ob der Seher von seinen Gesichten, die immer mit einer gewissen depressiven Stimmung und nervösen Erschöpfung einhergehen, befreit sein will. Bekannt ist, dass die Gabe des „zweiten Gesichts“ abnimmt oder zunimmt, je nachdem sich der Seher seiner Fähigkeit überläßt oder ihr entgegenwirkt. Ferner wird auch dauernd beobachtet, dass mit zunehmendem Alter die Gabe langsam verschwindet. Allerdings gibt es Seher, die ihre Gabe bis ins hohe Alter erhalten haben. Schmeïng berichtet auch von einem solchen 86jährigen Vorschauer. In unserem Fall war es so, dass die Gesichte des Schauers dauernd zunahmen, obwohl er ihnen widerstrebte und niemandem etwas davon erzählte. Nur die eigene Frau und der Ortspfarrer in dem einen bekannten Fall wußten von seiner Gabe. Der Schauer war mit seinen Gesichten übel geplagt. Er sah nicht nur die Leichenzüge auf der Straße, nein, in allen Häusern und Winkeln, auf Bäumen, Äckern und Wiesen, überall, wo er stand und ging, sah er Geister der Abgeschiedenen. Der Schauer kam dadurch in eine Angststimmung. In diesem Zustand hatte er eine seelsorgerliche Aussprache mit mir. Nachdem sowohl er als auch seine Frau durch verschiedene Aussprachen den Weg zu Jesus Christus gefunden hatten, stellte ich die Frage, ob er wirklich von seiner hellseherischen Gabe frei werden wollte. Nach bejahender Antwort verwies ich auf den Bibelvers Matthäus 18, 19: „Wenn zwei von euch auf Erden übereinkommen über irgend eine Sache, für die sie bitten wollen, so soll sie ihnen zuteil werden von meinem Vater im Himmel.“ Wir vereinigten uns zusammen mit der Ehefrau im Gebet, dass Gott ihn von der Gabe der Geisterseherei befreien möchte, weil das Nervensystem des Mannes sehr darunter litte. Wir wurden erhört! Seit jenem gemeinsamen Gebet im Jahr 1938 hatte der Mann nie mehr Gesichte gehabt. Er war von seiner hellseherischen Fähigkeit, die gewiß keine Begnadung, sondern der Fluch und der Bann des Besprecherunwesens seines Geschlechtes war, endgültig befreit.
d. Das Hellfühlen
Ein weiterer Fall der Hyperästhesie ist das Hellfühlen. Es handelt sich bei den in der Seelsorge bekannt gewordenen Beispielen um eine irrationale Diagnose von Krankheiten. Verschiedene Typen sind in der Seelsorge in Erscheinung getreten. Einige Beispiele sollen in die Problemlage einführen.
B 25 Ein Mann in einer ostdeutschen Universitätsstadt der Vorkriegszeit wurde durch seine verblüffende Sicherheit in der Stellung von Krankheitsdiagnosen bekannt. Er bediente sich bei seinen Diagnosen keiner medizinischen Hilfsmittel wie Bestimmung des Blutbildes, röntgenologische Untersuchung, EKG-Bestimmung usw., sondern legte nur seine Hand auf die Hand des Kranken, konzentrierte sich auf ihn und sagte dann die Diagnose, die in allen nachkontrollierten Fällen mit der Diagnose der Universitätsklinik übereinstimmte. Manchmal wollten Ärzte, um seine Fähigkeit zu überprüfen, ihn täuschen. Es gelang aber nicht.
B 26 Eine weitere parapsychologische Diagnosestellung ist die Ermittlung der Krankheiten durch das „Kristallsehen“. Ein Schwarzwälder Bauer ist mir bekannt, der auf diese Weise seine Patienten berät. Die Diagnosen dieses Hellsehers sind im Gegensatz zu B 25 nicht immer zutreffend.
B 27 Seit 20 Jahren ist mir die unheilvolle Praxis von zwei Brüdern bekannt, die ohne Berührung mit den Patienten durch einfache Konzentration mit großer Sicherheit Diagnosen stellen und dann homöopathische Heilmittel verordnen.
B 28 Eine vierte Art der Diagnosestellung wurde mir in der Praxis von Pendlern und Rutlern bekannt. Mehrmals ließ ich mir diesen Vorgang der Ruten- oder Pendeldiagnose von einem Pendler erklären. Die Rute oder der Pendel wird gegen den Körper des Patienten gehalten. An der Stelle des kranken Organs schlägt die Rute oder der Pendel aus.
B 29 Eine fünfte Art der parapsychologischen Diagnose ist das Herauspendeln der Medikamente. Hier verzichtet der Pendler auf die Feststellung der Krankheiten, es geht nur um die Bestimmung des richtigen Medikaments. Ein mir bekannter, angesehener Pendler, der zugleich Spiritist, Heilpraktiker, Magnetopath ist, also eine Reihe von okkulten Funktionen ausübt, besitzt eine quadratische Medikamentenkiste mit 225 (15 x 15) Fächern und Medikamenten. Über den Fächern ist ein Pendel angebracht. Der hilfesuchende Patient bringt mit seiner Hand den Pendel in Schwingung. Nach dem Ausschlag erhält er das für seine Krankheit geeignete Medikament.
B 30 Eine sechste Art der Krankheitsfeststellung ist das Abpendeln von Abbildungen des menschlichen Körpers und der einzelnen Organe. Während die linke Hand des Pendlers auf der Hand des Patienten liegt, führt die rechte Hand des Pendlers den Pendel. Über dem kranken Organ macht der Pendel Kreisbewegungen. Dieser Vorgang entspricht im Prinzip dem Fotopendeln, das noch besprochen werden wird.
In parapsychologischer Sicht tauchen hier verschiedene Phänomene auf, die nicht alle unter die Rubrik des Hellfühlens gehören. …
Einen Schritt weiter in dieser Untersuchung führt B 27. In der seelsorgerlichen Praxis haben mir diese beiden Brüder schon viel Not verursacht. Diese beiden Hellfühler wurden seit vielen Jahren von Tausenden von Patienten konsultiert. Wie kommt diese treffsichere Diagnose dieser beiden Nichtmediziner zustande? Mit dem Hinweis auf Scharlatanerie kommen wir hier nicht zum letzten Ziel. Nach Beobachtung vieler seelsorgerlicher Fälle kann diese Hellfühligkeit als eine mediale Veranlagung dieser Laienheilkundigen angesehen werden. Der Hellfühler ist genau wie ein Medium imstande, das Unterbewußtsein einer anwesenden Person anzuzapfen. Das nächste Problem, das bei dieser Deutung entsteht, ist die Frage, ob aus dem Unterbewußtsein eines Menschen seine Krankheit überhaupt abgelesen werden kann. …
Wir kennen in der Parapsychologie das Anzapfen des OB in dem Phänomen der Telepathie, das in der Wissenschaft anerkannt ist. Wir kennen ferner das Anzapfen des UB in dem Phänomen der Mediumität, das in den letzten acht Jahrzehnten durch Hunderttausende von wissenschaftlich geprüften oder von fachkundigen Laien durchgeführten Experimenten bestätigt ist. In der Seelsorge an okkult Behafteten wird die Tatsache der Mediumität in vielen Fällen erkannt. . . .
Wenn über den Grad der Richtigkeit der Diagnose noch ein Urteil aus der Empirie gegeben werden soll, so muss gesagt werden, dass die Diagnose nur bei starker medialer Veranlagung des Hellfühlers medizinisch zutreffend ist. Je geringer die Mediumität ist, desto weniger zuverlässig sind die Diagnosen bis hin zu einem Tohuwabohu großer Fehlentscheidungen …
Diese okkulten Heilmethoden sind der Volksgesundheit gegenüber nicht zu verantworten. Es ist immer wieder unerklärlich, warum von staatlichen Gesundheitsämtern okkult arbeitenden Naturheilkundigen, Magnetopathen, Heilpraktikern, Pendeldiagnosten, Wunderdoktoren usw. so viel Raum zur Betätigung gelassen wird. Es wäre anzustreben, dass das Heilpraktikergesetz eine Revision erfährt.
Von der seelsorgerlichen Perspektive aus ergeben sich bei der ganzen Reihe B25 bis B30 fast immer die gleichen psychischen Auswirkungen: Schwermut, Lebensüberdruß, Beklemmungsgefühle, Abneigung gegen das Wort Gottes, Hemmungen beim Beten, keine Fähigkeit zu einer Glaubensentscheidung, mit einem Begriff zusammengefaßt, eine Erstarrung der seelischen und geistlichen Funktionen. Ein seelsorgerliches Beispiel mag das unterstreichen.
B 32 Bei einer Bibelwoche kam ein 19jähriges Mädchen zur Aussprache. Sie klagte über Melancholie, Freudlosigkeit, seltsame Anfechtungen in der Nacht, als wollte ihr jemand die Luft abschnüren, Unlust zum Beten, obwohl sie Christus nachfolgen möchte, Ekel an jeder geistlichen Betätigung. Sie begriff sich selbst nicht, da sie einerseits einen Zug zur Nachfolge Jesu hatte und andererseits einen Widerwillen davor.
Eine medizinische Anamnese förderte nichts Besonderes zutage. Das Mädchen war außer den seelischen Verstimmungen gesund. Es lagen weder organische noch neurotische Störungen vor. Sie hatte auch keinerlei aufwühlende Erlebnisse wie z. B. eine enttäuschte Liebe hinter sich. Die Schwermut setzte schon im schulpflichtigen Alter bei ihr ein. Die Eltern und Geschwister sind gesund. Bei keinem Familienglied ist je eine ähnliche Melancholie aufgetreten. Das Mädchen ist ein Einzelfall in ihrer Familie.
Auf die medizinische Anamnese folgte die Anamnese okkulter Beziehungen. Viele Fragen in dieser Richtung wurden verneint. Schließlich stießen wir auf einen entscheidenden Punkt. Als Schulkind litt sie an Appetitlosigkeit. Sie wurde von der Mutter daraufhin mehrmals zu einem „Wunderdoktor“ gebracht, der mit seinem Pendel die kranke Stelle ihres Körpers suchte. Das Mädchen erinnert sich, dass nach dieser Behandlung ihre Melancholie einsetzte.
Dieses Beispiel ist nur ein Einzelfall aus einer großen Sammlung auf diesem Gebiet. Die seelsorgerliche Praxis zeigt, dass bei allen Behandlungsarten der Laienheilkundigen, bei denen das UB der Patienten aktiv beeinflusst oder passiv angezapft wird, einschneidende Veränderungen in der seelischen Verfassung der Patienten eintraten. Es entsteht eine seelische Erstarrung, die sich nicht nur in melancholischen Verstimmungen äußert, sondern vor allem auch die Entschlußfreudigkeit in alltäglichen, kleinen Entscheidungen lähmt und auf religiösem Gebiet Glaubensentscheidungen fast nicht zustande kommen lässt. Diese seit Jahren in großer Zahl gesammelten Beispiele und Beobachtungen vermitteln ein erschütterndes Bild für die seelischen Verheerungen, die durch okkult arbeitende Laienheilkundige in allen Abarten dieser verhängnisvollen Berufsgruppe entstehen.
Die Mantik
Unter Mantik versteht man die Kunst der Wahrsagung, und zwar in der umfassenden Bedeutung, dass Verborgenes in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthüllt werden soll. Der Unterschied zum Hellsehen liegt darin, dass die Nachschau- und Vorschaugesichte der Hellseher spontane Erlebnisse sind, die ohne Vorbereitung oder seelische Disposition den Seher überfallen. Der Mantiker dagegen bedient sich gewisser Vorzeichen und Mittel – Pfeile (Babylonier, Perser), Leber, Trinkbecher (Ägypter), Eingeweide (Griechen, Römer), Buchenstäbe mit Runen (Germanen), Bergkristalle, Schneekristalle, Glaskugeln, Spiegel, Karten und Handlinien (die aufgeklärten Europäer), Haselgerte, Pendel usw. -, um eine Wahrsagung zustande zu bringen. Die Mantik findet sich in allen Epochen der Menschheitsgeschichte.
Aus dem AT wissen wir von den kanaanitischen Beschwörern, Zauberern, Zeichendeutern, Nekromanten, Rutengängern und dergleichen. … Auch über die heidnischen Wurzeln der Sterndeuterei liefert die Bibel manches Material. Es waren die Babylonier, welche die Einheit von Makrokosmos und Mikrokosmos als festen Bestandteil ihres Glaubens besaßen und lehrten, dass das menschliche Schicksal weitgehend von der Konstellation der Sternbilder zur Zeit der Geburtsstunde abhängig wäre. Das AT distanziert sich eindeutig von diesem Gestirndienst.
Aus der griechischen Welt wissen wir von der Pythonissin Kassandra und der delphischen Pythia. Paulus traf in Philippi auf eine Wahrsagerin. Die Etrusker und Römer hatten ihre Haruspizes, die aus den Eingeweiden der Opfertiere wahrsagten. Auch die Zunft der Quellensucher, der Rutengänger war in Rom zu finden. Man nannte sie die Aquileges. Juturna, die Brunnennymphe, wurde mit einer Haselgerte in der Hand abgebildet. Ein Niederschlag der römischen Wahrsagungsbräuche sind die Sibyllinischen Bücher, welche den Opferkultus weithin bestimmten. Von den Skythen wissen wir, dass sie mit der Rute die Meineidigen entdeckten. Strabo weiß von den Wahrsagerinnen bei den Cimbern. Auch die Germanen hatten ihre Wahrsagerinnen, z.B. die Veleda und Thorbjörg, von denen römische Autoren berichten. Ferner pflegten die Germanen auch die Runomantie mit ihren Runenstäben.
Die magische Linie geht durch alle Jahrtausende bis zur Gegenwart. In den beiden letzten Jahrhunderten lieferte die Missionsgeschichte wertvolles Material zu dieser Frage. Auf allen Missionsgebieten hatte sich das Christentum mit der Mantik des Heidentums auseinanderzusetzen. In Afrika waren es der Medizinmann, in Tibet die Rotmützenmönche mit ihrer okkulten Praxis, bei den Malayen war es der Pawang und in China war es neben den Götzenpriestern die noch stärkere Zunft der Geomanten mit ihrem System des Fung schui (Fung schui heißt: Wind, Wasser, ein Terminus für ein abergläubisches Wahrsagesystem der Chinesen), in Ostsibirien waren es die Schamanen, bei den Eskimos der Angekok, bei den Rothäuten die Stammes- oder Zauberpriester, die alle dem vordringenden Christentum eine starke okkulte und magische Abwehr bereiteten.
In dem aufgeklärten Europa ist die Mantik trotz Rationalismus und der Blüte der Naturwissenschaften stark heimisch. Die Zeitungen und Wochenschriften befriedigen mit ihrer astrologischen Wochenschau den Aberglauben aller Gesellschaftsschichten. Kartenlegerinnen, Wahrsager, Handlinienleserinnen, Kaffeesatztanten, Kristallmagier usw. haben ein einträgliches Gewerbe. Die Fotopendler wollen über das Schicksal der Vermissten Auskunft geben. Die abergläubische Abhängigkeit von Vorzeichen und Fetischen wie Maskottchen, Hufeisen, Silvesterblei, vierblättriges Kleeblatt, Glücksschwein, Schornsteinfeger, schwarzer Rabe, Käuzchenruf, Zahl 13 und dergleichen mehr zeigt, dass der Abfall vom Gottesglauben in magischer Verkettung und okkulter Behaftung endet.
Wie diese magische Ausrichtung des modernen Menschen sich seelisch auswirkt, ist in der Seelsorge ein ernstes Problem, um dessen Bewältigung es in dieser Untersuchung geht. Als erstes Teilgebiet soll das Kartenlegen besprochen werden.
a. Das Kartenlegen
Einige Beispiele aus der Seelsorge sollen die psychischen Auswirkungen der passiven wie aktiven Beteiligung beim Kartenlegen zeigen.
B 33 Eine junge Frau kam bei einer Bibelwoche zur Aussprache und berichtete folgendes Erlebnis. Sie war in einem pietistischen Elternhaus aufgewachsen. Mit 16 Jahren verzog sie in eine Stadt zur Annahme einer Hausgehilfinnenstelle. An einem freien Sonntagmittag wurde sie von einer Freundin in eine benachbarte Stadt zu einer Kartenlegerin mitgenommen. Die beiden Mädchen waren zum ersten Mal bei dieser Frau. Die Wahrsagerin legte den beiden die Karten und erklärte unserer Berichterstatterin: „In acht Tagen ist Ihr Vater tot.“ Das Mädchen lachte hell hinaus und sagte: „Mein Vater ist kerngesund. Das glaube ich nicht.“ Die Mädchen fuhren in ihren Wohnort zurück. Am Abend griff die Berichterstatterin, wie von Kind auf im Elternhaus gewohnt, zur Bibel, um zu lesen und zu beten. Da spürte sie plötzlich ein beklemmendes Gefühl und Druckschmerzen am Hals. Sie konnte weder beten noch die Bibel lesen. Gleichzeitig hörte sie ein Schwirren, Sausen und Huschen im Zimmer um ihr Bett herum. Sie ließ vor Angst das Licht brennen. Diese seltsamen Spukerscheinungen wiederholten sich jeden Abend. Der Höhepunkt war dann nach acht Tagen ein Telegramm von zu Hause, das sie an den Sarg des Vaters rief. Der Vater war plötzlich durch einen Herzschlag mitten aus der Arbeit und dem Leben herausgerissen worden. Sie eilte erschüttert heim und dachte, die Kartenlegerin hat also doch recht behalten. Mit dem Todestag des Vaters setzten dann noch weitere Erscheinungen ein. Jede Nacht erschien der verstorbene Vater im Traum und machte ihr Vorwürfe, warum sie ihm das angetan hätte, dass sie sich von einer Kartenlegerin hatte beraten lassen. Ein halbes Jahr kam der Vater stets im Traum, bis er dann eines Nachts erklärte: „So, jetzt ist es genug.“ Sie konnte dann hinterher wieder die Bibel lesen und beten.
Wenn zuerst der Mediziner zu Wort kommen soll, so wird es bei dem vorliegenden Fall wenig Ausbeute geben. Das Mädchen war gesund. …
Der Psychologe mit seinen Kenntnissen der untergründigen seelischen Zusammenhänge des UB wird die Spukerscheinungen aus den beiden Komponenten Angst- und Schuldgefühle – bedingt durch die christliche Erziehung – erklären. Auch der Traumanalytiker wird bei dem Phänomen der Erscheinung des Vaters im Traum den gleichen Weg gehen wollen. Das Mädchen bekam in der Jugend vom Vater immer wieder eingeschärft: „Ein Christ befasst sich nicht mit okkulten Dingen.“ Das Übertreten dieses Gebotes verdichtete sich durch die Angst vor dem Vater und dem Bewusstsein einer begangenen Sünde zu einem Schuldkomplex, der im Wach- oder Schlaftraum eine Abreaktion erfuhr.
Den Parapsychologen interessieren weniger die psychischen Auswirkungen als das Phänomen der Kartenwahrsagung. War die exakte Ankündigung des Todesfalles ein Zufallstreffer? Von einem telepathischen Anzapfen konnte keine Rede sein, da das Mädchen nur das Bild des gesunden Vaters in seinem Bewusstsein hatte. … Auch die Hypothese von dem Autosuggestionstod konnte nicht zutreffen, da das Mädchen seinen Eltern von dem verbotenen Besuch nichts geschrieben hatte. Es ist das vorliegende Beispiel ein Fall mit dem ungeklärten Rest.
In seelsorgerlicher Hinsicht fügen sich die psychischen Störungen wieder in den bisher aufgezeigten Rahmen. Der Christ nimmt bei passiver okkulter Betätigung oder Beeinflussung in seelischer wie religiöser Hinsicht Schaden. Das wird nun durch weitere Beispiele erhärtet.
B 34 Eine Braut wollte zu Beginn des Krieges wissen, ob ihr Verlobter aus dem Felde wieder heimkehren würde. Sie ging zur Kartenlegerin, die ihr sagte, dass ihr Wunsch in Erfüllung ginge. Tatsächlich kam der junge Mann heil aus dem Krieg zurück. Doch die Braut hatte von der Zeit jenes Besuches bei der Wahrsagerin an depressive Stimmungen. Sie litt an Lebensüberdruß. Als der Verlobte zurück war, schnitt sie sich eines Tages die Pulsadern auf. Zum Glück konnte sie gerettet werden.
In medizinischer Hinsicht ist dieses Beispiel in der schon mehrfach behandelten Fragestellung ohne Befund. Das Mädchen stammt aus einer gesunden, gut christlichen Familie. In parapsychologischer Hinsicht liegt nichts Besonderes vor. Auf der seelsorgerlichen Ebene ergibt sich wieder das typische Bild okkulter Behaftung und Auswirkung.
B 35 Eine junge Frau, deren Mann im Osten vermisst war, ging zur Kartenlegerin, um zu erfahren, ob der Mann noch lebe. Die Wahrsagerin erklärte ihr: „Ihr Mann ist tot.“ Die Frau wartete ein Vierteljahr und besuchte dann wieder eine Kartenlegerin, um über das ungewisse Schicksal ihres Mannes etwas zu erfahren. Wieder erhielt sie die Antwort: „Ihr Mann kommt nicht wieder.“ Sie ging verzweifelt heim und vergiftete ihre zwei Kinder und sich selbst mit Leuchtgas. Am nächsten Tag kam der Mann aus der russischen Gefangenschaft und fand die drei Leichen seiner Lieben vor.
Es ist ein erschütterndes Beispiel aus der Nachkriegszeit, das einerseits die Unzuverlässigkeit der Kartenwahrsagungen zeigt und andererseits das staatliche Verbot dieses dunklen Gewerbes zur gewichtigen Forderung erhebt. – In seelsorgerlicher Hinsicht wird hier wieder der Fluch der okkulten Betätigung sichtbar. Die junge Frau hat sich bei der Kartenlegerin nicht genaue Auskunft, sondern den Entschluß zum dreifachen Mord geholt.
B 36 Nach diesen Beispielen passiver okkulter Betätigung folgt nun ein Beispiel aktiver Ausübung chiromantischer Praxis. Ein Mann, der sich als Wahrsager und Kartenleger betätigte, geriet in starke Depressionen, in deren Verlauf er sich eines Tages unter den Zug legte. Seine Frau und Tochter, denen er auch oft Karten legte, sind beide schwermütig.
In der Seelsorge zeigen sich immer wieder die psychischen Auswirkungen der Mantik in der Form von Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen die Dreieinigkeit, das Gefühl wahnsinnig zu werden, jähzornige Anfälle, völlige Auflösung der Konzentration der Gedanken, Tobsuchtsanfälle, Selbstmord. Es ist mir wiederholt in der Seelsorge gesagt worden, dass der Besuch bei der Kartenlegerin aus Unwissenheit oder aus Neugierde erfolgt sei. Man hätte das gar nicht geglaubt und nicht für ernst genommen. Bei diesen Argumenten pflege ich die in der Seelsorge gemachte Beobachtung in das Gleichnis zu fassen: „Ob ich aus Unwissenheit oder aus Neugierde, im Scherz oder im Ernst eine Handgranate abziehe, die Wirkung ist immer die gleiche!“ – Ein neues Moment der Diskussion wird an einem seelsorgerlichen Beispiel des Schweizer Evangelisten Schwendimann sichtbar.
E 7 Ein Mädchen im Alter von 18 Jahren ließ sich in Liebesangelegenheiten die Zukunft deuten. Die Wahrsagerin erklärte ihr: „Sie werden Ihren 20. Geburtstag nicht überleben.“ Das Mädchen lebte zwei Jahre in der Angst vor dem bevorstehenden frühen Tod. Mit dem Herannahen ihres 20. Geburtstages steigerte sich in ihr eine ungeheure Spannung. Der von der Wahrsagerin gesetzte Termin verstrich ohne besonderen Vorfall. Das Mädchen hatte jedoch die seelische Belastungsprobe nicht überstanden. Es musste am Tage danach ins Irrenhaus eingeliefert werden und starb nach weiteren zwei Jahren.
Psychologisch ist dieser Fall ganz offenkundig. Das Mädchen geriet durch die Wahrsagerin unter einen Suggestionsbann, und dem unbewußten Zwang gehorchend, trug es zur Erfüllung der Wahrsagung bei. Der Empfänger einer Vorschau oder einer Wahrsagung setzt sich durch seine Bereitschaft, der Wahrsagung zu glauben, selbst einen Termin. Die Wahrsagerin erkennt nicht den bevorstehenden Tod, sondern sie trägt durch ihre seelische Beeinflussung zu seinem Eintritt bei. Juristisch gesehen gehören viele Fälle der Mantik genauso vor die Schranken des Gerichtes wie der Totschlag.
In seelsorgerlicher Hinsicht offenbart sich hier der Fluch der Wahrsagerei – genauer gesagt, der „Lügensagerei“. Die geglaubte Lüge wird Wirklichkeit. Das Wort Jesu Christi: „Euch geschehe nach eurem Glauben“ erfüllt sich auch in seiner Umkehrung. Die sogenannte Enthüllung der Zukunft durch die Mantiker stellt sich nur als eine ungeheure seelische Belastung heraus, der viele nicht gewachsen sind, zumal sich die Wahrsagungen meistens als willkürliche Phantasieprodukte oder als medial erfasste unterbewusste Wunschvorstellungen des Ratsuchenden entpuppen. Es ist höchst beachtlich, dass eine erfahrene Irrenwärterin berichtet, dass bis zu 60 % die Geisteskrankheiten aller Art irgendwie im Zusammenhang mit Wahrsagerei ausgelöst werden. Wenn die angebliche Enthüllung der Zukunft durch magische Praktiken eine solche Wirkung hat, dann ist die Verhüllung der Zukunft Weisheit und Barmherzigkeit dessen, der vor die Zukunft einen undurchsichtigen Schleier gelegt hat.
b. Die Chiromantie
Die Chiromantie hat mit der Graphologie nichts zu tun. Es handelt sich hier um eine wahrsagerische Handlesekunst. Die Hand wird eingeteilt in Bereiche und Linien. Es gibt einen Mondberg, Venusgürtel, Marsebene, Bereiche für Geist, Glück, Erfolg, Ansehen, Phantasie, Wille, Sinnlichkeit. Ferner beherrschen vier Linien – Herz-, Kopf-, Berufs- und Lebenslinie – die innere Handfläche. Aus diesen Anordnungen wollen nun die Handlinienleserinnen Zukünftiges erraten und wahrsagen. Was bei dieser chiromantischen Praxis in seelsorgerlicher Hinsicht herauskommt, sollen einige Beispiele zeigen.
B 37 Ein mir befreundeter Kunsthändler berichtete in einer Aussprache folgendes Erlebnis: Nach einem Geschäftsabschluß reiste er mit dem betreffenden Kunden von der Schweiz nach Mailand, um dort Diamanten im Wert von ca. 60.000,- DM zu veräußern. Der Kunde wollte diesen Kauf vermitteln. Nach zweitägigem Aufenthalt in Mailand wollte der Kunde den Kunsthändler partout zu einer Fahrt nach Venedig überreden unter dem Vorwand, der Liebhaber wäre dorthin verreist. Der Kunsthändler weigerte sich aus einem unbestimmten Gefühl heraus, diese Reise zu unternehmen. Am nächsten Tag waren ihm dann die Diamanten plötzlich gestohlen worden. Er verständigte sofort die Polizei. Inzwischen aber suchte er in Mailand eine Wahrsagerin auf, um etwas über den Diebstahl zu erfahren. Die Wahrsagerin, die sowohl Karten legte als auch aus den Handlinien las, verkündigte ihm, er hätte am Tage zuvor in einer Stadt mit vielen Wassern umgebracht werden sollen. Ferner werde er seine Diamanten heute noch bekommen. Sie lägen unter einem Karren am Domplatz. Er müsste sie aber heute noch holen; denn morgen wäre es zu spät dazu. Nach diesem erstaunlichen Orakelspruch ging der Kunsthändler in sein Hotel zurück. Zwei Detektive fanden sich zur Aufklärung des Falles dort ein. Nach einem Telefonanruf traf dann spät am Abend im Hotel jener Kunde ein, der sofort verhaftet wurde. Im Kreuzverhör gestand der Verhaftete die Komplizenschaft bei dem Diebstahl ein. In der gleichen Nacht noch wurden die Diamanten mit Hilfe des Verhafteten aus dem seltsamen Versteck geholt. Sie befanden sich genau an der von der Wahrsagerin angegebenen Stelle. Wie sich bei dem folgenden Prozess herausstellte, gehörte jener zweifelhafte Kunde einer internationalen Schmugglerbande an, die wahrscheinlich außer dem Diebstahl noch die Beseitigung des vermögenden Kunsthändlers in Venedig im Auge hatte. Bei einer nächtlichen Gondelfahrt hätte ein Schlag auf den Kopf genügt, um den Bewusstlosen dann im Wasser verschwinden zu lassen.
Das ist der aus erster Quelle verbürgte Bericht eines Ereignisses, das sich 1935 abspielte. Jenes Erlebnis mit der Wahrsagerin hatte indessen noch ein Nachspiel. Einige Wochen lang wurde der Kunsthändler von merkwürdigen Träumen geplagt. Beim Einschlafen sah er immer einen unheimlichen Hund, der ihn am Hals packen wollte und auf der Brust Druckgefühle auslöste. Dann sah er im Traum immer einen Stein durchs Zimmer schwirren, der zuerst die Gestalt eines Schlangenkopfes und dann einer grinsenden Teufelsfratze annahm, die auf den Träumenden zukam. Nach geraumer Zeit blieben diese Angstträume weg. – Fünf Jahre später erlebte der Kunsthändler eine erste Hinwendung zum Christentum. Er fing an, zu beten und die Bibel zu lesen. Doch in dieser Zeit setzten neue Anfechtungen ein. Jedes mal, wenn er betete, hatte er das Gefühl, als ob eine unheimliche Gestalt hinter ihm stände, die ihn am Gebet hindern wollte. Dieser Kampf dauerte lange Zeit. Schließlich fiel der Angefochtene wieder in das Weltleben zurück. Es ging mehrere Jahre, da wandte sich der Kunsthändler während einer Evangelisation wieder Christus zu. Er kam zu mehreren seelsorgerlichen Aussprachen, in deren Verlauf er eine Entscheidung für Christus traf. Auch bei diesem neuen Erlebnis waren allerlei seelische Störungen und Widerstände zu überwinden. Es hat jetzt den Anschein, als ob der Kunsthändler bei dieser neuen Wendung verharren würde; denn er hat vor seinen Freunden offen von seiner neuen Lebenseinstellung gesprochen. Dieses Erlebnis darf mit seiner Zustimmung veröffentlicht werden.
In medizinischer Hinsicht braucht dieses Beispiel nicht ausgewertet zu werden, da der Kunsthändler in seinem Leben nie ernstlich krank war.
Der Psychologe und Traumanalytiker wird die Angstträume mit dem vorübergehenden Verlust der Diamanten und mit der von der Wahrsagerin suggestiv mitgeteilten Bedrohung seines Lebens in Verbindung bringen. …
Nicht so einfach wie die Traumanalyse ist das parapsychologische Problem dieses Falles. Woher hat die Chiromantin das Wissen um das Versteck der Diamanten? …
Die seelsorgerliche Seite dieses Falles bringt wieder die typische Abwicklung okkulter Auswirkungen. Wie in allen anderen Beispielen zeigen sich hier folgende Symptome okkulter Behaftung: Die Resistenz gegen das Wort Gottes, das Gefühl der körperlich-räumlichen Nähe einer unheimlichen Macht, die Erschwerung einer Entscheidung für Jesus Christus, die Rückfälligkeit ins frühere Leben, die sofortige Entstehung von seelischen Störungen und Anfechtungen bei dem Entschluß einer Umkehr zu Jesus Christus. Diese sich stets wiederholenden typischen Auswirkungen ermöglichen Rückschlüsse auf das Wesen der Chiromantie. …
B 39 Ein Flüchtlings-Brautpaar kam zur Anmeldung ihrer Trauung zum Geistlichen. Beim Verabschieden griff das Mädchen plötzlich nach der Hand des Pfarrers und rief aus: „Oh, Herr Pfarrer, wie interessant!“ Sie las dann unaufgefordert aus der spontan ergriffenen Hand. Wie der Pfarrer mir bestätigte, stimmten alle Angaben im Blick auf seine Vergangenheit, und alle Voraussagen erfüllten sich im Laufe der kommenden Jahre. Dieses ungewollte Erlebnis mit einer Chiromantin brachte hinterher dem Geistlichen allerlei ein. Er erzählte mir, dass er jahrelang in seiner Seelsorge geschädigt gewesen sei. Es habe einfach eine psychische und glaubensmäßige Hemmung auf ihm gelastet. …
Auf der Ebene unserer seelsorgerlichen Fragestellung zeigt dieses Beispiel, dass unbeabsichtigt empfangene Wahrsagung die gleichen seelischen Wirkungen hervorbringt wie die bewusst gesuchte mantische Beratung. Einschränkend muss auf psychologischer Basis gesagt werden, dass bei den berichteten Auswirkungen eventuell Angstmomente eine Rolle gespielt haben könnten. Das Wissen um die psychischen Folgen okkulter Vorgänge kann bei ängstlicher Verfassung entsprechende Effekte zeitigen. Ein neues Moment chiromantischer Praxis kommt durch das letzte Beispiel, das ich auf diesem Gebiet hier gebe, zum Vorschein.
B 40 Ein bestohlener Bauer rief einen Schäfer, der als Besprecher, Hellseher und Wahrsager einen großen Zulauf hatte, zu Hilfe. Tatsächlich konnte er stichhaltige Angaben über den Dieb machen. – Die Bauernfamilie hatte allerdings von diesem Zeitpunkt der okkulten Beratung an spukhafte Phänomene im Haus. Anlässlich einer Bibelwoche baten sie um meinen Rat. …
Damit muss die Reihe der chiromantischen Beispiele abgeschlossen werden, obwohl deren eine Unmenge vorliegt.
d. Rute und Pendel
… In der seelsorgerlichen Fragestellung unserer Untersuchung interessieren nun folgende Probleme:
a. Werden mit Rute und Pendel in der Erschließung der physikalischen Bodenbeschaffenheiten echte Ergebnisse erzielt?
b. Wie ist der Übertragungsmodus vom physikalischen Störfeld auf den sensitiven Rutler? Liegt eine Naturgabe vor oder eine mediale Fähigkeit?
c. Stellen sich bei den Rutlern und Pendlern oder bei den von ihnen beratenen Menschen psychische Störungen ein?
Zur Behandlung der Probleme sollen aus der Fülle des vorliegenden Materials einige Beispiele ausgewählt werden. Es ist bekannt, dass unter den Geologen wohl die Mehrzahl gegen das Rutenphänomen steht. Ich bekenne mich auch lieber zur Geologie als zu der umstrittenen Rutengängerei. Immerhin ist es nicht wegzuleugnen, dass gute Rutengänger im Quellensuchen enorme Erfolge haben. Ein derartiges Beispiel soll hier wiedergegeben werden.
B 43 Ein mir gut bekannter Bürgermeister eines Dorfes wollte in seiner Gemeinde einen neuen Brunnen graben lassen. Es wurde ein Universitätsprofessor, Direktor eines geologischen Instituts, als Sachverständiger herangezogen. Gleichzeitig ließ der Bürgermeister einen bekannten Rutengänger holen, der nicht nur Lage der Quelle, sondern sogar Tiefe und Stärke mit großer Genauigkeit angeben konnte. Der Professor, der schon mehrmals scharfe Artikel gegen die Rutengängerei veröffentlichte, war sehr ungehalten, als er von der Hinzuziehung eines Rutengängers hörte. Die „Diagnosen“ der beiden Konkurrenten waren ganz verschieden. Der Professor erklärte die Angaben des Rutengängers für nicht zutreffend und wies einen anderen Platz zu Bohrversuchen an. Die Lage des vom Rutengänger bezeichneten Quellortes war dem Bürgermeister und seinen Gemeinderäten wirtschaftlich günstiger. So entschieden sie sich für die Angaben des Rutengängers. Sie gruben nach Anweisung sieben Meter tief; es kam aber kein Wasser. Der Rutengänger wurde erneut geholt. Er begab sich selbst auf die Sohle des Schachtes. Die Rute wurde ihm fast aus der Hand geschlagen. „Noch einen halben Meter“, gab er zuversichtlich an. Man grub weiter. Die Angabe stimmte. Es quoll so viel Wasser heraus, dass der Erdarbeiter sich eiligst aus dem schräg angelegten Schacht entfernen musste. Die Gemeinde hatte damit eine ergiebige Quelle gefunden. Der beglückte Rutengänger erlebte hinterher sogar noch den Triumph seiner Rechtfertigung. Der Professor fuhr einmal mit dem Wagen durch das Dorf und erfuhr, dass nicht seine Angaben, sondern die Vermutung des Rutengängers mit glänzendem Ergebnis befolgt worden war. – Die These, dass der Rutenausschlag Schwindel sei, kann durch zwei weitere Beispiele widerlegt werden.
B 44 Einer meiner Freunde war Missionar in China. Er kämpfte auf dem Missionsfeld stets gegen die Rutengängerei der Geomanten, die für Brunnen und Bauplätze das Gelände abgingen. Er sah das für Schwindel der Götzenpriester an. Eines Tages bat ihn ein Geomant, die Rute doch selber einmal zu probieren. Er willfuhr dem Bittsteller. Das Ergebnis war überraschend. Die Rute schlug kräftig aus. Er hätte sich ebenfalls als Quellensucher betätigen können.
B 45 Ein Rutengänger suchte einen Garten nach einer Quelle ab. Hinterher nahm der Besitzer des Gartens, ein Arzt, die Rute in die Hand. Sie schlug an der gleichen Stelle aus. Ein zweiter Akademiker probierte das Experiment ebenfalls mit dem gleichen positiven Erfolg. Beide Akademiker waren bis zu diesem Zeitpunkt völlig desinteressiert an der Rutengängerei. Sie waren überrascht, dass dieser vermeintliche Humbug funktionierte. Bei diesem Quellensuchen schaute ich als Unbeteiligter zu.
Das sind nur drei Beispiele aus einer großen Reihe. Vier Jahre lang hatte ich Gelegenheit, die Tätigkeit eines sehr sensiblen Rutengängers zu beobachten und kritisch zu untersuchen. Es ist mir bei diesem Rutengänger in diesen vier Jahren nur ein Mißerfolg unter einer großen Zahl von Erfolgen bekannt geworden. Wenn auch der wissenschaftlichen Geologie stets das Primat in der Erschließung der physikalischen Bodenverhältnisse eingeräumt wird, so darf man doch nicht in einer gewissen Voreingenommenheit dem Rutengänger den Erfolg absprechen. Bemerkenswert ist, dass ich auf dieser physikalischen Stufe der Rutengängerei keine seelsorgerlichen Beispiele mit psychischen Störungen vorfand. Dieses Bild ändert sich aber, wenn wir die weiteren Probleme untersuchen.
Bevor dies geschieht, muss der Vollständigkeit halber in der Form eines kleinen Exkurses die Stellung anderer Sachkenner zur „physikalischen“ Anwendung der Rute erwähnt werden. Es wurde bereits gesagt, dass viele Geologen das Rutenphänomen ablehnen. Beachtenswert ist auch die Uneinigkeit der Evangelisten auf diesem Gebiet. Eine Reihe von ihnen sehen die Rutlerei zum Wassersuchen als Naturgabe an.
Demgegenüber steht die Meinung anderer Reichgottesarbeiter. Bei einer Konferenz von Schweizer Evangelisten im Sept. 1952, an der ich teilnehmen durfte, erklärten sich die führenden Männer, Pfarrer Eichin, Leiter der Zellerschen Anstalten, Oberingenieur Suter von Zürich und andere gegen das Wassersuchen mit der Rute und gegen die Abschirmung der „Erdstrahlen“. Sie sehen in jedem Fall in der Rutenreaktion etwas Dämonisches und wissen auch um psychische Störungen als Folge der Rutenanwendung zum Wassersuchen. Diese Uneinigkeit der Wissenschaftler und der Sachkenner unter den Reichgottesarbeitern zeigt, dass auch die einfachste Anwendung der Rute zum Wassersuchen umstritten ist. Dieses Problem steht bis zur Gegenwart als unerledigt noch weiterer Erforschung und Erhellung offen.
Um dem zweiten Problem des Übertragungsmodus näher zu kommen, müssen wir uns mit den psychischen Voraussetzungen der Radiästhesie auseinandersetzen. Die erste Tatsache, die bei der kritischen Untersuchung des Rutenphänomens deutlich wird, ist die Feststellung, dass die physikalische Erklärung nur zur Hälfte dieser Reaktion gerecht wird. Das geht daraus hervor, dass in Frankreich die Rute nach oben und in Deutschland die Rute nach unten ausschlägt. Ferner pflegen manche Rutengänger einfach Landkarten nach Quellenorten zu untersuchen. Es dürfte doch wohl jedem naturwissenschaftlich Denkenden klar sein, dass Druckerschwärze, Farbstoffe und Papier der Landkarte keine physikalischen Impulse des betreffenden Geländeteils vermitteln. Das physikalische Phänomen stellt demnach bei der Rutenreaktion nur die Hälfte des Vorganges dar. Der zweite, und zwar schwierigere Teil muss vom Pendelwissenschaftler, Psychologen und Parapsychologen geklärt werden.
Wenn Glahns umfangreiche Pendellehre nach diesem Gesichtspunkt untersucht wird, dann erhalten wir wertvollen Aufschluss. Er schreibt: „Eines ist sicher, die Betriebskraft für den Pendel liefert der Pendler selbst. Fortgesetztes Pendeln entnimmt dem Körper beachtenswerte Kräfte, es ermüdet sehr. Nur gesunde Menschen dürfen pendeln. Kränklichen Menschen ist die größte Mäßigung anzuraten.“ …
Damit sind wir bei einem neuen Phänomen der Radiästhesie. Nur der Organismus des „Sensitiven“ reagiert auf empfangene Impulse. Die Rutengängerei ist Veranlagung. Die Freunde nennen sie Naturgabe, die Parapsychologen sprechen gelegentlich von Mediumität, ein Theologe nannte sie Charisma, die Feinde nennen sie Schwindel. Nun haben wir zwar die Wahl, aber noch keine Klarheit darüber. Mit welchen Unterscheidungsmerkmalen können wir den Kern der Wahrheit enthüllen? Das einfache Bibelwort „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen …“ (Matthäus 7, 16a) kann uns entscheidender Wegweiser sein. Welche Früchte der Sensitivität treten denn bei der Radiästhesie in Erscheinung? Während auf der physikalischen Stufe Erze und Quellen gesucht werden – ein Vorgang, den man noch halbwegs begreifen kann -, werden auf der psychischen Stufe der Radiästhesie Phänomene gezeitigt, die parapsychologischen Charakter haben. Ein Beispiel wurde oben angedeutet. Mit Rute und Pendel werden auf einer Landkarte Quellen oder Erz- und Ölvorkommen gesucht. …
Damit wurden einige Hauptgebiete und Probleme der Mantik untersucht. Viele Spezialgebiete konnten in dem begrenzten Rahmen dieser Untersuchung nicht berührt werden. Sie sollen nach dem mantischen Katalog Schwendimanns wenigstens erwähnt werden: Arithmomantie (Zahlenwahrsagerei), Caffeemantie (Kaffeewahrsagung), Horoskopie (Sterndeutung), Geomantie (Punktierkunst), Kartenschlägerei, Kapnomantie (Rauchwahrsagung), Katoptromantie (Spiegelwahrsagung), Kristallomantie (Kristallwahrsagung), Kybomantie (Würfelwahrsagung), Leberwahrsagung, Molybdomantie (Bleigießen), Pyromantie (Feuerwahrsagung), Selenomantie (Mondwahrsagung), Solmantie (Sonnenwahrsagung), Somnimantie (Schlafwahrsagung), Tephramantie (Aschenwahrsagung). – Es ist das feste Fundament seelsorgerlichen Bemühens auf diesem Gebiet, dass Jesus Christus uns von diesem Drachenschwanz okkulter Praktiken erlöst hat. …
2. Die außersinnliche Beeinflussung (ASB)
In dem Abschnitt über die ASW wurden Phänomene behandelt, die nicht in das bisherige physikalische Weltbild passen. Es ist eine Erfahrungstatsache, die neuerdings auch durch die exakte wissenschaftliche Forschung bestätigt ist, dass es von Geist zu Geist und von Geist zu der Materie eine erkennende Beziehung und Wechselwirkung gibt, die sich keiner bekannten physischen Vermittlung bedient. In dem folgenden Abschnitt über die ASB wird zu diesem ersten Faktum des paraphysischen Erkenntnisaktes die Tatsache des parapsychischen Beeinflussungsaktes dargestellt. Als erstes Phänomen soll der magische Mißbrauch der Laienhypnose besprochen werden.
a. Die Laienhypnose
Die drei Hauptgebiete medizinischer suggestiver Therapie sind: die Wachsuggestivtechnik, die Hypnose, das autogene Training. … Eine sehr häufige Erscheinung, um deren Verständnis es hier geht, ist die religiöse und okkulte Verbrämung der Laienhypnose. Eine Reihe von Beispielen soll nun in dieses seltsame und verworrene Gebiet einführen und die psychischen Auswirkungen zeigen.
B 47 Bei einer Evangelisation kam eine Frau zur Aussprache. Sie beichtete, dass sie und ihre Freundin unter dem Einfluss eines Mannes stehen würden, dessen Willen sie in mehrfacher Hinsicht erfüllen müssten. Dieser Mann hätte eine derartige Gewalt über sie, dass sie gegen ihren Willen oder bei gelähmtem Willen Dinge treiben müssten, die sie verabscheuten. Sie wären ihm gegenüber sexuell widerstandslos, auch würden sie Diebstähle ausführen, die sie selbst nicht begriffen. Ihre Freundin stand z. B. eines Tages in ihrem Garten. Plötzlich kam wieder ein seltsamer Trieb über sie. Sie trat in den angrenzenden, fremden Garten und stahl dort Gemüse, obwohl sie in ihrem eigenen Garten selbst das gleiche Gemüse in großer Menge besaß. Diese stehlende Frau lebte in guten Verhältnissen, hatte das Stehlen keineswegs notwendig und verabscheute solches Handeln. Nach dem Gemüsediebstahl griff sie sich an den Kopf und fragte sich selbst: „Bin ich denn von Sinnen?“
Nach mehrmaligen Aussprachen mit der berichtenden Frau kam immer mehr Licht in diese Angelegenheit. Der Mann, dessen Willen die beiden Frauen in sklavischer Hörigkeit erfüllen mussten, war Besitzer des berüchtigten Zauberbuches 6. und 7. Buch Moses. Er übte im Zusammenhang damit Suggestionen und Besprechungen aus. Bei einem Besuch gab der Mann seine okkulten Praktiken zu und fand sich nach einigem Widerstreben dazu bereit, das Zauberbuch abzugeben, das dann sofort verbrannt wurde.
Mit dem Aufdecken dieser Zusammenhänge und dem Abbrechen jeglicher Beziehungen mit dem Besprecher fühlte sich die hilfesuchende Frau erleichtert. Allerdings entstand ein regelrechter Kampf, bis sie von dieser unheilvollen Suggestion frei war. Sie wurde von dem Augenblick der Beichte an zwar nicht mehr rückfällig auf dem Gebiet des sechsten und siebten Gebotes, aber sie empfand Wochen und Monate hindurch einen Widerwillen gegen das Wort Gottes und hatte starke Glaubensnöte. Ferner wurde sie immer wieder mit Depressionen heimgesucht. Da ein kleiner Kreis treuer Christen sich in der Fürbitte ernsthaft für sie einsetzte, machte die angefochtene Frau gute Fortschritte. Sie selbst nahm wiederholt seelsorgerliche Hilfe in Anspruch, besuchte treu die Gottesdienste und Bibelstunden und las trotz anfänglichen Widerwillens fleißig Gottes Wort. Nach einem Jahr war von ihrer ursprünglich okkult-hypnotischen Beeinflussung nichts mehr zu erkennen. …
In seelsorgerlicher Hinsicht ist die von okkulten Besprechern geübte Suggestion ein häufig beobachtetes Phänomen. In B 47 ist zunächst das Problem, welche Rolle diese Suggestion in dem bekannten Krankheitsbild der psychopathischen Zwangshandlungen spielt. Zu beachten ist, dass diese Zwangsantriebe mit der Bekanntschaft jenes Okkultisten einsetzten und mit dem Brechen dieser Bekanntschaft schlagartig aufhörten. Von der ersten Beichte an kam es nicht mehr zu den erwähnten Entgleisungen.
B 48 Ein Mädchen, das ich längere Zeit in seiner inneren Entwicklung beobachten konnte, litt unter Zwangshandlungen, die sie in hysteriformen Dämmerzuständen ausführte und hinterher nicht mehr wusste. Sie konnte z. B. Salz in die Milch schütten, Kleidungsstücke in den Bach werfen, Einrichtungsgegenstände mutwillig und gewaltsam zerstören und noch vieles mehr. Auffällig ist die sonst gute moralische Einstellung des Mädchens. Sie ist für geistliche Fragen aufgeschlossen. Die Psyche erscheint nicht sonderlich krankhaft.
In parapsychologischer Hinsicht liefert dieser Fall wieder interessantes Material. Die Mutter des Mädchens hatte die gleichen Zustände. Ein Nachforschen in der Familiengeschichte brachte die Feststellung, dass in dem Elternhaus lange Jahre das 6. und 7. Buch Moses zu Suggestionen und Besprechungen benützt wurde. Es ist nun keine absurde Idee, wenn die Zwangshandlungen von Mutter und Tochter damit in Verbindung gebracht werden. Wie wir in dem Abschnitt über das Besprechen noch sehen werden, wirkt okkulte Belastung bis ins 3. und 4. Glied einer Familie. Diese Tatsache mag dem Parapsychologen teilweise unglaubhaft erscheinen. Der Parapsychologe weiß allerdings davon, dass die mediale Fähigkeit oft in den Erbgang geht.
Dem Mediziner ist die Hypothese von einer im Erbgang weiterlaufenden okkulten Behaftung ein Skandalon, da für ihn noch nicht einmal die Tatsache der okkulten Behaftung feststeht. …
Es ist ja eine durch 600 seelsorgerliche okkulte Beispiele erhärtete Tatsache, dass lange okkulte Betätigung eine entsprechende seelische Konstitution, eine Anfälligkeit, einen Nährboden für mancherlei seelische Erkrankungen schafft. In einer großen Reihe von Fällen ist es gelungen, die okkulte Behaftung als eine speziell geprägte seelische Konstitution durch vier Generationen derselben Familie festzustellen.
Die seelsorgerliche Seite von B 48 muss noch kurz beleuchtet werden. Nachdem ärztliche Hilfe mehrfach in Anspruch genommen war, erhielt ich diesen Fall in die Seelsorge. Es ist selbstverständlich, dass die theologische Seelsorge in solchen Fällen niemals die fachärztliche Behandlung ersetzen soll. Zwangsneurotiker gehören immer in speziell fachärztliche Beratung. Der Seelsorger hat trotzdem eine zweite Aufgabe zu erfüllen. Es geht darum, dass der Patient Vertrauen zu Jesus Christus gewinnt und, wenn ihm die Gnade geschenkt wird, eine Glaubensentscheidung für Christus trifft. In dem vorliegenden Fall ließen sich Mutter und Tochter willig führen. Auch die anderen Angehörigen schlossen sich mit großer innerer Bereitschaft an. So konnte aus der ganzen Familie ein Gebetskreis gebildet werden, der sich täglich unter das Wort Gottes stellte und täglich Gebetsgemeinschaft pflegte. Der Segen Gottes blieb nicht aus. Von dem Tag der Bildung des Gebetskreises an blieben die ursprünglich fast täglichen abwegigen Impulshandlungen aus. Erst zwei Monate später traten wieder im Abstand von einigen Wochen vereinzelt kleine Zwangshandlungen auf. Ob das mit dem Nachlassen der Gebetstreue des Kreises zusammenhängt oder eine medizinische Ursache hat, will ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall hat sich der Zustand der Patientin seit der Hinwendung zu Jesus Christus gewaltig gebessert. Zu einer völligen Auslieferung des Lebens an Christus ist es nicht gekommen. Das mag mit ein Grund sein, dass noch vereinzelt Reaktionen auftreten.
B 49 Ein 38jähriger Handwerksmeister, ein nüchterner, real denkender Mann, kam zur seelsorgerlichen Aussprache und bekannte, dass er seelisch angefochten werde. Nach einigen vortastenden Fragen kam eine seltsame Lebensgeschichte zum Vorschein. Sein Vater war ein Spiritist, Astrologe, Magnetiseur und Hypnotiseur. Er führte mit seinen Angehörigen Experimente durch und wollte auch seinen heranwachsenden Kindern die okkulten Praktiken beibringen. Die Geschwister und die Tochter des Mannes beteiligten sich. Der Sohn – unser Handwerksmeister – lehnte diese Dinge ab und fühlte sich mehr zu der frommen Mutter hingezogen. Diese Ablehnung reizte den Vater, und er machte nun den Sohn zum Objekt seiner hypnotischen Experimente. Jahrelang wollte es ihm nicht gelingen, und er äußerte sich einmal verärgert, dass er den Sohn nicht unterkriege. Schließlich erreichte der Hypnotiseur beim Sohn einen zunehmenden Schlafzustand. Der Sohn begab sich daraufhin in nervenärztliche Behandlung, die den hypnotischen Zustand des Patienten bestätigte… Der Schlafzustand besserte sich rasch, als der Sohn dem Einfluß des Vaters entzogen war. Nach seiner Rückkehr von der Nervenklinik verschlimmerte sich wieder der Zustand. Doch bald gab es in der Familie einen Wandel durch den Tod des Vaters.
Der Sohn schilderte die merkwürdigen Begleitumstände seines Sterbens. Am Todestag saß der Sohn beim Vater und hielt dessen Hand. Da spürte er, wie aus den Fingerspitzen ein Schwachstrom oder eine gewisse magnetische Kraft entströmte. Auch sah er am Kopfende des Bettes eine höhnisch grinsende Gestalt stehen, die sich auf den sterbenden Vater herunterbeugte. Jedesmal, wenn die grinsende Gestalt sich niederbeugte, bekam der Sterbende Atemnot. 14 Tage nach dem Tod erschien der Verstorbene, von einer schwarzen Gestalt begleitet, die dem Sohn zurief: „Nimm dir das Leben! Dein Leben hat keinen Wert.“ Der Sohn fühlte eine Kälte an seinem Körper aufsteigen und seinen Willen erlahmen. Da rief ihm der Schwarze zu: „Hänge dich auf!“ Schließlich konnte der Angefochtene den Luthervers zitieren: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muss uns doch gelingen.“ Bei diesen Worten verschwand die schwarze Gestalt. Die Erscheinungen des Vaters, manchmal mit, manchmal ohne den Schwarzen, dauerten 1½ Jahre. Diese Visionen traten des Tages bei der Arbeit oder in der Nacht auf. Einmal gab ihm der Verstorbene den Auftrag: „Geh hin zu Luise (die Tochter des Verstorbenen) und sage ihr, sie soll aufhören mit der Astrologie und dem anderen Kram. Dann soll sie zum Pfarrer gehen und beichten, damit sie frei wird. Sonst kommt sie an den gleichen Ort, wo ich bin. Hier ist es nicht schön. Wenn du diesen Auftrag nicht ausführst, dann wirst du tödlich verunglücken. Erfüllst du den Auftrag, dann wirst du den Leuten Vergangenheit und Zukunft wahrsagen können.“ …
Nach einem Besuch bei einem Seelsorger hörten die Erscheinungen auf. In großen Zeitabständen setzten dann noch geringe seelische Anfechtungen ein. In einer solchen Krise kam er zu mir zur Aussprache. …
In seelsorgerlicher Hinsicht ist bedeutsam, dass der Angefochtene bei den unheimlich wirkenden Halluzinationen durch ein Bibelwort oder einen Liedervers der beunruhigenden Erscheinungen Herr wurde. Ferner ist zu beachten, dass bei Inanspruchnahme von seelsorgerlicher Hilfe die Halluzinationen ganz aufhörten und jetzt seit acht Jahren nicht wiederkehrten. Der Glaube an Jesus Christus und das damit verbundene persönliche Vertrauen auf eine tatkräftige Hilfe erweist sich immer wieder bei psychischen Störungen als ein beruhigendes und entspannendes Moment.
Es wären noch andere Formen des Mißbrauchs der Hypnose zu erwähnen. Es finden sich in der Seelsorge gelegentlich Beispiele für sexuelle und finanzielle Ausbeutung, obwohl das seltene Fälle sind, doch es ging in diesem Abschnitt nur um die gefährliche Kopplung von Magie und Laienhypnose. Wo diese beiden Gebiete zusammen zur Anwendung kommen, da entsteht bei den Betroffenen eine latente Behaftung, die für mancherlei psychische Störungen einen Nährboden darstellt. Es wäre deshalb wiederum im Interesse der seelischen Gesundheit unseres Volkes, dass die Gesundheitsämter eine gesetzliche Regelung anstrebten, nach der alle laienhafte Literatur zur Erlernung der Hypnose verschwindet. Nicht oft genug kann von der Seelsorge her das Unwesen der Scharlatane bloßgestellt werden.
b. Der Heilmagnetismus
Eine weitere Form der ASB ist die Anwendung der magnetischen Bestreichung. Geschichtlich ist dazu folgendes zu sagen: 1771 führte der französische Abbé Lenoble eine neue Heilbehandlung durch Belegen oder Bestreichen der kranken Körperstellen mit Stahlmagneten ein. Man könnte Lenoble daher als den Begründer von der Heilwirkung des unbelebten Magnetismus bezeichnen. Einen Schritt weiter in dieser Frage führte Mesmer, der die Lehre vom animalischen oder tierischen Magnetismus vertrat. Mesmer lehrte, dass der gesunde Mensch sich aus dem magnetischen Kraftfeld der Erde magnetisch volladen und dann durch Bestreichen mit den Händen kranke Menschen heilend beeinflussen könnte.
Lenobles und Mesmers Anschauungen wurden von dem englischen Arzt Braid in andere Bahnen gelenkt. Er erklärte, es handle sich nicht um eine magnetische, sondern um eine seelische Beeinflussung und nannte das Hypnose. Von dieser Zeit an lagen beide Richtungen im Widerstreit. Die Vertreter der Hypnose sagen, der animalische Magnetismus sei nur eine Vorstufe des Hypnotismus. …
E 10 Einer tief hypnotisierten Dame gab er ein gefülltes Glas Wasser in die Hand und ließ sie ihre „Nervenkraft“ in das Glas Wasser ausscheiden. Nach fünf Minuten stellte er das Glas zu gleichen Gläsern auf die Seite und ließ eine dritte Person hereinkommen und die Gläser durcheinander stellen. Darauf stach Tischner mit einer Pinzette in die Gläser. Die VP gab jedes mal genau an, in welches Glas ihre Nervenkraft ausgeschieden war. Die Versuchsbedingungen, die hier nicht alle beschrieben werden, waren so angeordnet, dass die Phänomene wie Telepathie oder unwillkürliche Muskelbewegungen nicht in Frage kamen. Worin die Ladung des Glases bestand, konnte Tischner nicht sagen. Nur die Tatsache stand fest, dass die Ausscheidung einer Substanz erfolgt war.
Diese Experimente sollen nur die Voraussetzung für die Behandlung der seelsorgerlichen Probleme im Zusammenhang mit dem sogenannten Heilmagnetismus schaffen. In der Seelsorge geht es nicht um „magnetische Experimente“, sondern nur um die Behandlung der psychischen Störungen, die eventuell einer Heilbehandlung durch einen Magnetiseur folgen. Ein Beispiel soll die Reihe der Fragen eröffnen.
B 50 Eine Frau mit nervösen Herzstörungen ließ sich vom Magnetiseur wöchentlich zweimal magnetisch bestreichen. Der Magnetopath fuhr mit den gespreizten Fingerspitzen der Wirbelsäule der Frau von oben nach unten entlang und machte dann mit der Hand Schleuderbewegungen, als wollte er etwas aus den Fingern schütteln. Die Frau spürte bei dieser Behandlung eine wohltuende Entspannung. …
In seelsorgerlicher Hinsicht sind viele solcher magnetischen Beahndlungen ohne Befund. Es lassen sich dann nur psychische Störungen nachweisen, wenn der Heilmagnetismus mit magischen Praktiken gekoppelt wird, ein Phänomen, das sehr häufig beobachtet wird. Ein derartiges Beispiel soll folgen.
B 51 Ein Student kam zur Aussprache und bekannte seine seelischen Nöte. Er litt unter Depressionen, vereinzelten Zwangsvorstellungen, Widerwillen und Ekel gegen Gottes Wort, obwohl er Theologie studierte. Wenn er beten wollte, schnürte es ihm die Kehle zu. Diese Zustände hatte er als Kind, als Schüler und beim Beginn des Studiums nicht gehabt. Eine nervenärztliche Untersuchung führte zu keiner Klärung seines Leidens. …
Da ruckartig einsetzende Depressionen und Zwangsvorstellungen bei vorher nichtpsychotischen und nichtpsychopatischen Menschen häufig ein Symptom einer okkult bedingten psychischen Störung sind, wurde in dieser Richtung eine Anamnese durchgeführt. Es kamen erstaunliche Dinge ans Licht. Der Student geriet in einen Kreis junger Männer, in dem ein starker Magnetiseur verkehrte. Dieser Magnetiseur gab in diesem Kreis oft Beweise seiner magnetischen Kraft. Wer seine gespreizten Finger berührte, fühlte einen Schwachstrom pulsieren. Der Student geriet unter den Einfluß dieses Magnetiseurs und erlitt eine starke seelische Bindung. Die Hörigkeit wurde so stark, dass er schon nach Art einer telepathischen Fernwirkung (Mentalsuggestion) das Eintreffen des Magnetiseurs spürte. Einmal war ich selbst Zeuge dieser Vorahnung. Auf dem Weg zum Gottesdienst sagte der Student plötzlich zu mir: „Er kommt wieder.“ Wir setzten uns auf die Empore der Kirche, und obwohl der Magnetiseur ein völlig unkirchlicher und unchristlicher Mann war, tauchte er doch in der Kirche auf und ging an uns vorüber. Später war ich dann noch einmal im Kreis einiger Studenten Zeuge von dieser merkwürdigen, starken magnetischen Kraft dieses Mannes. Durch die Not des Studenten veranlaßt und durch die persönliche Bekanntschaft des Magnetiseurs angespornt, war es mir ein großes Anliegen, dass der Student aus dem Bann suggestiver Verhaftung dem Magnetiseur gegenüber frei wurde. Acht Monate lang war ich fast zweimal in jeder Woche mit dem angefochtenen Studenten zusammen. Schließlich wurde er durch den Glauben an Jesus Christus von dieser Hörigkeit los. Damit verschwanden auch die Depressionen, Zwangsvorstellungen, Widerwille gegen Gottes Wort und Gebet.
Es ist eine Erfahrungstatsache der Seelsorge, dass in allen Fällen, bei denen Heilmagnetismus mit Magie oder Spiritismus gekoppelt wird, die schon zur Genüge bekannten Nachwirkungen auftreten. Oft sind die Magnetiseure geradezu gezwungen, außer dem Magnetisieren noch andere okkulte Praktiken wie Besprechen, Pendeln usw. auszuüben. Von vier Patienten, für die der tägliche „magnetische Vorrat“ reicht, kann der Magnetiseur nicht leben. Wenn er dann nicht als erfolgloser Heilpraktiker gelten will, muss der Magnetiseur sich noch anderen Heilmethoden zuwenden. Da viele Magnetiseure und Magnetopathen daher außer der Anwendung der natürlichen magnetischen Kräfte noch okkult arbeiten – zum Beispiel einen medialen Magnetismus entwickeln – ist vor jeder Behandlung durch solche Heilpraktiker gründlich die geistliche Einstellung des Betreffenden zu prüfen.
c. Das magische Besprechen
Der Internist Prof. Dr. Walter Seitz, München, erklärte in einem Vortrag: „Die psychosomatische Betrachtungsweise, d. h. die Erkenntnis von den Zusammenhängen zwischen dem Seelenleben und den körperlichen Vorgängen, hat in der Medizin eine große Wende hervorgerufen. Wir sind wieder zu der Erkenntnis gekommen, dass Störungen des Seelenlebens oft die Ursache für sehr schwere körperliche Erkrankungen sein können.“
Dieser Konnex zwischen dem seelischen und organischen Bereich wurde bereits in dieser Untersuchung zu der These von dem Kreislauf der psychoorganischen Korrespondenz geformt. Über den Weg der seelischen Kräftepyramide können Erkrankungen im organischen Bereich Störungen des Seelenlebens hervorrufen. …
Die psychosomatische Schule hat den Vorgang des Besprechens bereits in den Kreis ihrer Forschung einbezogen. Als Beispiel aus der Praxis sei folgendes angeführt:
B 52 Ein mir gut bekannter Arzt fragte einen Universitätsprofessor, der die psychosomatische Betrachtungsweise pflegt, nach einem wirksamen Mittel gegen Warzen. Er erhielt prompt die Antwort: „Das einzig gute Mittel dagegen ist das Besprechen.“
Dieser medizinische Besprechungsvorgang wird nicht in diese Untersuchung einbezogen. Er ist lediglich ein Beispiel dafür, dass man sich der Verbindung zwischen Körper und Seele immer mehr in der Geschichte der Medizin bewußt wurde.
An dieser Stelle soll im Anschluß an B52 in Form eines Exkurses auf den Einwand eines anerkannten Sachkenners der parapsychologischen Probleme eingegangen werden. Er widerspricht der Anschauung, dass der Gebrauch okkulter Fähigkeiten eine Übertretung des ersten Gebotes darstellt, und dass die okkulte Betätigung notwendig seelische Störungen mit sich bringt. Dazu ist von der Sicht dieser Arbeit folgendes zu sagen: Es werden in dieser Untersuchung neutrale Naturkräfte nicht geleugnet. Unter den gesammelten 600 Fällen sind diagnostische Beispiele mit der Rute, ferner telepathische, teleästhetische, heilmagnetische u. a. Fälle ohne erkennbare psychische Störungen. …
Außerdem besitze ich Beobachtungen, dass auch Tiere solche geheimnisvollen Naturkräfte besitzen, wenn sie z. B. auf Reizstreifen der Erdoberfläche oder auf Erscheinungen, die dem Menschen unsichtbar bleiben, reagieren. Im Blick auf diese neutralen Kräfte ist der obige Einwand berechtigt. Wenn es sich aber in 15jähriger systematischer und exakt kritischer Beobachtung herausgestellt hat, dass beim Heilmagnetismus die neutrale zur okkulten Anwendung sich etwa wie 1 zu 10 verhält, dann ist hier höchste Alarmstufe gegeben. Aus diesem Grunde ist in der vorliegenden Arbeit die neutrale Anwendung der geheimnisvollen Naturkräfte nur am Rande vermerkt.
In dem Begriff „okkult“ ist daher der neutrale Faktor entsprechend dem Gewicht, den er in der Praxis hat, wenig berücksichtigt. Das muss bei der Beurteilung der erzielten Ergebnisse berücksichtigt werden. Die Berechtigung dazu liegt in folgender Beobachtung. Den Parapsychologen interessiert zum größten Teil nur die wissenschaftliche Erforschung der okkulten Phänomene, ohne dass er auf die psychischen Begleiterscheinungen wesentlich achtet. Diesem Übelstand hat der Seelsorger zu begegnen aus der Überzeugung heraus, dass der lebende Mensch, das Geschöpf Gottes, über die Probleme der Wissenschaft geht.
Hier in diesem Abschnitt über das magische Besprechen geht es um das magische, antigöttliche Besprechen. Für dieses Besprechertum liegt eine schier unerschöpfliche Fülle von Material vor.
Viele evangelistische Dienste in Süddeutschland, Schweiz und Österreich in den letzten 15 Jahren brachten in der Seelsorge eine große Zahl von Besprechungsfällen, die ein Studium des Besprechungsvorganges ermöglichten. Im Vergleich zu anderen okkulten Phänomenen steht das Besprechen an erster Stelle.
Bevor jedoch zur grundsätzlichen Erörterung übergegangen wird, sollen einige Beispiele in die Problemlage einführen.
B 53 Bei einer Evangelisation kam ein junger Mann zur Aussprache. Er klagte über Lästergedanken, Schwermut, starke sexuelle Anfechtungen, Jähzorn und andere Störungen seines inneren Befindens. Außerdem erlitt er seltsame Anfechtungen, die er nicht näher beschreiben konnte. Um Epilepsie handelte es sich nicht, da er bei vollem Bewußtsein blieb und auch nicht dabei zu Boden fiel.
In medizinischer Hinsicht blieb eine Anamnese ohne besonderen Befund. …
Auf einen psychopathischen Befund könnten die Lästergedanken hinweisen, die von den Psychotherapeuten als ein Symptom der Zwangsneurose angesehen werden. Ich will dieser medizinischen Beurteilung nicht widersprechen, aber zu denken gibt mir, dass alle Fälle mit Lästergedanken, die ich beraten musste, okkulte Erlebnisse im Hintergrund hatten.
In parapsychologischer Sicht war dieser Fall ein typischer Besprechungsfall. Der junge Mann wurde als Kind bei einer organischen Erkrankung von seinem Vater zu einem Schäfer gebracht, der den Jungen besprach. Die organische Krankheit verschwand, dafür aber traten seelische und charakterliche Störungen auf.
Auf der seelsorgerlichen Ebene müssen wir uns mit diesem Fall noch einmal besonders befassen. Soviel kann jetzt schon gesagt werden, dass der junge Mann durch die Hinwendung zu Jesus Christus seelisch gesund wurde.
B 54 Eine junge Frau war gelähmt. Ihre Mutter wollte die Gesundung der Tochter erzwingen und ließ sie, wie sie es bei allen Kindern zu tun pflegte, besprechen. Die Gesundung trat ein, aber nach dem Besprechen setzten Bewußtseinsstörungen mit Tobsuchtsanfällen ein. Die Frau musste in eine Pflegeanstalt verbracht werden. Die anderen besprochenen Töchter und der Sohn haben ebenfalls psychische Störungen.
B 55 Bei einer Evangelisation erschien eine sechzigjährige Frau und klagte über seelische Nöte mancherlei Art: Depressionen, Widerwillen gegen Gottes Wort, obwohl sie unter Tränen den Weg zu Christus suchte und Ihm nachfolgen wollte. Seit 45 Jahren begehrte sie Vergebung ihrer Schuld und konnte einfach nicht glauben.
Nach einer medizinischen Anamnese, die vor allem auf die Ursachen der Depression abgestimmt war, erfolgte eine Anamnese der okkulten Beziehungen. Die Frau erzählte, dass sie als Kind bei einer Augenerkrankung vom Vater zu einer alten Besprecherin, zur „alten Winklere“, gebracht wurde, die das Augenübel durch Besprechen und Wegblasen tatsächlich beseitigte. Später wurde das Kind bei Erkältungskrankheiten wieder mit raschem Erfolg besprochen.
Auf seelsorgerlicher Ebene fällt auf, dass das Mädchen, das schon in der Konfirmandenzeit suchend und erweckt war, nicht glauben konnte, obwohl es Jesus Christus nachfolgen wollte. Wenn man auch in Erwägung zieht, dass Depressive besondere Glaubensnöte haben, so ergibt sich hier wieder das typische Bild okkulter Behaftung, die sich in einem Widerwillen gegen das Wort Gottes und das Gebet und in einer Unfähigkeit zu einer Glaubensentscheidung bemerkbar macht.
B 56 Eine Missionarsfrau berichtete, dass sie als Kind bei heftigen Zahnschmerzen von einem Mann besprochen wurde. Der Besprecher ritzte sich mit einem Messer ein Kreuz auf die Brust und nahm mit seinem Schmerz die Schmerzen des Kindes weg. Die Zahnschmerzen ließen sofort nach. Später wurde bei anderer Gelegenheit wieder okkulte Hilfe in Anspruch genommen. Bei dem besprochenen Mädchen entwickelten sich mediale Fähigkeiten, vor allem Hellsichtigkeit und Telepathie. Diese Hellsichtigkeit, die sich vor ihrer Lebenswende zu Christus hin auf profane Dinge erstreckte, wandte sich nach ihrer Bekehrung religiösen Inhalten zu.
Hier ergibt sich in parapsychologischer Hinsicht das sehr häufige Phänomen, dass der Besprechungsvorgang die Entwicklung medialer Fähigkeiten, vor allem der Hellsichtigkeit, begünstigt. Beachtenswert ist der Ritus der Schmerzübertragung, der bei den Primitiven in ähnlicher Weise vorkommt. Es handelt sich hier um eine Art Analogiezauber.
B 57 Ein Mann ging zum Besprecher, ließ sich von ihm beraten und nahm dessen Arznei. Das körperliche Leid verschwand, dafür stellten sich psychische Störungen und die Auslösung der Hellsichtigkeit ein. Der Sohn dieses Mannes litt von Jugend auf an Schwermut, Lästergedanken, periodischen Depressionen und Anfechtungen mancherlei Art.
In parapsychologischer und seelsorgerlicher Hinsicht treten hier bedeutsame Phänomene zutage: die Entwicklung zur Hellsichtigkeit, die Verlagerung vom körperlichen zum seelischen Leid, die psychischen Störungen im Leben des Sohnes. Das sind alles Symptome, die zum typischen Bild der Besprechungsfolgen gehören.
B 58 Ein fünfzigjähriger Fabrikant kam zur Aussprache. Er litt periodisch vor allem in hellen Mondnächten an depressiven Zuständen mit Jähzorn- und Tobsuchtsanfällen, Zerstörungswut, Ekel vor Gottes Wort und Selbstmordgedanken. Nach der Vollmondnacht waren die Anfälle vorüber. Der Mann war dann religiösen Fragen gegenüber aufgeschlossen, las das Wort Gottes und wollte Jesus Christus nachfolgen.
In der parapsychologischen Fragestellung ist beachtenswert, dass der Fabrikant als Kind in einer Vollmondnacht besprochen wurde. Welche Zusammenhänge bestehen nun zwischen der medizinischen und der parapsychologischen Diagnose?
Eines ist klar, dass der Fabrikant kein Schizophrener und kein Psychastheniker war. Ob eine endogene Depression vorlag, ist ebenfalls fraglich. Auf seelsorgerlichem Gebiet ist bedeutsam, dass der Mann im Verlauf vieler seelsorgerlichen Aussprachen und durch Einsatz eines Gebetskreises ohne ärztliche Behandlung durch die Hinkehr zu Jesus Christus frei wurde und seit 16 Jahren frei blieb.
B 59 Eine Frau mit einem organischen Leiden ließ sich besprechen und erfuhr damit eine rasche Heilung. Doch von dieser Zeit an stellten sich psychische Leiden, vor allem Wahrnehmungsstörungen in Form von akustischen Halluzinationen, ein. Sie hörte und sah Spukerscheinungen, von denen sie jahrelang gequält wurde. Schließlich hatte sie noch einen außergewöhnlich schweren Todeskampf.
Parapsychologisch und seelsorgerlich ist wieder die Folge von organischer Gesundung und seelischer Erkrankung festzuhalten. Der Besprechungsvorgang ist fast immer nur eine Transformation vom Organischen zum Psychischen. In den folgenden Besprechungsbeispielen soll das in einigen Fällen schon angedeutete Phänomen von dem in drei bis vier Generationen der Besprecherfamilien durchlaufenden Bild seelischer Störungen deutlich gemacht werden.
B 60 Ein Mann berichtet in der seelsorgerlichen Aussprache, in der es um psychische Störungen des Hilfesuchenden ging, folgenden Sachverhalt: „In unserem Dorf gab es keinen Arzt. Meine Urgroßmutter verstand sich auf allerlei absurde Heilkünste, vor allem auf das Besprechen. Sie war die viel zu Rate gezogene ,Ärztin‘ des Dorfes. Daneben galt sie als fromme Frau, weil sie bei dem Besprechungsvorgang die drei höchsten Namen nannte. Obwohl sie für alle Krankheiten an Mensch und Tier einen Zauber hatte, konnte sie doch nicht den seelischen Leiden in der eigenen Nachkommenschaft steuern. Von ihren Kindern bis zu ihren Urenkeln sind die mannigfachsten psychischen Störungen vertreten.“
B 61 Ein Mädchen klagte in der Aussprache über verschiedene seelische Anfechtungen wie Glaubensnöte, Jähzorn, starke Geschlechtlichkeit, Depressionen usw. Die Anamnese okkulter Beziehungen ergab ein interessantes Bild. Die Großmutter war eine langjährige Besprecherin. Ihr ältester Sohn, der Vater des Mädchens, wurde von Selbstmordgedanken geplagt. Der zweite Sohn hängte sich auf. Ihre erste Enkelin hatte Tobsuchtsanfälle. Die zweite Enkelin ist unser B 61.
Bei allen diesen Beispielen ist die Fragestellung: Was ist das Primäre, die okkulte Betätigung oder irgendeine Psychopathie oder Psychose?
B 62 Ein Schwarzwälder Viehbesprecher arbeitete mit dem 6. und 7. Buch Moses. Er leitete seinen Besprechungsvorgang mit drei Teufels Namen ein. Nach jahrelanger erfolgreicher Heiltätigkeit verwirrte sich sein Geist. Er kam in eine Irrenanstalt. Zwei seiner Kinder erlitten das gleiche Los. Die ganze Familie hatte psychische Störungen in mehreren Gliedern der Nachkommenschaft.
B 63 Eine christliche Frau erzählte in der Aussprache von den tiefen seelischen Nöten ihrer Familie. Der Großvater arbeitete mit Zauberbüchern und führte okkulte Experimente durch. Schließlich wurde er blind. Er verbrannte seine Zauberbücher und warnte seine Kinder, sie möchten nicht seine okkulte Praxis weiterführen, er wäre davon blind geworden. In der Nachkommenschaft ergab sich ein erschütterndes Bild psychischer Abnormitäten. Der Sohn war Trinker. Die Enkelin ist hellsichtig. Sie sieht die Luft, das Haus, die Straßen voll mit Geistern. Fünf seiner Urenkel sind alle geistig nicht normal, teils auf psychopathischer, teils sogar auf psychotischer Basis. Nur ein Glied aus dieser okkult behafteten Ahnenreihe fand den Weg zu Jesus Christus, unser B 63. Da sie im Hause mit den anormalen Angehörigen zusammenleben muss, ist sie großen seelischen Belastungen ausgesetzt. Wenn in der Nacht die geisteskranke Nichte fürchterlich zu lachen anfängt, dann betet sie mit ihrem christlich eingestellten Mann. Es ist daraufhin Poltern zu hören, dann wird es wieder still im Hause.
Der Psychiater wird in den Gehörshalluzinationen der einzig normalen Person dieser kranken Ahnenreihe vielleicht eine psychische Ansteckung erblicken, wenn er sie nicht gar als induziertes Irresein oder als genuine Wahrnehmungsstörungen diagnostizieren will. Zu betonen ist, dass diese Poltergeräusche nicht nur von dieser Frau, sondern auch von ihrem Mann und den anderen Angehörigen gehört werden.
B 64 Bei einer Evangelisation suchte eine Bauersfrau Rat und Hilfe in seelischer Anfechtung. Von ihrem 40. Lebensjahr an war sie schwermütig, hatte Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus, obwohl ihr das leid tat. Sie besuchte stets die Kirche und die Bibelstunden einer Gemeinschaft. Sie wollte oft beten, konnte aber nicht. Ihre Tochter hatte die gleichen seelischen Störungen schon von dem 12. Lebensjahr an. Die Frage nach okkulten Beziehungen brachte wieder das übliche Bild. Der Großvater, also der Urgroßvater des zwölfjährigen Mädchens, war Besprecher und „Arzt“ seiner eigenen Kinder. Er besaß nur einen „kräftigen Spruch“, der immer half, und der jeweils vom Vater auf den ältesten Sohn weitergegeben wurde. Neben dieser Heiltätigkeit durch das Besprechen las die Familie täglich Morgen- und Abendsegen und betete. Das Besprechen wurde für nichts Böses angesehen. Ein Zusammenhang zwischen der okkulten Heilmethode und den psychischen Störungen der Familie wurde nicht erkannt.
B 65 Bei einer Bibelwoche kam ein 21jähriger junger Mann zur Aussprache. Von Jugend an litt er unter Schwermut, psychogenen Dyskinesien wie Tremor und Ticbewegungen, gesteigerte Sexualität usw.. Medizinisch ließe sich das depressive Syndrom leicht unter der Melancholie und die Dyskinesien unter der Hysterie einordnen. Die spezielle Ausprägung der psychischen Störungen veranlaßten mich aber doch, die Anamnese der okkulten Beziehungen durchzuführen. Die mit Hilfe des jungen Mannes angestellte Nachforschung in der Familiengeschichte brachte erstaunliches Material zum Vorschein. Bis in das vierte Glied dieser Familie lassen sich aktive okkulte Praktiken nachweisen. Der Urgroßvater (1. F. Gl.) war ein Experte auf dem Gebiet okkulter Praxis. Er beherrschte das Besprechen von Menschen, Tieren und Pflanzen mit Hilfe des 6. und 7. Buches Moses, ferner die Telekinese. Später schaffte er seine Zauberbücher fort. Dieser Mann starb unter fürchterlichen Schmerzen und unter Verbreitung eines penetranten Geruches. Seine Schwester (2. F. Gl.), die den magischen Sprüchen gegenüber skeptisch war und sie als Humbug ansah, benutzte einige Male im Scherz die Besprechungsformeln des 6. und 7. Buches Moses. Sie spürte im Laufe der folgenden Wochen eine Veränderung ihres seelischen Gleichgewichtes, wurde irrsinnig, erlitt Tobsuchtsanfälle, hörte Stimmen, führte Zwangshandlungen aus und endete in der Pflegeanstalt. In der großelterlichen Reihe lief die magische und psychische Linie weiter. Die Großmuter (Tochter vom 2. F. Gl.) hatte Tobsuchtsanfälle und Zerstörungswut. Sie zerschlug ihre Möbel und war zweimal in der gleichen Nervenheilanstalt wie die Mutter. Ihre Schwester (4. F. Gl.) hatte visuelle, und akustische Halluzinationen und Verfolgungswahn. Sie gab ihrem Enkel wiederholt den Auftrag, den Menschen zu sagen, sie sollten sich zu Jesus Christus bekehren, es wäre entsetzlich, von bösen Geistern geplagt zu sein. In Momenten der Bewußtseinstrübungen legte sie sich auf die Straße und schrie laut. Eine weitere Schwester der Großmutter (5. F. Gl.) hörte Stimmen, die ihren Tod ankündigten. Die unglückliche Frau kam ebenfalls in die Nervenheilanstalt. Bei einer vorübergehenden Besserung wurde sie wieder entlassen. Da stürzte sie sich mit ihren beiden fünf- und achtjährigen Kindern einen 40 m hohen Felsen hinunter. Alle drei waren tot.
In der elterlichen Reihe ging die gleiche Tradition weiter. Die Schwester der Mutter (6. F. Gl.) war Kartenlegerin, Pendlerin und Besprecherin in Mondnächten. Als Pendel benutzte sie ein dickes Gebetbuch, auf dem über Kreuz der Hausschlüssel gebunden war. Ihre Besprechungsformeln leitete sie mit den drei höchsten Namen ein. In der geschwisterlichen Reihe herrschten die gleichen psychischen Nöte. Der älteste Bruder des Berichterstatters war hellsichtig, Sprechmedium und erlebte Spaltungserscheinungen. Er experimentierte auf dem Gebiet der Exkursion der Seele und wollte im Zustand der psychischen Partizipation China und Indien besucht haben. Er kam später wegen Verfolgungswahn und wahrscheinlich wegen Schizophrenie in die Nervenheilanstalt. Die älteste Schwester (8. F. Gl.) des Berichterstatters ließ die jüngste Schwester (9. F. Gl.), die an Lungentuberkulose erkrankt war, in einer Vollmondnacht besprechen. Man hieß den Besprechungsvorgang in ihrem Heimatort „Messen gehen“. Diese Besprecherin hatte, wie verschiedene Glieder dieser Ahnenreihe, uneheliche Kinder. Als das zehnte Familienglied in dieser magischen und psychotischen Ahnenreihe war unser Berichterstatter mit psychischen Störungen behaftet. Bemerkenswert ist noch, dass nicht nur die Menschen seltsame Phänomene erlebten, sondern auch in dem Haus objektive Spukerscheinungen gesehen und gehört wurden. Ab 7 Uhr abends setzte ein Krachen ein, wie wenn jemand von der Decke auf den Steinboden aufschlagen und sich den Schädel zerbrechen würde. Dann wurde der Schemel hochgeschleudert und mit Wucht auf den Boden geschlagen. Auch andere Spukerscheinungen zeigten sich in verschiedenen Generationen dieser Sippe.
Für den Psychiater scheinen diese Fälle klar zu sein. Er wird ohne Zweifel zuerst an die erbliche Schizophrenie denken und das hemmungslose magische Brauchtum mit als ein Symptom und als eine Folge der Psychose ansehen.
In seelsorgerlicher Hinsicht ist ein hoch zu bewertendes Faktum, dass unser Berichterstatter als Nachkomme einer so kranken Ahnenreihe nach verschiedenen seelsorgerlichen Aussprachen den Weg zu Jesus Christus fand und eine volle seelische Gesundung erlebte. Diese seelische Heilung ist eine Erfüllung des Petruswortes: „… losgekauft … von den Vätern überlieferten Wandel, …“ (1. Petrus 1, 18)
B 66 Eine junge Frau kam während einer Evangelisation zur Aussprache. Sie klagte über seelische Anfechtungen und Lebensüberdruß. Dann wurde sie ferner von Anfällen heimgesucht, die nach Aussage des Arztes nicht epileptischer Natur waren. Der Arzt bezeichnete sie als Angstanfälle. Da die ärztliche Behandlung zu keiner Linderung ihres Leidens führte, begehrte sie seelsorgerlichen Rat. Die Anamnese der okkulten Beziehungen brachte seltsame Zusammenhänge zum Vorschein. Der Urgroßvater war Besprecher. Er hängte sich auf. Der Großvater setzte die väterliche Tradition fort. Er wurde eines Tages von einem umstürzenden Heuwagen totgedrückt. Das Leben seines Bruders endete durch den Hufschlag eines Pferdes. Dessen Sohn war erfolgreicher Viehbesprecher, der von den Bauern stets geholt wurde. Drei Viertel der Ställe des Dorfes wurden von ihm besprochen. Sein Ende war schrecklich. Er erwürgte seine Frau und tötete dann sich selbst. Seine Schwester sprang in den Ziehbrunnen vor dem Haus und ertränkte sich. Im vierten Glied stand die junge Frau, die unter psychischen Störungen und Angstanfällen litt. Ein Mord, zwei tödliche Unglücksfälle, drei Selbstmorde ist die schreckliche Bilanz dieser Familie.
In medizinischer Hinsicht ist zu beachten, dass es sich in B 66 nicht um schizophrene Menschen handelt wie vielleicht in B65. Diese Männer standen als tatkräftige Bauern im Leben. Von depressiven Zuständen war wenig zu beobachten.
Als bemerkenswertes Faktum auf seelsorgerlichem Gebiet ist zu verzeichnen, dass die junge hilfesuchende Frau sich Jesus Christus zuwandte und daraufhin einige Monate von Anfällen frei blieb. Wie es heute um diese Frau steht, ist mir unbekannt, da ich keine Verbindung mit ihr habe. Ein weiteres schon mehrfach angedeutetes religionsgeschichtliches Phänomen ist die starre Abwehr gegen Gottes Wort, wo Besprechungsvorgänge in großer Häufigkeit geübt werden. Das Dorf, in dem jener bekannte Viehbesprecher drei Viertel aller Viehställe besprochen hatte, ist wie ein ehernes Bollwerk gegen Kirche, Gottes Wort und christlichen Veranstaltungen jeder Art.
Nach diesen 14 Beispielen aus erster Hand soll nun die Problematik des Besprechungsvorganges untersucht werden. Die erste Frage ist der Modus des Besprechens. Es gibt analog zu dem Ritus der Schwarzen und der Weißen Magie einen „schwarzen“ und einen „weißen“ Besprechungsvorgang. Das schwarze Besprechen wird mit drei Teufels Namen eingeleitet und wendet sich an die finsteren Mächte, das weiße Besprechen wird mit den drei höchsten Namen eröffnet und soll die „göttlichen“ Kräfte in den Dienst des Menschen stellen. Der Zauberspruch, der zur Anwendung kommt, wird meist nur halblaut gesprochen und gemurmelt. Das Zauberwort wird gelegentlich mit einer Zauberhandlung unterstrichen oder mit einem Übertragungszauber oder Schutzzauber verknüpft.
Zauberhandlungen sind: Bestreichen, Anblasen, Bespucken, mit „Osterwasser“ besprengen, mit Asche einer verbrannten Schlange, Kröte, Fledermaus oder mit Knochenkohle beräuchern uam.
Der Übertragungszauber hat den Sinn, die Krankheit eines Menschen auf einen Hund, eine Leiche, einen Stein usw. zu „bannen“, d. h. zu übertragen. Beim Schutzzauber gibt es wieder Schwarze und Weiße Magie. Ein schwarzer Schutzzauber ist z. B. das Tragen eines Wappen-Amuletts von Luzifer. Ein weißer Schutzzauber ist z. B. das Tragen eines Amuletts, auf dem der Psalm 29 geschrieben steht.
Viele Amulette religiösen Inhaltes haben nur die Bedeutung eines magischen Schutzzaubers, ganz gleich, ob sie einen Bibelspruch oder ein Heiligenbild oder einen religiösen Weihspruch zur christlichen Verbrämung haben. Die Verwendung der drei höchsten Namen oder der religiösen Symbole ist eine verhängnisvolle Tarnung und Irreführung, der viele Christen weithin zum Opfer fallen.
Die Äquivalenz des schwarzen oder weißen Besprechungszaubers zeigt sich zunächst in den gleichgerichteten psychischen Auswirkungen. Ferner ist die Gleichwertigkeit dieses Vorganges in einer einfachen theologischen Überlegung erfaßbar. Der Besprecher, der mit Hilfe Gottes oder des Teufels eine Heilung erzwingen will, steht diesen transzendenten Mächten als einer gegenüber, der über sie verfügen will. Das wird in dem bekanntesten Besprechungsbuch 6. und 7. Buch Moses im 1. Kapitel deutlich, wo Anleitung gegeben wird, sich den Hilfsgeist zu unterwerfen und die transzendente Macht zu überwältigen. Theologisch gesehen ist ein solches Unterfangen die Urrebellion: Der Mensch befiehlt der transzendenten Macht, der Mensch will über die Gottheit verfügen. Diese Hybris ist die Grundposition der Magie, die dem Theologen das Verständnis des Wesens des magischen Besprechungsvorganges leicht macht.
Die nächste Frage befaßt sich mit den Objekten des Besprechens. Zum überwiegenden Teil werden vor allem kranke Menschen und nächtlich schreiende Säuglinge besprochen. Dann kommen in zweiter Linie wertvolle kranke Haustiere wie Pferde und Rinder in Frage. Während meiner Amtszeit im Schwarzwald und auf der Baar beobachtete ich vielfach das Viehbesprechen. Viele Bauern sind der Meinung, das Besprechen sei billiger als der Tierarzt und helfe schneller. In der dritten Reihe werden Pflanzen (Obstbäume) besprochen, damit der Ertrag größer werde. In der vierten Reihe werden Katastrophen, Großfeuer im Dorf, Waldbrände, Hochwasser, Vulkanausbrüche besprochen. …
Das nächste Problem ist die Frage nach den Effekten des Besprechungsvorganges. Die Auswirkungen, die aus der jahrelangen Beobachtung seelsorgerlicher Beispiele als Regelfälle des Besprechens auftreten, lassen sich nach verschiedenen Richtungen hin gruppieren.
In charakterlicher Hinsicht zeigen sich akute und pertinente Affektsteigerungen. Magisch besprochene Menschen neigen zu Jähzorn, explosibler Reizbarkeit, mimosenhafter Empfindlichkeit, gesteigerter Sexualität. Die ganze Gefühlswelt zeigt eine gewisse extreme Note. Magisch Besprochene werden zu labilen Charakteren, die durch geringe seelische Belastungen aus dem Gleichgewicht kommen und dranghaften Verstimmungszuständen mit dem Charakter der affektiven Tenazität unterworfen sind. Es handelt sich hier um eine Art vorpsychopathische Stufe mit nicht genau abgrenzbaren, fließenden Übergängen und Ansatzpunkten zur Psychopathie.
In pathologischer Hinsicht entwickeln sich bei den magisch Besprochenen Symptome, die sich psychiatrisch nur teilweise in das Krankheitsbild der Melancholie einfügen lassen wie Schwermut, Trübsinn, Depressionen, Lebensunlust, Selbstmordgedanken usw. Diesem Krankheitsbild nicht adäquat sind die ungehemmten geistigen Fähigkeiten.
In geistlicher Hinsicht treten Symptome auf wie Resistenz gegen Gottes Wort und Gebet, Immunität gegen das Pneuma, antichristliche Fixation – Momente, die sich nicht alle unter nur psychischen oder psychiatrischen Sachverhalten unterbringen lassen. Selbstverständlich wird zugegeben, dass normale Fälle der Depressionskranken mit ihren Denk- und Willenshemmungen auch im geistlichen Leben Glaubenshemmungen haben.
In parapsychologischer Hinsicht zeigt sich bei den magisch Besprochenen die Entwicklung medialer Fähigkeiten. In großer Häufigkeit findet sich als sekundäre Auswirkung gewöhnlich erst in der zweiten und dritten Besprechergeneration, selten schon in der ersten Generation die Hellsichtigkeit. Es ist eine empirische Tatsache, dass in vielen Fällen, wo das UB einer VP wiederholt magisch angesprochen wird, sich Hellsichtigkeit entwickelt. In den bisherigen seelsorgerlichen Beispielen ist das in B1, B4, B20, B24, B33, B37, B40, B49, B56, B57, B59, B63, B65 ersichtlich. Außer diesem Phänomen entwickelt sich in vielen Fällen eine allgemeine Mediumität zusammen mit der Fähigkeit der psychischen Partizipation. Der Grad der Mediumität entspricht der Intensität der Mobilisation des UB.
In tiefenpsychologischer Hinsicht zeigt sich als Folge magischer Besprechung das außerordentliche Phänomen, dass die psychischen Auswirkungen bis in die dritte und vierte Generation weiterlaufen. Um dieses Phänomen deutlich zu machen, soll zuerst einiges über die Struktur des UB gesagt werden. Prof. Brauchle unterscheidet drei Schichten des UB: „Die oberste Schicht ist das persönliche UB, in dem Kindheitserinnerungen, vergessenes und verdrängtes Erlebnisgut aufbewahrt wird. Die Mittelschicht enthält die Eingrabungen der Familien-, Stammes- und Rassengeschichte. Familienerlebnisse gehen als Runen des Schicksals in den Erbgang und werden in der Geschlechterfolge festgehalten.“ – „Manchmal ist die Färbung einer seelischen Erkrankung deutlich familiär bedingt“ (Brauchle). …
Es geht hier nun um das in den Fällen B 24, B 60, B 61, B 62, B 63, B 64, B 65, B 66 aufgezeigte Phänomen der Vererbung psychischer Störungen in der Form einer seelischen Konstitution oder einer ausgeprägten psychischen Erkrankung wie z. B. Depression. Magisches Besprechen hinterläßt bei intensiver Durchführung in der mittleren Schicht des UB Engramme, die in den Erbgang gehen und für die nächste Generation einen latenten Herd für seelische Erkrankungen darstellen. Diese seelische Konstitution erfährt um so sicherer eine Entfaltung in den nächsten Generationen, wenn eine weitere psychische Provokation durch okkulte Betätigung der Nachkommen hinzukommt. Engramme können durch Nachlassen okkulter Betätigung in den folgenden Generationen schnell abklingen, andererseits durch magisch arbeitende Nachkommen übersteigert und als dominante Anlage in den nächsten Erbgang gehen. Auf diese Weise lässt sich die Entwicklung starker Medien erklären.
Wenn drei Generationen alle aktiv magisch gearbeitet haben, tritt in der vierten Generation eine intensive Mediumität auf. Zwei oder drei hintereinanderfolgende Besprechergenerationen entwickeln, wie schon gesagt, in erster Linie Hellsichtigkeit, dann aber auch Somnambulismus, psychische Partizipation und eine allgemeine gesteigerte Sensivität für paranormale Phänomene. Magisches Besprechen hat also nach den bisherigen Ergebnissen als Primäreffekt psychische Störungen, als Sekundäreffekt die Entwicklung medialer Fähigkeiten. …
In medizinischer Hinsicht muss noch auf den Heilungsvorgang eingegangen werden. Es liegen Berichte über eine große Zahl von Heilungen vor, die im Zusammenhang mit magischer Besprechung erfolgten. Bei allen von mir auf lange Zeit beobachteten Fällen handelt es sich um Scheinheilungen. Entweder die Erkrankung trat nach längerer Pause wieder auf, oder es war nur eine Verlagerung erfolgt, eine Transformation vom Organischen zum Psychischen.
Eine solche Verschiebung der Symptome kennt die Psychotherapie ebenfalls als Ergebnis der Suggestivbehandlung. Nach diesem medizinischen Hinweis muss noch einmal der tiefenpsychologische Problemkreis der magischen Besprechung angeknüpft und weitergeführt werden. …
Die letzte Frage im Zusammenhang mit dem magischen Besprechen schneidet zwei schon aufgezeigte Probleme dieser Untersuchung an:
Erstens: Gibt es eine sogenannte okkulte Behaftung?
Zweitens: Welche Beziehung besteht zwischen der okkulten Behaftung und den seelischen Erkrankungen?
Nach den bisherigen Darlegungen ist dazu folgendes zu sagen: Wenn unter okkulter Behaftung ein neues Krankheitsbild psychischer Störungen verstanden werden soll, so ist nach rein medizinischen Gesichtspunkten diese Annahme als Fiktion abzulehnen. Fast alle psychischen Störungen, die sich in den seelsorgerlichen Beispielen zeigen, lassen sich in irgendein Krankheitsbild der Psychiatrie oder Neurologie einordnen, wenn man von den theologischen Momenten des psychischen Störungsbildes absieht. Lediglich hinsichtlich der Ursachen solcher Störungen richtet die Seelsorge gegenüber der Medizin ein Ausrufezeichen auf. Wenn die medizinische Wissenschaft in der Kernpsychik die gleiche rapide Entwicklung nimmt wie die Naturwissenschaft in der Kernphysik, dann werden wir noch eine Reihe von Überraschungen erleben.
Was die Seelsorge in einer Zusammenschau vieler seelsorgerlicher Fälle ahnt und weiß, dass es eine suggestive Steuerung psychischer und organischer Vorgänge gibt, findet heute in der psychosomatischen Betrachtungsweise seine Entsprechung. In dieser Hinsicht ist die Medizin mit der theologischen Seelsorge einig. Noch zu wenig beachtet wird von der Medizin die magische Form der Suggestion in allen parapsychologischen Phänomenen, die das UB des okkulten Praktikers oder des okkult Beeinflußten als Medium benutzen.
Die psychischen Komplikationen, die aus dieser magischen Besprecherpraxis entstehen, nennen wir okkulte Behaftung.
Damit es in Zukunft zwischen der Theologie und Medizin keine Mißverständnisse und keine Kompetenzstreitigkeiten gibt, muss hier ausdrücklich gesagt werden, dass es sich bei dem Begriff „Okkulte Behaftung bzw. Belastung“ um einen theologischen Begriff handelt. Es klingen allerdings innerhalb dieses theologischen Begriffes eine Menge von medizinischen Fragen auf, wie die bisherige Untersuchung zeigt.
In dem zweiten Problem geht es um das Verhältnis zwischen der okkulten Behaftung und den seelischen Störungen. Der Kernpunkt ist die Frage nach causa und effectus. Sind die psychischen Störungen Folge okkulter Betätigung, oder ist der Wust magischen Brauchtums Folge einer psychischen Störung, etwa eines hemmungslosen Psychopathen oder der Süchtigen, die sich gern der Zauberpraktiken bedienen?
Von biblischer Warte aus ist als Hauptargument das zweite und erste Gebot entgegenzuhalten. Wer mit den drei höchsten Namen Weiße Besprechungsmagie treibt, will über Gott verfügen. Er setzt sich über Gott und kann nicht dem Gericht der Worte entrinnen: „ … Denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht. … Denn Ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied derer, die Mich hassen, …“.
d. Die Fernbeeinflussung (Mentalsuggestion)
Bei dem Phänomen der Fernbeeinflussung handelt es sich um eine Fernübertragung von seelischen Kräften. Dieses Phänomen ließe sich zur Spezialbehandlung unter der Rubrik der Telepathie, der Hypnose und des Magnetismus einordnen, da die bei der Fernbeeinflussung auftretenden Symptome sich auch in jenen Teilgebieten finden.
B 67 Bei zwei Evangelisationen in Bern erfuhr ich von einem befreundeten Missionar und noch einem anderen Gewährsmann folgende Tatsache: In der Nähe des Thunersees lebt und wirkt ein viel zu Rate gezogener Heilpraktiker. Name und Wohnort ist mir bekannt. Da die schweizerischen Gesetze es nicht zulassen, dass Besprecher und andere okkulte Scharlatane für ihre Konsultationen Honorare nehmen, beschreitet dieser Besprecher andere Wege, um sich finanziell zu sichern. Wer nach der Behandlung nicht freiwillig die fünf oder zehn Franken hinlegt, kann auf dem Bahnhof nicht in den Zug steigen. Durch Fernbeeinflussung hat der magische Besprecher seine Patienten in der Gewalt. Die Bahnbeamten wissen von dieser Tatsache und sagen lachend solchen Reisenden: „Bringen Sie erst dem … fünf Franken, dann können Sie abreisen!“ Soweit der Bericht der beiden Gewährsleute.
Beispiele über finanzielle und sexuelle Ausbeutung durch Suggestion tauchen in der Seelsorge gelegentlich auf. Es sind allerdings seltene Fälle. Bei der Sichtung solcher Beispiele müssen selbstverständlich Psychotische mit ihrem sexuellen Verfolgungswahn ausgeschieden werden. Es geht hier nur um Fälle, wo sonst gesunde Menschen durch Suggestion mißbraucht werden. In B47 und B51 tauchte bereits das Problem der Fernbeeinflussung auf. Ein weiteres Beispiel über suggestive sexuelle Vergewaltigung soll folgen.
B 68 Ein lediger Akademiker gewann im Zusammenhang einer seelsorgerlichen Beratung das Vertrauen eines unbescholtenen, anständigen Mädchens. Es entstand im Laufe der Zeit eine seelische Freundschaft, bei der sich bei dem Mann, aber nicht beim Mädchen, erotische Gefühle entwickelten. Aus der seelischen Freundschaft entwickelte sich ein suggestiver Einfluß des Mannes auf das Mädchen. Es kam so weit, dass das Mädchen unter dem suggestiven Einfluß des Mannes wie in Schlaftrunkenheit sich dem Mann hingab. Hinterher griff sie sich in jähem Entsetzen an den Kopf. Doch sie vermochte sich nicht mehr seinem suggestiven Einfluß zu entziehen. Sie wurde sogar nachts suggestiv von dem Manne gerufen. Sie ging dann im somnambulen Zustand nachts in die Wohnung des Mannes. Nach dem Erwachen packte sie Angst und Ekel. Sie sprach sich daraufhin bei einem älteren Evangelisten, einem Freund von mir, aus. Es war dem Mädchen ein ehrliches Anliegen, aus der suggestiven Gewalt des Mannes frei zu werden. Sie vereinbarte mit dem Evangelisten folgenden Weg der Hilfe. Der Evangelist wachte nachts in einem Sessel im Vorzimmer sitzend, durch welches das Mädchen bei ihren somnambulen Gängen stets ging. Tatsächlich öffnete sich zu vorgerückter Nachtstunde die Türe. Das Mädchen schritt murmelnd durch das Vorzimmer und flüsterte halblaut vor sich hin: „Du rufst mich, und ich soll den Brief mitbringen …“ Der wartende Evangelist rief die Somnambule mit Namen. Sie zuckte zusammen, ließ einen Brief fallen und wachte auf. Der Evangelist durfte den Brief, den das Mädchen gerade an jenem Tag erhalten hatte, lesen. In dem Brief ersuchte jener Mann das Mädchen, über ihre Beziehungen zu schweigen. Er bot ihr als Entgelt 200,- Mark an. Vermutlich war sich der Mann der Gefährlichkeit des Briefes als Beweismittel gegen ihn bewusst geworden, weil er am gleichen Tag dem Mädchen mental suggerierte, sie sollte kommen und den Brief mitbringen.
In seelsorgerlicher Hinsicht ist zu erwähnen, dass das Mädchen aus dieser suggestiven Hörigkeit völlig frei wurde. Der Evangelist hatte allerdings von dem Tage an einige Zeit lang seltsame Verfolgungserlebnisse. Der Verdacht lag nahe, dass jener Mann die Kraft der Fernbeeinflussung zur Rache an dem Evangelisten einzusetzen versuchte.
In der Literatur über die okkulten Fragen findet sich in Holmstens Buch ein Beispiel von sexueller Hörigkeit durch Suggestion. Ferner bringt er ein Beispiel zu der in die Ferne wirkende Kraft der Gedanken mit der von K. F. Meyer erwähnten Episode von dem ferngelenkten Buchhalter. Derartige Phänomene finden gegenwärtig ihre Bestätigung in den Berichten über den Führer einer amerikanischen Sekte von Schwarzen, der sich Father Divine anreden lässt und bekannt ist durch seine Mentalsuggestion. Wenn erkrankte Glieder der Sekte an Father Divine einen Telefonanruf oder ein Telegramm abgehen lassen, soll nach Eintreffen der Nachricht der Erkrankte gesund werden durch mentalsuggestive Fernheilung bzw. magische Fernbesprechung. … Beruhigend ist nur zum Teil die Tatsache, dass die Fähigkeit der Fernbeeinflussung ein sehr seltenes Phänomen ist.
e. Schwarze und Weiße Magie
In der Seelsorge treten vor allem Fälle auf von Formen der Schwarzen und Weißen Magie. Die Schwarze Magie verwendet für den Zauberspruch und die Zauberhandlung als magisches Vorzeichen die Anrufung des Teufels oder der Dämonen. Die Weiße Magie verwendet in magischer Form die drei höchsten Namen, Bibelsprüche, ganze Psalmen oder sonstige geistliche Symbole. In der Seelsorge finden sich unter beiden Formen der Magie folgende prinzipielle Anwendungsgebiete:
Schwarze Magie – Verfolgungszauber, Rachezauber, Abwehrzauber, Heilungszauber usw.
Weiße Magie – Schutzzauber, Abwehrzauber, Heilungszauber, Fruchtbarkeitszauber usw.
Der Verfolgungs- und Rachezauber findet sich nur unter der Schwarzen Magie. Hierher gehört auch der Todeszauber bei den Primitiven, z. B. bei den Papua auf Neu-Guinea. Die anderen Zauberpraktiken finden sich unter beiden Formen. Einige Beispiele sollen in die Problematik und in die Fragestellung des seelsorgerlichen Anliegens einführen.
B 69 Eine Frau berichtet in der seelsorgerlichen Aussprache, dass ihr zwölfjähriger Junge eine Zeitlang nachts immer um die gleiche Zeit fürchterlich schrie. Da der Junge tagsüber keine Beschwerden hatte, kam der Mutter diese nächtliche Szene unheimlich vor. Sie ging zu einer Okkultistin, die ihr erklärte: „Ihr Sohn wird magisch verfolgt. Sie müssen einen Abwehrzauber gebrauchen. Legen Sie abends vor dem Schlafengehen eine gespreizte Schere auf die Fensterbank, dann wird der Verfolgungszauber unwirksam.“ Die Mutter handelte nach diesem Rat. Verblüffend war nur, dass die nächtlichen Schreiszenen tatsächlich aufhörten.
Medizinisch ist zu diesem Fall wenig zu sagen. Es handelt sich hier kaum um die Wirksamkeit einer schwarzen Verfolgungsmagie und Abwehrmagie, sondern um irgendeine Schlafstörung des Sohnes, wie z. B. nächtliches Aufschreien, Angstträume, Sprechen im Schlaf usw..
Seelsorgerlich zeigten sich keine psychischen Schäden. Es war ein menschliches Verschulden der Mutter, dass sie nicht den Arzt konsultierte und eine Schuld vor Gott, dass sie ihre Zuflucht zur Magie nahm.
B 70 Ein Bauer, der nie in seinem Leben psychische Störungen hatte, kam früh aus der Kriegsgefangenschaft heim. Sein Kamerad, ein Nachbarssohn, war noch vermißt. Dessen Mutter trug schwer an dem Schicksal ihres Sohnes und gönnte nicht dem Heimkehrer aus der Nachbarschaft seine Freude. Aus dieser menschlich verständlichen Spannung heraus entwickelten sich bei dem Heimkehrer Angstträume. Er hatte im Schlaf das Gefühl, die Nachbarin würde ihn erdrosseln. Manchmal sah er sie im Traum und hörte sie sprechen: „Du mußt noch verrecken!“ Der angefochtene Mann suchte einen Okkultisten auf, der ihm erklärte: „Du wirst von der Nachbarin magisch verfolgt. Ich tue etwas dafür. Gehe heim. Die Sache macht sich.“ Tatsächlich blieben die Angstträume von da an aus.
Einige Zeit später erschien der Heimkehrer wieder beim Okkultisten und erklärte ihm, dass er zwar von der Verfolgung frei wäre, aber jetzt wäre die Nachbarin hinter dem Vieh her. Ein Stück nach dem anderen würde eingehen. Der Besprecher versprach, diese Angelegenheit auch zu erledigen. Er gab ihm Zettel mit einem Zauberspruch mit. Diese sollte er dem Vieh unter das Futter mischen. Es geschah so. Und wieder trat der verblüffende Erfolg ein. Die Viehseuche verschwand. Im dritten Akt dieser magischen Tragödie entstanden dann bei dem Heimkehrer Anfechtungen, in deren Verlauf er zur seelsorgerlichen Aussprache kam. …
In seelsorgerlicher Hinsicht liegen bei der Beratung des Heimkehrers zwei Fragen vor. Erstens der Hinweis, dass er sich mit seinen seelischen Komplikationen an den Arzt wendet und sich gründlich untersuchen und beraten lässt. Zweitens hat der theologische Seelsorger die Aufgabe, dem Mann die Verwerflichkeit und Gefährlichkeit seiner magischen Beratung zu zeigen. Die Nachbarin hätte dabei ja ungerechterweise in den Ruf der Hexerei geraten können. Ferner ist ihm der Weg zu Jesus Christus zu zeigen. Wie die Schwarze Magie praktisch gehandhabt wird, soll jetzt ein Beispiel zeigen.
B 71 In einem Dorf soll ein großes Obstbaumgrundstück verkauft werden. Es sind mehrere kauflustige Interessenten dafür da. Schließlich gelingt einem reichen Bauern der Kauf. Eines Morgens jedoch stellt er mit Entsetzen fest, dass 30 junge Obstbäume auf dem gekauften Grundstück abgesägt sind. Er erstattet sofort Anzeige. Der Polizei gelingt es nicht, den Täter zu ermitteln. Da greift der Geschädigte zu einem Verfolgungszauber der Schwarzen Magie. Er nimmt nach der Hausschlachtung den frischen Schweinenabel und hängt ihn mit einem Verwünschungsspruch in den Kamin. So wie der Nabel im Rauch langsam verschmort, so soll der unbekannte Täter in langsamem Siechtum dahinsterben. Ein halbes Jahr nach diesem Zauber stirbt einer der Interessenten jenes Grundstückverkaufes. Der „Schwarze Magier“ ist nun überzeugt, dass seine Rache den Täter erreicht habe. – Für so dunkle abergläubische Volksgebräuche erübrigt sich jede Erklärung. Auf diesem Weg entstand Hexenwahn und Hexenverbrennung, eines der dunkelsten Kapitel der menschlichen Kulturgeschichte.
Ein weiteres Beispiel zeigt einen Brauch der magischen Abwehr:
B 72 Eine Frau stellte die Untreue ihres Mannes fest, der sich eine Freundin hielt. In ihrer Not suchte sie eine magisch arbeitende Okkultistin auf, die ihr einen Abwehrzauber verriet. Die betrogene Frau vergrub in einer Vollmondnacht mit einem Zauberspruch ein Hemd ihres Mannes. In dem Maße, wie das Hemd in der Erde vermoderte, sollte die Liebe ihres Mannes zu seiner Freundin abnehmen.
Das Schlimme an solch magischen Praktiken ist die Leichtgläubigkeit und die Bereitschaft der Hilfesuchenden, solchen Unfug mitzumachen, statt auf vernünftigen Wegen Rat und Hilfe zu suchen.
Häufig findet sich die Schwarze Magie in Verbindung mit Experimenten nach dem 6. und 7. Buch Moses. Ob das folgende Beispiel dazugehört, ist nicht ganz erwiesen.
B 73 Eine Frau klagte in der seelsorgerlichen Aussprache über Schwermut, Lebensüberdruß und dergleichen. Auch ihr Kind sei so geplagt. Nachts würde das Kind pünktlich um 12 Uhr zu schreien anfangen. Um 1 Uhr würde man dann die Stimme der Schwiegermutter, die 80 km weit weg wohnte, hören: „Schweig!“ Dann würde das Kind sofort verstummen.
In parapsychologischer Hinsicht ist bedeutsam, dass starke okkulte Beziehungen vorliegen. Die Frau war jahrelang aktive Kartenlegerin. Ihre Schwiegermutter besaß das 6. und 7. Buch Moses und übte magische Besprechungen. Die Möglichkeit besteht am Rande, dass der pavor nocturnus des Kindes, der immer eine Stunde dauert, durch Mentalsuggestion beendet wird. Diese Möglichkeit wird nur deshalb erwähnt, da in der Seelsorge die außerordentlich seltene Fernbeeinflussung fast immer mit der Besprechungspraxis im Zusammenhang mit dem 6. und 7. Buch Moses auftritt. Wer von der suggestiven Kraft der Experimentatoren mit dem 6. und 7. Buch Moses nichts weiß, muss natürlich diese Annahme, die nur als letzte Möglichkeit erwähnt wird, als absurd ablehnen.
In seelsorgerlicher Hinsicht ist beachtenswert, dass die Frau sich Jesus Christus zuwandte und zusehends von ihrer depressiven Behaftung frei wurde.
B 74 Ein Mann in der Schweiz war Besprecher und Experimentator auf dem Gebiet der Schwarzen Magie. In dem Haus, in dem er seine schwarze Kunst trieb, sahen die Angehörigen, insgesamt vier Personen, Spukerscheinungen wie z. B. einen großen Hund, eine alte Frau, einen weißen Mann, Schlangen usw..
Da diese Spukerscheinungen nur von den Angehörigen des Magiers gesehen wurden, lag subjektives Geschehen vor. Es war vermutlich eine Bewußtseinsstörung mit irgendeiner exogenen Ursache. Beachtlich ist die ermüdende Häufigkeit derartiger Phänomene im Zusammenhang mit okkulter Betätigung. Die bisherigen Fälle waren alle noch einigermaßen einfach gelagert. Es gibt aber auf dem Gebiet der Schwarzen und Weißen Magie so verworrene Dinge, dass es sich nicht mehr die Mühe lohnt, alle Teilphänomene zu entwirren. Ein solches Beispiel soll den Schluß dieser Reihe bilden.
B 75 Bei einer Evangelisation in der Schweiz kam eine seelisch angefochtene Frau zur Aussprache. Sie entrollte ein völlig okkult verseuchtes Familienleben. Ihre Großmutter war eine Besprecherin. Man verdächtigte sie deshalb in der eigenen Familie, sie würde nachts die elf Kinder ihres Sohnes plagen. Als es den Eltern der nächtlich schreienden Kinder zu schlimm wurde, suchten sie drei Solothurner Mönche auf, die im Ruf standen, sie würden Weiße Magie treiben. Die Mönche versprachen Abhilfe in kurzer Frist. Seltsamerweise starb drei Tage später die Besprecherin. Der Vater der elf Kinder – Sohn der Besprecherin – behauptete, er habe zur Todesstunde seiner Mutter zwei schwarze Frauen vom Hause wegeilen sehen. Soweit der Bericht der angefochtenen Frau über ihre Familie. Dann fügte sie noch ein persönliches Erlebnis bei. Ihre Großmutter brachte ihr als Schulkind einen Besprechungszauber, einen Bannspruch bei, den sie einmal noch als zwölfjähriges Kind mit Erfolg anwandte. Sie schritt einer ihr verhaßten Frau drei Schritte genau in ihren Fußstapfen nach und murmelte dabei den Bannspruch. Darauf sollte die Frau stehen bleiben müssen. Der Spruch funktionierte. Die Frau blieb stehen, drehte sich um und rief: „Du Teufelskröte, mach, dass du fortkommst!“ Sie sprang vor Angst weg. Dann konnte die Frau weitergehen.
Das ist ein Beispiel, das die Form der Schwarzen Magie durch die alte Besprecherin und die Weiße Magie in dem Abwehrzauber der Solothurner Mönche enthält. Die okkult Gläubigen schwören darauf, dass diese Zauberpraktiken funktionieren. Für unsere Untersuchung genügt die Feststellung, dass es immer seelisch zerrüttete Familien sind, die auf diese Weise magisch arbeiten. Der wissenschaftlichen Forschung wird von diesen okkulten Vorgängen nur sehr wenig standhalten. Der geringe Rest echter Phänomene wird in seinem Prinzip noch besprochen werden.
Die Weiße Magie hat den gleichen Charakter wie die Schwarze Magie, nur dass sie unter religiösem Gewand erscheint, eine Tatsache, die viele irreführt. Hier handelt es sich um eine raffinierte Tarnung der Magie. Paulus sagt dazu: „Wie stimmt Christus mit Belial überein? …“ (2. Korinther 6, 15a). Es ist schon gesagt worden, dass es ein Faktum der Urrebellion darstellt, wenn der Mensch versucht, Gott seinen Plänen gefügig zu machen. Tatsächlich zeigt sich auch in der Seelsorge, dass die psychischen Auswirkungen der Schwarzen und Weißen Magie die gleichen sind.
Es müssen nun einige grundsätzliche Fragen der Schwarzen und Weißen Magie besprochen werden. Zuerst soll uns wieder der Modus des magischen Vorganges interessieren. Die magische Handlung besteht aus dem Vorzeichen (Anrufung des Teufels oder Gottes), dann Spruch und eventuell noch eine Symbolhandlung. Ein Übertragungszauber der Schwarzen Magie ist z. B.: Schweinefleisch im Urin eines Kranken kochen und dann unter einem Heilspruch einem Hunde füttern. Der Hund soll daraufhin eingehen, und der Kranke soll genesen. Ein Heilungszauber der Weißen Magie ist z. B.: Walnußblätter mit einem aufgeschriebenen Bibelspruch ungelesen essen. Ein Fruchtbarkeitszauber der Weißen Magie zur besseren Trächtigkeit des Viehs z. B. ist, Frauenhaare zwischen zwei Brote legen und dem Vieh füttern. Das Wesen der Magie besteht aber nicht in Heilungssprüchen, sondern in der Verfolgung von verhaßten Personen und in der Abwehr solcher Angriffe von Feinden.
Damit kommen wir zum Unterscheidungsmerkmal von der einfachen magischen Besprechung der Krankheiten. Das magische Besprechen bezweckt nur die Heilung, die Fruchtbarkeit und Abhilfe gegen Naturkatastrophen, aber nicht die Verfolgung und Abwehr von Feinden. Obwohl die Schwarze und Weiße Magie auch Heilungs- und Fruchtbarkeitszauber hat, ist das Kernproblem dieses Zweiges: Bannen und Lösen.
Das schwierigste Problem der Schwarzen und Weißen Magie ist die Frage nach der Echtheit der Phänomene. Hat man es hier in allem nur mit einem törichten Volksaberglauben zu tun, oder wird hinter diesen Phänomenen eine unbekannte Kraft wirksam? Geht vom okkulten Experimentator eine Energie aus, die zum Angriff und zur Abwehr benutzt werden kann? …
Für biblisch orientiertes Denken ist die Schwarze und Weiße Magie ein Skandalon. Vorzeichen, Inhalt, symbolische Gestaltung der magischen Sprüche stehen in extremer Opposition zum Geist des Wortes Gottes. Wo Teufel oder Gott zum Handlanger des Menschen gemacht werden sollen, da spielt sich der Mensch als Herr auf, da ist Empörung gegen die Schöpfungsordnung. Wo der Mensch seine Flucht zur Dinglichkeit wie Sargnägeln, Leichenwagen, Sargholz, vergrabenen Hemden, Amuletten jeder Art, Vollmondzauber, Osterwasser, Fetischen, Frauenhaar, Speichel, Urin, Knochenkohle, Tierleichen usw. nimmt, da ist Flucht vor dem Schöpfer, da ist Götzendienst, da ist Belial und nicht Christus! Bei dieser Sachlage spielt die naturwissenschaftliche Beurteilung der Magie eine untergeordnete Rolle; denn da rückt dieses Phänomen in den Bereich des Gottesglaubens, in die Domäne der Theologie.
In der seelsorgerlichen Fragestellung geht es also im zentralen Anliegen nicht um die Echtheit der magischen Phänomene, nicht um Erfolg oder Mißerfolg, sondern um die dabei entstehenden psychischen Störungen und ihre seelsorgerliche Behandlung. Es ist eine empirische Tatsache der Seelsorge: Wo Schwarze und Weiße Magie betrieben wird, sind psychische Störungen in der Familie.
f. Blutsverschreibungen
Eines der seltsamsten Gebiete des Okkultismus sind die Blutsverschreibungen. Bevor mir dieses Phänomen in der Seelsorge begegnete, hielt ich es nur für Auswüchse des mittelalterlichen Teufelsglaubens. Bereits in der Legende von Theophilus von Adana trat das Motiv des Teufelspaktes auf. In der Epoche des Hexenglaubens wurde dieses Motiv allgemein bekannt. In der profanen Erzählliteratur ist der Teufelspakt ein Motiv der Raubrittergeschichten. Aktuell und Gegenstand ernsthafter Beratungen wurde die Blutsverschreibung erst bei der Berührung mit diesem Phänomen in den Beichten. Einige Beispiele sollen in dieses Problem einführen.
B 76 Ein Flüchtlingsmädchen ohne Heimat, ohne Eltern, ohne Existenz geriet in ihrer seelischen Not auf schlechte Wege. Sie verdiente sich zur Nachtzeit ein bitteres Brot. Da wurde sie eines Tages von einer Polizeistreife aufgegriffen und dem Gesundheitsamt zugeführt, das eine ansteckende Hautkrankheit feststellte. Das Mädchen erhielt einige Wochen Gefängnis. In der Zelle kam das Mädchen auf eine seltsame Idee. Sie nahm ein Blatt Papier, ritzte sich den Finger an und schrieb mit ihrem Blut einen Vertrag mit dem Teufel. Vertragsbedingungen waren: Der Teufel sollte ihr zu einem annehmbaren Leben verhelfen; sie würde ihm dafür ihre Seele verschreiben.
Nach der Haft kam das Mädchen in ein evangelisches Heim für gefährdete Mädchen. Man nahm sich ihrer dort sehr liebevoll an. Sie war aber verschlossen, unempfänglich für alle Liebe und völlig abwehrend gegenüber dem Wort Gottes. Da bildete sich ein kleiner Gebetskreis, der sich in gemeinsamer Fürbitte für das Mädchen einsetzte. Es war auch das ohne Erfolg. Das Mädchen war wie mit ehernen Riegeln verschlossen.
B 77 Ein Mädchen, das im Dritten Reich eine führende Stellung hatte, war durch den Zusammenbruch ihrer Ideale und den Verlust ihrer Stellung so verzweifelt, dass sie in ihrer Not mit ihrem eigenen Blut einen Vertrag mit dem Teufel schrieb. Hinterher stellten sich psychische Störungen ein. Sie bekam visuelle Halluzinationen, sah alle Straßen, Häuser, Bäume voll mit Geistern, erlitt Tobsuchtsanfälle, erlebte Spukphänomene mancherlei Art. In ihrem Verstand blieb sie vollständig klar. Ihre Angaben waren überlegt und sachlich. Hysterie schied aus. Ihre Anfechtungen trieben sie zu einem Nervenarzt. Dieser Arzt bekam den Eindruck, dass seelsorgerliche Hilfe eher angebracht wäre, und er überwies seine Patientin nach erfolgloser Behandlung dem Seelsorger. Frei wurde das Mädchen aber bis jetzt noch nicht.
B 78 Es folgt nun ein Beispiel, das für den gesunden Menschenverstand die stärkste Zumutung darstellt. Bei einer Evangelisation brachte ein Mann seinen seelisch kranken Vetter zur Aussprache. Da eine schwere okkulte Geschichte angekündigt war, wurde ein Kirchengemeinderat, ein treuer Christ, zur geistlichen Hilfe zugezogen. Es saßen also in diesem Kreis der Pfarrer, der Kirchenälteste, der Handwerker, der okkult Behaftete. Da es dunkel war, wurden die Holzläden vor den Fenstern geschlossen und Licht gemacht. Dann erzählte der okkult Behaftete folgendes Erlebnis: Im Jahre 1935 wollte er heiraten. Weder seine Braut noch er besaßen Geld zu einem Schlafzimmer. In einem Gasthaus riet ihm ein Bekannter: „Schreibe einen Blutsvertrag mit dem Teufel und bitte um 500 Mark. Lege den Vertrag um Mitternacht auf den Tisch und rufe bei abgedunkeltem Zimmer dreimal: „Luzifer komm!“ Der so beratene Mann ging auf diesen Vorschlag ein. Er ritzte sich einen Finger an und schrieb ein Gesuch um 500 Mark mit der Verpflichtung, seine Seele dafür zu geben. Um Mitternacht rief er dreimal: „Luzifer komm!“ Es wurde ihm danach plötzlich sehr unheimlich. Er sah zwei rotglühende Augen über sich. Danach fuhr eine fahle Hand über den Tisch. Der erschrockene Mann machte Licht. Da lag ein Bündel Banknoten im Wert von 500 Mark auf dem Tisch. Der erste Zettel war verschwunden. Dafür lag ein zweiter Zettel da: „Komme morgen um Mitternacht an den Kreuzweg oberhalb des Dorfes!“ Der Mann war von diesem Zeitpunkt an sehr unruhig. Er beschloß, am nächsten Abend nicht zum Kreuzweg zu gehen. Als der zweite Abend herankam, wurde er aber mit großer Gewalt innerlich gedrängt, doch den Kreuzweg aufzusuchen. Er steckte eine Pistole zu sich und ging. Am Kreuzweg sah er eine scheußliche Gestalt, halb Mensch, halb Tier. Er schoß sein ganzes Magazin auf die Gestalt los, die dann vor seinen Blicken verschwand.
Das Rätselhafte an der ganzen Geschichte war dem Mann selbst, dass er noch immer die 500 Mark hatte und niemand kam, um sie ihm wieder abzunehmen, etwa mit der Erklärung, man hätte sich einen Scherz mit ihm erlaubt. Der Mann kaufte sich das Schlafzimmer und heiratete. Er wurde aber seine innere Unruhe, die er von dem Augenblick des Geldempfanges an verspürte, nicht mehr los. Er hatte oft Stunden, wo er meinte, von Furien gehetzt zu sein. Sein Blick wurde flackernd, sein Gesicht zerfurchte sich, er bekam weißes Haar. Im Alter von 43 Jahren, zur Zeit der Beichte, sah er aus wie ein Siebzigjähriger.
Während der Beichte, die 2½ Stunden dauerte, wurden die vier Männer von Zeit zu Zeit erschreckt durch ein Klopfen an die Fenster. Das Seltsame war, dass die Holzläden zu waren, das Klopfen aber nicht das dumpfe Klopfen auf Holz, sondern auf Glas war. Der angefochtene Mann wurde trotz der Beichte von seiner Unruhe nicht frei.
Es soll hier nicht das ganze Beispiel besprochen werden. Es werden nur die Hauptphänomene kurz erwähnt. Der Mann war vor diesem Erlebnis seelisch gesund. Auch hinterher konnte keine Psychose festgestellt werden. Der Geldempfang ließ sich zur Not als schlechter Scherz jenes Bekannten, der ihm den Rat zum Blutsvertrag gab, verstehen. Zu bemerken ist nur, dass jener Bekannte auch ein armer Tropf war. Ein Psychologe, den ich dieser Geschichte wegen konsultierte, meinte, vielleicht hat der Geldempfänger diesen Betrag im somnambulen Zustand irgendwo gestohlen. Das scheint doch sehr unwahrscheinlich zu sein; denn der Bestohlene hätte sich bestimmt gerührt und den Diebstahl angezeigt. Die seltsamen Erlebnisse mit den feurigen Augen, der fahlen Hand und der scheußlichen Gestalt könnten Halluzinationen auf Grund der Angst gewesen sein. Die vorzeitige, frühe Vergreisung ist ein in der Medizin bekanntes Phänomen. In der Sitzung der Wiener Gesellschaft der Ärzte im Frühjahr 1952 z. B. wurde den Fachzuhörern ein zweijähriges Mädchen vorgestellt, das alle Anzeichen einer Greisin aufwies: Einen fast kahlen Kopf, zahllose Falten im Gesicht, die charakteristischen Adernbildungen des Alters, degenerierte Ausbuchtungen usw. Der vortragende Arzt, Dr. Klöbl von der Wiener Universitätsklinik, erklärte, dass in der ganzen medizinischen Literatur bisher nur 23 Fälle von Kindervergreisung bekannt wären. Das wiederholte dreimalige Klopfen während der Beichte müsste vielleicht als Massenhalluzination angesehen werden oder als Energieumsetzung einer psychischen Abspaltung des Beichtenden, wenn hier den Rationalisten alles erklärt werden müsste. Damit wären die vier hervorstechenden Phänomene auf einen rationalen Nenner gebracht. Und doch kommt man mit diesen billigen Erklärungen in diesem Fall nicht durch. Der okkult Behaftete hatte nie in seinem Leben vorher Halluzinationen. Der Pfarrer, der Kirchenälteste, der ein nüchterner Geschäftsmann ist, und der Vetter des seelisch Kranken, der ebenfalls ein realdenkender Handwerker ist, hatten nie in ihrem Leben vorher oder nach den Klopfzeichen irgendwelche Halluzinationen. Diese drei Männer lassen es sich nicht ausreden, dass diese Klopfzeichen übernatürlichen Ursprungs waren. Eine befriedigende Antwort kann auf diese Geschichte nicht gegeben werden.
B 79 Bei einem Jugendtreffen kam ein 17jähriger Junge zu dem evangelistischen Vortrag in folgender Ausrüstung: In der linken Tasche hatte er ein Neues Testament und in der rechten Tasche ein schwarz gebundenes 6. und 7. Buch Moses im gleichen Format wie das NT. Mein Mitarbeiter bei diesem Jugendtreffen nahm dem Jungen das 6. und 7. Buch Moses ab. Wir blätterten das Zauberbuch schnell durch und entdeckten, dass der Junge sich unter dem Luziferbildnis mit Unterschrift dem Teufel verschrieben hatte. Danach verbrannten wir das Buch. Die Eltern, die von dem Zauberbuch ihres Sohnes nichts wußten, gaben auf Befragen eine typische Auskunft. Der Junge litte an seltsamen Tobsuchtsanfällen und habe auch sonst ein merkwürdiges, finsteres, unruhiges Wesen. Sie würden aus dem Jungen nicht klug.
Diese vier Beispiele haben eine Reihe von Symptomen gemeinsam. In medizinischer Hinsicht ist zu beachten, dass alle vier okkult Behafteten vor der Blutsverschreibung keine seelischen Störungen hatten. Nach der Verschreibung traten psychische Komplikationen auf, die sich nicht eindeutig unter einem bekannten Krankheitsbild der Psychopathie oder Psychiatrie unterbringen lassen. In dem einen Fall gab der Nervenarzt die Behandlung auf, weil er die Zuständigkeit des Seelsorgers erkannte.
In seelsorgerlicher Hinsicht ergibt sich hier ein Phänomen, das schon Jahrtausende alt ist. Bereits Jesaja spricht von denen, die mit der Hölle einen Vertrag gemacht haben. Bezeichnend in unseren vier Fällen ist die Tatsache, dass die vier okkult Behafteten nicht frei wurden. Das hat verschiedene Gründe. In der Seelsorge ist es ein empirisches Faktum, dass der an Zaubereisünden gebundene Mensch ohne radikale Beichte und bewußte abrenuntiatio diaboli nicht frei wird. Ferner ist es eine häufige Beobachtung, dass Blutsverschriebene sehr schwer frei werden. Man muss hier einfach mit einer dämonischen Bindung rechnen. Damit taucht in der vorliegenden Untersuchung ein neuer Terminus auf.
Dieser Terminus ist in der Medizin wie in einer besonderen theologischen Richtung sehr umstritten. Die diesem Begriff koordinierten Fragen werden noch in einem besonderen Kapitel kritisch untersucht. Hier soll nur die Stellungnahme eines in christlichen und ärztlichen Kreisen bekannten Psychiaters, Dr. Lechler, wiedergegeben werden. Er schreibt in einem Vortrag über Dämonie und Psychopathie folgendes:
„Was ist denn nun als Ursache der dämonischen Bindung wie auch der Besessenheit anzusehen? Fragt man solche Menschen, die die eben erwähnten Merkmale an sich tragen, eingehender aus, so findet man in der Vorgeschichte sehr häufig den Gebrauch von Zaubermitteln, wie sie in der Schwarzen Magie angewandt werden: das Besprechen oder Besprochensein, die Sünde der Wahrsagerei oder den Besuch von Wahrsagerinnen und Kartenlegerinnen, wie auch die Teilnahme an spiritistischen Sitzungen. Die Schwarze Magie ist viel häufiger, als gewöhnlich angenommen wird … Sehen wir in die Bibel hinein, so kennt auch die Schrift die Zauberei sehr gut, sie wird in Apostelgeschichte 19 als ‚vorwitzige Kunst‘ bezeichnet (an dieser Stelle ist auch von Zauberbüchern die Rede). Sie nimmt mitsamt der spiritistischen Betätigung eine Sonderstellung gegenüber andern Sünden ein, wenn es sich dabei um eine Inanspruchnahme von Diensten Satans oder gar um einen förmlichen Vertrag mit Satan handelt. Auch davon berichtet die Schrift (Jesaja 28, 15-18). Denn mit der Inanspruchnahme Satans liefert der Mensch sich unzweideutig Mächten der Finsternis aus, indem er durch Zauberei mit Hilfe satanischer Mächte etwas zu erlangen sucht, was Gott ihm versagt hat.“
Diese Aufklärung aus dem Munde eines Psychiaters muss von jedem Seelsorger beachtet werden. Theologisch ist hier nichts mehr hinzuzufügen. Damit erübrigt sich die seelsorgerliche Erhellung der vier oben stehenden Beispiele.
g. Der Fetischismus
Der Fetischismus ist der abergläubische Kult um Fetische, Amulette, Talismane. Man versteht religionsgeschichtlich unter einem Fetisch einen künstlichen Gegenstand, der als beseelt, als kraftbegabt angesehen, zur persönlichen Sicherung als Schutz getragen oder verehrt wird. Der Fetischismus ist die gläubige Haltung diesen vermeintlichen Kraftträgern und Schutzsymbolen gegenüber.
„Amulett“ kommt vom lateinischen amuletum und bedeutet Abwehrmittel. Ein Amulett ist ein kraftgeladener Gegenstand zum Schutz gegen magische oder dämonische Gefahr. „Talisman“ kommt vom arabischen tilasmun und vom griechischen télesma und bedeutet zunächst Vollendung, Weihe, dann auch Aneignungszauber. Als Amulette und Talismane kommen alle Gegenstände und Teile aus der organischen wie anorganischen Welt in Frage, denen der antike, primitive – oder moderne – Mensch eine Kraftladung zumisst. Die Wirkung der Fetische, Amulette, Talismane wird erhöht durch Inschriften, vor allem durch das Zauberwort. Wichtig für die Behandlung dieses Fetischismus heute ist die Tatsache, dass dieser Kult in der Magie des Heidentums seine Wurzeln hat.
Der Fetischismus ist nicht nur eine Erscheinung der antiken und primitiven Religionen, sondern auch ein Phänomen des Aberglaubens in der Gegenwart. Die Verehrung von Haaren, Federn, Nägeln, Hörnern, Klauen, Zähnen, Spinnen, Skarabäen, Schweinchen, Lorbeer, Knoblauch, Halmen, Fäden, Schnüren, Quasten, Bändern, Feuersteinen, Speerspitzen usw. in der Antike und bei den Primitiven hat ihre Parallele in derselben dinglichen Vergötzung von vierblättrigen Kleeblättern, Glückspfennigen, Glückspilzen, Glücksschweinchen, Hufeisen, Glücksbriefen, Amuletten, Reliquien, Osterwasser, Maskottchen, Bordtieren, Schornsteinfegern als Symbolzeichen des Glückes, ferner in der Furcht vor Käuzchen, Raben, Spinnen, schwarzen Katzen, alten Frauen, Stillstand der Uhr, Zahl 13 und dergleichen mehr als Unglücksboten. Einige Beispiele sollen die Situation dieses modernen Aberglaubens und Fetischdienstes einmal deutlich machen.
B 80 In meiner Studentenzeit bewohnte ich in einem Studentenheim ein Zimmer Nr. 12a. Bei einer Kontrolle stellte ich fest, dass 12a der Ersatz für 13 war. Es gab also Zimmernummern 12, 12a, 14 – und das in einer aufgeklärten Universitätsstadt. Die Geschichte dieses Zimmers ist aber noch nicht zu Ende. Später wollte der Leiter des Studentenheimes dieses Zimmer beziehen. Er ließ einen Maler kommen und trug ihm auf, die Zahl 12a in 13 umzuwandeln. Der Maler fragte daraufhin: „Was soll das für ein Zimmer geben?“ Der Hausherr erwiderte: „Mein Schlafzimmer.“ Der Maler weigerte sich dann, die Abänderung der Zahl vorzunehmen mit der Begründung: „Ich will nicht schuld sein, wenn Ihnen in diesem Zimmer etwas passiert.“ Der Maler hatte also von der Sonne der Aufklärung der benachbarten Universität nichts abgekriegt.
B 81 Einer Tageszeitung entnahm ich im Januar 1950 folgenden Bericht, für den ich mich natürlich als einer Pressenachricht nicht verbürgen kann. Das englische Unterseeboot „Laurentius“ sollte am Freitag, den 13. 1. 1950 in See gehen. Der Kapitän verschob die Abfahrt vom Freitag auf den Samstagmorgen, da ein Freitag und dazu noch der dreizehnte Monatstag unbedingt eine unglückliche Fahrt bringen müsste, weil damit ein doppeltes Unheilsomen gegeben wäre. Da aber der Kurs des U-Bootes für den 13. und nicht für den 14. bekannt gegeben war, stieß das U-Boot mit einem schwedischen Schiff zusammen und sank sofort. Es gab nach dem Pressebericht auf dem U-Boot 90 Tote. Hier wurde also der Aberglaube zum Verhängnis.
Ein besonderes Kapitel ist die Verwendung von Glücks- und Abwehrzaubern zum Schutz gegen Brand, Unfall und Kriegsverletzungen. Brandbriefe werden unter das Gebälk des Daches gelegt. Amulette sollen vor feindlichen Kugeln schützen. Das silberne Hufeisen an der Uhrkette oder am Schlüsselbund schützt vor Einbruch oder Diebstahl. Das Heiligenmedaillon, im Boden des Viehstalles vergraben, soll vor Viehseuchen schützen. Der mit Reliquien bestrichene Ehering soll den Träger des Ringes vor Ehebruch bewahren. Das im Acker vergrabene Medaillon mit dem Heiligenbild soll den Ertrag des Feldes segnen. So ließe sich die Reihe beliebig fortsetzen. Vielleicht hat auch das am Halskettchen getragene Kreuz magische Bedeutung. Eine Reihe von Reichgottesarbeitern sieht es so an. Es wird hier deutlich, wie das Christentum heidnisch-magischen Einflüssen erlegen ist. In neutestamentlicher Sicht ist dieser Einbruch magischer Elemente eine Verdinglichung, eine Vergötzung des Christusglaubens. Die Erfahrung der Seelsorge zeigt in vielen Fällen, wie dieser Aberglaube den Menschen in einen Bann schlägt und unter magische Beeinflussung bringt. Es ist sogar kein seltenes Phänomen, dass mit Brandbriefen und anderen Fetischen und Amuletten geschützte Häuser gern Spukhäuser werden. …
Noch schwieriger wird das Problem der Bildverhaftung, wenn zu der Abhängigkeit von den Wirkungsmächten der Bilder der zauberhafte Verspruch an den Urgrund aller Magie tritt. Es handelt sich hier um das unheilvolle Gebiet der Amulettverschreibungen, die den Blutsverschreibungen parallel laufen. Dazu einige Beispiele:
E 12 Das beste Beispiel auf dem Gebiet der Amulettverschreibungen dürfte wohl Samuel Kellers Bericht über Frau Brandstätter sein. Frau Brandstätter hatte morgens und abends um 9 Uhr Anfälle, bei denen eine Männerstimme aus ihr sprach. Während des Anfalles konnte sie Pfr. Keller Dinge berichten, von denen sie unmöglich wissen konnte. Sie sprach auch in diesem Zustand ein fließendes Hochdeutsch, das sie sonst als Krimdeutsche nicht beherrschte. Charakterlich war sie völlig umgewandelt. Im Normalzustand war sie demütig, bescheiden, anständig, während des Anfalles war sie roh, unanständig, tobsüchtig und hatte unheimliche Kräfte. Eines Tages sah Pfr. Keller ein Ledersäckchen am Hals der Frau. Er packte es, um es abzunehmen. Da schrie eine Männerstimme, die sich sonst als die Stimme eines Zigeuners Elkimo ausgab: „Gib das Säckchen nicht her!“ Keller riß es ab. Der Anfall ließ sofort nach, und die Frau wurde restlos gesund. In dem Säckchen war ein Zettel mit einem Verschreibungszauber. Am Anfang standen einige sinnlose hebräische Redensarten. Dann folgte in lateinischer Schrift: „Ich bin es, der die sieben Fieber in seiner Hand hat und die sieben Kräfte kann ausgehen lassen, und wenn du dies verbirgst und in meinem Namen lebst, wird dir alles gelingen, und ich werde dich behüten.“ Den Schluß bildeten wieder einige hebräische Worte. Frau Brandstätter bekannte, dass sie einige Jahre zuvor dieses Amulett von einem Zigeuner gekauft hätte. – Keller schreibt dazu: „Offenbar lag hier ein Zusammenhang vor zwischen abergläubischem Gebrauch solcher Zaubermittel und der Einwirkung dunkler Mächte.“
Das Problem dieser Besessenheitszustände wird später noch einmal kritisch untersucht werden. Hier muss aber schon festgehalten werden, dass die Frau sofort gesundete, als der Verschreibungszauber abgelegt wurde. Ein ähnlicher Fall spielte sich in den letzten Jahren in einem bekannten christlichen Heim ab.
B 82 Eine Mutter zog für ihr 12jähriges, krankes Töchterchen viele Ärzte zu Rate. Alle Behandlungen hatten keinen Erfolg. Schließlich wandte sie sich an einen Reichgottesarbeiter, der sie sowohl in eigenem Anliegen als auch in dem Krankheitsfall des Kindes beraten sollte. Die Mutter blieb wochenlang in dem Heim, ohne daß in dem merkwürdigen Zustand des Mädchens eine Besserung eintrat. Eines Tages beobachtete der Seelsorger an dem Hals des Kindes ein Kettchen mit einem Amulett. Er bat die Mutter um dieses Metallkapselchen. Die Frau weigerte sich zuerst mit dem Hinweis, es sei ihr stark anbefohlen worden, das Amulett nie von dem Hals des Kindes zu entfernen, sonst würde der Zustand des Kindes noch schlimmer werden. Der Seelsorger, der sich in den okkulten Praktiken auskannte, schöpfte Verdacht, klärte die Mutter auf und erhielt dann die Kapsel. Er entnahm tatsächlich einen Verschreibungsspruch, den er der erstaunten Frau vorlas und dann vernichtete. Von diesem Tag an wurde das Befinden des Kindes besser, und es konnte geheilt das Heim verlassen.
In diesen Zusammenhang des Fetischismus und der Amulettverschreibung gehört auch das indirekte Verschreiben durch den Besitz und die Aufbewahrung von Zauberbüchern. Unter die Zauberbücher, die im Volke im Umlauf sind, gehören folgende Titel: „Tennenbronner Zaubersprüche“, „Romanus-Büchlein“, „Der schwarze Rabe“, „Heiliger Segen“, „Der wahrhaftige, feurige Drache“, „Der wahre, geistliche Schild“, „Das siebenmal versiegelte Buch“, „Engelshülfe“, „Geheime Kunstschule“, „Der Gesundbetungspsalter“, „Das 6. und 7. Buch Moses“, „Das 8. bis 13. Buch Moses“. Das weit verbreitete und in seinen unheimlichen Auswirkungen am besten zu verfolgen ist das sogenannte 6. und 7. Buch Moses. Wenn in diesem Abschnitt von der indirekten Verschreibung die Rede ist, so kann das mit diesem 6. und 7. Buch Moses belegt werden.
In dem 6. Kapitel des 6. Buches wird folgender Vertrag gemacht: Dem jeweiligen Besitzer des Buches verspricht Luzifer zu helfen und alle seine Befehle auszuführen, aber nur, solange er das Buch besitzt.
Wenn nun diese Beziehungen, die hiermit zwischen dem Buchbesitzer und Luzifer angekündigt werden, alle aus Dummheit und törichtem Volksaberglauben geboren sind, wenn der Teufelsglaube nur der bemitleidenswerte Wahn einer unerleuchteten Zeit ist, so kann man das mit einer Handbewegung abtun. Im rationalen Zeitalter hält man sich dann nicht mehr über solche Banalitäten auf. Merkwürdig ist allerdings die seelsorgerliche Beobachtung, dass in allen Häusern und Familien, in denen das 6. und 7. Buch Moses aufbewahrt oder gar damit gearbeitet wird, seelische Erkrankungen mancherlei Art zu finden sind. Unter den vielen Beispielen, die in der Seelsorge bekannt geworden sind, soll eines herausgegriffen werden.
B 83 Ein Kirchenältester, der jahraus, jahrein treu zum Gottesdienst kam, lag auf dem Sterbebett. Der Mann, der sonst immer die Haltung des kirchlichen Menschen einnahm, ließ auf dem Sterbebett die bisher gewahrte Haltung fahren. Er fing an, schrecklich zu fluchen und Gott und Jesus Christus zu lästern. Er wehrte den geistlichen Zuspruch seiner Angehörigen ab, wollte nichts mehr wissen von Gottes Wort und Gebet und verschied unter schrecklichen Verwünschungen. Nach seinem Tode fand man im Nachlaß das 6. und 7. Buch Moses.
Wenn man die Besitzer dieser Zauberbücher nach einheitlichen Gesichtspunkten zusammenfassen will, so schälen sich drei Typen heraus. Die erste Gruppe arbeitet unter frommem Deckmantel. Sie hält das Zauberbuch für ein frommes Buch. In allen mir bekannten Fällen fiel dann auf dem Sterbebett die fromme Maske ab. Die zweite Gruppe ist von der Verwerflichkeit ihres Treibens überzeugt. Sie hält den Besitz des Buches ängstlich geheim. Oft weiß niemand in der ganzen Familie, außer dem Besitzer, von der Existenz des Buches. Vor dem Tod wird dann das Buch dem Ältesten übergeben, der dann in diese Geheimnisse eingeweiht wird. Die dritte Gruppe wagt es, vor dem Angesicht der Ewigkeit das finstere Treiben zu offenbaren. Sie ruft vom Sterbebett aus die Familie zusammen, enthüllt das okkulte Treiben und bittet darum, die Zauberbücher zu verbrennen. Allen drei Gruppen gemeinsam ist das Behaftetsein mit mancherlei seelischen Störungen. In den vielen in der Seelsorge kennengelernten Beispielen ist kein Besitzer des 6. und 7. Buches Moses dabei, der ohne seelische Komplikationen ist. Es ist auf Grund dieses empirischen Befundes nicht möglich, diese Häufigkeitsbeziehungen zu verharmlosen und sie einfach als Auswirkung einer Dämonengläubigkeit abzutun. Merkwürdig ist im Blick auf diese beobachteten psychischen Störungen die Tatsache, dass die Auswirkungen der direkten und der indirekten Verschreibung fast die gleichen sind. Es ist lediglich ein kleiner Unterschied in der Intensität zu bemerken.
h. Incubi, Succubae
Die Behandlung der Spukphänomene im Zusammenhang mit sexuellen Erlebnissen ist wohl das widerlichste Gebiet der Seelsorge. Es gibt schwer angefochtene Menschen, die in der Nacht sexuelle Spukerlebnisse haben und damit gequält werden. Es handelt sich dabei nicht um die Sexual- oder Ejakulationsträume oder um die sexuellen Halluzinationen Schizophrener, sondern um Wacherlebnisse. Religionsgeschichtlich ist dieses Phänomen bekannt unter der Bezeichnung Incubi und Succubae. Es handelt sich dabei um verführende männliche oder weibliche Dämonen. In der Bibel steht ein solcher Bericht in 1. Mose 6, 4. Es wird dort berichtet, wie Gottessöhne sich mit Menschentöchtern vereinigten. Es würde sich hier also um das Phänomen der Engelehe handeln. Bei den alten Völkern lassen sich solche Vorstellungen auch nachweisen. Die Babylonier und Assyrer hatten Mythen von den sogenannten Nachtmädchen, ardat lili, die in der jüdischen Tradition als Lilith weiterlebten. In der christlichen Zeit lief dieses Motiv der Dämonenehe weiter. In der Legende vom hl. Antonius erscheint der Teufel unter anderem in der Gestalt einer verlockenden Frau. Im Volksglauben des Mittelalters hielt sich dieses Motiv. Im 6. Buch Moses im 6. Kapitel wird berichtet, wie die Dämonen in schöner Mädchen- und Jünglingsgestalt die Menschen nachts sexuell heimsuchen. In der Gegenwart tritt dieses Phänomen in der Seelsorge immer wieder auf. Einige Beispiele sollen in andeutender Form die psychische Not solcher Angefochtenen zeigen.
B 84 Eine Frau erlebt oft nächtliche Spukszenen. Im Wachzustand sieht sie fünf Eber auf sich zustürzen, die sie schänden wollen. Die Frau schreit darüber laut um Hilfe. Es gelingt ihrem Ehemann kaum, sie zu beruhigen. Der Mann sieht die Eber nicht. Er hört nur seltsame Geräusche.
B 85 Ein Freund von mir, der in China Missionar war, berichtete mir von ähnlichen Dingen unter den Chinesen. Es handelt sich um das in der Missionsgeschichte bekannte Problem der Fuchsbesessenheit. Mädchen, die tagsüber psychisch völlig normal sind und ihrer Arbeit nachgehen, werden nachts sexuell von Spukgestalten geplagt. Es tauchen Gestalten auf mit Fuchsköpfen. Sobald diese Gestalten sich den Mädchen nähern, verwandelt sich der Fuchskopf in einen schönen Männerkopf. Die Mädchen leiden furchtbar unter diesen nächtlichen Besuchen. Bemerkenswert ist, dass Mädchen, die sich zu Christus bekehren, davon frei werden. Christliche Chinesinnen werden nicht davon befallen.
B 86 Ein junger, christlich gesinnter Mann verlor seine Frau. Nach 1½ Jahren heiratete er wieder. Mit der zweiten Frau lebte er in guter, glücklicher Ehe, nur wurde er von seiner zweiten Verheiratung an nachts von Spukphänomenen geplagt. Seine verstorbene erste Frau erschien ihm des Nachts im Wachzustand und versuchte, sich ihm sexuell zu nähern. Er empfand diesen Spuk als Belästigung und kam zur seelsorgerlichen Aussprache. Er beichtete und entschloß sich, Jesus Christus nachzufolgen. Es war sein dringender Wunsch, von der nächtlichen Belästigung frei zu werden. Der Seelsorger, ein weithin bekannter Volksmissionar, setzte sich in der Fürbitte für den Mann ein. Der Erfolg war, dass der Fürbittende seltsame Anfechtungen erlebte. Eines Nachts kam der Höhepunkt dieser Anfechtung. Der betende Volksmissionar spürte im Rücken einen Starkstrom, der näher kam. Der Angefochtene „gebot“ daraufhin im Namen Jesu. Der Spuk verschwand. Von dieser Nacht an war der bedrängte Ehemann frei von den sexuellen Spukerscheinungen seiner verstorbenen Frau.
Diese drei Beispiele werden nun kurz kritisch untersucht.
In psychiatrischer Hinsicht muss noch einmal betont werden, dass es sich hier nicht um Wahnideen oder sexuelle Halluzinationen psychotischer Menschen handelt. …
In tiefenpsychologischer Hinsicht könnte der Einwand gebracht werden, dass diese Spukphänomene vielleicht der Ausdruck unerfüllter Sexualwünsche oder nicht gelöster Sexualbindungen darstellen können. …
Allerdings enthält diese tiefenpsychologische Deutung entscheidende Lücken. Christliche Chinesinnen werden von der Fuchsbesessenheit nicht befallen, und sich bekehrende Chinesinnen werden davon frei. Der erwähnte Volksmissionar, ein hochgebildeter und seelsorgerlich erfahrener Akademiker, erlebte in der Fürbitte Anfechtungen bis zu dem Zeitpunkt des Befreiungserlebnisses. … In diesen Lücken der tiefenpsychologischen Deutung liegt der starke Hinweis zur Transzendenz der erwähnten sexuellen Spukphänomene. …
In seelsorgerlicher Hinsicht ist das Faktum bedeutsam, dass der Christusglaube mit diesen sexuellen Spukphänomenen fertig wird. Wenn zu der causa des sexuellen Spuks mit vielleicht dämonischem Charakter etwas gesagt werden darf, so legte sich rein empirisch der Verdacht nahe, dass die Koppelung von Sodomie und okkulter Betätigung vielleicht der Grund solcher sexuellen Spukphänomene sein könnte. Es kann ja immer wieder in der Seelsorge beobachtet werden, dass in christlichen Ehen, wo ein Teil eine gesetzlich enge, negativistische Einstellung zur Sexualität hat, der unbefriedigte Partner gelegentlich nicht nur dem Ehebruch, sondern sogar der Sodomie verfällt. Tritt zu dieser Sodomie durch okkulte Betätigung eine magische Bindung, dann sind psychologisch und parapsychologisch die Voraussetzungen zu sexuellen Spukphänomenen gegeben.
Eine zweite Möglichkeit wäre noch die Annahme, dass eine okkulte Behaftung die causa exsolvens beider Phänomene, der gesteigerten, widernatürlichen Sexualität, wie z. B. der Sodomie und der sexuellen Spukphänomene, darstellt; denn okkulte Betätigung bringt immer charakterliche Extreme und psychische Extravaganzen hervor. …
3. Die außersinnlichen Erscheinungen (ASE)
In den nun folgenden Abschnitten treten wir in das umstrittenste Gebiet der Parapsychologie ein, das Gebiet der parapsychischen Erscheinungen. Zeigten die Abschnitte über ASW und über ASB Beispiele, die nur innermenschliche Vorgänge betrafen, so nehmen die Phänomene dieses Gebietes objektiv wahrnehmbaren Charakter an. Sie sind aber deshalb nicht minder umstritten, sondern noch heftiger angefochten als die bisherigen Fälle. Es sollen vor allem zwei Phänomene zur Darstellung kommen: Die Materialisation und der Spuk.
a. Die Materialisation
Das seltsamste Gebiet der Parapsychologie sind die Materialisationsphänomene. Prof. Messer definiert dieses Phänomen als ein unerklärliches Auftreten und Verschwinden materieller Gebilde. In dieser Definition fehlt jedoch die Angabe, dass solche Phänomene nur im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Mediums entstehen. Genauer ist die Erklärung, die Prof. Gruber in seinem Buch über parapsychologische Erkenntnisse gibt: „Telekinese und Materialisation sind naturwissenschaftliche Tatsachen. Bestimmte Menschen haben unter besonderen Umständen die Fähigkeit, ohne die Zuhilfenahme irgendeiner bekannten körperlichen Funktion auf Gegenstände ihrer Umgebung bewegend oder formverändernd einzuwirken, sowie aus unbekanntem Stoffe außerhalb ihres Körpers sichtbare und greifbare, manchmal mit Eigenlicht ausgestattete (effloreszierende Substanz), mehr oder weniger hoch organisierte Neubildungen zu schaffen, für die in vielen Fällen der menschliche Körper in Teilen oder im Ganzen das Vorbild abgibt. Diese Materialisationen entstehen und verschwinden rasch.“ …
4. Das vierte Stadium zeigt das Materialisationsphänomen in Verbindung mit Telekinese. Das Medium ist in der Lage, mit einer unbekannten, fernwirkenden Kraft Energieäußerungen zu zeigen. Die modernen Parapsychologen nennen diese Kraftäußerungen Telekinese oder Psychokinese. …
5. Die fünfte Stufe der Materialisation ist die Durchdringung der Materie. Hierher gehören die rätselhaften „Apporte“, von denen in der parapsychologischen Literatur vieles zu lesen ist, ferner die vierdimensionalen Fähigkeiten mancher Medien. Unter „Apport“ versteht man das Erscheinen und Verschwinden von Gegenständen in abgeschlossenen Räumen und Behältern. Bekannt sind derartige Phänomene durch die Versuche, die der Leipziger Physiker Zöllner mit dem amerikanischen Arzt Dr. Slade angestellt hat. Aus verschlossenen und verklebten Schachteln wurden eingelegte Geldstücke herausgeholt, oder es fielen Steine oder andere Gegenstände unerklärlich von der Decke herab. Solche Phänomene sind recht häufig. In dieses Stadium gehört auch die stark bestrittene Fähigkeit mancher Medien, im Trancezustand feste Materie zu durchdringen. Aus Larsens Buch sei ein Beispiel angeführt.
E 13 „In zwölf Sitzungen, die mit dem Medium Madame d’Espérance abgehalten wurden, kam es vor, während das Medium im ,Kabinett‘ saß, dass sich eine Materialisation auf dem Fußboden außerhalb des Kabinetts aufbaute und sich schließlich zu einem weiblichen Wesen gestaltete, das zwischen den Sitzungsteilnehmern umherging. Sie reichte einem von ihnen die Hand, und während dieser die Hand hielt, trat die Dematerialisation vor aller Augen ein, und der betreffende Herr – eine bekannte Persönlichkeit – rief aus: ‚Nun wird die Hand kleiner und kleiner! Nun ist nichts mehr da!‘ Schließlich war nur noch eine kleine Kugel auf dem Fußboden, und die rollte ins Kabinett hinein.“
6. Die sechste Stufe der Materialisationen stellt auf dem parapsychologischen Gebiet wohl die stärksten Anforderungen an den gesunden Menschenverstand. Es handelt sich um die vereinzelt bezeugten Metamorphosen in Tiergestalten. Tischner berichtet solche Phänomene bei den Medien Guzi und Kluski. Ferner berichtet Dr. med. Leubuscher von dem unter den Tonarbeitern Abessiniens auftretenden Phänomen der Hyänomanie. Die meisten Zeugnisse für dieses seltsame Phänomen finden sich in dem schon erwähnten Werk von Prof. Oesterreich über das Problem der Besessenheit.
Bei dem Phänomen der Tierverwandlungen lässt sich nach den Berichten der Ethnologen, Religionswissenschaftler, Missionare und Forschungsreisenden eine psychische und eine organische Metamorphose unterscheiden. Auf der psychischen Stufe findet nur eine Einfühlung in tierische Individualitäten statt. Psychisch abnorme Menschen glauben, in ein Tier verwandelt zu sein und ahmen Tierstimmen und Tierbewegungen nach. So berichtet Hieronymus (gest. 420) in seiner Biographie der hl. Paula, dass sie in der Nähe von Samaria Besessenen begegnete, die sich wie Tiere verhielten (Zooanthropie) und wie Wölfe (Lykanthropie) heulten, wie Hunde bellten, wie Löwen brüllten oder wie Schlangen zischten. Ferner berichtete ein Autor Dom Calmet, dass Nonnen eines deutschen Klosters bei einer Besessenheitsepidemie sich in Katzen verwandelt glaubten und miauten. Es finden sich auch Besessenheitsfälle mit dem Wahn, in Hunde (Cynanthropie), Dachse, Füchse, Affen usw. verwandelt zu sein. Nach den Berichten der beiden Livingstone besteht in Südafrika der Glaube, dass manche Menschen sich zeitweise in Löwen verwandeln können. Neben dieser psychischen Vorstufe der Tierverwandlungen gibt es auch Berichte von der Metamorphose in die leibhaftige Tiergestalt. Bei den Pygmäen findet sich die Vorstellung, dass Zauberer imstande sein sollen, sich in verschiedene Tiere zu verwandeln und in dieser veränderten Gestalt ihren Mitmenschen zu schaden. Diese pygmäische Überlieferung deckt sich inhaltlich mit der abessinischen Hyänomanie. Der Wahn, in Tiere verwandelt zu sein, findet sich auch bei der Schizophrenie. Diese Berichte der Tierverwandlungen zu untersuchen, erübrigt sich. Sie werden nur erwähnt, damit deutlich wird, dass die mediumistischen Kapriolen der M.-Phänomene in spiritistischen Kreisen bei den Primitiven ihre entsprechenden Parallelen haben.
Diese verschiedenen Stadien der M.-Phänomene werden hier nicht untersucht, sondern nur zur Orientierung ohne eigene Stellungnahme referierend angedeutet. Mannigfaltig sind die Hypothesen zur Erklärung dieser rätselhaften Erscheinungen des physikalischen Mediumismus. Ohne Zweifel wird sich vieles als Betrug, als Volksaberglauben oder als Gauklertricks abtun lassen. Damit wird man aber den echten M.-Phänomenen nicht gerecht. In der parapsychologischen Forschung setzten sich im allgemeinen fünf Theorien zur Erhellung der M.-Phänomene durch:
Die spiritistische Hypothese besagt, die Geisterwelt würde die Odkraft der Medien benutzen, teleplastische Gebilde entstehen zu lassen. Auf gleichem Weg würden auch materielle Gegenstände an einem Ort aufgelöst und an dem anderen Ort wieder zur Materie verdichtet werden. Der Physiker Zöllner sah die Durchdringung der Materie als Bestätigung der vierten Dimension an. Nach seiner Meinung wäre also die Materie für die vierte Dimension offen, so wie die Fläche für die dritte Dimension offen ist.
Von den Erkenntnissen der Kernphysik her ist das Verständnis der Durchdringung der Materie möglich, da ja die Zwischenräume zwischen Atomkern und den kreisenden Elektronen viel größer als ihre Masse sind. Was wir Materie nennen, ist in Wirklichkeit viel mehr leerer Raum als kompakte Masse, so dass eine Durchdringung der Materie nicht unmöglich zu sein scheint.
Die moderne Parapsychologie hat vor allem durch die Versuche Rhines den Beweis erbracht, dass die Reichweite des menschlichen Geistes und die Fähigkeiten der menschlichen Seele wesentlich größer sind, als bisher in der Wissenschaft bekannt war. Das zerebrozentrische Menschenbild muss allmählich einem psychozentrischen Menschenverständnis weichen. Was die Parapsychologie damit entdeckte, ist die Parallele zu dem physikalischen Gesetz der Energieumwandlung. Wie in der Physik schon vor 200 Jahren das Gesetz für den Umsatz der potentiellen zur kinetischen Energie erkannt wurde, so stellte die Parapsychologie bei den okkulten Phänomenen – vor allem bei der Telekinese – die Umwandlung der psychischen Energie in eine physische Tätigkeit fest.
Die Physik sagt uns, dass es theoretisch möglich ist, Masse in Energie und Energie in Masse zu verwandeln. Auf die M.-Phänomene übertragen heißt das: Es kann psychische Energie materialisiert und Materie in Energie dematerialisiert werden. Über den Modus dieser Vorgänge wissen wir noch wenig Bescheid. Wir sehen nur die praktische Verwirklichung für einige Minuten in den M.-Phänomenen der starken Medien.
Religionsgeschichtlich gibt es auch einige Beispiele für Dematerialisationen. Weil sie ein interessantes Phänomen sind, sollen zwei Beispiele dafür gegeben werden.
B 87 Ein Missionar erzählte mir, dass in Japan heidnische Priester sich auf der Spitze eines Berges dematerialisieren und auf einem anderen Berg sich rematerialisieren. Das wäre also das Phänomen der Entrückung im heidnischen Gebiet. – Man sagt ja, der Teufel ist der Affe Gottes.
E 14 Lukas, der Arzt, berichtet in der Apostelgeschichte 8, 39-40a: „Als sie aber aus dem Wasser heraufgestiegen waren, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; denn er zog voll Freude seines Weges. Philippus aber wurde in Asdod gefunden, und er zog umher …“ Gaza ist von Asdod ca. 40 km entfernt. Wenn zur Vermeidung von einem Mißverständnis ein erklärendes Wort zu beiden Beispielen gesagt werden darf, so muss darauf hingewiesen werden, dass das NT Wunder Gottes und Wunder Satans (z. B. Markus 13, 22) kennt.
Neben dieser Skizze der grundsätzlichen M.-Phänomene muss noch die kurze Darstellung eines charakteristischen Merkmals des Teleplasmas folgen, weil sich daran das Verständnis besonderer seelsorgerlicher Fälle knüpft. Es handelt sich um die unter dem vierten Stadium erwähnte Schmerzempfindlichkeit des Teleplasmas und damit des Mediums. Sowohl Schrenck-Notzing als auch der Pariser Arzt Dr. Geley, die beide bedeutende Versuche auf dem Gebiet der M. Phänomene angestellt haben, bezeugen, dass Gewaltanwendung gegen das Teleplasma zu Verletzungen beim Medium führt. Wird zum Beispiel das Teleplasma mit einer Nadel gestochen, dann treten am Körper des Mediums die entsprechenden Stichstellen auf. Wird das Teleplasma mit einer Kerzenflamme angebrannt, dann entstehen am Körper des Mediums Brandstellen und Brandblasen. Werden die „fluidalen“ Fäden, die gelegentlich zwischen Medium und Teleplasma beobachtet werden, mit einer Schere durchschnitten, dann stöhnt das Medium unter den entstehenden Schmerzen auf, und es zeigen sich sogar Schnittwunden am Körper des Mediums. Auf dieser Beobachtung, dass physikalische Energieanwendung gegen das Teleplasma Verletzungen des Mediums zur Folge haben, beruhen die im Volk herrschenden zahlreichen Abwehrpraktiken gegen Angriffe auf mediumistischer Basis. Ein seelsorgerliches Beispiel soll das deutlich machen.
B88 Im Verlauf einer Evangelisation kam eine Frau zur Aussprache und bekannte ein seltsames Erlebnis. Nach ihrer Verheiratung stellte die junge Frau fest, dass die Mutter ihres Mannes sich äußerlich und innerlich nicht von ihrem Sohn lösen konnte. Die junge Ehe war gleichsam eine Ehe zu Dritt, die dadurch stets gefährdet wurde. Dieses Verhältnis besserte sich auch nach der Trennung der Mutter von dem jungen Ehepaar nicht. Jahrelang stand der Mann noch in der Hörigkeit zu seiner Mutter. Er pendelte zwischen seiner Mutter und seiner Frau hin und her. Die junge Frau litt unter diesem Zustand. Als erschwerender Umstand kam die Tatsache dazu, dass die Schwiegermutter mediale Fähigkeiten besaß. Oft, wenn die junge Frau sich abends zur Ruhe begab, kamen vom Gang her runde Lichtscheiben ins Zimmer, die sich ihrem Bett näherten. Nachdem sie wochenlang so geängstet und geplagt worden war, holte sie sich eines Tages bei Spiritisten Rat. Sie wurde gründlich ausgefragt, und man erklärte ihr dann, sie könne diese medialen Angriffe abwehren. Sie solle einen Lederriemen nehmen, drei Knoten daran machen und dann den Riemen gegen die auftauchenden Lichtscheiben schlagen. Das betreffende Medium, das ihr diese Unruhe mache, würde durch diese Abwehr dann blutige Striemen am Leibe bekommen. Die angefochtene Frau befolgte den Rat mit dem verblüffenden Erfolg, dass mit dieser magischen Abwehr schlagartig die Belästigung durch die Lichtscheiben aufhörte und die Schwiegermutter am Tage danach Striemen von Peitschenhieben am Körper trug.
Zu dieser Vorstellung, dass Medien durch psychische Abspaltungen mißliebige Personen belästigen und verfolgen, aber auch magisch abgewehrt werden können, gibt es in okkult arbeitenden Kreisen des Volkes eine Menge Beispiele. Viele dieser Fälle sind noch seltsamer als B88. Ein solches absurd anmutendes Beispiel soll wiedergegeben werden.
B 89 Eine Bauersfrau erlebte mit ihrer Gänseherde, dass jeden Tag vor ihren Augen ein Tier unter seltsamen Umständen einging. Die Gänse verdrehten die Hälse wie eine Spirale, dann wurden die Hälse nach dem Rücken zu abgeknickt, und die Tiere verendeten. Da die Frau keine Abhilfe wusste, ließ sie sich von einer Spiritistin beraten. Es wurde ihr gesagt, sie solle eine Gans in dem Augenblick der komischen Halsverrenkungen packen und über das offene Herdfeuer halten. Dann würde der Urheber dieser offensichtlich magischen Verfolgung Brandblasen bekommen und sein Spiel aufstecken. Die Bäuerin behauptete, dieses Rezept hätte geholfen. Nachprüfen kann ich diese Aussage nicht.
Diese mehr als seltsamen schon an Spuk oder an Schwarze Magie grenzenden Beispiele sollen nicht untersucht werden. Es liegt in allen diesen Erscheinungen der Gedanke zugrunde, dass Menschen durch psychische Abspaltungen, durch Materialisation psychischer Energie Unheil anrichten, aber auch selbst im Zustande der Materialisation leicht verletzt werden können.
Was bisher in diesem Abschnitt außer der grundsätzlichen Einführung in die verschiedenen Stadien der Materialisationsphänomene gebracht wurde, sind zwar nur Randsituationen der M. Phänomene, die aber im Volk häufiger anzutreffen sind als das „Erscheinen von Verstorbenen“ in den spiritistischen Sitzungen. Damit ist das eigentliche Gebiet der M.-Phänomene genannt. Die Frage nach der Echtheit der von den Medien inszenierten Reinkarnation von Verstorbenen hat unter namhaften Naturwissenschaftlern Verfechter und Widersacher gefunden. Im wesentlichen stehen sich zwei Theorien gegenüber, die spiritistische und die animistische. Um einen Einblick in die Form der Reinkarnation der Verstorbenen zu geben, folgt ein Beispiel aus Olhavers Buch.
E 15 Das Medium, Frl. Tambke, ließ in einer einzigen Sitzung sieben Verstorbene erscheinen. Zuerst eine weiße Frauengestalt, die zwischen den Stuhlreihen der 18 Teilnehmer hin durchging und einen kranken Kaufmann durch Handauflegung magnetisierte. Der Mann spürte einen Schwachstrom durch sich hindurchströmen. Dann folgte die Materialisation einer verstorbenen Frau, die sich dem anwesenden Gatten auf den Schoß setzte. Die dritte Erscheinung war Olhavers (Autor des Buches) Vater, der seinen Sohn auf die Stirn küßte. Dann erschien die Tochter eines anwesenden Herrn. Zuletzt kam ein sechsjähriger Knabe, der seinen anwesenden Bruder küßte. Nach den sieben Erscheinungen war die Kraft des Mediums erschöpft. Es musste geweckt werden.
Olhaver versucht, mit einer Tabelle der verschiedenen Größen von 115 bis 181 cm, der verschiedenen Haarfarben, Haartrachten und Händeformen den Echtheitsbeweis für diese „Reinkarnationen“ von sieben Verstorbenen zu erbringen. Bemerkenswert ist auch, dass die Anwesenden ihre erscheinenden Angehörigen an Stimme, Ausdrucksweise und charakterlicher Eigenart erkannt haben. Und trotzdem vermag Olhaver nur die spiritistischen Gläubigen zu überzeugen. …
In seelsorgerlicher Hinsicht zeigt sich bei Medien und Sitzungsteilnehmern das gleiche Bild wie bei den Besprecherfamilien: psychische Störungen der verschiedensten Art, auch wenn Spiritisten und Nichtseelsorger das nicht wahrhaben wollen oder vor Übertreibung warnen. Besonders häufig finden sich permanente Dissoziationserscheinungen in zwei Richtungen. Der spiritistisch Beeinflusste erlebt nicht nur innerhalb seiner eigenen Person Prozesse der Abspaltung, sondern es zeigen sich auch in seiner häuslichen Umgebung Spukphänomene. Unter dem Kapitel „Der Spuk“ werden solche besprochen. Die Loslösung eines Menschen vom Spiritismus und die Hinwendung zu Jesus Christus erfolgt in nur wenig Fällen, da der Spiritismus selbst mit christlichen und unterbiblischen Motiven durchsetzt ist und der Behaftete dadurch seinen Irrweg nicht einsieht.
b. Der Spuk
Prof. C. G. Jung erklärte in seinem Vorwort zu Dr. F. Mosers Werk über den Spuk: „In bezug auf die Erforschung der parapsychologischen Phänomene stehen wir noch ganz am Anfang. Wir sind noch nicht einmal über den ganzen Umfang des in Betracht kommenden Gebietes unterrichtet. Daher ist die Sammlung von Beobachtungen und möglichst zuverlässigem Material eine hochverdienstliche Sache.“ Eine solche Sammlung seelsorgerlicher Fälle wird in diesem Abschnitt wiedergegeben. Wieder ist nicht die Erforschung des Spuks die Tendenz, die hier verfolgt wird, sondern die Voraussetzung für eine seelsorgerliche Hilfe zu schaffen. Bei der Verfolgung dieses Zieles ist allerdings die wissenschaftliche Erhellung dieses Gebietes, soweit das überhaupt möglich ist, eine unumstößliche Notwendigkeit.
Um das hier folgende Material einheitlich zu gruppieren, werden folgende Unterscheidungen getroffen. Hinsichtlich des Beobachtungsgrades kann der subjektive und objektive Spuk unterschieden werden. Im Blick auf Tatort und Charakter des Spuks wird von Sachkennern allgemein der ortsgebundene und der personengebundene Spuk unterschieden.
Ein Beispiel wird am schnellsten den Sachverhalt klären.
B 90 Prof. Bender von der Universität Freiburg berichtete auf einer Tagung der Evang. Akademie in Tutzing folgenden Fall: Eine Studentin beobachtete längere Zeit einen Mann, der sie verfolgte. Von anderen Menschen konnte diese Beobachtung nicht gemacht werden. Dieser verfolgende Mann sagte wiederholt zu dem Mädchen: „Nimm dir das Leben!“ Dieser visuelle und akustische „Spuk“ verschwand, als die Studentin in fachärztlicher Beratung aufgeklärt wurde. Dieser subjektive „Spuk“ war die Projektion ihres Verfolgungswahnes nach außen, also ein subjektiver Vorgang, der nach einer Außenkurve als objektives Erlebnis wieder erlebt wurde. – Die meisten Halluzinationen lassen sich auf diese Weise erklären.
In den nun folgenden Beispielen werden solche subjektiven Spukerlebnisse nicht berücksichtigt. Es geht hier um die objektiven von jedem Menschen beobachtbaren Spukereignisse. Der objektive Spuk muss also ohne diese Faktoren von nicht eingeweihten Personen oder fotografisch oder von Tieren beobachtet werden können. Zunächst folgen einige Spukfälle, die an einen bestimmten Schauplatz der Handlung gebunden sind, also ortsgebundene Spukphänomene.
B 91 Ein bekannter Evangelist berichtete mir ein eigenartiges Erlebnis, das hier veröffentlicht werden darf. Als junger Pfarrer wurde der Berichterstatter in eine unkirchliche Gemeinde versetzt. Gottes Wort galt wenig bei den Dorfbewohnern. Dafür aber waren allerlei abergläubische Bräuche im Gange. Der Besprecher galt mehr als der Veterinär. Der Magnetiseur hatte mehr zu tun als der Arzt. Die Kartenlegerin im Dorf wurde mehr aufgesucht als Rathaus oder Pfarrhaus. Der junge Pfarrer fühlte sich anfangs in seinem neuen Wirkungskreis nicht wohl. Im Pfarrhaus wurden verschiedene merkwürdige Beobachtungen gemacht, die rational nicht zu erklären waren. Wiederholt äußerte die junge Pfarrfrau zu ihrem Mann, dass in dem Hause etwas nicht geheuer sei. Der Mann wehrte lachend ab mit dem Hinweis: „So etwas gibt es nicht. Das ist doch Humbug und Schwindel. Entweder handelt es sich um Sinnestäuschung, oder ein besonderer ‚Freund‘ des Pfarrhauses spielt uns einen Schabernack.“ Der durchaus nüchterne Mann schenkte den Vorgängen im Pfarrhaus keine weitere Beachtung. Eines Nachts jedoch wurde er durch ein merkwürdiges Ereignis gezwungen, sich mit den seltsamen Vorgängen des Hauses zu befassen. Der Säugling, der neben dem Elternschlafzimmer schlief, fing plötzlich mörderisch zu schreien an. Die junge Frau eilte durch die offenstehende Türe in das anstoßende Gemach, um das Kind zu beruhigen. Entsetzt fuhr die junge Mutter zurück und rief ihren Mann. Beide Eltern sahen, dass das Kind aus der Windelpackung herausgezogen war, umgekehrt im Bettchen lag und blutunterlaufene Fingerspuren am Körperchen aufwies. Der Mann dachte zunächst nur an einen frechen Streich. Er prüfte sorgfältig den Verschluß der Fenster, der Zimmertüre zum Korridor hin und leuchtete dann mit einer Taschenlampe das ganze Zimmer ab. Auch die Windeln wurden nach einer möglichen Ursache der Druck- und Kratzwunden untersucht. Die Eltern fanden jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Erklärung des Vorganges.
Die Mutter packte den Säugling wieder ein und beruhigte ihn. Sie legten sich wieder zur Ruhe. Da setzte schon wieder das entsetzliche Wimmern und Schreien ein. Gemeinsam eilten die Eltern in das Nachbarzimmer. Wieder war das Kind nicht aufgewickelt, sondern nur aus der Packung herausgezogen und umgekehrt in das Bettchen gelegt. Das Körperchen zeigte erneut Spuren eines gewaltsamen Griffes mit typischen Merkmalen einer menschlichen Hand. Dem Ehepaar wurde es unheimlich. Sie nahmen das Kind in ihre Betten. Der Mann erklärte seiner Frau: „Hier scheinen doch rätselhafte Dinge vorzuliegen. Wir wollen beten.“ Die beiden jungen Menschen flehten dann um den Schutz Gottes und stellten sich im Glauben bewußt unter die Obhut ihres Herrn. Darauf legten sie sich ruhig nieder und wurden im Schlaf nicht mehr gestört.
Früh am Morgen gab es neue Aufregung. Der Mann beobachtete, wie aus dem Fenster des benachbarten Bauernhauses Flammen herausschlugen. Er eilte mit seiner Frau rasch hinüber, um bei dem vermeintlichen Brand zu helfen. Doch sie staunten, als im Nachbarhaus alles ruhig war. Der Feuerschein war weg. Kopfschüttelnd gingen sie ins Pfarrhaus zurück. Einige Stunden herrschte Ruhe. Da wurden sie erneut alarmiert. Der Bauer kam verstört zu seinem Seelsorger und berichtete, dass seine Tochter einen Tobsuchtsanfall hätte, wild um sich schlagen würde und nicht bei Sinnen wäre. Der Geistliche begleitete den bekümmerten Mann und beobachtete das tobsüchtige Mädchen. Es war ihm fast zur Gewißheit geworden, dass mit dem Pfarrhaus und mit dem Bauernhof irgend etwas nicht stimmte. Was vorlag, wusste er allerdings nicht.
Einige Monate waren über diesen Vorgängen verstrichen. Es war im Bauernhof und im Pfarrhaus alles wieder ruhig geworden, obwohl die Bauerntochter leider in die Nervenheilanstalt hatte verbracht werden müssen. Der Pfarrer hatte bewußt alles Sprechen über diese seltsamen Vorgänge im Dorf vermieden. Doch er suchte insgeheim nach einer Spur, um diese rätselhaften Dinge zu ergründen. Da kam ihm eines Tages ein alter Kirchenältester zu Hilfe. Dieser greise Mann berichtete ihm in einer vertraulichen Aussprache, dass der frühere Pfarrer, der fast ein Menschenalter der geistliche Hirte des Dorfes war, im Pfarrhaus 28 Jahre lang einen spiritistischen Zirkel unterhielt und auf dem okkulten Gebiet experimentierte. Zunächst wollte dem jungen Pfarrer der Zusammenhang zwischen diesen Versuchen auf dem Gebiet des Okkultismus und den seltsamen Vorgängen, die er in dem Pfarrhaus erlebt hatte, nicht einleuchten. Er war wie viele andere ein Akademiker, der die abergläubischen Dinge nicht für bare Münze nahm, sondern höchstens für einen interessanten Hokuspokus ansah. Im Laufe seiner Amtszeit aber, als er zu vielen Evangelisationen gebeten wurde, gewann er einen Einblick in diesen unheimlichen Bereich.
Dieses Erlebnis, das im Blick auf die Wahrhaftigkeit und Urteilsfähigkeit des Berichterstatters klar verbürgt ist, stellt doch hinsichtlich eines rationalen Verstehens eine ganz starke Zumutung dar. Es erhebt sich darum die Frage, wie der Vorfall in den beiden Häusern eintaxiert werden soll. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden seelsorgerlichen Beispiel sind folgende Einzelfragen zu erwägen:
War die Pfarrersfamilie einer groben Sinnestäuschung erlegen? Handelte es sich bei der Beobachtung dieses Feuerscheines um eine reine Halluzination? Waren die zehn blutunterlaufenen Fingerabdrücke nur Insektenstiche? Hatte der Säugling sich nur losgestrampelt und sich über dem Schmerz der Stiche umgedreht? Waren die Feuerflammen aus dem Fenster des Nachbarhauses etwa der Lichtschein der aufgehenden Sonne oder nur das flackernde Herdfeuer der Bäuerin? Nach der Lage des Hauses und der Anordnung der Wohnräume entfällt dieser Einwand. – Oder handelt es sich hier um ein Vorbrandgesicht, wie sie Dr. Schmeïng in seinem Buch vielfach schildert? Bestand zwischen den Vorgängen im Pfarrhaus und dem Tobsuchtsanfall der Bauerntochter ein Zusammenhang? Gibt es auf okkultem Gebiet eine Übertragung von Mensch zu Mensch? Gibt es ein Überspringen der Spukvorgänge von Ort zu Ort? Können Menschen durch uns unbekannte Mächte leiblich und seelisch angegriffen werden? Gibt es psychische oder magische Verfolgung? War das okkulte Experimentieren des alten Pfarrherrn die Ursache der seltsamen Vorgänge im Pfarrhaus? Hinterlassen Versuche auf dem okkulten Gebiet auch nach dem Tod des Ausübenden noch seltsame Wirkungen? Gibt es tatsächlich Spukhäuser? Müssen alle solche Wahrnehmungen nicht einfach als Humbug und Schwindel abgetan werden, oder ist eine rationale Erklärung aller dieser Phänomene möglich? Handelt es sich bei allen Erscheinungsformen des Okkultismus nur um ein Aktivwerden psychischer, innermenschlicher Kräfte, oder gibt es Einbrüche aus dem Bereich jenseitiger Mächte? Gilt also die animistische oder spiritistische Hypothese oder sonst eine Auffassung? Lässt sich das Rumoren im Pfarrhaus erklären als eine Abtrennung gewisser Seelenkräfte, die ein rätselhaftes Sonderdasein führen? Das wäre entweder das Problem der Depersonalisation oder der psychischen Abspaltung.
Dieser Einwand entfällt, da die jungen Pfarrersleute seelisch gesunde und ausgeglichene Menschen sind. Wenn diese okkulten Erscheinungen reale Geltung haben sollten, gibt es dann einen Schutz oder eine Befreiung auf diesem Gebiet?
Diese ganze Reihe von Fragen soll keine Einzeluntersuchung erfahren, sondern nur die schwierige Situation andeuten, in der sich der Beurteiler der Spukphänomene befindet. Dem psychologisch oder parapsychologisch geschulten Beobachter wird es bei solchen Spukerlebnissen deutlich, dass solche Phänomene vor dem Forum rationaler Ergründung nicht bewältigt werden können.
In seelsorgerlicher Hinsicht steht fest, dass dieses Erlebnis für die Pfarrfamilie eine starke Anfechtung war, mit der sie nicht ohne weiteres fertig wurde. Aus dem Wirrwarr ungeklärter Fragen schälte sich aber die Tatsache heraus, daß der Glaube an Jesus Christus den Bedrängten Hilfe brachte.
B 92 Auf einem Schloss wurde ein mir gut bekannter, überdurchschnittlich begabter Hauslehrer angestellt. Bald nach seiner Ankunft erfuhr er von seltsamen Spukgeschichten des Schlosses. Er lächelte überlegen. Eines Abends lief das Schloßpersonal wie schon oft vorher auf dem Schloßhof zusammen. Es zeigte sich wieder die schon oft beobachtete weiße Gestalt. Der Hausmeister verständigte den Lehrer. Dieser steckte seine Pistole zu sich und begab sich an den Spukort. Eine überlebensgroße weiße Gestalt bewegte sich langsam auf die Schar der Neugierigen zu. Es war ein Kreis von etwa zehn Menschen. Der Lehrer trat vor und forderte die weiße vermummte Gestalt auf, die Tarnung abzuwerfen. Er hob die Pistole und drohte zu schießen. Dann gab er einen Schreckschuß ab und wiederholte seine Drohung. Die weiße Gestalt reagierte nicht. Dann schoß er zuerst tief auf die Beine und zuletzt jagte er aus ca. 4 m Entfernung die beiden Magazine, insgesamt 14 gutgezielte Schüsse, mitten in die Gestalt, die sich dann verbeugte und auflöste. Außer dem Lehrer ist das ganze Schloßpersonal Zeuge dieses Vorfalles. Eine weitere Zeugin für die anderen Spukphänomene des Schlosses ist eine Diakonisse, die ohne jede Kenntnis der Vorgänge zur Pflege des sterbenden Schloßherrn von einem Mutterhaus anreiste. Die Schwester wachte eine Nacht und verließ bereits am Morgen, ohne den Tod des Adeligen abgewartet zu haben, fluchtartig das Schloß. Sie hatte in der Nacht erschreckende Spukgeschichten erlebt.
B 93 Bei einer Tagung der Evang. Akademie in Bad Herrenalb wurde in der Diskussion zwischen Pfarrern und Ärzten auch das Problem des Okkultismus gestreift. Der anwesende Schriftleiter eines großen Wochenblattes erzählte, daß seine Schwester als Herrin eines schlesischen Schlosses oft eine nächtliche Spukerscheinung erlebte. Eine junge Frau eilte um Mitternacht aus einem Gemach kommend die Treppe hoch und verschwand oben im Korridor. Die Geschichte interessierte mich zunächst nicht sonderlich, da derartige Ahnfrauengeschichten genug kursieren. Plötzlich fiel jedoch der Name des Schlosses, Lubowitz. Da erinnerte ich mich an einen Bericht aus Eichendorffs Tagebuch über dieses Schloss. Eichendorff wachte mit einigen Freunden vor dem Spukgemach. Während sie von gleichgültigen Dingen plauderten, ging die Türe auf, und eine schlanke junge Dame trat heraus und eilte leichtfüßig die Treppe hoch. Ein an diesem Tag erst eingetretener Diener, der von dem Spuk nichts wusste, folgte der Frau mit dem Leuchter nach, um ihr zu leuchten. Da durchgellte ein durchdringender Schrei das Schloss. Eichendorff und seine Freunde eilten, sobald sie sich im ersten Schrecken gefasst hatten, die Treppe hoch. Der Diener lag tot auf dem Boden mit dem Ausdruck fürchterlichsten Entsetzens im Gesicht. Eichendorff erlebte diese Spukgeschichte im Jahre 1810. Die letzte Schloßherrin von Lubowitz verließ 1944 beim Herannahen der Russen das Schloss. Somit ist hier ein gleichbleibendes Spukphänomen für den Zeitraum von 134 Jahren verbürgt.
B 94 In einem Pfarrhaus zog ein junger Pfarrer ein. Bald stellte er und seine Frau fest, dass manchmal abends ein rothaariger Mann in einem Zimmer stand, der beim Eintritt von Personen dann verschwand. Außer dieser Erscheinung wurden auch kratzende und fegende Geräusche auf dem Gang gehört. Dieses Phänomen wurde auch von Besuchern des Pfarrhauses gelegentlich beobachtet. Nach vorsichtig angestellten Erkundigungen legte sich die Vermutung nahe, daß der rothaarige Mann mit einem früher in diesem Pfarrhaus wohnenden Pfarrer identisch war, der nach dem Urteil der alten Leute im Dorf ein sehr schlechtes Leben geführt hatte. Der junge Pfarrer begnügte sich nicht mit diesen Erkundigungen. Er rief einige treue Christen zum anhaltenden Gebet ins Pfarrhaus zusammen mit dem Erfolg, dass die Spukphänomene aufhörten.
B95 Bei einer Evangelisation in Bern wurde mir ein Spukhaus gezeigt, das geschlossen wurde, weil alle Bewohner von dem nächtlichen Spuk belästigt wurden. Das Haus steht nun schon seit Jahren unbewohnt da.
E 16 Jung-Stilling berichtet in seiner Theorie der Geisterkunde von einem Spukhaus, das 300 Jahre hindurch von einem nächtlichen Hausgeist heimgesucht wurde. Zur Nachtzeit hörte man oben im Obergeschoß schwere Schritte wie eines Sackträgers. Einige Male zeigte sich auch eine Gestalt in Mönchskutte.
Ein besonderes Kapitel des ortsgebundenen Spukes ist der sogenannte Stallspuk, der mir in vielen Fällen aus dem Gebiet des Schwarzwaldes bekannt wurde. Neben den zahllos kursierenden Stallspukgeschichten verfüge ich über Beispiele aus erster Hand.
B 96 Bei einer Evangelisation wurde ich in das Haus christlich gesinnter Menschen gerufen. Sie klagten darüber, dass ihr Vieh immer durch nächtlichen Spuk beunruhigt wurde. Die Schwänze von den Pferden und Kühen würden am Ende geflochten, die Kühe wären manchmal morgens schon ausgemolken, obwohl beide Stalltüren des Nachts fest verschlossen wären.
Wer solche Spukgeschichten zum ersten Mal hört, ist geneigt, sie als schlechten Scherz anzusehen. Diese Erlebnisse sind aber in vielen Fällen einwandfrei bezeugt. Im allgemeinen schämen sich solche Bauernfamilien, diese Belästigungen publik zu machen. Man erfährt nur im Vertrauen solche Spukphänomene.
B 97 Einer meiner Amtsnachbarn im Schwarzwald wurde eines Tages auch zu einem Hof gebeten. Der Viehstall wurde nächtlich immer heimgesucht. Die Schwänze der Tiere waren morgens geflochten, außerdem waren die Kühe ausgemolken. Der Bauer hatte beide Zugänge zum Stall doppelt gesichert und sogar nachts manchmal einen Knecht zum Wachen eingestellt. Auch er selbst blieb gelegentlich nachts im Stall. Es war alles umsonst. Der Spuk blieb. Da wusste er sich keinen anderen Rat mehr, als den Pfarrer zu holen, damit er im Stall bete und um den Schutz und Segen Gottes bitte. Der Pfarrer musste mehrmals zu dieser geistlichen Handlung gebeten werden, bis die Intensität des Spukes nachließ.
Das charakteristische Phänomen des Stallspukes ist die Querverbindung: Spukphänomen und Magie. In allen Spukfällen, die ich untersuchen konnte, liegen dem Spukphänomen okkulte Praktiken zugrunde. In B96 wurde festgestellt, dass die Familie vor Beginn des Stallspukes einen magischen Besprecher zu Rate zog und sich von ihm helfen ließ. Dr. F. Moser berichtet bei einem Stallspuk, dass ein Volksmagus zu Hilfe geholt wurde, der sofort wirksam helfen konnte. Wenn in einem Haus mit Besprechern gearbeitet wird, dann ist auch anzunehmen, dass vorher schon solche Hilfe in Anspruch genommen wurde. Weitere Fälle dieser Querverbindung werden in den folgenden Beispielen gegeben.
Es werden jetzt Fälle berichtet, die zur Kategorie des personengebundenen Spuks gehören. Beide Fälle wurden von mir zusammen mit Polizeibeamten und mit Amtsbrüdern untersucht.
B 99 In einer geistig hochstehenden Familie zeigten sich häufig abends nach 11 Uhr spukhafte Phänomene. Während die Familie noch versammelt war und die Großmutter noch in der Bibel las, gingen die Türen auf, ohne dass ein Windstoß oder eine menschliche Hand die Ursache war. Oft zeigten sich auch vor dem Fenster, wenn die alte Dame sich zur Ruhe begab, menschliche Köpfe, obwohl das bei dem im dritten Stock liegenden Zimmer nicht möglich war. Auch sonst machten sich in dem Hause verschiedene Spukphänomene bemerkbar. Der Hausherr, der ursprünglich diesen Dingen gegenüber sehr skeptisch war, sprang schon zur Türe, wenn sie sich öffnete, um die Ursache zu ergründen. Manchmal wurden auch auf dem Gang Männerschritte gehört, die näher kamen, obwohl das Haus verschlossen war. Im Zusammenhang mit diesen Erlebnissen schaffte sich der Hausherr einen scharfen großen Hund an. Das Merkwürdige bei diesem Tier war die Beobachtung, dass es bei jedem Menschen, der das Haus betrat, sofort anschlug, aber bei dem Spuk winselte und sich verkroch.
Als mir diese Dinge in dem betreffenden Hause erzählt und nach meiner Meinung gefragt wurde, stellte ich die Frage, ob in dem Hause schon spiritistische Sitzungen abgehalten wurden. Es wurde verneint. Dann fragte ich weiter, ob eines der Familienmitglieder an spiritistischen Sitzungen außerhalb teilgenommen habe. Diese Frage wurde von der alten Dame bejaht. Sie habe in der Jugend als Mädchen öfters an einem Gesellschaftsspiel, dem sogenannten Tischrücken, teilgenommen. Diese Antwort genügte mir, da ich schon oft derartige Häufigkeitsbeziehungen zwischen Spuk und okkulten Praktiken erlebte.
B 100 Eine durch Spukfälle stark in Mitleidenschaft gezogene Familie bat um Hilfe. Ich reiste hin und sah mir die Zerstörungen selbst an. Schuhe, Hemden, Leintücher waren in den Ofen gesteckt und angezündet, Tinte war über das Rauchfleisch oder in den Mostkrug gegossen, Schnaps und Wasser in die Betten geschüttet, Gewichte ins Mehl geworfen, Eier im Hühnerstall zerquetscht oder gestohlen, Geld, Hausschlüssel, Gebrauchsgegenstände aller Art verschwanden plötzlich ohne ersichtlichen Grund, Drahtreifen wurden zerschnitten, Kleidungsstücke zerrissen usw. Die Familie wurde in einigen Monaten um einige hundert Mark geschädigt.
Durch das Vertrauen und Entgegenkommen der Familie war es mir möglich, mit jedem einzelnen Familienmitglied gesondert zu sprechen. Für die Zuverlässigkeit der Aussagen spricht der ehrliche, aufrichtige Charakter dieser treuen Menschen. Der Großvater dieses Hauses war Besprecher mit dem 6. und 7. Buch Moses. Drei Nachkommen von ihm haben besonders geprägte psychotische Störungen, die auf die okkulte Tradition hinweisen. Bedeutsam war, dass die Familie nach eingehender seelsorgerlicher Beratung sich zur täglichen Gebetsgemeinschaft zusammenschloß. Schlagartig gingen die Zerstörungen bis auf kleine Reste zurück, die nach einigen Monaten vollends verschwanden.
Bei den aufgezählten Spukfällen ist die Psychologie und die Parapsychologie bei dem gegenwärtigen Stand mit rationalen Erklärungen am Ende.
Für die hier geführte Untersuchung muss noch einmal der Tatbestand herausgestellt werden, dass alle Spukfälle, auch die hier nicht angeführten, die ich selbst zu untersuchen Gelegenheit fand, im Hintergrund eine okkulte Betätigung irgendeines Hausbewohners hatten. Aus diesem Grunde werden die Spukphänomene auch als Auswirkung der okkulten Praktiken unter den gleichen Perspektiven wie das andere magische Treiben gesehen. Bei Spukfällen, die sich über große Zeiträume von mehr als einem Menschenleben erstrecken, liegt der Verdacht transzendenter Wirkungszentren sehr nahe.
III. DIE ZUSAMMENFASSUNG DER BEI OKKULTEN FÄLLEN BEOBACHTETEN HÄUFIGKEITSBEZIEHUNGEN
1. Die Auswirkungen am okkult Beeinflussenden
Unter dieser Gruppe sind solche Okkultisten gemeint, die in aktiver Weise als spiritistische Leiter, als Medien, als ausübende Mantiker, als experimentierende magische Besprecher eine okkulte Praxis betreiben. Die Familiengeschichte und das Ende dieser okkulten Aktivisten nimmt in vielen mir bekannten Fällen einen so tragischen Verlauf, dass von einer Zufälligkeit nicht mehr die Rede sein kann.
a. Das Ende der okkulten Aktivisten
In dem Abschnitt über das magische Besprechen wurden bereits viele Beispiele über das tragische Ende der magischen Besprecher gegeben. Selbstmorde, tödliche Unglücksfälle, Psychosen oder entsetzliche Sterbeszenen zeigen sich in vielen Fällen. Abgesehen von den in dieser Untersuchung wiedergegebenen Fällen sind mir noch zahlreiche Beispiele dieser Art bekannt, z. B.: Der Leiter eines spiritistischen Zirkels in Südwürttemberg hängte sich auf, die Leiterin eines anderen Zirkels kam ins Irrenhaus. Vielleicht gehören auch die Beispiele der Literatur hierher. Das berühmte Medium Dr. Slade erlitt zwei Schlaganfälle, ein Pionier auf dem Gebiet der Parapsychologie, Crawford, der Erforscher des Mediums Kathleen Goligher, nahm sich im Jahr 1920 das Leben. In der parapsychologischen Literatur finden sich immer wieder solche Notizen eingestreut.
b. Das Verhängnis in ihrer Familie und Nachkommenschaft
Auf dem Gebiet der Vererbung zeigt sich bei den okkulten Aktivisten eine Kohärenz bis ins 3. und 4. Glied, die den Auswirkungen bei Trunksucht, Lues und Psychosen im Blick auf die Reichweite in der Geschlechterfolge nicht nachsteht. In der vorliegenden Untersuchung ist bereits in etlichen Beispielen gezeigt, wie die psychischen Störungen und die durch okkulte Praxis entwickelte Mediumität bis ins 3. und 4. Glied durchdringen. Ein Beispiel in Form einer Skizze soll das noch einmal unterstreichen:
B 101 Der Großvater einer magischen Besprecherlinie arbeitete mit dem 6. und 7. Buch Moses. Sein Sohn führte diese Tradition weiter. Während der Großvater außer sich anbahnenden psychischen Verwicklungen noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, entwickelten sich beim Sohn Zwangsdenken und religiöse Wahnideen. Der Enkel wurde noch ein fanatischerer Anankast als sein Vater. Der Enkel verschaffte sich bei dem Kirchendiener der zuständigen Kirchengemeinde einen Schlüssel zur Kirche. Nachts um 12 Uhr predigte er dann in der Kirche. Auch drang er gelegentlich in den Hauptgottesdienst ein, stellte sich auf den Altar oder auf die Kanzel, um zu predigen. Er wollte damit, wie er sich ausdrückte, den Fluch der Beschäftigung mit dem 6. und 7. Buch Moses in seiner Familie überwinden. Einige Männer holten dann den Störenfried vor versammelter Gemeinde von der Kanzel herunter und schafften ihn mit Gewalt hinaus, da er sich im Guten nicht wegbringen ließ. Im vierten Glied sind die Nachwirkungen nicht festzustellen, da dieser Anankast keine Nachkommen hat.
c. Die Entwicklung medialer Fähigkeiten
Es war bei den vielen magischen Besprechungsfällen eine überraschende Entdeckung, dass als Sekundäreffekt sich nach einer oder mehreren magischen Besprechungen in der 2. bis 4. Generation die Hellsehfähigkeit entwickelte. Bei den Blutsverschreibungen und Amulettverschreibungen zeigt sich ebenfalls gern die Entwicklung der Hellsichtigkeit vor allem in der Ausprägung der Geisterseherei. Auch von Teilnehmern der spiritistischen Sitzungen hörte ich immer wieder, dass sie jahrelang, nachdem die Teilnahme an den Séancen schon längst aufgehört hatte, immer noch Geister und Spukgestalten sahen, anscheinend nach Goethes Satz im Zauberlehrling: „Die Geister die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los.“
Außer der Entwicklung der Hellsichtigkeit zeigt sich bei okkulter Praxis auch die Zunahme der Mediumität. Es wurde bereits davon gesprochen, dass die Mediumität bei entsprechendem ablehnendem Verhalten oder bei weiterer okkulter Praxis entweder rezessiv oder dominant in den nächsten Erbgang geht. Mediumität ist abbaufähig und entwicklungsfähig. Wenn vier Generationen alle aktiv okkult arbeiten, dann entwickeln sich sehr starke Medien. Die Mediumität kann bei der Umkehr eines medial veranlagten Menschen zu Jesus Christus erhalten bleiben oder verschwinden. Beispiele dafür sind B24, wo die Mediumität bei der Hinwendung zu Christus verschwand, ferner B16 und B56, wo die Mediumität erhalten blieb und sich manchmal auf geistliche Inhalte umstellte. Die in dem letzten Beispiel erwähnte Missionarsfrau, die als Kind besprochen wurde, hatte nie die Ursache ihrer Mediumität und Hellsichtigkeit erkannt, darum gab sie sich ohne Bedenken dieser Fähigkeit hin. Aus Gründen der Diskretion wurde in dem Beispiel B56 nicht alles gesagt. Nach dem Beispiel aus Apostelgeschichte 16, 16 ist es besser, wenn medial veranlagte Christen um die Befreiung von dieser Fähigkeit beten, zumal die Entstehung der Mediumität okkulte Wurzeln hat. Selbstverständlich ist damit nichts gegen das pneumatische visionäre Geschehen, das einen ganz anderen Ursprung hat, gesagt. Doch ist religiöses visionäres Geschehen in seelsorgerlichen Beispielen mit großer Vorsicht zu behandeln, da es nicht nur pneumatischen, sondern auch medialen Charakter haben kann.
2. Die Häufigkeitsbeziehungen am okkult Beeinflussten
Nach der Darstellung der Auswirkungen bei den okkulten Aktivisten müssen die Häufigkeitsbeziehungen an den passiven Okkultisten gekennzeichnet werden. Es muss betont werden, dass es hier nur um die Feststellung von Häufigkeitsbeziehungen geht und es sich nicht darum handelt, etwa ein Kompendium der Psychiatrie ex occultismo zu geben. In den vielen seelsorgerlichen Fällen der letzten 15 Jahre zeigte sich die okkulte Behaftung im Zusammenhang mit psychischen Störungen in folgender Prägnanz:
a. Verbiegung des Charakters: Harte, egoistische Menschen, Ungesellige, finstere Naturen.
b. Überhöhte Leidenschaftlichkeit: Abnorme Geschlechtlichkeit, Jähzorn, Streitsucht, Hang zu Süchten, Geiz und Kleptomanie.
c. Seelische Erkrankungen: Zwangsdenken, Schwermut, Selbstmordgedanken, Angstanfälle.
d. Besessenheit: Zerstörungssucht, Tobsuchtsanfälle, Neigung zu Gewalttaten und Verbrechen, Innewohnung von Dämonen.
e. Geisteskrankheiten
f. Antichristliche und antigöttliche Verkrampfung: Bewusster Atheismus, Scheinfrömmigkeit, Unlust zu Gottes Wort und Gebet, Lästergedanken, Religiöser Wahnsinn.
VI. DIE OKKULTEN PHÄNOMENE IN DER SICHT DER BIBEL
Dem rationalen Hinweis auf außersinnliche Wirkungszentren entspricht in der Bibel das Geheimnis der überpersönlichen Mächte. Da es sich in unserer Untersuchung um Kräfte mit destruktiver Wirkung auf das Seelenleben der Menschen handelt, sind die mit dem Schöpfer zerfallenen Mächte, Satan und die Dämonen, gemeint! Ein Reden vom Satan und den Dämonen ist jedoch hier zunächst nicht erforderlich, denn der magisch arbeitende Mensch ist mit seinen okkulten Praktiken vor das Angesicht Gottes und nicht vor das Forum Satans oder der Dämonen gestellt. Der magisch operierende Okkultist hat es zunächst allein mit dem Schöpfer zu tun, darum wurde bisher in unserer Untersuchung ganz bewußt auf die Entfaltung einer Dämonentheorie als Erklärung okkulter Vorgänge verzichtet.
Wir untersuchen nun die Aussagen des AT und NT im Rahmen unserer Fragestellung. Es geht dabei nicht um das Problem, alles aus AT und NT zu erheben, was über die okkulten Phänomene darin gesagt ist. Wer dieser Frage nachgehen will, kann die Abschnitte über Dämonen und Zauberwesen in der Theologie von H. Müller „Das Reich Gottes und die Dämonen“, Mager „Mystik als seelische Wirklichkeit“, E. Sauer „Satan – der Gegenspieler Gottes“, Heitmüller „Engel und Dämonen“ – um nur einiges zu nennen – zur weiteren Klärung dienen.
Hier in diesem Abschnitt soll nur die Frage der biblischen Einordnung der okkulten Phänomene, soweit sie für das Ziel dieser Arbeit von Interesse sind, untersucht werden.
1. Der Befund des Alten Testaments
Im AT wird sowohl in der mosaischen als auch prophetischen Zeit der Kampf gegen einen synkretistischen Prozeß mit den Religionen der Nachbar- oder Wirtsvölker geführt. Die religiösen Führer oder Berater Israels suchen stets eindringende heidnische Elemente auszumerzen. Diese Auseinandersetzung ist eine Fundgrube für die magischen und mantischen Praktiken aus Israels Umwelt. Im einzelnen werden folgende heidnische Bräuche abgelehnt und bekämpft:
a. Der Spiritismus
Deutlich wird diese Abwehr in 5. Mose 18, 10-12. Die Geschichte der Hexe von Endor (1. Samuel 28) ist sehr umstritten. Wir entnehmen aber eines mit Sicherheit. Saul hat sich bei dieser Spiritistin das Todesurteil geholt. Das Befragen der Toten wird ferner auch in der prophetischen Zeit abgelehnt. Jesaja fragt: „… oder soll man die Toten für die Lebendigen befragen?“ In einer Linie mit der Totenbefragung steht auch die Götzenbefragung. König Ahasja sandte in seiner Krankheit Boten nach Ekron, um Baal-Sebub zu fragen. Er hat sich mit dieser Götzenbefragung sein Todesurteil geholt wie Saul in Endor.
b. Die Mantik
Die mantischen Praktiken sind die häufigsten im antiken Heidentum. Das AT enthält darüber viele Spuren, z. B. 1. Mose 44, 5; 3. Mose 19, 31; 3. Mose 20, 6; 5. Mose 18, 10-12; l. Chronik 10, 13; Jesaja 44, 25; Jeremia 29, 8-9; Hesekiel 21, 26; Hosea 4, 12; Micha 3, 6-7; Sacharja 10, 2. Unter diesen Belegstellen sind verschiedene Formen der Mantik wie Becher-, Stab-, Pfeil-, Los-, Leber-, Traumwahrsagung, das Achten auf Vogelgeschrei, Unglückstage und andere Zeichen. Besonders vermerkt ist der Gestirnsdienst, die Astrologie (5. Mose 17, 2; 2. Könige 17, 16; Jesaja 47, 9). Auf das Abgleiten in die heidnische Mantik steht in der Thora die Todesstrafe (2. Mose 22, 17; 3. Mose 20, 6; 5. Mose 17, 5).
c. Die Magie
Die Beschwörer bildeten im antiken Heidentum wie heute noch bei den Primitiven eine abgegrenzte Berufsgruppe. Moses bekam mit ihnen in Ägypten zu tun (2. Mose 7, 11; 8, 3). Es ist unveräußerlicher Bestand der Thora (5. Mose 18, 10-11) wie der prophetischen Religion (Jesaja 47, 9-15), dass diese Zunft der Beschwörer in Israel kein Daseinsrecht hat. Um dieser Magier willen kommt Gottes Zorn über sein Volk.
d. Die Einordnung dieser Phänomene in die Theologie des AT
Der Angelpunkt für das theologische Verständnis der heidnischen Magie im Raume Israels ist 3. Mose 19, 31: „Ihr sollt euch nicht an die Geisterbefrager wenden, noch an die Wahrsager; ihr sollt sie nicht aufsuchen, um euch an ihnen zu verunreinigen; denn Ich, der HERR, bin euer GOTT!“ Alle magisch-mantischen Praktiken des AT werden von der Situation des ersten Gebotes aus verstanden. Der Israelit hat es in erster Linie nicht mit den Ascherabildern, den Spukgeistern oder gar mit Dämonen zu tun, sondern er ist mit dem heidnischen Brauchtum vor die Schranke seines Gottes gerufen. Er muss sich entscheiden, ob Jahwe sein Herr ist oder nicht. Er muss sich mit der Wirklichkeit Gottes auseinandersetzen und nicht mit der Existenz von Geistern und Dämonen. Die Magie des AT ist daher keine Dämonenfrage, sondern eine Gottesfrage. Das wird nicht nur im 1. Gebot, sondern noch in anderer Beziehung deutlich.
In der heidnischen Umwelt Israels spielt der Namenkultus eine große Rolle. Der Gottesname bleibt möglichst geheim. So war es bei den Ägyptern, bei den Römern; vielleicht weist auch der Altar für den unbekannten Gott in Athen darauf hin (Apostelgeschichte 17, 23). Wer aber den Gottesnamen kennt, verfügt über Zauberkräfte. Das Wesen dieses Namenkultus ist also ein Macht- und Zauberglaube. Im AT sucht man vergeblich nach Beispielen zauberhaften Gebrauchs des Gottesnamens. Der Jahweglaube distanziert sich von der Namenmagie des Heidentums. Es geht im AT nicht um den magischen Namenverkehr mit Gott, sondern um einen personhaften Verkehr des Menschen mit seinem Herrn und Schöpfer.
Das ist der Sinn des 2. Gebotes: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen!“ Auch in der Situation des 2. Gebotes wird es deutlich, dass mit der Abwehr des magischen Namenverkehrs und der Erziehung zum personhaften Gottesverkehr die Magie eine Gottesfrage darstellt. Der Glaube des Israeliten unterscheidet sich vom Glauben des Heiden darin, dass die Gottesvorstellung des Israeliten von der unbekannten „Es-Beziehung“ des Heidentums sich absetzend auf einer personhaften „Du-Beziehung“ fußt. Die Wirklichkeit ist für ihn das „Du“ Gottes, wie es im 1. Gebot in der Zusage „dein Gott“ sichtbar wird. An diesem „Du“ müssen sich alle anderen Fragen, auch der magisch-mantische Komplex, scheiden und entscheiden.
2. Der Befund des NT
Die okkulten Phänomene, die im NT ihren Niederschlag haben, können nur in dem heilsgeschichtlichen Zusammenhang der Sendung Jesu Christi verstanden werden.
a. Die Sendung Jesu Christi und ihr Widerspruch
Das Erscheinen Jesu Christi bedeutet den Anbruch der Basileía toū Theoū (Reich Gottes) auf Erden. Diese Basileía erweist sich in der neuen Heilswirklichkeit: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt (Matthäus 11, 5), die Gefangenen werden los, die Zerschlagenen werden frei, das angenehme Jahr des Herrn ist angebrochen (Lukas 4, 18-19). Dieser Basileíawirklichkeit gegenüber holt der Widersacher zum Gegenschlag aus. Alles setzt er gegen Jesus Christus in Bewegung: die Landesregierung, die Theologen, die Priester, das Volk, den eigenen Jünger, den römischen Richter usw.. Woher diese Todfeindschaft? Die Macht der Finsternis sieht ihr Reich bedroht, die Civitas Diaboli ist gefährdet, darum wird alle Macht zur Gegenwirkung aufgeboten. Der Exousia des Gottessohnes (Matthäus 7, 28-29) wird die Exousia (Herrschaft, Vollmacht) der Finsternis (Lukas 22, 53) entgegengesetzt. Diese Frontstellung ist bereits im Ansatz überwunden. Jesus Christus sagt: „Wenn Ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen!“ Mit diesem Jesuswort ist die Sachlage der Dämonischen, des Exorzismus, der okkulten Betätigung und Behaftung grundsätzlich zwischen Seiner Ankunft und Seiner Parusie geklärt.
b. Der Aspekt des Dämonischen im NT
Mit dem Sachverhalt der Sendung Jesu Christi wird damit die Frage und das Rätseln um die finsteren Mächte beantwortet. Karl Heim schreibt: „Die Beseitigung der Verwirrung, die durch die satanische Empörung angerichtet worden ist, ist also der letzte Sinn der Sendung Christi auf Erden. Hätte diese satanische Revolution gegen Gott nicht stattgefunden, so wäre die Sendung Christi auf die Erde nicht erfolgt.“ Heim sieht diese Auffassung der Sendung Jesu Christi bestätigt in der Ausführung des Paulus in 1. Korinther 15. Dort wird gesagt, dass Jesus Christus so lange die Basileía ausüben muss, bis Er alle Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt haben wird. Dann hat Jesus Christus Seine Mission erfüllt, und Er kann dem Vater Sein Mandat zurückgeben. Wir können an dem Ausmaß der von Jesus Christus ausgeübten Basileía rückschließend uns ein Bild von der satanischen Empörung machen. Die Wirkungsmacht Jesu Christi erhellt die Macht Seines Widersachers. Das Verständnis der Finsternismächte ist also im NT eine Frage des Christusverständnisses, kurz gesagt, die Dämonenfrage ist eine Christusfrage.
Damit sind wir bei einem ähnlichen Ergebnis wie zuvor beim AT. Prof. Hahn schreibt, dass die Dämonologie aus dem christologischen Tatbestand abzuleiten ist. Bei dem Fragen nach den dämonischen Hintergründen okkulter Phänomene steht im Vordergrund immer zuerst die Christusfrage. Wo das übersehen wird, hat jegliche Meinung vom Dämonischen ein verschobenes Blickfeld. Das muss vor allem da gesagt werden, wo aus primitiver Biblizität heraus ein naiver Teufels- und Dämonenkult entsteht. Es muss also wie oben von seiten der Grenzwissenschaften aus hier von theologischer Sicht aus vor einer voreiligen Dämonentheorie gewarnt werden.
c. Der Doppelcharakter von semeion (Zeichen)
Im AT herrscht schon die Überzeugung, dass der Charakter des Zeichens (oth) nicht eindeutig ist. Man weiß in Israel, „dass etwas Überraschendes und Faszinierendes auch von anderen Mächten als von Gott, von Zauberern oder von anderen Elohim-Mächten gewirkt sein könnte, ja, dass Gott auch einem gefährlichen Menschen einmal ein Wunder gelingen lassen könnte, um seine Anhänger auf die Probe zu stellen“. Im NT ist diese Situation noch heikler.
Semeion wird bald von Gotteswundern (Markus 16, 17; Johannes 2, 23; 4, 54; 6, 2; 9, 16; 11, 47; Apostelgeschichte 4, 16; etc.), bald von dämonischen Wundern gebraucht (Matthäus 24, 24; 2. Thessalonicher 2, 9; Offenbarung 13, 13; 16, 14; 19, 20). Die Doppelbedeutung dieses Terminus zeigt die schwierige Situation der Beurteilung der Zeichen. Thielicke schreibt dazu: „Satan hat die Leidenschaft und die Sachkenntnis eines Renegaten, deshalb tut er Wunder wie Christus selber. In allem, was er tut, und wie er es tut, ist er der Affe Gottes.“ Wir erkennen an der Doppelsinnigkeit von semeion das Widerspiel der Sendung Jesu Christi unter der Gegenaktion Satans. Das semeion ist auch kein Hinweis, unter welchen Vorzeichen es sich ereignet. Es muss das Wort Gottes als klärender Faktor, als formales Prinzip herangezogen werden.
3. Die Synopse der Befunde und ihre Auswertung für unsere Untersuchung
Die Zusammenschau der bisher geltend gemachten Gesichtspunkte ergibt für das Formalprinzip unserer Untersuchung folgende Sachverhalte:
a. Der magisch-mantische Komplex des AT hat eindeutig seine Wurzeln im Heidentum der Umwelt Israels. Die Auseinandersetzung mit diesem heidnischen Einflußbereich ist ein Problem der Gottesfrage unter dem Gesichtswinkel des 1. und 2. Gebotes.
b. Auf der Ebene des NT lassen sich die okkulten Phänomene nur auf Grund der Sendung Jesu Christi verstehen. Jesus Christus ist der Basileus, der den Griff Satans nach der Alleinherrschaft Gottes abwehrt. Der Kampf zwischen der Civitas Dei und der Civitas Diaboli enthüllt Existenz, Wesen und Macht der finsteren Kräfte, deren Verständnis eine Seite der Christusfrage darstellt.
c. Machtäußerungen der beiden Reiche wie Zeichen und Wunder haben durch ihre Doppelsinnigkeit keinen direkten Offenbarungscharakter. Es gilt hier: „ … prüft die Geister, ob sie aus Gott sind!“ (1. Johannes 4, 1b)
In Form einer Skizze sei ein kleiner Exkurs hier angefügt. Die Bibel kennt im Gegensatz zu den okkulten Phänomenen die pneumatischen Phänomene:
Botschaften aus der Welt Gottes – statt Spiritismus
Prophetie im AT und NT – statt Hellsehen
Weissagung – statt Wahrsagung
Geisterprüfung – statt medialer Fähigkeiten
Gebet des Glaubens – statt Magie
Glaubensheilung – statt Besprechen
Geistesausgießung – statt Psychokinese
Auslieferung an Jesus Christus – statt Blutsverschreibung
Gewissheit göttlichen Schutzes – statt Aberglauben
Dienstbarkeit himmlischer Boten – statt Spuk
Verankerung unserer Seele in Jesus Christus – statt Exkursion der Seele
d. Wer mit seinen okkulten Praktiken an der Christusfrage nicht zur Entscheidung kommt, verfällt dem Nichtigen, dem Chaos, gerät in Abhängigkeit der finsteren Mächte. Die Umkehr bedeutet: Wer Jesus Christus zum Kyrios annimmt, steht in der Gefolgschaft des Siegers, der gekommen ist, die Bollwerke der Finsternis zu zerstören.
e. Magisches, okkultes Handeln in der Gegenwart ist ein Brennpunkt, an dem die Frontstellung Civitas Dei – Civitas Diaboli deutlich wird, und zwar heute genauso aktuell wie in der Zeit Jesu Christi. Wir stehen ja noch immer im Anbruch der Gottesherrschaft bis zu ihrer Manifestation vor aller Welt bei der Parusie. Am okkulten Handeln wird der letzte Kampf zwischen Gottesherrschaft und Finsternismacht sichtbar. Hier sind die Bastionen, an denen die geballte Widerstandskraft des Feindes deutlich wird, der trotz allen Ansturms als Besiegter nur Nachhutgefechte leisten kann. Dieser Widerstandsmacht gegenüber gibt es keinen Friedensschluß unter Bedingungen, sondern nur totale Unterwerfung, keinen Kompromiß, sondern nur bedingungslose Kapitulation.
V. DER WEG DER BEFREIUNG AUS OKKULTER BEHAFTUNG
1. Der medizinische und theologische Aspekt der Befreiung aus okkulter Behaftung
Nach der Klärung des grundsätzlichen Verhältnisses der Psychotherapie zur Seelsorge muss die Zuständigkeit des Heilbemühens hinsichtlich der okkulten Behaftung abgegrenzt werden. Wir stellten bei der kritischen Prüfung der seelsorgerlichen Fälle fest, dass die okkulte Behaftung ein theologisches Problem mit einer medizinischen Außenseite darstellt, um eine Metapher zu gebrauchen, ein geistliches Krankheitszentrum mit einer medizinischen Metastase. Hier kann en passant wieder ein aktueller Problemkreis beobachtet werden: Ein psychosomatischer Zusammenhang, der Schuld-Krankheit-Konnex, die starke Bezogenheit von Theologie und Medizin.
Es entspricht nun der sauberen Trennung von Psychotherapie und Seelsorge, daß versucht wird, den medizinischen „Ableger“ der okkulten Behaftung nach medizinischen Gesichtspunkten zu behandeln und das Hauptproblem als geistlich-seelsorgerlich-theologische Fragestellung zu untersuchen. Nach den zur okkulten Behaftung gegebenen Definitionen stellt sich der Heilungsvorgang unter einem medizinischen und theologisch-seelsorgerlichen Aspekt dar. Das heißt, eine biblisch fundierte und theologisch ausgerichtete Seelsorge hat nun das Wort.
2. Die Seelenführung vom NT her in der Frage der Befreiung
Bevor wir in die Erörterung der seelsorgerlichen Fragestellung eintreten, muss zunächst der Begriff „Seelenführung“ kurz abgegrenzt werden. Asmussen unterscheidet in seinem Buch zwischen Seelsorge und Seelenführung in dem Sinne, dass die eigentliche Seelsorge die Wortverkündigung und die Seelenführung den Komplex der Erziehungsfragen darstellt. Er definiert: „Seelenführung ist die bewußt und unbewußt geschehende Erziehung der Gemeinde.“ Bei dieser Unterscheidung spielt die Voraussetzung mit, dass die Seelsorge nur das Anliegen des Evangeliums und die Seelenführung die Belange des Gesetzes zu vertreten habe. Wenn hier vorweggenommen wird, dass Seelsorge die Ausrichtung der Botschaft des Evangeliums an den einzelnen bedeutet, so soll in diesem Abschnitt die Seelenführung nur einen Modus dieser Ausrichtung darstellen.
Von dieser Sicht aus ist es verständlich, dass die Seelsorge zwei Seiten hat, den Wegweiserdienst, den Hinweis auf die Objektiva des Wortes, auf die Indikative des Evangeliums und die Seelenführung als die Tatsache, dass der vom „guten Hirten“ an der Hand Geführte die freie Hand dem Bruder weiterreicht. So verstanden ist Seelenführung nicht das Werk des Seelsorgers, sondern die Schicksals- und Lebensgemeinschaft des Sünders mit dem Sünder, die beide sich unter die Führung des Hirten stellen.
In den folgenden Abschnitten wird nun an der seelsorgerlichen Behandlung der okkult Behafteten praktisch gezeigt, wie sich die Seelenführung der seelisch Angefochtenen gestaltet. Diese Darstellung beschränkt sich ausschließlich auf das Problem unserer Untersuchung. Es wird also nicht etwa ein Kompendium der allgemeinen Seelsorge gegeben, sondern ein aus der Praxis geborener Überblick über die cura specialis an okkult Behafteten. Zunächst soll der heilsgeschichtliche Zusammenhang eines solchen besonderen Seelsorgerdienstes gezeigt werden.
3. Die Grundlegung der Seelsorge an okkult Behafteten
Es wird hier vorausgesetzt, was vorher über die okkulten Phänomene in der Sicht der Bibel gesagt ist. Der Befund im NT zeigt den Hintergrund der okkulten Behaftung als Gliedschaft in der Civitas Diaboli, der Herrschaft Satans.. Der Weg der Befreiung gestaltet sich daraufhin als Rettung aus der Civitas Diaboli in die Civitas Dei. Die christliche Seelsorge bedeutet demnach, den Behafteten in die Basileía toū Theōū (Reich Gottes) zu retten und in ihr zu bewahren. So formuliert auch Fendt: „In das Reich Gottes retten (auch, wenn erst der Anbruch des Reiches gekommen ist) und darin bewahren: das ist das Urbild der christlichen Seelsorge.“
Seelsorge ist also nur eine Seite der Reichgottesdynamis. Das rettende und bewahrende seelsorgerliche Handeln ist nur auf dem Hintergrund des Anbruchs des Reiches Gottes durch Jesus Christus zu verstehen. Seelsorgerliche Hilfe an dem okkult Behafteten bedeutet, ihn aus der Reichgottesferne hereinzuholen und ihm zur Gliedschaft im Reich Gottes, in der Gemeinde, am Leib Christi zu verhelfen, mittels der Gnade Gottes.
Diese finale Bestimmung des seelsorgerlichen Handelns ist aber nur eine Seite der Reichgottesdynamis. Die Befreiung aus dem Bereich der Civitas Diaboli ist dabei nicht nur eine Zielsetzung, sondern bereits ein perfektes Ereignis durch die Erlösungstat Jesu Christi. Jesus Christus ist gekommen, die Bollwerke der Finsternis zu zerstören! Die Schlacht ist entschieden. Der Sieg ist da. „Fürchte dich nicht, denn Ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist Mein“ (Jes. 43,1). Das seelsorgerliche Geschehen der Befreiung aus okkulter Behaftung ist nichts anderes als die Realisierung dieser vocatio.
Wenn jetzt in den folgenden Abschnitten der spezielle seelsorgerliche Dienst an den okkult Behafteten dargestellt wird, so kann das nur unter dem Vorzeichen geschehen, dass die Befreiung schon vollzogen ist, ehe der Seelsorger und der seelisch Kranke sich dessen bewußt werden.
4. Die persönlichen Voraussetzungen für den seelsorgerlichen Dienst an okkult Behafteten
Diese Formulierung kann einen Impuls zum Abgleiten in schwärmerische Vorstellungen abgeben. Darum muss von vornherein eine grundsätzliche Feststellung getroffen werden. Die Wirksamkeit der Gnade Gottes hängt nicht ab von unserer Würdigkeit oder Unwürdigkeit.
„Gold bleibt nichts weniger Gold, ob es gleich ein Bube mit Sünden und Schanden trägt“. So sagte es Luther. Diese Klammer der göttlichen Souveränität, die alles menschliche Handeln in der Reichgottesarbeit umfasst, schließt allerdings die Pflicht zum inneren Bereitwerden für den seelsorgerlichen Dienst nicht aus, sondern ein. Wenn hier von einigen Voraussetzungen gesprochen werden soll, so kommen nicht alle menschlich-seelsorgerlichen Qualitäten wie: Hören können – schweigen können – Gabe der Einfühlung usw. zur Sprache. Diese Punkte werden in der Fachliteratur zur Genüge abgehandelt. Es geht hier nur um einige grundsätzliche Anliegen.
a. Die pneumatische Existenz des Seelsorgers
Dr. O. Riecker schreibt in seinem Buch Das evangelistische Wort: „Die Grundvoraussetzung jedes geistlichen Wirkens ist der pneumatische Stand des Trägers. Das Werkzeug ist nur dann ein zureichendes Vermittlungsorgan des reichen Maßes pneumatischer Lebens- und Gestaltungsauswirkungen, wenn es selbst dem Wirken des Pneuma untersteht und in seinem Leben und Tun bestimmend von diesem getragen ist.“ Die Erkenntnis, dass der pneumatische Lebensstand für ein geistlich-seelsorgerliches Wirken unerläßlich ist, wird von vielen bekannten Seelsorgern zum Ausdruck gebracht. Pfr. Schnepel stellt in diesem Zusammenhang zwei Grundsätze auf: „Dass ich selbst bei Jesus bin, und dass ich in der persönlichen Seelsorge Jesu bleibe.“ Er schreibt dazu: „Es ist ein irrationaler, geheimnisvoller Vorgang, der uns in die Gemeinschaft mit Jesus bringt. Die Bibel nennt ihn Wiedergeburt. – Nur wem selbst diese Wiedergeburt widerfuhr, weiß um diesen Lebensvorgang und hat einen Blick für ihn auch bei anderen Menschen. Da alle Seelsorge diesen grundlegenden Lebensvorgang als Zielpunkt hat, vermag Seelsorgedienst nur der zu tun, der um das Geheimnis der Wiedergeburt aus eigener Erfahrung weiß und die verborgene Beziehung eines Menschen zu Christus aus täglichem Umgang kennt.“
Thurneysen schreibt: „Der Seelsorger muss selber im Wort und in der Gemeinde wurzeln und aus dem Glauben an die Vergebung leben.“ Hierher gehört auch das geflügelte Wort Thimmes: „Seelsorger sind Menschen, deren eigene Seele versorgt wurde.“
Das stärkste Zeugnis zu den persönlichen Voraussetzungen findet sich bei keinem Geringeren als August Vilmar. Er schreibt: „Ach, du sollst ja nicht von der Stärke der Seele, vom Mut und von der Geduld und von der Unsterblichkeit der Seele mit den Kranken und Sterbenden reden, sondern du sollst ihnen Stärke, Mut, Geduld und vor allem ewiges Leben selbst geben. Hast du Stärke, so gibst du Stärke, hast du Mut und Geduld, so gibst du Mut und Geduld, hast du ewiges Leben in dir, so gibst du ewiges Leben.“ Dieser streng konfessionell ausgerichtete Lutheraner bezeugt, dass der Seelsorger nur das zu geben vermag, was er selbst hat. Das stimmt mit dem Petruswort überein: „… was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazareners steh auf und geh umher!“
b. Die Ausrüstung des Seelsorgers
Der Handwerker kennt sein Werkzeug, das zu bearbeitende Material und beherrscht die Technik der Bearbeitung. Im übertragenen Sinn sollte eine solche Sachkenntnis auch dem Seelsorger zu eigen sein. Eine Seelsorge bleibt dilettantisch, wo eine gründliche Sachkenntnis fehlt. Dr. Genrich schreibt: „Da jedes Einwirken auf einen Menschen über die Seele geht, ist ohne Kenntnis des Seelenlebens eine wissenschaftliche Seelsorge nicht möglich.“ In allen modernen Werken der Seelsorge wird mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der psychologischen Kenntnisse hingewiesen. Bovet sagt in der Einleitung zu seinem Buch über die Seelsorge: „Die tägliche Erfahrung zeigt, dass die Seelsorge oft daran scheitert, dass dem Theologen die genügende Kenntnis des Menschen mangelt, so dass sein Wort am Menschen vorbeigeht.“ An anderer Stelle schreibt er: „Der Theologe kennt das Wort Gottes, aber leider fehlen ihm oft die nötigen psychologischen und anthropologischen Kenntnisse.“ Viele voreilige und manchmal gänzlich unzutreffende Diagnosen sind auf Unkenntnis des psychologischen Sachverhaltes zurückzuführen. In diesem Sinne schreibt der Nervenarzt Dr. March: „Seelsorgerliche Mißgriffe erwachsen aus psychologischer, medizinischer und pädagogischer Unwissenheit oder Überheblichkeit.“
Deutlich betont Prof. Hahn dieses Anliegen, wenn er schreibt: „Tatsache ist eine rapide Schrumpfung der Seelsorge. Dagegen drängen die modernen Menschen zum Psychotherapeuten. Das hat nicht nur darin seinen Grund, dass dieser die Komplikationen des Menschen auf medizinisch-psychologischer Ebene sieht, während vom Pfarrer eine moralisch-religiöse Zensur befürchtet wird. Es ist vielmehr so, dass der Pfarrer mit dem hilfesuchenden Menschen meist nichts anzufangen weiß: Weder vermag er psychologisch den Fall zu erkennen und so zu einer richtigen Diagnose zu kommen, noch weiß er, wie er dem Menschen in dieser Lage vom Evangelium aus zu begegnen hat. Auf beides ist sein Studium nicht eingegangen.“
Wenn in diesem Abschnitt nach der Zurüstung des Seelsorgers für seinen Dienst an okkult Behafteten gefragt wird, so muss grundsätzlich das Schema aufgestellt werden: Es gibt keine Hilfe ohne eine klare Diagnose, es gibt keine einwandfreie Diagnose ohne eine gründliche Kenntnis der Ursachen okkulter Behaftung.
Wenn Sachkenntnis im Blick auf die psychologischen Zusammenhänge gefordert wird, so ist das eine wissenschaftliche Aufgabe. Dieser Aufgabe entledigt man sich durch Studium medizinischer, psychiatrischer, psychologischer, psychotherapeutischer, parapsychologischer Fachliteratur und durch Sammlung, kritische Prüfung und Auswertung von praktischen Fällen aus dem alltäglichen und seelsorgerlichen Menschenumgang. Dieses Erarbeiten einer Sachkenntnis auf dem okkulten Gebiet – natürlich nur in genügender persönlicher Distanz und ohne jede Teilnahme an okkulten Experimenten – heißt natürlich nicht, dass der Seelsorger ein medizinischer oder psychologischer Dilettant werden soll. Es geht nur um eine reinliche Scheidung der Aufgaben. Das Erfassen der transzendenten Zusammenhänge okkulter Behaftung geht über die Grenzen einer wissenschaftlich erarbeiteten Sachkenntnis hinaus. Wir betreten hier die Domäne des Glaubens, ja vielleicht das Gebiet charismatischer Begabung.
Paulus bringt unter den Geistesgaben 1. Korinther 12, 7-11 auch das Charisma der Geisterunterscheidung. Es gehört in der Tat neben der psychologischen Sachkenntnis ein Charisma dazu, in den Irrgängen der seelischen Erkrankungen ursächlich den medizinischen und den okkulten Bereich voneinander zu scheiden. Es gehört neben einer exakten Differentialdiagnostik unbedingt ein Charisma dazu, den Einsatzpunkt für den Logos psychikós und den Logos pneumatikós klar zu erkennen. Wenn also die Zurüstung des Seelsorgers speziell für den Dienst an okkult Behafteten auf eine Formel gebracht werden soll, so heißt sie: Sachkenntnis und Charisma.
Es ist von praktischem Wert für die Seelsorge, wenn das Verhältnis der beiden Gebiete zueinander bestimmt wird. Sachkenntnis ohne das Charisma – weithin der Irrweg der Grenzwissenschaften unseres Untersuchungsobjektes – führt zur Negation der okkulten Behaftung. Die Schlagworte heißen hier: Humbug, Schwindel, okkulte Gläubigkeit, Volksaberglauben, Hexenwahn, finsteres Mittelalter usw..
Charisma ohne Sachkenntnis – der Zustand mancher Seelsorger- kann zur Verteufelung des seelisch Kranken führen, auch wenn keine okkulte Behaftung vorliegt. Es liegt hier die Gefahr nahe, dass alle unverstandenen seelischen Erkrankungen auf einen dämonischen Nenner gebracht werden.
Ein weiterer Vergleichspunkt bei der Zuordnung „Sachkenntnis und Charisma“ ist die gegenseitige Bewertung. Der Charismatiker ist in der Gefahr der Überheblichkeit mit dem Hang, die exakt wissenschaftlich erarbeitete Sachkenntnis gering zu schätzen. Der Sachkenner ist in der Gefahr, die charismatischen Belange zu verkennen; denn er hat ohne das Pneuma kein Erkennungsorgan dafür. Damit sind wir bei dem Kernproblem dieses Abschnittes. Über dieser Untersuchung stehen die Leitsprüche: „Ins Innere der Natur dringt kein erschaffner Geist“; „das Pneuma aber erforscht alle Dinge; der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Pneuma; der pneumatische Mensch aber beurteilt alles.“
Damit ist vom NT her das Verhältnis zwischen Sachkenntnis und Charisma eindeutig bestimmt. Wenn die okkulte Behaftung unter diesem Gesichtswinkel zur Diskussion steht, so lässt sich mit Müller sagen: „Der Mensch ist als Gottes Geschöpf ein so tiefes Geheimnis, dass er nur von Gott erkannt wird und echte Menschenkenntnis sich aller bloßen Vernünftigkeit versagt. Menschliches Denken vermag dieses Geheimnis nur da aufzuhellen, wo es den Geist empfangen hat, der alle Dinge erforscht, auch die Tiefen der Gottheit“.
Die Sachkenntnis ist der menschlichen ratio zugänglich. Das Charisma der Geisterunterscheidung dagegen ist nicht erwerbbar. Es ist souveränes Gnadengeschenk, über das der Mensch nicht verfügen kann. Charisma erlangt keiner durch das theologische Studium, aber auch nicht durch Verachtung der Theologie. Das Charisma ist Geistesgabe, die der gibt, der das Pneuma schenkt. Es steht nur eine Tür dazu offen: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Über dieser Bitte steht die Verheißung in Lukas 11, 13b: „… wie viel mehr wird der Vater im Himmel [den] Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!“ – Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei hier folgendes angefügt. Wenn in dieser Untersuchung vom Pneuma gesprochen wird, so soll damit stets ein theologischer Befund ausgedrückt werden. Pneuma als anthropologischer Begriff, wie er sich bei Paulus neben der anderen Beziehung in 1. Korinther 7, 34; 2. Korinther 7, 1 auch findet, wird in dieser Untersuchung nicht gebraucht.
c. Die persönliche Haltung des Seelsorgers
Es wurde gezeigt, dass die charismatische Ausrüstung das Kernproblem der christlichen Seelsorge darstellt. Das bedeutet, dass christliche Seelsorge im Grunde genommen nicht gelernt werden kann. Das ist der fundamentale Unterschied zur psychotherapeutischen Seelenbehandlung. Die Psychotherapie mit all ihren Methoden der zudeckenden und aufdeckenden Therapie in allen Spielarten der Persuasion (Überredung), Suggestion, Hypnose, des autogenen Trainings, der Arbeitstherapie, Narkoanalyse, Psychoanalyse usw. ist erlernbare Technik. Seelsorge dagegen ist Gnade. Das bezeugt Erich Schick einem Pfarrer gegenüber, der über seine Seelsorgeunfähigkeit klagte. Er schreibt: „Es ist die erschütternde Erkenntnis, dass hier mit theoretischer Belehrung, mit Wissenschaft, mit Technik, ja sogar mit praktischer Anleitung nicht geholfen ist, dass Seelsorge nicht etwas ist, das gelernt werden kann neben anderem, sondern höchstens auf Grund von anderem.“ Theologisch noch schärfer und klarer sagt es Thurneysen: „Die Türe der Seelsorge ist eine unheimlich verschlossene Türe, verschlossen auch und gerade für den sich als Fachmann in Seelsorge fühlenden Theologen. Sie öffnet sich nicht von außen, also nicht durch unser Können und Vermögen, sie öffnet sich nur von innen, und das heißt: Wo und wie es Gott gefällt.“
Es ist außerordentlich erfreulich, daß diese Auffassung der Seelsorge auch bei bekannten Ärzten zu finden ist. Prof. Schultz schreibt: „Jede Heilung kann nur durch Gnade geschehen.“ Der Züricher Nervenarzt Dr. Maeder sagt es noch deutlicher: „Ich kam zu der Überzeugung, dass der Mensch sich selbst nicht erlösen kann, respektive, dass der Mensch einem anderen nicht letztlich helfen kann. Er steckt so tief in der Absonderung drin, dass nur eine demütige Selbstübergabe an Gott, an den persönlichen Gott, wirklich befreien und die Umkehr schaffen kann … Diese entscheidende Wendung in meinem Leben hat mir den Zugang zu einer anderen Art seelisch-geistiger Hilfe aufgetan. Neben der ärztlichen Psychotherapie gibt es eine religiöse Seelsorge.“ Der Berliner Nervenarzt Dr. March soll dieses Bild abrunden. In einem Aufsatz „Was ist eigentlich Seelsorge“, den jeder Theologe lesen sollte, schreibt er: „Wahre, christliche Seelsorge ist letztlich ein Geschehen, das jenseits aller Bewußtheit wirksam wird, unabhängig von irgendwelchem planvollen, seelsorgerlichen Bemühen. Seelsorge, so verstanden, steht jenseits aller Psychotherapie und aller Diskussion. Von hier aus gibt es auch keinen berufsmäßigen Seelsorger.“
Ein anderes Bild bringt Erich Schick. Er schreibt: „Jeder geistig Helfende muss im Leben des anderen Menschen die Rolle der Unbekannten in der algebraischen Gleichung spielen. Die Unbekannte muss eliminiert werden.“ So muss der Seelsorger wieder nach seinem Dienst abtreten. Das lehrt auch die Psychotherapie, bei der als Grundsatz gilt, dass alle Übertragungen zwischen Patient und Arzt mit der Beendigung der Behandlung abgebaut sein müssen. So dürfen auch bei der Seelsorge keine menschlichen Bindungen, keine psychische Hängerei zurückbleiben. Ein Hörigkeitsverhältnis zum Seelsorger bedeutet vielfach eine schwere Schädigung und führt zu einem Menschenkultus, zur Sektiererei statt zur Gemeinschaft mit Christus. Der Seelsorger ist von sich aus nicht der Wissende, der Habende, der Besitzende, sondern nur der „unnütze Knecht“, auch wenn er alles getan hat (Lukas 17, 10). In dieser Gesinnung gilt ihm die Verheißung von Psalm 34, 19: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochnen Herzens sind, und Er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.“
5. Die seelsorgerliche Führung der okkult Behafteten
Die eigentliche Praxis, die Durchführung des seelsorgerlichen Dienstes an okkult Behafteten steht nun zur Erörterung. Wenn in der folgenden Darstellung systematisch vorgegangen wird, so soll das nicht heißen, dass die vom Leben diktierte Mannigfaltigkeit in ein Schema gefaßt werden soll. Ein Schema kann Hilfe aber auch Erstarrung und Tod der Seelsorge bedeuten. Trotz dieser Bedenken erfolgt die Darbietung nicht ohne das Sichtbarwerden einer gewissen Methodik, die sich im Verlauf von vielen seelsorgerlichen Aussprachen herausgebildet hat. Der Seelsorger ist zuerst ein Hörender, ein Sehender, ein Wartender, der den Fußspuren des Gotteswirkens am Beichtenden zu folgen hat und nicht selber Schrittmacher sein will. Wir gehen wie bei der ganzen vorliegenden Untersuchung davon aus, dass ein seelisch erkrankter Mensch zur seelsorgerlichen Aussprach kommt. Wenn der Hilfesuchende nicht sofort durch eine spontane Beichte, bei der das Schuldbekenntnis mit elementarer Gewalt aus dem Herzen des seelisch Kranken bricht, den Verlauf des seelsorgerlichen Gesprächs selbst bestimmt, dann hat der Seelsorger zunächst eine diagnostische Aufgabe. Darüber soll zuerst gesprochen werden.
a. Die Differentialdiagnose bei seelischen Erkrankungen
Die Kernfrage der Diagnose bei seelischen Erkrankungen ist die Feststellung, ob die Ursachen rein medizinischer Art sind, ob eine okkulte Behaftung oder ein Mischtypus vorliegt. Es wurde bereits aufgezeigt, daß die Frage nach den medizinischen Ursachen bei dem seelisch Kranken im Vordergrund steht. Ergibt sich hier ein stichhaltiger Befund, so wird der Patient einem Facharzt zugewiesen. Liegt ein Mischtypus vor, das heißt, sind medizinische und okkulte Wurzeln nachweisbar, dann ist die Zusammenarbeit mit einem Facharzt, der auch die geistliche Fragestellung des Phänomens anerkennt, angezeigt. Ist bei seelischen Erkrankungen ohne medizinischen Befund eindeutig eine okkulte Behaftung nachweisbar, dann verzichte ich auf fachärztliche Hilfe. Selbstverständlich wird in allen Zweifelsfällen auf den christlichen Facharzt verwiesen. In allen Fällen aber wird nie auf die spezifisch christliche Allgemeinseelsorge verzichtet. Die cura specialis (spezielle Sorge) an okkult Behafteten kommt nur unter eindeutigen Voraussetzungen zur Anwendung. Wie sich eine solche Anamnese im einzelnen vollzieht, soll an einem kurz zusammengedrängten Beispiel gezeigt werden.
B 124 Nach einem Evangelisationsvortrag, der das okkulte Gebiet überhaupt nicht berührte, meldete sich ein Mann zur Aussprache an. Er erklärte, er wolle eine Generalbeichte ablegen. Durch besondere Zeitumstände bedingt kam es erst zwei Tage später zu dieser Aussprache, zu der der betreffende Mann von seinem Wohnort mit dem Wagen anreiste. Die Unterredung begann damit, dass der Hilfesuchende, ein bekannter und vermögender Geschäftsmann, spontan von seinen seelischen Nöten berichtete. Er gab an, dass er ohne äußeren Grund an seelischen Verstimmungen leide. Er könnte dann tagelang sich in ein dunkles Zimmer zurückziehen, habe keine Lust und kein Interesse an der Arbeit. Alles sei ihm verleidet. Das Essen schmecke ihm dann nicht. Entscheidungen im Geschäftsleben fielen ihm in solchen Zuständen schwer usw.
Die Beobachtung während des Berichtes gab durch den schmerzlichen, ängstlichen mimischen Ausdruck mit geringer Beweglichkeit und der typischen Veraguthschen Falte des Oberlides den Hinweis auf Melancholie. In diesen ersten Eindruck fügten sich die mangelnde Entschlußfähigkeit, das Gefühl der Kraftlosigkeit, die gelegentlichen Versündigungs- und Verarmungsideen bei bester Vermögenslage, die periodischen depressiven Phasen, die „schwarze Brille“, mit der alles gesehen wird, als weitere Symptome, um die Diagnose auf Melancholie zu stützen. Bemerkenswert ist das Fehlen des manischen Temperamentes in den Intervallen und ferner die kurze Dauer der depressiven Phase von etwa 1-2 Wochen. Zwischen den depressiven Phasen geht er seiner Arbeit nach und kann seinem Geschäft wohl vorstehen. Besonders ausgeprägt ist auch die Ansprechbarkeit für religiöse Dinge.
Trotz dieses medizinischen Befundes einer periodischen Melancholie hatte ich in diesem Falle den unbestimmten Eindruck von okkulten Zusammenhängen. Eine diesbezügliche Frage wurde verneint. Die Vorfahren wären alle fromme Menschen, treue Kirchgänger gewesen. Ich ließ mich noch nicht überzeugen und führte die Anamnese hinsichtlich der Familienglieder und Vorfahren weiter, mit folgendem Ergebnis: Ein Neffe hat die gleichen melancholischen Verstimmungszustände. Eine Schwester und eine Tante nahmen sich das Leben. Der Großvater starb im Irrenhaus.
Ursächlich ist dem Psychiater diese familiäre Häufung endogener Depression ein typisches Bild für die Vererbung des manisch-depressiven Irreseins, wenn auch die Art des Erbganges noch nicht sicher ist. Nicht weniger charakteristisch ist dieses Bild in der Seelsorge an okkult Behafteten. In Besprecherfamilien, deren Geschichte ich in drei und vier Generationen verfolgen konnte, ist die Folge von Tod im Irrenhaus, von Schwermut und Selbstmord und tödlichen Unglücksfällen ein stets wiederkehrendes Bild. Die bei fast allen Besprechergenerationen zutage tretenden derartigen Symptome lassen mich stets hellhörig werden. So entließ ich bei dieser ersten Aussprache außer dem Zuspruch mit dem Wort Gottes den Geschäftsmann mit dem Hinweis, dass ich vermute, dass in der großelterlichen Reihe okkulte Aktivisten, möglicherweise Besprecher waren. Er lehnte das nochmals als unmöglich ab. Zwei Stunden später erhielt ich von ihm einen Telefonanruf mit der überraschenden Meldung, dass nach sofort eingezogener Erkundigung feststeht, dass sein Großvater, der im Irrenhaus starb, Krankheitsbanner und Viehbesprecher war.
Es kann hier dieser Fall nicht weitergeführt werden. Es folgten noch viele Aussprachen, die den Tatbestand klärten, dass die seelische Erkrankung des Mannes mit der okkulten Betätigung der Vorfahren direkt oder indirekt gekoppelt ist. Da es sich bei diesem Fall um einen Mischtypus handelt, ist zunächst von psychiatrischer Sicht aus eine Konvulsionstherapie angezeigt und in seelsorgerlicher Hinsicht eine spezielle Führung erforderlich. Dieses Beispiel sollte nur zeigen, dass der Seelsorger eine schwierige differentialdiagnostische Aufgabe hat und erst sorgfältig, mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln gerüstet, die Zusammenhänge der seelischen Erkrankung aufdecken muss, bevor er zur Hilfeleistung die weiteren Maßnahmen trifft.
b. Die Beichte
Seelsorge bedeutet nicht, über unsaubere Geschwüre leichtfertig fromme Spruchpflaster zu kleben. Darum müssen nicht nur auf wissenschaftlich neutraler Ebene diagnostisch die Zusammenhänge erfaßt, sondern auch die Wunden freigelegt und die religiösen Konflikte erhellt werden, ehe ein Heilungsprozeß beginnen kann. Das heißt auf seelsorgerlichem Gebiet, die Sünde erkennen und beichten. Was bedeutet diese Beichte im Rahmen der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten?
Vor der Klarstellung der Bedeutung der Beichte in dem vorliegenden speziellen Anliegen muss die scharfe Abgrenzung zur Aussprache bei der psychotherapeutischen Behandlung vollzogen werden. Bei der Psychoanalyse sollen Verdrängungen, Verklemmungen, unterbewußte Spannungen, Komplexe durch Bewußtmachen der Ursachen und falschen Weichenstellungen abreagiert werden. Es wird also nach dem sokratischen Prinzip eine Entspannung, eine klärende Verarbeitung und Überwindung vor dem Forum der ratio gesucht. Die analytische Methode ist auf Arzthilfe und Eigenhilfe abgestimmt.
Beim Beichtvorgang stehen Seelsorger und Beichtender vor dem Angesicht Gottes und erwarten und erhalten von dorther Hilfe. Soviel Beziehungspunkte beide Gebiete haben, so müssen sie doch klar auseinandergehalten werden. Das kommt in einem Aufsatz der Nervenärztin Dr. Enke „Psychotherapie und Beichte“ zum Ausdruck. Diese scharfe Abgrenzung schließt natürlich nicht aus, dass ein christlicher Arzt auf Grund des Priestertums aller Gläubigen außer der psychotherapeutischen Behandlung zusätzlich christliche Seelsorge übt. Wenn hier die Psychoanalyse und die christlich verstandene Beichte einander gegenüberstehen, so muss an dieser Stelle auch einmal auf die eventuelle Gefährlichkeit der Psychoanalyse hingewiesen werden, nachdem sie so oft schon erwähnt wurde. Es ist mir bekannt, dass christliche Akademiker die Gefährlichkeit einer Analyse für ihr Glaubensleben erfuhren. Ein junger christlicher Psychiater z. B. bekannte mir, dass er nach den Sitzungen bei einem bekannten nichtchristlichen Psychoanalytiker sich oft stundenlang mit Wort Gottes und Gebet gegen unheimliche Gewalten in seinem Seelenleben wehren musste. Dieser Psychiater steht seither der analytischen Methode sehr kritisch gegenüber. Es ist ja psychologisch sehr einsichtig, was dabei herauskommt, wenn ein antichristlich eingestellter Psychotherapeut den Wesenskern eines christlichen Patienten analysiert. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, was der Psychotherapeut Dr. Tournier sagt: „Das christliche Bekenntnis führt zu den gleichen psychischen Befreiungen wie die besten psychoanalytischen Behandlungen.“
Nach dieser Klärung wenden wir uns der christlichen Beichtpraxis zu. Es werden gewöhnlich drei Arten der Beichte unterschieden: Beichte vor Gott allein oder Herzensbeichte, Einzelbeichte, Beichtfeier der Gemeinde.
Bei der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten kommt nur die Einzelbeichte oder Privatbeichte in Frage. Bei der Darstellung der seelsorgerlichen Führung werden nur die speziellen Probleme behandelt.
Ein Schriftbeweis der Beichte lässt sich zunächst einmal mit folgenden Stellen erbringen: 4. Mose 5, 7; Psalm 32, 5; Sprüche 28, 13; Matthäus 3, 6; Apostelgeschichte 19, 18; 1. Johannes 1, 9; Jakobus 5, 16. Dazu kommen ferner: Das Schuldbekenntnis vor Nathan (2. Samuel 12), des verlorenen Sohnes vor dem Vater (Lukas 15), des Zachäus (Lukas 19), der Samariterin (Johannes 4), der großen Sünderin (Lukas 7), des Schächers am Kreuz (Lukas 23). Im Grunde genommen bedarf es aber keines besonderen Schriftbeweises. Es liegt im Wesen des Wortes Gottes, dass der Mensch aus der Gottesferne, aus der Sünde zurückgerufen wird in die Gemeinschaft Gottes. Die beiden wesentlichen Pole der biblischen Botschaft sind Gericht und Gnade.
In dieser Botschaft ist die Aufforderung zur Beichte wesentlich mit eingeschlossen. Die Gottesferne ist Finsternis, die Gottesgemeinschaft ist Licht. Beichten heißt nichts anderes, als die Flucht in die Finsternis aufzugeben, offenbar zu werden vor Gott, ins Licht zu kommen. Verankert ist dieser Sinn der Beichte in 1. Johannes 1, 7: „… wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist …“
Eine besondere Bedeutung hat dieser Vorgang bei der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten. Okkulte Betätigung stellt in besonderer Weise einen Vertragsschluß mit dem Reich der Finsternis dar. Das wird vor allem deutlich bei den Bluts- und Amulettverschreibungen und bei dem formalen und realen Teufelsanruf, etwa beim magischen Besprechen und der Schwarzen Magie. Für den okkult Behafteten besteht die Beichte darin, dass er die Zugehörigkeit zum Reich der Finsternis sieht und sich entschließt, zum Licht zu kommen. Es ist ein interessanter Tatbestand, der sich mir bei allen okkult Behafteten darbot, dass bei okkulter Behaftung eine Beichte unumgänglich ist.
In der allgemeinen Seelsorge steht es dem Hilfesuchenden stets frei, ob er beichten will oder nicht. Bei okkulter Behaftung wird stets beobachtet, dass die Hilfesuchenden, die eine Generalbeichte, welche nicht nur die okkulte Betätigung, sondern auch das übrige Leben betrifft, scheuen, nicht frei werden. Kein Beichtgespräch mit okkult Behafteten führt zu einer Befreiung, wenn dem Hilfesuchenden nicht durch die Gnade Gottes Herz und Lippen zum Schuldbekenntnis geöffnet werden.
Hinter diesem Tatbestand steht ein doppeltes Gesetz. Zunächst hat die Beichte psychologische Bedeutung. Ein Schuldbekenntnis hat entspannende, entlastende Wirkung. Es wird eine klare Atmosphäre geschaffen. „Solange die Sünde geheim bleibt, breitet sie sich aus, greift sie um sich. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, dass sie offenbar werde“.
So schreibt auch Trillhaas: „Die Sünde ist das Geheime schlechthin. Sie sucht sich zu verbergen, wie wir das an Adam und Eva nach dem Sündenfall wahrnehmen.“ – „Erst wer diesen Zwang zum Geheimen in der Sünde erkannt hat, versteht, welche Bedeutung das Aussprechen, das Offenbarwerden und Bekennen der Sünde in der Beichte hat.“
Damit sind wir schon bei dem zweiten Gesetz. Dieses Faktum der Flucht ins Geheime ist ein charakteristisches Merkmal der Finsternismacht. Köberle schreibt dazu: „Der dämonische Versucher lebt ja immer von dem Geheimnis, das zwischen ihm und uns besteht. Solange es gewisse verschwiegene Dinge in unserer Lebensführung gibt, die kein Mensch wissen darf, solange hat auch der arge Feind über unsere Seele Gewalt. In dem Augenblick aber, wo das Geheimnis ausgesprochen und verraten ist, verliert die Finsternismacht ihren Herrschaftsanspruch über uns.“
Die Beichte ist deshalb die Aufkündigung dieses Herrschaftsanspruches, die Gegenaktion gegen das Reich der Finsternis. Weil diese finsteren Mächte zur Abwehr der Beichte alles aufbieten, fällt dem Menschen das lösende Wort so schwer. Thurneysen schreibt dazu: „Es ist ein Muss, etwas wie ein dämonischer Bann, das über dem Menschen liegt und ihn davor zurückhält, hinzutreten vor Gott, um sich seiner Gnade zu übergeben.“ Beichte ist also ein Ausbruch aus der Gefangenschaft der Civitas Diaboli. Dieses Ausbrechen ist Wirkung der Gnade, darum kann Beichte niemals erzwungen werden, genauso wenig, wie sich Sündenerkenntnis und Buße kommandieren lassen. Erzwungenes führt nur zu Verkrampfungen und Verbiegungen im Seelenleben. Der Seelsorger kann nur dem alleinigen Schrittmacher folgen. Über den Bußbegriff wird hier nicht gesprochen, weil bei echter Beichte echte Sündenerkenntnis und echte Buße, die passiva contritio (passive Zerknirschtheit, Reue), die zur confessio (Bekenntnis) führt, vorausgesetzt ist.
c. Die Absage an den Teufel
Das Problem der abrenuntiatio (Absage) war in der Geschichte der Taufpraxis von jeher umstritten. Der Schriftbeweis für die Lossagung vom Teufel wird gewöhnlich in Matthäus 25, 41; Johannes 12, 31; Epheser 6, 11-12; 1. Johannes 2, 13; 5, 19 gesehen. Begründet wird der Ritus der abrenuntiatio mit dem Hinweis, dass die heidnischen Täuflinge sich vom Dämonenkult des Heidentums lossagen müssten. Der Götzendienst wird ja im NT als Dämonendienst (1. Korinther 10, 19-20; Offenbarung 9, 20) bezeichnet.
Bei der Hilfe an okkult Behafteten ist die abrenuntiatio (Absage) keine liturgische sondern eine seelsorgerliche Frage. In dem Abschnitt über die Beichte wurde gesagt, dass die okkulte Betätigung einen Vertragsschluss mit dem Reich der Finsternis darstellt. Dieser Vertrag muss aufgehoben, annulliert, gelöst werden durch eine bewusste Lossprechung von seiten des okkult Behafteten, nachdem von Jesus Christus schon die objektiven Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Während ich in der allgemeinen Seelsorge bisher völlig auf die abrenuntiatio verzichtet habe und es auch weiterhin tun werde, so verzichte ich auf Grund entsprechender Erfahrungen in manchen Fällen nicht mehr ganz auf die abrenuntiatio bei okkult Behafteten. Es ist die übereinstimmende seelsorgerliche Beobachtung vieler Evangelisten, dass die bewusste Lossprechung von seiten des Behafteten zu einer gewissen Befreiung führt. Der Evangelist Pfarrer Hans Bruns pflegt diese Lossprechung, indem er den okkult Behafteten sagen lässt: „Ich entsage dem Teufel und allem seinem finsteren Wesen und Werken und übergebe mich Dir, dreieiniger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, und will Dir im Glauben und Gehorsam treu sein bis an mein Ende.“ Die gleiche Auffassung vertritt Dr. Otto Riecker. Er schreibt: „Überall, wo magische, okkulte oder zauberhafte Handlungen vorgenommen wurden, kann auch ein offizielles Bekenntnis der Loslösung von allen dämonischen Mächten, eine Absage an den Teufel notwendig werden: Ich entsage dem Teufel und allen seinen Werken.“ Die gleiche Haltung hat auch Dekan F. Hauß, der Leiter des volksmissionarischen Amtes von Baden, wie ich durch das persönliche Gespräch weiß.
Was bedeutet die abrenuntiatio in der Seelsorge an okkult Behafteten? Die Absage an den Teufel enthält zunächst ein psychologisches Moment. Was bisher „in occulto“, im Verborgenen lag, wird nunmehr durch festen Willensentschluss bewusst verarbeitet. Hier zeigt sich ein Stück psychotherapeutischer Heilmethode, die hier natürlich niemals in die Tiefe des Problems vordringt.
Zweitens vollzieht sich in der Absage an den Teufel eine Entmythologisierung gerade im Gegensinn zu Bultmann. Der Teufel wird seines mythischen Charakters entkleidet und als furchtbare Realität erkannt und genannt. Kein Gebiet zeigt so drastisch die Unhaltbarkeit der Bultmannschen Theologie wie gerade die Seelsorge an okkult Behafteten. Die Bultmannsche These: „Erledigt ist durch die Kenntnis der Kräfte und Gesetze der Natur der Geister- und Dämonenglaube“ geht an der Wirklichkeit der Mächte vorbei. Drittens ist die abrenuntiatio eine offizielle Erklärung vor Zeugen. Sie schafft damit in der congregatio sanctorum das Faktum der öffentlichen Lossagung, der Lostrennung vom Reich der Finsternis.
Ferner hat die abrenuntiatio die gleiche Bedeutung wie die Absage der heidnischen Katechumenen der alten Kirche. Dort wurde die Lostrennung von dem dämonischen Götzenkult vollzogen. Bei der Absage des okkult Behafteten geht es in gleicher Weise um die Lösung vom Teufelskult; denn Magie ist Teufels- und Dämonenkult.
d. Die Absolution
Zur Beichte und Abrenunziation gehört die Absolution. Trillhaas fasst beide Vorgänge zusammen in dem Kapitel über die Beichte. Er schreibt: „Die Beichte ist das persönliche Bekenntnis der Sünde und der Zuspruch der Vergebung auf Grund der Vollmacht Jesu.“ – „Die Beichte vollendet sich in der Absolution.“ Der Zuspruch der Vergebung durch den Seelsorger an den Beichtenden ist in der Einzelbeichte besonders notwendig, da hier gewöhnlich Sündenerkenntnis und Sündenbekenntnis in ausführlicher Beichte und Einzelangaben konkrete Formen angenommen haben. Ihre biblische Verankerung hat die Absolution zunächst in der Vollmacht Jesu Christi zur Sündenvergebung (Matthäus 9, 6a) und dann als deren Folge in der Schlüsselgewalt, die Jesu Christus Seinen Jüngern und damit Seiner Gemeinde gegeben hat (Matthäus 18, 18-20; Johannes 20, 21-23). Die Vergebung der Schuld ist der tiefste, tragende Grund, dem der Christ sein Leben verdankt, der zentralste Vorgang in der Seelsorge, der entscheidende Punkt bei der Hilfe an okkult Behafteten. Darum muss hier besonders das Augenmerk darauf gerichtet werden.
Die Absolution steht zwischen zwei Irrwegen: Ihre gesetzliche Verengung oder ihre voreilige Erteilung. Beide Irrwege können bei dem Dienst an okkult Behafteten zu einem Verhängnis führen. Thurneysen schreibt: „Das unterscheidet das evangelische vom katholischen Beichtgespräch, dass es keinerlei Bedingungen kennt.“ Die Absolution ist nicht an die Erfüllung verschiedener vorlaufenden oder nachfolgenden Verpflichtungen geknüpft. Die Absolution ist ein Kernstück des Evangeliums, das nicht durch das Gesetz abgeschwächt werden darf.
Diese Erkenntnis schließt allerdings das Extrem des zweiten Missbrauches nicht aus. Ein leichtfertiger Zuspruch, eine voreilige Absolution führt zur falschen Sicherheit und zur Selbsttäuschung. Es handelt sich hier um das Problem, wie und woran man die Berechtigung zur Erteilung der Absolution erkennt. Thurneysen schreibt: „Hier ist es mit dem bloßen Sagen (scil. Zuspruch der Vergebung) nicht getan. Denn gerade hier hängt alles an dem Gesagtbekommen von seiten Gottes selber.“ Um dieses Problem geht es speziell bei dem Hilfsdienst an okkult Behafteten. Es wird nun ganz praktisch gezeigt, wie bei diesem besonderen seelsorgerlichen Dienst vorgegangen werden kann.
Nach der Beichte und eventuell nach der Absage lese ich mit dem Hilfesuchenden Bibelstellen zur Sündenvergebung, etwa Jesaja 1, 18; 43, 25; 44, 22; Jeremia 31, 34b; Micha 7, 18-19; Matthäus 9, 2b; 26, 28; Lukas 7, 48; Johannes 1, 29; Römer 5, 20; Galater 1, 4; Epheser 1, 7; Kolosser 1, 14; Hebräer 1, 3; 1. Petrus 1, 19; 2, 24;1. Johannes 1, 7-9; 2, 2; Offenbarung 1, 5. An die Betrachtung dieser Stellen in der besonderen Anwendung für den Beichtenden schließt sich die Frage an: „Kannst du das glauben?“ Diese Frage nach dem Glauben soll nicht bedeuten, dass die Absolution in den Glauben des einen Mannes hineingestellt werden soll, der doch gekommen ist, von außen her Hilfe zu bekommen. Wenn alles von ihm verlangt werden soll, dann ist die seelsorgerliche Hilfe wiederum Gesetz und nicht Evangelium. Diese Frage hat nur den Sinn, festzustellen, ob dieses „Gesagtbekommen von seiten Gottes“ vorliegt. Wie das „Beichten können“ Gnade Gottes ist, so ist das „Glauben können“ auch gratia und Zeichen, dass die göttliche Absolution schon zugesprochen ist. Wenn der Seelsorger dieses „Glauben können“ merkt, so steht dem Zuspruch der Vergebung nichts entgegen. Dieser einfache seelsorgerliche Fall kommt bei okkulter Behaftung ganz selten vor. Manchmal ist es so, dass man bei Beichtenden beobachtet, dass nach der Betrachtung der Vergebungsstellen ein ganz kleines Glaubensfünklein zu glimmen beginnt. Da kann der Seelsorger dann getrost handeln. In dem menschlich-seelsorgerlichen „Du“ des Zuspruches: „Dir sind deine Sünden vergeben“ verwirklicht sich das „Du“ des göttlichen Zuspruches, und das glimmende Glaubensfünklein wächst beim Zuspruch zum festen Glauben. Der Regelfall bei okkulter Behaftung ist allerdings, dass solche Hilfesuchende überhaupt nicht glauben können. Man steht an dieser Stelle einfach vor einem toten Punkt in der Seelsorge an solchen Angefochtenen. Das Beichtgespräch ist damit zunächst festgefahren, weil der Hilfesuchende das Evangelium, die Vergebung seiner Schuld nicht fassen kann. Es ist dadurch dem Seelsorger die Aufgabe gestellt, dem „Stecken-bleiben“ dieses Beicht- und Absolutionsvorganges sachlich richtig und – si gratia efficit (wenn die Gnade es wirkt) – charismatisch zu begegnen. Im einzelnen können dann folgende Punkte zur Behandlung stehen:
Das erste Problem wird ein medizinisches sein. Hat der Beichtende irgendeine Thymopathie, die bestimmte Willens- und Denkhemmungen oder mangelnde Entschluss- und Entscheidungskraft im Gefolge hat? Die Behandlung der medizinischen Frage erübrigt sich, da ihr der Abschnitt über die Differentialdiagnose gewidmet ist. Die nächste Frage ist die Überlegung, ob der Beichtende allgemein ein schwerfälliger Mensch ist, der zur Erfassung der Vergebung eine besondere Brücke braucht. In solchen Fällen hat sich das Lesen von Vergebungsstellen in der Ichform bewährt. Zum Beispiel liest der Hilfesuchende Jesaja 53, 4-7: „Fürwahr, Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf Sich geladen; wir aber hielten Ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch Er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf Ihm, damit wir Frieden hätten, und durch Seine Wunden sind wir geheilt worden. Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der HERR warf unser aller Schuld auf Ihn. Er wurde misshandelt, aber Er beugte sich und tat Seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.“
Diese Art der Hilfe, die z. B. auch von dem Gründer der Liebenzeller Mission, Pfarrer Cœrper, geübt wurde, soll nur eine kleine psychologische Brücke sein. Eine weitere Hilfe zur Überwindung des „Stecken-bleibens“ ist der Hinweis auf die Perfecta (vollendete Erlösung) der Heilstatsachen. In diesem Zusammenhang wird auf Johannes 19, 30 und andere Schriftstellen hingewiesen, in denen von den Perfecta die Rede ist. Diese Heilswirklichkeiten werden in unserem Leben durch das bewusste Nehmen und Danken realisiert. Das Lutherwort mag darin Wegweiser sein: „Denn, ob Christus tausendmal für uns gegeben und gekreuzigt würde, wäre es alles umsonst, wenn nicht das Wort Gottes käme und teilte es aus und schenkte mir’s und spräche: ‚Das soll dein sein, nimm und habe.‘“
Das Nehmen, die Akzeption der Perfecta, lässt sich seelsorgerlich unschwer an folgenden Schriftstellen klarmachen: Jesaja 55, 1; Lukas 11, 10; Johannes 1, 16; 16, 24; Epheser 6, 17; 1. Timotheus 6, 12; Offenbarung 22, 17. Die Imperative: Kommt, esset, nehmt, ergreifet, sind in diesem Fall keine Termini des Gesetzes, sondern Potenzen des Evangeliums. Dieser Vorgang des Nehmens lässt sich dem Hilfesuchenden auch leicht mit drastischen Beispielen aus dem Alltag untermalen. Gern frage ich manchmal scherzhaft den, der nicht glauben kann: „Kann der Rußlandheimkehrer in seiner Heimat vor einem reichgedeckten Tisch verhungern?“ Ja, wenn er nicht zugreift. Glauben heißt nichts anderes als die Perfecta: Vergebung, Erlösung, Kindschaft Gottes, Gliedschaft am Leibe Jesu Christi, ewiges Leben, Gewissheit des Heils annehmen und dafür danken. Glauben heißt zugreifen und handeln.
Wenn trotz eines handgreiflichen Angebotes des Evangeliums der Hilfesuchende nicht glauben kann, dann muss nach den weiteren Ursachen geforscht werden. Vielleicht wurde bei der Beichte gerade das Schwerste bewußt verschwiegen; vielleicht sucht der seelisch Kranke nur seine psychischen Anfechtungen loszuwerden, ohne Jesus Christus nachfolgen zu wollen; vielleicht liegen geheime Bindungen vor, mit denen der Hilfesuchende nicht brechen will. Köberle schreibt dazu: „Wird der Bruch mit der Sünde nicht ganz vollzogen, so geht der Glaube zuletzt verloren.“ Hier würde das heißen: „Wo nicht wenigstens der Wille da ist, mit der Sünde zu brechen, da kann kein Glaube entstehen.“ Vielleicht hat der Hilfesuchende einen falschen Glaubensbegriff, dass er Gefühlsreaktionen erwartet, statt sich nur auf das Wort Gottes gründen zu wollen. Wenn all diese Gesichtspunkte und noch andere durchgesprochen sind, so ergeben sich manche Anhaltspunkte, deren Bereinigung den toten Punkt überwinden lässt. Wird aber nach dieser Richtung kein besonderer Tatbestand sichtbar, und der Hilfesuchende kann einfach nicht glauben, dann liegt der Verdacht auf jenen hintergründigen Widerstand vor, den wir Resistenz nannten. Die seelsorgerliche Behandlung dieses Faktums wird in dem folgenden Abschnitt beschrieben.
Wenn hier der Einwand erhoben werden sollte, der Absolution würde eine lange Stufenleiter von Einzeluntersuchungen vorgeschaltet, so ist folgendes zu erwidern. Die Praxis der Seelsorge an okkult Behafteten lehrt, dass eine voreilige Absolution hier keine Hilfe, sondern nur neue Anfechtungen zeitigt. Auch tritt bei dem Vergebungszuspruch an okkult Behafteten keine Befreiung ein, solange nicht der Wirrwarr dunkler Verknotungen im Lichte Gottes entwirrt ist.
Der Wille zur echten Hilfe, die Angst vor seelsorgerlichen Mißgriffen, das Wissen um die Verantwortung, die Scheu und die Achtung vor dem Heiligtum der Seele des Bruders, der seelsorgerlichen Dienst begehrt, erfordern diese Sorgfalt. Trillhaas schreibt dazu: „Wer für diese Verantwortung kein Empfinden hat, soll die Finger davon lassen. Es wird damit zu rechnen sein, dass für das Abnehmen der Beichte und für das Wahrnehmen der Vergebungsvollmacht eine besondere Gnadengabe (Charisma) nötig ist.“ Es gibt nur ein Durchhauen des gordischen Knotens, wenn der Kyrios selbst in der Exousia Gottes quer durch alles menschlich-seelsorgerliche Bemühen hindurchschlägt und den Gefangenen in die Freiheit führt.
e. Der geistliche Kampf
Die Resistenz ist ein evidentes Symptom der okkulten Behaftung. Sie ist, wie schon angedeutet, in vielen Fällen die causa des toten Punktes beim Beichtgespräch. Der Seelsorger muss bei Vorliegen dieses Befundes seine ganze Kraft für die nun bevorstehende Aufgabe einsetzen. Wenn für diesen Teil des seelsorgerlichen Dienstes der Terminus „geistlicher Kampf“ gewählt wurde, so soll das nicht heißen, dass das Ringen des Seelsorgers den okkult Behafteten befreien müsste. Hier gilt das Wort aus Psalm 49, 8: „Und doch vermag kein Bruder den anderen zu lösen; Er kann Gott das Lösegeld nicht geben.“ Befreiung aus der Gefangenschaft persönlicher oder fremder Mächte gibt es nur durch Jesus Christus. Sein Sieg ist die Voraussetzung des seelsorgerlichen Ringens um den Bruder. Es gibt auf dieser Stufe der cura specialis (Spezialseelsorge) drei Momente des Helfens:
Beten und Fasten, die Fürbitte eines christlichen Kreises, Handauflegung nach Markus 16, 18b und die Austreibung.
Der seelsorgerlich-persönliche Einsatz für den Hilfesuchenden findet seinen schönsten Ausdruck im Beten und Fasten als Hilfestellung für den Angefochtenen. Jesus Christus sagte Seinen Jüngern angesichts ihrer Vollmachtlosigkeit einem Kranken gegenüber in Matthäus 17, 21: „Aber diese Art fährt nicht aus außer durch Gebet und Fasten“. Schick nennt dieses Gebiet der Seelsorge eines der zentralsten Geheimnisse alles geistlichen Kampfes und Sieges.
Die Einzelseelsorge wird bei der cura specialis an okkult Behafteten oft wirksam durch einen Kreis treuer Christen unterstützt, die sich zur Unterstützung des Seelsorgers für den Angefochtenen verantwortlich wissen. In der christlichen Bruderschaft, die sich zur gemeinsamen Fürbitte für den Angefochtenen verbindet, wird Jesus Christus mit Seinen befreienden Kräften offenbar. Was hier geschieht, ist ein Stück Realisierung der Gemeinschaft der Heiligen, von der im dritten Glaubensartikel die Rede ist, eine actio congregationis sanctorum.
Wenn in den modernen psychologischen und medizinischen Schulen also vom Helfersystem und von der Gemeinschaft als einer Kraftquelle für den einzelnen gesprochen wird, so ist das eine Erkenntnis, die im Christentum schon zwei Jahrtausende praktiziert wird und in der speziellen seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten besonderes Gewicht hat.
Es sind mir Fälle bekannt, dass eine Gruppe von nüchternen Christen – nicht von Schwärmern – sich zu Fast- und Gebetszeiten zusammenschloß und erleben durfte, dass schwer Angefochtene frei wurden. Im allgemeinen reden Seelsorger ungern über dieses Gebiet. Wo aus solchen Befreiungen Sensationen gemacht werden, da ist „der Tod im Topf“ (siehe 2. Könige 4, 40). Es wird hier also von allen marktschreierischen Machenschaften sektiererischer oder schwärmerischer Richtungen ausdrücklich Distanz genommen.
Eine weitere Möglichkeit der Hilfe ist die Handauflegung unter Gebet. Das NT kennt die Handauflegung in verschiedenen Formen. Der vorpfingstliche Jüngerkreis erhält von Jesus Christus die Verheißung: „… Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.“ (Markus 16, 18b). Der nachpfingstliche Jüngerkreis legt die Hände zur Mitteilung des Heiligen Geistes auf (Apostelgeschichte 8, 18; 9, 17; 19, 6). Ferner werden Charismata geweckt oder gegeben nicht allein durch Handauflegung des Apostels (2. Timotheus 1, 6), sondern auch durch Handauflegung der Ältesten (1. Timotheus 4, 14). Timotheus erhält ferner von Paulus den seelsorgerlichen Rat, niemand die Hände zu früh aufzulegen (1. Timotheus 5, 22). Für unsere Untersuchung wird Markus 16, 18 und zum Vergleich Jakobus 5, 14 herangezogen.
Diese kleine exegetische Besinnung hat folgenden Sinn. Darf der Seelsorger nur bei physisch Kranken oder auch bei psychisch Kranken unter Handauflegung beten, wenn er darum gebeten wird? Ein schweizerischer Evangelistenkreis forderte bei einer Konferenz Zurückhaltung bei seelischen Erkrankungen, sofern sie okkulte Wurzeln haben. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die beiden Schriftstellen oben für diese Einschränkung exegetisch keinen Raum haben. Allerdings lassen sich vielleicht solche Schlüsse aus der Haltung Jesu Christi ziehen. In den Evangelien fällt auf, dass Jesus Christus bei Besessenen nur gebietet (Matthäus 17, 18; Markus 5, 8), während er physisch Kranke auch anrührt (Matthäus 8, 15; 9, 29; Markus 7, 33; 8, 23). Dieses Verhalten kann für den seelsorgerlichen Dienst an okkult Behafteten richtungweisend sein. Hier gilt also ganz besonders der Rat des Paulus, niemand zu früh die Hände aufzulegen. Und dennoch darf daraus kein neues Gesetz gemacht werden. Wenn die Not des schwer angefochtenen Bruders uns ans Herz geht, und die innere Freiheit geschenkt wird, dann kann ein solcher Dienst erfolgen. In einigen Fällen übte ich diesen Hilfsdienst aus unter Hinzuziehung von zwei treuen Christen.
Zur Abgrenzung gegen Mißbrauch ist zu sagen, dass diese – selten geübte – Handauflegung sich scharf gegen alle magische Gesundbeterei abgrenzt. Es ist ein schmaler, aber scharftrennender Grat zwischen Charisma und Gebetszwängerei, zwischen Pneuma und psychischer Hochspannung, zwischen dem stillen Hilfsdienst in der Verborgenheit und dem marktschreierischen Gebaren der Wunderheiler. Aber, abusus non tollit usum, muss hier wieder gesagt werden.
Die nächste Stufe des Helfens ist der Exorzismus. Da es sich hier um den größten Zankapfel der christlichen Seelsorge handelt, soll er kurz in seiner Entwicklungsgeschichte dargestellt werden, ehe er in seiner Bedeutung in der Seelsorge an okkult Behafteten behandelt wird. Gutes Beispielmaterial von psychiatrischer und christlicher Bedeutung hat Dr. Lechler. Der Exorzismus der bei den Nachfolgern Jesu Christi hat seine Wurzeln in den Austreibungen Jesu Christi und nicht in den religionsgeschichtlichen Parallelen. Jesus Christus, dessen Kommen den Anbruch der Basileía toū Theoū darstellt, trieb die Teufel aus (Matthäus 12, 27; Markus 1, 27; Lukas 4, 36; 11, 19) und gab Seinen Jüngern die gleiche Vollmacht (Matthäus 10, 1 und 8; Markus 16, 17).
Es wurden bisher in diesem Abschnitt drei Arten der seelsorgerlichen Hilfe beschrieben. Die letzte Hilfe ist das Austreiben finsterer Mächte in der von Jesus Christus geschenkten Exousia. Bei diesem letzten Hilfsdienst muss gesagt werden, dass es der allerseltenste Fall seelsorgerlicher Hilfe ist, der gewöhnlich nur bei Besessenheitsfällen zur Anwendung kommt. Da reine Besessenheitsfälle nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz der okkulten Fälle darstellen, tritt der Exorzismus nicht häufig in Erscheinung. Ferner muss dieser Hilfsdienst unbedingt in der Stille geschehen. Jeder Zug ins Sensationelle bedeutet gerade das Gegenteil der erstrebten Hilfe. Diese Feststellung bedeutet eine Abwehr gegen die veräußerlichten, exorzistischen Schauhandlungen der mittelalterlichen Kirche. Diese Einschränkung bedeutet aber auch eine Abwehr gegen den Pseudoexorzismus mancher christlicher Kreise und vor allem gegen die sektiererischen Richtungen der Gegenwart. Wenn diese Abgrenzungen gegen exorzistische Mißbräuche vorgenommen werden, so heißt das natürlich nicht, dass durch die Abwehr das eigentliche Anliegen erstickt werden darf.
Es gibt in der Gegenwart nur wenige Seelsorger, die dem Exorzismus in der Seelsorge an okkult Behafteten eine biblische Beurteilung zuteil werden lassen. Erich Schick sei erwähnt, der ganz generell zu dieser Frage schreibt: „In der heimischen Christenheit wie auf den Missionsfeldern tritt die Realität und Macht übersinnlicher und übermenschlicher Mächte immer stärker in die Erscheinung. Der Seelsorger ist also wesentlich Exorzist, Teufelsaustreiber.“
Thurneysen gibt zum Exorzismus eine biblisch fundierte Definition: „Hinter der Gefangenschaft des Menschen unter die Sünde sieht die Heilige Schrift ein unsichtbares Reich böser Geister und Gewalten. Aber auch in diesen verborgenen Tiefen wird Gott Meister in Jesus Christus. Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Satans Reich zu Ende … Ein Wörtlein kann ihn fällen. Weil die Seelsorge dieses Wort ausrichtet, darum ist ihr Werk zu verstehen als das Werk der Austreibung der Dämonen …“
Einen ganz großen Dienst hat Dr. Lechler als Psychiater und Christ allen Reichgottesarbeitern getan mit den beiden oft zitierten Vorträgen. Er stellt in dem einen über „Dämonie und Seelenstörung“ drei Besessenheitsfälle dar und zeigt, dass sie vom psychiatrischen Standpunkt aus nicht in befriedigender Weise zu erklären waren. Er schließt seine Differentialdiagnose ab mit den Sätzen: „Dass es sich in Anbetracht dieser Sachlage um eine Besessenheit handelte, war mir nun nicht mehr zweifelhaft. Da der Zustand trotz eingehender Seelsorge sich nicht bessern wollte, wurde zur Austreibung geschritten. Es kam dabei mehrmals zu heftigen Kämpfen von mehrstündiger Dauer mit Umsichschlagen, Schreien, Schimpfen, Fluchen, besonders, wenn vom Blut Jesu die Rede war. Dabei bewies sie eine ungewöhnlich große Körperkraft. Plötzlich spürte sie eine Befreiung und konnte gleich darauf loben und danken.“
Im Blick auf die seelsorgerliche Hilfe an okkult Behafteten lässt sich im Zusammenhang mit dem Exorzismus aus der Praxis folgendes sagen: Im Exorzismus vollzieht sich ein Nahkampf des Seelsorgers mit den finsteren Mächten. Eine befreiende Hilfeleistung ist nur aus vollmächtiger, charismatischer Seelsorge heraus möglich. Diese Vollmacht ist keine menschliche Qualität, sondern ein entscheidendes Durchbrechen des Heiligen Geistes in der Glaubenstat des Seelsorgers, der mit Jesus Christus ein Geist ist (1. Korinther 6, 17). Souveränes Subjekt der lösenden Hilfe ist nie der Seelsorger, sondern Jesus Christus, dessen Realpräsenz im Heiligen Geist Ereignis wird.
f. Die Resistenz des Befreiten
Der Terminus „Resistenz“ in dieser neuen Beziehung bedarf der Klärung. Bei dem Phänomen der okkulten Behaftung stellt die Resistenz die unheimliche Front und eherne Mauer gegen alles Göttliche dar. Diese Resistenz wird von dem okkult Behafteten manchmal als eine fremde Macht empfunden. Nach der Befreiung ist es unbedingt erforderlich, dass diese dämonische Resistenz eine Umkehr zur pneumatischen Resistenz erfährt. Ein Frontwechsel um 180° ist notwendig! Der okkult Behaftete, der in der militia Diaboli (Schlachtordnung Satans) stand, kämpft nun als echter Überläufer in der militia Christi gegen das ehemalige Lager. Es wäre nicht sehr schwer, für diese neue Abwehrfront einen neuen Begriff zu wählen, doch wird der alte Begriff beibehalten, weil es sich um parallele Vorgänge mit entgegengesetzten Vorzeichen handelt.
Wenn für diesen Terminus in der neuen Bedeutung eine Schriftstelle genannt werden soll, so kommt Epheser 6, 13 in Frage: „Ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes…, damit ihr das Feld behalten könnt.“ Dieses Wort stammt aus dem Abschnitt, in dem Paulus von der Finsternismacht der bösen Geister unter dem Himmel spricht und deshalb zum Anlegen der Waffenrüstung mahnt. Diese Mahnung des Apostels entspricht keiner leeren Theorie, sondern einer seelsorgerlich erfahrenen und glaubensmäßig erkannten Wirklichkeit. Die actio resistendi ist die notwendige Folge der Abrenunziation und des Exorzismus. Das wird auch an dem Jesuswort in Matthäus 12, 43-45 deutlich. Der ausgefahrene Geist will zurückkehren, und wenn das gelingt, so wird es mit dem Menschen schlimmer, als es zuvor war. Stauffer schreibt dazu: „Das Ringen mit den Dämonen der Geschichte ist ein Kampf mit der Hydra. Eine Vielzahl neuer Köpfe droht an der Stelle des abgehauenen Kopfes emporzuschießen.“
Es handelt sich nun um die Frage, wie dieser Abwehrkampf nach der Befreiung geführt wird. Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass der Mensch von sich aus immer auf einem verlorenen Posten steht. Keiner kann den Kampf von sich aus führen. Ferner ist zu konstatieren, dass die Schlacht seit Golgatha und der Auferstehung schon geschlagen und gewonnen ist. So stellt sich dieser Kampf als das Faktum dar, dass der Mensch durch seine Hingabe an Jesus Christus mit in die Tat von Golgatha und der Auferstehung hineingenommen wird. Das heißt, der Mensch erlebt in seiner Koinonia (Gemeinschaft) mit Jesus Christus den Vorgang des Mitsterbens und des Mitauferstehens, das Geheimnis eines Lebens mit Christus. Paulus hat diesen Tatbestand in Römer 6 und Kolosser 2 dargestellt und auf die Taufe bezogen. Der Christ, der zur „neuen Schöpfung“ (2.Kor. 5,17) erneuert ist, ist mit Jesus Christus gekreuzigt, gestorben, auferweckt, zum Leben gebracht, in den Himmel versetzt und mit Ihm Erbe geworden. Es entspricht dieser inneren Linie, dass der Christ in der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus auch Sieger ist, der, „als Er die Herrschaften und Gewalten entwaffnet hatte, sie öffentlich an den Pranger stellte und an demselben über sie triumphierte.“ (Kolosser 2, 15)
Der Christ steht mit Jesus Christus auf Siegesboden, darum hat der Abwehrkampf des Befreiten von vornherein ein positives Vorzeichen. Die Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus ist die Gewähr, dass der Befreite in den Nachhutgefechten bewahrt bleibt. Die wichtigste Waffe in diesem Kampf ist das Wort Gottes. Gerade die Seelsorge an okkult Behafteten lehrt mit instruktiver Deutlichkeit, dass nicht Gefühlsstürme den Kampf bestehen lassen, sondern das Bauen und Trauen auf das Wort Gottes.
Paulus nennt das Wort Gottes das Schwert des Geistes, mit dem der Angefochtene den Kampf bestehen kann. Der Seelsorger hat darum das Amt der Verwaltung des Wortes und den Auftrag, den Beichtenden ins Wort Gottes hineinzuführen. In der Praxis mache ich es sehr oft so, dass ich zunächst dem Hilfesuchenden nach der Aussprache eine Anleitung zum Bibellesen gebe. In besonderen Fällen schreibe ich einen kleinen Leseplan auf, den ich zusammen mit dem Hilfesuchenden lese. Die Gemeinsamkeit stärkt den Angefochtenen zum treuen Lesen. Außer dieser generellen Hinführung zum Wort ist es wichtig, dass der aus okkulter Behaftung Befreite die Waffe des Wortes Gottes zunächst einmal zu seinem persönlichen Schutz führen lernt. Das ist kein individualistisches Ziel, sondern nur ein elementares Gebot der Abwehr der Mächte, denen er früher verknechtet war.
Zu dieser Waffenführung gehört die Einprägung von besonderen Kernworten, die der Befreite bei wiedereintretenden Anfechtungen betet, z. B.: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ (Psalm 139, 5); „… und Ich selbst, spricht der HERR, will eine feurige Mauer um es her sein und Herrlichkeit in seiner Mitte.“ (Sacharja 2, 9); ferner 5. Mose 31, 6; Josua 1, 9; Psalm 91, 1-2; Jesaja 41, 10; Matthäus 28, 20b; Psalm 23 usw..
Es erweist sich bei solchem Abwehrkampf, dass das Wort Gottes ein Mittel ist, die Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus zu verwirklichen und zu bestärken, ferner aber auch die Verteidigungswaffe, die „eine von der Herrschaft der Dämonen und dieses Äons befreiende Wirkung hat“.
Es sind besonders zwei Anwendungsformen des Wortes Gottes, die sich bei dieser Abwehr des Befreiten bewährt haben: Erstens das im Glauben vergegenwärtigte Perfectum der Erlösung und zweitens das Gebieten im Namen Jesu Christ auf Grund Seines Sieges. Um es noch deutlicher zu machen. Ich lese mit dem Befreiten Bibelstellen, die vom Blut Jesu Christi als dem wirkungskräftigen Zeichen und Sinnbild der Erlösung handeln, z. B.:
Petrus 1, 2b: „… zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi: …“ Petrus 1, 19a: „… (losgekauft) mit dem kostbaren Blut des Christus …“ Johannes 1, 7b: „… das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“ Hebräer 10, 22b: „… durch Besprengung der Herzen …“ Hebräer 12, 24: „ …ihr seid gekommen zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zu dem Blut der Besprengung…“ Offb. 1, 5: „… Ihm (Jesus Christus), der uns geliebt hat und uns von unseren Sünden gewaschen hat durch sein Blut.“
Die Beschäftigung mit solchen Stellen, die Formulierung solcher Worte zu einem Gebet hat die Bedeutung der Vergegenwärtigung der Erlösung im Glauben. Das Gebet über solche Stellen bringt die freimachende und bewahrende Kraft des Opfertodes Jesu Christi in unser Leben. Selbstverständlich muss auch hier wieder die Grenzlinie gegen alle Blutsmystik und Blutsschwärmerei gesehen und scharf beachtet werden. Doch darf die Angst vor Schwärmerei und Sektiererei nicht dazu führen, dass wir Kraftquellen des Wortes ungenutzt und unser Glaubensleben verkümmern lassen.
Eine weitere Abwehrform gegen sich wiederholende Anfechtungen ist das Gebieten im Namen Jesu Christ! In der allgemeinen Seelsorge weise ich Beichtende nicht auf diese Form der Hilfe hin. Bei schwerer okkulter Behaftung wird nach der Befreiung, wenn die Hydra wieder ihr Haupt erhebt, das Gebieten („im Namen Jesu Christi gebiete ich euch Finsternismächte zu weichen“) zu einer wirksamen Abwehrwaffe. Die Jünger Jesu übten das Gebieten nach dem Wort ihres Meisters. Jesus Christus selbst gebot in der Anfechtung dem Widersacher „Weiche, Satan!“ (Matth.4,10). Paulus wehrte sich damit in Philippi gegen die Bedrohung seines Dienstes. Männer wie Blumhardt, Seitz und andere halfen sich damit in schweren seelsorgerlichen Kämpfen. Dem ursprünglich okkult Behafteten, der sich völlig Jesus Christus ausgeliefert hat, darf diese letzte Abwehrwaffe nicht verwehrt werden, wenn er im Glauben die innere Freiheit dazu hat.
Es ist interessant, dass andere Seelsorger und Evangelisten, die Seelsorge an okkult Behafteten haben, aus dem Wort Gottes und aus der Praxis heraus zu gleichen Ergebnissen gekommen sind. Der Leiter des volksmissionarischen Amtes in Baden, Dekan Hauß, erzählte mir, dass er bei der Fürbitte für ein okkult angefochtenes Ehepaar in der Nacht unheimliche Anfechtungen erlebte. Als er im Namen Jesu Christi gebot, wich diese Finsternismacht. Schweizerische Evangelisten, die noch mehr Seelsorge an okkult Behafteten haben als die deutschen Evangelisten, erklärten bei einer Konferenz in Männedorf, dass sie diese beiden oben geschilderten Anwendungsformen des Wortes Gottes genauso üben, wie es hier dargestellt wurde. So sind Reichgottesarbeiter aus verschiedenen Kreisen und Völkern in gleicher Weise geführt worden.
Zur Abwehr von Mißbräuchen sind noch drei Dinge zu erwähnen. Wie die Geschichte der „Skevassöhne“ zeigt, gibt es auch angemaßte Vollmacht. Wer nicht realiter in der Gleichzeitigkeit, in der Gemeinschaft mit Jesus Christus steht, kann nicht gebieten. Angemaßte Vollmacht führt nur zur intensiveren Bedrohung, weil das eine Herausforderung der Mächte darstellt. Das soll aber nicht heißen, dass der Angefochtene nun erst krampfhaft, ängstlich und gesetzlich seinen eigenen Zustand erforschen muss, bevor er gebieten darf. Nein, wenn er im Glauben auf Jesus Christus blicken kann, dann fahre er zu. Wer rückwärts auf sich blickt, ist immer unterlegen. Die Abwehr finsterer Mächte ist ein Christusgeschehen und nicht menschliches Beginnen, sonst wäre der Mensch immer verloren. Das Gebieten ist Ausfluß des Evangeliums und nicht des Gesetzes. Gebieten wurzelt in Golgatha und der Auferstehung und nicht im Sinai.
Ferner muss das Gebieten vor jeder Veräußerlichung und voreiligen Wiederholung bewahrt bleiben. Wenn der durch Jesus Christus aus okkulter Behaftung befreite Mensch nicht mehr die Situation von Matthäus 12, 43-45 erlebt, dann ist das Gebieten nicht erforderlich. Als letztes ist zu sagen, dass durch die Darstellung dieser speziellen Anwendungsformen des Wortes Gottes keine Gewichtsverschiebung erfolgen darf. Wenn biblische Wahrheiten überbetont werden, dann ist der Ansatz zur Irrlehre da. Deshalb müssen alle speziellen Hinweise für die Seelsorge an okkult Behafteten in der gesunden Spannung zu den anderen Schriftaussagen stehen. In der allgemeinen Seelsorge kommt man mit den in Apostelgeschichte 2, 42 genannten Gnadenmitteln – Wort Gottes, Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen (Abendmahl), Gebet – als den Mitteln zur Verwirklichung der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus aus. Bei dem Hilfsdienst an okkult Behafteten gelten die gleichen Grundelemente, wenn auch in spezieller Prägung und Anwendung.
Nach dem Wort Gottes ist als zweite Stärkung in dem Abwehrkampf des Befreiten nach dem soeben zitierten Wort aus Apostelgeschichte 2, 42 die Gemeinschaft, die congregatio sanctorum, zu nennen. Bei „kirchlich“ uninteressierten Leuten hört man bei Einladungen zum Gottesdienst das geflügelte Wort: „Kirchgang macht nicht selig.“ Dieses Wort verrät die Unkenntnis des organischen Gefüges des Leibes Jesu Christi. Das Glied, das vom Leibe getrennt wird, stirbt ab. Die Kohle, die aus dem Feuer genommen wird, verlöscht nach und nach. Isolation innerhalb der Gemeinde bzw. des Leibes Jesu Christi führt oft zum geistlichen Tod. Wenn der Schreiber des Hebräerbriefes mahnt, „(seine) eigene Versammlung nicht zu verlassen, wie es einige zu tun pflegen, …“ (Hebr.10, 25), so weist er sich mit dieser Ermahnungsrede als Seelsorger aus. Der aus okkulter Anfechtung Befreite muss treu in der congregatio sanctorum stehen, um dort an den Kraftstrom angeschlossen zu sein, der vom Haupt der Gemeinde auf alle Glieder fließt. Die Erfahrung der Seelsorge lehrt, dass zur wirksamen Resistenz der Befreiten normaler Gottesdienstbesuch im allgemeinen nie genügen wird. Es wird deshalb die Bildung von Kleinkreisen treuer Christen befürwortet, die als Sauerteig in der großen Versammlung wirken und seelsorgerliche Nacharbeit übernehmen können.
Einmal übergab ich nach einer Evangelisation eine okkult schwer angefochtene Frau einem solchen Kreis zur weiteren Betreuung. Ein ganzes Jahr trug dieser Kreis in der Fürbitte die Angefochtene durch, bis sie ganz frei war. Solche Kreise sind Kraftstationen, in denen ein aus okkulter Behaftung Befreiter zum Widerstand den Rücken gestärkt bekommt. Die Kleinkreise haben also sowohl im Befreiungskampf, wie oben dargestellt wurde, als auch im Abwehrkampf ihre seelsorgerliche Bedeutung. Es muss in diesem Zusammenhang en passant über die Nacharbeit der cura specialis an okkult Behafteten und Befreiten etwas gesagt werden. Der Seelsorger darf im Rahmen einer Evangelisationswoche nach seelsorgerlichen Aussprachen nicht denken, seine Hilfeleistung sei abgeschlossen. Dr. Lechler sagte: „Wer die Seelsorge vorzeitig abbricht, gleicht dem Chirurgen, der die Wunde vernäht, noch ehe der Eiter sich vollständig entleert hat.“ Die seelsorgerliche Nacharbeit ist immer die crux einer Evangelisation. Dieser Not versuche ich gewöhnlich dadurch zu begegnen, dass ich die Namen der Hilfesuchenden aufschreibe und dem Ortspfarrer mitteile. Der Hilfesuchende muss ja seiner Heimatgemeinde eingegliedert werden.
Die nächste Hilfe für die pneumatische Resistenz des Befreiten ist das Abendmahl. Emil Brunner nennt diese Praktiken die Klammern, die der Herr seinem Bau mitgab, um ihn vor dem Zerfallen zu schützen. Der aus okkulter Behaftung Befreite braucht diese Klammern, die ihn mit Jesus Christus und seiner örtlichen Versammlung fest verbinden. Wenn wir kurz über das Wesen des Abendmahls unter dem seelsorgerlichen Aspekt unserer Untersuchung nachdenken, so kann diese Besinnung nach den von Prof. Hahn gegebenen Perspektiven erfolgen. Hahn stellt eine dreifache Bedeutung des Abendmahles heraus.
„Erstens ist im Abendmahl der neue eschatologische Bund mit Gott, der die Erfüllung der alttestamentlichen Heilsgeschichte ist, gesetzt. Dieser Bund ist nur in diesem Blute Wirklichkeit, d. h. im Kreuzesgeschehen Jesu Christi. Es ist das auf Golgatha vergossene Blut Jesu Christi, um dessentwillen und in dem der Neue Bund seine Wirklichkeit hat.
Dieses Blut hat auch die andere Aufgabe des Passahblutes: Es ist Schutz gegen den Würgeengel, gegen die Dämonenherrschaft. Wer an diesem Blut Anteil hat, ist gegen die Machtwirkung der Dämonen gedeckt, wenn auch nicht in magischer Weise, sondern im jeweiligen neuen Ergreifen der im Blut Christi geschenkten eschatologischen Möglichkeit.
Als drittes dem Passahblut entsprechendes Moment tritt die an diesem Blut haftende Verheißung für die Zukunft hinzu: Das Blut ist die Versicherung der Teilhabe am Gelobten Land, an der Parusie.“
Diese Darlegungen können sich nicht besser in den Rahmen unserer Untersuchung einfügen. Im Abendmahl wird der aus okkulter Behaftung Befreite in das Christusgeschehen einbezogen. Der Befreite erlebt unter sichtbaren Zeichen die Gemeinschaft mit Leib und Blut Christi, die Einverleibung in die Gemeinde Christi, die Realisierung der Gliedschaft in der Basileia und damit die Stärkung seiner pneumatischen Resistenz gegen dämonische Einflüsse und Anfechtungen. Das Abendmahl ist ein Brennpunkt der Reichgottesdynamik, in dem das Heraustreten aus der Civitas Diaboli und das Hineintreten in die Civitas Dei dem Angefochtenen und dem Befreiten zum Ereignis wird. Darum empfehle ich dem aus okkulter Behaftung Befreiten den häufigen Abendmahlsbesuch. Am Rande sei hier vermerkt, dass in den Versammlungen der Abendmahlsbesuch noch mehr als bisher möglich gemacht werden muss.
Als weiteres Mittel zur Stärkung der pneumatischen Resistenz des Befreiten wäre das persönliche Gebetsleben zu nennen, das die Bitte „Veni creator spiritus“ zu einem täglichen Anliegen macht. Wie das Wesen der Besessenheit die Innewohnung von Dämonen ist, so ist das Wesen des gennethēnai ánothen (geboren werden von oben her-Joh. 3,3) die Innewohnung des Heiligen Geistes. (Joh.14,23) Die Realisierung der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus, des „in-Christus-sein“, (2.Kor.5,17) ist nur durch den Heiligen Geist möglich(1.Kor.12,3). Prof. Allwohn schreibt in diesem Zusammenhang: „Es muss demnach das Ziel der seelsorgerlichen Volksmission sein, zum Empfang des Heiligen Geistes zu verhelfen. Es mag hier der Einwand erhoben werden, dass dieses Ziel zu hoch gesteckt ist. Wer könnte und dürfte sich anheischig machen, den Heiligen Geist zu übermitteln? Gewiss bestehen hier keine menschlichen Möglichkeiten; und doch sollen wir mit festem Glauben auf der Verheißung stehen, dass der Vater den Heiligen Geist denen geben wird, die ihn bitten.“ (Luk.11,13) Pneumatische Resistenz ist nur möglich durch das Pneuma. Das Pneuma wird geschenkt verbo divino et sacramentis.
Zusammenfassend lässt sich von der seelsorgerlichen Praxis her das Wesen der Resistenz in folgender Weise charakterisieren: Im Exorzismus hat sich durch das Auftreffen des Heiligen Geistes bei dem okkult Behafteten und Befreiten ein Herrschaftswechsel vollzogen. Dem Freiwerden folgt das Freibleiben als ein dauerndes Stehen unter der Christusmächtigkeit, deren Wirklichkeit im Wort Gottes, in der Ekklesia, im Abendmahl, im Glaubens- und Gebetsleben erfahren wird. In der akuten Abwehr der Nachhutgefechte des finsteren Widersachers erweist sich die Zuflucht unter das Blut Jesu Christi als das Zeichen des vollkommenen Sieges am Kreuz und das Gebieten im Namen Jesu Christi als wirksame Verteidigung bei der Resistenz des Befreiten.
Die Befreiung aus okkulter Behaftung erweist sich als ein Spezialproblem der Seelsorge mit folgenden Stationen des Beichtgespräches: Differentialdiagnose, confessio (Sünden-Glaubensbekenntnis), Absage, Absolution, Exorzismus, pneumatische Resistenz. Der Dienst an okkult Angefochtenen kann nur aus gründlicher Sachkenntnis und mit charismatischer Ausrüstung erfolgen. Damit ist angezeigt, dass die Befreiung des okkult Behafteten nicht die Frucht seelsorgerlichen Ringens, sondern eine Tat Jesu Christi ist. Eine Befreiung des Angefochtenen erfolgt daher nur über die Verwirklichung der Gleichzeitigkeit – der Koinonia – des okkult Behafteten mit Jesus Christus.
6. Welche Perspektiven ergeben sich aus dieser Untersuchung für den Seelsorger an okkult Behafteten?
Nach den in der Untersuchung schon gegebenen Richtlinien bleiben am Rande noch einige Probleme offen, die im Ansatzpunkt schon erwähnt wurden, aber noch einmal herausgestellt werden müssen. Die erste Frage soll mit einer ironischen Kritik umrissen werden. Ist die Seelsorge an okkult Behafteten nicht „die Marotte eines Außenseiters, der gern seine Nase in dunkle Dinge steckt“?
a. Die Notwendigkeit einer klaren Diagnostik
Eine Frage löst der Einwand aus, warum manche Seelsorger wenig mit okkult Behafteten zu tun haben. Das mag verschiedene Gründe haben: Geringe Sachkenntnis, Nichtbeachtung und das Nicht-ernst-nehmen dieses Problems, geringe Seelsorgetätigkeit, apriorische Ablehnung usw.. Der wesentliche Punkt wird die von Gott geschenkte Lebensführung sein. Es gibt vom NT her verschiedene Gaben und Ämter. Jeder Christ hat sozusagen seine Platzanweisung. Jeder hat seinen besonderen Auftrag, den er treu erfüllen soll. Wem Gott das Charisma der Geisterunterscheidung(1.Kor.12,10) gegeben hat, der hat zu dieser Gabe die Aufgabe, sich mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln in das Gebiet der Differentialdiagnostik einzuarbeiten. Die Kompliziertheit der mancherlei seelischen Erkrankungen im Zusammenhang mit okkulter Betätigung macht die Notwendigkeit einer klaren Diagnostik deutlich.
b. Die Forderung des rechten Verhältnisses von Gesetz und Evangelium im seelsorgerlichen Dienst
Eine der brennendsten Fragen ist die Bedeutung von Gesetz und Evangelium in der Seelsorge an okkult Behafteten. Hier liegt ein entscheidender Prüfstein, ob ein Seelsorger dem Hilfsdienst an okkult Behafteten gewachsen ist oder nicht. Gesetz und Evangelium haben in der cura specialis ihren bestimmten Ort. Jede Verwechslung, jede Vermischung wirkt sich in diesem schwierigsten Gebiet der Seelsorge verhängnisvoll aus. Das Gesetz hat hier nur seine Berechtigung in der Diagnose, in der es darum geht, die okkulten Zusammenhänge aufzudecken. Die Verkündigung des Gesetzes hat das Ziel, dem okkulten Praktiker zu zeigen, dass er sich mit seinem okkulten Treiben, ganz gleich ob aktiver oder passiver Art, durch Übertretung des ersten und zweiten Gebotes außergöttlichen Mächten verschrieben hat und unter dem Gericht Gottes steht. Es handelt sich hier um das Gesetz als Zuchtmeister auf Christus hin, die von der Sünde überführende Bedeutung des Gesetzes, durch den der okkult Behaftete seiner Sünde überführt werden soll. Damit ist die Verkündigung des Gesetzes in der Seelsorge an okkult Behafteten abgeschlossen.
Nun hat im Beichtgespräch mit dem okkult Behafteten uneingeschränkt das Evangelium das Wort. Dem Angefochtenen ist das Wort von der Vergebung und Erlösung auszurichten im Sinne von Epheser 1, 7: „In Ihm (Jesus Christus) haben wir die Erlösung durch Sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade, …“. Eine pharisäische, gesetzlich-dränglerische Seelsorge hat beim Hilfsdienst an okkult Behafteten keinen Raum. Der seelisch Angefochtene ist gewöhnlich so zerschlagen, daß ihn eine gesetzliche Seelsorge nur tiefer in die Verzweiflung hineintreibt.
Wo die Sünde genannt, erkannt und bereut ist, gilt allein der Trost des Evangeliums. Jesu Christi Seelsorge am Gichtbrüchigen, an der großen Sünderin, an Zachäus ist dafür maßgebend. Hier gilt nur ein Imperativ: „Komm, es ist alles bereit, nimm, iß, trink. Es gehört dir!“
Das Gesetz zeigt uns, was wir angerichtet haben, das Evangelium zeigt uns, was Gott „angerichtet“ hat. Dieser Unterschied darf in der Seelsorge nicht aufgehoben werden. Wenn nun im Blick auf die Seelsorge an okkult Behafteten das Verhältnis von Gesetz und Evangelium bestimmt werden soll, so ist folgendes zu sagen: Wer in der Seelsorge an okkult Behafteten nur eine Beschwichtigungs- und Beruhigungstherapie anwendet, nivelliert die Bedeutung des Gesetzes, deckt nicht die Tiefen der Schuldzusammenhänge okkulter Betätigung auf und verflacht damit auch das Evangelium; denn wo keine Schuld ist, ist das Evangelium gegenstandslos. Man kommt bei diesem schwierigen Hilfsdienst ohne das Gesetz nicht aus, da sonst der okkult Behaftete seine seelische Not auf die Ebene der medizinisch diagnostizierbaren Gemütskrankheiten schiebt und sich damit einen Schlupfwinkel vor Gottes Zugriff schafft. Das Gesetz darf vom Evangelium nicht getrennt werden.
Die zweite Aussage bezieht sich auf die Reinhaltung des Evangeliums. Um Golgatha darf kein Zaun gemacht werden. Das Evangelium ist keine nova lex (neues Gesetz), deren Erfüllung dem okkult Angefochtenen Befreiung bringen soll. Nein, hier ist alles auf Gottes Tat in Jesus Christus gestellt. Jedes Hineintragen von Bedingungen, denen zuvor genügt werden muss, stellt eine Verwässerung, Vermischung, Vergesetzlichung des Evangeliums dar. Der Seelsorger muss eine heilige Furcht davor haben, nicht das Evangelium durch das Gesetz zu verfälschen. Nicht der geistliche Kampf des Seelsorgers führt zur Befreiung, sondern allein Jesus Christus. Gesetz und Evangelium können nicht vermischt und nicht auseinandergerissen werden. Die Auflösung dieser Einheit ist eine tödliche Gefahr der Seelsorge. Darum erfordert der Hilfsdienst an okkult Behafteten die Fähigkeit, Gesetz und Evangelium im rechten Verhältnis zu verkündigen.
c. Jesus Christus – das Ende der Dämonen
Ohne Zweifel liegt natürlich in der Seelsorge an okkult Behafteten auf der Ausrichtung des Evangeliums das größte Gewicht. Nicht der Nachweis dämonischer Bindungen und der Besessenheit ist das Ziel dieser Untersuchung, sondern die Verkündigung ihrer Überwindung und Heilung. Wo das seltene Phänomen der Besessenheit als äußerste Manifestation der dunklen Herrschaft des Bösen tatsächlich auftaucht, da ist die Botschaft von der Befreiung dagegenzusetzen. Darum ist diese Untersuchung nicht ein neues „okkultes Buch“ in der Flut okkulten Schrifttums, sondern ein Buch von der Befreiung von allen dunklen Mächten durch Jesus Christus!
Seit Golgatha und der Auferstehung ist Satans Macht nur eine Scheinmacht. In Wirklichkeit sind in Jesus Christus alle Dämonen schon besiegt. Jesus Christus ist dem Starken ins Haus gebrochen (Markus 3,27) und hat ihm den Raub abgenommen. Der Sohn Gottes hat die Bollwerke der Finsternis gesprengt. (1. Joh. 3, 8) Diese Siegesbotschaft ist in der Seelsorge dem okkult Behafteten zu überbringen. Sie bedeutet dem Angefochtenen die Teilhabe an dem Sieg, die Sprengung der Gefängnistore seelischer Leiden. Diese Siegesnachricht ist das Ende der Zwingherrschaft Satans, da der Christus Gottes der Kyrios und der Heiland der Welt ist!
Die Hervorhebungen im Text habe ich vorgenommen, sowie eine ganz geringe Kürzung. Horst Koch, Herborn, im März 2010
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