Psychologie im Licht der Bibel (W. Plock)
Wilfried Plock
Psychologie im Licht der Bibel
Teil 1: Die Geschichte der Psychologie
1. Die Psychologie als Bestandteil der Philosophie (ca. 500 v. Chr. bis 1875)
Die heutige Psychologie hat also eine lange Vorgeschichte. Die historische Wurzel ist liegt vor allem in der griechischen Philosophie der Antike (schon ab etwa 5. bis 6. Jahrhundert v. Chr.). Die moderne Psychologie geht aus von der historischen, philosophischen Voraussetzung über den Ursprung des Menschen, über die Seele des Menschen und über das Verhältnis von Leib und Seele.
Die griechische Philosophie hatte sich ganz bewußt von allen religiösen, übernatürlichen Vorstellungen des Menschen losgesagt. Es war eine emanzipierte Philosophie, die also nicht von einem übernatürlichen Weltbild ausgeht, sondern ausging von einem natürlichen: der autonome Mensch in einem geschlossenen Weltbild.
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Psychologie immer wieder gewandelt, und zwar sehr gewandelt.
II. Die Psychologie als eine von der Philosophie getrennte, selbstständige experimentelle Wissenschaft (ab 1875 bzw. 1879 bis heute)
1873/74 schrieb der Mediziner Wilhelm Wundt (1832-1920) sein bahnbrechendes Werk „Grundzüge der physiologischen Psychologie“, und damit wurde er der erste Psychologe. 1875 wurde Wundt Professor in Leipzig und eröffnete dort im selben Jahr das erste „psychologische Laboratorium“. Dort wurde zum ersten Mal psychologisch mit Menschen experimentiert. Übrigens gab es dort auch die ersten Psychologiestudenten.
Einen weiteren starken Einfluß auf die Psychologie jener Zeit übte die Einführung der Statistik nach dem Beispiel der Mathematik aus. Seelische Prozesse werden statistisch wiedergegeben, und die Statistik gilt dann als eine interpretierende Wissenschaft.
Lange Zeit bedeutete Psychologie noch so etwas wie Seelenkunde, die Lehre der Psyche. Aber seit jener Zeit hat man das Wort Seele ganz bewußt weggelassen.
Weil die Seele zu philosophisch belastet war und nicht wahrnehmbar ist und deshalb als unwissenschaftlich galt, war sie experimentell nicht brauchbar.
Erst am Ende des letzten Jahrhunderts wurde Psychologie als die Lehre vom Bewußtsein definiert.
Die Psychoanalyse von Sigmund Freud (1856-1939), die völlig unabhängig von Wundt´s Schule entstand, sieht den Menschen als ein geschichtliches Wesen, unter anderem mit einem Unbewussten, das den größten Teil ausmachen würde, und das wichtigste im Menschenleben ist. Die Psychoanalyse hat also als Objekt ihrer Forschung das Unbewusste. Unter Freud wurde die Psychologie zur Lehre vom Unbewussten.
Aber der Behaviorismus (Iwan P. Pawlow, Watson, Skinner), der zweite Zweig, der sagte: Das Unbewusste ist unbewiesen, unbeweisbar, es ist ja unsichtbar. Das ist also für die Wissenschaft unbrauchbar, was man beobachten und beschreiben und interpretieren kann, ist nur das, was ich weiß, und was sichtbar ist, unser Verhalten. Darum heißt der Behaviorismus auch Verhaltenspsychologie.
Und die Humanistische Psychologie, der dritte Zweig, sagt: Der Mensch ist ein Wesen mit ungeahnten Möglichkeiten. Und was muß man da also forschen? Eben diese ungeahnten, verborgenen Möglichkeiten des Menschen sind zu erforschen, damit es zum Wachstum und zur Entfaltung und zur Selbstverwirklichung kommt. Jede Richtung hat also ihr anderes Thema und jede Richtung hat auch ihre eigene Methode.
Die heutige Psychologie (von etwa 1950 bis heute)
In zunehmendem Maße gibt es neue Richtungen. Jeder Hauptzweig hat eine Menge Nebenzweige. Ein anderes Kennzeichen der Psychologie in der letzten Zeit, ist, daß es sehr rasche Veränderungen gibt. Das was heute noch gültig ist, kann morgen schon ganz altmodisch und verworfen sein. Ein anderes Kennzeichen ist es, daß die Psychologie nicht nur theoretisch geblieben ist, sondern daß es eine angewandte Psychologie gibt. Und die angewandte Psychologie hat sehr stark zugenommen. Sie droht sogar größer zu werden, als die theoretische Psychologie. Sie ist sozusagen von der Universität in das öffentliche, alltägliche Leben umgezogen. Man kann sich eigentlich keine Einrichtung oder Institut mehr denken, ohne einen Psychologen. Es gibt sogar Psychologenschulen für den Kindergarten, für die Schule, für die Universität und sogar für den Betrieb und die Firma. Kurz gesagt, es gibt für alle Richtungen und Sparten. Man kann sich kaum noch ein Leben ohne Psychologen vorstellen. Man spricht von der „psychologischen Gesellschaft“.
Psychologie im biblischen Licht
Die Psychologie ist durch und durch unchristlich, teilweise sogar antichristlich.
Das Menschenbild der Psychologie ist atheistisch, evolutionistisch, materialistisch und humanistisch.
Der Mensch sei ein Wesen:
1. – . . . ohne grundsätzliche Beziehung zu Gott, seinem Schöpfer, aber mit einer
Grundbeziehung zum Tier (das sog. Tiermodell).
Die Bibel: wir sind vom Geschlecht Gottes (Apostelgeschichte.17, 29)
2. – . . . ohne grundsätzlichen Bezug zu Gottes Wort, von dem der Mensch leben soll (Matth. 4, 4)
Absolute Normen gibt es nicht, Gewissen im biblischen Sinn gibt es nicht, Schuld
gegenüber Gott gibt es nicht (nur „Schuldgefühle“ gegenüber dem Nächsten)
3. – . . . ohne die innewohnende Sünde oder „alte Natur“ (Römer 7)
4. – . . . ohne Einfluß des Satans und seiner Dämonen
5. – . . . ohne die Möglichkeit der „neuen Natur“ und der Wirkung des Heiligen Geistes
Teil 2: Sigmund Freud und die Psychoanalyse
Allgemeines:
Sigmund Freud (1856-1939), in der Tschechoslowakei geborener Jude, Arzt und
Psychologe, Professor in Wien, Begründer der Psychoanalyse, Werke: Die
Traumdeutung, Totem und Tabu, Jenseits des Lustprinzips, Das Unbehagen in der
Kultur…. Bekannteste Schüler: Alfred Adler (Individualpsychologie) und Carl Gustav Jung (Komplexe Psychologie).
I. Freud´’s Persönlichkeitstheorie
Freud sah den Menschen in einem ständigen Konflikt zwischen seinen auf Lust
ausgerichteten Instinkten und der Unterdrückung derselben durch die Gesellschaft.
Die Folge seien Neurosen (wissenschaftliche Bezeichnung für krankhafte
Erscheinungen des Seelenlebens, die meistens als Folge einer gestörten Erlebnis-
verarbeitung in der frühen Kindheit gesehen werden). Jede Neurose, ja sogar das
gesamte Verhalten, stamme aus dem Unbewussten.
Der Mensch sei geschichtet. Die Seele des Menschen sei wie ein Eisberg. Nur etwa ein Sechstel sei sichtbar (das Bewußte), dann ein bißchen Unterbewusstes und der größte Teil werde vom Unbewussten gebildet.
Die Seele des Menschen – Das Bewußte – Das Unterbewusste – Das Unbewusste
II. Das Menschenbild des Sigmund Freud
Der Psychoanalyse liegt ein materialistisches Menschenbild zugrunde, d.h. der
Mensch wird nur als stoffliches und immanentes Wesen verstanden. Der Geist des Menschen wird nicht als eine vom Leib unabhängige Wesenheit betrachtet. Eine höhere Daseinsbestimmung des Menschen sah Freud nicht.
Das Unbewusste bilde den größten Teil des Menschen. In ihm liege der Kern der
Persönlichkeit, nämlich die Triebe, die Motivation. Der Mensch sei völlig determiniert (bestimmt, festgelegt) von seinen Erlebnissen in Kindheit und Jugend.
1. Freud´’s Triebmodell
Freud hatte in seiner Kindheit ein Verhältnis der Hassliebe zu seinem gleichaltrigen Neffen Johann. Später verallgemeinerte er Liebe und Hass zu den beiden fundamentalen Trieben im Leben eines Menschen. Der Mensch werde nicht von seinem Willen bestimmt, sondern von einem „Lust-Unlust-Prinzip“. D.h. der Mensch werde von angeborenen Instinkten dazu getrieben, Lust zu suchen („Libido“) und Unlust zu vermeiden.
Die Bibel zeigt als Ursache der menschlichen Not nicht ein Lust / Unlust-Prinzip,
sondern das in uns wohnende Gesetz der Sünde (Röm.7, 23).
Fünfzehn Jahre lang arbeitete Freud nur mit der Libido-Theorie, bis er 1920 die
Bedeutung des zweiten Triebes erkannte, nämlich „Thanatos“ (der Todestrieb mit der Tochter „Aggression“ – Zerstörungslust). Freud behauptete, die Triebe kämen aus den Organen, nämlich aus den Drüsen mit ihrem Stoffwechsel (biologischer Determinismus).
2. Freud´’s Erkenntnisse aus seiner Selbstanalyse
Freud war der Liebling seiner Mutter (die zweite Frau seines Vaters). Er hatte eine leidenschaftliche, erotische Neigung zu seiner jungen Mutter – kombiniert mit Hass gegen seinen Vater, der vom Alter her sein Großvater hätte sein können. Diese Dinge entdeckte Freud bei seiner Selbstanalyse, die er mit 42 Jahren begann.
Freud war ein Mann der Verallgemeinerung. Wenn er bei sich etwas entdeckt
hatte, übertrug er es oft auf die ganze Menschheit. Hatte er bei einem Neurotiker
etwas entdeckt, dann meinte er, alle Neurotiker, ja alle Menschen, sind so.
Aus seiner Selbstanalyse folgerte Freud zum Beispiel, jedes Kind habe eine
erotische Liebe zum Elternteil des anderen Geschlechtes und einen Hass zum
Elternteil des gleichen Geschlechtes. Die Erfahrungen und Sünden seines eigenen
Herzens wurden also Grundlage für eine umfassende psychologische Theorie
(Theorie des „Ödipus-Komplexes“). So entstand Freud´s psycho-sexuelles
Menschenbild.
Ein zweiter Grund für dieses Menschenbild liegt wohl im gesellschaftlichen
Hintergrund seiner Zeit. Freud befaßte sich zuerst mit hysterischen Frauen. Die
Wurzel für ihr Verhalten meinte er in dem Konflikt zwischen triebhaften Begierden und den gesellschaftlichen Tabus der Umgebung gefunden zu haben (der verlogenen viktorianischen Doppelmoral seiner Tage). Darum nahm die Sexualität allmählich einen immer größeren Raum in Freuds Theorien ein.
3. Freud´s Phasenmodell der frühkindlichen Sexualität
a) Die orale Phase (die ersten 12 Monate)
b) Die anale Phase (zweites Lebensjahr)
Die Reaktionen der Mutter auf das, was auf dem Töpfchen geschieht, seien sehr
wichtig!
c) Die ödipale Phase (drittes bis fünftes Lebensjahr)
Jeder Junge möchte seine Mutter „heiraten“ und haßt darum seinen Vater.
Mit etwa fünf Jahren erfasse er aber, daß das unmöglich ist und identifiziere
sich dann mit dem Vater. Die elterlichen Normen würden so zum Über-Ich.
Die Reaktionen der Eltern in dieser Phase würden in besonderer Weise den
Charakter und das Verhalten des Kindes für sein gesamtes Leben prägen.
Die Bibel zeigt uns, daß die Reaktionen der Eltern wichtig sind;
aber nicht nur in den ersten fünf Lebensjahren.
Abgesehen davon gibt es viele weitere prägende Faktoren in der Erziehung,
wie das Gebet der Eltern, das Wort Gottes, den Einfluß der Gemeinde, etc.
III. Die Freud´’sche Psychoanalyse
Man kann hinsichtlich seines Wirkens drei Phasen bei Freud unterscheiden.
Die erste von 1886 bis 1900; in der Freud kokainsüchtig war (in dieser Periode
entstanden die Grundlagen seiner größtenteils absurden Theorien).
Die zweite Phase erstreckte sich von 1900 bis 1923, und die dritte von 1923 bis zu
seinem Tode 1939 (Freud litt 12 Jahre lang an Kieferkrebs).
Nach 1923 (also in der dritten Periode) unterschied Freud zwischen dem Es (den
unbewussten Instinkten oder Trieben), dem Ich (dem „Ich“-Bewusstsein) und dem Über-Ich (dem größtenteils unbewussten „Gewissen“, das uns durch die Normen und Tabus der Umgebung auferlegt werde, vor allem während der Erziehung).
Freud sah den Menschen im ständigen Konflikt zwischen den egoistischen
Ansprüchen des Es und den durch Erziehung und Gesellschaft geprägten Normen des Über-Ich („Gewissen“). Das Kind sei zunächst nur Es. Das Über-Ich entstünde etwa mit fünf Jahren – nach der Überwindung des „ödipalen Konfliktes“ – allein durch die Gebote und Verbote der Eltern (intra-psychisches Konfliktmodell).
Nun behauptete Freud, daß weder der betroffene Mensch selbst, noch ein anderer Mensch, noch ein christlicher Seelsorger Zugang zum Unbewussten habe, sondern einzig und allein der Psychoanalytiker. Dieser sei der notwendige und unentbehrliche Mittler. Nur er sei kompetent, die verborgenen neurotischen Konflikte und Verdrängungen offenbar zu machen und dadurch zu heilen. Übrigens, jeder Psychoanalytiker muß zuerst an sich eine Selbstanalyse durchführen oder von einem Kollegen durchführen lassen. Nur dann darf er andere analysieren.
Auf diese Weise wird aber der Mensch / Patient unmündig und in die Abhängigkeit der Psychiatrie getrieben.
IV. Freud´’s Nichtverantwortlichkeits-Modell
1. Die Konstruktion des Unbewussten
Alles geschehe unbewusst (Triebe, Verdrängung, etc.). Wer könne für Dinge
verantwortlich gemacht werden, die außerhalb seines Bewußtseins vor sich
gingen?
2. Die biologische Triebtheorie
Die Triebe Libido und Thanatos kämen aus dem Körper des Menschen. Wer
könne für hormonelle Vorgänge verantwortlich gemacht werden? (Bibel: Matthäus 15, 19)
3. Die historische Theorie
Der Mensch sei ein Produkt der Geschichte, angefangen vom Tierreich über
die Urhorde der Menschheit bis zu den unmittelbaren Erbanlagen.
Wer könne dafür persönlich verantwortlich gemacht werden?
4. Freud´’s Krankheitsmodell
Neurosen kämen letztlich von außen. Gäbe es keine Normen, dann gäbe es
keinen Konflikt zwischen Es und Über-Ich, also gäbe es auch keine Neurosen.
Dieses Krankheitsmodell kennt nur die Psychoanalyse.
V. Freud´’s Schuldmodell
Weil der Mensch determiniert sei, sei er nicht verantwortlich für sein Tun. Schuld hätten grundsätzlich die Eltern und die Gesellschaft. Durch die psychoanalytische Behandlung bekommen die Patienten oft einen Hass auf ihre Eltern.
VI. Das biblische Menschenbild
Der Mensch ist ein von Gott geschaffenes und geliebtes Geschöpf. Er wird von vielen Faktoren geprägt, z. B. von seinen Erbanlagen, von Erziehung und Umwelteinflüssen, aber auch von seinem eigenen Willen. Jeder gesunde Mensch ist voll moralisch verantwortlich für sein Tun und Lassen. Er ist ein Sünder, der Erlösung braucht.
VII. Wie können wir auf biblische Weise zu einem wahrheitsgetreuen
Selbst- und Menschenbild kommen?
„Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich
mit ihm aus? Ich, der HErr, bin es, der das Herz erforscht…“ (Jeremia 17, 9-10).
1. Gott gibt Selbsterkenntnis durch sein Wort (Joh.16, 9; Hebr. 4, 12;
Jak. 1, 23)
2. Gott gibt Selbsterkenntnis durch Prüfungen (5. Mose 8, 2-3)
3. Gott gibt Selbsterkenntnis durch das Zusammenleben mit anderen in Ehe,
Familie, Gemeinde und Gesellschaft (Kolosser 3, 13; 1. Joh. 1, 7)
4. Gott gibt Selbsterkenntnis durch Seelsorge (Psalm 139, 1.23-24)
Zusammenfassung:
Wir Menschen des 20. Jahrhunderts sind fast ausnahmslos Produkte der Freudschen Ethik. Ausdrücke wie Verdrängung, Hemmung, Frustration, Freudsche Fehlleistung, oder Unbewusstes sind unter uns Gemeingut geworden.
Außerdem haben Freuds Schriften kräftig zur Entchristlichung der westlichen Welt beigetragen. Lindsay und Carlson nennen in ihrem Buch „Satan kämpft um diese Welt“ (Verlag HSW, 1973) sechs Männer, die mit ihren Theorien einen starken, verhängnisvollen Einfluß auf unsere Welt ausgeübt haben, nämlich: Kant, Hegel, Kierkegaard, Marx, Darwin und Freud (S. 101-119).
Freud war überzeugter Evolutionist. Wie Darwin Gott aus der Biologie entfernte, so verbannte Freud Gott aus der Psychologie.
Freud´’s ganzes Leben war gekennzeichnet von einer militanten Rebellion gegen
Gott, gegen Gottes Normen und gegen jegliche Autorität. Freud schrieb drei Bücher als Angriff auf Gott und sein Wort: z.B. Totem und Tabu (1912). Freud nannte sich „einen gottlosen Juden und einen unverbesserlichen Heiden“. Er hat einmal selbst gesagt: „Ich bin ein Rechtsanwalt des Teufels!“
Ouweneel schreibt: „Freud ist der Psychologe gewesen, der vielleicht am meisten dafür verantwortlich ist, daß in unserem Jahrhundert die Begriffe von echter moralischer Schuld und persönlicher Verantwortung stark an Wert eingebüßt haben, indem er den Menschen als Spielball unbewusster Kräfte von innen und der strengen Tabus der Umgebung darstellte. Der Freudianismus schiebt die Schuld grundsätzlich auf die Eltern und die Gesellschaft ab“ (Herz und Seele, S. 66).
Teil 3: C. G. Jung und die Analytische Psychologie
Einleitung:
Carl Gustav Jung war ein Schweizer Psychiater und lebte von 1875 – 1961. Jung, ein Schüler Freuds, gilt als der Grundleger der „Analytischen Psychologie“.
Jungs Psychologie ist unzertrennbar von seiner Person und vom Okkultismus.
Was waren die Quellen der Jung´schen Analyse? Diese Quellen nennt er selbst in seiner Autobiographie „Erinnerungen, Träume und Visionen“:
1. Die Selbstanalyse
Jung war durch und durch okkult. Er analysierte bei sich seine Träume,
Visionen, Phantasien und inneren Stimmen.
2. Ein intensives Studium des Okkultismus, vor allem des Spiritismus, der
Wahrsagerei, der Astrologie, der Alchimie und der Magie
1916 gab er ein Buch heraus über seine Gespräche mit den Toten.
3. Studium der griechischen Philosophie, der okkultistischen Schriften von
Paracelsus, Swedenborg und Goethe
4. Ein intensives Studium der Gnostik, der Mythologie sowie der primitiven und der asiatischen Religionen (besonders des Hinduismus und des Zen-Buddhismus)
5. Viele persönliche Begegnungen und Reiseerlebnisse bei seinen vier großen
Weltreisen
6. Die Tiefenpsychologie Siegmund Freuds (Jung war sechs Jahre sehr eng mit
Freud befreundet, dann kam es zum Bruch zwischen den beiden)
Jungs Elternhaus und Jugenderlebnisse
Jung wuchs in der Nähe von Basel in einer christlichen Familie auf. Sein Vater war Pfarrer, aber sein Großvater war Großmeister einer Freimaurerloge und – wie Jung selbst schreibt – ein uneheliches Kind von Goethe (Goethe war ebenfalls Okkultist und Mitglied des Illuminaten-Ordens).
Jungs Mutter war sehr okkult gebunden und auch medial begabt. Sie hatte hell-seherische Gaben. Von ihr bekam Jung die „Gabe“ des Hellsehens, Hellwissens und Hellfühlens.
Im Alter von vier Jahren hat der kleine Carl Gustav einen Traum. In diesem Traum, der für sein ganzes Leben prägend war, bekam er die Einweihung in das Reich der Finsternis. Er sieht eine Gestalt, vor der er furchtbare Angst bekommt. Aber darauf sagt seine Mutter zu ihm: „Schau ihn gut an; er ist ein Menschenfresser.“ Dann erwacht Jung in Schweiß gebadet. Jung schreibt weiter über die Gestalt dieses Traumes: „Als unterirdischer Gott ist er über meine gesamte Jugendzeit dagewesen. Und immer wieder fühlte ich seinen Einfluß, sobald etwas zu betont über den „Herrn Jesus“ gesprochen wurde. Der „Herr Jesus“ ist für mich nie eine Wirklichkeit gewesen, nie ganz akzeptierbar, nie wirklich sympathisch. Immer wieder mußte ich an seinen unterirdischen Gegenspieler denken. Das war die Einweihung in das Reich der Finsternis. Von da an hat mein geistliches Leben seinen unbewußten Anfang genommen.“
Ein weiteres Erlebnis Jungs, als zwölfjähriger Gymnasiast in Basel:
Er wartet auf den Bus und sieht dann den Kirchturm des Baseler Doms. Er muß an Gott denken und fängt an zu philosophieren. Er stellt sich Gott auf einem goldenen Thron vor. Auf einmal kommt ein erstickendes Gefühl über ihn. Jung steht wie gelähmt da und fühlt sich gezwungen, „die Sünde gegen den Heiligen Geist“ zu begehen, eine Gotteslästerung zu denken und auszusprechen. Da Jung von seiner christlichen Erziehung her nicht so denken und reden wollte, kommt er zu dem Schluß, daß Gott ihn zu dieser Lästerung gezwungen habe.
Von diesem Erlebnis her kam Jung später zu einer ganz neuen Deutung des Sündenfalles (1. Mose 3). Er behauptete, es wäre Gottes Absicht gewesen, daß Adam und Eva sündigten. Das übertrug er dann auf sich selbst. Darum gab er den gotteslästerlichen Gedanken nach und sprach öffentlich darüber.
Jung beschrieb sein Empfinden folgendermaßen: „Ich verspürte eine unwahrscheinliche Erleichterung und Erlösung. Anstelle des erwarteten Gerichtes kam Gnade über mich, ja, ich wurde überschüttet mit Gottes Gnade. Und ich bekam eine Seligkeit, die ich nie gekannt hatte. Ich hatte das Gefühl, einer göttlichen Offenbarung teilhaftig geworden zu sein.“
Folgen und Auswirkungen von Jungs okkulter Belastung
1. Er bekommt ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Christen, die diese Erfahrung (Gnade durch Gotteslästerung) nicht gehabt haben.
2. Jung zweifelt alle herkömmlichen Formen der christlichen Lehre und Erfahrung an – auch die Frömmigkeit und Verkündigung seines Vaters.
3. Jung entwickelt allmählich völlig falsche Vorstellungen über Gott, Christus und
das christliche Leben. Er bekommt einen regelrechten Widerwillen gegen Gottes
Wort. Jung schreibt eigentlich nie über Gott, sondern immer über das Gottesbild in der menschlichen Seele. „Gott ist für mich alles – nur nichts Frommes!“
Nach seinem Traum als Vierjähriger entwickelte Jung einen zunehmenden Wider-willen gegen Jesus Christus: „Die Geschichten vom „Herrn Jesus“ kamen mir immer verdächtig vor; nie habe ich ihnen wirklich geglaubt.“ „Der „Herr Jesus“ war für mich ohne Zweifel ein Mensch und deshalb fehlbar.“
4. Die erste Teilnahme am Abendmahl bei seiner Konfirmation nannte Jung später „die größte Niederlage seines Lebens“. Nach seiner Konfirmation kommt es zum Bruch mit der Kirche und mit seinem Vater. Er tritt aus der Kirche aus.
5. Zur gleichen Zeit erwacht sein Interesse an der griechischen Philosophie, an Goethes Faust und am Spiritismus. Er schreibt über Faust: „Endlich entdeckte ich einen Menschen, der den Gegenspieler ernst nahm und sogar einen Blutspakt mit ihm schloß. Goethe wurde mir zum Propheten.“
Jung liest alle sieben Bände von dem Spiritisten Swedenborg.
6. Während seines Medizinstudiums beteiligt sich Jung zwei Jahre lang jeden
Samstag an spiritistischen Sitzungen bei Bekannten. Die Erlebnisse in jenem
Zirkel werden Grundlage für seine Dissertation. Durch den Spiritismus verlagert
sich sein Interesse von der Medizin auf die Psychiatrie. Jung wird Psychiater.
7. Immer wieder beschäftigt ihn die Frage: Was geht in einem Geisteskranken vor ?, weil er vieles davon in seinem Leben auch entdeckt. Jung spricht z.B. von seiner Person als Nr. 1 und Nr. 2.
Jungs Seelenstruktur
Zum persönlichen Teil des Menschen gehören nicht nur das Bewußtsein, sondern das darunterliegende persönliche Unbewußte, und noch tiefer das kollektive Unbewußte, jenes große Reservoir alten Erfahrungsbesitzes der ganzen Menschheit.
Für Jung ist das Unbewußte nicht nur Behälter für Verdrängtes – wie bei Freud -, sondern auch die schöpferische Mutter des Bewußtseins.
Das kollektive Unbewußte sei die tiefste und unzugänglichste Schicht der Persönlichkeit, die „Urschicht“ der menschlichen Seele, das, was nie bewußt gewesen ist. Dieses universale Unbewußte der Menschheit verdanke seine Existenz der Evolution und enthalte die Erfahrungen aller tierischen und menschlichen Ahnen, quasi die Urvergangenheit der Menschheit. Gleichzeitig sei das Kollektivunbewußte auch die Verbindung zur „göttlichen Weltseele“. Das kollektive Unbewußte – Vorsicht, Jung nennt es manchmal den „inneren Menschen“ – sei also ein gewaltiger kollektiver Lagerraum der Vergangenheit. Von hier werde der einzelne Mensch im Wesentlichen gesteuert.
Jung sieht die Selbstwerdung des Einzelnen (Individuation) als höchste Lebensaufgabe. Auf dem Weg dorthin muß der Mensch von der Suggestivgewalt unbewußter Bilder (Archetypen) befreit werden.
Jungs Theorie der Archetypen
Das kollektive Unbewußte bestehe aus Archetypen (Anfangs- oder Ursprungsbilder). Diese Urbilder der Seele seien Wahrnehmungen, Vorstellungen und Erfahrungen. Z.B.: Vater, Mutter, Kind, Held, der weise alte Mann, Hexe, Magier, Geburt, Tod, aber auch Paradies, Sündenfall, Jungfrauengeburt, Wiedergeburt, der sterbende und auferstehende Gott, Geister, Götter, Dämonen und der Teufel. Diese und andere „Projektionen archetypischer Inhalte“ seien auf der ganzen Welt die gleichen. Das gesamte menschliche Verhalten (auch das religiöse Verhalten) werde also durch die Archetypen des kollektiven Unbewußten gesteuert.
Der „Archetypus Gott“ in der „Kollektivseele“ eines jeden Menschen bilde zusammen mit seiner persönlichen „Gotteserfahrung“ den „Gotteskomplex“, der das ganze Verhalten beeinflusse, sodaß alles in den Kategorien von Gut und Böse, Tugend und Untugend betrachtet werde. Die Herkunft der Archetypen sei nicht erklärbar.
Jungs Theorie der Individuation
Unter Individuation versteht Jung den Entwicklungsweg zum individuellen Selbst und schließlich zum Welt-Selbst. Jungs Erlösungsweg geht über die Stationen der Selbstwerdung, Selbstverwirklichung bis hin zum „Jenseits von Gut und Böse“ (der Buddhanatur).
Jung meint, der Mensch sei bis zur Lebensmitte extrovertiert. Dann käme die Wende, nach der sich der Mensch introvertiert auf sein kollektives Unbewußtes konzentriere. Das Alter sei dann das Endstadium der Persönlichkeitsentwicklung (Individuation).
Das Ziel der Jung´schen Psychotherapie ist der individuierte Mensch.
Gemäß Jungs Theorien müßte er folgendermaßen beschrieben werden:
– Der individuierte Mensch ist mittleren oder älteren Alters
– er hat sich mit seinem kollektiven Unbewußten auseinandergesetzt und dadurch wahre, gründliche Selbsterkenntnis erhalten
– er ist zur völligen Selbstannahme gelangt, einschließlich seiner animalischen
Natur und seiner verdrängten Bisexualität
– er hat alle polaren Aspekte miteinander versöhnt und vereint; er ist zum „ganz-
heitlichen“ (holistischen) Menschen geworden
– durch Integration seines kollektiven Unbewußten ist er zu einem „höheren
Bewußtsein“ gekommen und hat sein wahres Selbst entdeckt
– schließlich ist er zu einer „universalen Persönlichkeit“ geworden, deren ganz-
heitliche Mentalität in völliger Toleranz jede Verabsolutierung und Polarisierung
ausschließt…
Abschließende Beurteilung
Jungs Psychologie ist eine Heilslehre, eine Religion im psychologischen Gewand. Gerade das macht sie so gefährlich. Jung leugnet den einen biblischen Gott, die totale Sündhaftigkeit des Menschen, die vollkommene Erlösung Jesu Christi und die Tatsache einer letzten Verantwortung vor dem Schöpfer. Gerade Jungs Vermischung von „christlichen“ Gedanken mit griechischer Philosophie, fernöstlichen Religionen und allerhand Okkultismus machen uns die Verwendung seiner Psychologie und Psychotherapie absolut unmöglich.
Teil 4: Die Verhaltenspsychologie (Behaviorismus)
Einleitung:
Der Behaviorismus (von behavior = Verhalten) ist die Lehre vom erlernbaren Verhalten (Konditionierung oder Programmierung des Verhaltens) und zwar durch Lern- bzw. Programmierungstechniken.
Lernen meint hier nicht das schulische Lernen, auch nicht das Lernen durch Reife, sondern Verhaltensänderung durch Programmierung und Training.
Basis des Behaviorismus sind Tierversuche im Laboratorium. Die bekanntesten Experimente liefen mit Hunden, Katzen, Ratten und Tauben.
Die Verhaltenspsychologie hat heute einen ungeheuren Einfluß, besonders in den Berufen, die mit dem Menschen zu tun haben.
I. Geschichte und Hauptvertreter
Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936), russischer Reflexologe,
Vater der „Klassischen Konditionierung“, überzeugter Darwinist,
1904 Nobelpreis. Er führte das berühmte Speichelfluss-Experiment durch (Reiz-Reaktions-Schema):
– ein Hund riecht oder sieht Fleisch: – > Speichelfluß (unbedingter Reiz)
– Pawlow gibt ihm Fleisch u. klingelt mit einer Glocke (verknüpft mit bedingtem Reiz)
– nach einiger Zeit klingelt Pawlow nur mit der Glocke – Ergebnis: Speichelfluß!
Schlußfolgerung: Tiere (und Menschen) können zu angeborenem, logischen Verhalten nichtangeborenes, unlogisches Verhalten hinzulernen – und zwar unabhängig vom Willen!
Pawlow meinte, seine Tierexperimente seien die Basis für eine objektive Psychologie. Der Mensch besitze kein Inneres, sondern bestehe nur aus Verhalten. Am Ende seiner Tätigkeit sprach Pawlow nie mehr von der Seele eines Menschen und verbot auch seinen Mitarbeitern im Laboratorium je wieder die Begriffe Seele oder Seelisches zu gebrauchen.
Edward Thorndike (1874-1949), ein amerikanischer Psychologe, führte unabhängig von Pawlow ebenfalls Tierversuche durch, und zwar mit Hilfe des „Problemkäfigs“.
– eine Katze sitzt im Käfig; außerhalb steht Futter
– der Käfig öffnet sich, wenn die Katze an einer Schlinge zieht
– die Katze „begreift“ die Sache und findet immer schneller aus dem Käfig
– Thorndike nannte diese Art Lernverhalten „trial and error“ (Versuch und Irrtum)
– er meinte, daß solche Erfolgserlebnisse zur Bildung bestimmter
Nervenverbindungen im Gehirn führen würden, die bei weiteren Erfolgen
zunehmend verstärkt würden (Reinforcement).
John B. Watson (1878-1958), ein amerikanischer Psychologe, der Begründer des „Behaviorismus“, war zuerst Leiter eines tier-psychologischen Laboratoriums und später Professor für Psychologie. Watson schrieb 1913 sein „Behavioristisches Manifest“, in dem er behauptete, die Psychologie sei ein reiner Zweig der Naturwissenschaft. Er sah als Gegenstand der Psychologie nur das beobachtbare Verhalten, lehnte die psychoanalytische Bewusstseinslehre ab. Alles andere sei nicht „objektiv“. Watson kam zu der Sicht, daß der Mensch nichts anderes als ein Roboter sei. Selbst die edelsten Gefühle des Menschen oder auch Fähigkeiten wie Sprechen und Denken seien letztlich nur „konditionierte Reflexe“.
In den zwanziger Jahren beherrschte Watsons Schule die gesamte amerikanische Psychologie. In den dreißiger Jahren rückten viele Psychologen vom radikalen Behaviorismus ab und entwickelten die gemäßigter Form des Neo-Behaviorismus.
B. F. Skinner (1904-1990), ein amerikanischer Psychologe, war der Hauptvertreter des „Neo-Behaviorismus“. Er arbeitete vor allem mit Tauben und Ratten in der „Skinner-Box“.
– eine Taube sitzt im Käfig
– wenn sie gegen eine Platte pickt, rollt Nahrung in ihren Käfig…
Pawlows Tiere blieben bei den Versuchen immer passiv. Skinner hingegen entwickelte scharfsinnige Versuche, bei denen das Versuchstier aktiv bestimmte Verhaltensweisen erlernte, die nützlich für es waren. Pawlow war der Vater der „Klassischen Konditionierung“.
Skinners Konditionierung wird „Operante Konditionierung“ genannt. Er arbeitete viel mit Belohnung und Verstärkung, die seiner Meinung nach mehr motivierten als Strafe.
Skinners Hauptwerk: „Jenseits von Freiheit und Würde“ (1971). Skinner wollte die restlose Steuerung und Programmierung mit Hilfe der Lerntechniken.
Francis Schaeffer schrieb ein Buch gegen Skinners Buch mit dem Titel: „Zurück zur Freiheit und Würde“.
II. Die Lerntechnik im Behaviorismus
Die Studien über Versuche mit Tieren im Laboratorium führten zu lerntheoretischen Erkenntnissen und zu Programmierungstechniken (eine dieser Techniken ist z.B. die „Gehirnwäsche“), die beim Menschen angewendet wurden und werden. Die Verhaltenspsychologie ist also die Anwendung von Lerntheorien und Lerntechniken des Tieres, angewendet auf den Menschen.
Technisch-methodische De-Programmierung wird in der heutigen Psychotherapie angewandt
– bei Phobien
– bei Süchten
– bei Sekten-Mitgliedschaft (z.B. Scientology)
III. Geistige Ziele des Behaviorismus
Durch konditioniertes bzw. de-konditioniertes Verhalten soll der Mensch im Sinne einer neuen Gesellschaft verändert werden. Er soll seine gesellschaftliche Rolle besser spielen können.
Der Begriff Rolle entspringt der Theaterwelt und meint ein bestimmtes Verhalten, das vom Drehbuch vorgeschrieben ist.
In der Soziologie versteht man unter „Rolle“ eine bestimmte Verhaltensnorm, die von der Gesellschaft für jeden Menschen vorgeschrieben ist.
– wenn ein Mann Kinder hat, dann ist er nicht Vater, sondern „er spielt die Vater – Rolle“…
– wenn man Hausfrau ist, dann spielt man die Rolle einer Hausfrau…
– wenn man Christ ist, spielt man nur die Rolle eines Christen…
Die Gesellschaft knüpft an die einzelnen Rollen bestimmte Erwartungen, und die gilt es zu erfüllen. Höhere Normen gibt es nicht. Jedes Verhalten eines Menschen ist Rollenverhalten, vom Kindes- bis zum Greisenalter.
Der Mensch ist erst dann richtig Mensch, wenn er sich in einem Prozeß der Sozialisierung allen Rollenerwartungen der Gesellschaft völlig angepaßt hat. Der sozialisierte, angepaßte, neue Mensch ist der perfekte Rollenspieler, programmiert für die neue Gesellschaft.
IV. Das Menschenbild des Behaviorismus:
Grundlage des Behaviorismus ist die Evolutionstheorie. Da der Mensch nur ein höher entwickeltes Tier ist, haben Tier und Mensch das gleiche Verhalten und lernen unter den gleichen Bedingungen.
Der Behaviorismus lehrt das „Automatenmodell“. Der Mensch ist ein Automat. Man steckt etwas bestimmtes hinein, und ein bestimmtes Verhalten kommt heraus (das Input – Output -Modell oder Reiz-Reaktions-Schema).
1. Alles ist Verhalten (Alkoholiker haben ein bestimmtes „Trinkverhalten“)
2. Alles heutige Verhalten ist von der Umwelt erlernt.
– das normale, gewünschte Verhalten
– aber auch das abnorme oder kriminelle Verhalten
3. Alles gewünschte zukünftige Verhalten ist technisch-methodisch erlernbar und
unerwünschtes Verhalten kann verlernt werden (Lernpsychologie).
Bei Erfolg gibt es Belohnung (z.B. Aufnahme in die Gruppe), bei Versagen Strafe
(z.B. Isolierung oder Ausschluß aus der Gruppe).
Aber der Mensch hat ganz andere Eigenschaften wie das Tier. Wie will der Behaviorismus folgende menschlichen Züge erklären: Liebe, Humor, Schönheit, Ideale, Kultur, Musik, Gewissen, Scham, Schuld, Selbstaufopferung,….?
V. Eine Beurteilung des Behaviorismus aus christlicher Sicht
* Der Behaviorismus basiert auf der falschen Grundlage der Evolution und deren materialistischem Menschenbild.
* Der Behaviorismus überträgt das Verhalten von Tieren im Laboratorium auf das tatsächliche oder erwünschte Verhalten von Menschen und übersieht dabei die völlige Verschiedenheit von Mensch und Tier.
Teil 5: Die Humanistische Psychologie
I. Biographie des Begründers Abraham Maslow
Abraham Maslow (1908-1970), amerikanischer Psychologe russisch-jüdischer Herkunft, wuchs in New York auf. Er hatte – im Gegensatz zu Freud und Jung – ein gutes Verhältnis zu seinem Vater; aber seine Mutter hielt er für schizophren. Sie brachte sieben Kinder zur Welt, und sobald ein neues Kind geboren wurde, vergaß sie die anderen. Mutter Maslow war sehr abergläubisch. Der junge Abraham entwickelte eine starke Abneigung gegen diese Dinge. Sein frühster Traum war, „allen religiösen Aberglauben auszumerzen“ (1963 machte er sein Vorhaben wahr und schrieb ein fürchterliches Buch gegen jede Art von Glauben und Aberglauben).
Maslow litt unter dem Antisemitismus und fühlte sich als Jude oft sehr einsam. Er flüchtete sich in die Literatur, die Bibliothek wurde zu seiner Wohnung.
Später er beschrieb seinen damaligen Zustand folgendermaßen:
„Ich war während meiner ersten zwanzig Lebensjahre zweifellos neurotisch, sogar sehr neurotisch, depressiv, schrecklich unglücklich, einsam, allein. Und ich verwarf mich selbst.“
Diese existenzielle Krise des jungen Maslow wurde später bestimmend für die Humanistische Psychologie. Man meint, Neurosen hätten ihren Ursprung in einem negativen Selbstbild. Und die Therapie ist darauf ausgerichtet, daß man ein positives Selbstbild von sich bekommt und sich selbst annimmt.
Nach zwischenzeitiger Beschäftigung mit Jura und Politik (idealer Sozialismus) stieß Maslow durch Bücher von Watson auf die Psychologie. Maslow war begeistert vom Behaviorismus. Er schrieb:
„Die Auffassung, daß der Mensch eine Maschine ist, wies mich darauf hin, daß er wissenschaftlich verbessert werden kann. Es war dieser Aspekt der Verhaltenspsychologie, der meine Phantasie reizte. Meine Ziele waren nun aufs entschiedenste utopisch, messianisch, weltverbessernd, menschverbessernd.“
Maslow studierte Psychologie. Er begann als völlig überzeugter Behaviorist. Als Assistent von Thorndike experimentierte er vor allem mit Ratten. Als er Familienvater wurde, beobachtete er an seinen Kindern ganz verschiedene Persönlichkeitstypen. Das veranlaßte ihn, zu Freud umzuschwenken. Maslow wurde Psychoanalytiker.
Von 1936-1950 war er Dozent in New York. Wegen des Dritten Reiches mußten viele Juden aus Europa emigrieren; die meisten kamen in die USA. Maslow lernte u.a. Adler (Individualpsychologie), Fromm (Neo-Psychoanalyse) und Bühler (Ganzheitspsychologie) kennen. Er übernahm in synthetischer Haltung von jedem etwas. Das Ergebnis wird seither „the third force psychology“ (der dritte Weg) genannt, oder Humanistische Psychologie oder Sozial-Behaviorismus.
II. Das Modell der Humanistischen Psychologie
A. Die Wurzeln der Humanistischen Psychologie
1. Die Philosophie des Evolutionismus
Maslow war durch und durch Evolutionist: „Der Mensch ist ein Tier, aber ein höher entwickeltes Tier.
2. Die Philosophie des Humanismus (der Mensch ist gut und autonom)
3. Die Philosophie des Existenzialismus (Jaspers, Heidegger, Satre)
Der Existenzialismus legt die Betonung nicht wie Freud auf die Vergangenheit, sondern auf das so genannte „Hier und Jetzt“, sowie auf die zwischenmenschlichen Beziehungen.
4. Die Idee der Selbstverwirklichung
Diese Idee kommt ursprünglich aus dem Evolutionismus. Was auf biologischem
Niveau möglich sei, sei auch auf psychologischem Niveau möglich.
5. Die vorangegangenen psychologischen Richtungen (bes. Freud, Adler, Watson)
Maslow warf Freud vor, daß die Psychoanalyse vom kranken Menschen ausgehe (das intra-psychische Konfliktmodell).
Dem Behaviorismus warf er vor, daß er vom Durchschnittsmenschen ausgehe (das mechanistische Input-Output-Modell).
Dem setzte Maslow nun das „innere Harmonie-Modell“ der Humanistischen Psychologie entgegen. Maslow und seine Humanistische Psychologie geht von den „besten Menschen“ aus. Er studierte 20 Biographien von herausragenden Persönlichkeiten (Lincoln, Livingstone, Spinoza, Einstein, Albert Schweitzer, etc.).
Maslow glaubte wie Freud auch an das Unbewusste, nur sah er es als positiv und kreativ an. Der Mensch hätte tief innen ein großes Potential an positiven menschlichen Möglichkeiten (Human potential movement). Diese gälte es zu entfalten. Dabei wolle die Humanistische Psychologie helfen.
Körperliche Bedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, etc.)
Kritik: Maslow dringt zu der eigentlichen Bestimmung des Menschen, der Gemeinschaft mit Gott, überhaupt nicht durch. Darum ist seine Pyramide letztlich irreführend. Ouweneel schreibt:
„Bei Maslow steht in typisch humanistischer Weise der Mensch im Mittelpunkt mit der Befriedigung seiner auf sich selbst gerichteten Bedürfnisse und mit seiner Selbst-Verwirklichung“ (S.72).
Die Bibel zeigt uns einen anderen Weg: die Christus-Verwirklichung in unserem Leben (Römer 14,7-8; Galater 2, 19-20). „Herr Jesus, lebe Du Dein Leben in mir!“
Zusammenfassung des bisher Gesagten
Die Psychoanalyse fragt nach dem Warum (Wissenschaft des dynamischen Unbewussten). Der Behaviorismus fragt nach dem Was (Wissenschaft des äußeren Verhaltens). Die Humanistische Psychologie fragt nach dem Wozu (Wissenschaft der ungeahnten menschlichen Möglichkeiten).
III. Carl Rogers und die Gesprächspsychotherapie
Carl Rogers (1902-1987) war ebenfalls ein amerikanischer Psychologe. Er entstammte einer gut-christlichen, harmonischen Familie und wuchs auf einer Farm auf. Dort machte er eines Tages eine Beobachtung, die zum Schlüsselerlebnis für seine spätere Psychologie wurde. Er hatte mit Saatgut experimentiert und kam zu dem Ergebnis: wenn man die richtigen Bedingungen schafft, kommt aus dem Samen das heraus, was drin steckt!
Rogers studierte zunächst Landwirtschaft, dann Theologie. Er suchte sich bewußt die liberalste Universität aus. Nach eigener Aussage hatte er eine tiefe Abneigung gegen jede Art von Dogmen.
Die Gesprächsmethodik der Humanistischen Psychologie
– Bei Rogers ist der Hilfesuchende nicht der Patient, sondern der „Klient“. Rogers
betont, daß sich der Therapeut in den Klient einfühlen muß. Er geht im Blick auf
das Einfühlen soweit, daß der Therapeut im Idealfall zum „zweiten Ich“ (Alter-Ego) des Klienten werden soll.
Biblische Seelsorge: mit den Augen Jesu sehen, mit den Ohren Jesu hören, mit
dem Herzen Jesu lieben, etc.
– Bei Rogers gibt es keine Schuld, sondern nur Schuldgefühle.
– Der Therapeut darf nicht direktiv werden. Weil der Klient als autonom angesehen wird, darf der Therapeut allenfalls einen Rat geben, aber auf keinen Fall ermahnen. Jede Ermahnung würde einer Bevormundung gleichkommen (Bitte nicht mit Gottes Wort kommen!).
– Der Klient muß akzeptiert werden, wie er ist (samt unbiblischen Normen und
Verhalten). Beispiel: Wenn eine Frau kommt, die abtreiben will, dann muß der
Therapeut ethisch-religiös neutral bleiben und eine völlig „undogmatische“ Haltung einnehmen.
– Rogers führte auch so genannte „Encounter-Gruppen“ ein (Begegnungsgruppen). Unter der Gesprächssteuerung eine Gruppenleiters (und ggf. eines Kotherapeuten) sollen die Teilnehmer zu einer tieferen persönlichen Begegnung und zu neuer Selbsterfahrung geführt werden.
Schlußwort von Viktor Frankl (Wiener Psychologe):
„Der ganze Rummel um die Selbstverwirklichung ist ein Symptom des Scheiterns. Selbstverwirklichung sucht nur derjenige, der unfähig ist, den Sinn seines Lebens in etwas anderem zu finden als in seinem Egoismus.“
09/96 Wilfried Plock, Mannheim
Quellen:
Antholzer, Roland: Plädoyer für eine biblische Seelsorge, Schwengeler Verlag 1986
Berger, Klaus: Siegmund Freud – Vergewaltigung der Seele, Schwengeler Verlag
Bertelsmann: „Lexikon der Psychologie“, Bertelsm. Lexikon Verlag, Gütersloh 1995
Bobgan, Dr. Martin u. D.: Psychoheresy, EAS Gate Publishers, Santa Barbara 1987
Bobgan, Dr. Martin u. Deidre: Psychotherapie oder biblische Seelsorge, CLV 1991
Krüger, Dr. Hartmut: Couch oder Kreuz?, Schwengeler Verlag 1994
Nannen, Els: Psychologie im biblischen Licht, Bibel und Gemeinde, 1987/1
Nannen, Els: Psychologie im biblischen Licht, Kassettenvorträge, Liebenzell 1992
Ouweneel, Dr. Wim: Herz und Seele, Gibt es eine christl. Psychologie?, Dillbg. 1991
Teil 6 Der Psycho-Klerus
Kritische Anmerkungen zum BTS-Kongreß 96 in Fellbach
Vom 24.-27. Juni 1996 fand in Fellbach bei Stuttgart der diesjährige Kongreß der „Deutschen Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge“ (DGBTS) statt. Er stand unter der Gesamtthematik: „Der Mensch in der Gemeinschaft – Seelsorge am System in Familie und Gemeinde“. Die Gesellschaft, 1985 im Auftrag der Ludwig-Hofacker-Vereinigung gegründet, wird von Univ.-Prof. Dr. Michael Dieterich und seinen Mitarbeitern geleitet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Interessierte aus verschiedenen Gemeinden zum Seelsorgedienst auszubilden. BTS bietet dazu gestaffelte Kurse an, die in Seminarform an verschiedenen Orten stattfinden. Wer alle Kurse erfolgreich absolviert, schließt mit dem BTS-Diplom ab. Inzwischen existieren auch österreichische und schweizerische Zweige der Gesellschaft.
BTS und die Psychologie
BTS nahm von Anfang an eine offene Haltung zur Psychologie ein. Die Gesellschaft will Erkenntnisse der modernen Psychologie und Therapie mit der Verpflichtung zu einem biblischen Menschenbild verbinden. Dr. Dieterich ist davon überzeugt, daß es dabei „keine Schwierigkeiten mit möglicherweise damit verbundenen Ideologien gibt“ (Vorwort zum BTS-Kursprogramm 1996).
Welches Ausmaß der Einfluß (oder das Diktat?) der Psychologie jedoch inzwischen angenommen hat, wurde auf dem Fellbacher Kongreß deutlich. Die hilfreichen Vorträge einiger Gastreferenten (z.B. Prof. Jay Adams), hoben sich auffallend positiv von denen der BTS-Mitarbeiter ab. Insbesondere dürfen die Ausführungen von Dr. Ulrich Giesekus über „Krankmachende Strukturen in der Gemeinde“ nicht unwidersprochen bleiben, weil der Gesamttenor der Aussagen nach meinem Dafürhalten die Ehre Gottes und seiner Gemeinde verletzt. Dieser Vortrag stand richtungsweisend am Anfang der Konferenz und wurde mit lang anhaltendem Beifall bedacht.
Wenn ich im Folgenden jenen Vortrag nach einer Kassettenaufnahme kritisch kommentiere, so will ich damit weder über den persönlichen Glauben, noch über die Motive des Referenten (bzw. der BTS-Leitung) urteilen. Das steht allein Gott zu.
Giesekus studierte in den USA Erziehungs- und Sozialwissenschaften sowie Psychologie. Bei der Deutschen Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge (DGBTS) ist er seit 1988 Mitarbeiter und inzwischen Studienleiter für Psychologie und Psychotherapie.
Macht Glaube krank?
A. Im Vorspann des Vortrages von Dr. Giesekus werden von einer Sprecherin zwei Extrempositionen gegenübergestellt. Auf der einen Seite stehe Siegmund Freud (und seine Vertreter), der Glaube als „neurotische Störung“ und Religion als „kollektive Neurose“ bezeichnete. Auf der anderen Seite befänden sich jene Christen, die behaupteten: „Wer richtig glaubt, der wird nicht krank.“
Dr. Giesekus, der in den Staaten Erziehungs- und Sozialwissenschaften, sowie Psychologie studierte, erzählt in seiner Einführung, daß er vor 20 Jahren Zivildienst in einer Psychiatrischen Klinik ableistete. Zitat: „Ich war entsetzt als frommer Mensch, wie viele Menschen aus meinen Gemeindekreisen, frommen Gemeinschaftsbewegungen und Freikirchen, Brüder und Schwestern, dort als Patienten waren, weil ich gedacht hatte, so etwas gibt es bei uns gar nicht….“
1. Von Dr. Giesekus wird hier einerseits der Eindruck erweckt, daß die Psychiatrischen Kliniken und Praxen von überdurchschnittlich vielen Gläubigen bevölkert werden. Den statistischen Nachweis – geschweige denn einen objektiven Beweis – bleibt er aber schuldig.
2. Andererseits behauptet er, daß diese Christen wegen „pathogener Strukturen ihrer Gemeinde“ dorthin gekommen sind. Könnte es nicht auch zutreffen, daß viele Gläubige wegen ihrer Persönlichkeitsstruktur oder wegen schwerer Erlebnisse, mit denen sie nicht fertig wurden, in die Klinik mußten? Warum differenziert Dr. Giesekus in diesem Zusammenhang nicht? Will er vielleicht mit Absicht dieses Bild in solch schwarzer Farbe malen?
B. Dr. Giesekus führt dann weiter aus, daß er in Nachgesprächen mit ehemaligen Patienten folgende Beobachtung machte: Nach Beendigung des Klinikaufenthalt fühlten sich diese Christen gut; doch durch die Seelsorge ihrer Heimatgemeinde wurden sie wieder krank.
1. Mit wie vielen solcher ehemaligen Patienten mag der damalige Zivildienstleistende Giesekus wohl solche Nachgespräche geführt haben?
2. Bei wie viel Prozent dieser Gespräche trat wirklich das oben geschilderte Ergebnis zu Tage? Schloß Herr Giesekus hier vielleicht von Einzelfällen auf die Allgemeinheit?
C. Dr. Giesekus berichtet weiter, wie Eberhard Schätzing und Klaus Thomas als erste der Frage nachgingen: „Warum werden die Leute in der Gemeinde so häufig krank?“ Diese beiden prägten bereits 1955 den Begriff „Ekklesiogene Neurose“ (mit diesem Begriff meinten die Autoren jene Störungen, die überwiegend oder ausschließlich in christlichen Sozialisationen vorkommen).
Anschließend führt Giesekus den Tiefenpsychologen Helmut Harck als Kronzeugen an und zitiert: „Es gibt eine bestimmte Form neurotischer Erziehung, die mit sehr viel Enge zu tun hat. Sie tendiert dazu, bestimmte Glaubensformen zu suchen, und diese Glaubensformen tendieren wieder dazu, diese Enge zu fördern.“
Anschließend zitiert Giesekus aus dem Buch „Gottesvergiftung“ von Tilmann Moser:
„Du, Gott, bist in mich eingezogen wie eine schwer heilbare Krankheit, als mein Körper und meine Seele klein waren. Beide wurden entgegen einer freien Bestimmung zu deiner Wohnung gemacht, und ich war stolz, daß du auch in mir kleinem Jungen Wohnung nehmen möchtest. Es gab Jahre, wo ich dir mein Leben weihen wollte, wo zwischen dir und mir verhandelt wurde über einen Erwählungsvertrag. Du hast schon ganz früh mit meinem Größenwahn gespielt, ihn genährt, ihn an geheiligten Vorbildern gesteigert, die mir in deinem Namen vor Augen gehalten wurden. Ich habe dir so schreckliche Opfer gebracht an Fröhlichkeit, Freude an mir und anderen, und der Lohn war – neben der Steigerung des Erwähltheitsgefühles oder dem Sieg darum – ein Quentchen Geliebtsein vielleicht, vielleicht ein Quentchen weniger Verdammnis.“
1. Auch wenn Dr. Giesekus die in den schwerwiegenden vorangegangenen Zitaten zum Ausdruck gebrachte Sichtweise ekklesiogener Neurosen in einem Nachsatz als unzureichend bezeichnet, so bleiben doch die Fragen offen: Welche Form religiöser Erziehung meinte Harck? Und welche religiöse Erziehung genoß Moser? Handelt es sich um die einer altpietistisch geprägten Familie oder die katholischer Ordensschwestern?
2. Welchen Eindruck suggeriert Giesekus (absichtlich oder unabsichtlich) mit dem Zitat von Tilmann Moser? Werden hier nicht gottesfürchtige Eltern verunsichert, auf die Bekehrung ihrer Kinder hinzuwirken? Wird ihnen nicht unterschwellig abgeraten, ihren Kindern an Christus hingegebene Vorbilder aus Bibel und Geschichte vor Augen zu stellen?
3. Welches Gottesbild vermittelt Giesekus, wenn er den falschen und bösen Satz aus Mosers kranker Seele „Du, Gott, hast schon ganz früh mit meinem Größenwahn gespielt, ihn genährt, ihn an geheiligten Vorbildern gesteigert…“ unkommentiert im Raum stehen läßt? Diesen Gott, von dem da gesprochen wurde, gibt es nicht!
D. Dann kommt Dr. Giesekus auf den Punkt. Er verkündet, daß BTS seit einiger Zeit „Gemeindetherapie“ anbietet. Sie soll den Gemeinden helfen, ihre krankmachenden Strukturen zu erkennen, bzw. abzubauen.
1. Alle, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, wissen, daß „die Gemeinde Jesu in irdischer Gestalt“ mit mancherlei Schwachheit behaftet ist. Diesen Aspekt wollen wir weder negieren, noch beschönigen. An dieser Stelle sind alle Verantwortlichen in der Gemeindearbeit gefordert.
2. Aber erweckt Dr. Giesekus mit seiner Aussage nicht den Eindruck, als seien die Gemeinden ohne „Psycho-Fachleute“ aufgeschmissen?
3. Soll mit BTS gar eine Art „Psycho-Klerus“ aufgebaut werden, der die armen, hilflosen Gemeinden von den krankmachenden Strukturen befreit?
E. Dr. Giesekus hebt dann auf so genannte sozial-psychologische Aspekte eines Gemeindelebens ab. Er behauptet, daß Gruppen, die sich in bestimmter Hinsicht von ihrer Umwelt abgrenzen, unter Umständen in einer Art von gruppendynamischen Prozeß ein geschlossenes Gruppendenken (engl.: group think) entwickeln würden, das sehr verhängnisvoll werden könnte.
1. Natürlich sind solche Phänomene von sektiererischen Gruppen und Psychokulten hinreichend bekannt. Aber warum differenziert Giesekus hier wiederum nicht? Will er wirklich jede Gemeinde, die im Blick auf Bereiche, die den Lebensstil betreffen, feste Überzeugungen hat, in die Nähe sektiererischer Entartung rücken?
2. Ist es vor Gott verantwortlich, wenn Giesekus in diesem Zusammenhang sogar von „Gehirnwäsche“ spricht? Wird hier nicht unterschwellig suggeriert: „Hüte dich vor Gemeinden mit klar definierten Schriftüberzeugungen; du könntest dort unter starken Konformitätsdruck geraten!“?
F. Danach kommt Dr. Giesekus zum Thema „Persönlichkeitsstruktur eines Menschen“ und führt Riemann an. Dieser stellte die These auf, daß der Mensch zwar in seinen Wesenszügen, nicht aber in seiner Tiefenstruktur anpassungsfähig sei. Giesekus folgert daraus, daß sich in bestimmten Gemeinden nur bestimmte Persönlichkeitstypen sammeln würden. Dr. Giesekus spricht dann weiter über soziale Normen. Er behauptet, daß die theologische Richtung einer Gemeinde enorm geprägt sei von der Persönlichkeitsstruktur ihrer Mitglieder, und daß die Persönlichkeitsstruktur der nächsten Generation wiederum geprägt sei von der Gemeinde.
1. Wo ist hier wiederum der klare Beweis, daß dem so ist? Ich persönlich bin überzeugt, daß in einer Gemeinde ab einer bestimmten Größe alle möglichen Charaktere zu finden sind.
2. Giesekus sieht auch die Zusammensetzung einer Gemeinde ausschließlich durch die sozial-psychologische Brille. Daß sich Christen anschließen, weil sie dort das neutestamentliche Gemeindeleben am weitesten verwirklicht sehen und Gott am meisten verherrlichen können, kommt für Giesekus überhaupt nicht in Betracht.
3. Giesekus läßt hier erneut wichtige Faktoren außer acht, die einer Gemeinde theologisch Richtung geben. Seine Sichtweise klingt sehr deterministisch.
Weiß er nicht, daß der souveräne Gott immer wieder Christen (und sogar ganze Gemeinden) erweckt und sie zum Gehorsam gegenüber neutestamentlichen Grundsätzen zurückführt?
4. Hat nicht das Wort Gottes mehr Kraft, als die von Generationen gepflegten Traditionen und Gewohnheiten?
5. Wenn Gemeinden geistlich degenerieren, liegt m.E. der Hauptgrund in der Vernachlässigung des Wortes Gottes und nicht in sozial-psychologischen Defiziten.
G. Dr. Giesekus führt eine Reihe von „sozialen Normen“ an, deren vollständige Kommentierung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Ein Beispiel möchte ich herausgreifen. Giesekus konstatiert, daß in vielen Gemeinden der Großteil der Arbeit von einigen wenigen getan würde. Diese litten dann häufig an „Erschöpfungsdepressionen“, während viele Gemeindeglieder passiv seien und Sinnlosigkeitsgefühle hätten. Ursache dafür sei die Tatsache, daß viele Christen keine Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Entspannung, zwischen Leistung und Genus praktizierten.
1. Leider hat Dr. Giesekus mit seiner Beobachtung nicht Unrecht. Tatsächlich tun in vielen Gemeinden zu wenige zu viel.
2. Aber er irrt sowohl in der Diagnose, als auch in der Therapie. Ursache für dieses Phänomen ist nicht mangelnde Genussfähigkeit bei christlichen Leitern, sondern die völlig ungenügende Umsetzung des Leib-Glieder-Prinzips von 1. Korinther 12. In Gemeinden, die das allgemeine Priestertum der Gläubigen (1. Petrus 2, 9) in Struktur und Leben konsequent zu verwirklichen suchen, dienen viele Glieder aktiv dem Herrn. Ihre Leiter tragen zwar dann immer noch die Last der Verantwortung, müssen aber nicht notwendigerweise überarbeitet sein.
H. Die abschließende Zusammenfassung des BTS-Therapeuten Giesekus zitiere ich wörtlich:
„Ich glaube, das ist der Ansatzpunkt der Gemeindetherapie, daß wir Gemeinden erstens gründlich diagnostizieren müssen und sehen müssen: wo stehen die von den sozialen Normen, sozialpsychologisch, wo stehen die geistlich, und daß wir dann aufgrund einer solchen Diagnose eigentlich eine Art von Selbstwahrnehmung fördern müssen, die ich glaube bei uns Frommen besonders den Schwerpunkt haben wird, daß wir diese sozial-psychologischen Aspekte deutlicher wahrnehmen.“
1. Was sagt dieses Schlußzitat über das Selbstverständnis der BTS-Therapeuten? Drängt sich hier nicht der Eindruck auf, daß sich die BTS-Leute quasi als „Retter in der Not“ verstehen, die der Gemeinde Jesu endlich ihre sozial-psychologischen Defizite nehmen können? Da fragt man sich wirklich, wie der Leib Christi 1900 Jahre lang ohne Hilfestellung der modernen Psychologie zurechtgekommen ist!
2. Ich bin persönlich davon überzeugt, daß das schlichte Wort Gottes genügt, um Christen zur richtigen Selbstwahrnehmung zu führen.
3. Ich würde mich hierin gerne täuschen; aber ich hege die Befürchtung, daß besonders die „Chef-Ideologen“ von BTS mehr die Bibel durch die Brille der Psychologie betrachten, als die Psychologie durch die Brille der Heiligen Schrift. Aber echtes Christentum und Psychologie lassen sich nicht gut vermischen. Wer das tut, erhält nicht eine christliche Psychologie, sondern ein verwässertes Christentum.
Ich will noch einmal betonen, daß ich Dr. Giesekus und den anderen BTS-Mitarbeitern weder den Glauben abspreche, noch Ihnen böse Motive unterstellen will. Aber ich habe mich schon gefragt, welches Gemeindebild sie haben, insbesondere Herr Giesekus.
Gibt es eine Alternative?
Ich persönlich bin der Auffassung, daß die Gemeinde Jesu Grund hat, sich in diesem Zusammenhang vor dem Herrn zu beugen. In unserer Wissenschafts- und Ideologieanfälligkeit haben wir der Psychologie und Psychotherapie allzu leichtfertig die Türen geöffnet. Gleichzeitig haben wir versäumt, in schlichtem Vertrauen und Gehorsam biblische Seelsorge zu üben. In der gemeinde-internen Ausbildung und Zurüstung von Seelsorgern haben wir ebenfalls größtenteils versagt.
Nur so ist es zu erklären, daß sich heute selbsternannte Fachleute aufschwingen, um den Leib Christi in einer Art von „Psycho-Klerus“ zu therapieren. Klerus meint hier eine elitäre Schicht, die eine andere Schicht kraft ihrer Überlegenheit an Wissen und Macht beherrscht.
Dr. Martin und Deidre Bobgan zeigen in ihrem Buch „Psychotherapie oder biblische Seelsorge“ (CLV Bielefeld, 1991) im 17. Kapitel wie ein Seelsorgedienst innerhalb einer Gemeinde geplant und aufgebaut werden kann. Im Unterschied zu BTS verzichtet Ehepaar Bobgan auf die sehr zweifelhaften Erkenntnisse der Psychologie. Die Autoren zeigen in ihrem Buch, wie – ohne die Hilfestellung christlicher Psychologen von außen – allein auf der Grundlage der Schrift zuverlässige Seelsorger ausgebildet werden können.
Diplom-Psychologe Roland Antholzer und seine Mitarbeiter verfolgen mit ihrer „Gemeindeorientierten Initiative für Biblische Beratung“ (GIBB) ein ähnliches Ziel.
Ich schließe mit einem Zitat aus dem o.a. Buch von Ehepaar Bobgan (S.233):
„Was der Herr durch seine Gemeinde, sein Wort und den Heiligen Geist zur Verfügung gestellt hat, reicht aus, um seelisch geistliche Gesundheit zu bringen und zu erhalten. Statt Psychologen hinterherzulaufen, die ihren psychologischen Weg predigen, sollten wir zum biblischen geistlichen Weg zurückkehren und den Seelsorgedienst in der Gemeinde wieder einrichten.“
Wilfried Plock, Mannheim