Christentum + Toleranz (Beyerh.)

Die Christus-Wahrheit im Spannungsfeld zwischen  
Toleranz und Fundamentalismus

Vortrag auf dem 11. Gemeindetag am 30. Mai 2002 in Stuttgart
von Peter Beyerhaus

In seinem Verhör vor Pontius Pilatus gab der gefesselte Jesus seinem heidnischen Richter auf dessen Frage: „Bist Du dennoch ein König?“ die bedeutungsvolle Antwort: „Du sagst es, ich bin ein König.
Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“ (Joh 18,37).

Ja, dazu also ist der Sohn Gottes als Mensch zu uns Menschen gekommen, damit er uns die volle Wahrheit über Gott und das Woher und Wozu unseres Lebens offenbare. Diese uns durch Jesus Christus authentisch mitgeteilte Wahrheit allein kann den Nebel unserer Orientierungslosigkeit lichten; sie allein vermag unserer Gebundenheit durch die dämonischen Mächte der Lüge und Selbsttäuschung zu sprengen kann, damit wir in Jesu  Nachfolge wahrhaft frei werden (Joh 8,31f).  
 
Ebenso wie Jesus selbst wesentlich dazu in die Welt gekommen war, um kraft seines prophetischen Amtes den Menschen die Wahrheit zu verkünden, so sandte er nach seiner Auferstehung auch seine Apostel als seine Zeugen zu allen Völkern. Sie sollten unter diesen das Evangelium von der Erlösung durch Christi Kreuz und Auferstehung predigen und die gläubig Gewordenen lehren, alles zu halten, worin er seine Jünger zuvor unterwiesen hatte. Darum nennt der Apostel Paulus (1Tim 3,15) die Gemeinde des lebendigen Gottes einen „Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit“. Denn ihr ist es aufgegeben, die rettende und erhaltende Wahrheit, an der sich Leben oder Tod entscheiden, anzusagen und bis ans Ende dieser Weltzeit zuverlässig zu bewahren. In der Wahrheit zu bleiben heißt ja nichts geringeres, als in das uns in Christus enthüllte Antlitz Gottes zu schauen und mit ihm als seine Kinder Gemeinschaft zu pflegen.
Darum scheut sich die Kirche auch nicht, für die ihr aufgetragene Botschaft einen universalen Wahrheitsanspruch zu erheben. Sie erhebt ihn nicht für sich selbst, sondern im Namen dessen, der gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6).

Über diesen Wahrheitsanspruch ist nun aber schon seit den Erdentagen Jesu ein gewaltiges Ringen ausgebrochen; denn an seiner Kühnheit scheiden sich  –  heute ganz besonders – die Geister. Denn die Menschheit ist in der Vielheit und Unterschiedenheit ihrer Kulturen und Religionen in dem zunehmend engeren Raum der einen Welt zusammengerückt. Überall begegnen sich im Miteinander der Menschen vielfältige Wahrheitsbegriffe; es sind solche wissenschaftlicher, philosophischer, ideologischer und – nicht zuletzt! – religiöser Art. Je tiefer nun die Anhänger der jeweiligen Richtung von ihrer Wahrheit überzeugt sind, um so leidenschaftlicher erheben sie den Anspruch auf  deren Gültigkeit  und versuchen, ihn allgemein zu Anerkennung zu bringen. Das kann auf verschiedene Weise geschehen: mit werbenden Worten, mit dem beglaubigenden Vorbild oder unter Umständen auch gewaltsam. Über solchem Durchsetzungsbemühen kann es dann zu gefährlichen gesellschaftlichen Konflikten kommen, ja  – wie gegenwärtig die Beispiele Palästina, Kaschmir und auch Nordirland zeigen – sogar zu blutigen Auseinandersetzungen.
 
Vor diesem explosiven Hintergrund wird deutlich, warum heute von vielen Seiten her eindringlich die Forderung nach Toleranz erhoben, ja zum wichtigsten Gebot der Stunde erklärt wird. Was versteht man allgemein darunter?
Tolerant sein heiße, so sagt man, für Versöhnung, Koexistenz und Zusammenarbeit eintreten; denn nur so könne der bedrohte Frieden bewahrt werden. Wer dagegen nicht „tolerant“ in diesem Sinne ist, sondern auf der Gültigkeit seines weltanschaulichen und moralischen Standpunktes besteht, wird alsbald als sog. „Fundamentalist“ verpönt. Das aber ist angesichts der Relativierung der klassischen Tugendbegriffe einer der schlimmsten Vorwürfe, die man heute einem Menschen oder einer Gruppierung machen kann.  Häufig wird nun dieses Etikett gerade den sich als „bibeltreu“ bezeichnenden Christen angeheftet, und hier wird unser Thema gerade für uns hier Versammelte hochbrisant!  Darum ist es unverzichtbar, und deshalb sind Sie, liebe Brüder und Schwestern, ja hierher gekommen, um einmal Klarheit darüber zu gewinnen, wie das mit der Toleranz eigentlich ist.
Sind bibeltreue Christen wirklich so verbohrt, eng  und verständnislos andern gegenüber, wie man uns vielfach vorwirft?
Darum wollen wir uns erst einmal bewußt machen, was diese meist gedankenlos gebrauchten und zu Schlagwörtern verkommenen Vokabeln eigentlich meinen. So fragen wir also:

I.   Was heißt Toleranz?
II.  Was ist Fundamentalismus?
III. Wie sollen sich bekennende Christen zur Forderung nach Toleranz und
       zum Vorwurf des Fundamentalismus stellen?
 
I. Was heißt Toleranz?
Das Fremdwort Toleranz leitet sich ab von dem lateinischen Verbum tolerare, das zu deutsch „tragen“, „ertragen“, „erdulden“ bedeutet. Ein toleranter Mensch ist also jemand, der bereit ist, eine Last auf sich zu nehmen, was er natürlicherweise nicht mag. Schon diese semantische Herleitung zeigt an, daß Toleranz kein charmantes Vergnügen ist, wie aus gewissen zweideutigen Zeitungsannoncen wie „Lebensbejahender Er sucht tolerante Sie“ hervorzugehen scheint. Nein, echte Toleranz ist stets mit einem Opfer verbunden, zumindest einem Verzicht.  
Wichtig ist es nun, zu unterscheiden zwischen zwei Formen oder Verständnissen von Toleranz, nämlich der persönlichen und der sachlichen Toleranz. Die eine bezieht sich auf unser Verhalten gegenüber den Menschen, die eine uns fremde Überzeugung vertreten; die andere auf unsere geistige Beurteilung der Wahrheit solcher anderer Überzeugungen.  
 
A. Beginnen wir mit der persönlichen Toleranz. Sie urteilt nicht über die Überzeugung eines anderen, sondern sie gilt seiner Person. Die Menschen in unserer Umgebung vertreten alle irgend eine ihr Empfinden und Handeln bestimmende Wertvorstellung. Solche können vom künstlerischen Ideal bis
zur Weltmeisterschaft im Fußball variieren. So lange eine Person das als ihre Privatangelegenheit für sich und ihre Gesinnungsfreunde behält, aber nur gelegentlich darüber spricht, wird uns das nicht stören. Wir werden sie ausreden lassen  und es wird uns nichts kosten, „tolerant“ zu sein.  
Problematisch dagegen wird es, wenn der betreffende Mitmensch seine Meinung –  besonders wenn sie unseren eigenen Wertvorstellungen total zuwiderläuft – ständig  penetrant in Wort und Verhalten zur Darstellung bringt. Eine solche Person – wie z.B. ein Werber für eine bestimmte Sekte! – kann uns bald schwer erträglich werden. Denn es kostet ein Maß innerer Selbstüberwindung, ihre Gegenwart auszuhalten, statt sie uns – falls möglich – vom Leibe zu schaffen. Man denke an einen Menschen, der auch in der Nähe anderer ständig Knoblauch kaut, vielleicht aus lebensreformerischen Grundsätzen!  
 
Vielleicht kann uns dieses harmlose, aber drastische Beispiel einen Hinweis geben sowohl auf die Berechtigung als auch die Grenzen der Forderung nach persönlicher Toleranz. Menschen sind nun einmal sowohl aufgrund ihrer genetischen Konstitution als auch ihrer kulturellen Prägung und ihres
Lebensschicksals verschieden. Unsere pluralistische Gesellschaft läßt uns jedoch keine andere Wahl, als mit unseren uns zu Nachbarn gewordenen fremden Mitmenschen zusammenzuleben und uns zu bemühen, mit ihnen gemeinsam das Wohl unserer Gesellschaft zu suchen. Wir können unsere Bereitschaft zur Koexistenz nicht davon abhängig machen, daß die anderen zunächst so werden wie wir, daß sie also unsere Kultur, unseren Lebensstil und unsere Religion übernehmen.
Das, was uns eint, ist unser gemeinsames Menschsein und unser gesellschaftliches Zusammenleben. Das müssen wir so gut wie möglich gemeinsam zu bewältigen suchen. Im Übrigen soll ein jeder das Recht und die Freiheit genießen, nach seinen persönlichen  Überzeugungen zu leben, solange er damit nicht verletzend oder grob störend in die Sphäre anderer eingreift. Dieses Toleranzverständnis entspricht jedenfalls unserer neuzeitlichen Rechtsordnung, die auf den Grundwerten des Gewissensschutzes und der demokratischen Freiheiten aufgebaut ist. Es kann sich zugleich wenigstens teilweise auch auf das Vorbild Jesu berufen. Nahm er seine Umwelt doch zunächst einmal so, wie sie war, ohne sie in allen Stücken verändern zu wollen. Vor allem aber verzichtete er bewußt darauf, den Menschen sein Evangelium mit Gewalt aufzuzwingen, obwohl manche seiner Jünger in zelotischem Eifer dies gelegentlich gern getan hätten (Lk 9, 54-56). Vielmehr begegnete er auch Heiden, wie dem Hauptmann von Kapernaum, oder den Samaritern mit menschlichem Respekt, den er sogar den Zöllnern und Dirnen nicht versagte. Jesus konnte deswegen menschlich tolerant sein, weil er ganz auf die geistliche Wirkung seines seelsorgerlich-evangelistischen Bemühens vertraute.
Andererseits entband er die Ungläubigen nicht von ihrer eigenen  Verantwortung für die zeitlichen und ewigen Folgen ihrer Ablehnung seiner Botschaft. Er appellierte an ihr Gewissen: „Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“ (Joh 18,37).
 
Im Bezug auf diese erstgenannte menschliche Toleranz gegenüber Anhängern anderer Lebensanschauungen und Religionen können wir uns sicher auch mit der eher humanistisch als christlich geprägten Mehrheit unserer Zeitgenossen einigen, – jedenfalls bisher. Christen und Kirchen sollten solche den Angehörigen einer anderen Religion erwiesene Toleranz nicht mehr prinzipiell in Frage stellen. Leider ist das nämlich in der Geschichte der Kreuzzüge, Konfessionskriege und auch Judenpogrome lange Zeit geschehen. Denn wir sollten nicht vergessen, daß ja auch das Ende der altkirchlichen Christenverfolgungen einem Toleranz-Edikt, nämlich dem 312 n.Chr. in Mailand von Kaisers Konstantin erlassenen, zu verdanken war.  Ebenso mußten später Protestanten in katholischen Ländern lange Zeit unter staatlichen und kirchlichen Bedrängnissen warten, bis ihnen endlich – leider erst im Gefolge der religionskritischen Aufklärung  – eine zumindest eingeschränkte Religionsfreiheit gewährt wurde.

Deswegen können wir heute das Recht der von unsern eigenen Regierungen als Gastarbeiter ins Land gerufenen muslimischen Mitbürgern nicht bestreiten, ihre Freitagsgebete in ihren vielerorts erbauten Moscheen zu verrichten. Hier ist die Forderung nach persönlicher Toleranz gegenüber sowohl einzelnen als auch Gemeinschaften berechtigt. Begründeten Einspruch sollten wir allerdings dagegen erheben, wenn von den Minaretten wie in islamischen Ländern nun auch inmitten unserer Städte fünf mal am Tage – durch Lautsprecher verstärkt – die Muezzime in Ohren. betäubendem Ton ihre Shahadah verkünden, in denen mit deutlich antichristlicher Spitze der Eingott Allah zum einzigen Gott und Mohammed als sein Prophet proklamiert wird. Denn hier ist die Grenze der persönlichen Toleranz eindeutig überschritten Mit dem harmonischen Geläut unserer Glocken, das als solches keine Glaubensaussage enthält, läßt sich das nicht auf eine Stufe stellen!  
 
B. Nun stehe ich – und nicht nur ich – unter dem Eindruck, daß viele Leute beim Einfordern von „Toleranz“ nicht mehr allein deren soeben behandelte persönliche Gestalt im Auge haben. Vielmehr denken sie zunehmend eher an die zweite, d.h. sachliche Toleranz, die man besser auch als „inhaltliche Toleranz“ bezeichnen kann. Damit verbindet sich vielfach die Vorstellung, daß alle Religionen und sich moralisch begründenden Lebensstile gleichberechtigt nebeneinander bestehen können; denn – so meint man – ihre Inhalte seien doch alle in gleichem Maße wahr, bzw. ethisch verantwortbar. Ja, auch ihre verschiedenen Gottesvorstellungen und Namen meinten doch letztlich ein und dieselbe übermenschliche Macht.  

Oder aber man bezweifelt wie Pilatus relativistisch, daß es überhaupt eine objektive und deswegen universal gültige Wahrheit gibt. Man hat nämlich seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert den Glauben an eine von Gott der Menschheit gegebene Offenbarung preisgegeben. Deswegen ersetzt man mit G. Ephraim Lessing (1729-81) die Wahrheit als solche mit der beständigen Suche nach ihr. Das Maß der dabei gefundenen Wahrheit solle – wie Nathan der Weise in seiner Ringparabel lehrt – sich daran erweisen, inwieweit eine bestimmte Religion – heiße sie Christentum, Judentum oder Islam – dem einzelnen Wahrheitssucher zu einem tugendhaften und sinnvollen Leben verhilft. Praktisch solle dann jeder nach der Religion leben, die ihm am meisten gibt. Welche dies ist, könne letztlich nur jeder für sich persönlich beantworten. Oder man bemißt wird mit F. D. E. Schleiermacher (1768-1834), dem Vater der neuprotestantischen Theologie,  den Wert einer partikularen Religion daran, wie sie dem, der sie ausübt, das Gefühl der Verbindung mit dem Göttlichen vermittelt bzw. – um es modern auszudrücken – das menschliche Verlangen nach „Spiritualität“ stillt.
 
Da schließlich, wo über diesen privaten, innerseelischen Bereich hinaus nach Maßstäben für eine von allen Bürgern verbindliche sittliche Ordnung gesucht wird, gelte es, im Dialog zwischen den Vertretern möglichst vieler repräsentativer Religionen und Weltanschauungen einen Konsensus
darüber zu finden, wozu jeder von seinen unterschiedlichen Voraussetzungen her ja sagen kann. Das Ergebnis sind dann so allgemein akzeptable Maximen wie: Freiheit, Humanität, Friedensbereitschaft, Menschenwürde, Gleichberechtigung, Solidarität, die man schließlich mit dem Tübinger Theologen Hans Küng wohlformuliert in einem universal zu akzeptierenden „Weltethos“ zusammenfassen kann.  
  
Verborgen bleibt dabei allerdings, daß diese Parolen in unterschiedlichen Situationen und von unterschiedlich geprägten Voraussetzungen her sowie je nach Interessenlage ganz widersprüchlich gefüllt werden können. Um nur zwei heute umstrittene Prüfsteine für solches Weltethos zu nennen: Wie steht es z.B. mit dem heute von vielen postulierten Recht auf Abtreibung unerwünschten menschlichen Lebens und um dessen Tötung auf Verlangen, d.h. der kürzlich in Holland und Belgien legalisierten Euthanasie? Was heißt in diesem Falle „sachliche Toleranz“? Bedeutet es etwa, daß jede Mutter autonom entscheiden darf, ob und bis zu welchem Wachstumsstadium sie das Kind in ihrem Leibe töten lassen darf? Bedeutet es, daß der unheilbar Kranke selber oder sein Arzt oder seine Angehörigen stellvertretend entscheiden dürfen, ob ihm die sogenannte Sterbehilfe zu gewähren sei?

Was sagt hierzu das viel berufene Weltethos? Was sagte es unter dem traditionellen Einfluß der Religionen bislang, was sagt es in unserer pluralistischen Gesellschaft heute, was wird es z. B. angesichts der unlösbaren Rentenproblematik morgen sagen, wenn alle bisher gültigen Maßstäbe ins
Rutschen geraten sind?

Es ist deutlich, daß bekennende Christen eine so relativ verstandene „sachliche Toleranz“ von ihren dogmatischen Voraussetzungen her nicht akzeptieren. Sie dürfen es weder auf religiösem noch auf moralischem Gebiet. Religiös werden in der Nachfolge Jesu stehende Jünger niemals anerkennen, daß die ihnen in Seinem Wort geschenkte Offenbarung nur eine rein subjektive Wahrheitserkenntnis neben ganz anders gearteten sei. Für sie ist es also nicht letztlich egal, ob man durch die Gabe der Versöhnung durch Jesus Christus zu einer ewigen Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott kommt, oder aber ob man durch die buddhistische Erleuchtung über die Wesenlosigkeit der sichtbaren Welt und sogar des eigenen Ichs sich am Ende von tausend Reinkarnationen auflöse, um in das leere Nichts, das Nirvana einzugehen.

Auch dürfen gläubige Christen aufgrund ihrer Beauftragung durch Jesus und angesichts ihrer persönlichen Heilserfahrung nicht darauf verzichten, unter den Angehörigen anderer Religionen zu missionieren – wohl wissend, daß genau das von vielen Zeitgenossen als Ausdruck unerträglicher Kultur-Arroganz betrachtet wird.  Gilt es doch, die dämonische  Trugbilder zu entlarven und  zur Bekehrung zu dem lebendigen Gott aufzurufen Das heißt also: Sachliche Toleranz hat es, wenn es um den Glauben geht, unüberschreitbare Grenzen.
 
Ebenso dürfen Christen in der öffentlichen Debatte um die Zulässigkeit unterschiedlicher Formen des Sexualverhaltens oder alternativer Partnerschaften nicht verschweigen, daß Gott uns für unser
Zusammenleben klare Weisungen in Gestalt von Gebot und Verbot erteilt hat. Über deren heutige Gültigkeit und Anwendbarkeit hat deswegen nicht etwa ein vom Bundeskanzler einberufener „Ethikrat“ und auch kein Parlament demokratisch gewählter Volksvertreter zu entscheiden. Vielmehr müssen die Kirchen und Gemeinden vor Ort unbeirrbar für die bleibende Verbindlichkeit des biblisch geoffenbarten Willen Gottes eintreten, notfalls im öffentlichen Protest, d.h. im Zeugnis für die unaufgebbare Wahrheit. Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften hat dies erst kürzlich getan, indem sie eine ethische Orientierungshilfe erarbeitete und nun verbreitet unter dem Titel: „Die Zehn Gebote – Gottes Wegweisung in unserer Zeit“.

Was aber passiert, wenn wir weiterhin konsequent Gottes Wort als Maßstab sowohl zur Beurteilung religiöser Wahrheit als auch für die sittliche Gesetzgebung herausstellen? Als bekennende Christen, ob Protestanten oder Katholiken, werden wir alsbald erfahren, daß uns der Zeitgeist wie ein Sturmwind ins Gesicht bläst. Dann wird uns der Vorwurf entgegengeschleudert, wir verstießen mit unserer unbeugsamen Haltung im Insistieren auf der Gültigkeit unserer biblischen Überzeugungen gegen das Grundgebot der Toleranz. Man empört sich darüber, daß wir in der Begegnung mit den von uns Differierenden die Gleichberechtigung ihres Verständnisses von Wahrheit abstreiten und folgert daraus, daß wir ihnen letztlich das Existenzrecht aberkennen. Aus unserer biblisch begründeten Ablehnung praktizierter Homosexualität schließt man auf einen angeblichen Haß („Homophobie“) gegen homosexuell geneigte Mitmenschen, aus dem heraus wir ihnen letztlich (nach braunem Vorbild) den Tod wünschten. Ungeachtet unseres freundlichen Verhaltens anders Denkenden  gegenüber werden hier inhaltliche und persönliche Toleranz flugs in eins gesetzt.

Und nun entdecken wir die überraschend, daß die Anwälte der inhaltlichen Toleranz gegenüber denen, die ihren Relativismus nicht anerkennen, plötzlich sehr intolerant auftreten können. Man schließt sie aus der Gemeinschaft der an der öffentlichen Meinungsbildung Beteiligten, z.B. im Lehrberuf oder in der Medienarbeit aus. Man schneidet ihnen das Wort ab oder betreibt ein existenzbedrohendes Mobbing gegen sie. Aus der im modernen Sinne gedeuteten sachlichen Toleranz, die der amerikanische Autor Josh McDowell als die „neue Toleranz“ bezeichnet und beschrieben hat, wird also im Umschlag in ihr eigenes Gegenteil eine totalitäre Ideologie. Diese sucht allen Menschen das Bürgerrecht zu entziehen, die sich aufgrund ihrer unwandelbaren ethisch-religiösen Überzeugungen nicht ihrem Grundgebot fügen, auch andere Denk- und Verhaltensweisen als gleich wahr und gleich berechtigt anzuerkennen, die ihnen widersprechen. So veranstaltet z.B. an der amerikanischen Universität Stanford die „Schwulen- und Lesbenallianz“ jedes Frühjahr einen „Shorts-Tag“, an dem alle Dozenten und Studenten ihre Solidarität mit ihren homosexuellen Kommilitonen öffentlich demonstrieren sollen, und zwar dadurch daß sie in Shorts zu den Vorlesungen kommen. Und Schande über den, der hier aus der Reihe tanzt! Wie aber soll in einer solchen Situation ein gewissenhafter Christ sich verhalten, der seinen homosexuell geneigten Kommilitonen zwar Mitgefühl und Hilfsbereitschaft erweisen will, der sich aber doch nicht darüber hinwegsetzen kann, daß in der Heiligen Schrift sowohl im Alten wie im Neuen Testament der homosexuelle Verkehr als eine schwere Sünde vor Gott gebrandmarkt wird, die vom Reich Gottes ausschließt (3. Mose 18,22; Röm 1,26f. 1. Kor. 6,9) ?

Es ist überhaupt erstaunlich und bestürzend, wie heute in aller Welt und in allen Institutionen, – einschließlich der Kirchen – die Anerkennung der praktizierten Homosexualität – geradezu ein Schibboleth geworden ist, an dem sich die Tugend der „neuen Toleranz“ zu erweisen hat! Sie scheint fast zur brisanten Entsprechung des antiken Kaiserkultes zu werden, an dem das religiös sonst so tolerante Römische Reich die innere Loyalität seiner Bürger erprobte. Und daran entzündeten sich bekanntlich aufgrund christlicher Gewissensverweigerung die großen Verfolgungen zur Zeit der Alten Kirche! Könnte es sein, daß der altböse Feind sich jenen neuen Punkt als das infame Mittel ausgeklügelt hat, mit dem er einzelnen Christen und ganzen Kirchen das geistliche Rückgrat zu brechen sucht, um sie für die kommende antichristliche Herrschaft moralisch gefügig zu machen? 
Eine schon eingangs erwähnte Waffe, die man gegen solche Christen anwendet, welche unbeirrt an der bleibenden Gültigkeit der geoffenbarten Wahrheit in Gesetz und Evangelium festhalten, ist, daß man sie hämisch als „Fundamentalisten“ brandmarkt. Das bringt uns zu unserer zweiten Leitfrage:

II. Was ist Fundamentalismus?

„Fundamentalismus“ wird allgemein als Synonym gebraucht für Engstirnigkeit, intellektuelle Rückständigkeit, geistige Unbeweglichkeit, mangelnde Sensibilität für die Erfordernisse unserer zur Einen Welt zusammenrückenden Menschheit. In schlimmen Fällen steckt man seit der Revolution des Ayatollah Khomeini im Jahre 1979 die christlichen „Fundamentalisten“ – ganz gleich ob diese sich selber so bezeichnen oder nicht – in die gleiche Kategorie wie auch zur Gewalttätigkeit greifende reaktionäre Fanatiker anderer Religionen. Man verdächtigt sie des Rassismus, Sexismus und Rechtsextremismus und läßt sie so als Gefahr für den Weltfrieden erscheinen. Es gibt schon mehrere manipulierte Dokumentationen darüber. In einer solchen, 1983 als Buch erschienen, habe ich auch mich  entdeckt, obwohl die Herausgeber nie Kontakt mit mir aufgenommen hatten!

Weil es aber gleichzeitig immer noch – besonders in Amerika – konservative Kirchen und Theologen gibt, die sich selber unbeirrt als „Fundamentalisten“ bezeichnen, ist es wichtig, sich auch hier um eine Klärung des Begriffs zu bemühen. Das Wort hat seinen geschichtlichen Ursprung in einer in den
Jahren 1910-15 auftretenden Bewegung angesehener evangelikaler Theologen in den USA. Aus Besorgnis über den in die Kirchen eindringenden Liberalismus veröffentlichten sie unter dem übergreifenden Titel „The Fundamentals“ eine Reihe von zwölf Bänden. Hierin stellten sie jene zentralen biblischen Wahrheiten heraus, welche nach allgemeiner evangelischer Überzeugung die unaufgebbaren Grundlagen des christlichen Glaubens überhaupt bilden:

Die Autorität der Bibel,
die göttliche Dreieinigkeit,
die Göttlichkeit Christi,
sein Sühneopfer am Kreuz,
seine leibliche Auferstehung und
Wiederkunft zum Jüngsten Gericht.

Diese Bewegung trug wesentlich dazu bei, die evangelikalen Christen in Amerika in ihren bibeltheologischen Überzeugungen zu festigen. Das war etwas sehr Gutes.

Wie ist es dann aber dazu gekommen, daß das Wort „Fundamentalismus“ später einen so negativen Beigeschmack bekam? Leider versäumte  man es später an den konservativ-evangelikalen Bibelschulen, sich ernsthaft mit den geistigen Herausforderungen durch den Fortschritt der Naturwissenschaften und die philosophischen Zeitströmungen auseinanderzusetzen. Deswegen gerieten die  Evangelikalen bei ihren modernistischen Gegnern weithin in den Verruf mangelnder akademischer Kompetenz. – Hier ist allerdings nach dem II. Weltkrieg durch die Gründung neuer theologischer Seminare und durch eine beachtliche Forschungstätigkeit eine bemerkenswerte Wandlung eingetreten.

Noch verhängnisvoller wurde  für die bibeltreue Bewegung die Tendenz, ihre theologisch konservative Haltung eng zu verbinden mit sozial-politischem Konservatismus. Auch beharrten sie vielfach auf traditionellen Formen der Gemeindeordnung sowie des persönlichen Lebensstiles. Am fatalsten wirkte der Hang gerade auch kleinerer Geister, sich selber als alleinige Repräsentanten der unverfälschten protestantischen Kirche auszugeben, während sie bei ihren Mitchristen schon die leiseste Abweichung von ihrer eigenen Position unter den Verdacht des Glaubensverrats stellten. So griff man solche deswegen an, die in ihrem Streben nach umfassender evangelikaler Gemeinschaft und Zusammenarbeit eine etwas großzügigere Haltung einnahmen, indem sie z.B. gelegentlich bei Evangelisationen unter kirchlich entfremdeten Bevölkerungsschichten zusammen mit erwecklich gesonnenen Katholiken auftraten. Davon blieb sogar ein Billy Graham nicht verschont.

„Fundamentalismus“ kann in der Tat von innen heraus entarten zu einem verknöcherten Strukturkonservativismus, der allen geistlichen Neuaufbrüchen prinzipiell abhold ist. Unbiblischer Separatismus aber lähmt die evangelistische Stoßkraft und gibt die bekennenden Christen schließlich dem öffentlich Gespött  preis. Ich möchte aber betonen, daß dies Erscheinungen sind, die man weder den geistigen Vätern dieser Bewegung noch ihren heutigen besonnenen Vertretern anlasten darf. Denn sie vertraten bzw. vertreten ja das durchaus berechtigte Anliegen, die wirklich unaufgebbaren Fundamente des christlichen
Glaubens zu schützen. Und es geht ihnen zugleich darum herauszustellen,  daß die Christus-Wahrheit ihre immer aktuelle Bedeutung gerade auch in den Nöten einer zunehmend gottentfremdeten Gesellschaft nicht verloren hat.  
 
Das Bild von der Kirche als geistlichem Haus, das auf dem festen Fundament Jesus Christus und dem apostolischen Bekenntnis zu ihm erbaut ist, stammt ja unmittelbar aus Jesu Mund selber (Mt 16,16-18), und die neutestamentlichen Episteln spielen mehrfach darauf an (1. Kor. 3,10f.; Eph 2,20; 1. Pt 3,4-6). Letztlich gilt ja für jede Kultur, für jede Philosophie und Religion und auch jede
weltanschaulich bestimmte politische Partei, daß sie nur so lange Glaubwürdigkeit und Bestand haben kann, wie sie ihren ursprünglichen Grundlagen treu bleibt. Zerbröckelt jedoch das Fundament, stürzt
schließlich der ganze Bau zusammen. Das könnte sehr wohl das baldige Schicksal unserer europäischer Völker sein – in unserem weitverbreitenden Spandauer Bußwort vom Oktober 2000 haben wir davor gewarnt! – ja, es könnte auch das Schicksal unserer evangelischen Volks- und Freikirchen werden. Ihren Hirten und Lehrern rufen wir deswegen zu: Gebt acht auf die Fundamente!

III. Wie sollen sich bekennende Christen zur Toleranzforderung und zum Fundamentalismusvorwurf verhalten?

Nachdem wir uns bewußt geworden sind, wie vieldeutig die Begriffe „Toleranz“ und „Fundamentalismus“ sind und welch agitatorischer Mißbrauch mit ihnen getrieben wird, kann mein erster Ratschlag nur lauten: Lassen wir uns nicht aus der Fassung bringen, wenn man sie uns schlagwortartig oder gar als Totschlag -Keule vorhält in der Absicht, uns für ein anderes Wahrheitsverständnis gefügig zu machen. Prüfen wir zunächst einmal diakritisch, was überhaupt gemeint ist und welches Ziel die Gesprächspartner verfolgen. Wir haben als Christen keinen Anlaß, uns den Wertmaßstäben des Zeitgeistes blind zu unterwerfen. Wir stehen unter einem höheren Auftraggeber und gewinnen unser Wahrheitsverständnis allein aus seinem heiligen Wort.

Was wahre Toleranz ist, wenn andere uns böswillig der „Intoleranz“ zeihen, lernen wir nirgends besser als bei Jesus, der als Lamm Gottes die Last der Sünde der Welt auf sich genommen und weggetragen hat (Joh 1,29).
Und welches die wahren Fundamente sind, auf die wir unser Vertrauen im Leben und Sterben setzen dürfen, sagt uns Paulus: „Einen anderen Grund
kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1Kor 3,11).

Mein zweiter Ratschlag lautet: Wenn wir aber spüren, daß unser Gesprächspartner wirklich ein ernstes Anliegen verfolgt und er Anstoß an unserem Reden und Verhalten gegenüber anders Eingestellten nimmt, prüfen wir uns dann, ob in seinem Einwand ein Korn von Wahrheit liegen könnte. Vielleicht sind wir uns nicht immer im Klaren, ob es uns in unserem missionarischen Zeugnis wirklich darum geht, daß Jesus in seiner Rettungsabsicht gewinnend zu Worte kommt, oder aber ob wir in einem
geistigen Überlegenheitskomplex ihm gegenüber die Richtigkeit unseres eigenen Standpunktes demonstrieren wollen. Nur aus einer demütigen Haltung heraus können wir deutlich machen, daß es die Liebe Jesu ist, die uns treibt, sie auch den erfahren zu lassen, der Ihm noch ablehnend gegenüber steht. Paulus ermahnt uns (Eph 4,15), „wahrhaftig zu sein in der Liebe“.

Das gilt sowohl für die missionarische Begegnung mit Andersgläubigen und Skeptikern als auch für das theologische Gespräch mit teilweise andersdenkenden Mitchristen. Hier kann es mitunter sogar angebracht sein, nicht nur persönliche, sondern auch inhaltliche Toleranz zu üben. Denn wir sollten immer dessen eingedenk bleiben, daß die in der Heiligen Schrift
geoffenbarte Wahrheit weiter ist, als sie ein einzelner Christ oder auch eine ganze kirchliche Gemeinschaft oder Frömmigkeitsrichtung erschöpfend erfassen kann.  
Wenn wir uns in hitzige Streitgesprächen mit unseren Mitchristen verwickeln, seien wir darum vorsichtig mit dem Häresie-Vorwurf. Denken wir vielmehr daran, daß ja auch der Bruder und die Schwester die Bibel lesen und den Heiligen Geist anrufen, sie der Pfingstverheißung entsprechend in alle Wahrheit zu führen (Joh 16,13).  
 
Mein dritter und abschließender Ratschlag lautet: Da, wo man uns im Namen der Toleranz eindeutig dazu drängen sucht, den biblischen Standpunkt zugunsten eines zeitgeistig veränderten Wahrheitsverständnisses preiszugeben, haben wir als bekennende Christen vollmächtig zu widerstehen.

Aktuell gilt das heute zum einen für den Glauben an Jesus Christus als den einzigen der Welt zum Heil gesandten Erlöser. Diesen Glauben dürfen wir unter keinen Umständen zugunsten einer der Welteinheit dienenden Religionsvermischung opfern, selbst wenn Papst und Ökumenische Konzilien
uns dazu ermuntern sollten.

Es gilt zum andern, gerade heute einzutreten für das biblische Ethos besonders im fünften u. sechsten Gebot des Dekalogs. Das fünfte schützt die unaufgebbare Würde des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tode, das sechste die von Gott gestiftete Ordnung der Ehe. Als lebenslange Verbindung eines Mannes mit einer Frau zur gegenseitigen Stütze begründet sie auch die
Familie, die Keimzelle des Volks. Niemals dürfen Christen einer „neuen Moral“ zustimmen, welche andersartige geschlechtliche Verbindungen als ebenfalls gottgewollt behauptet. Denn dann gerieten in der Tat die sittlichen Grundlagen der menschlichen Gesellschaft aus ihren Fugen.

Ich weiß sehr wohl, daß bekennende Christen, die es wagen, hier zu widerstehen, den Verruf der Intoleranz und des Fundamentalismus auf sich ziehen. Ja, die Lage ist bereits eingetreten, daß Christen für diesen Protest mit massiver Verfolgung bedroht werden. So in Schweden, wo der Reichstag am 15.
Mai d.J. in erster Lesung mit hauchdünner Mehrheit ein neues Gesetz unter der Überschrift „Erweiterung des Anti-Hetze-Gesetzes“ erlassen hat. Dieses sieht für mündliche und schriftliche Kritik an einer Bevölkerungsgruppe mit homosexueller Neigung Geldbußen oder Haftstrafen bis zu 2 Jahren vor. Auch Prediger, welche die Gültigkeit der biblischen Sicht zu diesem Punkt auch in der Gegenwart betonen, würden davon betroffen sein. Hier kommt Christen ihr Zeugnis für die Wahrheit im wörtlichen Sinne teuer zu stehen. Das läßt – nicht nur in Schweden – sogar manche Bischöfe zurückschrecken.

Doch das Zeugnis für die Christus-Wahrheit konnte schon immer teuer sein. In manchen Zeiten führte es zum Martyrium. Aber echte Nachfolger bestanden auch diese äußerste Glaubenserprobung im Blick auf ihren Herrn, der als König der Wahrheit vor Pontius Pilatus ein unerschrockenes Zeugnis für die
Wahrheit abgelegt hat. Er mußte dafür durch die Nacht des Todes gehen. Doch nicht einmal  der Tod konnte die Wahrheit zum Schweigen bringen. Am dritten Tage erstand Jesus aus dem Grabe; er erschien seinen Jüngern und bevollmächtigte sie durch den Heiligen Geist, die Wahrheit in alle Welt zu tragen. Daß die Wahrheit gegen alle Mächte der Lüge am Ende auch sichtbar triumphieren wird, ist gewiß. Wenn Christus in Macht und Herrlichkeit wiederkehren wird, werden sich alle Knie beugen vor Ihm, der die lebendige Wahrheit in Person ist.

Eingestellt von Horst Koch, Herborn. Auch die Hervorhebungen sind von mir. Im Jahre 2004
 




Psychologie + Gemeinde (McMahon)

Psychologie und die Evangelikale Kirche

T. A. McMahon

Keine Sache hat in der Geschichte der modernen Kirche Gläubige mehr veranlasst, ihren Glauben an die Hinlänglichkeit von Gottes Wort zu verlassen, als die Pseudowissenschaft der psychologischen Beratung. Bedenkt das Folgende: die evangelikale Kirche ist eine der Hauptquellen für Überweisungen an beratende Psychologen und Psychiater. Viele große Kirchen haben ausgebildete Psychotherapeuten. . . .  Christliche Psychologen sind seitens der Evangelikalen oft bekannter als Prediger und Lehrer. Wer hat nicht vom Psychologen Dr. James Dobson gehört?

Die meisten Evangelikalen sind überzeugt, dass Psychotherapie wissenschaftlich und notwendig ist, das auszugleichen, was in der Bibel hinsichtlich der seelischen, emotionalen und Verhaltensbedürfnisse des Menschen fehlt. Wenn ich den Begriff Psychotherapie benutze, beziehe ich mich hier auf psychologische Beratung, klinische Psychologie und (nicht-biologische) Psychiatrie. Ich verwende auch den allgemeinen Begriff Psychologie. Ich gebe zu, dass es einige Bereiche der Psychologie gibt, die sich deutlich von der Psychotherapie unterscheiden und wissenschaftliche Verdienste und Wert haben mögen, zum Beispiel jene Gebiete, die Wahrnehmung untersuchen . . .


Worin besteht nun das Problem mit der Psychotherapie? Nach zahlreichen wissenschaftlichen Studien funktioniert sie selten und ist bekanntermaßen schädlich. Aus biblischer Perspektive ist sie eine antichristliche, religiöse Fälschung. Beide Schlussfolgerungen werden im Weiteren klar ersichtlich. Wenn man den bedeutenden Einfluss sieht, den sie auf die Kirche hat, sollte der psychologische Weg im Vergleich zum biblischen Weg von allen jenen sehr kritisch betrachtet werden, die glauben, dass das Wort Gottes ihre Autorität ist und dass es vollständig ausreichend ist für „alles . . . was zum Leben und zum Wandel in Gottesfurcht dient“ (2Petr 1,3).



Wie lassen sich diese beiden Wege vergleichen?
Sie könnten sich nicht mehr widersprechen. Die grundlegenden Theorien der psychologischen Beratung widersprechen dem, was die Bibel über die Natur des Menschen und Gottes Lösung für seine geistigen, emotionalen und Verhaltensprobleme lehrt. Psychotherapeutische Konzepte schätzen die Menschheit im Grunde als gut ein. Die Bibel sagt, dass anders als Jesus Christus, der Mensch nicht gut ist, sondern mit einer sündigen Natur geboren wurde, „denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten“ (Röm 3,23).

Psychologische Beratung fördert oft den Glauben, dass Probleme, die nachteilig das geistige und emotionale Wohlbefinden einer Person beeinflussen, durch Umstände bestimmt werden, die außerhalb der Person liegen, wie der Missbrauch durch Eltern oder die Umwelt. Die Bibel sagt uns, dass das böse Herzen eines Menschen und seine sündigen Entscheidungen die Ursache seiner geistigen, emotionalen und Verhaltensprobleme sind. „Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor, Ehebruch, Unzucht, Mord, Diebstahl, Geiz, Bosheit, Betrug, Zügellosigkeit, Neid, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen heraus und verunreinigt den Menschen“ (Mk 7,21-23)

Psychotherapie versucht das Selbst zu verbessern durch Konzepte wie Selbstliebe, Selbstachtung, Selbstwert, Selbstbild und Selbstverwirklichung. Die Bibel lehrt, dass das Selbst das Hauptproblem der Menschheit ist, und nicht die Lösung der Übel, welche die Menschheit plagen. Und sie identifiziert prophetisch die Hauptlösung der psychologischen Beratung, Selbstliebe, als Katalysator für ein Leben in Schlechtigkeit. „Das aber sollst du wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten eintreten werden. Denn die Menschen werden sich selbst lieben. . .“ (2Tim 3,1).

Die Bibel lehrt, dass Versöhnung mit Gott durch Jesus Christus der einzige Weg für den Menschen ist, seine sündenbezogene geistigen, emotionalen und Verhaltensprobleme wirklich in Ordnung zu bringen.
„Auch euch, die ihr einst entfremdet und feindlich gesinnt wart in den bösen Werken, hat er jetzt versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unverklagbar darzustellen vor seinem Angesicht“ (Kol 1,21.22).
Psychotherapie hat den Glauben vieler hinsichtlich der Hinlänglichkeit der Bibel zum Scheitern gebracht. Weil die Psychologen behaupten, Einsicht in die Natur des Menschen zu haben und auch Methoden zur Veränderung, die nicht in der Bibel gefunden werden, folgt, dass die Bibel nicht hinlänglich für Beratung oder die Behandlung der geistigen, emotionalen und Verhaltensbedürfnisse des Gläubigen ist.

Psychotherapie hat der Kirche die Lüge verkauft, dass Psychologie mit der Bibel integriert werden kann. Das sollte für jeden achtsamen Gläubigen schockierend sein. Da Psychologie und die Bibel grundlegend in Widerspruch zueinander stehen, sollte es offensichtlich sein, dass es keine wirkliche Integration ihrer Lehren geben könne. Überdies, wenn die Bibel, das Handbuch des Herstellers, nicht hinlänglich ist, alle Dinge abzudecken, die zum Leben und Wandel in Gottesfurcht dienen, dann müssen sich Seine Geschöpfe anderswo für ihr geistiges, emotionales und Verhaltens-wohlergehen umschauen. Und wenn sie sich anderswo umschauen müssen, dann ist der Anspruch der Bibel, maßgeblich, ohne Irrtum und hinlänglich zu sein, auch falsch.

Wie groß ist der Einfluss von Psychotherapie in der Kirche? Es wäre in der Tat selten, eine thematische Predigt zu finden, ohne angebliche Einsichten aus der Psychologie. Typisch ist da die Willow Creek Kirche nahe Chikago, deren Einfluss im In- und Ausland durch die 10.000 Gemeinden zählende Kirchenvereinigung groß ist. Ein Forscher zu Methoden des Kirchenwachstums, der ein Jahr in Willow Creek verbrachte, beobachtete,
„Pastor Bill Hybels lehrt nicht nur psychologische Prinzipien, sondern verwendet oft psychologische Prinzipien als Interpretationsführer bei seiner Exegese der Schrift . . .  König David hatte eine Identitätskrise, der Apostel Paulus ermutigte Timotheus, Selbstanalyse zu machen und Petrus hatte ein Problem mit Abgrenzungsfragen. Der Punkt ist, dass psychologische Prinzipien regelmäßig in Hybels Lehren eingebaut sind.“
Rick Warrens rekordverdächtiges Buch Leben mit Vision fördert die Akzeptanz der Psychologie in der Kirche, indem er solches Psychogeschwätz wie „Samson war mitabhängig“ und „Gideons Schwäche war niedrige Selbstachtung und tiefe Unsicherheiten“ einschließt.

Warum erfolgt diese Psychologisierung der Christenheit? Nun, vor allem, weil der Kirche drei falsche Ideen verkauft worden waren.
1) Psychotherapie ist ein wissenschaftliches Unterfangen
2) Beratung ist nur für Professionelle
3) Christliche Psychologie bringt Wissenschaft und Glaube in Einklang

Lasst uns auf jeden dieser Punkte eingehen. Erstens, Psychotherapie ist kein wissenschaftliches Unterfangen. Martin und Deirdre Bobgan berichten in ihrem Buch Das Ende der „Christlichen Psychologie“:
„Im Versuch, eine Bestandsaufnahme der Psychologie machen, ernannte die Amerikanische Psychologische Vereinigung Dr. Sigmund Koch, eine Studie zu planen und durchzuführen, die von der National Science Foundation finanziert wurde. Diese Studie bezog acht hervorragende Gelehrte mit ein, die die Fakten, Theorien und Methoden der Psychologie bewerteten. Das Ergebnis dieses ausgedehnten Unterfangens wurde in einer siebenbändigen Serie mit dem Titel “Psychologie: Eine Untersuchung einer Wissenschaft“ veröffentlicht. Koch fasst die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses mit diesen Worten zusammen: „Ich denke nun ist es völlig klar, dass Psychologie keine zusammenhängende Wissenschaft ist.“

Dr. Karl Popper, der als einer der größten Wissenschaftsphilosophen angesehen ist, erklärte nach einer gründlichen Studie der Psychotherapie: „obgleich sie sich als Wissenschaft gebärdet, hat Psychotherapie in der Tat mehr gemein mit primitiven Mythen als mit Wissenschaft und ähnelt mehr der Astrologie als der Astronomie.“

Zweitens, Beratung ist nicht nur für Professionelle. Psychotherapie benutzt dank Freud und einigen anderen, die medizinischen Hintergrund hatten, Begriffe und Konzepte, die fälschlicherweise den Eindruck geben, dass sie mit medizinischer Wissenschaft zu tun haben. Ein Verständnis des Begriffes „Krankheit“ ist der Schlüssel, dass man durch dieses Trugbild sieht.

Können die eigenen geistigen Prozesse – das ist das Denken oder Verhalten – buchstäblich krank sein? Unsere Gehirne, die physisch sind, können es gewiss, aber unser Geist, der nichtphysisch ist, kann nicht krank sein. So ist der Begriff „Geisteskrankheit“ eine falsche Bezeichnung – ein Mythos. Überdies, mit Ausnahmen in Gebieten der Psychiatrie, sprechen Psychotherapeuten organische oder physische Probleme ihrer Klienten an.

Was tun Psychotherapeuten also? Nun, zumeist reden und zuhören. Forschungspsychiater Dr. Thomas Szasz spricht es für uns aus: „Ganz offen gesagt, was machen Patient und Psychotherapeut eigentlich? Sie sprechen und hören einander zu. Worüber sprechen sie? Eng betrachtet, spricht der Patient über sich und der Therapeut spricht über den Patienten . . . Jeder versucht den anderen zu bewegen, die Dinge in einer gewissen Weise zu sehen.“

Ich vermute, dass die meisten Evangelikalen, ob in der Kanzel oder der Kirchenbank, gewiss mit dem Medium der Beratung umgehen können – was einfach sprechen und zuhören ist! Aber wenige von uns sind trainierte Professionelle. Wir haben keinen fortgeschrittenen Grad im Reden und Zuhören, noch haben wir Theorien über menschliches Verhalten studiert, die nichts anderes sind als Meinungen und Spekulationen gottloser Menschen. Überdies gibt es mehr als 500 verschiedene (oft widersprüchliche und manchmal äußerst bizarre) psychotherapeutische Systeme und Tausende von Methoden und Techniken.
Somit entgeht uns als Nichtprofessionellen all diese so genannte Kenntnis. Aber sind Professionelle nicht doch effektiver als Nichtprofessionelle, den Leuten bei ihren Problemen zu helfen? Nein!

Nach der Überprüfung der Forschung, die trainierte und untrainierte psychologische Ratgeber verglich, berichten die Forscher Truax und Mitchell: „Es gibt keinen Beweis, dass das übliche traditionelle Graduierten Trainingsprogramm irgendeinen positiven Wert dabei hat, Therapeuten hervorzubringen, die hilfreicher sind als Nichtprofessionelle.“

Bedenken Sie das Ergebnis eines langwierigen Forschungsprojektes, durchgeführt von Dr. Joseph Durlak: Insgesamt, haben die Schlussergebnisse in Vergleichstudien Nichtprofessionelle bevorzugt . . . Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen Helfern in 28 Untersuchungen, aber Nichtprofessionelle waren in 12 Studien signifikant effektiver als Professionelle. Die provokative Schlussfolgerung aus diesen, Vergleichsuntersuchungen ist, dass Professionelle keine beweisbaren überlegenen therapeutischen Fähigkeiten besitzen, verglichen mit Nichtprofessionellen. Überdies sind professionelle Erziehung, Training und Erfahrung in geistiger Gesundheit keine notwendigen Voraussetzungen für einen effektiv helfenden Menschen.

Der Bestsellerautor und Psychologe Dr. Bernie Zilbergeld schreibt in seinem Buch, The Shrinking of Amerika: Myth of Psychological Change – Die psychiatrische Behandlung Amerikas: Mythen der psychologischen Veränderung (Shrink steht in der Umgangssprache für Psychiater – d. Übersetzer):
„. . . die meisten Probleme, denen sich die Leute gegenübersehen, würden besser gelöst werden, indem man mit Freunden, Ehepartnern, Verwandten oder sonst jemand spricht, der den Anschein macht, das gut zu tun, was man schlecht macht. . .  Wenn ich persönlich ein Beziehungsproblem hätte und es nicht mit meinem Partner lösen könnte, würde ich keinen Shrink konsultieren. Ich will jemand haben, der es durch sein Leben beweist, dass er es machen kann.“

Nun, das ist ja guter Rat mit gesundem Menschenverstand von einem Mann, der das Feld der Psychotherapie versteht. Doch in dieser „gefährlichen Zeit“ für die Gemeinde haben viele (und die Anzahl wächst weiter) nicht nur den „gesunden Menschenverstand“ aufgegeben, sondern noch schlimmer, sie haben ihr biblisches Mandat fallengelassen, welches darin besteht, dass einer dem anderen behilflich sei durch das Wort Gottes und in der Kraft des Heiligen Geistes. Sie wurden durch Mythen verängstigt und haben sich von der Wahrheit abgewandt.

Letztens, Christliche Psychologie kann Wissenschaft und Glauben nicht miteinander in Einklang bringen. Warum nicht? Weil Psychologie weder eine Wissenschaft ist noch christianisiert werden kann. Natürlich gibt es Christen, die geprüfte professionelle Psychotherapeuten sind, aber es gibt keine anerkannte Sparte oder Richtung der Psychologie, die als christlich identifiziert werden kann.

Bedenken Sie diese Feststellung, die die Sichtweise der christlichen Vereinigung für psychologische Studien wiedergibt:
Wir werden oft gefragt, ob wir „Christliche Psychologen“ sind . . . Wir sind Christen, die Psychologen sind, aber gegenwärtig gibt es keine akzeptable christliche Psychologie, die sich deutlich von der nicht-christlichen Psychologie unterscheidet. Es ist schwierig, den Schluss zu ziehen, dass wir in einer Weise funktionieren, die sich grundsätzlich von der unserer nicht-christlichen Kollegen unterscheidet, . . . da es noch keine akzeptable Theorie, Forschungsweise oder Behandlungsmethodologie gibt, die unterscheidbar christlich ist.

Wie funktionieren dann ausgebildete Psychotherapeuten, die Christen sind? Sie beziehen selektiv von den Konzepten, die sie während ihrer säkularen Ausbildung und Training gelernt haben und versuchen, sie in ihr christliches Glaubenssystem zu integrieren. Doch die Konzepte sind alle antithetisch zum biblischen Weg des Behilflichseins für die Probleme eines Gläubigen, Sünde zu überwinden und ein Leben zu führen, das fruchtbar, produktiv ist und dem Herrn gefällt.

Man muss sich wundern, warum ein Christ sich zu irgendeiner dieser Weisheiten des Menschen auch nur im Ansatz hinwendet, die durch Leute konzipiert wurden, die so offensichtlich antichristlich waren. Freud betrachtete Religion als Illusion und war bekannt, einen Hass auf das Christentum zu haben, aufgrund dessen was er für dessen antisemitische Lehren hielt. Andere wie Abraham Maslow und Carl Rogers waren krasse New Ager und Okkultisten. Doch bedenke dieses Zitat eines führenden christlichen Psychologen: „Unter dem Einfluss humanistischer Psychologen wie Carl Rogers und Abraham Maslow begannen viele von uns Christen, unser Bedürfnis für Selbstliebe und -achtung zu sehen. Das ist ein guter und notwendiger Fokus.“ – Nicht nach den Schriften!

Das Buch Nehemiah zeichnet uns ein Bild dessen, was in der Gemeinde passiert. Nehemia (sein Name bedeutet „Jehova ist unser Tröster“) ist ein Typus für den Heiligen Geist. Gott sendet ihn, um Jerusalem aufzubauen und zu stärken. Mit der List, Israel zu helfen, versuchen Feinde Israels die Restauration zu untergraben. Unglaublich, der Priester gibt einem solchen Feind, Tobiah, einen Raum im Tempel. So ist es auch mit der so genannten christlichen Psychologie heutzutage.

Wie ernsthaft ist dieses Psychologisieren der Gemeinde? Obgleich sogar jetzt schon zerstörerisch, sagt uns die Schrift, dass das Ausmaß noch viel größer wird, als wir uns vorstellen können. Der Apostel Paulus ist deutlich in seiner Warnung (2.Timotheus 3,1-5), dass „in den letzten Tagen“ die Bedingungen des Menschen „gefährlich“ sein werden. Diese Warnung beginnt mit einer Eigenschaft, die der Eckstein der humanistische Psychologie ist; Paulus weist darauf hin (Verse 2-5), was die Quelle einer Vielzahl von Übeln ist: Selbstliebe.

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Satanskulte (K.Koch)

Dr. Kurt Koch

Satanskulte

Der liberale Theologe Röhr (1777-1848) bezeichnete den Teufelsglauben als bemitleidenswerten Wahn einer unerleuchteten Zeit. Der schriftgemäße Theologe Adolf Schlatter, den ich selbst in Tübingen noch hören konnte, erklärte, daß die biblische Verkündigung den Teufelsglauben einschließe. Wir haben damit eine unbiblische und eine biblische Linie.

Der Satanskult in der Bibel und in der Religionsgeschichte ist oft das gleiche wie der Schlangenkult. Das geht zurück auf die Urversuchung im Paradies, wo der Teufel dem ersten Menschenpaar in Gestalt einer Schlange erschien. Die Bewohner des Landes Kanaan verehrten Satan in Gestalt der Schlange. Das gleiche finden wir in Ägypten. Die Zauberer, die Moses widerstanden, gehörten zum Schlangenkult. Sie waren in der Lage, Schlangen zu hypnotisieren, so daß sie steif wurden wie ein Stock. Wir haben bei diesen Zauberern das umgekehrte Wunder wie bei Moses. Moses konnte in der Kraft Gottes den Stab zur Schlange verwandeln. Die Zauberer konnten in der Kraft Satans Schlangen zu einem Stab verwandeln und sie dann wieder aus der Hypnose zurückrufen.

Einige Jahrhunderte vor Christus entstand in Syrien der Kult der Ophiten. Die Ophiten sind ebenfalls Schlangenanbeter und Satansanbeter gewesen. Sie selbst nannten sich Gnostiker, Träger einer höheren Weisheit. In einigen Punkten haben die Gnostiker die gleichen Lehren wie sie heute von den Anhängern der Allversöhnungslehre geglaubt werden. Die Ophiten waren der Meinung, daß der Mensch nach seinem Tode die Chance hat, über lange Zeiträume hinweg sich höher zu entwickeln bis zur völligen Erlösung. Mit dieser Überzeugung sind sie der Prophezeiung Satans gefolgt: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern es werden nur eure Augen aufgetan werden.

Einen weiteren Schlangenkult finden wir im Alten Testament in Gestalt der ehernen Schlange. In 4. Mos. 21 hat Moses im Auftrag Gottes eine eherne Schlange aufgerichtet. Die Israeliten, die von den giftigen Schlangen gebissen worden waren, hatten im Glauben auf die eherne Schlange zu blicken und blieben dann am Leben. Diese eherne Schlange wurde also von Gott zu einem Zeichen des Heils gegeben. Vergleichen wir dazu Joh. 3, wo die Kreuzigung Jesu ebenfalls ein erhöhtes Heilszeichen darstellt. Was nun Gott als Zeichen der Errettung dem Volk Israel damals gegeben hat, wurde in späteren Jahrhunderten zu einem Götzendienst. Die Schlange hieß Nehusthan, und damit trieben die Israeliten noch 400 oder 500 Jahre nach Moses Zauberei und Götzendienst.

Die Geschichte der christlichen Kirche ist voll von Satanskulten und Schlangenkulten. Es würde zu weit führen, wenn alles dargestellt werden sollte. Ich verweise auf ein aufschlussreiches englisches Buch von Tatford mit dem Titel »Satan, the prince of darkness«. Das Buch ist zu empfehlen, denn es ist aus einer biblischen Haltung und einer guten Kenntnis der Religionsgeschichte geschrieben.

Es sollen einige Beispiele angeführt werden.

B 1 Den Templerrittern wird nachgesagt, daß sie die Gründer einer regelrechten Satanskirche sind. Wer in diesen Orden eintreten wollte, musste auf ein am Boden liegendes Kreuz mit Füßen treten und es anspeien. Ferner hatte sich der Bewerber mit seinem Blut dem Teufel zu verschreiben. Der französische König hat im Jahr 1307 bis 1311 die Templer verfolgen und verhaften lassen. Bei den Folterungen wurden natürlich auch Geständnisse erpresst, die niemals der Wahrheit entsprachen. Die französischen Historiker, z. B. Abbe Barnuel, berichteten, daß die französische Revolution sorgfältig und methodisch durch diese Templerritter vorbereitet worden sei. In den Zirkeln der Templerritter wurde die schwarze Messe gefeiert. Alles, was uns von der Bibel her heilig ist, haben sie in den Schmutz gezogen. Auf dem Altar lag eine unbekleidete Frau. Den Wein des Abendmahls haben sie mit dem Blut eines getöteten Kindes vermischt. Die Gebete haben sie dadurch abgeändert, daß sie den Gottesnamen durch Satans Namen ersetzten, also alles Dinge, die wir auch heute in den Satanskirchen kennen. Der Ritus der Satansanbeter wurde dann von Anhängern von Paris nach USA gebracht und von dort wieder nach Rom und in andere Länder.

Wir haben nicht nur eine französische Linie der Teufelskulte. Es gibt auch eine deutsche Linie.

B 2  Im 13. Jahrhundert wurde ein friesischer Stamm mit Namen Stedinger für seine Satanszeremonien bekannt. Die Stedinger waren bekannt für alle Formen der Zauberei und Gottlosigkeit. Sie plünderten Kirchen aus, entweihten die Sakramente und die Kruzifixe. Sie vergossen unschuldig Blut. Sie töteten und trieben alle möglichen Arten von Orgien. Sie erhoben sich auch gegen die Behörden, so daß der Herzog von Brabant im Jahre 1234 gegen sie zu Felde zog und 8000 von ihnen tötete. Der Rest hat sich dann zerstreut. Diese Anhänger, die das Massaker überlebten, haben dann überall die okkulten Dinge hingetragen und damit das Unheil noch vergrößert.

Eine dritte Linie der Satanskulte hat sich in Großbritannien gehalten. Die Druiden, die Priester eines alten keltischen Stammes, waren hochberühmt für ihre astronomischen Kenntnisse. Andererseits betrieben sie das Menschen- und das Tieropfer, um den sündigen Menschen mit Gott zu versöhnen. Ich habe das in dem Abschnitt über Allerheiligen (Halloween) erwähnt. Die Geschichte der Druiden wird zeitlich von 1900 vor Christus bis etwa 500 oder 600 nach Christus angesetzt. Manche Forscher bringen das großartige Ruinendenkmal in Stonehenge mit den Druiden in Verbindung. Stonehenge liegt in Südengland nördlich von Salisbury. Auf dem Weg nach Cornwall passierte ich zusammen mit einem Freund dieses Gebiet. Interessant war mir, daß dieser englische Freund mir berichtete, daß sich die Teufelszirkel in Cornwall bis heute erhalten haben.

Auf den Missionsfeldern traf ich wieder auf Schlangenkulte verschiedener Art. Einige Beispiele dazu.

B 3 In Nigeria gibt es einen sogenannten Kobrakult. Mein Berichterstatter ist ein Missionar. Menschen, die dem Kobrakult beitreten, müssen ihre Seele dem Teufel verschreiben. Als Belohnung dafür bekommen sie Macht über die Kobras. Die Kobras müssen den Kultmitgliedern in jedem Fall gehorchen. Bei einer Gelegenheit hat ein Zauberer, der erbittertste Feind meines Berichterstatters, diesem Missionar eine Kobra geschickt mit dem Auftrag, den Missionar zu töten. Der Missionar erkannte die Gefahr, stellte sich unter den Schutz Jesu und gebot im Namen des Herrn, und die Schlange konnte ihm nichts anhaben. Auch hier ein Zeichen, daß Gott seine Kinder zu bewahren weiß.

B 4 Ein anderes Beispiel erlebte ich in Liberia. Ich war Gast eines gläubigen Distriktgouverneurs mit europäischer Bildung. Dieser Mann berichtete mir ebenso von einem Schlangenkult in Liberia. Die Mitglieder müssen sich dem Teufel verschreiben und bekommen dann die Macht über alle Schlangen, nicht nur über eine Art. Wenn ein Kultmitglied einen Feind töten will, dann schickt er ihm eine gefährliche Giftschlange mit dem Auftrag, den Gegner zu beißen. Ein junger Mann, der ebenfalls zu dem Schlangenkult gehörte, fand durch den Dienst der Missionare den Weg zu Jesus. Es waren Missionare der Sudan-Interior-Mission. Der junge Mann sagte sich im Namen Jesu von dem Kult los und wurde tatsächlich von dieser satanischen Bindung frei. Eines Tages betrat er ein Haus, und im gleichen Augenblick erkannte er in dem Raum eine große schwarze Schlange. Er schrie auf, denn er wusste ja, daß er durch seine Bekehrung die Macht über die Schlangen verloren hatte. Er erinnerte sich aber an den Schluss von Markus 16 und gebot im Namen Jesu. Die Schlange konnte ihm nichts anhaben. Natürlich ließ er sich auf kein Experiment ein. Auch hier zeigt sich, daß die Macht Satans am Glauben der Jünger Jesu und an dem erhöhten Herrn seine Grenze hat.

Einem Schlangenkult ganz anderer Art begegnete ich mehrmals in USA. Bei meiner Vortragstour im Staate Colorado hörte ich von einem tragischen Zwischenfall in einer Pfingstgemeinde. Zwei junge Prediger brachten Giftschlangen mit in den Gottesdienst. Sie lasen Markus 16 am Schluss, wo es heißt, im Glauben werden sie Schlangen vertreiben, so sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden. Sie legten sich die Giftschlangen um den Hals und spielten mit ihnen und wurden gebissen. Entgegen ihres gutgemeinten Glaubens starben beide Pastoren. Die Polizei hat von dem Vorfall gehört und hat die Giftschlangen aus der Kirche herausgeholt.

B 5 Ein zweites Mal hörte ich das gleiche bei meiner Tour durch die sogenannten Staaten von Neuengland im Nordosten von USA. Auch hier hat ein Pastor mit Berufung auf Markus 16,18 sich eine Giftschlange um den Hals gelegt. Auch er starb an dem giftigen Biss.

Ein drittes Mal hörte ich es im Staate Illinois. Diese drei letzten Beispiele haben natürlich mit dem Schlangenkult und dem Satanskult nichts zu tun. Sie sind nur der Ausdruck eines religiösen Fanatismus und einer falschen Bibelauslegung. Jesus sagte in einer ähnlichen Situation: »Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen« (Mattb. 4,7).

Ich komme noch einmal zurück zu dem eigentlichen Satanskult. Die Menschenopfer und Tieropfer, die von den alten heidnischen Völkern betrieben worden sind, werden heute wieder von den Satansanbetern praktiziert.

B 6 Ich habe bereits im anderen Zusammenhang die Geschichte des 17jährigen Ross Cochran berichtet. Er war ursprünglich das Glied einer Satanskirche. Er fand den Weg zu Christus und trat aus der Kirche aus. Dann wurde er von seinen früheren Kameraden zu Tode gefoltert. Der Hauptanstifter zu seiner Ermordung war ebenfalls ein 17-jähriger, Otis Hester. Als er verhaftet wurde, zeigte er dem Polizeibeamten auf seiner linken Hand eine Tätowierung, die ein umgekehrtes Kreuz darstellt und darunter die Unterschrift: His majesty the devil (Seine Majestät der Teufel).

B 7 Ein anderes Beispiel ist noch schrecklicher. Zwei junge Menschen  wurden von einer amerikanischen Familie als Babysitter eingeladen. Als das Ehepaar nach Hause kam, hatte inzwischen das junge Paar, das zu einem Satanskult gehört, das kleine Kind getötet.

Amerika hat eine furchtbare Entwicklung genommen. Vor etwa zwölf Jahren wurde die Bibel und das Gebet aus den Schulen verbannt. Dafür aber zog der Unterricht über Spiritismus, Okkultismus und Satanskulte in die Schulen ein. Neuerdings wird in einzelnen Staaten eine weitere Regelung diskutiert, ob man sich mit dem Unterricht über die satanischen Dinge begnügen soll und nicht vielmehr auch das Praktizieren anordnen sollte.

Eine solche Diskussion habe ich im Staate New Hampshire im Staatshause miterlebt. Ich wurde von einem Senator eingeladen, meine Erfahrungen in USA darzulegen. Die Senatoren hatten darüber zu befinden, ob zu dem bereits bestehenden Unterricht über die satanischen Dinge nicht auch Spiritismus, Magie praktisch in der Schule geübt werden sollten. Ich gab aus meiner Erfahrung den Senatoren so schreckliche Beispiele aus den amerikanischen Colleges und Seminaren, daß in diesem Gremium der Antrag auf die Einführung der praktischen Übungen abgelehnt wurde. Es mutete mich etwas seltsam an, daß ein Deutscher den Amerikanern zu sagen hatte, was in ihren Colleges alles getrieben wird.

Auf weitere Satanskulte stieß ich in Großbritannien. Zwei davon sollen kurz beschrieben werden:

Der Tanatkult

Bei meinen Englandbesuchen hatte ich auch Vorträge in Cornwall, Devon und auch in der Grafschaft Dorset und Somerset. Bei diesen Diensten hin und her im Lande hörte ich von dem Tanatkult. Er hat seinen Ursprung in einem vorchristlichen Fruchtbarkeitskult. Die Sonne galt als männlich, der Mond als weiblich. Ihre Symbole sind dementsprechend für die Sonne das männliche Glied (Penis), für den Mond das weibliche Glied (Vagina). Die Zeichen sind Brot und Salz. Bei den Zeremonien des Tanatkults werden Brot und Salz auf dem Leib einer Frau dargebracht. Die Frau liegt auf dem Tisch in rotem Gewand. Sie ist nur teilweise bekleidet. Hinter dem Altar sind wiederum die Symbole, das männliche und das weibliche Prinzip. Als die ersten christlichen Missionare nach England kamen und die Bevölkerung teilweise missioniert wurde, entwickelte sich aus dem Tanatkult die sogenannte schwarze Messe, die bis heute nicht nur in England, sondern in aller Welt zelebriert wird. Auch heute noch wird die schwarze Messe in ähnlicher Weise gefeiert wie in dem vorchristlichen Tanatkult. Das Abendmahl wird in einer Weise gereicht, daß es hier nicht beschrieben werden kann. Es ist zu schauerlich. Zu der Feier der schwarzen Messe gehören natürlich die Sexorgien. Es gibt heute noch in diesen genannten vier Grafschaften Tanatisten. Das bedeutet, daß die christliche Mission niemals das ganze Volk erreicht hat. 

Der Horned-God-Cult

Der Kult sitzt in London und ist eine Abzweigung der Satanskulte. Jedes Mitglied hat einen horned God (einen gehörnten Gott) zu Hause. Dieser gehörnte Gott streckt die Arme aus wie Jesus am Kreuz. Die Füße sind aber einer Schlange nachgebildet. Wir hörten ja im anderen Kapitel von »the goat of mendes« (der Ziegenbock von Mendes). Dieser Ziegenbockskopf ist das Symbol Satans. The Horned-God-Cult ist also auch eine Form der Satansverehrung.

In Burton an the Water gibt es ein Museum für Zaubereigegenstände. In diesem Museum sind sowohl die Symbole vom Horned-God-Cult als auch der nachgebildete Altar des Tanatkults.

Schwarze Messe

Alle Satanskulte der Geschichte und der Gegenwart zelebrieren die schwarze Messe. Es gibt nur wenige Ausnahmen wie zum Beispiel die Progressleute.

Der Sinn der schwarzen Messe ist die Verhöhnung Gottes, die Verlästerung der Trinität.

B 8 Vor einigen Jahren erregten einige Theologiestudenten in Münster (Deutschland) großes Aufsehen. In einer Kirche feierten sie die schwarze Messe. Auf dem Altar standen Schnapsflaschen. In den Gebeten ersetzten sie den Gottesnamen mit dem Namen Satans. Man fragte sie, warum sie eigentlich Theologie studierten. Ihre Antwort war: um die Kirche zu zerstören.

B 9 Bei einer Vortragsreise in Cornwall (England) hörte ich von den schwarzen Messen dieses Gebietes. Als Altar wird eine unbekleidete Frau benützt, die von den Angehörigen auf dem Altar zu Perversitäten missbraucht wird.  Man kann die Scheußlichkeiten gar nicht in einem Buch wiedergeben. Es liegt mir die Beichte eines Akademikers vor, der seit der Praxis dieser Scheußlichkeiten innerlich nicht mehr zur Ruhe gekommen ist. Manchmal brechen die Satanisten in Kirchen ein und stehlen für die schwarze Messe die Monstranz oder nehmen ein Kruzifix zu ihren Feiern und versehen den Christuskörper mit ihrem Kot.

B 10 In USA feiern die Satanisten die schwarze Messe mit Tierblut. Ganz exklusive Zirkel der Satanisten vermischen Wein und Brot mit einer Substanz der Frau und des Mannes. Auf Haiti trinkt die Highpriestess (die Hohepriesterin) beim Jahresfestival Kinderblut. Bei den Macumbagruppen in Brasilien ereignet sich das gleiche bei der Weihe einer Mae de Santo (Kultmutter).

Die Praktikanten der schwarzen Messe sind Satans Elitetruppen.

Den Sympathisanten des Friedenszeichens sei nochmals mitgeteilt, daß der Schwarze Papst, Anton LaVey, in San Francisco vor Beginn seiner Satansfeiern auf großer Leinwand das Friedenszeichen aufziehen lässt. Und die harmlosen Christen Europas tragen das Friedenszeichen an einer Halskette oder am Ärmel der Jacke.

Befreiung

Zur Frage der Befreiung aus dem Satanskult verweise ich auf das Zeugnis von David Hansen. Ferner kann ich ein Buch empfehlen, »Satans Seller« von Mike Warnke. Der Verfasser war selbst ein Hohepriester in der Satanskirche, wurde durch Christus befreit und gab dann sein Zeugnis in diesem erwähnten Buch. Ein wundervolles Beispiel der Befreiung aus dem Bann Satans gab Ernest H. Nickerson in seinem empfehlenswerten Blatt »The Path of Life« auf Seite 10. Sein Artikel ist überschrieben: Ein früherer Satanist ist jetzt Prediger des Evangeliums.

Hershel Smith wandte sich schon als Schuljung den Satanisten zu. Mit 13 Jahren enthäutete er einen kleinen Hund lebend und trank dessen Blut. Später entwickelte er einen sadistischen Hang, abgeschabte Haut von Fingern und Fußsohlen fremder Menschen zu essen, die es erlaubten. Er bekam dadurch den Namen »Skin eater« = Hautesser. Noch viele andere absurde Dinge trieb er aus Liebe zu Satan. Man wurde deshalb in den Kreisen der Satanisten auf ihn aufmerksam, und Hershel machte unter ihnen Karriere. Er wurde schließlich Hohepriester und praktizierte alles, was zur Satansanbetung und Verehrung gehört.

Und diesen mit tausend Ketten Satans gebundenen Mann holte der Sieger von Golgatha aus diesem Teufelskreis heraus. Hershel Smith wurde ein Jünger Jesu und fühlt sich heute besonders für Jugendliche verantwortlich, die gleich ihm auf Abwege geraten sind. Er unterhält und leitet ein Jugendzentrum in Kalifornien, wo er jungen Menschen den Weg zu Jesus, dem Befreier, zeigt.

Vom Satanisten zu Christus

Im Jahr 1975 schenkte mir der Herr die Begegnung mit einem ehemaligen Satanisten. Er gab mir die Erlaubnis, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen. Einige Monate nach unserer Begegnung sandte mir David Hansen – so heißt dieser Bruder – eine Kurzbiographie. Da sie für einen vollständigen Abdruck zu lang ist, gebe ich nur die Einleitung des Briefes, um einen plastischen Hintergrund der folgenden Geschichte zu geben.

»Dear Dr. Koch, thank you for the time I was able to spend with you after the Service at Trinity Baptist Church in Santa Barbara (California) an March 19th. (1975) That was a very crucial meeting for me, of encouragement and blessing.

I praise God for you committed life to Christ and the work our Lord has brought you into. As I read your book WINE OF GOD I was again blessed, encouraged and challenged. The Lord has used your life of commitment to HIM to encourage and strengthen nie every time I delve into one of your books. I uphold you in prayer daily now . . .«

»Lieber Dr. Koch, ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie mir nach Ihrem Gottesdienst in der Trinity BaptistenKirche in Santa Barbara gewährten. Es war eine entscheidende Versammlung für mich, voller Ermutigung und voller Segen.

Ich danke Gott für Ihr Christusergebenes Leben und für das Werk, in das Sie der Herr geführt hat. Als ich Ihr Buch WINE OF GOD las, wurde ich wiederum gesegnet, ermutigt und in meinem Glauben gefordert. Der Herr hat Ihr Leben benützt, mich allezeit aufzurichten und zu stärken, seitdem ich mich in Ihre Bücher vertieft habe. Ich bete darum täglich für Sie.«

Und nun die Geschichte dieses Mannes, der an einer höheren Schule unterrichtet. Das Christentum, von dem er im Elternhaus und in der Kirche gehört hatte, ließ ihn unbefriedigt. Er sah mit wachen Augen die große Kluft zwischen den christlichen Lehren und dem praktischen Ausleben. Er war auch ehrlich genug, die Diskrepanz zwischen Wollen und Vollbringen im eigenen Leben zu erkennen. Darum suchte er nach einer soliden Grundlage des Lebens. Er strebte nach einer Kraft, die es ermöglichte, das auszuleben, was man sein wollte.

Eines Abends hörte er im Fernsehen einen Satanisten, der mit tönenden Worten die Macht Satans anpries. Dieser Finsterling sagte unter anderem: »Wollt ihr Kraft, wir geben sie. Sucht ihr Erfüllung eures Lebens, wir bieten sie. Das Christentum hat schon längst abgewirtschaftet. Es hat ohnehin seinen Anhängern nie etwas geboten, sondern sie nur mit leeren Versprechungen abgespeist.«

An diesem Abend fiel im Leben des suchenden Gymnasiallehrers die Entscheidung. Er ließ sich die Anschrift und den Versammlungsort des nächsten Satanskultes geben. Es war der Skeleton Canon (Skelett-Schlucht) bei Thousand Oaks, einem Ort zwischen Santa Barbara und Los Angeles. Ich habe sechsmal diesen Ort passiert.

Zwei Jahre war der Lehrer Mitglied dieser Gruppe, die normalerweise von Samstag 16 Uhr bis 24 Uhr oder länger im Skeleton Canon zusammen war, schwarze Messen und Orgien feierte. David hatte alles Satan geopfert: sein Leben, seine Seele, sein Heim, sein Vermögen, seinen Wagen und seine Familie. Zur Ruhe war er bei diesem totalen Opfer aber nicht gekommen. Die Finsternis griff nach seiner Seele, und Selbstmordgedanken bemächtigten sich seiner.

Eines Tages befand er sich wieder im Gebet zu Satan, seinem Herrn. Er fluchte Gott, ein Vorgang, der zum genuinen Gebet zu Satan gehörte. Da drängte sich seinem Sinn und Gedächtnis ein Bibelwort aus 1. Joh. 4,4b auf: »Größer ist der, der in euch ist, als der, der in der Welt ist.« Trotz dieses Bibelwortes fluchte er immer noch Gott mit allem Hass, dessen er fähig war. Doch spürte er, daß in seinem Herzen und in dem Raum ein großer Friede sich ausbreitete. Diese Atmosphäre überwältigte ihn. Sie war gottgewirkt. David saß plötzlich auf seinem Bett und bat Gott um Hilfe. Er hörte sein Beten und Schreien.

Von diesem Erlebnis an bekam sein Leben einen neuen Kurs. Er nahm die Bibel vor und studierte täglich eifrig die Heilige Schrift. Sein Friede wurde dabei immer tiefer.

Dann kam der nächste Samstag heran, an dem sich seine ehemaligen Freunde in Skeleton Canon wieder versammelten. David betete um Klarheit, was er tun sollte. Er nahm sich vor, noch einmal diese Versammlung zu besuchen, um seinen Austritt zu erklären und den Kameraden Jesus Christus zu bezeugen.

Nachmachen darf man das nicht. Ich würde als Seelsorger nie den Rat geben, noch einmal diesen teuflischen Versammlungsort zu besuchen. In diesem Fall hatte David nicht nur die innere Freiheit, sondern auch die Kraft und Vollmacht dazu.

Er suchte den Skeleton Canon auf. Als alle Mitglieder versammelt waren, ergriff er das Wort, erklärte seinen Austritt und bezeugte Jesus Christus als seinen Befreier und Erlöser. Die Kameraden staunten, widersprachen ihm seltsamerweise aber nicht. Sie fragten ihn nur: »Warum tust du das? Was bekommst du dafür?« David blieb die Antwort nicht schuldig.

»Ich tue diesen Schritt, weil das Leben in dieser Gemeinschaft mir nur Unfrieden, Verzweiflung und Selbstmordgedanken gebracht hat. Was ich mit Christus bereits gewonnen habe, ist ein innerer Friede, der höher ist als alle Vernunft.«

Das Zeugnis für Christus und die Diskussion zog sich neun Stunden bis nach Mitternacht hin. Der Erfolg war, daß eine ganze Reihe seiner Kameraden erklärte: »Wir gehen mit dir. Deine Not war auch unsere Not. Wir suchen auch diesen Frieden, den Christus zu geben hat.«

An dem Ausgang dieser Versammlung sieht man, daß David vom Herrn den Auftrag hatte, noch einmal diese Kultstätte aufzusuchen.

Wer Satan davonlaufen will, muss mit schwersten Rückschlägen und Angriffen rechnen. In der Nacht nach diesem gewaltigen Sieg Jesu Christi an der satanischen Kultstätte erlebte David das persönliche Eingreifen Satans. Der Böse erklärte ihm: »Du gehörst mir. Wenn du mir entlaufen willst, dann töte ich dein Kind und mache dich zum armen Mann.« David aber war entschlossen: »Komm, was kommen mag und der Herr zulässt, ich bleibe bei Jesus.«

Am nächsten Morgen war sein Kind schwer krank und musste ins Spital gebracht werden. Die Krankenhausbehandlung dauerte drei Wochen. Dann starb das Kind. Die Rechnung betrug nach deutschem Geld rund DM 33 000.

Satan hatte seine Drohung wahrgemacht: das Kind umgebracht und ihn finanziell ruiniert.

An dieser Stelle muss ich den Bericht unterbrechen. Ich habe die Geschichte Davids schon einmal in einem Rundbrief kurz berichtet. Daraufhin erhielt ich verschiedene Zuschriften mit der Bitte, diese Wendung der Dinge wegzulassen. Manche Christen stoßen sich daran, weil sie glauben, mit der Bekehrung ist alles ausgelöscht, und alle Probleme sind gelöst. Vor allem finden wir diese Meinung in amerikanischen und kanadischen Kirchen.

Eines stimmt: Mit der Bekehrung sind alle Sünden vergeben. Es sind aber noch lange nicht alle Folgen beseitigt. Die Bibel vertritt keine oberflächliche, gedankenlose Theologie.

Ein Beispiel, das ich schon mehrfach gebrauchte, kann uns eine Hilfe geben. Ein Playboy hatte sich bei seinem ausschweifenden Leben eine hartnäckige Krankheit, die Lymphopathia venerea, zugezogen. Er fand Christus und damit die Vergebung für sein Luderleben. Aber seine Krankheit war damit nicht ausgelöscht. Sie brauchte noch lange eine ärztliche Behandlung.

Es gibt Bibelstellen, die jede oberflächliche Theologie ad absurdum führen.

Denken wir an Bibelstellen wie Jesaja 45,7: »Ich gebe Frieden und schaffe das Übel.« Gott schafft das Übel? Oder denken wir an Amos 3,6: »Ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tue?« Gott bringt Unglück?

Die gedankenlosen, oberflächlichen Christen vergessen Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit und unterschätzen Satans Gewalt.

David hatte sich dem Teufel verschrieben und Gott oft geflucht. Es ist Gottes Sache, wenn er den Tod des Kindes und den finanziellen Ruin Davids zuließ. Übrigens hat David mir berichtet, daß dieses Kind schon im Mutterleibe Satan geweiht worden war.

Trotz dieser schweren Schläge ließ sich David nicht mehr von Jesus abbringen. In Zukunft stellte er täglich seine Familie und sich selbst unter den Schutz Jesu. Die Anweisungen in meinem Buch »Occult Bondage and Deliverance« wurden ihm dabei zum Segen.

Als zusätzliche Hilfe suchte er nach Gläubigen, die ihn im Gebet unterstützen sollten. Er erlebte dabei große Enttäuschungen. Die Christen hatten Angst vor ihm und gingen ihm aus dem Weg. Es ist eine Tragödie, daß die Christen der westlichen Welt so wenig Sinn für Gebetszellen haben, die angefochtenen und bedrohten Christen zu Hilfe kommen.

Inzwischen ist David vielen Gemeinden zum Segen geworden. Er gibt überall auf Einladung hin sein Zeugnis, wie Christus ihn aus den Banden Satans befreit hat. Gott rüstet diesen Bruder zu, okkult Belasteten seelsorgerliche Hilfe zu bringen. Viele Kirchen haben ihm die Türen geöffnet.

Ein solcher Dienst erfordert die Gebetshilfe von verständnisvollen Christen. Ich bitte hiermit meinen ganzen Gebetskreis, eine solche Fürbitte aufzunehmen und treu zu pflegen.

Dieses Erlebnis aus dem Jahr 1975 ist eine erste Antwort auf die Frage: »Wer ist der Mann, der die Starken zum Raube hat.« Wir kennen ihn.

 

ANHANG

Kurt E. Koch

Gotteslästerliche Filme

Aus dem Buch OKKULTES ABC, Seiten 174 bis 186.

Seit 1967 wird die christliche Welt geschockt durch gotteslästerliche Drehbücher und Filme. Ich habe keinen dieser Filme gesehen. Durch die Seelsorge kenne ich die Auswirkungen. Einige dieser teuflischen Machwerke sollen kurz dargestellt werden.

Rosemarys Baby

Dieses Buch des jüdischen Autors Ira Levin kam 1967 heraus. Es hat folgenden Inhalt: Ein junges Paar mietet eine Wohnung in einem Apartmenthaus, das für seine Spukerscheinungen bekannt geworden ist. Der junge Ehemann ist Schauspieler, der um seine Existenz kämpfen muß. Im gleichen Haus wohnt ein älteres Paar, das zu einer Satanskirche gehört. Als diese Satanisten hören, daß sich die jungen Leute ein Kind wünschen, betreiben sie eine erfolgreiche Beschwörung mit dem Ziel, die jungen Menschen für ihren Satanskult zu gewinnen. Der erfolglose Schauspieler, Guy mit Namen, wird bereit, seine Seele dem Teufel zu verschreiben und auch seine Frau zum Vergnügen der Satanisten preiszugeben. Das Geschäft scheint zu klappen. Guy wird schnell zum begehrten Schauspieler und seine Rosemary erwartet ein Kind, das in einer mystisch-okkulten Vereinigung mit Satan gezeugt worden ist. Rosemary leidet schrecklich, als sie die Hintergründe des Satanskultes gewahr wird.

Ihr Kind wird mit gelben, tigerähnlichen Augen geboren. Hände und Füße sind Klauen oder Krallen. Auf der Stirn sind Ansätze zu Hörnern. Satanisten erscheinen in großer Zahl, um zu dem Kind zu gratulieren und rufen: „Heil Rosemary, Heil Satan!”

Diese Geschichte wurde von Polansky verfilmt. Die Quittung hat er bekommen. Seine hochschwangere Frau Sharon Tate wurde von der Satanisten-Gruppe von Charles Manson überfallen. Manson schlitzte ihr den Leib auf und tötete damit die Mutter und das ungeborene Kind.

Dieser schauerliche Film mit satanischem Hintergrund wird als Start einer magisch-kosmischen Revolution oder einer mystischen Renaissance angesehen. Vergegenwärtigen wir uns die Gegensätzlichkeit zwischen Christus und Satan.

Jesus ist der Sohn Gottes – Rosemarys Baby Sohn Satans. Jesus wurde vom Heiligen Geist empfangen – Rosemarys Baby vom allerunheiligsten Geist. Maria war Jungfrau, Rosemary eine verheiratete Frau. Jesus kam, um sein Volk selig zu machen von ihren Sünden (Mt. 1,21). Das Kind Satans kam, um das Volk zu allen Sünden zu verführen und die Jünger Jesu zu verfolgen. Dem Jesuskind in der Krippe wurden von Königen und Hirten Gaben gebracht. Rosemarys Baby erhielt Gaben von Satanisten, die ihm zujubelten.

Rosemarys Baby ist ein Prototyp für den kommenden Antichristen, der möglicherweise auch Satan zum Vater haben wird; geistig oder körperlich oder beides.

Aus der Seelsorge will ich hinzufügen, daß mir seit einigen Jahren von Geburten aus der Vereinigung von Satan und Mensch berichtet worden ist. Es geht hier um das Problem incubi und succubae, über das ich schon ausgiebig berichtet habe.  Diese entsetzlichen Dinge sind in der Bibel 1. Mos. 6 erwähnt. Sie passieren aber auch heute noch, wie mir von den Missionsfeldern schon einige Male gebeichtet worden ist. Mehr soll hier darüber nicht gesagt werden.

Jesus Christus, Superstar

Die Wellen der Empörung hatten sich noch nicht gelegt und beruhigt, so folgte 1971 schon ein neues Ärgernis in Gestalt der Rock-Oper „Jesus Christus Superstar”.
„Die Bunte” schrieb am 1. 1. 72: „Zwei Engländer, Komponist Andrew Lloyd Webber und Texter Tim Rice, schufen ein Werk, das als markantestes Beispiel für die „Jesus-Welle” gilt, als Schrittmacher der „Jesus-Revolution”.

Die Jugend nahm begeistert diesen neuen Impuls auf. Ein religiöser Rauschzustand löste die Drogenszene ab: „Jesus ist besser als Hasch.”

Eine Revolution für Jesus sollte es sein. In Wirklichkeit war es ein Aufstand gegen den geschichtlichen Jesus von Nazareth, den Sohn des lebendigen Gottes. So weiß Satan sich hinter dem Emotionalen, dem psychischen Wirbel zu verstecken.

Das Reine, Heilige an Jesus wird zerbröckelt. Judas kommt besser weg als Jesus. Er wird als der aktivste und intelligenteste Jünger dargestellt. Der Maria Magdalena wird ein Liebesverhältnis zu Jesus angedichtet.

Wie sehr das angeblich intime Verhältnis der Maria Magdalena mit Jesus in den Vorstellungen moderner Theologen spukt, zeigt folgender Vorfall, der mir von Dr. S., einem Katholiken, der mich oft mit Material versorgt, zugesandt wurde. Dr. S. traf in der Schweiz einen evangelischen Missionar, der im Begriff war, sich für die Ausreise nach Indien vorzubereiten. Dieser Missionar erklärte: „Die Heiden müssen überall in der Welt durch die christlichen Missionen ihre fröhlichen Feste mit Sexspielen aufgeben, obgleich diese doch überhaupt mit Sünde nichts zu tun haben. Jesus hat doch auch mit Maria Magdalena Intimverkehr gehabt.” Dieser Missionar lebt und arbeitet mit einer satanischen Inspiration. Was will er eigentlich in Indien ausrichten? Man hat mir das Foto dieser Missionarsfamilie zugesandt, Eltern und zwei Kinder. Es fällt mir sehr schwer, für dieses Missionsehepaar zu beten. Eine finanzielle Unterstützung kommt nicht in Frage. – Zurück zur Rock-Oper. Der Text dieser Rock- und Pop-Oper wurde übersetzt und in Deutschland Kirchen und Schulen angeboten. So hat mich auch der gesamte Text erreicht.

Wie wurde diese Schandoper von den Christen aufgenommen? Das Werk, schon als Schallplatte ein Riesenerfolg, wurde als Bühnenstück ein Kassenschlager. Große Gruppen der „Jesus People” sehen diese Oper als genuinen Ausdruck ihrer Bewegung an. Die Parolen, die hier zu hören waren, sind z. B.: „Jesus ist der beste Trip, ein neuer Weg um ,high` zu werden. Er ist die Einbahnstraße zum Glück. My sweet Lord.”

Wie fassen es andere Kritiker auf? Ein sehr bekannter Theologe sagte: „Der Glaube an Jesus vermag, wie die Geschichte zeigt, auch in solchen Formen mächtig zu werden.”

In der Tat, das habe ich selbst erlebt. In einem meiner Taschenbücher habe ich vier Formen und Gruppen der Jesus-PeopleBewegung dargestellt. Die letzte und kleinste Gruppe sind solche, die in diesen Reihen ekstatischer Jugendlicher eine echte Bekehrung erlebt haben. Ich bin solchen begegnet. Diese echten Jesusjünger verwerfen die Rock-Oper. Sie sind es auch, die von Prof. Dr. Thielicke gut beurteilt werden.

Thielicke wurde daraufhin angesprochen. Er erwiderte: „Die Kirchen sollen sich dieser Bewegung nicht als pharisäische Besserwisser verschließen, sondern eher darauf gefaßt sein, daß Gott einmal von außen her in sie hineinspricht. Vielleicht sollen dieses Mal nicht die Hirten für die verlorenen Schafe, sondern die verlorenen Schafe für die noch verloreneren Hirten sorgen.”

Das Gros der Jesus People mündete in den emotionalen Strom der Schwarmgeisterei ein. Sie priesen die Rock-Oper als Produkt und Ausdruck ihrer Bewegung. Diese Schandoper ist nur das Firmenzeichen und das charakteristische Signal dieser religiösen Rauschgiftsüchtigen, die zur Revolution gegen Jesus gehören.

Die vierte, echte Gruppe der Jesus People erlebte in den Bekehrungen der Jugendlichen, daß die Ketten des Rauschgiftes und der Sexverwilderung rasselnd abfielen. Sie gehören zur Jüngerschaft Jesu.

Der Exorzist

Bei meiner 32. Vortragstour in den Vereinigten Staaten im Frühjahr 1974 wurde in den Großstädten der Film „The Exorcist” (Dämonenaustreiber) gespielt. Überall baten mich die Pastoren nicht nur um meine Meinung, sondern organisierten in ihren Kirchen Versammlungen, in denen ich über das Problem der Dämonenaustreibung zu sprechen hatte.

Der Gründer und Leiter der Radiosendungen „Youthtime”, Intendant John De-Brine, mietete in Boston eine große Halle mit 2500 Sitzplätzen und lud junge Menschen zu meinem Referat über den „Exorzist” ein. Zu unserer großen Überraschung kauften mehr als 2000 Jugendliche Eintrittskarten.

Was war die Ursache dieses ungewöhnlichen Andrangs?
Zur gleichen Zeit, da ich in Boston meine Vorträge hatte, lief dieser schauerliche Film. Täglich standen Tausende von Menschen oft einige Stunden an, um Eintrittskarten zu bekommen.

Es sei vorweggenommen, daß ich diesen Film nicht ansah, obwohl man mich dazu aufforderte. Christen sollen sich nicht in diese dämonische Atmosphäre begeben. Auch Billy Graham hat öffentlich vor dem Besuch dieses Films gewarnt.

Ich habe meine Kenntnis des Films von einem Psychiater, der dreimal diesen Film besuchte, der ihm so viele neue Patienten zugeführt hatte.
Warum wird bei diesem Film von einer dämonischen Atmosphäre gesprochen?

„The Exorcist” ist die Verfilmung eines gleichnamigen Buches von Peter Blatty. Dieser Autor ist Katholik und wuchs in einer von Jesuiten geleiteten Schule auf. Blatty ist zugleich Spiritist. Zwei der Hauptdarsteller sind wirkliche Jesuiten, ehemalige Schulkameraden von Blatty.

Inhalt des Buches wie des Filmes ist eine mysteriöse Erkrankung der zwölfjährigen Reagan Mac Neil. In Gegenwart des Mädchens bewegen sich schwere Möbel ohne sichtbare Ursache. Das Zimmer des Mädchens wird akustisch belästigt von Tierstimmen und tierischem Heulen. Gewaltsame sexuelle Handlungen, gotteslästerliche Ausbrüche bis hin zu der obszönen Kruzifix-Szene zeigen die tumultuarische Entwicklung und die dämonischen Praktiken des Spukhauses. Das Zimmer ist erfüllt von einem schwefelartigen Gestank. Alle Besucher werden von dem besessenen Mädchen nicht nur beschimpft, sondern mit einem übelriechenden grünen Schleim bespuckt. Reagan fordert die Anwesenden und sogar ihre eigenen Eltern auf, sich mit ihr intim einzulassen. Dieses Wüten führt bis zum schauerlichen Mord an dem Freund der Mutter, der mit herumgedrehtem Hals tot aufgefunden wird.

Es sei eine Zwischenbemerkung angebracht. Parapsychologen, die solche Szenen nur den Energieabspaltungen pubertierender Jugendlicher zuschreiben wollen, werden hier ad absurdum geführt. Die animistische Theorie versagt hier. Was hier im Buch und Film dargestellt wurde, passierte schon mehrmals. Mir sind solche Szenen aus der Seelsorge bekannt. Publizieren kann man diese teuflischen Szenen aber nicht.

Zurück zum „Exorzist”. Man schöpfte alle Möglichkeiten aus, dem medial veranlagten und besessenen Mädchen zu helfen. Darum wurde ein Priester gesucht, der im Exorzismus Erfahrungen hatte.

Der Pater nahm sich der zwölfjährigen Reagan an. Er gebot Satan, sich ihm zu stellen. Das Duell ist für den Pater so anstrengend, daß er einen Herzkollaps erfährt. Ein jüngerer Priester übernimmt seine Aufgabe. Er fordert Satan auf, das Mädchen zu verlassen und dafür seine Seele zu nehmen. Satan geht anscheinend auf dieses Tauschgeschäft ein. Der Erfolg ist, daß der Priester aus dem Fenster springt und im Selbstmord endet.

Das geplagte Mädchen ist damit geheilt. Dieser Schluß des furchtbaren geistlichen Manövers ist unbiblisch wie dieser ganze Exorzismus selbst. Kein Christ kann seine Seele als Opfer für ein anderes Leben geben. Dieses Opfer ist nur möglich durch die Tat Jesu am Kreuz. Gegenüber dem unechten, nicht schriftgemäßen Exorzismus, der auch bei dem Fall der Anneliese Michel von Klingenberg zutage trat, gibt es einen vollmächtigen, biblisch ausgerichteten Exorzismus durch Seelsorger, die von Jesus Christus dazu ausgerüstet sind. Sie machen aber keine Sensation daraus. Es geschieht auf diesem Gebiet in der Stille mehr, als die lüsterne Öffentlichkeit erfährt. Dieses Thema ist in meinem Buch „Besessenheit und Exorzismus” behandelt.

Abgesehen von den unbiblischen und skandalösen Vorgängen ist dieser Film vollgepackt mit Gotteslästerungen und Obszönitäten, so daß das bloße Zusehen schon Schuld vor Gott bedeutet.

Über den dämonischen Charakter des Filmes geben vor allem die Auswirkungen Auskunft.

Durchschnittlich wurden bei jeder Vorstellung in USA vier bis sechs Menschen ohnmächtig. Viele erbrachen. Schwangere Frauen bekamen plötzlich Wehen und hatten eine Frühgeburt. Sensible Menschen erlebten einen Nervenzusammenbruch oder bekamen Tobsuchtsanfälle.

Ich verfüge über direkte Augenzeugenberichte. In Minneapolis war ich Gast eines gläubigen Polizisten. Er lud einen Kollegen ein, der bei diesem Film im Einsatz war. Er hatte mit einer Ambulanz tobsüchtige Jugendliche zum Hospital zu bringen. Die Opfer des Filmes waren nicht bei normalem Bewußtsein. Die Ärzte gaben ihnen Beruhigungsspritzen, die nicht halfen.

Wir haben damit ein interessantes Phänomen, das ich schon einige Male in meinen Büchern dargestellt habe. Bei mediumistischen Psychosen, bei starken spiritistischen Medien und bei Dämonisierten helfen Narkotika nicht. Das ist ein Unterscheidungsmerkmal zu den Geisteskrankheiten.

Damit sind noch lange nicht alle Auswirkungen dieses satanischen Filmes erwähnt. Normalerweise kamen alle Beteiligten bei der Herstellung solcher Filme zu Schaden. Bei den Dreharbeiten löste ein Zwischenfall den anderen ab. In zehn Tagen gab es unter den Beteiligten drei Todesfälle. Der Schauspieler, der aus dem Fenster geworfen wird, fällt tatsächlich eine Woche später tot um. Die Tochter eines Darstellers wurde in einer menschenleeren Gegend von einem Motorrad überfahren. Kulissen brannten ab. Eine Schauspielerin bekam mehrere Nervenzusammenbrüche.

„Amerika wird vom Satan persönlich geschockt”, schrieb eine Illustrierte. Diese Aussage trifft ins Schwarze. In USA löst ein Horrorfilm den anderen ab.

Dieser Horrorfilm hatte unheimliche Auswirkungen. Ein englischer Freund sandte mir einen Zeitungsausschnitt über eine Gerichtsverhandlung in Caernavon. Ein 24jähriger Mann wurde wegen sechs Vergewaltigungsversuchen verurteilt. Es kam bei der Verhandlung heraus, daß er mehrmals den Film „Exorzist” gesehen hatte.

Im Gebiet von Kaiserslautern hat ein amerikanischer Soldat sich nach dem Besuch des Filmes das Leben genommen. Daraufhin hat Oberstaatsanwalt Dr. Kirsch vor Gericht ein Verfahren mit dem Ziel eingeleitet, daß dieser Film in Deutschland nicht gezeigt werden darf. Bis das Gericht entschied, war bereits dieser Horrorstreifen in 40 Städten gelaufen und durfte nach dem unverständlichen Gerichtsurteil weiter gezeigt werden.

Ein deutscher Freund sandte mir die „Salzgitter Zeitung” vom 23. 11. 74 zu. Aus den Briefen an den Herausgeber, geschrieben von Pastor Joost und Dr.-Ing. W. Gitt, entnehme ich folgende Sätze: „Die Exorzistenwelle mit okkulten Praktiken und Satanskult rollt. Leider hat dieser Film nun auch unser Gebiet passiert und wirft tiefe Schlagseiten auf die Menschen, die sich den Film angesehen haben. Manche gingen vielleicht arglos dorthin und kamen zurück – verzweifelt, von Schrecken erfaßt, von Ängsten geplagt, so daß in anderen Städten manche in psychiatrische Kliniken eingeliefert werden mußten. Noch schlimmere Fälle sind bekannt geworden. Ein junger Matrose wurde von dem Film so in den Bann genommen, daß er sich noch in der gleichen Nacht das Leben nahm. Ein 17jähriger aus dem Gebiet von Wolfsburg brachte nach dem Besuch des Filmes einen Kameraden um. Er begründete seine Bluttat mit den Worten: ,Ich habe auch den Teufel im Leib.”

Dieser Film zeigt wie die anderen Horrorfilme, daß Satan mobilgemacht hat. Seit 1967 erleben wir eine satanische Erweckung, die zum Charakter der Endzeit gehört.

Jesus-Porno-Film

1975 faßte der Däne Jens Thorsen den teuflisch inspirierten Plan, über das „Sexualleben Jesu” einen Film zu drehen. Als Titel wurde vorgesehen: „Die vielen Gesichter Jesu”.

Die Dreharbeiten sollten in England durchgeführt werden, weil zuvor Dänemark, Schweden und Frankreich Thorsen die Produktion des Filmes verboten haben.

In England entstand bei diesem Plan Thorsens schärfster Widerstand. Auch die Königin und der Prime Minister waren gegen die Herstellung des Filmes. Ausgerechnet der anglikanische Bischof Dr. Eric Tracey setzte sich für die Dreharbeiten mit den Worten ein: Wenn einer in unser Land kommt und nicht die Freiheit hat, einen Film zu produzieren, dann sind wir kein freies Land.

In Deutschland wurden die Gläubigen aufgerufen, gegen diesen teuflischen Plan Thorsens zu beten. Auch Unterschriften wurden gesammelt. Die Aktion hatte Erfolg. Im April 1976 berichtete das Rundschreiben der Evangelischen Vereinigung für Bibel und Bekenntnis in Baden folgendes:

„Eine Siegesmeldung unseres Herrn dürfen wir vorausschicken. Der gotteslästerliche Jesus-Pornofilm von Thorsen ist verboten. Der dänische Kultusminister hat nicht nur die staatliche Subventionsgarantie von 900.000 Kronen zurückgezogen, sondern auch eine eventuelle Vorführung dieses Filmes für Dänemark verboten. Alle, die darum gebetet und durch ihre Unterschrift gegen diese Lästerung protestiert haben, werden Gott danken, der unseren Kleinglauben beschämt hat.“

Dieser teuflische sexuelle Abgrundsgeist, der in den Filmen mehr denn je zutage tritt, zeigt sich auch in den Machwerken moderner Bildhauer und Maler. Ein gläubiger Katholik, mit dem ich schon einige Jahrzehnte in Verbindung stehe, sandte mir das Duplikat seines Briefes an einen Professor der theol. Fakultät in Salzburg. Ich will den Namen zum Schutz des Professors nicht nennen. Der Brief hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Professor, mit Entrüstung sah ich jüngst in Salzburg eine nackte Christusplastik, deren Anbringung auf Sie zurückgehen soll. Daß meine spontane Empörung nur allzu berechtigt war, konnte ich bald darauf an einem abscheulichen Erlebnis bestätigt finden. Ein Student ging hinter einer Studentin her, und als diese mit einem süffisanten Seitenblick auf die Christusplastik vor sich hin kicherte, machte der Student eine abscheuliche Bemerkung, die so scheußlich war, daß man sie hier im Buch nicht wiedergeben kann. Der Briefschreiber Dr. S. erwähnte diese Bemerkung in seinem Brief an den Professor.

Ich selbst erlitt auch nahezu einen Schock, als mir eine „christliche” Zeitschrift zugesandt wurde. Christus am Kreuz wurde in einer solch obszönen Weise dargestellt, daß es hier nicht geschildert werden kann. Solche Gotteslästerungen werden heute der christlichen Gemeinde zugemutet.

Das Gespenst

Die Gemeinde Jesu kommt unter dem Ansturm der höllischen Mächte nicht zur Ruhe. Diese scheußlichen Filme weisen auf den Kampf hin, der sich im Welthintergrund abspielt: Luzifer ist zum Nahkampf gegen den Nazarener angetreten. Wir wissen aber seit 2000 Jahren, wie dieser Kampf ausgehen wird. Blumhardt hat es in einem wundervollen Lied so ausgedrückt: Daß Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht, sein wird die ganze Welt. Denn alles ist nach seines Todes Nacht in seine Hand gestellt. Nachdem am Kreuz er ausgerungen, hat er zum Thron sich aufgeschwungen. Ja, Jesus siegt.

Ohne die Gewißheit des Sieges Jesu wären die finsteren Machenschaften der Hölle kaum noch zu ertragen.

In Stichworten wird kurz der Inhalt des Filmes von Herbert Achternbusch mit dem Titel „Das Gespenst” wiedergegeben.

Eine Oberin tritt in der Kirche vor den gekreuzigten Jesus. Ihm hängt eine Ochsenzunge aus dem Mund. Die Oberin betet: „Für jede Schlange ist in meinem Unterleib ein Nest.” Als sie zu Bett geht, findet sie dort eine Schlange, die sich in Jesus verwandelt. Jesus wird danach als Ober in der Klosterbar beschäftigt. Zwei betrunkene Polizisten verlangen, Jesus solle ihnen Exkremente beschaffen. Mit seiner Dornenkrone läuft er dann durch die Münchener Innenstadt, um das zu beschaffen. Schließlich versuchen die beiden Polizisten, das Gewünschte selbst vor Achternbuschs Kamera zu produzieren. Später beichtete die Oberin dem Bischof ihre Verfehlungen.

Der Teufel hat seine Freude an diesem gräßlichen Machwerk. Eine schrecklichere Verhöhnung der Person Jesu wird es kaum geben. Ein Gipfelpunkt der Gottlosigkeit ist die Tatsache, daß die Regierung in Bonn eine Subvention in Höhe von DM 300.000,- für die Herstellung dieses Filmes in Aussicht gestellt und schon teilweise ausbezahlt hat.

Noch schwerwiegender als die Verantwortung Bonns ist die Tatsache, daß dieser Film auf dem Kirchentag 1983 gezeigt worden ist. In den Satanskirchen von Anton Szandor La Vey in USA sind solche Darbietungen üblich. Will der Kirchentag sich auf eine Stufe mit den Satanskirchen stellen?

Des Martyriums noch nicht genug. Die Film-Jury der Evangelischen Kirche Deutschlands deklarierte das wahrhaft gespenstische Produkt gar zum „Film des Monats.”

Gotteslästerung auf Staatskosten einerseits – Gotteslästerung mit kirchlicher Billigung und Förderung andererseits.

Es gab aber auch viele Christen, die auf die Barrikaden gingen. Unzählbare Anträge gingen an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München mit dem Ziel, die Beschlagnahmung des Filmes durchzusetzen.

Die Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium” richtete einen Brief an den Bundesinnenminister Zimmermann mit der Bitte um Rückforderung der Subvention.

Die Vereinigung Europäischer Bürgerinitiativen zum Schutz der Menschenwürde, Zentrale Österreich, schrieb in einem Aufruf: „Seit Mitte April (1983) wird in München dieses pornographische, gotteslästerliche Machwerk aufgeführt. Wir in Österreich fragen uns, wie es möglich ist, daß solche Sauereien mit 300.000 DM aus Steuermitteln gefördert werden dürfen. Wie ist es möglich, daß solche Filme erlaubt werden, ohne daß die Staatsanwaltschaft eingreift … Kein kommunistisches Land würde eine solche Subkultur fördern. Wir fordern namens der österreichischen Bürgerinitiative die sofortige Beschlagnahme des Filmes ,Das Gespenst` und die strenge Bestrafung aller Schuldigen.”

Ein Münchner Katholik soll noch zu Wort kommen. Er schrieb mir einen Brief, aus dem ich einige Sätze wiedergebe:
„Heute lege ich den grotesken Bericht bei, daß beim Evangelischen Kirchentag in Hannover der teuflische Film ,Das Gespenst` sogar öffentlich aufgeführt wurde – mit Billigung der obersten kirchlichen Verantwortlichen. Haben Sie da noch Worte?

Gestern, am Freitag, 17.6. 83, war hier in Hl. Kreuz Giesing Firmung durch den jetzigen Erzbischof Dr. Wetter. Nach dem Gottesdienst benützte ich die Gelegenheit, um dem Erzbischof meine Anliegen kurz nahezubringen. Ich sagte ihm, daß das ganze gläubige Volk empört ist, daß die Bischöfe schweigen und zu wenig tun, um solche Schandfilme zu verbieten. Dr. Wetter antwortete – wie erwartet -: ,Da müssen wir schweigen, sonst machen wir nur erst recht Reklame dafür.` Ich entgegnete: ,Nein, die kirchlichen und staatlichen Oberen müssen durch solche Proteste ermahnt werden, solche teuflischen Filme zu verbieten. Da ist Schweigen Verrat!`

Viele Städte haben schon diesen Film, dank der Feigheit der Bischöfe. Und mit solchen Verrätern an Christis Ehre sollen wir Ökumene halten? Wenn Christus als verkommener Landstreicher um Sch … bittet und zuletzt mit einer Oberin im Bett liegt, dann ist das reine Lästerung und Schweinerei. Auch frühere Produkte von Achternbusch waren schweinische Filme.”

Ein echter Katholik!  Evangelische Christen haben Ähnliches geschrieben.

Video-Brutalität

Dem „Mitternachtsruf” August 1983 entnehme ich von Seite 18 einen markanten Kurzbericht, für den ich Wim Malgo dankbar bin. Er lautet:

Auch in Bolivien schießen die sogenannten Videotheken wie Pilze aus dem Boden. Auf dem privaten Bildschirm im Wohnzimmer wird alles gezeigt, ist alles erlaubt, wird nichts kontrolliert. Alles ist Kindern und Jugendlichen zugänglich, ob sie es vertragen oder nicht. In einer deutschen Zeitschrift war zu lesen, daß es eine weltweite Video-Brutalität geben soll, die harte Pornographie, Terror und Action-Filme einschließt. Nur etwa 4 % dieser Filme berichten über Bildung und Musik, alle übrigen zeigen Brutalität, Lüge und Horror. Die verheerende Wirkung dieser Filme steht außer Frage und ist unbestreitbar. Menschen werden zu Objekten degradiert, die man in ekelerregender Weise mißhandeln und umbringen darf. Kinder und Jugendliche werden zweifelsohne schwer gefährdet. Diese Filme haben eine schreckliche Wirkung und können als Reizmittel zur Gewalttätigkeit und zum Verbrechen bezeichnet werden.

Daß diese Video-Brutalität sich in Bolivien ausbreitet, ist kein Ruhekissen für uns. In die dritte Welt ergießt sich nur das, was in den hochzivilisierten Ländern überschäumt.

Dankbar wird es in der Öffentlichkeit vermerkt, daß der badenwürttembergische Innenminister Dr. Roman Herzog der Video-Brutalität den Kampf angesagt hat. Er verlangt wirksame und rasche Maßnahmen gegen die Verbreitung jugendgefährdender Videokassetten mit brutalen, gewaltverherrlichenden Darstellungen. Unter anderem schlägt er vor:

a. Schärfere Rechtsbestimmungen
b. Prüfung der angebotenen Programme
c. Notwendigkeit eines Herstellungs- und Handelsverbotes.  –  Gott schenke dieser
    guten Absicht seinen Segen zur Verwirklichung.

Inzwischen werden immer mehr warnende Stimmen gegen die Videosucht in den christlichen Blättern laut. Der Deutsche Kinderschutzbund wies darauf hin, daß die Kinder nach Videofilmen fast süchtig geworden sind. Erfordert darum von neuem, Videokassetten mit gewaltverherrlichenden Filmen und auch Videospielautomaten an öffentlichen Plätzen unverzüglich zu verbieten. Der Präsident der Organisation sagte dazu, als Folge von Gewaltdarstellungen in den Medien wachse die Bereitschaft der Zuschauer, unter bestimmten Bedingungen selbst Gewalt anzuwenden.

Ein besonderes Problem stellten die Videokassetten dar, die zu etwa einem Viertel der ausgeliehenen Produktion „härteste Brutalität und harte Pornographie” zum Inhalt hätten. Solche Filme lösten bei manchen Kindern regelrechte psychische Schocks aus, bei anderen wiederum fast eine regelrechte Sucht nach diesen Produktionen. Deshalb sollten die Herstellung und Verbreitung von Filmen, in denen extreme Gewalt gezeigt werde, verboten werden.

Negative Folgen seien auch durch die Benutzung von Videospielautomaten zu befürchten; gerade jüngere Kinder gerieten leicht in ein abhängiges Verhältnis zu diesen Spielen.

Ein dpa-Bericht über die Video-Kriminalität gibt diesem Kapitel eine fürchterliche „Abrundung”. Die Information stammt vom Oktober 1983 und hat folgenden Wortlaut:

„Video-Kannibale“

Eine fünfjährige Jugendstrafe wegen zweifachen versuchten Mordes hat die Kieler Staatsanwaltschaft gegen einen 17jährigen Lehrling aus Norderstedt bei Hamburg beantragt, der im Dezember 1982 zwei junge Frauen in der Absicht überfallen haben soll, ihr Fleisch zu essen. Der junge Mann hatte seine Opfer nach Ansehen eines Videofilms mit pornographisch-kannibalistischem Inhalt mit einem Messer schwer verletzt. Der Staatsanwalt plädierte dafür, ihn nach Ableistung seiner Strafe in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.

Als der Junge konfirmiert wurde, kaufte er sich von dem geschenkten Geld einen Videorecorder. Von Anfang an faszinierten ihn besonders Kannibalenfilme. Die ersten brachte der Vater ins Haus. Ehemalige Freundinnen des Jungen sagten vor Gericht aus, er habe beim Betrachten solcher Filme Äußerungen getan wie: „Hast du nicht auch mal Lust, das zu tun?” Vor allem zogen ihn Frauenfüße an. Ein Foto von den Füßen seiner letzten Freundin hing über seinem Bett.

Am 22. Dezember 1982 hatte der Lehrling sich in einem Videoclub den Film „Der Fan” ausgeliehen. Darin tötet eine Frau ihr Idol, zerstückelt es und ißt es nach und nach auf. Nach den Worten des Staatsanwalts hat diese Szene in dem Jungen das Verlangen ausgelöst, einer Frau einen Fuß abzuschneiden und ihn zu essen. Mit einem Messer in der Tasche folgte er noch am selben Abend einem 17jährigen Mädchen und stach von hinten zu. Dem schreienden Mädchen wurde ein Ohr fast vollständig abgetrennt, der Täter flüchtete.

Vier Tage später sah er sich erneut den „Fan” an. Wieder überkam ihn der Drang nach Menschenfleisch, und er fiel auf einem dunklen Weg über eine 24 Jahre alte Frau her. Sie erlitt lebensgefährliche Verletzungen und konnte nur gerettet werden, weil ihr sehr schnell Passanten zu Hilfe kamen.

Einige Tage später folgte das Gericht dem Antrag des Staatsanwaltes.

Fünf Jahre für „Video-Kannibale”

Die Jugendkammer am Landgericht Kiel hat einen 17jährigen aus Norderstedt wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen zu fünf Jahren Jugendstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Nach Vorführungen des kannibalistischen Videofilms „Der Fan” hatte der Jugendliche Ende Dezember 1982 zwei junge Frauen in der Absicht überfallen, ihnen die Füße abzuschneiden und diese aufzuessen. (Die RNZ berichtete darüber.) dpa

Zeigt dieses ganze Kapitel über die gotteslästerlichen Filme und der Video-Porno-Brutalität nicht, daß wir schon längst für den Untergang unserer Kultur und das Gericht Gottes reif sind? Die Schwelle von Sodom und Gomorrha ist schon um ein Vielfaches überschritten.

Soweit der Beitrag von Pfarrer Dr. Kurt Koch aus den achtziger Jahren.

Zusammengestellt von Horst Koch, Herborn, im Februar 2006

info@horst-koch.de

www.horst-koch.de




Zeichen u. Wunder (Heijkoop)

Gebetsheilungen, Zungenreden, Zeichen und Wunder

– im Licht der Schrift

Von H. L. Heijkoop

INHALT

Das Bitten um den Heiligen Geist und die Taufe mit dem Heiligen Geist
Reden in Sprachen (Zungenreden)
Die Stellung der Frau nach der Schrift
Zeichen und Wunder
Krankenheilungen
Ist die Heilung des Leibes in der Versöhnung inbegriffen
Die Gottheit des Herrn Jesu 

  –  Die Schriftstellen sind nach der Elberfelder Übersetzung angeführt.  –

„Werdet mit dem Geiste erfüllt”

Es wird in den letzten Jahren viel über das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist gesprochen, und es werden viele Dinge damit in Verbindung gebracht. Um zu beurteilen, ob das, was gesagt wird, richtig ist, haben wir einen untrüglichen Prüfstein: Das Wort Gottes. Die Schrift nennt die Juden von Beröa edler als die von Thessalonich, weil sie das Wort von Paulus nicht nur mit aller Bereitwilligkeit aufnahmen, sondern auch täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich also verhielte. Und in Galater 1, 8 schreibt Paulus: „Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte, außer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: er sei verflucht!”

Wie nötig ist es da, daß wir, die wir in einer Zeit leben, da viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen sind (1. Joh. 4, 1) und da „sie die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden” (2. Timotheus 4, 3), daß wir alles, was uns vorgestellt wird, sorgfältig an Gottes Wort prüfen. „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, welche die Gestalt von Aposteln Christi annehmen. Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an; es ist daher nichts Großes, wenn auch seine Diener die Gestalt als Diener der Gerechtigkeit annehmen, deren Ende nach ihren Werken sein wird (2. Korinther 11, 13-15).

Ich will vorweg auf einige Punkte hinweisen. Die Bibel ist Gottes Wort. Heilige Männer Gottes haben es geschrieben, getrieben vom Heiligen Geiste. So ist in Wirklichkeit der Heilige Geist der Verfasser der ganzen Bibel, und das bedeutet, daß das Wort vollkommen ist. Es steht alles darin, was wir wissen müssen. und wenn wir genau und sorgfältig lesen und Schrift mit Schrift vergleichen, stellen wir fest, daß auch alles hinreichend deutlich darin steht.

Daraus geht weiter hervor, daß jedes Wort der Schrift seine Bedeutung hat, die die Schrift selbst deutlich macht; und daß niemals zwei oder mehr verschiedene Worte dieselbe Bedeutung haben. Wir Menschen können, wenn wir reden oder schreiben, wohl einmal ein unrichtiges Wort gebrauchen. Gottes Wort tut das nie. Wenn ein anderes Wort gebraucht wird, hat es auch eine andere Bedeutung. Für jemand, der darüber einmal nachgedacht hat, ist das vollkommen klar. Doch gibt man sich hierüber oft wenig Rechenschaft und kommt dadurch dann manchmal zu einem ganz schiefen Bild der Gedanken Gottes.

Der Ausdruck „mit dem Geiste erfüllt” kommt dreimal in den Evangelien, sechsmal in der Apostelgeschichte und einmal in den Briefen vor. Daneben finden wir in 2. Mose 31, 3 und 35, 31, daß Bezaleel mit dеm Geiste Gottes erfüllt wurde, „in Weisheit und in Verstand und in Kenntnis und in jeglichem Werk; und zwar um Künstliches zu ersinnen“ und auszuführen. In 2. Mose 28, 3 müssen alle, die Gott mit dem Geiste der Weisheit erfüllt hat, die heiligen Priesterkleider für Aaron machen und von Josua wird gesagt, daß er mit dem Geiste der Weisheit erfüllt war.

In Lukas 1, 15 wird von Johannes dem Täufer gesagt, daß er schon von Mutterleibe an mit Heiligem Geiste erfüllt werden sollte „und viele der Söhne Israels wird er zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren”. In Vers 41 und 67 werden Elisabeth und Zacharias mit Heiligem Geist erfüllt, um Zeugnis abzulegen.

In Apostelgeschichte 2, 4 wird der Heilige Geist ausgegossen; alle Jünger wurden mit Heiligem Geiste erfüllt und legten ein so mächtiges Zeugnis ab, daß an jenem Tage dreitausend Seelen hinzugetan wurden.

In Apostelgeschichte 4, 8 legt Petrus, erfüllt mit Heiligem Geiste, ein kraftvolles Zeugnis vor dem Synedrium ab.  Und in 4, 31 heißt es: „Als sie gebetet hatten, bewegte sich die Stätte, wo sie versammelt waren; und sie wurden alle mit Heiligem Geiste erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit”.

In Apostelgeschichte 9, 17 sagt der Herr zu Ananias, er solle zu Saulus gehen, der zu einem großen Werkzeug bestimmt sei. Ananias geht und sagt ihm: „Jesus, der dir erschienen ist, hat mich zu dir gesandt, damit du wieder sehend und mit Heiligem Geiste erfüllt werdest”. In Kapitel 13 Vers 9 wird berichtet, wie Paulus, erfüllt mit Heiligem Geiste, den Widerstand von Elymas, dem Zauberer, bricht. Und in Vers 52, nachdem die Juden Feindschaft und Verfolgung wider die Boten des Evangeliums erweckt haben, lesen wir: „Die Jünger aber wurden mit Freude und Heiligem Geiste erfüllt”.

In Epheser 5, 3-21 wird gesagt, wie die Kinder des Lichts wandeln sollen inmitten der Söhne des Ungehorsams. Und in Verbindung damit heißt es in Vers 18: „Berauschet euch nicht mit Wein, in welchem Ausschweifung ist, sondern werdet (seid) mit dem Geiste erfüllt”.

Das sind alle Stellen der Schrift, in denen von dem Erfülltsein mit Heiligem Geiste gesprochen wird. Wenn wir diese Stellen lesen, fällt uns folgendes auf:

1) Das Erfülltsein mit Heiligem Geist ist nicht dasselbe wie die Innewohnung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist wohnt in dem Gläubigen erst seit dem Pfingsttage (Apostelgeschichte 2). In Johannes 14, Verse 16 18 u. 26 und anderen Stellen wird dies ausdrücklich gesagt. So nimmt auch nach Epheser 1, 13 und 2. Korinther 1, 22 der Heilige Geist erst in jemand Wohnung, nachdem er dem Evangelium geglaubt hat, während Johannes der Täufer schon von Mutterleibe an mit Heiligem Geiste erfüllt sein würde nach Lukas 1, 15, und in Apostelgeschichte 4, 31 wurden alle erfüllt mit Heiligem Geiste, obwohl sie in Apostelgeschichte 2 den Heiligen Geist empfangen hatten und da schon mit dem Heiligen Geist erfüllt waren, wie auch von Petrus in Apostelgeschichte 4, 8 gesagt war, daß er mit Heiligem Geiste erfüllt war. Und nachdem die Epheser laut Epheser 1, 13 (vergleiche 2. Korinther 1, 22) den Heiligen Geist empfangen hatten, heißt es in Kapitel 15, 18, daß sie mit dem Geist erfüllt sein sollen. Es wird ihnen dies geradezu als ihre Verantwortung vorgestellt, daß sie erfüllt sein müssen.

2) Aus diesem allem geht hervor, daß das Erfülltsein mit Heiligem Geiste kein bleibender Zustand ist, sondern eher ein zeitlicher, – wenn auch Johannes der Täufer darin einе Ausnahme gewesen zu sein scheint, wegen seiner einmaligen und besonderen Stellung.

3) Ferner geht aus den genannten Stellen hervor, daß das Erfülltsein mit Heiligem Geist gegeben wird für das Werk des Herrn und für das Zeugen für Ihn.

4) Daß die Schrift das Erfülltsein mit Heiligem Geist nicht verbindet mit dem Tun von Zeichen und Wundern oder Reden in fremden Sprachen. In keiner der Stellen im Alten oder Neuen Testament, wo über Erfülltsein mit Heiligem Geiste gesprochen wird, werden Zeichen oder Wunder genannt, mit Ausnahme von Apostelgeschichte 2, 4, wo über „andere Sprachen” gesprochen wird, und von Apostelgeschichte 13, 9, wo Elymas blind wird. Aus den drei Kapiteln der Apostelgeschichte, in denen wir das Reden in Sprachen finden (Apostelgeschichte 2, 4. 8. 11; 10, 46 und 19, 6) geht vielmehr hervor, daß das Reden in Sprachen in Verbindung steht mit der Ausgießung des Heiligen Geistes (Juden in Jerusalem, Nationen und Jünger von Johannes dem Täufer außerhalb Palästinas), also nicht mit dem Erfülltsein mit Heiligem Geist (siehe auch 1. Korinther 12 und 14). Auch geht aus den Stellen in den Evangelien, wie aus den 17 Stellen der Apostelgeschichte, in denen von Zeichen gesprochen wird, deutlich hervor, daß die Schrift die Zeichen nicht verbindet mit dem Erfülltsein mit dem Heiligen Geist, wenn auch in einem Fall gesagt wird, daß der, der ein Zeichen tut, mit Heiligem Geist erfüllt ist.

Es ist zu beachten, daß die Gläubigen in Apostelgeschichte 4, 23-31 beteten: „Gib deinen Knechten, dein Wort zu reden mit aller Freimütigkeit, indem du deine Hand ausstreckst zur Heilung, und daß Zeichen und Wunder geschehen …“  Gott gibt ihnen die erbetene Freimütigkeit, aber nicht durch Zeichen usw. Er erfüllt sie mit Heiligem Geist, und dann reden sie das Wort mit Freimütigkeit.

5) Nirgends wird von jemand gesagt, daß er mit Heiligem Geist erfüllt wird, nachdem ihm die Hände aufgelegt wurden, mit Ausnahme von Apostelgeschichte 9, 17. Da legt Ananias dem Paulus die Hände auf und sagt, daß der Herr ihn gesandt hat, damit er mit Heiligem Geist erfüllt werde. Aber die Schrift sagt nicht, daß Paulus in diesem Augenblick erfüllt wurde, und durchaus nicht, daß es durch das Auflegen der Hände geschah. In allen anderen Stellen kann es nicht durch das Auflegen der Hände geschehen sein.

Außer dem „Erfülltsein“ finden wir viermal in der Schrift den Ausdruck „voll Heiligen Geistes”. Und zwar wird dies gesagt von dеm Herrn Jesus (Lukas 4, 1), von Stephanus (Apostelgeschichte 6, 5 und 7, 55) und von Barnabas (11, 24). Wenn wir diese Stellen lesen, sehen wir, daß es sich hier nicht so sehr um die Kraft für den Dienst handelt, sondern mehr um den praktischen Zustand. Der Gläubige befindet sich hier bleibend in einem Zustand, in dem der Heilige Geist sein ganzes Leben beherrscht und dies ungehindert tun kann. Sowohl bei Stephanus als bei Barnabas geht dies zusammen mit „voll Glaubens” sein, aber nirgends wird der Ausdruck verbunden mit Reden in Sprachen oder Tun von Zeichen und Wundern.

Auch spricht die Schrift über Salbung und Versiegelung mit dem Heiligen Geist. Salbung finden wir nur in 2. Korinther 1, 21 und in 1. Johannes 2, 20. 27. Aus den beiden zuletzt genannten Versen wird deutlich, daß gemeint ist, in die Nähe Gottes gebracht zu sein und dadurch unterscheiden zu können, was nicht aus Gott ist. Vergleiche Offenbarung 3, 18.

Über Versiegelung wird nur in 2. Korinther 1, 21; Epheser 1, 13 und 4, 30 gesprochen und ist an allen drei Stellen mit der Sicherheit, demnächst das Erbteil zu erlangen, verbunden. Gott hat jetzt schon Sein Siegel auf uns gesetzt und uns so die Versicherung gegeben, daß wir Ihm gehören. (Vergleiche Offenbarung 7, 3). Sowohl die Salbung als auch die Versiegelung hat Bezug auf alle Gläubigen und wird in 2. Korinther 1, 21 als eins gesehen mit der Innewohnung des Heiligen Geistes.

Das Bitten um den Heiligen Geist und die Taufe mit dem Heiligen Geist

Aus Römer 8, 11; 1. Korinther 6, 19; 2. Korinther 1, 21. 22; Epheser 1, 13 und anderen Stellen geht hervor, daß der Heilige Geist in unserer Zeit in jedem Gläubigen wohnt. Ich will etwas näher darauf eingehen, weil oft Lukas 11, 13 angeführt wird als Beweis dafür, daß es auch heute richtig sei, um den Heiligen Geist zu bitten.

Ich lasse es offen, ob der Herr in diesem Vers wirklich Seine Zuhörer auffordert, um den Heiligen Geist zu bitten, weil das überwiegend eine Frage der Übersetzung ist. Jedenfalls wird es im Griechischen nicht ausdrücklich gesagt. Nehmen wir aber nun einmal an, daß es wirklich so die Absicht des Herrn war. Dann entsteht die Frage, ob das auch für uns heute noch gilt. Denn in Lukas 11 hatte der Herr Sein wunderbares Werk auf dem Kreuz noch nicht vollbracht und war noch nicht gen Himmel gefahren. Der Tod des Herrn, Seine Auferstehung und Seine Himmelfahrt veränderten ja doch alles, auch die Stellung der Gläubigen.

In Johannes 7, 39 heißt es: „Dies aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn der Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war”. Hier wird also ausdrücklich gesagt, daß die Gläubigen damals den Heiligen Geist noch nicht empfangen hatten. Das sollte erst nach der Verherrlichung des Herrn, also nach Seiner Himmelfahrt, stattfinden. In Johannes 14, 16-18. 25. 26. und 16, 5-7 wird das ganz nachdrücklich bestätigt. Der Herr Selbst sagt in dieser letzten Stelle: „Es ist euch nützlich, daß ich weggehe; denn wenn ich nicht weggehe, wird der Sachwalter nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, werde ich ihn euch senden”.

In der Apostelgeschichte finden wir die Erfüllung dieser Verheißung des Herrn. In Kapitel 1, 5 sagt der auferstandene Herr den Jüngern: „ … ihr aber werdet mit Heiligem Geiste getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen”, genau wie Johannes der Täufer es angekündigt hatte. Zehn Tage nach der Himmelfahrt des Herrn fand die Ausgießung des Heiligen Geistes statt (Apostelgeschichte 2). Petrus sagte den Juden, die in ihren Herzen durch das Wort getroffen waren: „Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen”. Das stimmt völlig mit dem überein, was der Apostel Paulus den Ephesern schreibt, daß sie nämlich mit dem Heiligen Geiste der Verheißung versiegelt worden waren, nachdem sie das Evangelium im Glauben erfaßt hätten. Auch den Gläubigen in Rom, in Korinth und in Thessalonich schrieb er, daß sie den Heiligen Geist empfangen hatten, und daß Er nun in ihnen wohne (Römer 8, 11; 1. Korinther 6, 19; 2. Korinther 1, 22; 1. Thessalonicher 4, 8). Römer 8, 9 sagt ja sogar, daß jemand, in dem der Geist Gottes nicht wohnt, kein Christ ist.

Nachdem der Herr Jesus also aufgefahren und verherrlicht ist, und der Heilige Geist auf diese Erde gekommen ist, um die Versammlung (Gemeinde, Kirche) zu bilden durch die Taufe mit dem Heiligen Geist (1. Korinther 12, 13) und in ihr zu wohnen (1. Korinther 3, 16; Epheser 2, 22), empfängt jeder, der das Evangelium im Glauben annimmt, den Heiligen Geist, der dann in ihm wohnt und bleibt. Dieses Wohnen des Heiligen Geistes in einem Gläubigen ist also nicht auf das Bitten um den Heiligen Geist zurückzuführen, sondern auf den Glauben an das Evangelium (Epheser 1, 13). Die Bitte um den Heiligen Geist mag vor der Verherrlichung des Herrn und vor dem Herabkommen des Heiligen Geistes auf diese Erde am Platze gewesen sein; heute aber kann es nur ein Zeichen von Unglauben sein gegenüber dem, was Gott uns in Seinem Wort versichert.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der Taufe mit dem Heiligen Geist. Die einzigen Stellen im Wort Gottes, wo darüber gesprochen wird, sind Matthäus 3, 11; Markus 1, 8; Lukas 3, 16; Apostelgeschichte 1, 5; 11, 16 und 1. Korinther 12, 13. In den drei ersten Stellen kündigt Johannes der Täufer an, daß der Herr mit (oder „in“) Heiligem Geiste taufen werde. In Apostelgeschichte 1, 5 sagt der Herr Selbst, daß dies jetzt „nach nunmehr nicht vielen Tagen“ geschehen werde. Daran erinnert Petrus in Apostelgeschichte 11, 16, als er kritisiert wurde, weil er Kornelius und andere gläubige Nicht-Juden zur Versammlung (Gemeinde) zugelassen hatte. In 1. Korinther 12, 13 wird uns schließlich die Bedeutung dieser Taufe mitgeteilt: „Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie”.

Das Ziel des Todes des Herrn Jesus war nicht nur, Sünder zu erretten, sondern „daß er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte” (Johannes 11, 52). Als Er das Erlösungswerk vollbracht und damit die Grundlage für die Vereinigung aller Gläubigen gelegt hatte, kam der Heilige Geist auf diese Erde, um das zu verwirklichen. Der Heilige Geist ist das Band, wodurch jeder Gläubige mit dem verherrlichten Herrn im Himmel und mit jedem Gläubigen auf der Erde verbunden ist. Das wird uns in der Taufe mit dem Heiligen Geist vorgestellt, die am Pfingsttage (Apostelgeschichte 2) stattfand.

Diese Taufe ist also ein einmaliges Ereignis gewesen, und zwar für alle, die damals an den Herrn Jesus und Sein Werk glaubten. Sie kann nie wiederholt werden, denn der Leib Christi ist damals entstanden und wird in Ewigkeit bestehen, er kann nie zugrundegehen. Jeder Sünder, der sich jetzt bekehrt und der dem Evangelium glaubt, empfängt den Heiligen Geist, der dann in ihm wohnt; gleichzeitig ist er als ein Glied dem Leibe Christi hinzugefügt worden, der am Pfingsttage durch die Taufe mit dem Heiligen Geist gebildet worden ist. Wir finden deshalb auch, daß diese Taufe in der Schrift nie mit einem einzelnen Gläubigen in Verbindung gebracht wird, sonder immer mit den Gläubigen als Gesamtheit.

Wenn jemand denkt oder lehrt, daß ein Gläubiger heute noch mit dem Heiligen Geist getauft werden muß, dann geschieht es aus Unwissenheit über die wirkliche Bedeutung dieser Taufe, oder aber man verwirft mutwillig das Wort Gottes. – Ausführlicher behandelt findet der Leser dieses Thema in meinem Buch „Der Heilige Geist”.

Reden in Sprachen (Zungenreden)

Reden in anderen Sprachen (Zungen), ohne daß man diese Sprache gelernt hat, kommt im Alten Testament nicht vor. Nur eine Prophezeiung (Jesaja 28, 11-13) findet sich darüber, und wenn diese nicht ausdrücklich in 1. Korinther 14, 11 mit Bezug auf das Sprachenreden angeführt wäre, würden wir sie wahrscheinlich gar nicht damit in Verbindung gebracht haben. Der Sinn der Stelle wird aus dem Zusammenhang deutlich. Weil die Priester und Propheten in Israel nicht mehr zugänglich waren für wahre Erkenntnis und göttliche Botschaft (Verse 7-10), wird Gott durch Menschen mit unverständlicher Sprache und fremder Zunge zu ihnen reden. Es sind ihre Feinde, die das Gericht über sie bringen werden. Und diese Stelle gebraucht der Heilige Geist, um in 1. Korinther 14 klarzustellen, daß die Sprachen ein Zeichen für Ungläubige sind und nicht für Gläubige (Vers 21 u. 22).

Auch in den Evangelien finden wir das Reden in Zungen nicht, außer der Weissagung des Herrn Jesus in Markus 16, 17. Weil aber dieser Vers aus Markus so häufig als Beweis angeführt wird, muß ich hierbei etwas verweilen. Der Herr kommt in Vers 14 zu den Elfen und schilt ihren Unglauben und ihre Herzenshärtigkeit. Dann gibt er ihnen in Vers 15 den Auftrag, das Evangelium zu predigen der ganzen Schöpfung, und sagt in Vers 16, was für die Hörer die Folgen davon sein werden. In Vers 17 sagt Er dann zu ihnen (den Elfen, in Verbindung mit Seinem Verweis ihres Unglaubens in Vers 14), daß denen, welche glauben, Zeichen folgen werden. In Vers 20 gehen sie aus, und der Herr erfüllt Seine Verheißung und bestätigt das Wort durch Zeichen, die darauf folgen.

Wir sehen daraus:

1) Daß die Zeichen nur als Bestätigung des Wortes gegeben werden (Vergleiche Johannes 2, 23-25).

2) Es steht nicht da, daß die Zeichen allen Gläubigen folgen werden.

3) Unmittelbar wird die Verheißung nur den Elfen gegeben, und Vers 20 sagt, daß, als dies Evangelium geschrieben wurde, die Verheißung erfüllt war. Dies ist in Übereinstimmung mit Hebräer 2, 3. 4: „eine so große Errettung … , welche den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat und uns von denen bestätigt worden ist, die es gehört haben, indem Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen”.

Auch aus 2. Korinther 12, 12 geht hervor, daß die Zeichen ein Beweis der Apostelschaft waren. Und ein Apostel mußte den Herrn gesehen haben (Apostelgeschichte 1, 21-26; 1. Korinther 9, 1; 15, 8. 9).

In Apostelgeschichte 2 finden wir zum ersten Mal, daß in Sprachen geredet wird. Der Heilige Geist kommt auf die Erde und tauft die bis dahin in gewissem Sinne einzeln für sich stehenden Gläubigen zu einem Leibe, der Versammlung 1. Korinther 12, 13. Bis zu jenem Tage hatte der Heilige Geist wohl auf Erden gewirkt, aber niemals gewohnt, außer in dem Herrn Jesus (Johannes 3, 34; Kolosser 1, 19). Jetzt kam Er auf die Erde, um hier zu wohnen, in der Versammlung, die Er durch Seine Taufe bildete, und in jedem einzelnen Gläubigen. Sollte diese mächtige Tatsache, daß Gott der Heilige Geist kam, um auf Erden zu wohnen, unbemerkt vorübergehen? Wie die Ankunft des Sohnes Gottes auf Erden durch Zeichen begleitet wurde: Eine Menge von Engel im Land von Bethlehem, und ein Stern im Osten, – so auch die Ankunft des Heiligen Geistes. Aber auch hier sind die Zeichen nicht vor aller Welt sichtbar, sondern nur einer kleinen Gruppe von Menschen. Aber die Folgen dieser großen Tatsache werden jedem sichtbar, der überzeugt werden will (Johannes 7, 17).

In Apostelgeschichte 2 kommt der Heilige Geist nicht in Gestalt einer Taube. Das war nur bei dem Herrn Jesus möglich, Dem einen Reinen, Unbefleckten, der in Sanftmut und Geradheit Seinen Weg ging. Hier wird der Nachdruck gelegt auf Zeugnis: Zerteilte Zungen wie von Feuer.

Ich mache darauf aufmerksam, daß das griechische Wort „glossa”, das hier gebraucht wird, sowohl Sprache als Zunge bedeutet. Wenn z.B. im Jakobusbrief über die Zunge gesprochen wird, wird dieses Wort gebraucht. Aber es wird auch gebraucht für Sprache, wie in 1. Korinther 13 „Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede, und in Offenbarung 5, 9; 7, 9; 10, 11; 11, 9; 13, 7; 14, 6; 17, 15: „aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation” usw.

Nun, dieses Wort wird in Apostelgeschichte 2, 3 gebraucht (zerteilte Zungen wie von Feuer), aber auch in Vers 4 (fingen an in anderen Sprachen zu reden) und ebenso in Vers 11, wo die Menge der ausländischen Juden sagt: „Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden”? Dieses Wort glossa wird ferner überall gebraucht, wo über das Reden in Sprachen (Zungen) gesprochen wird (Apostelgeschichte 10, 46; 19, 6 und 1. Korinther 12, 13 und 14). Daneben kommt das griechische Wort dialektos (Dialekt) vor, aber nur in Apostelgeschichte 1,19;2, 8; 21, 40; 22, 2 und 26,14.

Daraus geht hervor, daß der Heilige Geist – in Übereinstimmung mit der Ankündigung durch den Herrn Jesus (Johannes 15, 26; 16, 7-14) – sich in Apostelgeschichte 2 offenbart im Charakter des Zeugnisses: „Zerteilte Zungen wie von Feuer”. Es ist nicht eine, sondern zerteilte Zungen. Das Zeugnis wird also nicht mehr beschränkt sein auf eine Sprache, wie vor dem Pfingsttage (siehe z.B. Matthäus 10, 5), sondern wird zu vielen Völkern ausgehen. Und als Folge davon reden sie in anderen Sprachen, und alle die ausländischen Juden hören sie in ihrer eigenen Sprache von dem großen Taten Gottes reden. Dies läßt den Zweck des Redens in Sprachen erkennen, nämlich, daß die Frohe Botschaft von Gottes Gnade die Grenzen Israels durchbricht und jetzt ausgeht zu allen Völkern und Nationen und Sprachen und damit vom Heiligen Geiste als Mittel gebraucht wird, das seit der Sprachverwirrung von Babel (1. Mose 11, 1-9) bestehende Hindernis, das Evangelium allen Völkern zu predigen, wegzunehmen (Apostelgeschichte 2, 7. 8). Die Jünger, die ungelehrte und ungebildete Leute waren (4,13), reden über Gott zu Menschen fremder Zunge, in den Sprachen dieser Menschen, obwohl sie diese Sprache nicht gelernt hatten.

Dadurch wird das Übernatürliche, Göttliche ihrer Botschaft bewiesen. Und die Menschen, dadurch überzeugt, lauschen voll Andacht, als Petrus zu ihnen redet, und dreitausend Seelen werden bekehrt.

Wie wir oben gesehen haben, finden wir in der Apostelgeschichte, außer in Kapitel 2, Reden in Sprachen nur in 10, 46 und 19, 6. In Kapitel 10 sind es solche aus den Nationen, während es in Kapitel 19 von gläubigen Juden gesagt wird, die bis dahin wohl Jünger von Johannes dem Täufer, aber noch keine Christen waren, die zu der Versammlung hinzugetan werden.

Alle drei Fälle in der Apostelgeschichte tragen also ausgesprochen den Charakter des Beginns der Versammlung, und in allen drei Fällen betrifft es ganze Gruppen von Menschen, die alle in Sprachen reden und diese Gabe empfangen, ohne darum gebeten zu haben.

In den Briefen finden wir nur in 1. Korinther 12-14 das Reden in Sprachen. Und zwar finden wir folgende Aussagen:

1) Alle Offenbarungen des Geistes, also auch das Reden in Sprachen, werden zum Nutzen gegeben (12, 7).

2) Nicht alle redeten in Sprachen, sondern der Geist gab dies einigen (12, 8-11. 28-30).

3) In der Rangordnung von Gottes Wort steht das Reden in Sprachen ganz unten (12, 8-10. 28-30). Daß es wirklich eine Rangordnung ist, wird deutlich beim Lesen dieser Abschnitte. Sowohl in Vers 28 wie 29 werden die Apostel zuerst genannt.

4) Es ist daher keineswegs zu folgern, daß das Reden in Sprachen bleibend sein würde, denn die Apostel, die zuerst genannt werden, waren auch nur für den Anfang. Nach 1. Korinther 9, 1 (siehe auch Apostelgeschichte 1, 21-22) war es nötig, daß ein Apostel den Herrn gesehen hatte. Es konnten also keine neuen Apostel mehr kommen. Aber außerdem sagen 1. Korinther 3 und Epheser 2 und 3, daß die Apostel den Grund der Versammlung gelegt haben. Nun, es ist deutlich, daß dies nur einmal, im Anfang, geschieht.

5) Die Gabe der Sprachen war nicht gegeben, um in der Versammlung ausgeübt zu werden, sondern als ein Zeichen für die Ungläubigen (1. Korinther 14, 19-25). Und auch nicht für Ungläubige, die es nicht verstehen können (14, 23), sondern für solche, die es verstehen können, und wo es wirklich ein Zeichen ist für die Macht Gottes. Dies ist also in völliger Übereinstimmung mit dem, was wir in Apostelgeschichte 2 gesehen haben.

Wir haben also gefunden:

a) Das Reden in Sprachen wird nur in Markus 16 angekündigt und wird gegeben als eine Bestätigung des gesprochenen Evangeliumswortes, und nur angewendet auf die Predigt der Apostel.

b) Wir finden es nur in Apostelgeschichte 2, 10 und 19, wo es deutlich in Verbindung steht mit dem Anfang der Versammlung.

c) Außerdem finden wir, daß nur noch in 1. Korinther 12 und 14 darüber gesprochen wird, und zwar in einem korrigierenden Sinn.

d) Sowohl aus Apostelgeschichte als auch aus 1. Korinther geht hervor, daß bestehende Sprachen da gesprochen wurden, da wo sie verstanden wurden, und daß die Gabe, in Sprachen zu reden, nicht gegeben war, um in der Versammlung ausgeübt zu werden, wenn dies auch in beschränktem Maße zugelassen wurde, aber nur wenn ein Ausleger da war.

e) Das Reden in Sprachen steht nicht in Verbindung mit dem Erfülltsein mit Heiligem Geiste.

Wenn also alles in der Schrift darauf hinweist, daß die Gabe der Sprachen in Zusammenhang steht mit dem Anfang der Versammlung, ist es wohl nötig, sehr vorsichtig zu sein und alle Äußerungen sorgfältig an Gottes Wort zu prüfen. Dies um so mehr, als die Schrift uns ausdrücklich sagt, daß der Teufel und seine Engel die Gestalt von Engeln des Lichts annehmen, und auch, daß Zeichen und Wunder und Lügengeister vom Teufel kommen können (2. Thessalonicher 2, 9; 2. Chronika 18, 21; Apostelgeschichte 16, 16 u. a.).

Die Geschichte bestätigt dies auch ausdrücklich. Das Reden in Sprachen, die unbekannt waren, wird auch in der Heidenwelt gefunden. Der heidnische Schriftsteller Plato, der um 400 vor Christus lebte, schrieb schon, daß gewisse Menschen nicht ihre eigene Sprache sprachen, sondern die von Dämonen, die in ihnen wohnten. Vergil spricht ebenfalls darüber.

Die Wiedertäufer in der Reformationszeit, die in großer Sittenlosigkeit und anderem Bösen lebten, redeten in Sprachen. Irving, der erklärte, daß der Herr Jesus eine sündige Natur hatte, redete in Sprachen. Die Mormonen bekennen, in Sprachen zu reden u. s. w.

Laßt uns beim Prüfen bedenken, daß Satan nicht allein die Gestalt eines Engels des Lichts annimmt, sondern daß er sein Werk auch oft vermischt mit guten Dingen und durch wirklich Gläubige ausführen läßt (Matthäus 16, 21-23). Aber das Gute, das manchmal bei einer Bewegung gefunden wird, macht nicht die ganze Bewegung gut. Ja, wenn wahre Gläubige darin gefunden werden, kann nicht alles verkehrt sein. Aber die Frage ist auch nicht, ob alles verkehrt ist, sondern ob alles in Übereinstimmung mit der Schrift ist. Und dann fällt z. B. auf, was nicht durch die, die in Sprachen reden, öffentlich gelehrt wird, was aber doch eine kennzeichnende praktische Erscheinung ist, daß nämlich überall, wo Reden in Sprachen vordergründig in Erscheinung tritt, in der Hauptsache Frauen die Leitung haben, daß also 1. Timotheus 2, 11-15 vollständig mißachtet wird.

Und dies ist eine bekannte Erscheinung in allen bösen und unchristlichen Gruppen. Denken wir nur an Christian Science (Frau Eddy), die Theosophen (Frau Blavatsky und später Annie Besant), die Siebentagsadventisten (Frau White) usw. Es ist bekannt, daß bei den Spiritisten auf jedes männliche Medium jeweils mindestens ein Dutzend weibliche Medien kommen.

Die Stellung der Frau nach der Schrift

Gott hat der Frau einen ehrenvollen Platz gegeben. Sie ist die Eva, die Mutter aller Lebendigen (1. Mose 3, 20; 1. Korinther 11,12).
Eine Frau hatte das unendliche Vorrecht, von der Kraft des Höchsten überschattet und so die Mutter des Sohnes Gottes zu werden.
Eine Frau durfte die Füße und das Haupt des Herrn salben, und eine Frau war die erste, die den auferstandenen Herrn sehen durfte. Und Er gab ihr dabei die Offenbarung über die höchste und herrlichste Auswirkung Seines Werkes am Kreuz: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater ” – eine Wahrheit, über die wir nur anbetend staunen können.
Gottes Ratschluß für die Frau ist jedoch nicht, öffentlich in den Vordergrund zu treten. Sie ist ein Vorbild von der Gemeinde, der Braut Christi (Epheser 5, 32); deshalb geziemt ihr der Platz der Unterordnung unter den Mann, denn der Mann ist das Vorbild von Christus, dem Bräutigam der Kirche.

In allen Wegen Gottes mit dem Menschen sehen wir für die Frauen diesen Platz im Hintergrund, in der Zurückgezogenheit. Keiner der von Gott erwählten Schreiber der 66 Bücher der Bibel war eine Frau. Die Geschlechtsregister geben uns die Geschlechter der Männer. Es waren Männer, die Gott berief, um ein Zeugnis zu beginnen (Noah, Abraham, Mose usw.). Die zwölf Apostel, die der Herr berief, und die siebzig, die Er später aussandte, waren sämtlich Männer. Die Sieben in Apostelgeschichte 6, die ein gutes Zeugnis hatten und voll Heiligen Geistes und Weisheit waren, waren Männer. Unter all den Zeugen für die Auferstehung des Herrn, die in 1. Korinther 15 genannt werden, war nicht eine einzige Frau, und das, obwohl Maria die erste war, die den Herrn nach Seiner Auferstehung gesehen hat und dies den Aposteln verkünden durfte. Wo über Älteste, Aufseher und Diener gesprochen wird, ist nur von Männern die Rede. Auch die beiden Zeugen in Offenbarung 11 sind Männer. So könnte ich fortfahren.

Wir sehen das auch bei den Anweisungen, die für die Zusammenkünfte und für das ganze öffentliche Auftreten der Frauen gegeben wurden. 1. Korinther 11 sagt ausdrücklich, daß die Frau, wenn sie einen Dienst tut, bei dem es so aussehen könnte, als ob sie sich neben den Mann stellt, ihr Haupt bedecken muß, als Zeichen dafür, daß sie anerkennt, daß sie einen Platz des Untergebenseins unter den Mann einzunehmen hat. Und damit keine Unklarheit darüber besteht, daß sie nur dann öffentlich beten oder weissagen kann, wenn kein Mann da ist, der dazu imstande ist, sagt die Schrift drei Kapitel weiter ausdrücklich, daß die Frauen in den Zusammenkünften der Versammlung, die ja doch am allerwenigsten öffentlich waren, völlig schweigen sollen (1. Korinther 14, 34-38). In 1. Timotheus 2, 11-15 wird noch besonders betont, daß eine Frau unter gar keinen Umständen als Lehrer auftreten soll. Und die Schrift gibt als Begründung dafür an, daß die Frau beim ersten mal, als sie es tat, ihren Mann und uns alle mitriß ins Verderben.

Manchmal wird behauptet, daß das Wort „reden” in 1. Korinther 14, 34 lediglich „schwatzen” bedeute. Doch das ist eine glatte Unwahrheit. Genau dieses selbe Wort kommt in diesem Kapitel 25 mal vor, u. a. in Vers 21 für das Reden Gottes. Es kann also an keiner einzigen Stelle mit „schwatzen” übersetzt werden.

Bekanntlich spielen ja nun in den sogenannten Pfingstgruppen und in anderen Gruppen, in denen das Zungenreden geübt wird, im allgemeinen Frauen die Hauptrolle; jedenfalls beten sie öffentlich und sprechen in den Zusammenkünften. Sind das keine deutlichen Symptome, um die Geister, die dort am Werk sind, zu erkennen? Ist das keine offene Verachtung des Wortes Gottes?

Zeichen und Wunder

Zeichen und Wunder sind nicht das gleiche. Ein Zeichen ist immer ein Wunder, aber nicht jedes Wunder ist ein Zeichen. Ist die Geburt eines Menschen nicht ein Wunder? Ist der menschliche Leib mit all seinen Organen nicht ein Wunder? Ist die ganze Natur mit allem, was darin vorkommt, nicht ein Wunder? Und ist die Wiedergeburt eines Menschen nicht ein noch größeres Wunder?

Alle diese Wunder kommen aber so oft vor, daß wir daran gewöhnt sind und nicht mehr daran denken, daß es Wunder sind. Wir sehen gewöhnlich nur Dinge als Wunder an, die wenig vorkommen und die also von der gewöhnlichen Erscheinung, von der gewohnten Weise Gottes, zu handeln, abweichen.

Seit der Mensch geschaffen wurde, gab es für ihn Wunder zu sehen, und er wird sie bis in Ewigkeit sehen können. Denn Gott ist unumschränkt und weicht, wenn Er will, von dem ab, was Er selbst als eine Gewohnheit oder als ein Naturgesetz eingesetzt hat.

Zeichen aber setzen Sünde voraus, und daß Menschen Gott nicht glauben oder selbst nicht an Ihn glauben. Ein Zeichen ist ein Wunder, das Gott tut, um den Menschen erkennen zu lassen, daß Er ist und über allem steht. Darum werden in der Ewigkeit keine Zeichen mehr sein, weil es dann keinen Unglauben mehr gibt.

Wir wollen uns in diesem Abschnitt aber auf die Zeichen und Wunder beschränken, die Gott durch Menschen getan hat.

In den ersten 2500 Jahren nach Erschaffung des Menschen finden wir nicht ein einziges Zeichen, das durch Menschen getan wurde. Gab es denn in jenen Tagen keine Gläubigen oder Knechte Gottes? O, sicher. Denken wir nur an einen Mann wie Henoch, von dem Gottes Wort sagt, daß er mit Gott wandelte und durch Gott aufgenommen wurde. Denken wir an Noah, der mit Gott wandelte und den Gottes Wort einen Prediger der Gerechtigkeit nennt. Denken wir an Abraham, den Vater aller Gläubigen. Gibt es im Alten Testament einen größeren und treueren Mann als Abraham? Und so könnte ich noch mehr Gläubige nennen. Aber diese alle haben nicht ein einziges Zeichen getan.

Die ersten Zeichen finden wir bei Mose im Anfang des 2. Buches Mose. Als Gott Moses sandte, um Israel zu befreien, wußte Er, daß Pharao nicht auf Moses hören würde. Darum würde Gott „Ägypten schlagen mit allen meinen Wundern, die ich in seiner Mitte tun werde; und danach wird er euch ziehen lassen” (2. Mose 3, 20). Und als Mose fürchtet, daß auch die Ältesten von Israel ihm nicht glauben würden, gibt Gott auch dafür Zeichen, damit sie dadurch überzeugt würden, daß Mose wirklich von Jehova gesandt war (4, 1-9).

Wir sehen daraus, daß Zeichen gegeben wurden 

1) als ein Gericht über den Unglauben;

2) als ein Beweis, daß der, der das Zeichen tut, wirklich einen besonderen Auftrag von Gott hat.

Was unterscheidet nun Mose von Abraham, Noah usw., daß er Zeichen tat, und sie nicht? Hatte er mehr Glauben als diese beiden? Wenn wir 2. Mose 4 lesen, sehen wir es anders. Der Glaube von Abraham und Noah war viel größer als der von Mose. Und nicht allein Moses, sondern auch Noah kündigte das Gericht an und wies den Weg, ihm zu entgehen. Und nicht allein bei Mose, sondern auch bei Abraham finden wir den Anfang einer neuen Periode in den Wegen Gottes auf der Erde.

Was ist denn das Besondere, das Moses von den anderen unterscheidet? Es ist nicht allein, daß er Licht über neue Dingе empfing und der durch Gott auserwählte Anfang dieser neuen Haushaltung wurde. Das waren Noah und Abraham auch. Aber er empfing einen besonderen Auftrag von Gott, um dieses Neue denen zu verkündigen, die nicht wußten, daß dieses Zeugnis von Gott war.

Wir sehen auch, daß diese Zeichen in einer sehr kurzen Zeit im Anfang getan wurden. Wo finden wir noch Zeichen, die Moses tat, nach den ersten Wochen des Auszugs, außer daß er den Felsen schlug? Wunder geschehen genug! War es kein Wunder, daß Mose vierzig Tage ohne zu essen und zu trinken auf dem Berge war (2. Mose 34)? Und so könnten wir mehr Wunder nennen. Aber es waren keine Zeichen, die er tat.

Dann finden wir, als Josua das Volk in das Land führt, das Zeichen von Josua 10, 12-14. Aber danach 700 Jahre lang keine Zeichen mehr bis Elia und Elisa. Diese taten auch wieder Zeichen und Wunder, aber nicht in Juda, wo der Tempel war, und wo das Gesetz gefunden wurde, sondern nur in Israel, das sich von Juda getrennt, die Anbetung Jehovas offiziell abgeschafft hatte und sich öffentlich zum Götzendienst gekehrt hatte. Gott gibt Seinem abgefallenen Volk durch zwei besonders dazu berufene Knechte ein besonderes Zeugnis, so wie Er das auch in den letzten Tagen tun wird (Offenbarung 11, 3-6).

Nachdem Israel auch dieses Zeugnis verworfen hatte, finden wir keine Zeichen mehr in dem Charakter, wie Moses und Elias sie taten. Wir müssen wieder 700 Jahre überschlagen, bis der Herr Jesus durch das Land ging, und wir wieder Zeichen sehen.

Es ist bemerkenswert, daß Johannes der Täufer keine Zeichen tat (Johannes 10, 41), obwohl der Herr Jesus von ihn sagt, daß Moses und Elias nicht größer waren als er, und obwohl er außerdem von Mutterschoße an mit Heiligem Geiste erfüllt war (Lukas 1, 15). Und ebenso, daß der Herr Jesus Selbst keine Zeichen tat, bevor Er öffentlich auftrat, Seinen Dienst auszuüben (Matthäus 4, 23. 24). Matthäus 11, 3-5 sagt uns, was der Zweck dieser Zeichen war: zu beweisen, daß Er von Gott gesandt war. Siehe auch Johannes 2, 23; 4, 48; 5, 36; 6, 2. 30; Apostelgeschichte 2, 22 usw.

Der Herr wählt die zwölf Apostel und sendet sie aus mit dem ausdrücklichen Auftrag, das Evangelium des Reiches zu verkündigen und Zeichen zu tun (Matthäus 10). Und danach die Siebzig mit dem gleichen, aber etwas begrenzteren Auftrag. Wir müssen dabei beachten, daß der Auftrag beider Gruppen ausdrücklich begrenzt war auf Israel. Sie durften nicht über die Grenzen Israels hinausgehen. Die Zeit der Gnade für die Nationen war noch nicht gekommen.

Als dann der Herr von Israel verworfen, und das Werk der Erlösung vollbracht war, sendet Er als der auferstandene Herr, der im Begriff stand, gen Himmel zu fahren, die Apostel aufs neue aus (Markus 16, 14-20). Aber jetzt ist es nicht mehr das Evangelium des Reiches. Es ist die neue Haushaltung der Gnade, und darum mußte das Evangelium der ganzen Welt verkündigt werden, auch den Nationen, die in der Haushaltung des Gesetzes draußen standen (Epheser 2). Mit diesem Zeugnis verbindet der Herr aufs neue Zeichen, und zwar, wie bei Moses, Zeichen, die den Charakter dessen tragen, was Gott in der verkündigten Botschaft anbieten ließ. Markus 16, 20 sagt uns, daß die Apostel den Auftrag ausführten, und daß Gott Seine Zusage hinsichtlich der Zeichen erfüllte und so das Wort bestätigte. Hebräer 2, 3. 4 bestätigt dies.

In der Apostelgeschichte wird uns beschrieben, wie die Apostel den Auftrag des Herrn ausgeführt haben. Sie predigen das Evangelium und tun Zeichen zur Bestätigung ihres Wortes. Es ist beachtenswert, daß von elf Aposteln (und wenn wir die Stellen im Zusammenhang lesen, sehen wir, daß es praktisch Petrus war) siebenmal , gesagt wird, daß sie Zeichen taten (2, 43; 3, 7; 5, 5-10.12.15-16; 9, 33, 42). Danach finden wir es siebenmal von Paulus (13,11; 14,10; 16,18; 19,12; 20, 10; 28, 3-6 und 28, 8-10) und dreimal von Stephanus und Philippus gesagt (6, 8; 8, 6.13).

Wenn wir die Apostelgeschichte andächtig lesen, machen wir bemerkenswerte Entdeckungen in Verbindung mit diesem Gegenstand:

1) Außer den Aposteln tun nur Stephanus und Philippus, diese besonderen durch Gott berufenen Knechte, Zeichen, und zwar auch nur ein- und zweimal. Darauf wird mehrmals Nachdruck gelegt; siehe z. B. 2, 43; 5, 12. 15; 13, 7-9 usw. Keine der anderen in der Apostelgeschichte genannten Knechte wie Barnabas, Jakobus, Silas usw. haben Zeichen getan.

2) Die ersten sieben Zeichen in der Apostelgeschichte werden alle in Jerusalem getan. Danach tut Philippus Zeichen in Samaria. Danach Petrus zwei Zeichen im jüdischen Land außerhalb Jerusalems. Und danach Paulus siebenmal unter den Nationen.

3) Die Zeichen außerhalb Jerusalems geschehen alle an verschiedenen Orten. Nirgends wird berichtet, daß zweimal Zeichen an demselben Ort geschahen. Und fast immer geschehen die Zeichen dann, wenn derjenige der die Zeichen tut, an diesem Ort das Evangelium zum erstenmal predigt. Die einzigen Ausnahmen davon sind:

a) Ephesus. Da war Paulus nach 18, 19-20 schon gewesen, aber nur sehr kurz, da er keine Zeit hatte.

b) Troas. Da war er nach 16, 8-11 und 2. Korinther 2, 12 zweimal gewesen, aber wahrscheinlich ohne oder fast ohne das Evangelium zu verkündigen.

4) Im Anfang der Apostelgeschichte finden wir einen Strom von Zeichen. Je mehr das Zeugnis bekannt und ausgebreitet wurde, umso länger waren die Pausen.

5) Die durch das Zeichen geheilt wurden, waren Ungläubige. Nur die gläubige Dorkas wurde aus den Toten auferweckt. Manchmal war bei den Kranken Glaube da an die Macht zur Heilung. In anderen Fällen, wie z. B. Apostelgeschichte 3, war das sicher nicht der Fall. Der Mann wußte nicht, wer vor ihm stand und erwartete nichts anderes als ein Almosen. In anderen Fällen war das Zeichen ein Gericht Gottes.

In den Briefen wird nur in 1. Korinther 12 über Wunderkräfte und Gaben der Heilungen gesprochen. Gott hatte etlichen diese Gaben gegeben. Es wird aber nicht gesagt, wer die „etlichen“ sind; auch wird nichts über die Ausübung der Gabe gesagt (12, 28-31). Der erste Brief an die Korinther ist in der Zeit von Apostelgeschichte 19 geschrieben (siehe 1. Korinther 15, 32; 16, 5-9). In keinem der Briefe, die nach Apostelgeschichte 28, 29 geschrieben sind, werden Zeichen oder Heilungen oder Reden in Sprachen gefunden.

Es ist sehr zu beachten, daß über Reden in Sprachen und die Gabe der Heilung nur in Korinth gesprochen wird, wo der Zustand so schlecht war: Sie waren fleischlich, hatten Rechtssachen miteinander, griffen die Autorität der Apostel an. Es war schreckliche, ungerichtete Hurerei in ihrer Mitte, was anscheinend keinen Eindruck auf sie machte. Einige betranken sich beim Abendmahl, und es war falsche Lehre in ihrer Mitte. In den anderen Briefen an Versammlungen, wo der Zustand so viel besser war, werden jene Gaben nicht genannt, und besonders nicht in den Briefen, die nach dem Ende der Apostelgeschichte geschrieben worden sind.

Wohl wird in 2. Thessalonicher 2, 9 von „aller Macht und Zeichen und Wundern“ gesprochen, aber das sind Zeichen des Antichristen, die er durch die Macht des Teufels tut. Siehe auch Offenbarung 13.

Ferner finden wir in Matthäus 7, 22 Menschen, die durch den Namen des Herrn Jesus geweissagt, Dämonen ausgetrieben und viele Wunderwerke getan haben, und zu denen der Herr Jesus doch sagen wird: „Ich habe euch niemals gekannt; weichet von mir, ihr Übeltäter” ! Hat nicht auch Judas Iskariot Zeichen getan? Er war einer von den zwölf Ausgesandten.

Auch finden wir, daß bei Gläubigen teuflische Einflüsse wirksam sein können, wenn auch verbunden mit Dingen, die durch den Heiligen Geist gewirkt sind. Siehe Petrus in Matthäus 16 und die, die das Evangelium aus Neid und Streit predigten (Philipper 1, 15- 17).

Zusammenfassung:

Wir können sagen, daß im Alten Testament Zeichen nur durch einzelne Knechte Gottes getan wurden, die einen besonderen Auftrag von Gott empfangen hatten, den Ungläubigen ein neues Zeugnis zu verkündigen. Neben diesen lebten zu gleicher Zeit Tausende andere, die keine Zeichen taten. In den Evangelien fanden wir, daß, außer dem Herrn Jesus, nur die Zwölfe und die Siebzig Zeichen taten; und im weiteren Neuen Testament nur die Apostel und einmal Stephanus und zweimal Philippus.

Ferner fanden wir, sowohl im Alten wie im Neuen Testament, daß diese Zeichen gegeben wurden als Bestätigung der Predigt dieser besonders beauftragten Knechte. Darum nahmen die Zeichen ab und hörten ganz auf, als das Zeugnis befestigt war.

Auch haben wir gesehen, daß Ungläubige Zeichen tun können durch den Namen des Herrn Jesus, und anscheinend auf Erden nicht immer entlarvt werden, sowie daß Gläubige auch unter teuflischem Einfluß Dinge tun können, die äußerlich sehr schön aussehen, weil sie mit guten Dingen verbunden sind.

Wunder in der Geschichte

In der Geschichte wird oft über Heilung von Kranken, Reden in Sprachen usw. gesprochen.

Unter den Heiden war der Glaube an wunderbare Heilungen weit verbreitet. Ägypter, Griechen, Römer und Germanen hatten ihre Priester und heiligen Männer, die auf übernatürliche Weise Krankheiten heilten. Über das Reden in Sprachen berichtete schon Plato, wie im vorigen Kapitel erwähnt ist.

Ich kann natürlich nicht die ganze Geschichte durchgehen. Das würde viel zu viel werden. Ich beschränke mich daher auf einzelne Erscheinungen.

Montanus, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts lebte, sagte von sich selbst, daß er ein Prophet sei. Die Prophezeiung von Joel sei nun erfüllt. Er redete in Sprachen und legte Kranken die Hände auf. Zwei bekannte Frauen verließen ihre Männer und folgten ihm. In seinem Sprachenreden behauptete er manchmal, daß er Gott sei. Die Bewegung nahm einen großen Umfang an und hielt sich einige Jahrhunderte hindurch.

Im 17. Jahrhundert gab es eine fanatische Sekte in Frankreich, genannt die Camisarden. Sie fand auch in England Eingang, wo sie die französischen Propheten genannt wurden. Ebenso wie Montanus und verschiedene gegenwärtige Sekten nahmen sie für sich in Anspruch, göttlich inspiriert zu sein. Sie behaupteten, daß sie die Gabe der Weissagung, des Zungenredens und besonders der Krankenheilung hätten. Die ganze Bewegung war durch große Unsittlichkeit bekannt. Hurerei, Ehebruch und Blutschande wurden viel unter ihnen gefunden.

In demselben Jahrhundert war der Glaube allgemein verbreitet, daß ein regierender Fürst Krankheiten heilen könne, nur durch das Anrühren der Kranken. Am Ostersonntag 1686 rührte Ludwig XIV. 1600 Personen an, indem er sprach: „Der König rührt euch an, Gott heilt euch”. Karl II., gestorben 1700, hat auf diese Weise ungefähr 100.000 Personen angerührt. Der Geschichtsschreiber Macauley berichtet, daß, als Wilhelm III. von Oranien sich weigerte, dies zu tun, sich eine Flut von Tränen und Verzweiflungsschreien von Eltern und Kindern erhob, die an Krankheit litten. Meist wurde bei solchen Gelegenheiten Markus 16, 17-18 gelesen.

Die Mormonen, diese antichristliche Sekte mit ihrer Vielweiberei usw. reden in Sprachen, heilen Kranke und sagen, daß sie die Gabe der Weissagung haben.

Die Spiritisten reden in Zungen und heilen Kranke.

Die Christian Science (Christliche Wissenschaft), die weder christlich noch Wissenschaft ist, – sie leugnet die Gottheit des Herrn Jesus, Sein Versöhnungswerk, den Heiligen Geist usw. – sagt, daß sie dieselben Werke tue wie der Herr Jesus. Und tatsächlich werden Kranke geheilt.

Dr. Coué, ein französischer Arzt, heilte Kranke auf wunderbare Weise. Er war nicht religiös und gab sich auch nicht dafür aus. Er ließ seine Patienten viele Male wiederholen: „Es geht mir schon viel besser”, und dann „Ich bin geheilt”. Und tatsächlich sind Hunderte auf diese Weise geheilt worden.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung” berichtete im Nov. 1968 von „Heilungen durch den Glauben an den großen Parteivorsitzenden Mao Tse-Tung” in Rotchina.

Offensichtlich spielen Suggestion und Selbstsuggestion bei solchen Heilungen eine große Rolle.

Krankenheilungen

Gottes Geist ist in diese Welt gesandt worden, um die Gläubigen „in die ganze Wahrheit zu leiten” (Johannes 16, 13) und sie mit Dem zu beschäftigen, der nach Vollendung des Erlösungswerkes zur Rechten Gottes hinaufgestiegen ist und von dort wiederkommen wird, um die Seinigen zu Sich zu holen, damit sie für immer bei Ihm seien.

Der Feind, der sich außerstande sieht, denen das Heil zu nehmen, die es in Christo besitzen, ist seinerseits darauf bedacht, sie wenigstens von der Betrachtung Christi abzulenken und ihnen so die einzige Quelle ihres Glücks, ihrer Fortschritte und eines gesegneten Zeugnisses zu rauben. Um diesen Zweck zu erreichen, bedient er sich vornehmlich eines Mittels: er sucht. die Gläubigen mit sich selbst und ihrem irdischen Umständen zu beschäftigen. Er stellt allerlei Dinge vor ihre Blicke, von denen vielleicht mache an sich gut sein mögen, die aber doch dazu angetan sind, ihre Gedanken und ihre Tätigkeit zum Schaden der Verherrlichung des Herrn in Anspruch zu nehmen. Angeblich sollen diese Dinge dem Herrn besser dienen und dem Christen ein größeres Glück verschaffen, als es der einfältige Gehorsam dem Worte gegenüber tut. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall.

Vor allem spielt auf diesem Gebiet in den letzten Zeiten ein Thema eine große Rolle, nämlich die Leiden, durch die Gott die Seinigen gehen läßt. Da die Leiden unserer menschlichen Natur, die einst dazu geschaffen wurde, um auf diesen Erde zu leben und sie zu genießen, zuwider sind, so ist es begreiflich, daß die Menschen gern allem das Ohr leihen, was sie, wie man ihnen vorstellt, von diesen Leiden befreien soll. Aus diesem Grunde legt man auch den Stellen der Heiligen Schrift besonderes Gewicht bei, die sich auf das Gebet beziehen, in welchen Gott verspricht, denen zu antworten, die Ihm im Glauben nahen.

Wenn wir uns nun zunächst fragen, was die Schrift betreffs der Leiden sagt, so werden wir belehrt, daß jede Prüfung in der Hand Gottes ein Mittel zu einer Segnung ist, deren Folgen für die Seele von ewiger Dauer sind. Auch die Krankheit, obwohl sie wie der Tod eine Folge der Sünde ist, gehört zu dem Prüfungen, die der Herr uns sendet, um diesen Zweck zu erreichen. In Römer 8, wo von den Leiden die Rede ist, die mit dieser gefallenen Schöpfung in Verbindung stehen, einer Schöpfung, welche seufzt, und in deren Mitte auch wir seufzen, indem wir die Erlösung unseres Leibes erwarten, wird nichts davon gesagt, daß Gott Seinen Kindern die Leiden ersparen werde. Wohl aber heißt es, daß „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken” (Vers 28). Und in 2. Korinther 4, 17. 18 lesen wir: „Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überschwengliches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, aber das, was man nicht sieht, ewig.”

Dieses „schnell vorübergehende Leichte unserer Drangsal”, das solche herrlichen Ergebnisse hat, währt manchmal das ganze Leben hindurch, denn Gottes Tätigkeit an uns hat nicht diese Erde, sondern den Himmel zum Ziel. Jakobus sagt sogar: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet (hier in dem Sinne von Prüfungen), da ihr wisset, daß die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt. Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, auf daß ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts Mangel habt” (Jakobus 1, 2-4).

Der Zweck, weshalb Gott Glaubensprüfungen mit ihren herrlichen Ergebnissen sendet, kann nicht erreicht werden, wenn man die Prüfung zu beseitigen sucht. Im Gegenteil, es wird uns empfohlen, im Glauben die Weisheit zu erbitten, die imstande ist, uns dem Gedanken Gottes gemäß so durch die Prüfungen zu führen, daß deren vollkommene Ergebnisse erreicht werden (Vergl. Verse 5-8). Die Prüfung ist also keineswegs etwas Außergewöhnliches (vergl. auch 1. Petrus 4, 12), das man so schnell wie möglich loszuwerden suchen sollte. Mag es Verfolgung, Krankheit oder sonst irgendeine Prüfung sein, die Kinder Gottes haben sie heute genau so nötig wie zu jeder anderen Zeit, ja, heute um so mehr, da Gott das Gericht über Sein Haus bringt, bevor Er es an der Welt vollzieht (1. Petrus 4, 17). Er reinigt und heiligt die Seinigen, um sie fähig zu machen, treu zu wandeln und Seine Gemeinschaft zu genießen. Prüfungen sind also Beweise des Wirkens der Gnade Gottes, Seines Liebe und Seiner Weisheit gegenüber Seinen Geliebten, und zwar im Blick auf die Herrlichkeit, wo alle Ergebnisse Seines Tuns mit uns in Erscheinung treten werden. Es bedarf daher schon einer besonderen. und wirklich großen Unkenntnis der Wege Gottes, wenn man Ihn veranlassen will, Sein erzieherisches Wirken an den Seinigen aufzugeben.

Zieht man das in Betracht, so fällt es nicht schwer, einzusehen, wie weit die neuzeitlichen Krankenheiler von den Gedanken Gottes entfernt sind, wenn sie uns sagen: „Ihr braucht nicht krank zu sein. Ihr könnt auf der Stelle gesund werden, wenn ihr nur den Glauben dazu habt.” Heißt das nicht mit anderen Worten: „Gott behandelt euch verkehrt. Er täuscht sich im Blick auf euch, und wir wollen euch die Gesundheit wiedergeben”? Diese ganze Richtung leugnet die Regierungswege des Vaters Seinen Kindern gegenüber oder geht mit Stillschweigen darüber hinweg. Was machen die Leute, von denen wir reden, z. B. aus der Belehrung in Hebräer 12, 4-17? Wo findet in diesem Kapitel der Wille Raum, geheilt zu werden, wenn Gott uns sagt: „Mein Sohn, achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst; denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geißelt aber jeden Sohn, den er aufnimmt. Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott handelt mit euch als mit Söhnen; denn wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?”? Wie will man wirklich den Christen das Ergebnis der Zucht nehmen, die allein imstande ist, uns „Seiner Heiligkeit teilhaftig” zu machen und „die friedsame Frucht der Gerechtigkeit” bei denen hervorzubringen, „die durch sie geübt sind” (Verse 10 und 11)?

Wir wiederholen:

Der bestimmte Wille, jemand zu heilen, ist eine Verachtung der Zucht; er trägt ihr in keiner Weise Rechnung. Die, welche dahingehende Ratschläge erteilen, entmutigen die Bekümmerten, indem sie sie beschuldigen, keinen Glauben zu haben, oder die Meinung in ihnen erwecken, ihre Leiden seien nutzlos. Solche Ratschläge stehen in unmittelbarem Widerspruch mit den Gedanken Gottes und berauben die Seelen der Segnungen, die aus den vollkommenen Wegen Gottes hervorgehen. Überdies ist es kein Zeichen von Gottesfurcht, wenn man Gott vorschreiben will, etwas zu tun oder nicht zu tun.

Die Krankenheiler von heute würden zweifellos den Apostel Paulus aufgefordert haben, seinen „Dorn im Fleische” von sich abzuschütteln. Der Apostel selbst hatte, bevor er die Gedanken des Herrn über diese Sache kannte, dreimal zum Herrn gefleht, Er möge von ihm abstehen, da er meinte, sie würde ihn in dem Werke, das ihm anvertraut war, hinderlich sein. Aber für ihn, wie für uns heute, lautete die vollkommene Antwort des Herrn: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht”. Jetzt wußte Paulus, daß sein Wunsch, der ihn um Wegnahme des Dornes bitten ließ, viel sicherer in Erfüllung gehen würde, wenn der Dorn ihm blieb. Und nun rühmte er sich seiner. Oder ist ihm etwa der Dorn deswegen nicht genommen worden, weil er nicht Glauben genug hatte, wie man von denen sagt, die dieser Art von Suggestion (Einwirkung, Beeinflussung) gegenüber unempfindlich sind.

Ist es diesen Krankenheilern niemals aufgefallen, daß unter all den Hunderten von wunderbaren Krankenheilungen, die uns im Neuen Testament berichtet werden, auch nicht ein einziger Fall ist, in dem ein Gläubiger geheilt wurde? Und das nicht, weil keine Gläubigen krank waren. Gott hat dafür gesorgt, daß wir erfahren sollten, daß auch Seine Kinder an Krankheiten teilhaben, solange sie auf dieser verfluchten Erde sind.

Der Herr Jesus sagt in Matthäus 25, 36: „Ich war krank … “. Epaphroditus war krank, dem Tode nahe (Philipper 2, 25-30). Und das nicht im Blick auf eine Sünde, wie in 1. Korinther 11, sondern um des Werkes des Herrn willen. Und Paulus hat ihn nicht durch ein Wunder geheilt.

Timotheus hatte Magenbeschwerden und war häufig krank (1. Timotheus 5). War Sünde die Ursache? Aus allem geht klar hervor, daß es nicht so war. Dennoch heilt Paulus ihn nicht, sondern gibt ihm den Rat, nicht länger nur Wasser zu trinken, sondern auch ein wenig Wein, denn dies sei besser für seinen Magen. Warum läßt Paulus Trophimus krank in Milet zurück und heilt ihn nicht? Geht aus dem 3. Johannesbrief Vers 2 nicht hervor, daß Gajus manchmal krank war? Warum wünscht der Apostel Johannes ihm so ausdrücklich Gesundheit des Leibes, „gleichwie es deiner Seele wohlgeht”?

Die Apostel taten nichts, um damit in Gottes Wege mit Seinen Kindern einzugreifen! Sollten sie so viel weniger Licht in Gottes Gedanken gehabt haben als diese Krankenheiler? O nein, sie wußten, daß ihr Vater, wenn Er sie durch Krankheiten gehen ließ, höhere Dinge im Auge hatte als leibliche Gesundheit.

Heilung von Ungläubigen

Aber wenn es nun nicht nach Gottes Gedanken ist, Gläubige auf solche Weise zu heilen, bleibt dann nicht die Heilung vom Ungläubigen als Zeichen übrig? Denn es ist doch nicht zu bestreiten, daß sowohl der Herr Jesus als auch die Apostel viele Ungläubige von ihren Krankheiten geheilt haben. Die Krankenheiler berufen sich darauf, daß Gott unveränderlich Derselbe ist, und daß, so wie es früher Heilungen gegeben hat, es diese auch jetzt gibt.

Nun, es ist sicher wahr, daß Gott unveränderlich ist. „Denn ich, Jehova, ich verändere mich nicht” (Maleachi 3, 6). „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit” (Hebräer 13, 8). Aber das sagt nicht, daß Gott Sich immer auf dieselbe Weise offenbart! Hebräer 13, 8 heißt nicht: „Jesus Christus tut dasselbe gestern …” (Im Griechischen steht eigentlich nur: „Jesus Christus, gestern und heute derselbe und in Ewigkeit”. Es geht hier um die Unveränderlichkeit Seiner Person, nicht Seiner Handlungsweise).

Gott hat Sich in jeder der verschiedenen Zeitperioden der Geschichte des Menschen auf eine andere Weise geoffenbart.

Adam offenbarte Er Sich als der Schöpfer. Noah gegenüber als Der, der mit der Erde einen Bund schloß. Abraham gegenüber als der Allmächtige. Israel als Jehova, der Ewigseiende. Den Gläubigen heute als Vater. Und in dem kommenden Friedensreich wird Er sich offenbaren als „Gott, der Höchste, der Himmel und Erde besitzt”. Seine Offenbarung steht immer mit dem jeweiligen Charakter der Dinge in Verbindung.

Obwohl Gott der Unveränderliche ist, handelt Er deshalb nicht immer auf dieselbe Weise. Er offenbart sich und handelt in Übereinstimmung mit den Umständen. Das sehen wir zum Beispiel deutlich in Seinen Gerichten. Welch ein Unterschied zwischen der großen Flut, der Sprachverwirrung von Babel, den 10 Plagen, dem Umkommen von Pharao im Roten Meer, dem Gericht über Korah, Dathan und Abiram, über Nadab und Abihu und über Mirjam.

Nachdem Gott in 1. Mose 7 durch die Flut alles vertilgt hatte, was auf der Fläche des Erdbodens war, ausgenommen das, was mit Noah in der Arche war, sagte Er in Kapitel 8: „Nicht mehr will ich hinfort alles Lebendige schlagen, wie ich getan habe”.

Die Sünde von Ananias und Saphira kommt heute im Prinzip sicher sehr oft vor (man will mehr scheinen als man wirklich ist), und doch straft Gott sie heute nicht wie damals (Apostelgeschichte 5). Der Apostel Jakobus wurde durch Herodes gefangen genommen und getötet, während Petrus auf wunderbare Weise aus dem Gefängnis befreit wurde.

Was wir in dem Abschnitt „Zeichen und Wunder” schon gesehen haben, finden wir bei der Heilung von Ungläubigen bestätigt. Das sind Zeichen, denn wir sprechen jetzt nicht über Gebetserhörungen. Gott erhört die Gebete seiner Kinder, und manchmal erhört Er auch Gebete von Unbekehrten. „Sie heuchelten ihm mit ihrem Мundе, und mit ihrer Zunge logen sie ihm; denn ihr Herz war nicht fest gegen ihn, und sie hielten nicht treulich an seinem Bunde. Er aber war barmherzig, er vergab die Ungerechtigkeit und verderbte sie nicht” (Psalm 78, 36). „Da gab er ihnen ihr Begehr, aber er sandte Magerkeit in ihre Seelen” (Psalm 106, 15). Ich kenne selbst einen Fall, wo Gott so das Gebet einer ungläubigen Mutter für ihr sterbendes Kind erhörte, daß der Arzt sagte, hier sei ein Wunder geschehen. Und dies wurde die Veranlassung, daß sie und ihr Mann zur Bekehrung kamen. Und daß Gott das Gebet seiner Kinder erhört – wer wüßte das nicht aus Erfahrung, auch in Fällen von Krankheit! Aber es geht hier nicht um wunderbare Gebetserhörungen, sondern um offenbare Dinge, um Zeichen.

„Gott war in Christo, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Sünden nicht zurechnend” (2. Korinther 5, 19). Zum Beweis kam der Herr Jesus in wunderbarer Gnade auf die Erde, wie einer der Menschen. Er offenbarte Seine Güte, indem Er ihre Kranken heilte, Aussätzige reinigte, Hungrige speiste. Ja, Er ließ erkennen, daß Er alle Folgen der Sünde wegnehmen wollte, indem Er ihre Toten auferweckte.

Die Welt verwarf die Gnade Gottes: sie kreuzigte den Herrn der Herrlichkeit. Aber Gott erweckte Ihn auf aus den Toten und setzte Ihn zu Seiner Rechten, indem Er sprach: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“ (Hebräer 1,13). Bald kommt die Zeit, da Gott alles unter dem Herrn Jesus zusammenbringen wird, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist (Epheser 1, 10). Und Gott kann das tun auf Grund des Werkes des Herrn Jesus am Kreuz, wo Er dеn Grund gelegt hat, auf dem alle Dinge mit Gott versöhnt sein werden (Kolosser 1, 20). Wir sind jetzt schon versöhnt. Aber alle Dinge (nicht alle Menschen) werden bald versöhnt werden.

Wenn der Herr Jesus auf die Erde kommt, um alles in Besitz zu nehmen (Matthäus 24, 30-31; Offenbarung 1, 7), wird der Fluch von der Erde weggenommen werden. Dann wird die Schöpfung freigemacht werden (Römer 8, 21). Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen (Jesaja 35). „Kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach. Dem Volk, das darin wohnt, wird die Missetat vergeben sein” (Jesaja 33, 24). Krankheit und Tod werden nicht mehr sein (Jesaja 25, 8; 65, 20-22), ausgenommen im Fall öffentlichen Widerstandes gegen den Herrn Jesus (66, 24; Psalm 101, 6-8).

Aber dies ist noch zukünftig. Noch ist der Herr Jesus verworfen und verborgen auf dem Thron des Vaters. Aber Er ist durch die Apostel dеn Juden (und später den Nationen) vorgestellt worden als Der, durch den Zeiten der Erquickung kommen, wenn sie Ihn annehmen würden (Apostelgeschichte 3, 19-21). Und als Bestätigung ihres Wortes wirkte Gott mit durch Zeichen und Wunder, die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters (Hebräer 6, 5). So erkannte Gott das Neue an, als von Ihm kommend, und zeigte damit, daß der volle Segen bereit sei zu kommen, wenn das Volk den Herrn Jesus annehmen würde.

Israel aber verwarf auch das Zeugnis des Heiligen Geistes und wurde beiseite gesetzt (Apostelgeschichte 7, 51-60; 28, 28). Und Gott gab Sein geschriebenes Wort, das Neue Testament, so daß keine Zeichen mehr nötig waren, um zu bestätigen, daß das Zeugnis von Ihm war. Konnte Gott Sich doch nicht länger öffentlich einsmachen mit denen, die von Ihm abwichen und in Ungehorsam ihren Weg gingen.

Die Bedeutung von Jakobus 5

Es ist vielleicht gut, hier noch etwas über Jakobus 5, 14-16 zu sagen, weil diese Verse auch oft gebraucht und mißbraucht werden. Wenn wir sie genau lesen, wird uns klar, daß sie nichts mit den „Gaben der Heilungen” in 1. Korinther 12, 9 zu tun haben. Aus dem Zusammenhang geht hervor, daß es sich in Jakobus 5 um praktische Gerechtigkeit handelt in Verbindung mit den Regierungswegen Gottes, und das ist auch in Übereinstimmung mit dem ganzen Charakter des Briefes. Wie Hiob 36, 7 sagt, zieht Gott Seine Augen nicht ab von dem Gerechten. Die folgenden Verse in Hiob 36 aber zeigen klar, daß das bei einem Abweichen Zucht zur Folge hat, auch um bei Sünden Einkehr und Umkehr zu bewirken. Aus dem Zusammenhang können wir sehen, daß Jakobus über Krankheiten spricht, die die Folge von Sünden sind, wo Gott also Krankheiten schickt als Zucht, weil der Betreffende gesündigt und sich darüber nicht gedemütigt hat.

Kommt er nun zur Einkehr, so daß er sich unter Demütigung zu Gott wendet, dann ist Gott bereit, Gnade zu üben (Hiob 36, 11-14) – ausgenommen natürlich in dem Fall, wo eine Sünde zum Tode (1. Johannes 5) vorliegt. Diese Macht, Sünden zu vergeben (in Gottes Regierungswegen, also was diese Erde betrifft), hat Gott auch der Versammlung gegeben (Matthäus 18, 18; 2. Korinther 2, 7-10), in bestimmten Fällen sogar allen Jüngern.

Der Kranke, der zur Einkehr kam, konnte sich also an die Ältesten wenden, als die durch Gott angewiesenen Personen, diese Vergebung zu gewähren. Als „Älteste” haben sie die geistliche Erfahrung und Nüchternheit, die Gedanken Gottes in solchen Umständen zu kennen. Bei den Juden, auch in den Versammlungen der Juden, finden wir keine offiziell angestellten Ältesten. Dort waren es einfach die ältesten Brüder, die auch in geistlicher Hinsicht Älteste waren. Wir können keine angestellten Ältesten haben, weil niemand da ist, der sie anstellen kann. Überdies sind wir nicht die Versammlung, sondern nur ein kleiner Teil von ihr.

Das ist jedoch für diese Frage nicht so entscheidend, denn Vers 16 enthält Gottes Vorsorge auch für unsere Zeit: „Bekennet denn einander die Vergehungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet”. In Verbindung mit Vers 14 sehen wir also, daß ein Gläubiger die Brüder, die den Charakter und die geistlichen Eigenschaften von Ältesten tragen, bitten kann, an sein Krankenbett zu kommen; er bekennt ihnen seine Sünden, die gemäß den Regierungswegen Gottes die Ursache für seine Krankheit sind, und er bittet sie, mit ihm und für ihn um Heilung zu beten. Und wenn dann sein Gebet und das Gebet dieser Brüder ein Gebet des Glaubens ist, wird Gott ihn wiederherstellen.

Es ist wichtig, daß die Heilung in diesen Versen nicht von der Stellung der Ältesten abhängig gemacht wird oder von der Salbung mit Öl, sondern von dem Gebet des Glaubens. Es ist also nicht so, daß sie hoffen, daß Gott Heilung schenken wird, sondern daß sie es sicher wissen. Könnte der Kranke diese Gewißheit haben, wenn er sich nicht wirklich gedemütigt hätte, wenn er die Krankheit nicht als Zucht aus Gottes Hand nehmen würde und nun wußte, daß Gott vergeben will? Können die Ältesten in diesem Glauben beten, wenn sie nicht die feste Überzeugung haben, daß Gott Sein Ziel mit der Krankheit erreicht hat und daß es keine Krankheit zum Tode ist (1. Johannes 5, 16)? Das ist nur möglich, wenn sie diesen Glauben in Gemeinschaft mit dem Herrn empfangen haben und dadurch gewiß sind, daß Gott dem Kranken Heilung schenken will.

Es ist völlig klar, daß dies etwas ganz anderes ist als das, was bei vielen sogenannten Glaubensheilungen geschieht. Wir müssen dabei auch noch berücksichtigen, daß der Jakobusbrief ein Übergangsbrief ist, der einzige Brief im Neuen Testament, der sich an die zwölf Stämme Israels richtet, wenn er auch die Gläubigen von der Masse des Volkes unterscheidet.

Wunderkräfte oder Gehorsam

Wir leben in den Tagen des Verfalls. Ein Kennzeichen der Endzeit, diesen schweren Zeiten in denen wir leben, ist dieses, daß man viel über Kraft spricht, aber wenig über Gehorsam gegenüber Gottes Wort. Die Erkenntnis, die man dadurch erwirbt, daß man einfältig den Schriften glaubt, wird verworfen. Dafür ist man geneigt, an die eine oder andere Kraft zu glauben, die nichts mit dem Heiligen Geist zu tun hat, aber die von dem Menschen bewundert wird, und die später, konzentriert in dem „Menschen der Sünde”, vollkommen geoffenbart sein wird. Satan will sehr gerne denen, die begierig nach der einen oder anderen übernatürlichen Kraft ausschauen, seine Kraft geben, anstatt des Heiligen Geistes. Man braucht keinen außergewöhnlich scharfen Blick zu haben, um in unseren Tagen die Vorläufer der „wirksamen Kraft des Irrtums” zu erkennen, von der der Apostel in 2. Thessalonicher 2 spricht.

Bei vielen Christen herrscht eine große Sehnsucht und Unzufriedenheit auf geistlichem Gebiet. Sie fühlen, daß ihr Leben fruchtleer ist und sehnen sich nach einem höheren Niveau ihrer Erfahrungen. Vielfach kennen sie ihre Bibel und ihre herrlichen Segnungen in Christo viel zu wenig, und so entsteht in ihnen ein ungesundes Verlangen nach immer neuen, handgreiflichen Erfahrungen und starken Gemütsbewegungen. Aus Mangel an geistlichem Unterscheidungsvermögen schreibt man Gott und Seinem Geist etwas zu, was im Grunde das Ergebnis von Einbildung ist oder seelischen, ja oft sogar satanischen Ursprung hat (Spiritismus, Okkultismus).

Viele mögen aufrichtig sein, aber Aufrichtigkeit ist nicht Wahrheit. Aufrichtigkeit allein ist kein Schutz gegen die vielerlei Verführungen. Nur die Liebe zur Wahrheit und der Gehorsam gegen die Wahrheit schützen uns gegen die religiöse Verwirrung unserer Zeit. Ist das Leben eines Gläubigen fruchtleer, so ist die Diagnose meist sehr einfach: Es fehlt an Erkenntnis und an Hingabe.

Die Getreuen, die den wahren Zustand der Versammlung sehen, sind vor allem um die geistliche Gesundheit besorgt, daß die Heiligen in der Wahrheit wandeln, in wahrer Absonderung von der Welt und von allem, was nicht nach dem Willen des Herrn ist. Sie verlangen danach, daß dem Heiligen Geist und Seinem Dienst der Verherrlichung des Christus der volle Platz eingeräumt wird, daß die Glieder des Leibes des Christus ihr Verbundensein untereinander erkennen und an dem von Gott gegebenen Platz verwirklichen, damit die Heiligen, die Wahrheit festhaltend in Liebe, heranwachsen in allem zu Ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. Wer so seinen Weg gehen will in einfältigem Gehorsam, erhält von Gott die Antwort auf das erhabene Gebet, das der Sohn an Ihn richtete in der Nacht, in welcher Er überliefert wurde: „Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit (Johannes 17, 17).

Ist die Heilung des Leibes in der Versöhnung inbegriffen?

Um die Behauptung zu bekräftigen, daß ein Gläubiger nicht krank zu sein braucht, behaupten die Krankenheiler (Gesundbeter), daß der Herr Jesus auch unsere Krankheiten getragen hat, und daß daher die Heilung des Leibes in dem Versöhnungswerk inbegriffen ist. Obwohl sie hierin alle übereinstimmen und alle auch als Schriftbeweise Jesaja 53, 4 und Matthäus 8, 17 anführen, stimmen sie doch in ihren Beweisführungen nicht überein.

Matthäus 8, 17 sagt ausdrücklich, daß Jesaja 53, 4 erfüllt worden ist in dem Leben des Herrn Jesus und nicht bei Seinem Sterben. Und Matthäus gibt dazu auch die Erklärung. Der Herr trieb die Geister aus und heilte alle Leidenden, „damit erfüllt würde, was durch Jesaja gesagt ist, welcher spricht: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten” (Matthäus 8, 17).

Manche sagen, daß Satan durch den Sündenfall einen doppelten Fluch gebracht hat, nämlich Sünde und Krankheit, aber daß der Herr Jesus in Seinem Versöhnungswerk eine doppelte Wiederherstellung gegeben hat, nämlich Errettung und Heilung. Sie teilen nun Jesaja 53, 5 eigenmächtig in zwei Teile und damit ebenso das Versöhnungswerk des Herrn Jesus. „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm”: Dies bezieht sich auf unsere Sünden und ist an dеm Kreuze erfüllt. Das Folgende aber „und durch seine Striemen ist ins Heilung geworden” bezieht sich nach ihrer Meinung auf unsere Krankheiten, und dies habe sich erfüllt vor dem Kreuze, als der Herr Jesus vor dem Hohenpriester und vor Pilatus geschlagen und mißhandelt wurde.

Wahrscheinlich ist man einfach ausgegangen von dem Klang der Worte „Striemen” und „Heilung” und ist so zu dieser Schlußfolgerung gekommen. Man hat dabei vergessen, daß das Buch Jesaja Weissagung ist und wie alle anderen Weissagungen Bildersprache gebraucht. Und dabei hat man die wichtige Grundregel vergessen, die Gottes Wort selbst für die Auslegung von Weissagung gibt in 2. Petrus 1, 20. 21: „indem ihr dies zuerst wisset, daß keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Männer Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geiste. Nur wenn wir Schrift mit Schrift vergleichen, lernen wir die wirkliche Bedeutung einer Schriftstelle kennen.

Wer gibt uns denn das Recht, den Vers Jesaja 53, 5, der von dem Versöhnungswerk für unsere Sünden handelt, einfach zu teilen und damit auch das Werk des Herrn in einen Teil, der am Kreuz, und einen Teil, der vor dem Kreuze stattfand? Es gibt keine Schriftstelle hierfür. Spricht die Schrift nicht von Heilung der Seele in Verbindung mit Sünde (Psalm 41, 4 Matthäus 13, 15 und Markus 4, 12; Jeremia 3, 22; 6, 14; 14, 19)? Und wendet Petrus nicht gerade die Worte aus Jesaja 53, 5 auf das Werk des Herrn für unsere Sünde an (1. Petrus 2, 24)? Hier haben wir die Erklärung der Schrift selbst.

Bedeutet denn „das Tragen unserer Sünden” durch den Herrn in 1. Petrus 2, 24 keine Stellvertretung? Und wenn ja, warum bedeutet das Tragen unserer Krankheiten in Matthäus 8, 17 dann keine Stellvertretung?

Nun führen die Behauptungen der Krankenheiler oft zu den schlimmsten Folgerungen. Wenn der Herr Jesus unsere Krankheiten und Schmerzen stellvertretend getragen hat, dann war das nach Matthäus 8, 17 in Seinem Leben vor dem Kreuz. Aber dann wird Sein Werk geteilt in zwei Teile; ein Teil auf dem Kreuz, und ein Teil vor dem Kreuz. Während der drei Jahre soll der Herr also eine Versöhnung ohne Blut zustande gebracht haben für unsere Krankheiten und danach auf dem Kreuz eine Versöhnung mit Blut für unsere Sünden. Das ist eine Ketzerei, die bei keinem einsichtigen Christen Verteidigung finden wird.

Man hört auch die Ansicht:

„Diese drei: Sünde, Krankheit und Tod, sind die Werke des Teufels; Jesus war gekommen, sie zu vernichten (1. Johannes 3, 8). Und sie sind vernichtet durch das Leiden, Sterben und Auferstehen von Jesus Christus. Jesus hat unsere Krankheit getragen auf Golgatha“. Und daraus zieht man die Schlußfolgerung, daß Gott nicht will, daß wir krank sind, ebensowenig wie Er will, daß wir sündigen.

Nun, wenn Vorstehendes wahr wäre, würden wir sicher erwarten, dies im Brief an die Römer zu finden. Denn in diesem Brief wird uns die Lehre des Heils so deutlich vorgestellt: Vergebung der Sünden und Befreiung von der Sünde.

Aber dieser Brief sagt davon kein Wort. Im Gegenteil sagt Römer 8, 23. 24, daß wir in einer seufzenden Schöpfung leben und selbst auch seufzen, erwartend die Erlösung unseres Leibes; denn in Hoffnung sind wir errettet worden. Und 8, 11, sagt, daß unsere sterblichen Leiber in Zukunft lebendig gemacht werden sollen.

Wenn die Heilung des Leibes von Krankheit und Tod tatsächlich in dem Versöhnungswerk stattgefunden hätte, ebenso wie die Sühnung für unsere Sünden, dann müßten wir doch annehmen, daß dies für alle drei dieselben Folgen hat.

Nun, niemand, der die Schrift kennt, wird leugnen, daß jeder, der den Herrn Jesus angenommen hat, vollkommen teil hat an Seinem Werk. Die Frage seiner Sünden ist dann endgültig geordnet: sie sind für immer hinweggetan. Römer 4, 7; 5, 1. 9. 19; Epheser 1, 7; Kolosser 1, 12-14. 21; 2, 13; Hebräer 10, 14-18; 1. Petrus 2, 24 usw. Das hängt nicht von seinen Werken vor oder nach seiner Bekehrung ab, noch von seiner Einsicht in die Ausdehnung des Werkes des Herrn. Das ist allein aus Gnade.

Nun, dann müßten wir doch von unserer Bekehrung ab Krankheit oder Tod nicht mehr kennen. Dann dürfte es auch für Gläubige keine Altersbeschwerden und kein Sterben mehr geben. Und das dürfte ebensowenig von unseren Werken abhängen, denn dann würde es keine Gnade mehr sein.

Und wenn Gott tatsächlich unser Teilhaben an dieser Seite des Werkes des Herrn Jesus davon abhängig gemacht hätte, daß wir es annehmen, dann würde das bedeuten, daß weder Paulus noch Petrus noch Johannes noch irgendein anderer Gläubiger in diesen mehr als neunzehnhundert Jahren es angenommen hat. Denn alle sind gestorben, wie ja auch die größten Führer dieser Bewegung.

Dann könnte es nicht wahr sein, was Philipper 1, 21 steht, daß Sterben Gewinn ist. Könnte ein Zustand, der im Widerspruch mit Gottes Willen ist und aus dem Unglauben gegenüber Gottes Gedanken stammt, besser sein als das, was der Herr Jesus für uns am Kreuz bewirkt hat, und was Gott uns geben will?

Wie schrecklich würde dann das Wort von Paulus in 2. Timotheus 4, 6 sein: „die Zeit meines Abscheiden ist nahe”; und was Petrus in 2. Petrus 1, 14 schreibt: „da ich weiß, daß das Ablegen meiner Hütte bald geschieht, wie auch unser Herr Jesus Christus mir kundgetan hat”. Und alle Märtyrer, von Stephanus an, die dachten, für den Herrn zu sterben, wären dann nur wegen ihres Unglauben gestorben.

Wie schrecklich würde dann Paulus sich geirrt haben, als er in 1. Korinther 15 die Ankunft des Herrn als das einzige Geschehen vorstellte, wodurch Gläubige nicht mehr zu sterben brauchten. Und das in dem inspirierten Wort Gottes!

Doch genug! Es wird für jeden Unvoreingenommenen deutlich sein, daß diese Lehre in direktem Widerspruch steht zu Gottes Wort und in ihren Folgen geradezu verheerend wirken muß.

Gottes Wort lehrt uns, daß Krankheit, Leiden und Tod Folgen der Sünde sind. Der Herr Jesus hat durch Sein Werk am Kreuz den Grund gelegt zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer (Hebräer 9, 26-28), und daß einmal Himmel und Erde, die ganze Schöpfung gereinigt und zu Gott zurückgebracht werden wird (Kolosser 1, 20-22). Wir sind jetzt schon versöhnt und haben die Vergebung unserer Sünden. Die Frage der Sünde, was unser Verhältnis als Geschöpfe dem Schöpfer gegenüber betrifft, ist vollkommen gelöst. Wir sind auf immerdar vollkommen gemacht (Hebräer 10, 14). Das ist die Errettung der Seele, die wir jetzt schon besitzen (1. Petrus 1,9).

Was unseren Leib betrifft, gehören wir noch zu dieser Schöpfung. Und obwohl der Herr Jesus auch unseren Leib erkauft hat (1. Korinther 6, 20), hat dieser doch praktisch noch nicht teil an der Errettung. Wir erwarten den Herrn Jesus als Heiland, „der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit” (Philipper 3, 21). Jetzt haben unsere Leiber noch teil an der Sterblichkeit und Verweslichkeit (1. Korinther 15, 48-54).

Wir seufzen mit der ganzen Schöpfung, erwartend die Erlösung unseres Leibes (Römer 8, 23). Wir haben teil an den Drangsalen und Leiden hier auf Erden (Römer 5, 3-6). Aber weil der Heilige Geist in uns wohnt, wissen wir, daß unser Vater diese Leiden zu unserer Erziehung gebraucht (Römer 5, 5; Hebräer 12). Und dabei gibt uns die Schrift die herrliche Versicherung, daß der Herr Jesus als Mensch auf Erden an all den Leiden teilgenommen hat, die unser Teil auf Erden sind, damit Er jetzt, als Hoherpriester im Himmel, Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, um uns zu Hilfe zu kommen als unser Mittler und Fürsprecher in vollem Bewußtsein unserer Lage, unserer Schwierigkeiten, unserer Gefühle und der Gefahren, denen wir ausgesetzt sind (Hebräer 2, 10. 11. 18; 4, 15. 16; 5, 7. 8; 7, 25. 26 usw).

Das ist die Erklärung, die die Schrift uns von Jesaja 53, 4 und Matthäus 8, 17 gibt, das heißt, soweit wir diese Stellen auf uns anwenden können.

Wir dürfen nicht vergessen, daß Jesaja 53 Prophezeiung ist. Da werden uns prophetisch die Gefühle des gläubigen Überrests aus den zwei Stämmen (Juda und Benjamin) wiedergegeben, wenn sie den Herrn Jesus aus dem Himmel kommen sehen werden und erkennen, daß sie ihren Messias verworfen und gekreuzigt haben (Sacharja 12, 10-14; 13, 6-9). Wenn wir Jesaja 52, 53 und den Anfang von Kapitel 54 lesen, ist das vollkommen deutlich. Nun, das ist der Beginn des tausendjährigen Friedensreiches, wenn wirklich der Fluch von der Erde weggenommen sein wird, und die Menschen nur noch sterben werden durch ein öffentliches Gericht Gottes, wenn sie offenbar gesündigt haben (Jesaja 65, 19-25).

Das gleiche ist der Fall mit Psalm 103, der durch Hermann Zaiss, einem bekannten Gesundbeter, oft angeführt wurde, um das sogenannte Glaubensheilen zu rechtfertigen. Auch da finden wir den gläubigen Überrest aus Israel, der nach dem herrlichen Tag der Herrschaft des Christus ausschaut. Wenn Er jeden Morgen die Gesetzlosen des Landes vertilgen wird (Psalm 101, 8), wenn Sein Reich über alles herrschen wird (Psalm 103, 19), dann wird Er die Ungerechtigkeit von Jakob vergeben und seine Krankheiten heilen (Römer 11, 26). Dann wird sein Leben erlöst sein von der Grube (Psalm 103, 3-5), wie wir in Jesaja 65 gesehen haben.

Wenn die Lehrer der sogenannten Glaubensheilung „das Wort der Wahrheit recht geteilt hätten”, dann würden sie sich nicht zu schämen haben und vor Gott bewährt bestehen können (2. Timotheus 2, 15). Aber dann würden sie nicht mit dieser beklagenswerten Lehre gekommen sein, die der Heiligen Schrift direkt widerspricht, durch die so viele einfältige Seelen verführt werden, und dem Glaubensleben so viel Schaden zugefügt wird.

Einige weitere Kennzeichen des Irrtums

Wir haben bereits gesehen, daß die Grundsätze dieser Heilungsbewegungen im Widerspruch stehen zur Heiligen Schrift; aber auch in anderer Richtung müssen wir leider feststellen, daß sie nicht das Kennzeichen des Heiligen Geistes tragen. Es werden in ihren Schriften die Stellen aus Gottes Wort so aus dem Zusammenhang gerissen und daraus so unmögliche Schußfolgerungen gezogen, daß es nicht möglich ist, auf alles einzugehen, ohne ganze Bücher zu schreiben. Die Anführung einzelner Zitate wird deutlich machen, welcher Geist aus diesen Schriften spricht.

Bei vielen Gelegenheiten wird Johannes 14, 12 angeführt: „Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe”. Dies wird dann nur auf das Tun von Wundern bezogen. Und jeder Gläubige kann und muß somit größere Werke (und sie lesen dann: Zeichen) tun als der Herr Jesus tat.

Dies macht doch wohl deutlich, daß das nicht dem Sinn entspricht. Der Herr spricht nicht von Zeichen, sondern von Werken. Nun, am Pfingsttage und später sehen wir größere Werke. Nirgends sind durch die Predigt des Herrn 3000 Menschen an einem Tag bekehrt worden. Die größte Zahl an Gläubigen, von der wir vor dem Pfingsttage lesen, ist 500 (1. Korinther 15, 6). In Jerusalem waren nach der Himmelfahrt nur 120 zusammen.

Es ist ein Kennzeichen dieser Bewegung, dаß die irdischen Dinge für sie wichtiger sind als die himmlischen, geistlichen. Bei all den Zeichen, die Gott durch Seine Knechte tun ließ, war auch das Geben von Leben. Wir sehen das bei Moses in 2. Mose 8, 16-19. Alle Zeichen ahmten die Zauberer nach. Aber als Moses aus Staub Stechmücken machte, konnten sie dies nicht. Satan kann vieles nachmachen, aber Leben kann er nicht geben. Er kann durch seine Knechte Zeichen und Wunder tun, siehe z. B. Matthäus 24, 24 „Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um so, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen”. Die Ankunft des Gesetzlosen wird sein „nach der Wirksamkeit des Satan, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge”. Er wird bald selbst die Auferstehung nachahmen, als ob er auch Leben geben könnte (Offenbarung 13, 3). Aber Gottes Wort läßt uns erkennen, daß das Tier wohl „wie tot“ war, aber nicht wirklich tot. Der Antichrist wird große Zeichen tun und selbst Feuer vom Himmel herabkommen lassen, – das bekannte Zeichen der Gegenwart Gottes. Dem Bilde des Tieres kann er nur Odem geben, nicht aber wirkliches Leben (13, 15).

Gott ist der Ursprung alles Lebens. Darum nennt Ihn die Schrift „den lebendigen Gott“. Darum gab Gott Seinen Knechten mit den Zeichen, die Er durch sie tun ließ, auch die Macht, Leben zu geben. Denn das konnte Satan nicht nachahmen, und das war schließlich das sichere Zeichen, daß Gott wirkte.

Wir sahen das schon bei Mose. Auch sehen wir es bei Elia und Elisa (1. Könige 17, 22; 2. Könige 4, 32-36). Wir sehen es bei dem Herrn Jesus, der sowohl eine eben Gestorbene, wie einen, der gerade zu Grabe getragen wurde, und einen, der schon vier Tage im Grabe gelegen hatte, auferweckte, so daß niemand sagen konnte, es sei nur ein Scheintoter gewesen. Der Herr gab auch den Auftrag, Tote aufzuwecken, als Er die Zwölfe aussandte (Matthäus 10, 8). Und in der Apostelgeschichte sehen wir, daß auch die Apostel Tote auferweckten (Apostelgeschichte 9, 36-41; 20, 9-12).

Die Anerkennung des Herrn JESUS als HERR

Römer 10, 9 sagt: „Wenn du mit deinem Munde Jesum als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, wirst du errettet werden“.

In 1. Korinther 1, 2 werden alle Jünger zusammengefaßt mit den Worten: „samt allen, die an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen, sowohl ihres als unseres Herrn”. Und in 1. Korinther 12, 3 steht: „niemand kann sagen: „Herr Jesus! als nur im Heiligen Geiste”.

Aus diesen Stellen geht hervor, daß Gottes Wort das Bekennen des Herrn Jesus als Herr, und das Sprechen von Ihm als dem „Herrn Jesus” das Kennzeichen der Jüngerschaft nennt, ja es mit der Errettung verbindet. Und nur durch die Wirkung des Heiligen Geistes kann ein Mensch Herr Jesus sagen, denn nie wird ein böser Geist das tun. Die Teufel (Dämonen) erkennen niemals den Herrn Jesus als Herrn an. Satan kann die Gestalt eines Engels des Lichts annehmen (2. Korinther 11, 14). Seine Engel können den Herrn Jesus „Sohn Gottes“ nennen (Matthäus 8, 29) oder „der Heilige Gottes“ (Markus 1, 24). Sie können öffentlich die Ehre von Knechten des Herrn ausrufen (Apostelgeschichte 16, 17). Aber niemals finden wir, daß ein böser Geist den Herrn Jesus Herr nennt.

Der Titel Herr ist nicht die höchste Herrlichkeit des Herrn Jesus. Er gibt nicht Seine persönliche und ewige Herrlichkeit an, sondern eine Stellung, die Ihm nach dem Vollbringen des Versöhnungswerks und nach der Auferstehung gegeben worden ist (Apostelgeschichte 2, 36). Ihn als Herrn zu kennen, ist die einfachste Kenntnis, die ein Bekenner besitzen kann, denn das bedeutet nur die Anerkennung, daß der Herr Jesus Autorität über ihn hat. Aber die bösen Geister erkennen diese Autorität nicht an! Es kommt einmal der Tag, daß „in dem Namen Jesu” jedes Knie sich beugen wird, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und „jede Zunge bekennen wird, daß Jesus Christus Herr ist” (Philipper 2). Jetzt ist dies noch nicht so. Aber der Vater verlangt dies und stellt es zur Bedingung für das Errettetwerden. Das besagt natürlich keineswegs, daß jemand, der Herr Jesus sagt, damit wiedergeboren ist. 1. Korinther 12 sagt nur, daß niemals ein böser Geist einen Menschen dazu bringt, „Herr Jesus” zu sagen.

Nun, dieses Kennzeichen der Jüngerschaft wird in dieser Bewegung so gut wie nicht gefunden. In ihren Schriften steht sehr oft „Jesus” oder „Christus” oder „Jesus Christus”, aber fast nie „Herr Jesus”.

Die Gottheit des Herrn Jesus

In der Broschüre „Leben in Überfluß” steht: „Vielleicht denkt jemand, daß Jesus Wunder tun konnte, weil Er eigentlich Gott war, aber so ist es nicht. Er war Gott vor der Schöpfung, aber Er legte alle Seine Gottheit ab und wurde Mensch wie wir, ausgenommen die Sünden”.

Selbst die ersten Worte aus dem zweiten Satz, die bei oberflächlichem Lesen sehr schön klingen, gehen nicht weiter als das Gott entehrende Bekenntnis der Arianer: „Ich behaupte, dаß der Sohn vor den Zeiten seinen Anfang hatte aus dem Vater, Gott aus Gott, Licht aus Licht. Aber ich behaupte, daß Er dem Vater nicht gleich ist” (Bischof Germinius in dem theologischen Gespräch, das am 3. Januar 366 in Sermium, im heutigen Jugoslawien, stattfand).

Der Herr Jesus ist nicht „Gott seit vor der Schöpfung”, sondern Er ist der „ICH BIN”, der EWIGE, so wie der Vater, und so wie der Heilige Geist. Und das war Er auch auf Erden. Er war der ewige Gott, als Er in der Krippe von Bethlehem lag. Er war es, als Er, ermüdet von der Reise, hungrig und durstig am Jakobsbrunnen saß (Johannes 4). Und Er war es, als Er am Kreuz das wunderbare Erlösungswerk vollbrachte.

Er ist wahrhaftiger Mensch geworden, geboren von einem Weibe. Aber Er war „Gott geoffenbart im Fleische” (1. Tim. 3, 16); „Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist” (Johannes 1, 18). In Ihm wohnte die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kolosser 2, 9). Gott sprach im Sohn (wörtlich: „Gott sprach in Sohn” – ohne Artikel) Hebräer 1, 1. Konnte Gott aufhören, Gott zu sein? Konnte der Dreieinige Gott aufhören, der Dreieinige Gott zu sein?

Er war der wahrhaftige Gott, und Er war wahrhaftig Mensch. Doch eine Person. Wehe dem Menschen, der in dieses Wunderbare eindringen will. Wehe dem Menschen, der Ihn auf einen Boden mit uns bringen will, und wäre es auch als den Vornehmsten (Lukas 9, 33-36). Der Vater wacht über die Ehre Seines Sohnes, der in wunderbarer Herrlichkeit den Platz der Unterwürfigkeit unter den Willen des Vaters freiwillig einnehmen wollte (Johannes 8, 50).

Selbst der letzte Buchstabe des oben zitierten Satzes ist falsch und greift die Herrlichkeit des Sohnes Gottes an. Es muß nicht heißen „ausgenommen die Sünden”, sondern „ausgenommen die Sünde”. Er hatte nicht nur nicht gesündigt, sondern es war auch keine Spur von einer sündigen Natur in Ihm. „Der, der Sünde nicht kannte” (2. Korinther 5, 21). „Sünde ist nicht in ihm” (1. Johannes 3, 5). „Das Heilige, das geboren werden wird, wird Sohn Gottes genannt werden“ (Lukas 1, 35). Hier muß ich an das Wort von Maria denken: „ …Weil sie meinen Herrn weggenommen, und ich nicht weiß, wo sie ihn hingelegt haben” (Johannes 20,13).

Das schlimmste dabei ist, daß Menschen dies schreiben und lehren, die behaupten, die Fülle des Geistes empfangen zu haben; und die behaupten, daß das, was sie sagen und schreiben, durch den Heiligen Geist inspiriert ist.

Gottes Wort lehrt uns, daß es drei Quellen gibt, aus denen Zeichen, Wunder, Prophezeiung, Heilungen usw. hervorkommen können:

1) Die göttliche Quelle, Joel 2, 28 – 32
2) Eine menschliche Quelle, Jeremia 23, 16. 25 – 27; Hesekiel 13, 2
3) Die teuflische Quelle, Offenbarung 16, 13. 14; Apostelgeschichte 16, 16; 1. Könige 22, 21- 22.

Und daneben lehrt uns Gottes Wort, daß eine Vermengung von Einflüssen vorliegen kann (siehe Matthäus 16, 21-23; Philipper 1, 14-17).

Kann eine Bewegung, bei der sowohl die Grundsätze als auch die praktischen Äußerungen so sehr in Widerspruch zu Gottes Wort stehen, und in der so viele Dinge vorkommen, durch die der Herr Jesus entehrt wird, aus Gott sein? Aber aus welcher Quelle kommt sie dann?

Ja, es gibt Gläubige in dieser Bewegung. Ich kenne einige persönlich, die ich sehr liebhabe, und ich bete für sie, daß Gott sie aus diesen Banden befreie.

Weil es Gläubige darin gibt, vielleicht sogar viele, kann nicht alles verkehrt sein. Wo die göttliche Natur da ist, muß sie sich auf die eine oder andere Weise zeigen. Aber die Frage ist nicht, ob alles verkehrt ist, sondern die einzige Frage ist, ob die Grundsätze nach Gottes Gedanken sind, und ob der Gehorsam gegen den Herrn Jesus uns dahin bringt. Und darin gibt es für mich nur eine Antwort: Nein! Die Stimme, die aus dieser Bewegung klingt, ist nicht die Stimme des guten Hirten, die Stimme Dessen, der Sein Leben für mich gelassen hat. Und mein tägliches Gebet ist:

O Herr, dies eine bleibe mir,
daß stets ich wandle treu mit Dir!

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Revolution der Freimaurer (Adler)

Manfred Adler

DIE ANTICHRISTLICHE REVOLUTION DER FREIMAUREREI

I. DIE “GROSSE” REVOLUTION
1. Das Signal zum Sturm
2. Die Französische Revolution (1789 – 1799)

II. DIE REVOLUTIONÄRE FREIMAUREREI
1. “Die große Unbekannte” und “die große Revolution“  
2. Pluralität und Universalität der Logen
3. Das utopische Endziel der freien Welt‑Maurer
4. Freimaurerei und Kommunismus

III. FREIMAUREREI UND RELIGION
1. Die Freimaurerei ‑ eine antichristliche Ideologie                        
2. Die antichristliche Kulturrevolution
3. Vom ökumenischen Dialog zur Ökumene der Religionen 

VORWORT

Der Verfasser weist nach, daß die Ideologie der Freimaurerei, der autonome Humanismus, mit dem rechtverstandenen christlichen Glauben absolut unvereinbar ist und stellt dabei einige antichristliche Aspekte heraus, die aus dem innersten Wesen der Freimaurerei hervorgehen.
Sollte der Titel des Buches manche Leser schockieren, so beweist das einmal mehr, wie groß die Ignoranz bezüglich des Freimaurerproblems tatsächlich ist. Sowohl Freimaurer als auch ihre Gegner wissen, daß die Prinzipien der Freimaurerei nicht nur zur Revolution führen, sondern selbst schon Revolution sind.  . . .
Die Schrift beginnt folgerichtig mit der Großen Französischen Revolution, die allgemein als “Werk” oder “Erfolg” der Freimaurerei angesehen wird und endet mit der antichristlichen Kulturrevolution unserer Tage, die sich mitten durch den “ökumenischen Dialog” hindurchzieht  . . . Schließlich wird das Verhältnis von Freimaurerei und Islam ebenso angeschnitten wie das Zusammenspiel von Freimaurern und Kommunisten in jüngster Vergangenheit und Gegenwart.
MIRIAM – VERLAG  JESTETTEN

EINLEITUNG
Wir, Autor und Verleger, sind der Meinung, daß es unsere heilige Pflicht ist, die Wahrheit zu sagen und zu schreiben, sei sie gelegen oder ungelegen. Wer nämlich die Wahrheit aus Feigheit verschweigt, ist ein Feind der Freiheit. Denn nach wie vor gilt das Christuswort, daß uns “die Wahrheit freimachen wird” (Joh. 8,32). Schließlich geht es in dieser Schrift letztlich um die Wahrheit, die Jesus Christus ist und verkündet hat.  . . .
Allerdings wäre es vermessen, hier den Anspruch zu erheben, die ganze Wahrheit über die Freimaurerei sagen zu wollen.  . . .
Bekanntlich hat die Freimaurerei viele Gesichter. Der Philanthrop Henri Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes, war Freimaurer. Und nicht wenige Freimaurer – vor allem in den niederen Graden der Johannismaurerei ‑ leisten heute vorbildliche caritative, humanitäre und soziale Arbeit im kommunalen, staatlichen und überstaatlichen Bereich. Das wird allgemein anerkannt. Doch ist damit die Funktion der Freimaurerei keineswegs erschöpft.  . . .

Uns interessiert hier vorwiegend der antichristliche Aspekt der Freimaurerei . . .
… Wir müssen in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß Jesus Christus seine Jünger nicht zum Dialog, sondern zur Mission ausgesandt hat. Der Missionsauftrag des Herrn lautet “Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. … Seht ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Matth. 28).
Pfingsten 1974   –  Manfred Adler

Der Text wurde stark gekürzt, auch die Hervorhebungen sind von mir.
Horst Koch, Herborn, im Jahre 2006

I.  DIE GROSSE REVOLUTION

1. Das Signal zum Sturm

Revolutionen beginnen nicht erst, wenn Schüsse fallen und Blut fließt. Sie haben vielmehr eine lange Vorgeschichte, eine Zeit der geistigen Vorbereitung und wirken noch weit hinein in den Raum der Zukunft. Dieses Gesetz gilt auch für die antichristliche Weltrevolution, die im Zeitalter der Aufklärung begann und bis zum Ende der Zeiten dauern wird, bis der Herr Jesus Christus bei seiner Wiederkunft den Antichristen entmachten und durch den Hauch seines Mundes vernichten wird (2. Thessalonicher 2,8).


Wie jeder Revolution, gehen auch der endzeitlichen, antichristlichen Revolution Ideen voraus, die von antichristlichen Denkern propagiert und von antichristlichen Mächten in die Tat umgesetzt und in die Gesellschaft hineingetragen werden. Versteht man Revolution in diesem umfassenden Sinn als geistige und blutige Umsturzbewegung, dann findet man die geistigen Wurzeln der Weltrevolution bereits in der Zeit der Renaissance, in der die geistige Welt der heidnischen Antike eine Wiedergeburt erlebte.

Die mittelalterliche Geisteswelt mit ihrer Hinordnung auf den transzendenten Gott als Zentrum aller Dinge wurde abgelöst vom Zeitalter eines neu aufbrechenden vorchristlichen Humanismus. Jetzt wird der Mensch, wie zur Zeit der Sophisten das Maß aller Dinge, ein “Gott auf Erden”. Später werden in der Zeit der Aufklärung die neuheidnischen Ideen der Renaissance-Humanisten zum autonomen und antichristlichen Humanismus weiterentwickelt und der Mensch, seine Vernunft und Natur, zum alleinigen Maß aller Dinge und zum Gegen-Gott gemacht.

Durch die Verabsolutierung der Vernunft im Rationalismus und der Natur im Naturalismus wird schließlich der sich offenbarende persönliche Gott überflüssig und zum Gott des Deismus reduziert.

Der Deismus sieht in Gott nur noch den symbolischen Baumeister der Welten, den großen Welt-Architekten, der die Welt zwar geschaffen hat, sich jetzt aber nicht mehr um sie kümmert und nicht mehr in den Lauf ihrer Geschichte eingreift. Gott und Welt sind nach der Schöpfung ohne Beziehung zueinander. Das All mit seinen unabänderlichen Gesetzen ist eine mechanisch perfekt funktionierende Maschinerie, die man schließlich in einem weiteren Schritt mit dem unpersönlichen Gott des Deismus identifiziert. Zuletzt glaubt man auf diesen Mechanismus‑Gott auch noch verzichten zu können ‑ der deistische Gott ist in der Tat ein überflüssiger Gott und gelangt so entweder zum Pan‑Theismus (Alles ist Gott) oder zum nackten Materialismus (Alles ist Materie) und damit zum A‑Theismus (Gott ist Nichts) oder Nihilismus.

Endstation dieser geistigen Entwicklung ist also ein atheistischer Humanismus. Der Mensch ohne Gott ist hier nicht nur das Maß aller Dinge, sondern sogar das “höchste Wesen für den Menschen”, weil der Mensch ohne ein “höchstes Wesen” unmöglich leben kann.


Diesem Humanismus ohne Gott sind nicht nur die theoretischen und praktischen Atheisten zuzurechnen, sondern auch die zahlreichen sog. “atheistischen Christen”, für die das Wort “Gott” nur noch eine Leerformel für Mitmenschlichkeit ist. Das alles sind die Früchte des neuzeitlichen Aufklärungshumanismus, der den Menschen Schritt für Schritt dem persönlichen und dreieinigen Gott entfremdet bis hin zum radikalen atheistischen Nihilismus.


Für den persönlichen Gott der christlichen Offenbarung, für den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der in seinem Sohn in unsere Welt kam, um Gottes Herrschaft aufzurichten und alle Menschen aus Sünde zu erlösen, der sein Wort in der Kirche Jesu Christi und durch sie den Menschen offenbart, der Glaube, Hoffnung und Liebe sowohl den Menschen schenkt als auch von ihnen fordert, der durch Christus ewiges Leben gibt, alle Menschen an sich ziehen will und alle Menschen richten wird: für diesen christlichen Gott hat der Geist der Aufklärung kein Verständnis. Ein solcher Gott ist ein Fremdkörper in ihrer autonomen Geisteswelt und wird als solcher abgelehnt, lächerlich gemacht oder gehaßt.

Dasselbe Schicksal widerfährt selbstverständlich auch der Kirche, die diesen Gott verkündet und in seinem Namen wirkt. Sie wird verfolgt bis zur Vernichtung.

Voltaire, der einflußreichste Denker der französischen Aufklärung, hat die Parole zur Ausrottung der Kirche ausgerufen. Der ehemalige Jesuitenschüler, ausgestattet mit glänzender Begabung und gefeiert als Dichter und Schriftsteller, trug die aufgeklärten und antichristlichen Ideen unermüdlich in die Massen. Man hat ihn als Propagator des radikalen englischen Deismus und Patriarch des französischen Rationalismus bezeichnet. …

… Während der französischen Revolution, am 10. Juli 1791, wurde Voltaires Leiche aus der Abtei Selliers in das Pantheon zu Paris überführt. Am 11. Juli war die feierliche Beisetzung. … Bailly, einer der führenden Revolutionäre, feierte Voltaire in der Nationalversammlung als den “größten Mann, den Frankreich geboren hat”. Voltaire war nicht nur ein zeitweiliger Freund des Preußenkönigs Friedrich II., auch Alfred Rosenberg, der Rassentheoretiker der Nazi‑Ideologie und Verfasser des “Mythos des 20. Jahrhunderts” (1930) schätzte ihn sehr und nannte ihn sogar seinen geistigen Ahnherrn.
Zuletzt sei noch vermerkt, daß die Freimaurer aller Richtungen heute auf ihren Bruder Voltaire nicht minder stolz sind als sie es in der Vergangenheit waren, obwohl Voltaire erst in seinem letzten Lebensjahr von Benjamin Franklin in die Pariser Loge “Les Neufs Soeurs” feierlich eingeführt wurde.
Voltaire ist für uns deshalb so bedeutsam und wichtig, weil er das Signal zum Sturm auf die Kirche gegeben und die antichristliche Weltrevolution eingeleitet hat. Sein fanatischer Haß gegen Kirche und Christentum ist in die Geschichte eingegangen unter der Parole: “Ecraséz l’infame!” ‑ „Rottet sie aus, die Verruchte!” ‑ Gemeint ist die Kirche.

Voltaires Haß hat Schule gemacht und die geistige Atmosphäre seiner Zeit entscheidend beeinflußt. Andere führende Köpfe der Aufklärung wollten ihm nicht nachstehen. So stammt von Diderot (1713 ‑1784) einem der Herausgeber der großen französischen Enzyklopädie, der unter dem Einfluß des englischen Empirismus vom Deismus zum krassen Naturalismus, Materialismus und Atheismus der französischen Aufklärung kam, das entsetzliche Wort:
“Die Welt wird nicht eher glücklich, bis der letzte König mit den Gedärmen des letzten Priesters erwürgt ist.”

2. Die Französische Revolution (1789 ‑1799)

Die Saat, die von Voltaire und den übrigen Wegbereitern der Aufklärungs-ideologie ausgestreut wurde, trug erste Früchte in der Französischen Revolution, die von manchen Historikern mit dem Prädikat “große Revolution” ausgezeichnet wurde und als solche auch in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Sicher sind in politischer Hinsicht durch diese Revolution die Weichen für kommende Jahrhunderte neu gestellt und Impulse zu großen Fortschritten und entscheidenden Veränderungen in der Gesellschaft gegeben worden. Denken wir nur an die Durchsetzung des demokratischen Staatsgedankens, die Proklamation der Menschenrechte, die erstmals in der amerikanischen Unabhängigkeits-erklärung von 1776 und in Europa von der französischen National-versammlung in der Erklärung vom 27. August 1789 staatsrechtlich verankert wurden, an die Überwindung des Hexenwahns und die Abschaffung der Folter bei Gerichtsprozessen.

Dennoch müssen wir heute feststellen, daß die negativen und zerstörerischen Wirkungen, die von der “großen Revolution” von 1789 ausgegangen sind, vor allem der von ihr und durch sie eingeleitete kulturelle Zerfall und der Verlust der christlichen Wertordnung, bei weitem all das überwiegen, was durch die Revolution der Aufklärung an positiven und bleibenden Werten errungen werden konnte.

Besonders die Erschütterungen und Katastrophen der beiden Weltkriege und der kommunistischen Weltrevolution, die noch lange nicht abgeschlossen ist, haben uns bitter enttäuscht. Wie sind doch die großen Schlagworte der Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mißbraucht worden und wie sehr werden bis heute Menschenrechte und Menschenwürde in weltweitem Ausmaß mißachtet und verletzt!

Letztlich ist diese unmenschliche Entwicklung der Tatsache zuzuschreiben, daß die Französische Revolution eben doch nur vordergründig eine politische und soziale Umsturzbewegung war. In ihrem innersten Kern ist sie eine antichristliche Revolution gewesen und bis heute geblieben. In der Tat: Mit der Französischen Revolution hat nicht nur das Zeitalter der Revolutionen, sondern die universale und permanente Revolution selbst begonnen.

In den folgenden Ausführungen geht es im wesentlichen darum, diese These durch Tatsachen zu belegen, wobei ich mich bewußt auf den religiösen Bereich beschränken und einige Gedanken über den antichristlichen Charakter dieser weltweiten Revolution darlegen möchte.

Beginnen wir mit den Vorgängen von 1789. Die näheren Umstände die den blutigen Tumult auslösten, sind die Mißstände der absolutistischen Regierungsherrschaft, die Wühlarbeit der Freidenker und Freimaurer und die Sittenlosigkeit der höheren Stände gewesen. Unmittelbarer Anlaß zur Revolution war die Finanznot des Staates . . . 


Als König Ludwig XVI. (1772 ‑1792) die seit 1614 nicht mehr versammelten Reichsstände (Adel, Klerus und Bürgerschaft) zum 5. Mai 1789 nach Versailles berief, wo die Bürger schließlich die Führung an sich rissen und sich am 23. Juni 1789 als Nationalversammlung konstituierten, um eine neue Verfassung zu schaffen, stand die französische Kirche, die etwa 1/10 des gesamten Grund und Bodens besaß, nicht gerade in gutem Ansehen. Die antikirchliche Propaganda der Aufklärer und der Haß, der allenthalben gegen den privilegierten Klerus geschürt wurde, waren nicht ohne Wirkung geblieben.
Zwar haben sich vier Bischöfe und 149 Pfarrer am 23. Juni 1789 dem revolutionären und siegreichen “dritten Stand” angeschlossen und mit der Masse der in der Nationalversammlung repräsentierten Staatsbürger vereinigt. Aber schon vor dem 4./5. August 1789, als der Klerus in der sog. “Opfernacht” auf seine sozialen und wirtschaftlichen Privilegien verzichtete und mit dem Adel in der Preisgabe seiner alten Feudalrechte zugunsten der Bauern und Bürger wetteiferte, sind schon Kirchen und Klöster niedergebrannt worden.


Nachdem die gesamte mittelalterliche Feudalordnung der katholischen Kirche in Frankreich zerstört war und es keine Standesunterschiede mehr gab, sind am 27. August 1789 die Bürger‑ und Menschenrechte in der Nationalversammlung zum Staatsgesetz erhoben worden.
Artikel 10 dieser Deklaration garantiert die Gewissens‑ und Kultfreiheit. Er lautet:
“Niemand darf wegen seiner Überzeugungen, auch nicht der religiösen, behelligt werden, vorausgesetzt, daß ihre Betätigung die durch das Gesetz gewährleistete öffentliche Ordnung nicht stört.” ‑ Dieser Artikel war kaum in Kraft, als durch die Französische Revolution das Grundrecht der Gewissens‑ und Religionsfreiheit schon aufs schwerste verletzt wurde.

Doch bevor die blutige Verfolgung ausbrach, hat die Nationalversammlung das gesamte Kirchengut enteignet, um die Finanznot des Staates zu decken. Am 2. November 1789 wurde auf Antrag des liberalen Bischofs Charles Maurice de Talleyrand von Autun beschlossen, das Kirchengut der Nation zur Verfügung zu stellen, was am 14. April 1790 durch das Gesetz über die Enteignung des gesamten Kirchengutes endgültig durchgeführt wurde.  . . .

Im November 1790 wurde in einem weiteren Dekret der Nationalversammlung von allen Geistlichen der Eid auf die Zivilkonstitution verlangt. Mirabeau hatte in einer seiner Sturmreden angekündigt, wenn die Priester diesen Eid verweigern sollten, müßte die Nation daran zweifeln, daß die Priester noch brauchbare Bürger werden könnten und alle Kirchenämter für erledigt erklären. Aber nur etwa die Hälfte der Pfarrgeistlichen (25 000 bis 30 000), ein Drittel des Gesamtklerus, leisteten den Eid. 60 000 bis 70 000 Priester und alle Bischöfe, mit Ausnahme von vier Diözesan- und drei Weihbischöfen, verweigerten den Eid.

Der katholische Glaube bewies seine Macht, aber die französische Kirche war durch einen tiefen Riß gespalten. Die eidverweigernden Priester, die den größeren Teil des Volkes auf ihrer Seite hatten, wurden verfolgt.

Im Spätjahr 1791 versuchte die “Gesetzgebende Nationalversammlung”, den Widerstand der Geistlichen mit Gewalt zu brechen. Den eidverweigernden Priestern wurde Gehalt und Pension entzogen und der Aufenthalt im Lande unmöglich gemacht. Das Tragen der geistlichen Kleidung war ihnen verboten worden, die noch bestehenden religiösen Genossenschaften wurden unterdrückt, etwa 40.000 Priester sind eingekerkert, deportiert oder hingerichtet worden.

Mit den Septembermorden 1792 in den Gefängnissen von Paris, denen etwa 1400 Menschen, darunter mehr als 200 Priester zum Opfer fielen, begann die erste große Terrorwelle der Revolution, die Zeit der sog. Schreckensherrschaft, die bis zum Oktober 1795 dauerte.


Unter dem Druck der Verfolgung verließen etwa 30 000 Priester das Land. Der Nationalkonvent vollendete den radikalen Umsturz, das Königtum wurde am ersten Tag der Konventsherrschaft (21. September 1792) abgeschafft, Frankreich zur Republik erklärt und Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 als “Verräter an Staat und Nation” hingerichtet. – Im Oktober folgte ihm Königin Marie-Antoinette.



Nach der Ermordung Marats am 13. Juli 1793 übernahm Robespierre die Herrschaft des Grauens. Die Guillotine liquidierte die Gegner der Republik, Opfer wurden massenweise erschossen oder ertränkt, die Ehescheidung ist erleichtert, die obligatorische Zivilehe eingeführt, das Zölibatsgesetz aufgehoben, die christliche Zeitrechnung abgeschafft und durch den Republikanischen Kalender verdrängt worden. An die Stelle der Sonntagsfeier wurde die Dekade gesetzt und die christlichen Feste sind durch republikanische ersetzt worden. Mit blindem Haß versuchten die antichristlichen Revolutionäre, das Christentum und seine Geschichte radikal und total auszulöschen. Durch Dekret wurde schließlich am 10. November 1793 das Christentum offiziell abgeschafft und der Kult der Vernunft und Natur eingeführt. Die Verwirklichung von Voltaires “Ecrasez l’infame!” durch die entfesselte Revolution schien greifbar nahe.

Damals geschah in Paris etwas Ungeheuerliches. Extreme Revolutionäre, die von dämonischem Wahnsinn besessen zu sein schienen, führten die Hure und Schauspielerin Madame Maillard in gotteslästerlicher Prozession zum altehrwürdigen Gotteshaus Notre Dame und setzten sie mitten auf den Hochaltar. Hier empfing sie die Huldigung der Republik . . . Das Bild der Heiligen Jungfrau Maria war vom Altar entfernt und durch die “Statue der Freiheit” ersetzt worden. Die antichristlichen Funktionäre hatten sich des Heiligtums bemächtigt und es durch schmutzige Lieder und Orgien, die man nicht beschreiben kann, entweiht . . .

Mit diesem sakrilegischen Geschehen, das der Geschichtsschreiber Schuck “eines der schauerlichsten Ereignisse der Weltgeschichte” nennt, nahm der moderne Kult mit den Huren und die sexuelle Revolution ihren Anfang, eine in ihrem tiefsten Wesen antihumane und antigöttliche Revolution, die nicht mit dem “Tode Gottes”, sondern mit dem totalen Untergang des Menschlichen im Menschen enden wird.

Wir dürfen dieses entscheidende und an geschichtlichen Konsequenzen kaum zu überschätzende Datum der Französischen Revolution nicht vergessen. Denn hier hat sich unter dem hemmungslosen Terror der Jakobiner “erstmals ein Staat nicht nur von der Kirche, sondern von jeder christlichen Überlieferung losgesagt. Er wollte selbst an die Stelle der Religion treten und schaffte sich seinen eigenen Kultus mit Dogma und Ritus.

Wohl konnte Robespierre im Frühjahr 1794 die Terrorherrschaft der blutrünstigen Jakobiner brechen ‑ die nach ihrem Versammlungsort, dem Kloster St. Jakob in Paris, benannt werden ‑ und vom Konvent an Stelle des atheistischen Vernunftkultes den deistischen Kult des “höchsten Wesens” und die Unsterblichkeit der Seele dekretieren und proklamieren lassen. Das gehässige Wüten gegen Royalisten und Priester ging jedoch weiter.

Als am 28. Juli 1794 auch Robespierre unter dem Fallbeil starb, hörte die Schreckenszeit auf. Ein fünfköpfiges Direktorium übernahm nun die Herrschaft (1795 ‑1799). Unter dem Druck einer immer stärker werdenden religiösen Gegenbewegung sah sich der Konvent gezwungen, am 21. Februar 1795 die völlige Trennung von Kirche und Staat zum Gesetz zu erheben. Damit war ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der religiösen Situation getan. Die Priester durften wieder zelebrieren, Kultfreiheit wurde verkündet und die noch nicht veräußerten Kirchen konnten wieder für den Gottesdienst benutzt werden. Trotzdem aber war damit der Religionshaß in der öffentlichen Meinung noch nicht überwunden. Es kam immer wieder zu Verfolgungen und Deportationen von Priestern . . .

In den folgenden Jahren bot sich Napoleon im Zuge der siegreichen Koalitionskriege die Gelegenheit, Rache an Pius VI. zu nehmen und die Ideen der Französischen Revolution in weite Teile Europas hineinzutragen. Nachdem Bonaparte 1796 in Italien bedeutende Siege gegen Österreich errungen hatte, stürzte er sich auf den schwachen Kirchenstaat. … Das Papsttum schien jetzt wirklich am Ende zu sein. … Die Kirche hat in der Französischen Revolution zwar viel gelitten, aber die Revolution hat ihr auch großen Gewinn gebracht und den Weg in eine wenn auch nicht bessere, so doch größere Zukunft eröffnet.

II. DIE REVOLUTIONÄRE FREIMAUREREI

1. “Die große Unbekannte” und “die große Revolution”

. . . .  Ein weiterer Grund, warum die „Diener der königlichen Kunst” – wie die Freimaurer gern genannt werden – bei den „Profanen” so wenig bekannt sind, besteht in der von ihnen meisterhaft beherrschten Kunst, in ihren Publikationen die Wirklichkeit zu verschleiern oder durch nichtssagende bis widersprüchliche Formulierungen, die oft nur mehr oder weniger unwichtige Gegebenheiten betreffen, von den eigentlich bedeutsamen Fakten abzulenken, bzw. diese unkenntlich zu machen.
  . . .

. . . Nach diesen klärenden Vorbemerkungen können wir nun an die Frage herangehen, welche Rolle die französische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts in der Französischen Revolution von 1789 spielte, mit der ja nach unserer Auffassung die „große und permanente Revolution” der Neuzeit und Endzeit begann. Die Auffassungen darüber gehen sowohl innerhalb wie außerhalb der Freimaurerei auseinander . . . Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in deutschen Freimaurerkreisen die These verbreitet, daß die Französische Revolution „ein Werk der Freimaurer war, denn alle hervorragenden Männer jener Zeit waren Freimaurer” (Deutsche Freimaurerzeitung vom 24. Dezember 1864).
Daß diese Behauptung eine – für das 19. Jahrhundert typische – freimaurerische Übertreibung ist, liegt auf der Hand. Die heutigen Freimaurerbrüder sind von dem großspurigen Pathos ihrer Vorfahren abgerückt und nüchterner geworden. Richtig ist, daß viele bedeutende Persönlichkeiten zur Zeit der Französischen Revolution Freimaurerlogen angehörten. Allein in Paris gab es 1789 nicht weniger als 65 Logen.
Dennoch waren aber auch viele „hervorragende Männer jener Zeit” keine Freimaurer. Übereinstimmung besteht bei den Kennern der Geschichte des 18. Jahrhunderts freilich darin, daß ohne die subversive und offene Agitation der französischen Freimaurer die Französische Revolution nicht möglich gewesen wäre. Wenn in einem neueren französischen Werk die Formel aufgestellt wird: „Die Freimaurerei macht nicht die Revolutionen; sie bereitet sie vor und sie setzt sie fort“, so wird diese Meinung von den geschichtlichen Ereignissen nicht bestätigt. Die fanatischen Jakobinerklubs, die in der Zeit des Konvents (1792-1794) maßgeblich die revolutionäre „Schreckensherrschaft” ausübten, waren nämlich nach einem Bericht, der am 13. April 1883 der Loge von Nantes vorgelegt wurde, nichts anderes als Freimaurerlogen, die man in aktive politische Klubs umgewandelt hatte.
Dafür spricht unter anderem die Tatsage, daß diese Klubs die Titel von Logen beibehielten. Auch in anderen Ländern gab es geheime Verschwörungsgesellschaften, die mit den Jakobinern in Paris in Verbindung standen, so in Ungarn und Süddeutschland. Der Name „Jakobiner” geht zurück auf das Dominikanerkloster St. Jacques (St. Jakob) in der Rye Saint-Honoré, wo sie im November 1789 bretonische Deputierte der Nationalversammlung, die im Klub „Breton” vereinigt waren, niederließen. Von diesem Versammlungsort stammt der Name „Jakobinerklub”.  . . . .

Der revolutionäre Fanatismus und das Bestreben der Jakobiner, alle Lebensbereich zu politisieren, ihre radikale Abkehr von Offenbarungschristentum und Kirche zugunsten einer natürlichen Aufklärungsreligion mit eigenen Kultformen, waren bereits erste Signale, die den modernen totalitären Staat ankündigten.

Für die Tatsache, daß Freimaurer die Französische Revolution nicht nur vorbereitet sondern аuch aktiv in ihr mitgewirkt haben, spricht ferner die Rolle, die von den beiden großen Revolutions-Parteien gespielt wurde. Die Girondisten und die Bergpartei vertraten in der Tat die zwei Hauptrichtungen der französischen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts. Die erstere war liberal orientiert, die letztere huldigte einem schwärmerischen Sozialismus. 
Wenn diese Parteien auch manchmal sehr gegensätzliche Positionen einnahmen, so widerspricht das keineswegs der Tatsache, daß sie beide von Freimaurern geführt wurden. Freimaurer waren und sind Individualisten, die das Ideal der Freiheit nicht immer einmütig und eindeutig auslegen und verstehen. So erklärte beispielsweise bei der Gründung der Taunusloge „Zur Freiheit im Orient” Bad Homburg am 12. Mai 1973 der Festredner: „Es ist eine alte Weisheit, daß zwei Freimaurer mindestens drei verschiedene Ansichten über den rechten Weg der Freimaurerei haben, fast könnte man sagen, weil sie Freimaurer sind, müsse das auch so sein. Noch weiter aber gehen die Ansichten unter Freimaurern auseinander, wenn es sich um die innere Ordnung ihres Bundes handelt.“ (Die Bruderschaft, Juli 1973).

Wer diese innere Welt der Freimaurerei nur einigermaßen kennt, wird auch die Feststellung des belgischen Sozialdemokraten Hendrik de Man akzeptieren, der in seinen Erinnerungen berichtet, daß schon vor dem I. Weltkrieg „die Politik der sozialistischen Parteien von den gleichen Logen gelenkt wurde wie die Politik ihrer scheinbaren Gegner, der bürgerlichen Liberalen. Die intellektuellen Führer beider ,feindlichen Lager’, die einander auf der Strasse bekämpften, seien im Grunde von den gleichen Hochgradmaurern dirigiert worden.” (E. Franzel, Groß-Loge im Angriff, Augsburg, S.6)

Wenden wir uns nun noch diesen nicht unwichtigen Bemerkungen wieder der Französischen Revolution zu. Inzwischen hat maurerische Formulierungskunst eine neue Erklärung für das Verhältnis von Freimaurerei und Revolution gefunden. So schrieb 1964 ein eingeweihter und erleuchteter Autor über die freimaurerischen „Erfolge” zwei Sätze, die meines Erachtens zum Besten gehören, was je über die Freimaurerei geschrieben wurde:

„Zu den freimaurerischen ,Erfolgen’ kann man auch die Französische Revolution rechnen. Zwar wurde sie nicht von den Freimaurern ausgelöst (die Freimaurerei will in sich selbst eine Revolution sein, sie will keine Revolutionen beginnen), aber zum ersten Mal wurden die Ideale der Freimaurerei in unübertrefflicher Prägnanz formuliert: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”. (H. Lohfeldt, Die königliche Kunst – Freimaurerei in Deutschland, in „Kristall“ Nr. 10, 1964).

Wir bewundern die Bescheidenheit des Verfassers, der die wichtigste Aussage in Klammern setzt: „Die Freimaurerei will in sich selbst Revolution sein.” Was heißt das? Wenn ich es richtig verstehe, besagt dieses Wort soviel wie: Zum Wesen der Freimaurerei gehört notwendig das revolutionäre Element. Wenn Freimaurerei und Revolution identisch sind, ist es unlogisch und zwecklos darüber zu streiten, ob die Freimaurer Revolutionen nur planen und vorbereiten, oder ob sie diese beginnen und durchführen oder sie auch noch fortsetzen. Die Gleichsetzung von Freimaurerei und Revolution schließt alle diese Aspekte in sich ein, weil der Begriff „Revolution” inhaltslos wäre, wenn er nicht sowohl die notwendige Planung und Vorbereitung als auch den Beginn und die Durchführung in sich vereinigte.
Weiter ergibt sich aus der genannten Gleichung die wichtige Erkenntnis, dаß die Freimaurerei Revolutionen nicht nur fortsetzt, sondern sie ist selbst die permanente Revolution. Solange die Freimaurerei existiert, ist sie Revolution. Und das heißt wiederum: Es ist ihre beständige Aufgabe, Revolutionen zu planen, zu beginnen und durchzuführen.

. . . Denn zu den unbestreitbaren „Erfolgen” gewisser Freimaurer zählt auch die bolschewistische Revolution, und zwar deshalb, weil Lenin und Trotzky erleuchtete Freimaurer waren. Sie gehörten dem 33. Grad des Schottischen Ritus an. Als die Oktoberrevolution 1917 siegreich vollzogen war, hielt Bruder Rozières in der Loge „Art et Travail” am 24. Dezember 1917 in Paris eine große Lobrede auf die ruhmreichen russischen Hochgradbrüder. Nebenbei sei noch erwähnt, daß auch Bela Khun, der „Bluthund von Ungarn”, Kurt Eisner, der durch den Spartakistenputsch in München bekannt wurde, und Sun-Yat-Sen, der 1912 die Revolution in China durchgeführt hat, dem 33. Grad des „Schottischen Ritus” angehörten.

2. Pluralität und Universalität der Logen

. . .  Das gilt auch für die beiden großen Richtungen der Weltfreimaurerei, die seit 1877 aus religiösen Gründen gespalten sind: die “reguläre Freimaurerei”, die mit der englischen Mutter‑Loge an dem Bekenntnis zu dem deistisch verstandenen “Baumeister der Welten” festhält und die “irreguläre Freimaurerei”, die unter der Führung des Groß‑Orient von Frankreich vor allem in den romanischen Ländern und in Lateinamerika arbeitet, als militante Anti‑Kirche auch Atheisten aufnimmt und jede religiöse Bindungspflicht ablehnt. Trotz solcher ideologischer Differenzen arbeiten Vertreter dieser beiden Richtungen in gewissen Bereichen brüderlich miteinander zusammen. Francis Viaud erklärte als Großmeister des Groß‑Orients von Frankreich auf der Generalversammlung im Jahre 1952 ausdrücklich, daß der Groß-Orient sich nicht darauf einlassen werde, von seinen Mitgliedern den Glauben an “Gott” zu verlangen, er werde aber in bestimmten Aktionen mit allen Freimaurern zusammenarbeiten.

Um ein Bild über die weltweite Freimaurersolidarität gewinnen zu können, ist ein kurzer Rückblick auf die geschichtliche Entwicklung und Ausbreitung der Logen notwendig.
Der Name “Freimaurer” stammt ursprünglich aus dem Mittelalter und bezeichnete dort die Mitglieder einer großen kirchlichen Bruderschaft, die als Maurer wie andere Handwerker auch, in Zünften organisiert, jedoch nicht an den örtlichen Zunftzwang gebunden waren, sondern als freie Maurer von Ort zu Ort zogen und ihre Bauhütten (Logen) errichteten. Sie arbeiteten als Architekten, Bildhauer und Steinmetzen an den großen Domen und Kirchen des Mittelalters und verfügten über große fachliche Kenntnisse, die sie Außenstehenden gegenüber geheimhielten. Durch geheimnisvolle symbolische Zeichen (Bilder, Worte, Griffe und Handlungen) und Riten führten sie ihre Mitglieder stufenweise als Lehrlinge, Gesellen und Meister in die Baukunst ein. Zur Zeit der Renaissance und der Glaubensspaltung (“Reformation”) gerieten die kirchlichen Freimaurerbruderschaften mehr und mehr in Verfall oder sie verwandelten sich in reine Geselligkeitsklubs, die seit 1614 auch Angehörige anderer Gesellschaftskreise, besonders aus dem Adel, aufnahmen. Das war vor allem in dem konservativen England der Fall. Damals ging die Werkmaurerei in die Geistesmaurerei über. Die alten Bezeichnungen blieben, bekamen aber einen neuen Inhalt. Der Versammlungsort dieses Klubs, meist ein Gasthaus, war nun zur Loge (lodge = Bauhütte) geworden. Später verstand man unter “Loge” die Vereinigung der freien Maurer selbst, die gewöhnlich den Namen ihres Versammlungslokals zur Bezeichnung ihrer “Loge” wählten.

Aus den mittelalterlichen Steinmetzgilden sind im Laufe der Zeit neue bruderschaftliche Vereinigungen geworden, die für ihre geistige Maurerarbeit die Begriffe und Zeichen der alten Maurerbünde übernahmen, ihnen jetzt aber symbolische Bedeutung gaben. Die Geburt der “symbolischen oder spekulativen Maurerei” war damit eingeleitet. Nachdem anfangs Geselligkeit und Bruderhilfe im Vordergrund ihrer Bestrebungen standen, drangen in die Logen immer stärker weltanschauliche Ideen ein. In dem konfessionell zersplitterten England des 17. Jahrhunderts konnten sich besonders die Gedanken des Deismus und Rationalismus ausbreiten und mit ihnen die Ideale der Aufklärung, die eine universale Menschheitsverbrüderung und Einheitsreligion herbeiführen und damit dem Streit der Religionen und Konfessionen und allen Kriegen ein Ende setzen sollten. Der ebenso grandiose wie utopische Traum vom “ewigen Frieden” hat in diesem Aufklärungsoptimismus seine Wurzeln.

Im Mutterland der Freimaurerei, in England, schlossen sich am 24. Juni 1717, am kirchlichen Festtag des Heiligen Johannes des Täufers, vier Londoner Logen zur ersten Freimaurer‑Großloge zusammen. Dieser Gründungstag, der als offizieller Geburtstag der Freimaurerei allgemein anerkannt wird ‑ andere Altersangaben haben nur legendären Charakter ‑ wurde gewählt, weil Johannes der Täufer Schutzpatron der mittelalterlichen Werkbruderschaften war. (Es wurde auch daran erinnert, daß der 24. Juni der längste Tag des Jahres ist, auf den die kürzeste Nacht des Jahres folgt, was für mystisch oder symbolisch denkende Maurer vielleicht nicht ohne geistige Bedeutung ist.) Von daher sind auch die Bezeichnungen “Johannis‑Freimaurerei” und “Johannis‑Logen” zu verstehen. Auf ihren drei Graden bauen alle später entstandenen Hochgradsysteme auf. Die Johannis‑Maurerei wird auch “blaue Freimaurerei” genannt, weil sie in ihren Abzeichen die blaue Farbe trägt.
Religionsgeschichtlich sei noch daran erinnert, daß genau 200 Jahre nach der abendländischen Glaubensspaltung die von Martin Luther proklamierte “Freiheit des Christenmenschen”, besonders seine Absage an Papsttum und kirchliches Lehramt, in den negativen Freiheitsbegriff der Freimaurerei umgeschlagen ist.


Die Logen haben sich radikal freigemacht von der göttlichen Offenbarung und dem ihr eigenen Freiheitsbegriff, der in der Wahrheit gründet, die Christus ist und die er in seiner Kirche und durch sie verkündet. Anstelle der göttlichen Wahrheit, die frei macht (Joh. 8,32) sucht der aufgeklärte und freie Maurer nun das Heil im Aufbau einer neuen Welt, in der nicht mehr Gott, sondern die menschliche Vernunft über Wahrheit und Freiheit entscheidet und verfügt. Die Geschichte des Turmbaus zu Babel wiederholt sich aufs neue. Die Tragödie des “Humanismus ohne Gott” nimmt ihren Lauf und führt schließlich zur totalen Unfreiheit im gottlosen Bolschewismus, der 200 Jahre nach dem Ereignis von 1717 die letzte Konsequenz der Entfremdung von Gottes Wahrheit offenbart und mit revolutionärem Fanatismus seinen Weg in die Geschichte beginnt.

Die schnell sich ausbreitende Freimaurerei hat diese Entwicklung entscheidend beeinflußt und vorangetrieben. Schon 1725, zwei Jahre nach der Einführung des Konstitutionsbuches mit den “Alten Pflichten”, die der englische Theologe James Anderson, Prediger an der schottischen Presbyterianerkirche in London als Glaubensbekenntnis der Freimaurer formulierte, entstanden die Großloge von Irland und die erste Loge in Paris. Drei Jahre später, 1728, wurde die erste Loge in Madrid gegründet, 1730 entstand die erste englische Kolonialloge in Kalkutta und die erste Loge in den USA. Hier kam es 1733 zur Bostoner Großloge. Benjamin Franklin gab 1734 die Konstitutionen von Anderson für die USA heraus.
In Lissabon, Den Haag und Stockholm sind 1735 erste Logen gebildet worden, 1736 folgten die Großloge von Schottland und die Großloge von Frankreich, die seit 1773 “Grand Orient de France” genannt wird und in der Folgezeit beherrschenden Einfluß auf die Loge in den romanischen Ländern gewann.

Die erste deutsche Loge konstituierte sich am 6. Dezember des gleichen Jahres in Hamburg und gab sich die Bezeichnung “Absalom zu den drei Nesseln”. Schon acht Monate später nahm Stuhlmeister Baron von Oberg in einer mitternächtlichen Zeremonie das 31. Mitglied dieser Loge auf: den jungen Kronprinzen Friedrich von Preußen, den späteren Friedrich II.

Weitere Logengründungen folgten. In Berlin: 1740 die Loge “Zu den drei Weltkugeln”, die seit 1744 als Großloge besteht. Die „Großloge der Freimaurer von Deutschland” entstand 1770 ebenfalls in Berlin. Sie entwickelte sich später zu dem „christlichen Freimaurer‑Orden”.  . . .

3. Das utopische Endziel der freien Welt‑Maurer

. . . Was will die Freimaurerei eigentlich? Will sie mit ihrer königlichen Baukunst nicht einen geistigen Tempel errichten, in dem die gesamte Menschheit in “Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit” vereint ist? Will sie nicht ihr “Licht”, das “Licht der Aufklärung”, in der Finsternis unserer Welt überall entzünden und ihrer Humanität und ihrer Toleranz, d.h. ihrer Weltanschauung weltweite Geltung verschaffen? . . .

. . . Die universale Bruderkette und der Tempel der Freimaurerei erstreckt sich jedenfalls “von Osten nach Westen, von Süden nach Norden und vom Mittelpunkt der Erde bis zu den Sternen”, wie es bei den Freimaurern heißt. Die individuelle Selbstvervollkommnung des Maurers, die Arbeit am “rauhen Stein”, die so geschehen muß, daß der zugerichtete Stein sich “winkelrecht in den Bau des Tempels einfügen” läßt, genügt nicht. Denn nach freimaurerischer Tradition ist “alle zu erreichende Vollendung des einzelnen ohne Wert, wenn sie nicht in den Dienst an der menschlichen Gesellschaft gestellt wird …”

Darum muß der Freimaurer, auch über den engen Kreis seines Lebens und seiner Loge hinaus, seinen Blick beständig auf die ganze Menschheit gerichtet halten und nach Kräften alles fördern, was dem Frieden und der Verständigung zwischen allen Menschen und Völkern dient. Diese Arbeit am Tempelbau der Menschheit ist er verpflichtet, einen Baum auch dann zu pflanzen, wenn er selbst nicht mehr in seinem Schatten ruhen wird.
Dies ist die höchste Lehre, die der Freimaurer seinem symbolischen Brauchtum zu entnehmen vermag, sich als ein Werkzeug zu erkennen im Dienste des Großen Baumeisters der Welt, um die Menschen ‑ ungeachtet ihrer zufälligen äußeren Unterschiede ‑ zu Brüdern zu machen.

Bei der so notwendigen und wichtigen “Arbeit am Tempelbau der Menschheit” spielen die der Freimaurerei eigenen Symbole eine unverzichtbare Rolle. Sie sind nicht nur das geeignete Mittel, um die besondere Lehre der Tempelmaurer vor den Nicht‑Eingeweihten geheimzuhalten, sondern “dienen auch als das ihnen verständliche Bindemittel untereinander dort, wo die Sprachen die Völker trennen. Freimaurer unterschiedlicher Sprache und Nation würden einander fremd sein, aber Symbole und Zeichen führen sie als Brüder zusammen.
Die Symbolik der Freimaurer ist darum eine Eigentümlichkeit, durch die sich die Freimaurerei wesentlich von Institutionen ähnlicher Geisteshaltung unterscheidet. Sein und Leben einer Loge besteht aus diesen überlieferten und immer gültigen Formen. Verlangte man die Preisgabe dieser in der Abgeschlossenheit der Loge angewandten Symbolik, würde man das Auslöschen der Freimaurerei betreiben.

Festzuhalten bleibt also, daß Lehre und Brauchtum der Logen hinzielen auf die Errichtung eines weltumspannenden geistigen Tempelbaues. Das Wort des Freimaurers und Philosophen Johann Gottlieb Fichte, daß der Freimaurer das Vaterland der anderen achte, das seine aber liebe und sein in Freimaurerkreisen oft zitiertes anderes Wort, daß Vaterlandsliebe die Tat, dagegen Weltbürgersinn der Gedanke des Freimaurers sei, muß nach K. Bona dahin revidiert werden, “daß immer mehr Weltbürgersinn des Freimaurers Tat wird”. (R.Appel, S.76)
  . . .

Von den Freimaurern in Deutschland war in einer Illustrierten 1964 zu lesen: “Sie stellen neben den Gedanken der Liebe zum Menschen, den das Christentum seit nunmehr rund 2000 Jahren verkündet, ihre ebenso großartige Utopie, daß die Menschen aus der Vernunft heraus zu einer Lösung aller Probleme kommen, wenn man will: Zu einer Weltregierung.” (H. Lohfeldt, S.65)

Damit ist endlich das politische Endziel der Welt-Maurerei ohne Umschweife beim Namen genannt. Tatsächlich ist es der Traum der maurerischen Weltpolitik, eine universale Weltregierung in einem universalen Welt‑Einheits‑Staat zu errichten. Nicht zuletzt um dieses Endziels willen waren einflußreiche Maurerbrüder maßgeblich an der Gründung der “Organisation der Vereinten Nationen” (UNO) beteiligt.  . . .

Über den einen Welt‑Staat und die eine Welt‑Regierung gibt es schon seit längerer Zeit Visionen und Vorstellungen. So erschien gleich nach dem II. Weltkrieg in Deutschland die Schrift “Aufbruch zum Weltbundesstaat” von R. Wilbrandt. Der liberale Theoretiker begründet darin die Notwendigkeit eines Weltbundesstaates so: “Der Staat kann nur durch den Staat überwunden werden: der kleine durch den großen, der große durch einen Weltbundesstaat, in welchem sich all die Großen wie die kleinen zu einem einzigen riesigen Staatswesen zusammenschließen. Der Staat bleibt dann als ‑ große oder kleine ‑ Verwaltungsprovinz, endet aber als Souverän…” (S. 41f).




Die drei Konsequenzen, die sich aus der Existenz eines Weltbundesstaates objektiv ergeben würden, sieht er so:
1. Der Weltbundesstaat läßt keinen Raum für Expansion. ja, er nimmt
2. dem Einzelstaat die Möglichkeit, auszuschließen, also von sich fernzuhalten,
     was ihm an menschlichen Qualitäten unerwünscht ist. Noch mehr, er
     verschließt
3. einer Bevölkerung, die bereits von einer fremden Erobererschicht beherrscht
     wird ‑ heute deutlich erkennbar und als Fremdherrschaft empfunden in
     Kolonialländern mit geistig regsamer Bevölkerung, wie Indien, die Möglichkeit
     der Empörung, der Selbstbefreiung.” (S. 45).

Die barbarische Logik, die aus Punkt 3 hervorsticht, läßt dem kritischen Leser erschreckend bewußt werden, daß dieser so konstruierte Weltstaat um des lieben Friedens willen eine unerträgliche Weltdiktatur ausüben müßte. Um mit dem großen russischen Bürgerrechtskämpfer A. Sacharow zu reden: die Welt müßte das werden, was die Sowjetunion heute bereits ist: “ein gigantisches Konzentrationslager”.



Wir sehen, wie eng blinder Liberalismus und brutale Diktatur miteinander verwandt sind.  . . .

Somit ist also klar ‑ die Christen müssen auf ihr “Dogma” verzichten, was letztlich auf die Vernichtung des “wahren Christentums” hinausläuft. Ein dogmenfreies, bekenntnisloses Christentum wäre nicht mehr das von dem historischen Jesus von Nazareth, dem menschgewordenen Sohn Gottes gewollte und in seiner auf Petrus und die Apostel gegründeten Kirche anwesende Christentum. Aber die Ideen R. Wilbrandts decken sich vollständig mit der anti-dogmatischen Ideologie der Freimaurer, die selbst allerdings auch wieder ein Dogma ist, oder wenn man will, eine dogmatische Superreligion. Ein französischer Freimaurer hat das in der geistreichen Formel zum Ausdruck gebracht:
“Wir Freimaurer der Tradition gestatten uns das Wort eines berühmten Staatsmannes zu verdeutlichen und zu übersetzen, indem wir es den Umständen angleichen: Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Muselmanen, Hinduisten, Buddhisten, Freidenker und gläubige Denker sind bei uns nur Vornamen. Unser Familienname ist Freimaurerei.“

. . . Solange die Freimaurerei an diesem ihrem Grunddogma festhält, ist sie mit echtem Christentum ebensowenig zu vereinbaren wie Feuer mit Wasser.

Die Idee eines einheitlichen Weltstaates mit einer einheitlichen Weltregierung impliziert nach dem bisher Gesagten nicht nur ein politisches, sondern auch ein religiöses ‑ für uns ein antichristliches ‑ Programm.
Bischof R. Graber (Regensburg) hat in seiner außerordentlich aufschlußreichen Schrift zum 1600. Todestag des Heiligen Athanasius darauf hingewiesen, daß im Schoß gewisser Geheimgesellschaften “die Keime für das gelegt wurden, was man später Synarchie nannte, d. h. einen einheitlichen Weltstaat mit einer einheitlichen Regierung, die als Gegenkirche geplant ist . . .  Pierre Virion vor allem gebührt das Verdienst, auf diese Geheimgesellschaften in seinen Schriften  aufmerksam gemacht zu haben. Wenn man nur einen Bruchteil dessen liest, was Virion aus all den heute so ziemlich verschwundenen Schriften der geheimen Wortführer zusammengetragen hat, so ist man erstaunt und entsetzt, daß hier gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bereits alle Ideen auftauchen, die heute in der nachkonziliaren Zeit die Kirche auf eine Zerreißprobe stellen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß alle diese destruktiven Gedanken insgeheim auf ein einheitliches Ziel ausgerichtet sind, nämlich die Gegenkirche oder die “neue” Kirche zu schaffen, indem man die alte Kirche unterminiert und umfunktioniert und zwar weniger durch einen von außen kommenden Angriff, sondern, wie man heute im politischen Raum sagt, durch den “Marsch durch die Institutionen”.

Wir haben den französischen Ausdruck für alle diese Bestrebungen schon einmal genannt, nämlich Synarchie. Es handelt sich hier um die Summe von geheimen Mächten aller “Orden” und Schulen, die sich zusammengetan haben, um eine unsichtbare Weltregierung zu bilden. Politisch erstrebt die Synarchie die Integration aller sozialen und finanziellen Mächte, die diese Weltregierung unter sozialistischer Führung natürlich zu tragen und zu fördern hat. Das Christentum würde folglich wie alle Religionen von einem universellen Synkretismus absorbiert werden. Er würde beileibe nicht unterdrückt, sondern integriert werden, wobei das Prinzip der Kollegialität dies bereits deutlich anvisiert. Man sieht gerade hier, welch unterirdische Konsequenzen die Prägung solcher neuer Worte hat. Im Letzten würde die Synarchie, voll verwirklicht, die Gegenkirche bedeuten … Der Plan der Synarchie wurde in den Jahren 1880 ‑ 1890 ausgearbeitet.” (R. Graber)

Der englische Journalist Douglas Reed, der von 1928-1935 Korrespondent der “Times” in Berlin und von 1935-1938 Chefkorrespondent dieser Zeitung in Mitteleuropa mit Sitz in Wien war, darf als einer der besten Kenner der geheimen Drahtzieher hinter den Kulissen des großen Welttheaters in den letzen Jahrhunderten bezeichnet werden. Als hellsichtiger Beobachter der politischen Vorgänge während der Zeit nach dem I. Weltkrieg konnte er schon 1933 den II. Weltkrieg für das Jahr 1938/39 voraussagen. Nachdem er feststellen mußte, daß seine Berichte und Meldungen von der Zensur immer mehr verändert wurden und man ihn in der “Times” nicht mehr alles schreiben ließ, was er wußte, entschloß er sich, seine Kommentare künftig als freier Schriftsteller in Buchform herauszugeben.

So veröffentlichte er 1948 in London ein Buch, das wie kaum ein anderes Werk die geheimen Mächte entlarvte. Begreiflich, daß es in Deutschland nicht gedruckt werden durfte. Erst 1952 konnte es in deutscher übersetzung im Thomas‑Verlag, Zürich, unter dem Titel: Der große Plan der Anonymen erscheinen. Darin schreibt D. Reed: “Wenn ich zurückschaue auf die rauchigen dreißiger und jetzt um mich herum in die qualmigen vierziger Jahre, dann ist das Abstoßende daran nicht der Rauch, sondern der Plan. Dieser geht dahin, Freiheit und Recht und die Wurzel, aus denen beides entspringt, das Christentum, in diesen Ländern zu zerstören« (S. 61).
An Hand zahlreicher Beispiele belegt D. Reed diese Feststellung, indem er nachweist, wie aus den “Geheimen Gesellschaften” nach und nach die einzelnen Elemente des genannten Plans hervorgetreten sind. Er kommt schließlich zu der unerschütterlichen Überzeugung, “daß es in der Welt organisierte Mächte gibt, die gemeinsam daran arbeiten, durch das Chaos die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen. An erster Stelle streben sie nach der Zerstörung des Christentums, der Nationalität und der Freiheit in Europa“ (S. 314).

4. Freimaurerei und Kommunismus

Papst Leo XIII. veröffentlichte am 20. April 1884 die heute noch lesenswerte Enzyklika “Humanum genus“ gegen die Freimaurerei seiner Zeit. Er forderte darin die Bischöfe auf, “den Freimaurern ihre Masken vom Gesicht zu reißen, damit man sie als das erkenne, was sie sind”. Der Papst sieht in dem Vernichtungskampf, der damals gegen die Kirche Christi und die von ihr geschaffene Kultur tobte, das Reich Satans am Werk, „unter dessen Herrschaft alle jene stehen, die dem ewigen göttlichen Gesetz den Gehorsam verweigern, die über Gott hinweggehen oder gegen ihn etwas unternehmen”.

Seiner Meinung nach scheinen die Feinde Gottes miteinander verschworen zu sein zu einem überaus erbitterten Kampf unter der Leitung des Bundes der sogenannten Freimaurer. Ohne ihre Pläne zu verheimlichen, stacheln sie gegen die Majestät Gottes auf. Offen arbeiten sie daran, die heilige Kirche zu vernichten . . .

Wenn dieses sicher nicht leichtfertige Urteil des Papstes zutrifft, war die Freimaurerei des letzten Jahrhunderts die antichristliche Weltmacht, von der die übrigen kirchenfeindlichen Gruppen inspiriert und gesteuert wurden. Das letzte Ziel ihrer Pläne ist unverkennbar: die gesamte vom Christentum geschaffene religiöse und bürgerliche Ordnung zu stürzen und nach ihrem Plan durch eine andere zu ersetzen, deren Grundlage auf dem Naturalismus beruhen . . . Darin sollen die menschliche Natur und die menschliche Vernunft in allem die höchsten Lehrer und Herrscher sein.

Die Freimaurerei des 20. Jahrhunderts ist nicht mehr die des 19. Jahrhunderts. Sie hat sich inzwischen stark gewandelt, wobei die leidvollen Erfahrungen der zwei Weltkriege und der in unserem Jahrhundert überall sich durchsetzende ökumenische Gedanke und der auch im Bereich der Weltanschauungen und Religionen sich vollziehende Abbau des Freund‑Feind‑Denkens maßgeblich zu einer Verbesserung des Verhältnisses von Freimaurerei und Kirche beigetragen haben. So haben sich zweifellos die Methoden der Freimaurerei im Kampf gegen das Bekenntnischristentum geändert. Die offene und brutale Revolution gegen die Kirche wurde aufgegeben, weil sie nicht zum erstrebten Ziel führte. Heute versucht die Freimaurerei mit einer der modernen Zeit besser entsprechenden Methode ihre Pläne zu verwirklichen. Das geschieht durch eine neue revolutionäre Methode, die ich “Revolution mit freundlicher Miene” nennen möchte. Man versucht die Anwendung dieser Methode besonders seit dem II. Vatikanischen Konzil . . .

Es wäre aber eine sehr gefährliche katastrophale Naivität, wenn jemand ernsthaft glauben wollte, daß die Freimaurerei ihre von Anfang an gesteckten Ziele aufgegeben hätte. Ihre Methoden mögen sich geändert haben, ihre Ziele sind die gleichen geblieben.  . . .

. . . so stehen alle Freimaurer mit den Kommunisten gemeinsam auf dem Boden des Rationalismus und Laizismus, d.h. sie betrachten die menschliche Vernunft (ratio) als höchste Instanz ihres Erkennens und Wollens und sie sind bestrebt, den Einfluß der Kirche aus dem öffentlichen Leben auszuschalten (Laizismus). Freimaurer und Kommunisten haben schließlich ein gemeinsames politisches Endziel: Der eine Welt‑Staat unter einer Welt‑Regierung.


Das Endziel des revolutionären Kommunismus ist die bolschewistische Weltrevolution, die etappenweise zu einer sozialistischen Welt‑Republik führen soll. Der britische Politiker John Strachey, der in seiner Laufbahn Antifaschist, verschiedene Male ein Konservativer, dann ein unabhängiger Labourmann, dann ein führender Mann des Kommunismus und nach dem II. Weltkrieg schließlich sozialistischer Minister in England war, schrieb bereits 1937 in seinem Buch Der kommende Kampf um die Macht, “daß die einzig mögliche Zukunft für Großbritannien darin liegt, sich zuerst als freie Republik in einen Bund der europäischen Völker und später der weltumspannenden Gemeinschaft der Sowjetrepubliken einzureihen”. (D.Reed, Der große Plan der Anonymen)

Die meisten Zeitgenossen wissen freilich nicht, daß ein konkreter Plan zur Sozialisierung Europas schon seit gut 30 Jahren besteht, ein Plan, der von einem der prominentesten Freimaurer unseres Jahrhunderts zusammen mit dem kommunistischen Massenschlächter Stalin ausgearbeitet wurde. Leider ist der Weltöffentlichkeit dieser Plan aus dem Jahr 1943 erst 1962 bekannt geworden, als die aufsehenerregende Biographie des amerikanischen Kardinals Spellman erschien. Aus der Biographie geht hervor, daß der Hochgradfreimaurer F. D. Roosevelt 1943 bereit war, ganz Europa dem Kreml auszuliefern. . . . Die genannte Biographie enthält die Gedächtnisaufzeichnung eines Gesprächs, das Präsident Roosevelt 1943 mit Kardinal Spellman führte. Dabei teilte der Präsident dem Kardinal mit, daß nach vorliegendem Plan die Welt zwischen den USA, China, Großbritannien und der Sowjetunion aufgeteilt werde. . . .

Wenden wir uns nach diesem weltpolitischen Exkurs nun dem eigentlich antikirchlichen Komplott von Freimaurern und Kommunisten zu. Obwohl in der sowjetischen Machtsphäre alle Logen verboten sind und die meisten Freien Maurer den Kommunismus sowjetischer Prägung nicht anerkennen, gibt es doch auch Logen, die mit den Kommunisten sich verschworen haben zum gemeinsamen Kampf gegen die Kirche. Wie wir bereits wissen, hatten die Väter der russischen Oktoberrevolution Beziehungen zu französischen Logen. Die politischen Verschwörer hatten fast alle in irgendeiner Form Verbindungen mit geheimen Gesellschaften und Zirkeln, die ihrerseits wieder mit den eigentlichen Freimaurerlogen Kontakte pflegten. Wie die Freimaurerei kam auch der Kommunismus ursprünglich aus dem Untergrund.  . . .

Um ihre Ziele zu erreichen, bedient sich die Freimaurerei der Hochfinanz, der hohen Politik und der Weltpresse, während der Kommunismus im sozialen und wirtschaftlichen Bereich eine Revolution gegen Vaterland, Familie, Eigentum, Moral und Religion vorantreibt. Die Freimaurer betreiben ihre Ziele mit geheimen subversiven Mitteln, die Kommunisten mit offenen. Die Freimaurerei bewegt die sektiererischen politischen Minderheiten ‑ der Kommunismus stützt sich auf eine Politik der Massen, indem er die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit ausbeutet . . .

Was die Freimaurer in ihrer Tätigkeit antreibt, ist letztlich der Haß gegen Christus und gegen alles, was in den menschlichen Seelen und den menschlichen Einrichtungen seinen Namen trägt. Ihr endgültiges Ziel ist die Zerstörung alles Christlichen und alles dessen, was sich an der biblischen Lehre ausrichtet …

Durch ihre Machtpositionen und Schlüsselstellungen in der Hochfinanz, in der hohen Politik sowie im Nachrichten- und Pressewesen ist die liberale und elitäre Maurerei in der Lage, wie keine Macht dieser Welt die Öffentlichkeit mit den von ihr propagierten Ideen und Zielen des Liberalismus zu beeinflussen. Die auf diesem Gebiet von ihr gesteuerte geistige Revolution mit dem Ziel, die Welt zu verweltlichen und das Christentum zu entchristlichen ‑ wie der moderne Säkularisierungsprozeß auf eine knappe Formel gebracht werden kann ‑ hat bereits solche weltweiten “Erfolge” und Einbrüche in den christlichen Raum, vorwiegend in die christliche Theologie des Westens hinein erzielt . . .

III. FREIMAUREREI UND RELIGION 

1. Die Freimaurerei ‑ eine antichristliche Ideologie
Die wichtigste Frage, die in diesem Kapitel zu besprechen ist, betrifft die Religiosität der Freimaurerei und läßt sich in zwei Teilfragen gliedern:
Ist die Freimaurerei eine Religion oder nur ein ethisches System?

Ist die Freimaurerei mit dem Christentum vereinbar?

Über diese Grundfragen wird besonders seit dem II. Weltkrieg engagiert gestritten. Die Antworten, die bisher von Freimaurern und ihren Gegnern auf diese Fragen gegeben wurden, sind verwirrend. Bei den heutigen Freimaurern fällt die Tendenz auf, die Freimaurerei nicht als Religion zu betrachten.

Wie schon W. Hannah (1952) bemerkte, verwenden sie gern die Formel: “Freimaurerei ist nicht eine Religion, sondern ist Religion.” Manchmal sagen sie auch: “Freimaurerei ist nicht eine Religion, sondern sie ist religiös.”
 Fast dieselbe Formulierung findet sich in einer deutschen Freimaurerschrift (1970), wo gesagt wird: “Mit der geheimnisvoll-religiösen Bedeutung der Symbole hat es eine besondere Bewandtnis. In der letzten Unausdeutbarkeit und Vielfalt eines Symbols ergreift der Betrachter religiösen Bereich. Freimaurerei ist darum religiös; sie ist aber keine Religion.”  . . .

 Das authentische Christentum, das sich auf Christus beruft, ist mit dem “Logenchristentum” absolut unvereinbar. Und zwar deshalb, weil Christus von seinen Jüngern das Bekenntnis fordert. Es lebt von Jesus Christus, der “unter Pontius Pilatus Zeugnis gab im herrlichen Bekenntnis” (1. Tim. 6,13), und der seine Zeugen in alle Welt sandte, damit sie ihn “vor den Menschen bekennen”.

Ja er macht dieses Bekenntnis sogar zur Voraussetzung für das ewige Heil, wenn er sagt: 
”Ein jeder nun, der sich zu mir bekennt vor den Menschen, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater im Himmel; wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater im Himmel.” (Mt 10,32ff).

. . .  
Als Glaubender steht er unter dem Wort Christi und dem Glaubensgehorsam. Der Heilige Paulus beschreibt die Bekenntnispflicht in Röm 10,10 so: “Aus dem Herzen kommt der Glaube, der zur Gerechtigkeit führt, und aus dem Munde das Bekenntnis zum Heil.”

Das heißt: Der Christ darf seinen Glauben nicht im Herzen verstecken, er muß ihn in den Mund nehmen und bekennen: das ist sein Heil. Inhalt des christlichen Bekenntnisses ist Jesus Christus, der Sohn Gottes. “Wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater. Das ist der Antichrist, der den Vater leugnet und den Sohn.” So steht es im 1. Johannesbrief (2, 22.)  Darf man von diesem Schriftwort ausgehend, eine Religion, die das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes, ablehnt und aus ihren Tempeln verbannt, nicht eine unchristliche Religion nennen?
 . . .

Nach freimaurerischer Sprachregelung sind alle dogmatischen Religionen und Konfessionen intolerant. Kirchen, die sich als bekennende Kirchen verstehen, sind von der Freimaurerei immer als intolerant verschrien und bekämpft worden.


Der frühere Kultusminister von Baden‑Württemberg, Dr. Gotthilf Schenkel, der am 4. 10. 1959 auf einer Kundgebung der Bruderschaft der Deutschen Freimaurer in der Frankfurter Paulskirche über “Die Gegenwartsaufgaben der Freimaurerei” sprach, schilderte kurz die Gründung der ersten Großloge im Jahr 1717, die sich gegen die Intoleranz der Kirchen und Konfessionen gewendet habe und sagte, der Kampf gegen Intoleranz sei auch heute noch ein wesentlicher Grundzug der Freimaurerei und die Toleranz ein entscheidendes Prinzip. (FAZ, 5. Okt. 1959).

Demnach ist also die Freimaurerei wesentlich ein Kampfbund gegen die “Intoleranz der Kirchen und Konfessionen”. 

Wenn aber die von Christus gestiftete und in seinem Namen auftretende Kirche ihrem Wesen nach eine konfessionelle Gemeinschaft ist, wenn echtes Christentum nur im Bekenntnis existieren kann, dann ist die Freimaurerei als religiöse Gegenbewegung zu diesem Christentum antichristlich orientiert.
  . . .


”Freimaurerei ist eine Mysterienreligion, sie ist vom christlichen Glauben völlig verschieden, ihm entgegengesetzt und fremd. Wie die Mysterienkulte, trotz scheinbarer Toleranz und Anerkennung fremder Götter zum Synkretismus führen, so ist die heutige Freimaurerei; sie möchte nach und nach alle Menschen umfassen und sittlich vervollkommnen, das Erkennen der Wahrheit fördern und sich zu einer Art Über-Religion erheben, wobei sie auf alle andere Religionen (die christliche nicht ausgenommen) als etwas Minderes herabsieht.  . . .

. . . Angesehene und führende Freimaurer sehen im ökumenischen Dialog nach dem II. Vatikanischen Konzil die große Chance oder sie hegen zumindest die Hoffnung, daß die Katholische Kirche ihre Haltung gegenüber der Freimaurerei revidiere. Sie selbst wollen aber die Freimaurerei in ihrem Wesen nicht verändert wissen, wenngleich sie auch einige unwesentliche kosmetische Reformen in ihrem Ritual und Brauchtum für notwendig erachten, heute manchmal mit der Absicht, dadurch die Logen für Katholiken als akzeptabel erscheinen zu lassen. . . .

Da die Kirche aber keinen Verrat an dem von ihrem göttlichen Stifter stammenden Heilsauftrag üben darf, wird die ersehnte und erstrebte geistige Ökumene mit der Freimaurerei solange nicht möglich sein, als die “dogmenlose Freimaurerei” die katholische Kirche, “die auf dem Dogma beharren muß” nicht anerkennt.  . . .

. . . und sprach dabei als Endziel des Grand Orient die vollständige Laisierung an, das heißt die totale Verdrängung der Kirche aus allen öffentlichen Bereichen.
Er sagte in diesem Zusammenhang ein Wort, das wir nicht vergessen sollten: “Die Idee des Laizismus ist für uns nicht eine objektive Idee, sie ist unser Wesen . . .”

. . .  Die Glaubensauffassung und Weltanschauung des Grand-Orient, so wird mancher einwenden, kann doch nicht als normgebend für die gesamte Freimaurerei hingestellt werden. Und doch, so muß diesem Argument entgegengehalten werden, läßt sich auch in vielen angelsächsischen Logen, vorwiegend in der neuen Welt, bei allen sonstigen Unterschieden, eine verblüffende Übereinstimmung mit dem Groß‑Orient hinsichtlich laizistischer Bestrebungen beobachten .  . . .

Auch die amerikanische Freimaurerei kann in ihrer Gesamtheit keinesfalls als kirchenfreundlich betrachtet werden. Die amerikanischen Logen haben in letzter Zeit zunehmend Atheisten aufgenommen. . . . Die amerikanischen Freimaurer sind wie alle anderen davon überzeugt, daß sie über jede “partikularistische Religion” erhaben sind und erstreben “eine universale Religion auf der Grundlage der Liebe zur Menschheit”.
Die amerikanische Freimaurerei ist zwar in zahlreiche selbständige Logen gegliedert und hält im allgemeinen an ihrem englischen bzw. schottischen Ursprung fest. Das hindert sie jedoch nicht, in Glaubensfragen den englischen Freimaurern religiöse Enge und zu großen Konservatismus vorzuwerfen. Es gibt auch in den USA Logen, die ganz im Stil des Groß‑Orients eine militant antikirchliche Propaganda betreiben und den Einfluß der Kirchen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschalten wollen.  . . .

2. Die antichristliche Kulturrevolution

 . . .  Uns interessiert vielmehr die Frage, wie die vielgerühmte freimaurerische Toleranz der Kirche Jesu Christi begegnet, die den Anspruch erhebt, allein zur Verkündigung der von Gott geoffenbarten Heilsbotschaft von ihrem Herrn Jesus Christus zu allen Völkern gesandt zu sein mit dem Auftrag, die Menschen zu Glauben und Taufe zu rufen und ihnen ewiges Leben im Reiche Gottes zu vermitteln. Wer dieser Frage nachgeht, muß leider feststellen, daß die “Humanitäts-Religion” der Logen für die Kirche weder Verständnis noch die geringste Toleranz aufbringt. Im Gegenteil: Die Freimaurer treten dieser nach ihrem Vokabular “intoleranten Kirche” und ihren “Dogmen” mit aller Entschiedenheit entgegen.
  . . .

Ihr leidenschaftlicher und unerbittlicher Kampf gegen das weltumfassende Bekenntnischristentum gilt von jeher in erster Linie der Bekenntnisschule bzw der Christlichen Erziehung.  . . .

. . . Eine sachkritische Würdigung dieses freimaurerischen Erziehungsprogramms kommt zu folgendem Schluß: 
Im Namen von Freiheit und Gleichheit wird hier eine totale Kulturdiktatur angestrebt, die sich ihrem Wesen nach von der in den kommunistisch beherrschten Staaten praktizierten Kollektiverziehung in nichts unterscheidet. Mögen die Erziehungsinhalte hier und dort verbal verschieden sein, im Endeffekt haben sie das gleiche kulturrevolutionäre Ziel, das schon in der Französischen Revolution angestrebt wurde: die Vernichtung des Christentums als der Wurzel der persönlichen Freiheiten, besonders der Glaubens- und Gewissensfreiheit.


Wenn es gelingen sollte, dieses Ziel zu erreichen, dann wäre auch noch der letzte Rest von wahrer Demokratie im Westen beseitigt. Diese Erkenntnis hat niemand klarer ausgesprochen als der große europäische Demokrat Robert Schuman, der in seinem Buch Pour l’Europe schreibt:
“Die Demokratie wird christlich sein oder sie wird nicht sein. Eine antichristliche Demokratie ist eine Karikatur, die in der Tyrannei oder in der Anarchie endet” (S. 70).


Die größte und heimtückischste Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung kommt allerdings weniger von der kommunistischen Politik und Unterwanderungsstrategie, von außen also, als vielmehr von der inneren Zersetzung der demokratischen Ordnung durch die extremen liberalen Kulturrevolutionäre, deren geistige Verwandtschaft mit den roten Kulturdiktatoren nirgendwo so deutlich in Erscheinung tritt als gerade auf dem Feld ihrer gemeinsamen antichristlichen Kulturpolitik.

. . .  Die Konzeption und Zielsetzung der militanten “Humanistischen Union” stimmt im wesentlichen mit den Bestrebungen der freimaurerischen Humanitätsideologie überein. Der Einfluß der elitären Freimaurerei ist deshalb so stark, weil viele Schlüsselpositionen im Bereich der Hochfinanz, der Presse und des Nachrichtenwesens in den meisten westlichen Ländern von Mitgliedern der Logen besetzt sind. Dadurch wird besonders die öffentliche oder veröffentlichte Meinung entscheidend von den Ideen der liberalen Kulturkämpfer geprägt und überall eine für die autonome Geisteswelt der Freimaurerei charakteristische Atmosphäre geschaffen.


Wenn der Freimaurer Axel Springer einen Großteil der deutschen Presse kontrolliert und der Stuhlmeister der ältesten Hamburger Loge gleichzeitig Chef vom Dienst in der Zentrale einer großen deutschen Presseagentur ist (FAZ, 10.12.1962, Bericht über die 225-Jahresfeier der Loge Absalom zu den drei Nesseln), dann versteht man, wie die in den Nachrichten-Agenturen gefilterten und durch die Massenmedien in die Bevölkerung geschleusten Informationen und Nachrichten die Öffentlichkeit entscheidend im Geiste der Freimaurerideologie beeinflussen, manipulieren und programmieren können.

. . .  Was auf uns zukommt ist schon in einer Resolution der Freireligiösen Gemeinde Bayerns vom 26. März 1962 in aller Deutlichkeit ausgesprochen worden:
die völlige Trennung von Staat und Kirche,
die Beseitigung des christlichen Charakters der Gemeinschaftsschulen und höheren Schulen,
die Ausschaltung des kirchlichen Einflusses in Verwaltung und Justiz,
die Abschaffung der Säuglingstaufe und schließlich
die Überprüfung aller Gesetze zum Zwecke der Beseitigung der Bevorzugung der Kirchen und kirchlichen Organisationen.

Die konzentrierte Aktion der organisierten und gesteuerten antichristlichen Kulturrevolutionäre wurde systematisch weitergeführt und erreichte einen spektakulären Höhepunkt im Jahr 1973. Die westdeutsche Drei‑Punkte‑Partei (F.D.P.), “zu der sich die Freimaurer, sofern sie sich politisch betätigen, auf Grund der liberalen Geisteshaltung besonders hingezogen fühlen” (Kristall, Nr.10/1964, S.63), veröffentlichte in der “Frankfurter Rundschau“ vom 23. August 1973 den Entwurf eines Grundsatzpapiers Freie Kirche im freien Staat ‑Thesen zum Verhältnis von Staat und Kirche. …

Der F.D.P.‑Bundesvorstand hat am 26. August 1973 die Vorlage als “geeignete Grundlage für die Diskussion in der Partei” freigegeben. Ursprünglich war auch eine Diskussion der “Thesen” auf dem Bundesparteitag der F.D.P. in Wiesbaden geplant, doch fand die Diskussion dort aus begreiflichen Gründen nicht statt. Die Proteste und ablehnenden Reaktionen, die aus der Öffentlichkeit gegen dieses Kirchenpapier laut wurden, ließen es den Parteistrategen ratsam erscheinen, das antikirchliche Machwerk vorerst auf Eis zu legen und auf günstigere Zeiten für einen neuen Vorstoß zu warten.  . . .

3. Vom ökumenischen Dialog zur Ökumene der Religionen

Mit Papst Johannes XXIII. begann eine neue Ära der Kirchengeschichte. Die universale Brüderlichkeit, die dieser Papst aller Welt vorlebte, weckte auch in der Welt der Freimaurerei große Erwartungen. Man hoffte auf grundlegende Wandlungen im Verhältnis von Katholischer Kirche zur Freimaurerei. Der gütige Roncalli-Papst gab gerade durch seinen brüderlichen Stil nicht zuletzt dem Groß-Orient von Frankreich Anlaß, die antikirchliche Kampagne durch eine bessere revolutionäre Methode abzulösen. Die gehässigen Töne gegen die Kirche verstummten. Die Parole hieß nun: Ökumenischer Dialog.

Der Dialog erlaubte es schließlich, mehr und mehr aus der subversiven Untergrundaktivität aufzutauchen und an das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Die Revolutionäre des Groß‑Orient begannen eine Offensive der brüderlichen Umarmung, sie zeigten plötzlich ein freundliches Gesicht. Die antichristliche Revolution sollte auf leisen Sohlen und mittels des ökumenischen Dialogs größere Fortschritte machen und noch bessere Erfolge erzielen. Soweit man heute die Situation überblicken kann, hat sich die neue maurerische Taktik als erfolgreich erwiesen.  . . .

Die erste spektakuläre Aktion, die das Zeitalter des Dialogs mit der Katholischen Kirche einleitete, war die Einladung des ehemaligen Kanzelredners von Notre Dame in Paris, Pater Riquet S. J., zu einem Vortrag vor Freimaurern in der Loge Volney in Laval (Westfrankreich), einer Loge des Groß‑Orient. Der Vortrag fand am 18. März 1961 statt.  . . .

Am gleichen Tag meldete die Katholische Nachrichtenagentur KNA, daß am 18. März erstmals seit zwei Jahrhunderten ein katholischer Priester mit Billigung seiner kirchlichen Obrigkeit eine Freimaurer-Loge in Frankreich betreten werde . . .  Ein “Streitgespräch” war indes nicht geplant und fand auch nicht statt. Am 22. März 1961 berichtete KNA: 
“Als ein historisches Ereignis in der Geistesgeschichte Frankreichs wurde in einem gemeinsamen Kommunique das Auftreten eines katholischen Geistlichen in der Freimaurerloge von Laval bezeichnet. . . . Damit war ein Anfang gesetzt.

Schon ein Jahr später wurde dem Kapuzinerpater N. M. Wildiers von seinem Freund, dem Freimaurer N. E. van der Laaken, die Gelegenheit geboten zu einem Vortrag vor den versammelten Logen von Amsterdam. P. Wildiers, der durch seine Studien und Vorträge über Teilhard de Chardin bekannt geworden war, sprach vor den Freimaurern in Amsterdam über Teilhard.  . . .

Im Juni 1971 wurde erstmals ein Bischof in eine Loge der Grand Loge de France (GLDF) eingeladen. Bruder Dr. Pierre Simon, der von 1969 – 1971 Großmeister der GLDF war und dieses Amt 1973 wieder übernahm, lud den Weihbischof von Paris, Msgre Pezeril, in die GLDF ein. Nach einer Freimaurer-Zeitung “war es das erste Mal seit der französischen Revolution, daß ein amtierender Bischof offiziell in einer Freimaurerloge empfangen wurde.  . . . 

Im Frühjahr 1961, noch rechtzeitig vor dem Konzil, erschien aus der Feder des angesehenen Rechtsgelehrten Alec Mellor mit dem Imprimatur der Erzdiözese Paris das aufsehenerregende Werk “Unsere getrennten Brüder, die Freimaurer”, das in “Le Monde” eine “leidenschaftliche Studie über die Freimaurerei und den Katholizismus” genannt wurde und heftige Diskussionen bei Katholiken und Freimaurern auslöste.

. . .  Selbst die Maurerei in den Vereinigten Staaten darf nicht einfach für weltanschaulich harmlos angesehen werden. Zwar haben sich sowohl Roosevelt wie Truman, die wie viele andere Präsidenten der USA der Loge angehörten, zum Heiligen Stuhl freundlich gestellt; aber danach allein kann man nicht urteilen. Joseph Berteloot hat gezeigt, daß die Maurerei der Vereinigten Staaten ein doppeltes Gesicht besitzt. Es fehlt auch hier nicht an antichristlichen Scharfmachern.  . . .

. . .  Da eine Ökumene der christlichen Kirchen und Gemeinschaften wenig oder gar keine Aussicht hat jemals verwirklicht werden zu können, bleibt als Ausweg aus dem ökumenischen Dilemma nur eine Ökumene der Religionen als Endziel einer universalen religiösen Ökumenismus-Bewegung.

. . .  Wir finden sie wieder in Lessings Drama Nathan der Weise, in welchem zum Schluß Christ, Mohammedaner und Jude geschwisterlich und freundschaftverpflichtet und verbunden sind.
 Mit der bekannten Ringparabel symbolisiert der Dichter seine Auffassung, daß Christentum, Judentum und Islam als geschichtliche Wahrheiten nur zufällige sind, die alle gleichermaßen die ewige notwendige Wahrheit verhüllen. 
Das ist reine Freimaurerideologie.

SCHLUSSWORT

Überzeugt von der unumstößlichen Tatsache, daß die Freimaurerei ihr innerstes Wesen, wie es in dem Grundgesetz der Konstitutionen von 1723 grundgelegt ist, niemals ändern kann, geben wir das letzte Wort dieser Schrift einem Freimaurer, der zu den einflußreichsten Vertretern der internationalen Freimaurerei im 20. Jahrhundert gezählt werden darf: Quartier‑la‑Tente. Er war protestantischer Pfarrer, Großmeister der Schweizer Großloge “Alpina” und zeitweilig Leiter der freimaurerischen Weltgeschäftsstelle in Genf. 27 Jahre lang war er überdies Staatsrat und Leiter des Departements für Unterricht und Kultur in der Schweiz.
 Er schreibt über die Versöhnung von Freimaurerei und Christentum:
“Die Versöhnung ist nicht mehr möglich. Es kann daher nur Kampf geben, einen Kampf ohne Gnade, der mit dem Sieg der Wissenschaft und des Gewissens enden wird … Der Maurer ist ein freier Mensch; der Christ ist ein Sklave, der einer erzwungenen Disziplin des Geistes unterworfen ist. Und nichts ist unverträglicher mit freimaurerischem Geist.”
(Quartier‑la‑Tente: Two Centuries of Freemasonry, Bern, 1917)

In der Tat ist jeder wahre Christ ein Sklave (Diener) Jesu Christi. Im Neuen Testament wird das oftmals bezeugt, besonders in den Paulusbriefen. Diese Sklaverei aber, die nichts anderes ist als der unbedingte Glaubensgehorsam gegenüber dem Herrn Jesus Christus, nimmt der Christ in freier Liebe auf sich, weil er davon überzeugt ist, daß nur Christus allein uns zur wahren Freiheit befreit.
 Ungehorsam gegen Jesus Christus führt in die Sklaverei der Sünde: das heißt in die Unmenschlichkeit und Barbarei. 

Die Wissenschaft der Freimaurerei hat die Menschheit in eine Sackgasse geführt. Der autonome Humanismus hat nicht Freiheit für alle, sondern eine neue Form der Sklaverei für viele geschaffen, aus der nur Jesus Christus und seine Gnade befreien kann.

Dieser Beitrag entstammt dem Buch DIE ANTICHRISTLICHE FREIMAUREREI, erhältlich im Miriam-Verlag in 79798 Jestetten, Brühlweg 1

Kürzungen und die Hervorhebungen wurden von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, im Oktober 2006

Weitere ergänzende Beiträge:
1. Die geplante Weltregierung, von Manfred Adler
2. Weltmacht Zionismus, von Manfred Adler
3. Christus und die Welt des Antichristen, von Pfr. Wolfgang Borowsky
4. Das antichristliche Weltsystem, von Erich Sauer
5. Das Völkergericht, von Erich Sauer
6. Karl Marx und Satan, von Pfr. Richard Wurmbrand

www.horst-koch.de
info@horst-koch.de




Weltevangelisierung (P.Beyerhaus)

Weltevangelisierung oder Weltveränderung?

Aufruf zur Erneuerung eines biblisch-heilsgeschichtlichen Missionsverständnisses
Von Peter Beyerhaus

1. Anlass
Wir begrüßen das verstärkte Suchen der weltweiten evangelikalen Bewegung nach missionarischen Wegen für unsere Zeit. Wir beobachten das u. a. an dem fruchtbaren Verlauf der drei Lausanner Kongresse für Weltevangelisation in den Jahren 1974, 1989 und zuletzt 2010 in Kapstadt. Bei diesen erfreuten die Berichte und persönlichen Zeugnisse von Vertretern besonders der jüngeren Generation aus allen Ländern der Erdteile Asien, Afrika und Lateinamerika.
Jedoch bereitet es uns Sorge, dass die evangelikale Missionstheologie beginnt, ihre traditionelle biblisch-heilsgeschichtliche Begründung zu vernachlässigen.  Stattdessen  nähert sie sich Schritt für Schritt dem geschichtstheologischen  Missionsverständnis des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) an, wie es unter dem Einfluss säkular-ökumenischer  Theologen seit Uppsala 1968 und auch später all seinen Konferenzen und Verlautbarungen zugrunde lag. Hier werden Heilsgeschichte und Weltgeschichte miteinander verschmolzen auf dem Weg zur gewollten Aufrichtung des Reiches Gottes schon auf dieser Erde.
Nachdem der ÖRK in den letzten beiden Jahrzehnten sich in seinem Sprachstil dem biblischen Denken der Evangelikalen angenähert hat, folgen zunehmend auch Teile der evangelikalen Bewegung diesem neuen Trend, sowohl weltweit als auch im deutschsprachigen Raum.

Das zeigen drei Beispiele aus jüngster Zeit:
Erstens die von Vertretern des ÖRK und der weltweiten Evangelischen Allianz gemeinsam abgegebene  Erklärung „100 Jahre Edinburgh“;
zweitens das Vorbereitungsdokument „Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten“, ausgearbeitet von Evangelikalen und Vertretern des ÖRK im Blick auf die 10. Vollversammlung des ÖRK im Herbst 2013 im südkoreanischen Pusan;
drittens die Verleihung des nach dem prominenten evangelikalen Missiologen George W. Peters (1907-87) benannten Preises im Januar 2010 an Roland Hardmeier, einem der Vordenker in der zeitgenössischen Transformations-Theologie.
Anfang  Januar 2013 fand in Herrenberg bei Tübingen ein wichtiges Gesprächsforum zum Thema Evangelisation und Transformation statt. Es wurde vom Arbeitskreis für evangelikale Missiologie (AfeM) gemeinsam mit der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen (AEM) durchgeführt. Allerdings kam es  bei diesem zu keiner theologischen Klärung des behandelten Problems. …

2. „Transformation“ als neue Thematik evangelikaler Missionstheologie

Seit der III. Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 hatte sich in der Genfer Ökumene unter dem Einfluss von Theologen wie Johannes Chr. Hoekendijk, Harvey Cox, Jürgen Moltmann und Walter Hollenweger ein modernes Missionsverständnis entwickelt. Durch die Vermittlung der ursprünglich in Lateinamerika beheimateten  „Radikalen Evangelikalen“ ist es nunmehr zunehmend auch auf evangelikaler Seite übernommen worden.
Wichtig dabei ist es auch, die Ursprünge und die neuere Entwicklung der Transformationsidee in der weltweiten evangelikalen Bewegung zur Kenntnis zu nehmen. Das theologische Problemfeld der zeitgenössischen evangelikalen Bewegung liegt nicht mehr in dem viel behandelten Verhältnis zwischen „Wortverkündigung und Diakonie“ bzw. dem  zwischen „Evangelisation und sozialer Verantwortung“ … Vielmehr geht es in der jetzigen Diskussion zunehmend um das Spannungsfeld zwischen Gesellschaftsveränderung als Ausdruck des Reiches Gottes und als angebliches Ziel der Mission.
Dieses Missionsverständnis wird gekennzeichnet mit Begriffen wie „ganzheitlich“, „holistisch“, „inkarnatorisch“. Auch viele Missionstheoretiker betreiben das bisherige Fach „Missionstheologie“ jetzt unter der Bezeichnung „Missionale Theologie“. …
In diesem Zusammenhang bildet das Wort „Transformation“ einen Schlüsselbegriff. Worum geht es dabei? fragen viele Christen, für die er bisher völlig unbekannt war.
Den Begriff der „Gesellschafts-Transformation“ finden wir heute sowohl im ÖRK als auch seit 1982 in der evangelikalen Missionsbewegung als Leitidee. Angesichts seiner raschen Verbreitung bedarf er dringend einer Klärung.
Das Wort „Transformation“ als solches kommt vom lateinischen transformare =  umformen. „Transformation“ im Sinne einer Veränderung von sozialen und politischen Strukturen ist kein biblischer Begriff.  Am ehesten entspricht ihm das griechische metamorphóo = umgestalten, verwandeln (Matth 17,2; Röm 12,2; 2Kor 3,18). Damit ist die vom Heiligen Geist bewirkte Umwandlung der Wiedergeborenen, nicht aber eine Umgestaltung irdischer sozialer Zustände gemeint. Das gilt es bei allen theologischen Gesprächen mit den Vertretern einer Transformations-Theologie zu beachten. …
In der Neuzeit wurde der biblische und altkirchliche Begriff „Transformation“ wieder aufgegriffen und eigenwillig uminterpretiert durch die Theosophie, besonders durch die englisch-amerikanische Theosophin Alice Bailey (1880-1949). … In einem kommenden neuen Weltzeitalter soll die Menschheit zu einer höheren Rasse emporentwickelt und eine neue Weltordnung eingeführt werden.
Diese Entwicklung kommt, so heißt es, zwar automatisch; aber erleuchtete Menschen können sie beschleunigen, indem sie an der „Transformation“ aller Lebensbereiche mitarbeiten.
Dazu ist eine Bewusstseinserweiterung erforderlich, die durch das Praktizieren von Yoga und Meditation erreicht werden kann. … Am Ende der universalen Transformation soll eine Weltregierung eingesetzt werden, die den weltweiten Frieden auf Erden verwirklicht. – Die Ideen der Theosophie wurden voll übernommen von den Pionieren der New Age-Bewegung.
Der zunächst durch die neo-evangelikale Bewegung in Nordamerika übernommene Begriff ist also gefährlich belastet; denn bei der hinduistischen bzw. buddhistischen Meditation öffnet sich das Unterbewusstsein für okkulte Einflüsse.
Dass die Neoevangelikalen das Konzept einer Gesellschafts-Transformation nützlich fanden, hängt damit zusammen, dass sich in weiten Teilen der  amerikanischen Missionsbewegung seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts die „Kingdom-Theology“ durchgesetzt hat. Dies geschah in Verdrängung der bisherigen auf persönliche Bekehrung und Gemeindebau ausgerichteten Missionstheologie, weil man von dem hier anvisierten erweiterten Missionsziel fasziniert war.
Eine Facette innerhalb der Kingdom-Theology ist die Dominion- bzw. Herrschaftstheologie. Sie entstand in der älteren amerikanischen Tradition des „Postmillennialismus“, d.h. der Überzeugung, dass das von Jesus verkündete messianische Friedensreich, das Tausendjährige Reich (Millennium) von Offenbarung 20, 1-6, vor seiner Wiederkunft auf dieser Erde errichtet werden soll.
Diese Vorstellungen sind nun von den deutschsprachigen Autoren der Transformations-Theologie übernommen worden, und sie werden durch ihre Veröffentlichungen verbreitet und durch Aktionen wie die „Micha-Initiative“ auch in die Tat umgesetzt und zum neuen Missionsprogramm erhoben.
Theologen der „transformatorischen Bewegung“ haben durch beeindruckende Publikationsreihen auf sich aufmerksam gemacht. Außer den Autoren dieser Bücher haben sich vor allem das Marburger Bibelseminar und das Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) der Transformations-Theologie gewidmet.
Die Transformations-Theologie hat konkrete Auswirkungen in der missionarischen Praxis. Wirtschaftlich-soziale Projekte verdrängen die evangelistische Verkündigung. Zwar bekennen sich grundsätzlich die meisten Transformations-Theologen im Prinzip zur Notwendigkeit evangelistischer Verkündigung. Sie meinen dies durchaus ernst; einige zeigen es auch im eigenen missionarischen Engagement, z. B. in der Moslem-Mission. Trotzdem beobachten wir mit Besorgnis, dass in den programmatischen Veröffentlichungen der Transformations-Theologie neben die Verkündigung des Evangeliums die soziale und, wo möglich, politische Aktion als gleichwertige Ausdrucksform des Evangeliums und der Königsherrschaft Gottes tritt.
Durch diese Erweiterung bleibt jedoch die soteriologische, d.h. die auf das ewige Heil gerichtete Dimension des Evangeliums, die von Jesus durch seinen Sühnetod gebrachte Erlösung nicht unberührt. Im Gegenteil erweist es sich, dass sowohl in der Theorie als auch der missionarischen Praxis das Heil der Seele durch Bekehrung hin zu Christus hinter der Schaffung besserer sozialer und ökonomischer Lebensbedingungen zurücktritt. …

3. Das Schriftverständnis der Transformations-Theologie

3.1 Kontextuelle Hermeneutik
Alle Transformations-Theologen bekennen sich grundsätzlich zur Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift. Allerdings lassen sich deutliche Weichenstellungen beobachten, welche die Schriftauslegung betreffen. Sie stehen im Zusammenhang mit der „kontextuellen Hermeneutik“, welche einen Text von seinem Kontext, in diesem Falle dem sozialpolitischen Kontext, her verstehen will. Die Problematik liegt darin, dass sie die biblischen Texte nach den Auslegungsmethoden der zeitgenössischen kontextuellen Theologien lesen, wie sie besonders von Vertretern befreiungstheologischer und feministischer Theologie bekannt sind. Der soziale Kontext, in dem die biblischen Texte gelesen werden, bietet dabei einen Deutungsschlüssel. Damit verbindet sich eine bestimmte Zuordnung von Altem und Neuem Testament.
Willkürlich ausgewählte geschichtliche Ereignisse des Alten Testaments, wie die Befreiung Israels aus Ägypten, die Bestimmung Israel zum Licht der Völker sowie die prophetische Predigt gegen die Mächtigen und die Ungerechtigkeit sieht man als „paradigmatische“ Modelle und versteht sie verpflichtend für die Mission der Kirche.
Damit wird der Boden der klassischen evangelischen Schriftauslegung verlassen. Für diese bildet bekanntlich Jesus Christus die entscheidende „hermeneutische Brille“, indem er selber verbindlichen Aufschluss darüber gab und heute gibt, wie das Alte Testament zu verstehen ist (Luk 24,27.45; vgl. Apg 13,47, 2.Kor 1,20). Die Transformations-Theologen hingegen entnehmen dem Alten Testament bestimmte geschichtliche Ereignisse und interpretieren sie – ungeachtet der heilsgeschichtlich fortschreitenden Offenbarung in der Heiligen Schrift und an Jesus Christus als deren Mitte. Von ihrem „kontextuellen“  Blickwinkel her  erheben sie ihre neue Sicht zum Maßstab der Mission der Kirche heute.
Bezeichnend für diese einseitige Konzentration auf die soziale Thematik in der Heiligen Schrift ist, dass die sog. Micha-Initiative in Zusammenarbeit mit christlichen Hilfswerken eine „Gerechtigkeitsbibel“ herausgegeben hat. Die Micha-Initiative ist eine weltweite christliche Kampagne für die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und für globale Gerechtigkeit. Zu ihren acht konkreten Zielen gehört als erstes und wichtigstes die Halbierung der Weltarmut bis zum Jahre 2015. In Deutschland machte sich insbesondere die Evangelische Allianz zum Hauptträger der „Micha-Initiative“.
Wegen dieser Übernahme weltpolitischer Ziele sowie ihres wirklichkeitsfremden Charakters hat Rolf Scheffbuch diese Initiative scharf kritisiert. Er wies darauf hin, dass bei einer Mitverantwortung für die Millenniums-Entwicklungsziele den Missionaren eine ungeheure Last aufgebürdet werde, die ihre Zeit und Kraft restlos in Anspruch nehmen würde und doch nur in Frustrationen enden könne. Es enttäuschte ihn jedoch, dass er mit seiner Beurteilung bei den Verantwortlichen in der Deutschen Evangelischen Allianz wie auch bei der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen nicht durchdrang.


3.2 Anthropozentrik
Eine Folge des kontextuellen Verständnisses der Heiligen Schrift bei den Transformations-Theologen ist, dass der Mensch mit seinen Problemen, Nöten und Wünschen zum Mittelpunkt wird, nicht aber Gott, der sich in der Heiligen Schrift offenbart, uns unsere tiefste Not, die Sünde, aufdeckt und zugleich unsere Erlösung durch das Heilswerk von Jesus Christus aufzeigt. – Die Entscheidung für die kontextuelle Methode hat die Transformations-Theologen zu einer Vorentscheidung über die Auslegung jedes Bibeltextes im Lichte der gegenwärtigen  menschlichen Situation geführt. Wenn der biblische Text aber nur auf die Fragen des heutigen Kontextes hin gelesen wird, wird er nicht das aufzeigen können, was er selbst sagen will.


3.3 Die angebliche Engführung der paulinischen Theologie
Die zweite hermeneutische Weichenstellung ist die Wahl des neutestamentlichen Ausgangspunktes. Man behauptet, dass die protestantische Theologie mit ihrer starken Ausrichtung auf Paulus einer Engführung erlegen sei. Diese müsse nun durch die Wahrnehmung des vorgeblich ganzen Evangeliums korrigiert werden. Bei näherer Betrachtung sehen wir große Ähnlichkeiten mit der Social-Gospel-Bewegung, zu der sich viele  Transformations-Theologen offen bekennen. Gerade sie sollten allerdings bedenken, dass dieses „soziale Evangelium“ schon im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eine Kursänderung und Erlahmung in der in Edinburgh 1910 so hoffnungsvoll aufgebrochenen internationalen Missionsbewegung verursachte.


4. Das Jesusbild der Transformations-Theologie
Tiefgreifende Konsequenzen hat die kontextuelle Bibelauslegung der Transformations-Theologie für ihre Christologie, d.h. ihre Sicht von Person und Werk von  Jesus, dem  Christus. Von dieser Darstellung des zentralen Inhalts des christlichen Glaubens her fallen zugleich die Entscheidungen für das Gesamtverständnis der Kirche und ihrer „missionalen“ Existenz.
Christologische Gesichtspunkte kommen bei allen Autoren der Transformations-Theologie gelegentlich zu Worte. Die ausführlichste Behandlung der Person und des Werks von Jesus Christus und von deren heutiger Bedeutsamkeit legt Roland Hardmeier im 7. Kapitel seines Hauptwerkes Kirche ist Mission vor. Welche Bedeutung er selbst seiner hier entfalteten Sicht beimisst, kommt zum Ausdruck in seiner Bemerkung:
„Die Entwicklung der evangelikalen Mission hin zur Mission als Inkarnation und Transformation entspricht dem Auftrag von Jesus, gesendet zu sein, wie er gesandt war, und darf in Anspruch nehmen, eine solide christologische Grundlage zu haben.“
Das Kapitel trägt die Überschrift: „Der Mensch Jesus“. Gewiss übernimmt er damit nicht etwa das liberale bzw. „entmythologisierte“ Jesusbild der modernistischen Theologie. Denn  prinzipiell hält er sowohl an den Lehraussagen der biblischen Christologie als auch der Soteriologie (der Lehre von der Erlösung) fest.
Aber die genannte Überschrift zeigt, dass Hardmeier das Hauptgewicht auf das Menschsein von Jesus legt. Das geschieht unter weitgehender Ausblendung seines Gottseins, wie dieses besonders im Johannesevangelium (Joh 1, 1-14; 20,28) betont herausgestellt wird und von der Alten Kirche in ihren grundlegenden Dogmen von Nizäa 325 und Chalcedon 451 formuliert worden ist: Der Sohn Gottes ist wesensgleich mit Gott dem Vater, und in seiner Person sind beide Naturen, die göttliche und die menschliche, untrennbar miteinander vereint.
Nun wird zwar das Wunder der Menschwerdung Gottes angesprochen in dem Begriff „inkarnatorisch“, der im zeitgenössischen Missionsverständnis der neuevangelikalen Bewegung eine wichtige Rolle spielt. Doch geht es dabei gerade nicht so sehr um das einmalige Wunder der Fleischwerdung des ewigen Logos in der Person des Christus. Vielmehr wird in dem, was wir eine „Vorbild-Christologie“ nennen können, hervorgehoben, dass der menschgewordene Jesus Christus sich zum Diener gemacht  und eine Existenz des Dienstes in den Nöten der Menschheit geführt habe.
Das klingt gewiss an den Christushymnus des Paulus in Philipper 2, 5-11 an, übersieht jedoch, dass der Höhepunkt dieses Dienstes im Sühnetod von Christus am Kreuz bestand und aus Gehorsam gegen Gott geschah. Dieser hat deswegen seinen Sohn zu seiner Rechten erhöht und zum Herrn aller derer gemacht, die im Himmel und auf der Erde sind. Von dort übt Christus jetzt seine Gnadenherrschaft aus. Seine Vorbildfunktion hingegen konzentriert  sich im Neuen Testament wesentlich auf seinen Leidens- und Sterbensweg (Matth 16, 24; Mt 20,28; Joh 13,13-15; 1Petr 2, 21-24).
Mit seiner Erhöhung ist jedoch ein neues Datum der Heilsgeschichte gegeben, das einer „Imitatio (Nachfolge) Christi“ eine Schranke setzt. Es ist im Sinne des biblisch-reformatorischen Heilsverständnisses nicht erlaubt, aus dem „Christus für uns“ ein „Wir wie Christus“ zu machen; denn damit würde das Evangelium in ein neues Gesetz verwandelt. …
Wir wenden uns gegen die heutige Tendenz, Wesen und Aufgaben der Mission aus den gesellschaftlichen Analysen unserer Zeit und den Anfragen der nichtchristlichen Menschheit zu bestimmen. Was das Evangelium den heutigen Menschen im Tiefsten zu sagen hat, … ist durch das apostolische Zeugnis ein für alle Male normativ vorgegeben. …“
Heute nun steht die evangelikale Missionsbewegung in Gefahr, durch die Kontextualisierungs-Bemühungen der Transformations-Theologie auf die Fährte eines unechten Jesus geführt zu werden. Deswegen warnen wir in unserm Tübinger Aufruf mit den Worten des Apostel Paulus an die Korinther (2Kor 11, 3-4:
„Ich fürchte aber,…, auch ihr könntet in euren Gedanken von der aufrichtigen Hingabe an Christus abkommen. Ihr nehmt es ja offenbar hin, wenn irgendeiner daherkommt und einen anderen Jesus verkündigt, als wir verkündigt haben, … oder ein anderes Evangelium, als ihr angenommen habt.“

5. Kirche für die Welt
Das, was in der Transformations-Theologie der Christologie, der Lehre vom Wesen und Werk des Gottessohnes Jesus Christus, widerfährt, hat direkte Folgen auch für die Ekklesiologie, das Verständnis der Kirche. So wie dort bei Jesus Christus der wichtigste Aspekt der ist, dass er sich zum Diener der Welt in ihren Nöten machte, so wird auch hier die Kirche einseitig unter dem Aspekt ihres Dienstes bei der Welttransformation betrachtet. Das bedeutet, dass für die Transformations-Theologie die Funktion der Kirche wichtiger ist als ihr Wesen.
In Neuen Testament besteht dieses bekanntlich darin, dass sie in inniger Verbindung mit dem erhöhten Christus steht, so, wie die Glieder des Leibes zu ihrem Haupt (1Kor 12,12; Eph 1,22; 4,15; 5,23; Kol 1,18), wie die Reben zum Weinstock. In  ihrer Neugeburt haben die Gläubigen Anteil an der göttlichen Natur gewonnen (2Petr 1,4), entronnen der verderblichen Lust der Welt. Durch Gott den Sohn steht die Kirche bzw. Gemeinde auch mit den beiden anderen Personen Gottes in enger Verbindung. Sie ist das Volk Gottes und der Tempel des Heiligen Geistes.
Hingegen wird nun die Kirche in der Transformations-Theologie in einer anderen Perspektive betrachtet und gewertet. Hier steht sie unter der Berufung, sich in ihrer ganzen Existenz dem Dienst in der Welt zu widmen und sich um die Verwandlung der wirtschaftlich-sozialen und politischen Strukturen  der Gesellschaft zu bemühen, sodass dadurch Schritt für Schritt das Reich Gottes in Erscheinung tritt.
Diese Idee ist freilich keine neue Errungenschaft der Transformations-Theologie; sie hat ihr Vorbild schon in der solcher ökumenischer Vordenkern wie Harvey Cox (*1925) und Johannes Chr. Hoekendijk (1912-1975).
Unter den Neoevangelikalen in den USA gab es eine ganz ähnliche Entwicklung. In der Dominion Theologie vertritt man den Gedanken, dass es Aufgabe der Kirchen und Christen sei, das Reich Gottes schon in der diesseitigen Geschichte aufzubauen. Besonders programmatisch wird das in der Bewegung Emergent Church vertreten. Sie versteht sich als das neue „Paradigma“ einer „missionalen Kirche“ für das 21. Jahrhundert. Die Kirche ist in dieser Sicht Instrument Gottes zur Ausführung seines Reichs-planes. Doch könne er sich auch anderer Instrumente dabei bedienen,  z.B. der nichtchristlichen Religionen wie auch politisch-sozialer Bewegungen, deren Mitglieder Atheisten sein mögen.
Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Kirche in vielerlei Gestalt, wie z.B. kleinen Zellgruppen, in allen Lebensbereichen der Gesellschaft präsent ist. Der amerikanische Missionsstratege Peter C. Wagner hat dies dargestellt in seinen Büchern „Die Kirche auf dem Marktplatz“ und  “Dominion: How Kingdom Action Can Change the World”. Inmitten des geschäftlichen Treibens  nämlich liege ihre vorrangige Aufgabe, jeden Sektor der Gesellschaft in Richtung auf das Reich Gottes zu transformieren. Darum, so lehrt auch Johannes Reimer in seinem Buch „Gott in der Welt feiern“, müsse die Gemeinde aus ihrer selbstzentrierten Beschaulichkeit herauszutreten um sich ganz ihrer sozialen und auch politischen Aufgabe zu widmen. Das stellt die Gemeinde unter einen starken Druck. Ihr Leben wird nicht mehr vorrangig durch die Freude am Evangelium, sondern eher von ihrer sozialen Verpflichtung her, also durch ein neues Gesetz, bestimmt. …
In der bisherigen Ekklesiologie gestaltet sich das Leben der Gemeinde  in einer dreifachen Dimension: Leiturgia (Gottesdienst), Diakonia (Dienst der Barmherzigkeit) und Martyria (Mission). Die beiden letzteren schöpfen ihre geistliche Kraft aus der erstgenannten, d. h. der Anbetung und dem Empfang der Gnade durch die Mittel der Wortverkündigung und der Sakramente.
Johannes Reimer, welcher in seinem Buch „Die Welt umarmen“ der „Theologie des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus“ besondere Aufmerksamkeit widmet, hält formal an dieser dreifachen Grundaufgabe fest. Aber es fällt auf, dass bei ihm auch der Gottesdienst der Gemeinde zu einem Aufruf umgepolt wird, sich bei der Veränderung der Welt hin zum Reich Gottes einzusetzen, ebenso wie auch die Mission weniger das Angebot an die gottentfernten Menschen ist, durch Bekehrung und Glauben an die Sühnetat Christi am Kreuz Vergebung der Sünden und ewiges Leben zu empfangen, als vielmehr die Aufforderung, mitzuwirken beim Bau des Reiches Gottes im Hier und Jetzt. Reimer sieht also die Gemeinde als „eine soziale Gestalt, die mit der Verantwortung für diese Welt versehen ist“. …
Wie anders beschreiben dagegen die neutestamentlichen Schriften das Wesen und Leben der Gemeinde: „Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.  … sie nahmen die Speise mit Freuden und lauterem Herzen, lobten Gott und hatten Gnade bei dem ganzen Volk. Der Herr aber tat hinzu täglich, die gerettet wurden, zu der Gemeinde“ (Apg. 2, 42. 47).

6. Gottes sich gegenwärtig sichtbar ausbreitende Königsherrschaft
In der modernen Propagierung der sozialen Transformation als Aufgabe und Ziel von Mission und Evangelisation wird eine schrittweise Aufrichtung des biblisch verheißenen Reiches Gottes schon innerhalb der gegenwärtigen Geschichtsepoche durch menschliche Bemühungen angestrebt. Im Rahmen der Transformations-Theologie spielt der Begriff des Reiches Gottes eine zentrale Rolle. Das Reich Gottes werde im Hier und Jetzt durch die Mission dargestellt und ausgebreitet. Die Gemeinde soll mit ihrem „sozial-transformativen Auftrag Gottes Königsherrschaft in dieser Welt in Wort und Tat aufrichten.“ (Reimer: Die Welt umarmen,S.149)
Überall, wo sich die „Werte des Reiches“ durchsetzen und es zur Überwindung von Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Ausbeutung und lebensfeindlichen Strukturen kommt, da könne das Reich Gottes wahrgenommen werden. Das gelte sogar für nicht- oder außerchristliche Vorgänge.
R. Hardmeier schreibt: „Weil Heil eine soziale Dimension hat, kann von Heilsereignissen auch dort die Rede sein, wo gerechte Verhältnisse entstehen, auch dann, wenn sie nicht im Zusammenhang mit dem Glauben an Christus stehen.“
An anderer Stelle lesen wir: „… auch in der Welt wird die Herrschaft Gottes sichtbar, wenn Unterdrückung und Ausbeutung überwunden werden. Es gibt keine absoluten, sondern nur qualitative Unterschiede zwischen der Kirche und der Welt.“
Noch kerniger reflektiert Tobias Faix über das neue Jerusalem, wenn er schreibt: „Das hier gebrauchte Bild von der kommenden Stadt, vom himmlischen Jerusalem spielt im ganzen Hebräerbrief eine grosse Rolle […] Dieses neue Jerusalem wird im Reich Gottes schon jetzt und ganz konkret auf dieser Erde sichtbar. Dabei spielt gerade dieser Zusammenhang zwischen dem Gegenwärtigen und Zukünftigen eine entscheidende Rolle.“
Mit solchen Behauptungen wird, wie besonders Rolf Scheffbuch als vielfach einsam gewordener Rufer beanstandete, der „eschatologische Realismus“ der Bibel (ihre Vorhersage tatsächlich zu erwartender endzeitlicher Ereignisse wie das Ausreifen des Bösen, das Weltreich des Antichristen, des Weltunterganges und des Jüngsten Gerichts) übersehen.
Auch halten solche utopischen Programme die Missionare von ihrer vorrangigen Aufgabe ab, den christusfernen  Menschen das Evangelium zu verkündigen, und sie tragen utopischen Charakter.

7. Das Verhältnis von evangelistischer Verkündigung und sozialer Verantwortung in Geschichte und Gegenwart der Mission
Unsere Einwände gegen die Transformations-Theologie sind nicht gegen deren Hinweis auf die soziale Mitverantwortung der Mission gerichtet. Wir sind keineswegs gegen die Taten der Liebe, wohl aber gegen die Schwerpunktverlagerung im Verhältnis von Verkündigung und sozialer Verantwortung, wodurch das Evangelium zu einem ideologischen Programm zu werden droht.
Wir gestehen den Vertretern der Transformations-Theologie ihr berechtigtes Anliegen zu, dass Bekehrung und Gesinnungswandel sowie die Jesusnachfolge auch sozialethische und strukturverändernde Konsequenzen haben. Aber wir widerstehen dem von ihnen erweckten Eindruck, dass der Mensch der „Macher“ des Reiches Gottes wäre und das empfangene Heil sich gleichsam erst durch die Tat erweisen würde. Denn dies kommt einer neuen „Werkgerechtigkeit“ nahe.
Auch die Väter und Mütter der neuzeitlichen Missionsbewegung wussten, dass das Reich Gottes bei aller Mitverantwortung der Jünger von Jesus im Hier und Heute nicht durch menschliches Tun zu errichten ist. Gewiss soll und kann christliche Mission solche Menschen, die Armut und sonstige Not erleiden, durch diakonische Taten der Liebe auch leiblich spüren lassen, dass ihnen besonders Gottes Barmherzigkeit und Fürsorge zugewandt ist. Und gewiss kann das Reich Gottes durch die Ergebnisse christlichen sozialen und diakonischen Handelns zuweilen zeichenhaft sichtbar werden; doch können solche positiven Veränderungen im wechselhaften Lauf der Weltgeschichte auch wieder entschwinden. Erschreckend zeigt sich das heute in dem rapiden Werteverfall im einst christlichen Abendland.
Kirchen und Missionen werden sich nach dem Maß ihrer Möglichkeiten auch den strukturellen sozialen und politischen Problemen der ihnen anvertrauten Menschen zuwenden. Das hat man in der klassischen Missionsbewegung schon immer gewusst. Man denke an die kulturschaffende Bedeutung der Missionierung Deutschlands und Nordeuropas durch die Orden der Benediktiner und Zisterzienser.
Ebenso wussten später auf evangelischer Seite die lutherischen, pietistischen und evangelikalen Missionsgesellschaften in ihrer Theologie und ihrem praktischen Einsatz um die Bedeutung sozialethischen Handelns. Dabei hielt sie jedoch  Luthers Lehre von den Zwei Regierungsweisen Gottes zur Rechten und zur Linken, d.h. Kirche und Staat, heilsam davon ab, sie wie beide – die Schwärmer zu seiner Zeit – miteinander zu vermischen und soziales Wohl als geistliches Heil auszugeben.
Unter diesen Voraussetzungen haben  christliche  Missionare aller Konfessionen in Afrika und Asien auf den Gebieten der Erziehung, ärztlicher Hilfe und wirtschaftlicher Entwicklung  beachtliche Leistungen vollbracht. Auch die Innere Mission – man denke an Hinrich Wichern, Amalie Sieveking oder Wilhelm Löhe – war  von hoher sozialer Verantwortung geprägt. Sie zeigten ihre Früchte auch in bemerkenswerten gesellschaftlichen Verbesserungen bis in staatliche Ordnungen und Strukturen hinein.
Und doch stand für sie alle das Anliegen, verlorenen Menschen durch den Ruf zur Bekehrung und zum Glauben an das Evangelium den Weg zum ewigen Heil zu eröffnen, an erster Stelle. Deshalb dürfen auch wir im missionarischen Einsatz nie das Beste und Wichtigste vernachlässigen, das wir als Beauftragte von Jesus allen Menschen bringen sollen: das Angebot der Versöhnung mit Gott aufgrund des Sühnetodes von Jesus am Kreuz und die Gewissheit des ewigen Lebens durch seine Auferstehung von den Toten. So ist und bleibt die Verkündigung des Evangeliums vom Heil in Christus die primäre Aufgabe der Mission und Evangelisation.

8. Das Kommen des Reiches Gottes in biblischer Perspektive
„Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Joh 6, 35) „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist.“ (Röm 14, 17) „Wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in Hoffnung.“ (Röm 8, 22-24a).
Das verheißene Reich Gottes kann unter den Bedingungen der gefallenen Schöpfung noch nicht verwirklicht werden. Das zu übersehen war bereits der Irrtum der Social-Gospel-Bewegung. Genauso betraten später die ökumenischen Humanisierungs-Programme einen Irrweg. Denn in ihrer Verbindung mit der liberalen Theologie und dem Entmythologisierungs-Programm nahmen sie die Grundaussagen der biblischen Heilsgeschichte nicht ernst.
Das musste zur Abkühlung des evangelistischen Eifers führen. Heute nun droht die gleiche Gefahr auch den evangelikalen Missionen, soweit sie sich auf die Projekte sogenannt „ganzheitlicher, holistischer, inkarnatorischer“ oder eben auch transformativer Mission einlassen, in denen die Bemühungen um das leibliche und soziale Wohl die um das Heil der Menschen in den Schatten zu verdrängen drohen.
Dies ist kein Urteil über die guten Absichten ihrer Anwälte.  Jedoch müssen wir das sehr ernst nehmen, was die Heilige Schrift negativ über die Sündhaftigkeit des menschlichen Herzens und die dem Teufel, dem „Fürsten dieser Welt“ (Joh 12, 31; 14, 30; 16, 11), bis zum Ende dieser Weltzeit noch verbliebene Zerstörungsmacht sagt. Darum muss eine heilsgeschichtlich ausgerichtete Mission gegenüber den theologischen Fortschrittsutopien den Wirklichkeitscharakter der  biblischen Prophetie zur Geltung bringen.
Nach ihr wird der gegenwärtig noch wirksame Einfluss der dämonischen „Mächte und Gewalten“ erst durch den wiederkommenden Christus völlig beseitigt werden. Paulus beschreibt in Epheser 6, 10-17 seine Mission als einen Kampf, an dem auch die Gemeinde teilnehmen soll. Darum hat unsere Teilnahme an Gottes trinitarischer Mission neben der soteriologischen, dem Heil dienenden Aufgabe auch eine kämpferische, „exorzistische“ Seite, in der sie den Sieg des Christus über Teufel und Dämonen ausruft.
Positiv hingegen dürfen wir uns auf die leuchtenden Verheißungen der biblischen Endzeitprophetie verlassen. Der wiederkommende Christus wird nach der Vernichtung der Weltherrschaft des Antichristen auf dieser Erde sein Reich aufrichten, und der Vater wird den neuen Himmel und die neue Erde schaffen, wo alles Leiden verschwunden sein und Gerechtigkeit wohnen wird.
Im 2. Petrusbrief (Kap. 3, 11-13) lesen wir: „Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt.“
Doch schon in der Gegenwart ist Jesus Christus nach der Heiligen Schrift bereits der Beherrscher des verborgenen Hintergrundfeldes unserer mehrschichtigen Weltwirklichkeit und als der Sieger die letzte Instanz.

Aufruf
Wir rufen dazu auf, die klassische biblisch-heilsgeschichtliche Schau der Mission zu erneuern. Die deutsche evangelische Missionstheologie hat schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder ihre besondere Berufung dadurch wahrzunehmen gesucht, dass sie das in ihr stets gepflegte heilsgeschichtliche Verständnis der Mission kritisch konstruktiv in die internationale Missionsbewegung einbrachte, und zwar sowohl in deren ökumenischer wie – heute zunehmend – auch evangelikaler Gestalt.
So geschah es schon in den Jahren von Gustav Warneck (1834-1910), des Begründers der evangelischen Missionswissenschaft, in dessen Eingabe für die erste Internationale Missionskonferenz zu Edinburgh 1910. So geschah es bei den ökumenischen Vollversammlungen und Missionskonferenzen in Jerusalem 1928, Tambaram 1938 und Willingen 1952 durch Karl Hartenstein, Walter Freytag, Karl Ihmels  und Georg F. Vicedom. Seit Uppsala 1968 bis in die Gegenwart  wurde diese Tradition weitergeführt – im Blick auf die  Vollversammlungen und Missionskonferenzen des ÖRK wie auch auf die drei Lausanner Kongresse. Dies geschah u.a. durch die Eingaben des Tübinger Instituts für Missionswissenschaft und Ökumenische Theologie, durch dessen Forschung und Lehre das heilsgeschichtliche Erbe der pietistischen Schwabenväter von J. Albrecht Bengel (1687-1752) bis hin zu Karl Heim (1874-1958) gepflegt wurde. Weil sich das Rolf Scheffbuch in diese Tradition einreihte, trägt diese Erklärung die Überschrift „Tübinger Aufruf“.

Auch der Theologische Konvent Bekennender Gemeinschaften war seit seiner ersten Verlautbarung, der „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission“ (1970) in all seinen Verlautbarungen von diesem biblisch-heilsgeschichtlichen Missionsverständnis geleitet. So hat er sich für dessen fortdauernde Geltung eingesetzt und es für eine neue Generation formuliert und fortgeschrieben.
Immer ging es darum, gegenüber schwärmerischen Tendenzen zur Vorwegnahme des kommenden Reiches Gottes an die grundlegende heilsgeschichtliche Unterscheidung zwischen dem „Schon jetzt“ und dem „Erst dann“ durch das dreifache Kommen des Christus: einst im Fleisch, heute im Geist und schließlich in Macht und Herrlichkeit zu erinnern.
Denn im biblisch heilsgeschichtlichen Verständnis sind Weltmission und Evangelisation der zentrale Auftrag der Kirche Jesu Christi zwischen seiner Auferstehung und Wiederkunft (Matth 24, 14; Mk 13, 10 und Apg 1, 8). Ihr Ziel ist nicht die Christianisierung der Welt, sondern Evangelisierung der Welt. So meinte es die studentische Freiwilligenbewegung für Mission, wenn sie sich das – von China-Missionaren übernommene – Leitwort gab: „Evangelisierung der Welt in dieser Generation“.
Auch heute haben viele gegenwärtige Unklarheiten über Grund, Ziel und die rechte Gestaltung der Mission eine gemeinsame theologische Ursache. Sie lassen die heilsgeschichtliche Schau, den „Blick auf das Ende“ (K. Hartenstein), wie sie in der Vergangenheit den Weg der evangelischen Missionsbewegung bestimmt hat, in Vergessenheit geraten. Diese eschatologische Schau wird in ihrer Bedeutung verkannt oder gar zur Seite geschoben.
Das ist ein schwerer Verlust. Die Stärke der biblisch-heilsgeschichtlichen Schau liegt ja darin, dass sie das Gottes-, Welt- und Zeitverständnis der Bibel selbst aufnimmt. Sie geht von der zeitlichen und inhaltlichen Mitte des durch sie bezeugten Heilshandelns Gottes in Jesus Christus aus, setzt ihre beiden Hauptteile Altes und Neues Testament in das entsprechende Verhältnis zueinander und beachtet die dazugehörigen Unterscheidungen, aus denen sich auch das erwähnte Spannungsverhältnis zwischen dem „Schon jetzt“ und dem „Erst dann“ ergibt.
Im Gegensatz dazu müssen wir leider erkennen, dass bei den Vertretern der Transformations-Theologie die Wiederkunftserwartung an den Rand gerückt und als göttlich-heilsvollendender Akt (Hebr 9, 28) unterschätzt wird. Damit verschwindet aus der evangelikalen Missionstheologie der letzte Rest der heilsgeschichtlich geprägten deutschsprachigen Missionstheologie in der Tradition von Walter Freytag, Karl Hartenstein, Carl H. Ihmels und Georg F. Vicedom, jenen langjährigen Leitgestalten der deutschen evangelischen Missionsbewegung.
Das ist eine Tragödie; erweist sich doch, dass in vielen Problemen und Krisen der Mission eine heilsgeschichtliche Betrachtung die beste, weil biblisch geoffenbarte ist.

Viele umstrittene Themen finden von ihr her eine überzeugende Antwort.
Dazu gehört erstens insbesondere die Stellung des Volkes Israel unter den Völkern. Nach dem Zeugnis von Paulus in Römer 11, 25-36 wird die schließliche Bekehrung und Wiederannahme Israels dann stattfinden, wenn die Völkermission zur Vollendung gekommen ist, die „Fülle der Heiden“ eingegangen ist und Christus wiederkommen wird. Doch dieses Ereignis wird schon jetzt in dieser heilsgeschichtlichen Zwischenzeit vorbereitet. Es geschieht dadurch, dass seit den Tagen der Apostel durch das missionarische Zeugnis an die Juden schon eine Kerngemeinde  bekehrter Erstlinge gewonnen wird (Röm 11, 1-7).
Zweitens findet die religionstheologische Frage nach dem Wesen der nichtchristlichen Religionen in ihrem Verhältnis zum christlichen Glauben ihre Antwort in deren dreipoliger Bestimmtheit durch Gottes Uroffenbarung (Apg 14,17; Joh 1,9; Röm 1, 19-20), die Antwort des Menschen in Gehorsam und Widerstand (Apg 17,27f.; Jes 53,6a) sowie die Wirksamkeit der Dämonen (2Kor 4,4; Eph 2,2).
Drittens bewährt sich die heilsgeschichtliche Schau auch im gegenwärtigen Ringen um eine dem Evangelium gemässe Zukunftsgestaltung. Die Kirche Jesu Christi darf in ihrer sozialpolitischen Mitverantwortung Zeichen des schon angebrochenen Reiches setzen, ohne diesen eine zu große oder umgekehrt eine zu geringe Bedeutung beizumessen; denn sie vertraut fest auf die gewisse Erfüllung der biblischen Verheißung des Reiches Gottes. Wenn Jesus wiederkommt, wird es in Macht und Herrlichkeit aufgerichtet, und in diesem Reich werden dann Friede und Gerechtigkeit miteinander völlig und dauerhaft verwirklicht sein (Psalm 85,11).

Abschließend möchten wir betonen, dass unsere Kritik an der Transformations-Theologie nicht nur einer irrigen Einzellehre und auch nicht den sie vertretenden einzelnen Theologen gilt. Wir betrachten diese vielmehr als unsere von einer bestimmten Strömung erfassten Brüder in Christus und möchten mit ihnen um die biblische Wahrheit ringen.
Doch geht es uns zugleich um eine dringende Warnung an die gesamte evangelikale Bewegung davor, durch die Aufnahme einer zur Ideologie werdenden Geschichtstheologie auf einen verhängnisvollen Irrweg zu geraten. Die heute wieder vielfach beachtete „Kurze Erzählung vom Antichrist“ des russischen Religionsphilosoph Wladimir Solowjew (1853-1900) sollte uns eine Warnung  sein.

Dieser werde, so zeichnete es sich ihm ab, den Christen aller Konfessionen, ja allen Völkern ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit anbieten, doch auf Kosten der biblischen Wahrheit und des Bekenntnisses zu dem Mensch gewordenen Gottessohn und einzigen Herrn und Erlöser. Vor dieser drohenden Verführung, die  in der endzeitlichen „Stunde der Versuchung“, über den ganzen Erdkreis (griechisch oikouméne!) kommenden wird (Off 3, 10), bewahre Jesus Christus, der Gute Hirte, seine ihm getreue Gemeinde!
Gomaringen, am 21. März 2013

Für das Rolf Scheffbuch-Symposion
Prof. Dr. Peter P. J. Beyerhaus DD,
Drs. Dorothea R. Killus

Die Hervorhebungen im Text wurden von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, im April 2013
www.horst-koch.de
info@horst-koch.de

 




Wiederkunft Jesu

Peter Beyerhaus

Christi Wiederkunft – unsere gemeinsame Hoffnung

Und er wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten, und seiner Herrschaft wird kein Ende sein.  –  Das bezeugen Christen aller Konfessionen gemeinsam im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis.

Gott hat in seiner prophetischen Offenbarung der verlorenen Menschheit eine herrliche Verheißung gegeben: Er will allen, die an seinen ihnen zum Erlöser gesandten Sohn glauben, in ihm das ewige Leben schenken (Joh 3,16) und sie einladen zur Teilnahme an seinem Freudenreich. In Jesus Christus ist es schon geheimnisvoll gekommen (Lk 14,16), und es wird dereinst bei seiner Wiederkunft sichtbar aufgerichtet werden wird. Diese Hoffnung soll in der evangelistischen Verkündigung allen bedrückten Hörern eine echte Zukunft eröffnen und in der Gemeindepredigt und Seelsorge entmutigte Glieder aufrichten.
Wir sind der Überzeugung, dass gerade heute die Bezeugung dieser Hoffnung wichtiger ist denn je, weil viele Menschen sie verloren haben oder sich falsche Hoffnungen machen.

Einführung: Zukunftsängste und Zukunftshoffnung

Unsere Zusammenkunft geschah im Bewusstsein darum, dass sich die Welt gegenwärtig in einer umfassenden geschichtlichen Krise befindet. Diese zeigt sich in mehreren Bereichen gleichzeitig und bedroht ernstlich die Zukunft der Menschheit. Akut betroffen wurden wir Mitte des Jahres 2008 von dem zunächst in den USA auftretenden Bankenkollaps, der sich dann in einem Domino-Effekt über alle Kontinente ausbreitete und zu einer Weltwirtschaftskrise verschärfte.

In mehreren Ländern verstärken sich die politischen Spannungen. Auch in bisher wohl geordneten Ländern wird das soziale Netzwerk so belastet, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und das Rentensystem nicht mehr gesichert ist.  . . .

An der Heiligen Schrift orientierte Christen nehmen die Warnungen ernst, zumal diese auch aus der biblischen Prophetie begründbar sind (z. B.  Lk 21,24-28).
Zugleich stellen sie allerdings im Blick auf die Weissagung vom kommenden antichristlichen Weltreich (Johannesoffenbarung Kap. 13 und 17) die besorgte Frage, welche Kräfte solche Pläne zur Schaffung einer Weltregierung treiben, was die eigentlichen Motive sind, und wer denn dereinst die Macht einer solchen mit Monopolen ausgestatteten Institution kontrollieren könne?

Auf geistigem Gebiet stehen wir angesichts des Werteverfalls in einer umfassenden Kulturkrise. Diese äußert sich besonders auch auf moralischer Ebene in der z. T. ideologisch geplanten und gesetzgebend sogar unterstützten Auflösung der Schöpfungsordnung von Ehe und Familie.

So erleben wir eine Verunsicherung auf allen Ebenen. Sie löst bei zahlreichen betroffenen Gruppen und Individuen, u. a. durch die wachsende Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste hinsichtlich ihrer Existenzbedingungen aus. Wir stehen in einem Umbruch, der anstelle von bisher verbreitetem Fortschrittsoptimismus das Ende menschlicher Machbarkeit der Zukunft erkennen lässt. Vorahnungen einer drohenden Apokalypse bewegen die Gemüter und spiegeln sich in Filmen, Romanen und ekstatisierender Musik. Erstaunlich häufig erscheint das Wort „Erlösung“ in der modernen Literatur, so dass man geradezu von einem „Schreien nach Erlösung“ sprechen kann.

Diese Situation veranlasst zahlreiche Christen, ihr Augenmerk auf die biblischen Endzeitprophetien zu richten. Sie suchen authentische Auskunft über deren ihnen oft unklare Bedeutung. Aber misslicherweise werden sie in ihrer Suche von der Universitäts-Theologie und der kirchlichen Verkündigung weitgehend alleingelassen. Denn diese haben sich selber seit langer Zeit kaum noch realistisch damit beschäftigt, sei es unter dem Einfluss bibelkritischen Zweifels an deren Zuverlässigkeit, sei es aufgrund eigener Teilhabe an dem neuzeitlichen humanistischen Zukunftsoptimismus.  . . .  Schon vor Jahrzehnten stellte der namhafte Theologe Emil Brunner (1889-1966) fest:
„Eine Kirche, die nichts über das Zukünftig-Ewige zu sagen hat, hat überhaupt nichts zu sagen, sie ist bankrott.“

Dazu kommt, dass es gerade unter betont bibeltreuen Christen im Blick auf die Eschatologie Sonderströmungen und -meinungen gibt. Ihre Wirkung ist kirchenspaltend; sie untergräbt die den Christen gemeinsam gebotene Erwartung der Wiederkunft ihres Herrn.

Dieser alarmierende Gesamtbefund war für die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften (IKBG) ein Anlass mehr, erstmalig die Botschaft von der Wiederkunft Christi zum Zentralthema eines Bekenntnis-Kongresses zu machen. . . .  Wir beschlossen nunmehr, uns in einem Wort der Orientierung, der Ermutigung und der Warnung an die Gemeinden und Kirchenleitungen zu wenden.

Unser Wort sprechen wir als Vertreter der drei großen Konfessionen gemeinsam. Sein Ziel ist ein dreifaches:

Erstens möchte es dazu dienen, in allen Kirchen und christlichen Gemeinschaften eine Glaubenshaltung zu wecken und zu fördern, die ihren Auftrieb und ihre einende Kraft aus der Sehnsucht nach der Wiederkunft des Herrn und aus deren Gewissheit gewinnt.

Zweitens möchte es aufzeigen, dass die in den prophetischen Schriften angekündigten Ereignisse der Endzeit und die in ihr auftretenden Personen ihre Vorausschattung schon in der Gegenwart finden.  . . .

Drittens möchten wir aufrufen zur wachsamen Vorbereitung auf das Ende, und dies angesichts sowohl des auch von Jesus selber angekündigten Weltgerichtes als auch seiner Einladung in sein allen an ihn Glaubenden bereitetes Freudenreich.

  1. Die biblische Botschaft von der Wiederkunft Jesu Christi
  2. Das Zeugnis des Alten und Neuen Testaments öffnet den Blick für die Geschichte und ihr Ziel

Die Lehre vom Wiedererscheinen Jesu Christi setzt ein Denken in Zeitabläufen voraus. Schöpfer der Zeit und Herr der Geschichte ist der Dreieinige Gott. Er lenkt die Welt- und die Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zu deren Untergang nach Seinem Plan (Jes 44,24ff; Eph 1,11):
Anfang und Ende liegen in seinen Händen. Nichts geschieht rein zufällig (Mt 10,29). Vielmehr hat Er alles sinnvoll in sein Geschichtswalten einbeschlossen (Jes 45,7). Sogar das durch den Sündenfall hereingebrochene, uns unbegreifliche Böse muss letztlich Ihm dienen.
Auch jede persönliche Lebensgeschichte ist in Gottes Plan einbezogen (Ps 73,24). Dies zu wissen, kann gerade angesichts der endzeitlichen Wirren zu einer kräftigen Stärkung auf dem Weg werden.

Die Mitte und den großen Wendepunkt der Geschichte bilden die Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth, sein Heilswerk am Kreuz und in der Auferstehung sowie seine Erhöhung zur Rechten des Vaters (Gal 4,4; Hebr 10,5-9). Von dorther übt er durch den von ihm gesandten Heiligen Geist unsichtbar seine messianische Herrschaft aus (Hebr 1,3), bis er bei seiner Wiederkunft auch sichtbar das Reich Gottes in Macht und Herrlichkeit errichten wird.

Die ganze biblische Botschaft zielt auf dieses gewaltige Ereignis: Jesus Christus wird wiederkommen, um Gericht zu halten und sein am Kreuz grundlegend vollbrachtes Erlösungswerk zu vollenden (2Thess 1,6-10; Hebr 9,27f). Dieses Ereignis wird am Ende der Geschichte eintreten.  . . .

Der Weltversöhnung wird dann die Weltvollendung folgen. Die jetzige weltgeschichtliche Epoche – der „alte Äon“ – wird jedoch nicht in organischer Entwicklung in die kommende Weltzeit – den „neuen Äon“ – übergehen. Vielmehr liegt zwischen beiden ein großer Bruch weltgeschichtlichen und kosmischen Ausmaßes (2Petr 3,12f). Dieser Umbruch wird durch das zweite Kommen Jesu markiert. Das Evangelium trägt also eschatologischen Charakter: Der Weg zum Neuen geht durch das Gericht über das Alte (2Petr 3,7).

Die neutestamentliche Eschatologie enthält folgende Kernpunkte

Die Heilsgeschichte – im Kürzel „Schöpfung – Fall – Erlösung – Vollendung“ ist die sich schrittweise vollziehende Aufrichtung des Reiches Christi. Diese umfasst in einem dreifachen Advent die Vergangenheit in Jesu erstem Kommen, die Gegenwart im gnadenhaften Wirken des Erhöhten in seiner Kirche und durch sie sowie die Zukunft bei seiner Rückkehr.  . . .

Die Weltgeschichte verläuft in der Auseinandersetzung zwischen der Herrschaft Christi und der des Teufels. Dieser (auch Satan genannt) ist als „Fürst dieser Welt“ (Joh 12,31; 14,30;16,11), jedoch nicht gleich mächtig. Jesus Christus hat ihn durch sein Sterben am Kreuz bereits grundsätzlich besiegt, um fortan die Weltgeschichte als ihr souveräner Herr zu lenken (Joh 12,31; Off 5,1-6). Eine letzte Entmachtung Satans steht jedoch noch aus (Off 12,9.12). Dem entsprechend wird die Menschheitsgeschichte einen doppelten Ausgang finden:
Völliges Abtun der Herrschaft des Widersachers Gottes und
Durchsetzung der Herrschaft Christi (Off 19,6f). Beides wird sich im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi vollziehen.  

► Während ihrer gesamten Geschichte muss die Gemeinde Jesu Christi beständig auf der Hut bleiben; denn der Antichrist ist schon jetzt zugegen: im Wirken seines Geistes und im Auftreten seiner Vorläufer und Wegbereiter, falscher Propheten und Christusgestalten (2Thess 2,7a; 1Joh 4,3; 2,18).

Gegen Ende der Geschichte wird die Herrschaft des Bösen zur vollen Ausreifung kommen (2Tim 3,1ff), – so, wie sich ein Ausreifen des Bösen bei einzelnen Personen schon jetzt beobachten lässt (2Tim 3,13). Nach Offenbarung 20,3b stellt sich die intensivierte Machtentfaltung Satans dar als ein kurzzeitiges Befreitsein von seinen Fesseln, die ihm seit Golgatha angelegt sind.

► Der Wiederkunft Christi wird das Aufsteigen und die zeitweilige (Dan 7,25; 12,7) Weltherrschaft des durch den „Drachen“, das ist Satan, bevollmächtigten (Off 13,2b) Antichristen vorangehen (Daniel Kap. 7;8;11;12; 2Thess 2,3ff; Off 13 und 17,9-17). Die biblischen Schriften nennen ihn auch das „Tier aus dem Meer“ (Off 13,1) und den „Menschen der Gesetzlosigkeit“ (so wörtlich in 2Thess 2,3).
Sein Reich wird gekennzeichnet sein durch Einheit und Frieden, auch unter den Religionen, wozu entscheidend das Wirken des Falschen Propheten und dessen Wunder beitragen wird. Beide gemeinsam werden eine weltweite Verfolgung über die glaubenstreue Gemeinde bringen (Matth 24,21f; Off 13,15).
Das ist die „Große Trübsal“, die viele bereits in Jeremia 30,7 angekündigt sehen. Jesus sagt von ihr: „Denn es wird eine so große Not kommen, wie es noch nie eine gegeben hat, seit die Welt besteht, und wie es auch keine mehr geben wird. Und wenn jene Zeit nicht verkürzt würde, dann würde kein Mensch gerettet; doch um der Auserwählten willen wird jene Zeit verkürzt werden“ (Mt 24,21f).

Es kennzeichnet die neutestamentlicher Eschatologie, dass die in ihr eröffneten erschreckenden Aussichten stets verbunden sind mit Zusagen des unerschütterlichen Liebeswaltens Gottes und seiner durchtragenden Macht. So wird im Sendschreiben an die Gemeinde zu Philadelphia (Off 3,10) diese Drangsal, die „Stunde der Versuchung genannt, „die über die ganze Erde kommen soll“. Vor (gemeint ist „in“) ihr aber wird der erhöhte Christus sie bewahren; er sagt dies selber zu.
Diese Zusage gilt sowohl in innergeschichtlicher wie in endgeschichtlicher Beziehung. Die sechste Bitte des Vaterunsers spricht ebenfalls von der göttlichen Abwendung der Versuchung; auch sie ist in ihrem tiefsten Sinn sicher eschatologisch – und das heißt, nach ihrem am Ende weltweiten Ausmaß hin – zu verstehen.

Die endzeitliche Gemeinde wird zeitweilig (in Off 12,14 sind die gleichen Zeitbestimmungen wie in Dan 7,25 und 12,7 gegeben) einen geistlichen Beistand finden durch das unerschrockene Auftreten der zwei Zeugen (Off 11,3-12), die dem „Tier aus dem Abgrund“ vollmächtig widerstehen und durch ihre von Wundern beglaubigte prophetische Bußpredigt in der ganzen Welt Gehör finden werden. Am Ende ihrer Wirksamkeit werden die beiden Zeugen zu Märtyrern werden. Aber „nach den dreieinhalb Tagen“ werden sie vom Geist Gottes wiederbelebt und in den Himmel auffahren. – Nach Meinung einiger Kirchenväter wird das Auftreten der beiden Zeugen die Bekehrung des jüdischen Volkes einleiten. Ein endzeitliches wiederherstellendes Wirken des erneut gesandten Elija verheißt auch – von Jesus bestätigt (Mt17, 1) – der Prophet Maleachi (3,23f). Für unsere Gegenwart bedeutet die Weissagung über die zwei Zeugen, dass die martyriumsbereite Bezeugung des Sieges Christi auf seine Feinde einen unwiderstehlichen Eindruck macht.

Die standhaft bleibende Gemeinde wird also dem Antichrist nicht schutzlos ausgeliefert sein; vielmehr darf sie auf die rettende Durchhilfe Gottes vertrauen. Er wird ihr nach Offenbarung 12,14-16 eine Zufluchtstätte „in der Wüste“ geben. Diese ist sicher nicht geographisch zu verstehen, sondern geistlich. (Man könnte auch an eine Existenz als „Untergrundkirche“ denken, wie sie in China zur Zeit der maoistischen Verfolgung in Gestalt der Hauskirchenbewegung entstand.)

Der Auseinandersetzung der endzeitlichen Gemeinde mit dem Antichrist ist nicht allein eine irdische. Vielmehr bildet sie Teil des gewaltigen Krieges zwischen dem Reich Gottes und dem des Teufels, der gleichzeitig in innerer Verbundenheit auf zwei Ebenen tobt.
Im Himmel kämpft der „Drache“ mit seinen dämonischen Engeln gegen das Heer des Erzengels Michael (Off 12,7), in dem die ecclesia militans, die streitende Kirche – wie schon das alttestamentliche Gottesvolk (Dan 10,13.21) – einen machtvollen Beistand hat. Sein Sieg wird auch der der Märtyrergemeinde sein. Im Blick darauf heißt es in der Johannesoffenbarung Kap. 12, 11:  „Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis; sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod.“

Zur Zeit des Antichristen wird es zu einer Pervertierung von Kultur und Religion kommen, die sich in der Abscheu erweckenden Gestalt der Babylonischen Hure personifiziert (Offenbarung Kap 17 und 18) und mit dem Antichristen (zunächst) eng verbunden ist. Sie ist das Gegenbild der wahren Kirche, der Brautgemeinde Jesu Christi, und wird diese tödlich verfolgen (Off 17,6).  

► Am Ende der jetzigen und am Anfang der kommenden Geschichtsepoche wird Jesus Christus leiblich und universal sichtbar mit seinen Engeln und Heiligen, besonders den Märtyrern, wiederkommen. Dann wird er sich mit seiner ihm getreu gebliebenen irdischen Gemeinde – auch ihren schon verstorbenen und nun als erste auferweckten Gliedern – vereinen (Mk 13,26; 1Thess 4,15-18), um ihr Anteil an seinem Reich der Herrlichkeit (regnum gloriae) zu geben (Mt 24,29-31).

Die Wiederkunft Jesu Christi, auch „Parusie“ genannt, bildet das zentrale eschatologische Ereignis. Alles andere endzeitliche Geschehen ist eng mit ihm verbunden, ursächlich, wesensmäßig und final. Darum bricht eine Leugnung oder symbolische Umdeutung der Parusie dem Evangelium seine heilsgeschichtliche Spitze ab, oder sie verfälscht es zu einer innerweltlichen Ideologie.

Schon die alttestamentlichen Propheten haben das machtvolle Erscheinen Gottes bzw. seines Messias als das gewaltige Ereignis am Ende der Geschichte vorausgesehen. Sie sprachen davon als dem TAG DES HERRN (hebr. Jom Jahweh), den sie als einen Tag des Zornes Gottes und zugleich einen Tag des Heils schilderten. (z. B. Jes 2,12; 13,6.13; Am 5,18; Ez 20,2; Mal 3, 2.19.23).

Dass die Wiederkunft Jesu einmal als Realgeschehen eintreten wird, läßt die ungeordnete, von Machtmissbrauch bestimmte Jetztzeit leichter durchstehen. Zudem gibt sie der Evangelisation und Mission einen besonderen Auftrieb. Christus hält demnach seine volle Machtentfaltung zurück, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich jetzt freiwillig ihm unterzuordnen, wo er ja bereits unsichtbar in die Weltherrschaft Gottes eingesetzt und an ihr beteiligt ist. (Kol 1,17f). Noch gewährt Gott seiner geliebten Menschheit und seiner Kirche eine Gnadenfrist, die dazu bestimmt ist, zur Buße zu führen (Röm 2,4).

Beim Erscheinen Jesu wird die gegenwärtige geistliche Verblendung des ungläubig gebliebenen ersterwählten Volkes Israel (2Kor 3,6-18) aufgehoben und „ganz Israel“ (d.h. sein die endzeitlichen Schrecknisse überlebender Rest) errettet werden (Röm 11,25), indem es in Jesus von Nazareth seinen Messias erkennen und sich zu ihm bekehren wird. Dann wird die Gemeinde des Alten Bundes mit der durch die Völkermission weltweit gesammelten Gemeinde des Neuen Bundes vereinigt werden (vgl. Off 15,3). Davon sind gewaltige Folgen, „Leben aus dem Tod“, zu erwarten (Röm 11,25-27).

Nach Offenbarung 20,7-10 (sowie schon Sach 12 und 14,1-5) soll das geschehen, wenn am Ende der Geschichte sich die Völker zu einem letzten Sturm auf Jerusalem verbünden werden. In der Erfahrung seiner Ohnmacht und Preisgabe seitens aller politischer Verbündeter wird Israel seine Erlösung aus allen seinen Nöten, den geistlichen und den politischen, allein von seinem schließlich sichtbar erscheinenden Messias erfahren (Röm 11,25-29). Die endzeitliche Errettung Israels von seinen Feinden, verbunden mit der endgültigen Tilgung seiner Sünden, im Zusammenhang mit dem Erscheinen des Messias vom Himmel her wird auch im Buch Jesaja vorausgesehen  (Jes 59,17-20).

EXKURS

Die alttestamentlichen Heilsverheißungen an ein bekehrtes Israel sind so irdisch konkret, dass zahlreiche pietistische Bibelausleger und Gemeinschaften in den prophetischen Bildern ein messianisch orientiertes Israel zum Heil und zur Vollendung des Missionsauftrages im Hoffnungsblick haben. Einige von ihnen glauben, dass dies im „Tausendjährigen Reich“ (Off 20,1-6) geschehen werde:

Die satanische Macht wird gebunden, und Christus herrscht mit seiner himmlischen Gemeinde aus dem Unsichtbaren. Das ganze erlöste Israel werde seinen einst Abraham gegebenen universalen Segensauftrag (1Mo 12,2) in vollem Umfang wahrnehmen können und nach Jesaja 66,19ff zum Missionsvolk der Endzeit werden. Die Menschheit werde sich noch vor dem absoluten Ende der Geschichte eines „Weltsabbats“ erfreuen. Die prophetische Vision von dem vom Zionsberg ausgehenden Völkerfrieden (Jes 2,2-5; Mi 4, 1-4) wird so „in den letzten Tagen“ real in Erfüllung gehen.

Verschiedene Auslegungsbemühungen von Offenbarung 20,4-10 finden sich durch die Kirchengeschichte. Unter den Evangelikalen in Amerika gibt es im Blick auf das Wann des Millenniums unterschiedliche Richtungen mit oft leidenschaftlichen Auseinandersetzungen untereinander.

Die Konfessionskirchen (katholische, orthodoxe und evangelische) hingegen lehnen in ihren Bekenntnisschriften die Vorstellung von einem der Wiederkunft Christi vorausgehenden tausend Jahre währenden Zwischenreich auf Erden, den sog. „Chiliasmus“, ab. Sie vertreten unter Rückbezug auf den Kirchenvater Augustinus (354-430) die Sicht, dass damit die Geschichtsepoche gemeint sei, die der Beendigung der Christenverfolgung durch die römischen Cäsaren folgte. In ihr wurde ja das Christentum nunmehr zur herrschenden Religion des Abendlandes. Nach dieser Einschätzung scheint sich jetzt diese Epoche dem Ende zu nähern, in der der Teufel noch einmal für eine kurze Zeit freigelassen wird; vgl. Off 20,3. Danach aber wird (ohne Zwischenreich) der wiederkommende Christus seine ewige Herrschaft auf einer erneuten Erde und in einem erneuten Himmel aufrichten.

► Christus wird alle Toten auferwecken, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Verdammnis (Joh 5,28f). Darüber wird in dem von ihm gehaltenen Jüngsten Gericht entschieden werden (Mt 25,31-33).

► Jesus Christus wird seine ihm bei seiner Auferstehung übertragene universale Königsherrschaft über Himmel und Erde (Mt 28,16) nun auch sichtbar, in Macht und Herrlichkeit, aufrichten. Er wird herrschen, bis ihm der Vater alle seine Feinde unterworfen hat. Darum wird seine Wiederkunft ein siegreiches Kampfgeschehen sein. In diesem werden nacheinander die menschliche Sünde, der Antichrist mit seinem Gefolge, der Teufel und durch die Totenauferweckung als letzter Feind auch der Tod abgetan werden (1Kor 15,25f).

► Dann wird der Sohn Gottes das von ihm vollständig aufgerichtete Reich seinem Vater übergeben und sich ihm in vollendetem Gehorsam selber unterwerfen (1Kor 15,28).

► Alle Kriege werden dem ewigen Frieden weichen (Jes 2,4). Jesus Christus wird selber der Friede sein (Mi 5,4). Das wird das Ende der jetzigen Schöpfung im Sinne ihrer Verwandlung zum neuen Himmel und zur neuen Erde (Off 21,1-2) sein. Alle Völker werden den Gott Israels und Vater Jesu Christi als alleinigen Gott bekennen und Ihm die Ehre geben (Hab 2,14 und Sach 14; Phil 2,9-11).

► Die heilige Stadt, das himmlische Jerusalem wird herabkommen (Off 21,2), und die Scheidewand zwischen Diesseits und Jenseits wird aufgehoben werden. Gott selbst wird sichtbar bei den Erlösten wohnen, sie durch die Fülle paradiesischer Früchte erfreuen und alles Leid abtun. „Keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal“ werden mehr sein (Off 21,-4), und die im irdischen Leben viele quälende Frage nach der Gerechtigkeit seines Handels, die Theodizee, wird endgültig beantwortet werden.

Zwischen der ersten und der neuen Schöpfung gibt es also sowohl Verbindendes als auch Trennendes. Indem hier die Kernpunkte neutestamentlicher Eschatologie etwas ausführlich aufgeführt sind, soll damit eine Orientierung über die das Endgeschehen ausmachende Hauptereignisse gegeben sein. Ihre zeitliche Reihenfolge ist damit nicht zwingend auch gegeben, zumal sie ihre Vorausdarstellung auch schon in Ereignissen der Gegenwart finden.

Im Mittelpunkt der endzeitlichen Ereignisse steht die Person Jesu Christi; unsere Erwartungshaltung gilt vor allem Ihm. Hervor tritt dabei auch, dass seine Parusie ein Ereignis ist, das sehr ernste Aspekte hat. Dies ist in seiner Heiligkeit begründet.

Zugleich aber will es aber zu großer Freude erwecken. Denn Jesu Wiederkunft bringt die Vollendung des durch ihn erwirkten Heils. Im Blick darauf schreibt der Apostel Petrus: „So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi, Ihn habt ihr nicht gesehen und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil“ (1Petrus 1,7-9).

1. Die Aktualität der Mahnung Jesu, auf die Zeichen der Zeit zu achten

Die Gefahr der Verführung
Als die Jünger Jesu ihn nach dem Zeitpunkt für das Ende der Geschichte und dem Zeichen seiner Wiederkunft fragen, beginnt er seine Antwort mit einer Warnung: „Sehet zu, dass Euch niemand verführe!“ (Mt 24,4f). Offensichtlich wird gerade die Wiederkunftserwartung der Christen für Verführer aller Art zum Anlass, sie vom wahren Ziel auf ein falsches zu lenken. Sie sind letztlich zu verstehen als die Handlanger einer personalen globalen Verführungsmacht (Off 12,9). Das stellt die Glaubenstreue auf eine harte Probe und veranlasst uns, wachsam zu sein und die Geister zu prüfen (Mk 13,23).

  1. Gegebene Hilfen zum Erkennen der Zeit
    Weil Christen berufen sind, einen Wandel zu führen, der Gottes Plan mit der Welt entspricht, sollen sie aufmerksame Beobachter der Geschichte sein und sich um deren Deutung im Lichte der biblischen Endzeitprophetie bemühen. Zu diesem Zweck gibt Jesus seiner ihn erwartenden Gemeinde Vorzeichen, die eine biblische Zeitanalyse erleichtern (Mt 24,7ff; Mk 13,3ff; Lk 21,7ff).  . . .
  1. Bedrohliche Vorzeichen
    Katastrophen in Natur und Politik begleiten die gesamte Menschheitsgeschichte, werden sich aber in der Endzeit in ihren Ausmaßen steigern, ja sie tun dies durch Fernsehen übertragen erschreckend vor unseren Augen. Erdbeben und Hungersnöte, Kriege und Kriegsdrohungen. Auch die atomare Bedrohung sowie der weltweite Terrorismus sind hier schon mit einbegriffen. Dazu gesellen sich gefährliche Ideologien, Ersatzreligionen ohne Gottesbezug, wie der Nationalismus, Marxismus, Feminismus und ein Liberalismus, der seiner eigenen Beliebigkeit folgt. Letzterer führt auch zu einem hemmungslosen Gewinnstreben wie zur Korruption im Weltfinanzhandel.

Geistes- und kulturgeschichtlich ist nach Jesus mit einem Überhandnehmen der „Gesetzlosigkeit“, zu rechnen, der Missachtung und Außerkraftsetzung der göttlichen Ordnungen und Gebote (Mt 24,12). Eine solche erleben wir heute im sexuellen Libertinismus und der programmatischen, gar staatlich legalisierten Nivellierung der die Ehe und Familie begründenden polaren Ergänzung der beiden Geschlechter. Das geschieht aggressiv durch die Homo-Bewegung und in der Gender-Ideologie. Furchtbar ist die faktisch von allen Parteien in allen Ländern legalisierte Abtreibung ungeborener Kinder, dem zahlenmäßig größten Massenmord seit Menschengedenken.

Die nominell noch christliche Bevölkerungsmehrheit verhält sich gegenüber diesem massiven ethischen Verfall gleichgültig oder billigt ihn sogar – als dem Leitbild der Selbstverwirklichung entsprechend. Dieses Leitbild aber führt zu dem von Jesus vorhergesagten Erkalten der Liebe „bei vielen“ (Mt 24,12). Sie bildet Teil eines Glaubensabfalls umfassenden Ausmaßes (2Thess 2,3; 1Tim 4,1), der in eine universale religiöse Hinwendung zum Antichristen einmündet (Off 13,7f). . . .

Die sich ausbreitende “Gesetzlosigkeit” macht auch vor den Pforten der Kirchen nicht halt und wird zur geistlichen Bedrohung von innen her. Hier werden die Warnungen Jesu vor den falschen Propheten und dem „unheilvollen Greuel“ „am heiligen Ort“ (Mt 24,24.15) akut. Schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind Auflösungserscheinungen in Theologie, Dogmatik, Ethik und gottesdienstlicher Praxis zu beobachten. Ihnen zu widerstehen wurden Bekennende Gemeinschaften bzw. Sammlungen glaubenstreuer Christen gebildet.

Die christliche Verkündigung ist heute besonders betroffen durch eine ideologisch betriebene Bibelkritik und die Leugnung der Heilsuniversalität Jesu Christi. Das führt zu einem Religions-Pluralismus sowohl in der Theologie wie im Volksglauben, dem Eindringen synkretistischer Bewegungen wie New Age sowie der Praktizierung hinduistischer und buddhistischer Meditationsformen, sogar in Klöstern und Kommunitäten. – Schriftgebundene Theologie und Frömmigkeit werden häufig als „Fundamentalismus“ diskreditiert. Der tibetanische „Gottkönig“ Dalai Lama wird auf Kirchentagen als Hoffnungsträger umjubelt und von theologischen Fakultäten geehrt. Ein falsches Toleranzverständnis leitet zu einem weltanschaulichen Relativismus, verschüttet das Fragen nach der universal gültigen Wahrheit und blockiert die missionarisch-evangelistische Verkündigung. Auch gilt die nach Römer 1,16 uns primär aufgetragene Mission an Israel nunmehr als verwerfliche Gestalt des Antisemitismus und wird von manchen Kirchenleitungen öffentlich für abgeschafft erklärt. Durch solches Verschweigen des messianischen Zeugnisses wird die Zusammengehörigkeit von Liebe und Wahrheit aufgelöst.

Den Antichristen nennt Paulus, als Verkörperung der Gesetzlosigkeit, den „Menschen der Anomia“ (2Thess 2,3). Ein in der Johannesoffenbarung angekündigtes Kennzeichen seines kommenden Weltreichs ist eine die bisherigen politischen, kulturellen und religiösen Gegensätze überbrückende, gegenüber dem Christusglauben strikt intolerante Einheitsideologie (Off 17,13). Mit deren Hilfe setzt er seine Ziele auf spirituellem Wege durch. Eine solche begegnet uns schon heute in der Forderung nach inhaltlicher Toleranz gegenüber allen Religionen und Lebensstilen sowie „political correctness“ im gesellschaftlichen Umgang und in öffentlichen Meinungsäußerungen. In deren Namen könnte dereinst jede Infragestellung vorherrschender Überzeugungen, Moralvorstellungen und eines entsprechenden Lebensstils mit der Todesstrafe geahndet werden (Off 13,15).

Das bedeutet zugleich auch Anpassung an etablierte Weltanschauungen und Zurückweichen vor den Machtansprüchen totalitärer Ideologien und Religionen. Gestern war das der Marxismus. Heute ist es der sich rapide ausbreitende Islam. Diesem wird bescheinigt, er sei eine Religion des Friedens. Übersehen wird, dass es nach dem Koran die Pflicht aller Muslime ist, sich aktiv für die universale Aufrichtung der Scharia, des theokratischen Gesetzes Allahs, einzusetzen – gegebenenfalls mit Feuer und Schwert – und auch die Tatsache, dass in vielen Suren christentums-feindliche Äußerungen erscheinen! Da, wo der Islam bereits staatlich etablierte Mehrheitsreligion geworden ist, duldet man das Ausüben des christlichen Glaubens nur beschränkt oder gar nicht. In vielen islamischen Ländern ist Mission untersagt, und ein Christuszeugnis ist nur im Rahmen von diakonischen Einrichtungen und Entwicklungshilfe möglich.

Zu Christus bekehrte Muslime werden häufig von ihren Familien ausgeschlossen oder von Staats wegen grausam verfolgt. Generell ist die jährliche Anzahl der Märtyrer weltweit im Vergleich zu früheren Jahrhunderten erheblich gestiegen. Wir deuten das nicht nur als eine Parallelentwicklung zum Wachstum der Christenheit bzw. zum Weltbevölkerungswachstum, sondern auch als eine der von Jesus und den Aposteln vorhergesagten Entwicklungen der Endzeit (Off 2,10; 17,6; siehe auch Off 6,9-11).

Die Hoffnung stärkende Zeichen
Neben diesen Abfallerscheinungen und Zeichen des ausreifenden Bösen nennt Jesus in seiner eschatologischen Ölbergrede jedoch auch zwei sehr ermutigende Zeichen. Das eine ist die Verheißung an seine bis ans Ende standhaft im Glauben ausharrenden Nachfolger, dass sie selig werden sollen (Mt 24,22, vgl. 1Petr 1,5.9), im Glauben und in der Vollmacht bewahrt in allen Versuchungen und Bedrohungen (1Petr 1,5; 4,14), gestärkt zum Bekennen gerade in der letzten Versuchungsstunde (Off 3,8 und 10). Die „kleine Herde“ braucht sich also, auch wenn es zum Blutzeugnis kommt, nicht zu fürchten; denn es hat dem Vater gefallen, ihr das Reich (Gottes) zu geben (Lk 12,32). Das ist es, was in der Ewigkeitsperspektive betrachtet allein zählt (vgl. 2Kor 4,17f); auch beschränkt Gott die Leidenszeit der Gemeinde auf Erden zeitlich (Off 2,10).

Das zweite ermutigende Vorzeichen des Endes und zugleich Neuanfangs bei der Wiederkunft Jesu ist die weltweite Verkündung des Evangeliums (Mt 24,14; Mk 13,10; Apg 1,8). Sie kann und wird auch durch die größten Widerstände nicht aufgehalten und zum Schweigen gebracht werden (vgl. Lk 21,12-15). In der Tat erleben wir gerade heute eine bislang nie erreichte Ausbreitung der Völkermission. Es gibt keine von der Christusbotschaft unerreichten bzw. unerreichbaren Gebiete und Völker mehr. Die einheimischen Kirchen sind gewachsen – manche von ihnen gerade unter Verfolgung, wie z. B. schon in der Hauskirchenbewegung während der Diktatur Mao Tse-tungs in Rotchina und in der Gegenwart vor allem in islamisch beherrschten Ländern. Die Kirchen der Zweidrittelwelt stellen heute einen Hauptteil der Missionskräfte, und viele neue Gemeinden sind gegründet worden.

Vielfach im Zusammenhang damit stehen kirchliche Erweckungs- und Erneuerungsbewegungen mit ihrem Erleben einer neuen Segnung mit der Kraft des Heiligen Geistes, wie sie schon im Alten Testament durch die Propheten, besonders Joel (Kap. 3,1f), für die Endzeit angekündigt worden ist, – wobei allerdings die grundlegende Erfüllung schon am Pfingstfest geschah (Apg 2,16ff). Geistliche Aufbrüche und Gemeinschaften haben z. T. konfessionsübergreifend zur Verlebendigung der Gemeinden und deren Missionsbewusstsein geführt. Andererseits lehrt uns im Blick auf die vermeintliche Erfüllung der alttestamentlichen Spätregenprophezeiung (Joel 2,23) in gegenwärtigen Aufbrüchen Jesus selber wie auch die geschichtliche Erfahrung mit schwarmgeistigen Erscheinungen, dass es gerade hier notwendig ist, sorgfältig die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind (Mt 24,24; 1Joh 4,1f.). Bei Joel ist die von ihm geschaute Ausgießung des Geistes Gottes in erster Linie auf das alttestamentliche Israel bezogen, begreift aber „alles Fleisch“ ein (Ez 36,27) und hat ihre Mitte im Heilsgeschehen durch Christus (Joel 3,1 u. 5; vgl. Röm 10,12f).

Damit kommen wir zu einem vierten bedeutungsvollen Anzeichen für die Wiederkunft Jesu: Es ist die Sammlung des ersterwählten Gottesvolkes der Juden in dem ihnen verheißenen Land der Väter sowie eine dieser physischen Wiederherstellung Israels (5Mo 4,20; Hos 3,4) folgende geistliche Auferweckung (vgl. Ez 37,11-14). Seit Ende der 1960er Jahre lässt sich eine solche wahrnehmen in der Entstehung judenchristlicher Gemeinden in Israel, noch stärker in Amerika und auch in Deutschland, wo viele der Gläubigen aus dem russischen Sprachraum kommen. Es gibt unter den Juden ein zunehmendes Interesse am Messias. Die Bedeutung dieser Bewegung darf nicht aufgrund eines fehlgeleiteten Philosemitismus abschätzig beurteilt werden, als wäre der Glaube an Jesus als Messias ein Verrat am Judentum. Vielmehr beweist sie gegen alle Kritik die Berechtigung des Christuszeugnisses für Israel und die Juden gerade heute.

Unkenntnis der biblischen Endzeitprophetie und falscher Umgang mit ihr

Endzeitprophetie in der Bibel ist das, was Gott durch Beauftragte über die Vollendung von Schöpfung und Geschichte und seines Erlösungswerkes für die Menschheit verbindlich offenbart hat. Sie ist dafür bestimmt, dass wir uns darauf einstellen, mit seinem Plan Schritt halten und darin seine Gemeinschaft suchen. Ihr Sinn ist also, wie der aller biblischen Prophetie, ein praktisch seelsorgerlicher.

Ursachen und Folgen mangelnden eschatologischen Durchblicks
Dass in der kirchlichen Verkündigung und im Glaubensbewusstsein der meisten Christen heute die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi nur eine geringe Rolle spielt, hat mehrere Gründe. Die wohl einfachste Ursache für die schon seit Ende des ersten Jahrhunderts nachlassende eschatologische Naherwartung (2Petr 3,3-7) ist die, dass viele mit dem langen Zeitraum der Abwesenheit Christi – die er selbst im Gleichnis von den anvertrauten Zentnern vorhergesagt hat (Mt 25,19) – nicht gerechnet haben und in ihrem Warten auf ihn erlahmt sind.

Das rationalistische Ausscheiden der transzendenten Wirklichkeit
hat sich verhängnisvoll in der Bibelauslegung der liberalen Theologie ausgewirkt. Den Tiefpunkt brachte das Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns. Erklärte dieser doch schon 1941: „Erledigt ist die Erwartung des mit den Wolken des Himmels kommenden ‚Menschensohnes‘ . . .“

Die theologische Entmythologisierung der Endzeitprophetie führt jedoch unausweichlich zu einem Geschichtsverständnis ohne Ewigkeitsbezug.

Unter solchem Einfluss zieht sich modernes Christentum im Denken und Handeln in die Diesseitigkeit zurück, indem es die sinnenfällige Welt als die einzige Wirklichkeit betrachtet und sich auch der Realität des Gerichts nicht stellt (2Petr 3,5f).

Fortschrittgläubigkeit und eigenmächtige Zukunftsplanung

Da, wo die eschatologische Realerwartung aufgegeben wird, wird die Zukunftsorientierung durch den Glauben an die schier grenzenlose Fortentwicklung der Menschheit und einen von Philosophien und Ideologien verbreiteten, zeitgeistig orientierten Zukunftsoptimismus ersetzt. Biblische Begriffe bekommen eine veränderte inhaltliche Füllung: Das kommende Reich Gottes wird zur Chiffre für utopische Visionen mannigfacher Art, wie sich aus den Verlautbarungen und Aktionsprogrammen des Weltkirchenrates seit den sechziger Jahren aufweisen lässt. Ebenfalls seit dieser Zeit traten Befreiungstheologien sozial- bzw. kulturrevolutionärer Art wie auch der theologische Feminismus auf. Die biblische Hoffnung auf den wiederkommenden Gottmenschen Jesus Christus wird hier pervertiert zur Erwartung eines „neuen Menschen“, den es aus eigenen Kräften zu schaffen gelte.

Nützlichkeitsdenken und Sinnenfreude
Da, wo man auf eine bestimmte Zukunftserwartung als existenzbestimmendes Leitbild verzichtet, tritt bei den ernster Veranlagten an seine Stelle ein verantwortliches, aber rein diesseitig ausgerichtetes Handeln auf pragmatischer Grundlage. Menschen leichteren Gemüts suchen ihren Lebensinhalt allein im ästhetischem Genuss oder – wie die vorsintflutliche Generation bzw. wie zur Zeit Lots – in oberflächlichen, lediglich von leiblichen Bedürfnissen geleiteten Vergnügungen nach dem Motto: „Lasset uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot“ (1Kor 15,32b; Lk 17,26-30; Mt 24,37ff).

Fatalistische Geisteshaltung
Zahlreichen Menschen, die durch tiefe Leiderfahrungen geprägt worden sind, verfallen in klaglose Ergebenheit in ihr Schicksal. Dem kommen bestimmte Richtungen moderner Philosophie wie der nihilistische Existentialismus (Sartre, Heidegger) oder auch das Angebot asiatisch-mystischer Religionen entgegen. Diese vertreten nicht wie das Christentum ein lineares, zielbestimmtes Geschichtsverständnis, sondern ein zyklische Weltbild. Es ist von der Vorstellung einer beständigen Wiederkehr des immer Gleichen bestimmt sowie von der Lehre, dass jeder Mensch unentrinnbar das Karma, d. h. die Vergeltung seiner bösen Taten aus einer früheren Inkarnation, tragen und abarbeiten müsse.

Religionsphilosophische Spiritualisierung der Endzeitprophetie

Schon die Apostel und frühchristlichen Missionare wurden mit einer sublimen Unterwanderung ihrer jungen Gemeinden konfrontiert, die von Anhängern einer religionsphilosophischen Heilslehre betrieben wurde, der sogenannten Gnosis. Die Gnostiker vertraten ein Weltbild, in welchem es nur eine geistige Wirklichkeit gab, der gegenüber die physische Substanz zweitrangig, weil nur eine Sinnestäuschung sei. Diese gelte es durch „Erkenntnis“ zu überwinden (1Tim 6,20).
Von solcher Voraussetzung her unterzogen sie den Schöpfungsglauben und das Geschichtsverständnis der Bibel einer radikalen Abwertung. Konsequenterweise leugneten sie auch die persönliche, geistleibliche Wiederkunft Christi. An die Stelle der Hoffnung auf ein Leben in der neuen Schöpfung trat hier das Bemühen um die Befreiung des immateriellen Seelenfunken aus der materiellen Gefangenschaft und sein Einfließen in eine alles umgreifende übersinnliche Wirklichkeit.(vgl. Kol 3,18 und 23). Diese gnostischen Vorstellungen sind in esoterischen Strömungen in der gesamten Kirchengeschichte immer wieder einmal aufgetaucht und sind für die Letztzeit als ausgesprochen einflussreich und Glaubensabfall bewirkend angekündigt (1Tim 4,1ff). Deutlich neo-gnostischen Charakter tragen die Anthroposophie Rudolf Steiners und deren scheinchristliche Gestalt in der „Christengemeinschaft“.

Die biblische Antwort gegen die fälschlich so genannte Erkenntnis (1Tim 6,20b) lautet: „In ihm“ – Jesus Christus – „sind alle Schätze der Weisheit [sophia] und Erkenntnis [Gnosis] verborgen“ (Kol 2,3). Der Zirkel um die Brennpunkte Weltanfang und Weltende ist nicht aufzusprengen: Die protologische (urgeschichtliche) und eschatologische (endgeschichtliche) Christusoffenbarung ist die wahre heilsgeschichtlich-trinitarische Gnosis gegen alle sonstigen Ansprüche unter diesem Namen. Christlicher Mischglaube im Banne der Urknall-Evolutions-Gnosis – getarnt als „Wissenschaft“– ist ein grandioses Ränkespiel des Widersachers!

III. Kirchliches Leben und Handeln in der Erwartung der Wiederkunft Jesu

Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn – Kennzeichen urchristlichen Glaubens

Jesu Verheißung seiner Wiederkunft war ihm so wichtig, dass er seine Jünger anwies, ihr ganzes Leben und Wirken darauf auszurichten: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 24,42). Die Urgemeinde hat ihn ernst genommen. Das zeigt sich auch darin, dass sie jeden ihrer Gottesdienste mit dem sehnsüchtigen Gebetsruf beschloss: Maranata! = Herr komme! (1Kor 16,22; Off 22,20) Dieser war zugleich ein Bekenntnis: „Unser Herr kommt!“

Christlicher Glaube ist nur dort echt biblisch, wo er in der Tat ganz von dieser brennenden Wiederkunftserwartung durchdrungen ist. Das äußert sich im Gebetsleben, in der Heiligung des Lebens sowie im evangelistischen Eifer, sowohl beim einzelnen Christen als auch in der Gemeinde als ganzer (2Petr 3,11f; 1Joh 3,3). Das war in allen bedeutsamen Epochen der Fall. Besonders die geistlichen Erweckungsbewegungen, zumal die Neuaufbrüche zur Weltmission, waren vom Blick auf das Ende bestimmt. (2Petr 3,12a).

Eine gesunde Erwartungshaltung verzichtet getreu der Weisung Jesu auf spekulative Endzeitberechnungen (Mt 24,42; 25;13; Apg 1,7). Sie vollzieht sich statt dessen im Ausführen der Aufgaben, die Jesus seinen Jüngern für die Zeit vor seinem Kommen anvertraut hat (Mt 25,14ff;   Lk 12,41-48).  . . .

Biblische Wiederkunftserwartung ist von der Spannung zwischen zwei gegensätzlich erscheinenden Elementen gekennzeichnet: bangem Bewusstsein um das bevorstehende Weltgericht über alle Menschen zum einen – jubelnder Vorfreude auf die Vereinigung mit dem Herrn zum anderen.  . . .

Der auf den wiederkommenden Herrn Wartende bedarf des Heiligen Geistes und einer nüchternen Ausdauer inmitten einer Zeit auch des Glaubensabfalls (Mt 25,1-13; auch Lk 12,35f).  . . .

Die entsprechende Aufgabe kirchlicher Hirten und Lehrer

Angesichts der Verkümmerung eschatologischer Hoffnung in den Gemeinden sowie deren Verwirrung durch falsche Vorstellungen und Lehren muss es ein zentrales Anliegen der geistlichen Verantwortungsträger sein, sie neu und verstärkt auf die biblisch-heilsgeschichtliche Zukunftsschau auszurichten.  . . . 

Eine biblisch verankerte Lehre von der Bedeutung des Todes lässt sich in folgenden zehn Grundaussagen zusammenfassen.

  1. Für Christen hat durch Christi stellvertretenden Tod und seine Auferstehung das Sterben seinen Schrecken verloren (1Kor 15,55)

In biblischer Sicht ist der ursprünglich von Gott nicht gewollte Tod des Menschen als Ahndung seiner Sünde in die Welt gekommen (1Mo 3,19; Rö 5,12-14). Zu unterscheiden sind der geistliche, der leibliche und der ewige Tod.
Der erste besteht in der schuldhaften Trennung der Lebensgemeinschaft mit Gott, der zweite ist das Ende des irdischen Lebens, der dritte schließlich ist die ewige Gottesferne von Seele und Leib in der Verdammnis.

Der Tod ist die Wirkung des über die Sünde und den Sünder entbrannten Zornes des heiligen Gottes (Ps 90,7-9). Als Folge der Zurückweisung seiner immer wieder werbenden Liebe zum Menschen gibt Gott den Sünder schließlich der Wirklichkeit preis, die er durch seine Sünde „angerichtet“ hat. Die durch die Sünde erfolgte Trennung von Gott wird, wenn sie nicht getilgt wird, mit dem Tode eine ewige, und im Wissen darum besteht der eigentliche Schrecken des Sterbenmüssens.

In seinem unschuldigen Leiden und Sterben am Kreuz aber hat Jesus Christus unsere Schuld gesühnt und die von uns verdiente ewige Todesstrafe auf sich genommen.
Durch seine Auferstehung hat er die sündige Welt grundlegend vom Bann des Todes befreit.
Als „Erstgeborener von vielen Brüdern“ (Rö 8,29; 1Kor 15,20.23) hat er das ewige Leben nicht nur für sich selber ererbt, sondern für alle, die seine Heilsgabe glaubend empfangen. Darum brauchen diejenigen, die in ihrer Wiedergeburt zu Gliedern am Leibe Christi geworden sind, den leiblichen Tod nicht mehr zu fürchten. Jesus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25).

  1. Christen sollen sich beizeiten auf das Ende ihres irdischen Lebens einstellen (Ps 90,12)
    Auch nach der Erlösungstat Jesu Christi stehen weiterhin alle Menschen unter dem Verhängnis, dereinst den leiblichen Tod als Ende ihres irdischen Lebens zu erleiden. Es kommt für uns darauf an, in welchem Verhältnis gegenüber Gott wir uns in der Todesstunde (bzw. beim bleibenden Bewusstseinsverlust) befinden werden: in ungetrübter Gemeinschaft mit Christus oder schuldhaft getrennt von ihm. Je nach dem wird er nach Eintritt des Todes als Richter sein Urteil über uns sprechen (Hebr 9,27). Da aber niemand die Stunde seines eigenen Todes, ebensowenig wie die der Wiederkunft Christi, kennt, gilt es für jeden Menschen, sich rechtzeitig auf diesen entscheidenden Augenblick vorzubereiten.
  1. Die vor dem Tode getroffene Glaubensentscheidung für oder gegen Jesus Christus wird im Augenblick des Todes endgültig (Hebr 9,27). Der zentrale Sinn der uns geschenkten Zeitspanne zwischen Geburt und Tod ist der, im Glaubensgehorsam der im Evangelium an uns ergehenden Einladung zu folgen und in der Nachfolge Jesu seine Rettungsmacht von Sünde, Zorn Gottes, Tod und Teufel zu erfahren.
    So können wir einerseits schon hier ewiges Leben in Ihm empfangen. Jesus verheißt (Joh 5,24): „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.“

Andererseits räumt uns das Wort Gottes eine Möglichkeit, eine hier verweigerte oder rückgängig gemachte Glaubensentscheidung noch nach dem Tode zu treffen, nicht ein. Hier gilt es, das Wort in Hebräer 9,2 ernst zu nehmen: „Es ist den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“. Wie Jesus im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19 ff, besonders V. 29-31) nachdrücklich deutlich macht, werden den Menschen im Wirkungsbereich des verkündigten Wortes Gottes genügend Möglichkeiten geboten, Gottes erbarmende Liebe zu Lebzeiten zu empfangen und darauf zu antworten. Wer jedoch in der Verkündigung des Evangeliums vom Heiligen Geist erfasst wird und das ihm angebotene Heil eindeutig und definitiv abehnt, kann nach dem Zeugnis der Schrift nicht mit einer Heilschance nach dem Tod rechnen. . . .

  1. Beim Sterben verlässt die Seele des Menschen ihren Leib und geht an den ihr von Gott bestimmten Ort – im Warten auf die leibliche Auferweckung...

    Nach dem Zeugnis des Alten und des Neuen Testamentes ist der Mensch ein aus einem materiellen, sterblichen Leibe und einer geistigen, unsterblichen Seele zusammengesetztes Wesen. . . .  Weil dieser Gottesbezug das Sein des Menschen ausmacht, ist seine Geistseele im Unterschied zum erdhaften Leibe prinzipiell unsterblich.

Die in der Theologiegeschichte erst spät aufgekommene, aber unter modernen Theologen verbreitete Lehrmeinung vom „Ganztod“ also seiner Leib und Seele gemeinsam auslöschenden Wirkung, hat deutliche Aussagen der Heiligen Schrift gegen sich; „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können ….“. 

Im irdischen Tode erfolgt also die Trennung der Seele von ihrer stofflichen Hülle, dem Leib . . .  In 2. Korinther 5,1-8 vergleicht Paulus den Leib mit einer vorübergehenden Zeltwohnung, die er im Tode verlassen werde. Die Seele bleibt leibfrei, bis Christus bei seiner Wiederkunft alle verstorbenen Menschen aus ihren Gräbern auferwecken wird, ihren zerfallenen erdhaften Leib zu einem mit dem Aussehen des irdischen Leibes übereinstimmenden geistlich verklärten schaffen und dabei mit ihrer Seele vereinigen wird (1Kor 15.35-49).

Schon vorher gibt es einen Zwischenzustand, der für die Gläubigen und die im Unglauben Gestorbenen ein sehr unterschiedlicher ist. Für beide ist er schon eine gewisse Vorwegnahme ihres ewigen Geschickes: Die Ersteren dürfen schon unmittelbar nach dem Tod dem sie persönlich zu sich rufenden Heiland begegnen und von nun an „in Abrahams Schoß“ geborgen Gott schauen; für Letztere gibt es nur ein „die Erwartung des furchtbaren Gerichts“ (Hebr 10,27). und ein bereits unmittelbar nach dem Tode erfolgendes Hinabfahren der Seele in die Finsternis.

Das gemeinchristliche Bekenntnis lautet: „Christus ist hinabgestiegen in das Reich des Todes“ (1Petr 3,19f; 4,6). Manche Ausleger verstehen das so, dass Jesus somit Heiland auch für diejenigen wurde, die in ihrer Lebenszeit kein Evangelium bezeugt bekamen. Gottes Gerechtigkeit und Liebe erfordern zwar nicht die All-Versöhnung, aber die All-Kunde mit Entscheidungsfreiheit. Das Christuswirken im Reich des Todes bleibt für uns ein Geheimnis, unserem letzten Urteil entzogen.

  • 5. Jeder Mensch, auch der Christ, muss nach dem Tode vor den Richterstuhl Christi treten (2Kor 5,10)
    Gott der Schöpfer hat dem Menschen das Leben gegeben, damit er als sein irdischer Statthalter je nach seiner Begabung und Platzanweisung Ihm diene und Frucht für die Ewigkeit hervorbringe (Röm 7,4; Phil 1,9-11). Wir sind für alles, was wir tun oder unterlassen, Gott verantwortlich und müssen ihm am Ende unseres Lebens dafür Rechenschaft ablegen. Dabei wird jedes Wort und jede Tat von ihm, dem Allgegenwärtigen, beobachtet, gewogen und am Jüngsten Tage offenbar gemacht werden (Mt 12,36f; Off 20,12). Man beachte, dass bei der Stelle in der Johannesoffenbarung zwischen den Büchern, in denen die Werke der Menschen aufgeschrieben sind, und dem „anderen Buch“, dem Buch des Lebens unterschieden wird! Die Sünden, die der Mensch zu Lebzeiten aufrichtig bereut und die ihm von Gott vergeben wurden, werden beim Gericht keine Rolle mehr spielen, lediglich die bis zum Eintritt des Todes unbereuten und folglich unvergebenen Sünden.

Dabei ist das persönliche Gericht, das über jeden einzelnen Menschen gleich nach seinem Tode ergeht, von dem allgemeinen Weltgericht sachlich zu unterscheiden. Beide sind dem wiederkommenden Christus anvertraut. In manchen Kreisen ist eine (sich auf Joh 5,24 berufende) Verharmlosung verbreitet, als ob für die Christen aufgrund der schon im irdischen Leben empfangenen Sündenvergebung das Gericht entfalle. Dagegen aber lehrt das Neue Testament eindeutig, dass wir alle vor dem Richterstuhl Gottes bzw. Christi erscheinen müssen und jeder von uns für sich selbst Rechenschaft geben muss, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse (Apg. 17,31; Röm 2,16; 14,10; 2Kor 5,10; Joh 5,29; Eph 6,8). Richtig ist, dass die grundlegende Entscheidung über das ewige Leben oder die ewige Verdammnis für die Glaubenden schon mit ihrer Wiedergeburt und dem bis ans Lebensende bewahrten Glauben gefallen ist; das ist der Sinn von Johannes 5,24 sowie der folgenden Verse 28-29. Aber ein Gericht über ihre guten oder bösen Taten wird Christus auch über die Christen halten und das Maß ihres himmlischen Lohnes danach bemessen. Das kann auch für Christen eine sehr schmerzliche Erkenntnis bedeuten

6. Durch die in der Wiedergeburt aus Wasser und Geist geschehene Einverleibung in Christus dürfen Christen in der Hoffnung sterben, ewig bei IHM zu sein.
Die im Glauben angeeignete Taufe ist – nach Paulus (Röm 6,3-11) ein Sterben mit Christus. Paulus kann deshalb (in Kol 3,3 u.a.) sogar sagen: „Ihr seid gestorben“ – , und aus der damit eingegangenen persönlichen Schicksalsgemeinschaft folgt die Gewissheit, dass wir auch in der Auferstehung ihm gleich sein und mit ihm auf ewig leben werden. Dadurch gewinnt die Unsterblichkeit der Seele und die damit verbundene Erhaltung der Individualität über den Tod hinaus eine neue Dimension. Christen dürfen dessen gewiss sein, dass weder Tod noch Leben uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserm Herrn (Röm 8,38f). Jesus versprach dem neben ihm gekreuzigten und an ihn gläubig gewordenen Schächer: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Das nimmt für Christen dem Tod seine Macht, wissen sie doch, dass die Lebensgemeinschaft mit Christus unzerreißbar ist (2Tim 1,10). Diese Gemeinschaft wird mit dem Tod aus ihrer bisherigen Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit treten und aus der sich aufgrund der Neigung zum Bösen ergebenden Unsicherheit in die bleibende Sicherheit.

Aus diesem Grunde können fest im Glauben gegründete Christen sich auf ihr Sterben sogar freuen und wie Paulus Lust haben, abzuscheiden und bei Christus zu sein. (Phil 1,23). Das ist grundlegend für das christliche Verständnis des Todes und für den Umgang mit der Aussicht, eines Tages, vielleicht schon bald, sterben zu müssen. Mit dem Lieddichter können sie getrost bekennen: „Christus ist mein Leben; Sterben ist mein Gewinn“, und mit Fritz Rienecker bezeugen: Das Schönste kommt noch!

  1. Nach der leiblichen Auferweckung der in Christus Heimgegangenen wird Er sie die Freuden des Paradieses erfahren lassen und ihnen Anteil an seinem Reiche geben (Jak 2,5)

Das, was sich bei gläubigen Christen schon beim Sterben anbruchsweise vollzieht, wird seine Vollendung am Tage ihrer Auferstehung finden. Aufgrund der Auferweckung des Leibes in verklärter Gestalt (1Kor 15,40-45) wird die eschatologische Freude eine ganzheitliche, leib-seelische sein. In unserm neuen Leben in der zukünftigen Welt dürfen wir Christus, ja den Dreifaltigen Gott mit unsern leiblichen Augen schauen (Mt 5,8; Off 21,3). . . .

  1. Christliche Angehörige werden nach Möglichkeit den Sterbenden durch tröstende Begleitung den Übergang aus dem irdischen in das künftige Leben erleichtern

Im Lichte des Gesagten erkennen wir, dass die Sterbestunde eines Christen die wichtigste seines gesamten Lebens ist, darf er doch nun hinübergehen aus der Zeit in die Ewigkeit, aus dem leiblichen Getrenntsein von Christus in die sichtbare Gemeinschaft mit ihm. Nicht der düstere „Sensenmann“ tritt in das Sterbezimmer des Christen, sondern der leuchtend wiederkommende, über die Macht des Tod triumphierende Christus. Darum ist der selige Tod eines Christen – auch wenn er nach menschlichem Urteil zu früh eintreten oder sich sogar unter Qualen vollziehen mag – letztlich nicht als Tragik zu beurteilen; im Gegenteil darf er als Vollendung verstanden werden. Das gibt dieser Abschiedsstunde eine besondere Weihe und sollte dementsprechend von den Angehörigen als eine solche gestaltet werden.

Dazu sollte ihnen in Kliniken der erforderliche Rahmen eingeräumt werden. Idealer ist es freilich, wenn das Sterben in der vertrauten häuslichen Umgebung geschehen kann.

Widerstanden werden sollte der zeitgenössischen Tendenz, den Tod als etwas Peinliches zu verdrängen oder den Sterbenden gar in einen Nebenraum abzuschieben. . . . Es gehört zu den positiven Entwicklungen unserer Zeit, dass die Hospizbewegung sich darum bemüht, dem Tode seine Würde wiederzugeben und dem Sterbenden liebevolle menschliche Zuwendung und seelsorgerliche Hilfe zukommen zu lassen.

  1. Die Aufgabe der Kirche ist es, in der Gestaltung der Sterbeseelsorge und der Bestattung sowohl die biblische Hoffnung als auch die biblische Mahnung eindeutig zum Ausdruck zu bringen

Seelsorge an Sterbenden ist eine der vornehmsten Aufgabe der Kirche. Keine medizinische oder psychiatrische Instanz kann sie ihr abnehmen, auch wenn diese Erkenntnis in Seniorenheimen und Krankenhäusern heute nicht mehr allgemein vorausgesetzt werden kann. Unter Umständen muss sich der Seelsorger die Wahrnehmung seiner besonderen Pflicht erkämpfen.

Ein Problem dabei besteht allerdings darin, dass viele Pfarrer aufgrund ihrer Prägung durch die moderne kritische Theologie in ihren biblischen Überzeugungen hinsichtlich des Verhältnisses von Zeit und Ewigkeit, Diesseits und Überwelt und damit der prophetischen Hoffnung verunsichert sind. Das zeigt sich in einer häufig zu beobachtenden Umwandlung der Krankenseelsorge in einen rein mitmenschlichen Zuspruch wie auch in einer Beschränkung der Bestattungspredigt auf die Würdigung der Lebensleistung des Verstorbenen sowie die Ermutigung der trauernden Hinterbliebenen zur dankbaren Erinnerung.  . . .

Es darf uns Christen nicht nur um einen sanften Tod gehen. Vielmehr sollen wir uns aufgrund der göttlichen Offenbarung dessen bewusst werden, dass es darum geht, dass der Christ „selig“ stirbt, d.h. in der Gewissheit der Sündenvergebung durch Christus, nicht etwa durch unbereinigte Schuld belastet. Das ist der eigentliche Sinn des Gebetsverses: „Mein Gott, ich bitt durch Jesu Blut: Mach’s nur mit meinem Ende gut!“ (EG 530). Daher muss es den Seelsorgern und den Angehörigen ein Herzensanliegen sein, Sterbende nicht nur zu beruhigen, sondern ihnen durch Gebet, Sakrament und Zuspruch zu einem seligen Sterben zu verhelfen.

Der Seelsorger soll sich also darum bemühen, durch Besuche bei ihrem Tode entgegengehenden Gemeindegliedern sie auf diesen Abschied und Übergang geistlich vorzubereiten. Das geschieht durch biblische Stärkung ihrer Glaubenszuversicht und in vielen Fällen durch die wiederbelebende Erinnerung an den vielleicht verschütteten Kinderglauben. Das Krankenabendmahl sollte besonders bei Todgeweihten wieder die Regel werden. Darüber hinaus kann auch die in der Katholischen und der Orthodoxen Kirche noch übliche Krankensalbung (glücklicherweise nicht mehr „letzte Ölung“ genannt) in evangelischen Gemeinden eingeführt werden, eine Hilfe, die von vielen christlichen Familien heute dankbar angenommen wird.

In vielen evangelischen Gemeinden war bis vor wenigen Jahrzehnten die häusliche „Aussegnung der Verstorbenen“ auf dem Wege zum Friedhof noch üblich und findet mancherorts heute wieder Eingang, soweit der Tod nicht – wie in der Mehrzahl der Fälle – in der Klinik eintritt. Aber auch dort kann in Absprache der Familie mit dem Pfarrer eine Aussegnung auf dem Sterbebett geschehen.

Der Beerdigungsgottesdienst wird angesichts des erlittenen Verlustes stets eine Trauerfeier sein.

Aber die Trauer soll dabei weder das einzige noch das überragende Element bilden. Vielmehr gilt es, in Predigt, Bekenntnis, Lied und Gebet über dem Sarge des verstorbenen Christen den Sieg des auferstandenen Jesus Christus über den Tod auszurufen. . . .

  1. In Christus gibt es eine Gemeinschaft zwischen den Gliedern der kämpfenden Kirche auf Erden mit denen der triumphierenden Kirche im Himmel (Hebr 12,22f)

Nicht nur die Gemeinschaft zwischen Christus und dem Christgläubigen bleibt bei dessen Tode ununterbrochen. Ebensowenig zerreißt dieser das Band zwischen dem Heimgerufenen und seiner Gemeinde, in der er seine erweiterte geistliche Familie besaß. Darum werden die Ortgemeinde als ganze wie seine erreichbaren Mitchristen und Mitstreiter an anderen Orten sich bemühen, ihm sein letztes irdisches Geleit zu geben. Sie bringen damit zugleich ihre Dankbarkeit für erfahrene Gemeinschaft und ihre bleibende Verbundenheit mit ihm zum Ausdruck.

Die auch durch den Tod hindurch erhalten bleibende Gemeinschaft der Heiligen betrifft auch das Verhältnis zwischen der noch auf Erden weilenden kämpfenden Kirche (ecclesia militans) und der schon im Himmel mit Christus vereinten Kirche (ecclesia triumphans). – Weil beide organische Teile des einen Leibes Christi, seines Hauptes bilden, geht die den Leib wie ein Blutkreis durchströmende Kraft des Heiligen Geistes durch sie alle und hält sie in lebendiger, wenn auch unsichtbarer Verbindung miteinander. (1Kor 12,12f.). Beide Seiten der einen Kirche haben gemeinsam Anteil am Bau des Reiches Gottes schon jetzt auf Erden und dereinst in kosmischer Universalität.  . . .

Wir Christen sind umgeben von der Wolke der Zeugen (Hebr 12,1), d. h. der uns ein inspirierendes Vorbild gebenden Väter und Mütter im Glauben. In diesem Sinne können wir sie als Selige und Heilige im besonderen Sinne betrachten: als die, die Teil gewannen an der ersten Auferstehung und Priester Gottes und Christi sind und mit ihm regieren (Off 20,6). Darum geschieht unser Aufblick zu ihnen nicht nur in historischer Bewunderung oder in moralischer Sicht als Vorbild, sondern im Bewusstsein um ihre fürbittende Anteilnahme an unserm Kämpfen und Leiden (Off 6,9-11). Unsererseits stehen wir in Gemeinschaft mit „der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind … und zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten“, die mit uns versammelt sind um Jesus, den Mittler des neuen Bundes (Hebr 12,23f). . . .

Einung der geistlichen Gemeinschaften in gemeinsamer Erwartung des wiederkommenden Herrn

Wir Christen sind geistlich verbunden durch unsere gemeinsame biblischen Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, aber auch durch unsere gemeinsame Bedrohung in der gegenwärtigen Menschheitskrise. Angesichts eines heutigen ideologisch begründeten Hasses gegen Gott und seine Schöpfungsordnung gilt es, uns ganz neu auf die Einheit seiner Kirche zu besinnen und ihre Einung zu suchen.

Das Bekenntnis zur Hoffnung auf die Parusie Jesu Christi eint; denn die biblische Wiederkunftshoffnung ist ursprüngliches Gemeingut aller Konfessionen und sie gehört zentral zu ihrer Glaubensbasis. Wir Christen sind zu einer gemeinsamen Hoffnung berufen (Eph 4,4). Jesus hat vor seinem Tode in seinem hohepriesterlichen Gebet seinen Vater für seine Jünger darum gebeten, „dass sie „vollendet sein“ sollen „in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17,23).

Auch ermahnen uns die Apostel, die brüderliche Einheit in der Liebe zu suchen und zu wahren ( Eph 4, 1-7; 1Joh 2,10; 3,11f.21). So bilden das Liebesgebot Jesu und sein Sendungsauftrag sowie grundlegend die Lehre von der Kirche als dem einen Leib Christi (1Kor12,12 ff; Eph 4,1-7) und dem Tempel, der auf dem Fundament der Apostel und Propheten errichtet ist, wobei Jesus Christus selbst der Schlussstein ist (Eph 2,19-22), entscheidende Beweggründe, für die Einung der Kirchen in der Wahrheit einzutreten.

Dies ist um so wichtiger, als es auch einen falschen Ökumenismus gibt. Dieser verfolgt unter Zurückstellung der Wahrheitsfrage das utopische Ziel eines künftigen Zusammenschlusses aller Kirchen und auch Religionen, um dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einheitsstreben eine spirituelle Grundlage zu geben. Hier geht es weniger um das Heil in Christus als um die Sicherung und Förderung von politischem Frieden, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Integrität.  . . .

So gilt es also, diakritisch wahres und falsches Einigungsbemühen zu unterscheiden. Das setzt zugleich ein gemeinsames Verständnis für das Wesen der Kirche und ihre geist-leibliche Einheit überhaupt voraus.

Die biblische Schau der Kirche

Die Kirche Jesu Christi ist eine; denn Christus ist das eine Haupt des einen Leibes; sie ist das Eigentumsvolk Gottes – bestehend aus Gliedern Israels und der Völker (Eph 1,22f; 4,15; Apg 20,28; 1Petr 2,9). Er hat in der Sammlung seiner Jünger im Bekenntnis zu Ihm als Messias und Sohn Gottes den Kern der einen Gemeinde geschaffen. Ihr hat er die Verheißung gegeben, dass „die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen“ werden (Mt 16,18).  . . .

Die gegebene Einheit der Kirche tröstet und beunruhigt zugleich
Glaubenstreue Christen und Gemeinden werden derzeitig durch Abfallerscheinungen in fast allen kirchlichen Gemeinschaften und durch Angriffe von außen angefochten. In ihrem biblisch-theologischen Minderheitsstatus kommen sie sich zuweilen wie auf verlorenem Posten vor. Die Besinnung auf die uns alle verbindende geistliche Einheit wirkt hier stärkend und tröstend. Erkennen wir doch, dass die gleichen Leiden, wie wir sie erleben, den Brüdern und Schwestern in der ganzen Welt auferlegt werden (1Petr 5,9).  . . .

Es gilt heute, über die historischen konfessionellen Abgrenzungen hinweg

► uns im Widerstand gegen endzeitliche Verführung und Glaubensabfall zu einen;
► uns gemeinsam zu distanzieren von falschen synkretistischen und ideologischen Einheitsbestrebungen;
► einzustehen für die wahre Einheit, im Unterscheiden des Gegenübers von „Braut“ und „Hure“, und im Einssein zu wachsen.
► uns zu verbinden im gemeinsamen missionarischen Zeugnis, „damit“ – wie Jesus betet – die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21).

Jesu Testament für seine Kirche

Christliche und kirchliche Einung in der Wahrheit ist ein Werk des Heiligen Geistes. Darin erfüllt sich für die getrennte Christenheit Jesu Verheißung, mit der er allerdings in erster Linie die Zusammengehörigkeit von juden- und heidenchristlicher Gemeinde im Auge hatte:
„dann wird es nur e i n e Herde geben und e i n e n Hirten“ (Joh 10,16).

Gott der Vater wacht darüber, dass es zu solcher Einung kommt, und schafft sie in der Einheit der drei göttlichen Personen in der schrittweisen Vollendung seines Plans. Das wird sich erweisen im gemeinsamen Lob der erlösten Menschheit vor dem Thron Gottes.

Ausblick

Gläubige aller Konfessionen haben guten Grund, der Wiederkunft ihres Herrn freudig entgegenzusehen, der sie in die Gemeinschaft des Dreieinigen Gottes berufen hat. Gemeinsam dürfen wir uns auf die Wiederkunft Christi freuen, ist die von Ihm gegründete Kirche doch als ganze sein Leib und seine ihn erwartende Braut.  . . .

In der heutigen Zeit sind alle Konfessionen gleichermaßen durch verführerische antichristliche Geistesmächte bedroht. Viele erleiden in zahlreichen Ländern Christenverfolgungen durch ideologisch oder religiös totalitäre Regime. Das gemahnt uns, über traditionelle Abgrenzungen hinweg uns geistlich zu einigen und unseren Blick voller Hoffnung gemeinsam auf den kommenden Herrn und Erlöser zu richten. Denn die Verführung wie die Verfolgung der Christenheit sind auch dazu von Gott zugelassen, dass der Glaube der Christenheit um so echter hervortrete (1Petr 1,6f). Beide brauchen uns nicht zu verängstigen; denn sie sind ja zugleich Vorzeichen der anbrechenden Erfüllung Seines Heilsplanes.  . . .

„Weil du bewahrt hast das Wort vom standhaften Warten auf mich, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, die zu versuchen, die auf Erden wohnen.
Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“

Für die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften:
Prof. Dr. Peter P. J. Beyerhaus DD.  Gomaringen Kr. Tübingen 1. Februar 2010

Die Hervorhebungen im Text und geringe Kürzungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, 2010

www.horst-koch.de
info@horst-koch.de

 

 

 

 

 

 

 

 

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Zungenbewegung (K.E.Koch)

Kurt E. Koch

DIE ZUNGENBEWEGUNG

 

I. In der Atmosphäre des Heiligen Geistes
Der Prophet Elia besaß Vollmacht über den gottlosen König Ahab und seine noch gottlosere Frau Isebel. Er bekam auch die überlegene Autorität über die 450 Baalspriester der Königin. Das Geheimnis seiner Vollmacht war die Tatsache, daß er in der Gegenwart Gottes stand. „Der Gott, vor dem ich stehe!“ Das war sein Beglaubigungsschreiben, mit dem er vor den König hintreten konnte.

Diese Broschüre will aus der Atmosphäre des Heiligen Geistes geschrieben sein. Wir können das von uns aus nicht herbeiführen, aber wir dürfen darum bitten. Das entspricht dem Impuls, der dieser Schrift vorausgeht. Den inneren Auftrag zur Niederschrift erhielt ich an einem Pfingstfest. Am Vormittag sprach ich in einer anglikanischen Kirche Londons über die Wirklichkeit des Heiligen Geistes in unserem Leben. Am Abend des gleichen Tages legte ich in der Richmond-Baptistenkirche den Text 1.Kor.12 aus.

Paulus erwähnt in dieser Schriftstelle 9 Geistesgaben: Weisheit und Erkenntnis, den Glauben, die Heilung und die Wunder, Weissagung und Geisterunterscheidung, die Zungengabe und ihre Auslegung. Als die zehnte, die gewaltigste Gabe und Frucht nennt er in 1.Kor.13 und in Römer 5,5 die Liebe.

Nach diesem doppelten Dienst an dem erwähnten Pfingstsonntag hatte ich eine unruhige aber gesegnete Nacht. Ein Pfingstgebet zog durch meine Seele. Es war das Flehen um das eigene Zerbrochenwerden und die Bitte um die Abwehr aller falschen Geister, die in der Gemeinde Jesu soviel Verwirrung anrichten.

Es ist noch nicht alles berichtet, was dieses Pfingstfest in London mir alles bedeutete. Nach meinem Gottesdienst in der Richmond Kirche wollte eine Frau mich seelsorgerlich sprechen. Was ich zu hören bekam, ist eine abenteuerliche Geschichte.

B 1 (Beispiele) Meine Gesprächspartnerin war fast zwei Jahrzehnte in Afrika gewesen. Durch ihren Bekanntenkreis war sie von Menschen mit medialen Fähigkeiten umgeben. Anlässlich eines Gesellschaftsabends sagte ein bekanntes Medium zu ihr: „Ihnen steht viel Unheil bevor. Sie werden von einem starken Magier verfolgt.“ Die Unruhe der Frau wuchs, als kurze Zeit darnach ein Handlinienleser aus ihrer Umgebung ihr weissagte: »In Ihrem Haus oder Garten muß ein starker Angriffszauber verborgen sein. Sie sind stark bedroht.«

In dem primitiven Milieu Afrikas sind solche Dinge an der Tagesordnung. Durch diese doppelte Unheilsprophetie verängstigt, suchte die bedrohte Frau nach Hilfe. Der Handleser bot sich an, den versteckten Zauber zu suchen. Mit vereinten Kräften gruben sie den Garten um und fanden eine verkorkte Flasche, die allerlei afrikanische Fetische und Zauberutensilien enthielt. Der Zauber wurde vernichtet. Die Hausbesitzerin erhielt darauf einen starken Gegenzauber in Gestalt eines schwarzen Pulvers, das sie im Garten verstreuen sollte. Als sie noch das Pulver in der Hand hielt, kam eine große, schwarze Schlange in den Garten. Seit Jahren hatten sie kein solches Tier auf ihrem Grundstück. Sie rief ihren Söhnen, die sofort mit der Jagdflinte herbeieilten und das Tier töteten.

Nach der Meinung des Handlesers sollte nun die Gefahr gebannt sein. In der Tat empfand sie darüber keine Beunruhigung mehr. Und doch stellten sich nach diesen Vorfällen andere Störungen ein. Die Frau wurde schwermütig. Das ist kein Wunder. Wer sich mit Medien und Wahrsagern einläßt, hat stets schweren Tribut zu zahlen.
Nun kommt aber das Ungeheuerliche an dieser Geschichte. Die Frau reiste mit ihren Depressionen zurück nach England, um sich hier behandeln zu lassen. Und in diesem christlichen Land erhielt sie von einer englischen Missionarin den Rat, sich einem spiritistischen Heiler anzuvertrauen. Eine himmelschreiende Unkenntnis dieser Missionarin!

So lagen die Dinge, als die von Schwermut geplagte Frau meinen Gottesdienst in der Richmondkirche besuchte. Es war ihr erster Gottesdienstbesuch auf englischem Boden. Sie war ja noch nicht lange zuvor von Afrika angereist.

Es war nicht einfach, dieser Frau aus dem Irrgarten dieser vielfachen Zaubereisünden heraus den Weg zu Jesus zu zeigen. Und doch war sie vorbereitet. Wie viel tausend Ängste hatte sie schon durchstanden! Sie war völlig offen für die neue Botschaft, daß Jesus uns nicht nur alle Sünde vergibt, sondern auch aus aller Angst befreit. Er hat uns in Luk.10,19 das Wort gegeben: »Seht, ich habe euch Macht gegeben über alle Gewalt des Feindes, und nichts soll euch beschädigen.« Das Samenkorn des Evangeliums fiel bei dieser Frau in aufgelockerten Boden. Aus der Bedrohung aller dunklen Mächte heraus durfte sie bei Jesus Geborgenheit finden. So wurde dieses Pfingstfest, der Geburtstag der Gemeinde Jesu, zum Glaubensgeburtstag für diese bekümmerte Frau. Evangelium ist Frohbotschaft, Lösung von allen übermächtigen Gewalten, die uns gefangen halten.

Dieses Pfingstfest in London bedeutete ein doppeltes Geschenk für mich. Der Geist Gottes hatte mein eigenes Herz berührt. Er machte auch in meiner Gegenwart einer bekümmerten Frau den Namen Jesu groß. Das ist sein stilles Werk. Wir sehen das auch am Berg Horeb. Gott offenbarte sich nicht im Sturm, nicht im Gewitter, nicht im Erdbeben, sondern im leisen Wehen. Wir müssen das heute neu beachten. Gott redet nicht in der Ekstase zu uns, nicht im Wirbel und Toben seelischer Kräfte. Ausdruck seines Geschehens ist nicht die Zügellosigkeit und der Verlust jeglicher Selbstbeherrschung. Unser Gott ist ein Gott der Ordnung. Der Geist Gottes ist ein Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht. Damit ist jetzt schon ein gewisser Leitgedanke, der Tenor der ganzen Schrift, gegeben.

Es ist schon erwähnt worden, daß die Niederschrift und Veröffentlichung dieser Broschüre aus der Atmosphäre des Heiligen Geistes heraus erfolgen soll. Das bedeutet, daß ich darum bitte, daß einerseits der Geist der Kraft und Zucht sich Bahn macht, andererseits der Geist der Liebe nicht verletzt und betrübt wird. Kraft und Zucht bedeuten Vollmacht. Vollmacht bedeutet, daß der Heilige Geist volle Macht über uns bekommt.

Über den Charakter der Liebe sind seltsame Vorstellungen im Umlauf. Wie kann z.B. ein Theologe in echter Weise von der Liebe Gottes reden, wenn er den Sühnetod Jesu am Kreuz ablehnt? Moral und humane Einstellung sind keine Liebe im Sinne des Neuen Testamentes.

Liebe üben heißt nicht, zu allen Abirrungen vom Worte Gottes zu schweigen. Es gibt zur Zeit in England einen gewissen Kult der »softness«. Man versteht darunter die Einstellung, daß man niemand verletzt, auch wenn er die absurdesten religiösen Meinungen vertritt. Man muß allem die beste Seite abgewinnen. Ob Spiritist oder Zungenredner, ob Jesuit oder Modernist, bitte keinen mit einer gegensätzlichen Einstellung schockieren! Das ist der neue Kult der »softness«, der Verweichlichung.

Ist das die Haltung der Heiligen Schrift? Es wäre gut, wenn alle, die so nachgiebig sind, gründlich die sieben Sendschreiben lesen würden. Der erhöhte Herr tadelt die Gemeinde in Pergamus (Offbg.2,14): „Ich habe wider dich, daß du die Irrlehrer der Bileamiten in der Gemeinde duldest.“ Und die Gemeinde Thyatira schilt der Herr (Offbg. 2, 20): „Ich habe wider dich, daß du die falsche Prophetin Isebel duldest.“ Wer in jenen Gemeinden damals ein Wort gegen die Irrlehrer wagte, wurde als lieblos und intolerant bezeichnet. Und doch hatte er den Herrn Jesus auf seiner Seite.

Es geht nicht um hässliche Kritik, sondern um den Auftrag der Heiligen Schrift: »Prüfet die Geister, ob sie von Gott sind!« (1.Joh.4,1). Ein solches Prüfen kann im Geist der Liebe geschehen. Es ist nicht alles Liebe, was falsche Theologie unter diesem Etikett uns serviert. Und es kann wohl der echten Liebe entsprechen, wenn wir zum Schutz der Gemeinde Jesu nein sagen müssen. Man kann also in der Gegenwart des Heiligen Geistes stehen ‑ ja gerade darum ‑ wenn man angebliche Geistesgaben unter die Lupe nimmt und sie an Hand der Heiligen Schrift prüft.

II. Die geistige Umgebung der neuen Zungenbewegung

Etwa 90 Vorträge und Diskussionen in Kirchen und Bibelschulen, an Universitäten und in öffentlichen Hallen Großbritanniens vermittelten mir Einblicke in das geistliche Klima und die geistige Struktur dieses Volkes.

Außer vielen kleinen Nebenströmungen schälten sich für die aufmerksame Beobachtung fünf klar umrissene Bewegungen heraus. Geistiges Geschehen stellt ja immer ein Parallelogramm verschiedener Kräfte dar. So ist zum Beispiel die Reformation nicht denkbar ohne die negative Entwicklung der katholischen Kirche zuvor. Der Materialismus des 19. Jahrhunderts hätte nicht die antikirchliche und antiklerikale Entwicklung genommen ohne die lebensfremde Orthodoxie zuvor. So ist auch die neue Zungenbewegung Englands besser zu verstehen, wenn die mit bedingenden Randströmungen erkannt und richtig beurteilt werden. Die fünf Bewegungen sind:

  1. Die moderne Theologie
    In einem Kreis von gläubigen Christen fragte ich nach Bischof Robinson, dem Verfasser von »Honest to God« ‑ Gott ist anders‑. Betretenes Schweigen! Man schämt sich seiner und denkt: »Wie war es möglich, daß ein Land, das einen John Knox, einen Wesley, einen Spurgeon und Hudson Taylor hatte, einen Mann wie Bischof Robinson hervorbrachte, der trotz seiner Häresie sein hohes, kirchliches Amt behalten darf. In einem Pfarrkonvent erlebte ich aber eine Abfuhr. Ein Anglikaner erwiderte: »Made in Germany.« Er wollte damit sagen, daß Robinson seine Theologie aus deutschen Quellen bezogen hat. Nun kam das Schämen an mich.

Welche Früchte diese moderne Theologie mit ihrer verheerenden Bibelkritik zeitigt, soll an einem kleinen Beispiel angedeutet werden. Ich wohnte einige Zeit in einer englischen Familie. Die junge Frau erzählte mir, wie sie den Weg zu Jesus gefunden hatte. Einige Wochen nach ihrer Umkehr meldete sie sich bei einem anglikanischen Pfarrer als neues Gemeindeglied an. Da sie vorher zu keiner Gemeinde gehört hatte, wollte sie nun ein geistliches Zuhause haben. Sie war als junge Christin der Meinung, daß jeder Pfarrer auf dem rechten Weg sein müsse. Was sie in dem Studierzimmer dieses anglikanischen Pfarrers erlebte, war für sie furchtbar. Sie erzählte ahnungslos, daß sie gerade dabei sei, die Offenbarung des Johannes zu lesen. Der Pfarrer war bestürzt und erwiderte: »Wie können Sie das Buch eines Wahnsinnigen lesen!« Er machte der erschrockenen Frau klar, daß die biblischen Schriften von verschiedener Qualität seien, so z.B. sei das Hohelied ein pornographisches Buch. Es ist ein Wunder der Gnade Gottes, daß diese neubekehrte Frau diese theologische Giftspritze des Pfarrers ohne inneren Schaden überstand.

2. Der Humanismus
Diese geistige Strömung findet sich an den englischen Universitäten und hat mit der toleranteren Gesinnung des Humanismus im 16. Jahrhundert nichts mehr gemein. Dazu eine Kostprobe.

John Stott ist der berühmte Kaplan der Königin. Er ist ein gläubiger Mann mit einem evangelistischen Herzen. Ihm liegt außer der Versehung eines großen Pfarramtes auch die Studentenarbeit am Herzen. Vor zwei Jahren organisierte er eine Evangelisation in Oxford. Was geschah? Die Humanisten veranstalteten zur selben Zeit Gegenversammlungen. Sie hängten neben die Werbeplakate von John Stott Plakate gleicher Größe, auf denen sie sich über die Themen von Stott lustig machten. Zum Beispiel benützten sie folgende Aufschrift: »Besucht Stotts Versammlungen und begeht dabei geistigen Selbstmord.« Dazu sandten sie Störtrupps in die Versammlungen von Stott und seinen Leuten, um durch Zwischenrufe Verwirrung anzurichten.

Das ist die neue Aggressivität des Humanismus. Diese antichristliche Aktivität ist ein typisches Zeichen unserer Zeit. Neben der Symptomverweichung der Ökumene haben wir die zunehmende Frontenklärung der außerchristlichen Bewegungen. Das muß uns nicht beängstigen, sondern darf als erfreuliches Zeichen für den anbrechenden Endkampf bewertet werden.

3. Der neue Materialismus
In Blackpool, diesem Vergnügungszentrum Nordenglands kam eine Kirchenzeitung in meine Hände. Ich las einen Artikel des Bischofs, in dem gegen den Luxus und den überzüchteten Lebensstandard Stellung bezogen wird. Der Bischof schrieb: »Früher genügte den Damen ein Bisammantel, heute muß es ein Nerz sein. Einige Jahre zuvor waren die Geschäftsleute mit einem Ford oder Morris zufrieden, heute muß es ein Jaguar oder Rolls Royce sein.« Der wachsende Wohlstand und das stets steigende Einkommen wirkt sich aber nicht in den Opfern für das Reich Gottes aus. Ich konnte es selbst beobachten, daß die frei arbeitenden englischen Evangelisten ein vielfach kümmer­liches Leben führen. Die Opferfreudigkeit der englischen Christen kann als katastrophal bezeichnet werden. Noch schlimmer ist aber, daß die Treasurer (Schatzmeister) der Kirchen vielfach noch das Opfer zurückhalten. Für die Gläubigen in der Schweiz, im Elsaß und in Süddeutschland ist es unglaubhaft, was hier mit einem einzigen Beispiel gezeigt wird.

Ein englischer Evangelist wurde nach Newcastle on Tyme ein­geladen. Er arbeitet ohne Besoldung und ist daher auf eine Ver­gütung bei seinem Dienst angewiesen. Er teilte das vor Beginn der Arbeit dem Komitee in Newcastle mit. Sie vereinbarten für die zehntägige Arbeit ein Honorar von 100 Pfund. Das sind 1100 Mark. Der Evangelist hatte nicht nur die Abendvorträge, sondern diente auch den Colleges. Täglich hatte er drei oder vier Vorträge. Nach Beendigung der Arbeit, bei der etwa 500 Pfund ein­gegangen waren, gab ein Komiteemitglied dem Bruder 10 Pfund. Der Evangelist wartete dann einige Monate auf den Rest der ver­einbarten Summe. Als nichts mehr eintraf, schrieb er einen freundlichen Brief und wies darauf hin, daß er für sein Fahrgeld, für die Verpflegung und den Songleader (Chorleiter) insgesamt 90 Pfund ausgegeben hatte. Auf diese Bitte hin erhielt er noch einmal 10 Pfund. Dazu schrieb man ihm einen ganz unfreundlichen Brief. Dieses Beispiel kann um viele vermehrt werden.

4. Der Spiritualismus
Das düsterste Kapitel des englischen Gei­steslebens ist der fromm frisierte Spiritismus. England und Schott­land haben mehr als 100 spiritualistische Kirchen. Eine Illustrierte nannte drei Millionen Mitglieder. Ferner sind in diesen spirituali­stischen Kirchen 30 Medien, die ein Jahreseinkommen von rund 30 000 Mark haben. Auch die Medien zweiter Klasse haben im­mer noch den Gehalt eines deutschen Pfarrers. Die meisten Medien sind Frauen. Sie haben in den Gottesdiensten die Aufgabe, die Verbindung mit dem Totenreich herzustellen. Nach den Haupt­gottesdiensten finden gewöhnlich spiritistische Sitzungen statt. Ich habe meine Information von einem ehemaligen Medium einer spiritualistischen Kirche Londons.

Die Gottesdienste sind durch das christliche Beiwerk irreführend. Es werden christliche Lieder gesungen und biblische Texte gelesen. In manchen spiritualistischen Kirchen müssen die Bewerber, die Mitglieder werden wollen, dem Sohn Gottes abschwören.

Was diese Bewegung so gefährlich macht, ist die Unkenntnis der englischen Christen. In Glasgow steht eine spiritualistische Kirche nur 150 Meter von dem Bibel‑Institut entfernt. Es ist eine Kirche im Stil der griechischen Tempel. Ein gewaltiger Bau, in dem natürlich das Kreuz fehlt. Ich fragte einen Bibelschüler des Institutes nach dieser Kirche und ihrer Lehre. Er konnte keine Auskunft geben. Der Prinzipal dieser Bibelschule sagte mir: »Das englische Volk ist careless ‑ sorglos.«

5. Die Zungenbewegung
In dieses geistige Bett mündete nun noch als fünfte Strömung die Zungenbewegung ein. Als ob der Wirrwarr noch nicht groß genug wäre!

Hören wir zuerst das Positive. Die Anhänger der Zungenbewegung haben ein entschlossenes Nein zur modernen Theologie und lehnen auch die Solidarität mit dem Humanismus und Spiritualismus ab. Diese Haltung macht uns diese Christen zunächst sympathisch. Ferner beweisen die Glieder dieser Bewegung gewöhnlich eine gute Opferbereitschaft. Sie sind nicht dem Moloch Materialismus verfallen, wie wir es gewöhnlich bei den anderen englischen Christen ‑ von Ausnahmen abgesehen ‑ beobachten können. Das dritte positive Element ist die große Zahl von echten Christen, die sich dieser Bewegung angeschlossen haben, weil sie darin in vermehrtem Maß den Empfang von Geistesgaben erwarten. Während in den Bewegungen 1 bis 4 überhaupt keine Brücken zum biblischen Glauben mehr da sind, bestehen immer noch Querverbindungen zwischen der Zungenbewegung und der Gemeinde Jesu. All das Positive, was hier gesagt ist, kommt daher, daß sich ernste Christen in diese Bewegung hineinziehen ließen, in die sie gar nicht gehören.

Damit wurde ein kleiner Querschnitt durch die geistige Schichtung Englands gegeben. Wie in aller Welt stehen wir hier vor einem Chaos, das endzeitlichen Charakter trägt.

III. Start und Entwicklung der Zungenbewegung

Wir haben in unserem Jahrhundert schon einmal eine Zungenbewegung erlebt, die im Jahr 1900 in Kalifornien ihren Anfang nahm. Das ist nicht von ungefähr. Los Angeles, der Ausgangspunkt der damaligen Bewegung, ist eine spiritistische Hochburg. Diese Stadt besitzt neben hunderten von spiritistischen Zirkeln auch 40 spiritualistische Kirchen mit der in aller Welt berüchtigten Tätigkeit von Medien. Ein Schwede brachte dann diese neue Strömung nach Europa. Zwei skandinavische »Prophetinnen« bereisten dann viele europäische Länder und führten überall das Zungenreden ein. In Deutschland waren ihre Stationen Hamburg, Großalmerode, Kassel. Die Versammlungen, in denen die beiden Prophetinnen auftraten, nahmen so tumultartigen Charakter an, daß das Volk Gottes schnell ernüchtert war. Es leben heute noch Brüder, die Zeugen dieser Auswüchse waren und sind. Es sind vor allem der 84-jährige Bruder Schöpwinkel und Bruder Ising.

Los Angeles und Kalifornien wurden 1959 wieder der Schauplatz einer solchen Strömung. Beide Bewegungen haben genau den gleichen Charakter, nur mit dem Unterschied, daß die zweite nicht mehr solche Tumulte und schrecklichen Szenen hervorruft wie die erste. Eingeweihte sagen: »Der Teufel hat hinzugelernt. Er hat gemerkt, daß man beim erstenmal ihm auf die Schliche kam. Bei der ersten Bewegung marschierte er mit Holzschuhen, bei der zweiten mit Filzpantoffeln.«

Als ich im Januar 1961 in Kalifornien evangelisierte, stieß ich in den seelsorgerlichen Aussprachen immer wieder auf das Zungenreden. Ein paar Beispiele dazu.

B 2 Die Tochter eines Missionars berichtete mir ganz bekümmert, daß sie von einer Freundin geplagt würde. Das Mädchen hielt ihr immer vor, sie müßte das Zungenreden haben, andernfalls hätte sie nicht die Fülle des Heiligen Geistes. Ich fragte die Missionarstochter, ob sie ihr Leben schon Christus anvertraut hätte. Sie bejahte und erklärte, daß sie durch Gottes Gnade Gewißheit der Vergebung habe und seit einigen Jahren schon Jesus nachfolge. Ich beruhigte sie dann und gab ihr den Rat, sich von dieser Freundin zu lösen, wenn jenes Mädchen sie weiter in der beschriebenen Weise beunruhigen würde.

B 3 Ein Pfarrer Blackstone von der First Presbyterian Hollywood Kirche rief mich eines Tages an und bat mich, ihm zu helfen. Das Zungenreden sei in seine Gemeinde eingebrochen. Es sei eine Gruppe von etwa 23 Personen, die im Begriff stünden, die Gemeinde aufzuspalten. Ich willigte ein, zur nächsten Gebetsversammlung dieser zungenredenden Gruppe zu kommen. Wir beide machten vorher miteinander aus, daß wir etwa in folgender Weise beten würden, wenn der erste in Zungen betete: »Herr Jesus, wenn diese Gabe von dir ist, dann segne damit diesen Bruder. ist die Gabe nicht von dir, dann stoppe sie und lasse dann niemand mehr in unserer Gegenwart in Zungen beten. « Dazu stellten wir uns im Gebet vorher unter den Schutz Jesu. In dieser inneren Haltung betraten wir den Gebetsraum. Es waren etwas mehr als 20 Menschen gegenwärtig. Schon bei unserer Begrüßung ging es merkwürdig zu. Die Gruppe wußte natürlich, daß wir beide Pfarrer sind. Es waren ja Gemeindeglieder von Pfarrer Blackstone. Wir wurden beide von einem jungen Mann gefragt: »Wann haben Sie die Geistestaufe empfangen?« Dann hielt der junge Mann eine kurze Andacht. Darnach wurde das Gebet freigegeben. Eine Frau begann in einer flüssigen, fremden Sprache zu beten. Es war kein Stottern und Stammeln. Eine Auslegung wurde nicht gegeben. Pfarrer Blackstone und ich begannen, wie verabredet, leise zu beten. Was geschah? Niemand betete mehr in Zungen, obwohl sonst bei diesen Versammlungen alle außer einem Architekten in fremden Sprachen beteten. Bruder Blackstone und ich hatten auf unser Gebet hin die Antwort Gottes bekommen.

Das Jahr darauf hatte ich wieder einige Dienste in Kalifornien. Inzwischen hatte sich die Zungenbewegung in ganz Kalifornien ausgebreitet. In allen Kirchen saßen Zungenredner, sowohl bei den Anglikanern als auch Lutheranern, bei den Methodisten und Baptisten, bei den Presbyterianern und Kongregationalisten. Überall das gleiche Problem! Die Pfarrer waren vielfach ratlos. Manche stimmten zu. Andere lehnten ab. Niemand wußte recht, ob das eine Bewegung des Heiligen Geistes sei oder nicht.

1963 kam ich zum dritten Mal an die pazifische Küste. Inzwischen war die Zungenbewegung von der Westküste bis zur Ostküste vorgestoßen. Die zustimmten, sprachen von einer Erweckung. Andere waren in ihrer Ablehnung bestärkt worden, weil sie überall die aufspaltenden Tendenzen beobachten konnten. Vier Pfarrer ‑ es waren die ersten ‑ wagten es, kurzerhand die Zungenredner auszuschließen, um endlich Ruhe in der Gemeinde zu haben.

Beim vierten Besuch der USA im Jahr 1964 war inzwischen die Zungenbewegung zu einem sozialen Problem geworden. Die Regierung setzte eine Kommission zur Erforschung der Zungenbewegung ein. Ein Psychiater, ein lutherischer Pfarrer und ein Laie wurden eingesetzt, um den Charakter der Zungenbewegung zu ergründen und ihre Auswüchse zu beobachten. Wie groß muß diese Unruhe und Verwirrung geworden sein, daß der Staat sich genötigt sah, eine religiöse Strömung zu stoppen, wenn das überhaupt möglich war!

Im Jahr 1965 war es dann so weit, daß die Zungenbewegung auf allen Kontinenten, in allen Ländern Fuß gefaßt hat. Die Zungenredner sprechen von einer weltweiten Erweckung. So kann es in der Zeitschrift »Voice« von den »Full Gospel Business Men« im März 1965 gelesen werden: A world wide revival.

Wie stark diese Zungenbewegung die Kirchen der einzelnen Länder aufwühlt, konnten mein englischer Organisator und ich in Großbritannien feststellen. Vor Beginn unserer gemeinsamen Vortragstour vereinbarten wir, nirgends über das Zungenreden zu sprechen, um nicht unnötig Unruhe zu stiften. Es war aber völlig aussichtslos, dieser Problematik auszuweichen. Überall wurden wir nach unserer Stellung zu der Zungenbewegung gefragt oder hatten schwierige Seelsorge mit solchen, die in diese Bewegung hineingeraten waren und davon befreit sein wollten. Zwei Beispiele dazu.

B 4 In einem Lehrerseminar erzählte uns ein Student seine Geschichte. Er war von Kameraden zu einer Konferenz der Pfingstgemeinde eingeladen worden. Die Tagung fand in Irland statt. Die Verkündigung an diesem Konferenzort hatte den üblichen Akzent: Nur wer die Gabe der Zunge hat, ist mit dem Heiligen Geist getauft. Der Student betete um diese Gabe. Einer der leitenden Redner legte ihm auch nach einigen Tagen die Hände auf. Er spürte etwas Heißes auf sich zukommen und begann in Zungen zu reden. Er hatte bei dieser Gabe keine Ahnung, was er eigentlich betete, er spürte nur eine Aufpeitschung seines Gefühls.

Was war das Ende dieser Zungengabe? Nach einigen Wochen hatte der Student keine Lust mehr, die Bibel zu lesen und zu beten. Ebenso hatte er seine frühere Heilsgewißheit eingebüßt. Der Student bekannte mir: »Ich habe durch die Zungengabe alles verloren, was ich vorher durch Gottes Gnade hatte, meine Vergebung und meinen Frieden mit Gott. Erst als ich diese Erfahrung in Irland widerrief, wurde mir alles wieder geschenkt. «

B 5 Während der Niederschrift dieser Broschüre kamen zwei anglikanische Pfarrer und berichteten mir von einer großen Pfarrkonferenz, die von Mervin Stockwood, dem Bischof von Southwark, einberufen worden war. Es waren etwa 400 anglikanische Pfarrer eine Woche lang zusammen. Auch Bischof Robinson von Woolwich, der Verfasser von »Honest to God«, war anwesend. In den letzten Tagen gab es für die vielen Pfarrer eine kleine Sensation. Ein Pfarrer der hochkirchlichen Richtung sprach plötzlich in Zungen. Ein anderer Pfarrer gab die Auslegung. Es war ein Aneinanderreihen von einigen Bibelworten und die Aussage, daß die Kirche einer schweren Zukunft entgegengehe. In der nächsten Pause waren die beiden Pfarrer von vielen umringt.

Meine beiden Berichterstatter sagten mir: »Brauchen wir dazu das Zungenreden, um einige Bibelworte zu hören, die wir viel besser in der Bibel nachlesen können?« Der andere Berichterstatter meinte: »Der zungenredende Pfarrer machte nicht gerade einen guten Eindruck, als er in der Pause eine Zigarette nach der anderen anzündete.« Er empfand das Zungenreden zusammen mit dem Kettenrauchen als stilwidrig.

IV. Die geistesgeschichtliche Einordnung der Zungenbewegung

Es ist nicht einfach, alle Formen des Zungenredens in der Gegenwart auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das Zungenreden sprengt heute jeden konfessionellen, rassischen und kulturellen Rahmen.

Wir finden heute zungenredende Gruppen in allen christlichen und nichtchristlichen Kirchen. Es ist also ein Phänomen, das nicht auf das Christentum beschränkt ist. Zungenredner gibt es in Südamerika oder Afrika so gut wie in Indien oder Australien. Dieses Phänomen ist also nicht auf eine bestimmte Rasse abgestimmt. Der Schwarze oder Farbige spricht so gut in fremden Zungen wie der Weiße.

Das Zungenreden ist auch nicht an eine bestimmte Kultur‑ oder Bildungsstufe gebunden. Der auf einer europäischen Universität geschulte Theologe oder Mediziner kann ebenso mit »Zungen« reden wie der Analphabet in Peru oder auf Ceylon.

Wir versuchen uns der schwierigen Aufgabe zu unterziehen, die vielen Formen der Zungenbewegung unter bestimmten Gesichtspunkten zu gruppieren.

  1. In der ersten Gruppe sollen Beispiele gebracht werden, die möglicherweise einen positiven Charakter haben. Also das Gute zuerst! Es handelt sich durchweg um Erlebnisse aus meinem eigenen Bekannten‑ oder gar Freundeskreis.

B 6 Eine gläubige Christin, die still und zurückgezogen lebt, besitzt seit Jahrzehnten die Gabe, in einer für uns fremden Sprache Gott anzubeten. Sie spricht in der Öffentlichkeit nicht darüber. In den Gebetsversammlungen ihrer Kirche betet sie nicht in dieser Fremdsprache. Sie selbst versteht die Sprache nicht. Sie hat nur ein Gefühl der Seligkeit bei dieser Anbetung und ist überzeugt, daß Gott ihr diese Zungengabe gegeben hat. Der Gemeindepfarrer, der ein gläubiger Mann ist, bezeichnet sie als eine treue, nüchterne Christin ohne jegliche schwarmgeistige Tendenzen.

B 7 In der Schweiz lernte ich eine treue Christin kennen, die genau wie die Frau in Beispiel 6 nicht einer Pfingstgemeinde angehört. Sie ist eine sehr opferbereite Seele, die den Reichgottesarbeitern viel Gutes tut. In einem persönlichen Gespräch erzählte sie mir einmal, sie hätte seit 28 Jahren die Gabe, in einer fremden Sprache den Herrn anzubeten. Niemand weiß von dieser Gabe, noch nicht einmal der eigene Ehemann. Ich wurde nur deshalb eingeweiht, weil Brüder aus der Pfingstgemeinde ihr berichteten, daß ich die neue Zungenbewegung als unbiblisch bezeichnet habe.

B 8 Bei meiner Vortragstour in den Niederlanden wurde ich von einigen Brüdern der Pfingstbewegung angegriffen, weil ich ihre Vorstellung und Meinung vom Zungenreden nicht teilen konnte. Man erzählte mir, daß eine weltbekannte Evangelistin ebenfalls in Zungen bete. Mir ist diese Evangelistin gut bekannt. Sie ist eine tapfere Frau, vor der ich große Hochachtung habe. Ihr Lebensweg ist von den Spuren des Segens Gottes gezeichnet. In ihrem privaten Gebetsleben betet sie tatsächlich in Zungen. In der Öffentlichkeit übt sie diese Sitte nicht. Auch spricht sie nicht darüber. Wenn ich bei einem Menschen glaube, daß diese Zungengabe von Gott kommt, dann muß ich hier die Meinung haben. (Corrie ten Boom. Anm. H.Koch )

B 9 In einem anderen Land lernte ich eine Schwesternschaft kennen, in deren Kreis das Zungenreden zu Hause ist. Ein weithin bekannter Gottesmann war einmal bei diesem Zungenreden zugegen und äußerte sich hinterher sehr positiv darüber. Mir sind diese Schwestern bekannt. Sie arbeiten im Segen und sind treue Beterinnen. Wiederum stehe ich hier vor der Frage: »Soll das unecht sein?«

B 10 In Canada hatte ich in einer anglikanischen Kirche der hochkirchlichen Richtung einige Gottesdienste und Vorträge. Der Pfarrer ist ein demütiger und hilfsbereiter Mann. Wenn ich je einem Menschen die Geistesgabe der christlichen Liebe zuerkennen müßte, dann diesem Bruder. Er erzählte mir auf meine Bitte hin aus seinem Leben. Er war zwölf Jahre lang Pfarrer gewesen, ohne Jesus nachzufolgen. Er war nur ein positiver Mann, der sein Amt ernst nahm. Eines Tages wurde ihm der Besuch eines englischen Evangelisten angekündigt, der aus der anglikanischen Kirche kommt. Nur aus einem Pflichtgefühl heraus, lud er seine Gemeinde zu den Vorträgen dieses Evangelisten ein. Um nicht unangenehm aufzufallen, begleitete er eine Gruppe seiner Gemeinde zum Vortragssaal. Was selten geschieht, ereignete sich in dieser Evangelisation. Der positive Pfarrer kapitulierte vor Christus und bekehrte sich. In der folgenden Nacht kniete der Neubekehrte vor seinem Bett und betete plötzlich Gott mit »neuen Zungen« an. Der Evangelist selbst ist kein Zungenredner und sprach auch nicht davon. Der anglikanische Pfarrer behielt diese Erfahrung für sich. Er sprach mit niemand darüber. In seiner Gemeinde gibt es bis heute auch noch keine Zungenredner. Dieser Bruder schenkte mir sein Vertrauen, weil ich die Existenz der Geistesgaben bejahe.

B 11 Noch ein Erlebnis aus einem anderen Land. Ich nahm an einer Gebetsversammlung teil. Ich hatte keine Ahnung, daß auch Zungenredner dabei waren. Plötzlich betete eine schlichte Frau in Zungen. Die Sprache war sehr vokalreich und hörte sich beinahe wie altgriechisch an. Als sie zu Ende war, bat sie selbst: »Herr, gib du die Auslegung.« Dann betete sie selbst ein zweitesmal und sprach vom Siegeszug des Evangeliums in aller Welt bis zur Wiederkunft Jesu. Ich hatte durchaus nicht den Eindruck, daß dieses Beten unnüchtern oder gar dämonisch war. Ich fragte mich nur: »Wozu dieser Umweg? Sie hätte doch gleich in richtiger Sprache beten können.«

B 12 Ein deutscher Pfarrer hatte eine Vortragstour in den Vereinigten Staaten. Er brachte ein beunruhigendes Souvenir mit: das Zungenreden. Seither sammeln sich Menschen um ihn, die der Meinung sind, ihr Zungenreden sei echt. Was an diesem Kreis so sympathisch ist, ist ihr Streben nach Heiligung, nach völliger Hingabe an den Herrn. Auch ein gesundes Bejahen der Geistesgaben und das wirkliche Ernstmachen mit der Nachfolge Jesu und der Bewährung im Alltag sind gute Zeichen dieser Gruppe. Die Zukunft wird es zeigen, ob diese Zungengabe wirklich echt ist.

Inzwischen hörte ich, daß auch in der SMD (Studentenmission) und im Marburger Kreis schon einzelne Christen sind, die die Zungengabe pflegen. Es muß aber hinzugefügt werden, daß die Leitungen dieser Gruppen sich bis jetzt nicht damit einverstanden erklären.

Diesen sieben guten Erfahrungen stehen unzählige negative Beispiele in aller Welt gegenüber. Und doch hätte ein einziges Beispiel, bei dem mit Gewißheit von einer Gabe Gottes die Rede sein könnte, eine entscheidende Bedeutung. Denn damit wäre geklärt, daß die Zungengabe in ihrer biblischen Form heute noch existiert. Viele evangelische Theologen der englisch sprechenden Welt lehnen ja diese Möglichkeit ab.

Nach meinem Gefühl sind die Beispiele 8 und 10 die echtesten, die ich je erlebte. Wenn es ein biblisches Zungenreden noch gibt, dann könnten diese beiden echt sein.

Und dennoch muß ich mit dem Prädikat »biblisch« vorsichtig sein. Wer kennt die Zusammenhänge eines Menschenlebens? Wer weiß nicht, daß auch große Männer Gottes in ihrem Leben seltsame Dinge haben. So war Luther manchmal grob und scharf. Zinzendorf, Jakob Spener und Wesley hatten schwierige Ehen. Niemals läßt sich auch die Lehre der Puritaner und der Armenianer vereinigen. General Booth von der Heilsarmee hatte eine andere Gnadenlehre als Spurgeon. Und doch wurden sie alle mit ihren Eigenheiten von Gott gebraucht. Warum sollte Gott nicht auch einen Zungenredner gebrauchen können, selbst wenn diese Gabe keinen biblischen, sondern suggestiven Charakter hätte? Allerdings würde ein dämonisches Zungenreden niemals vom Heiligen Geist sanktioniert werden. Der Sinn dieser Darlegung ist, daß ich nicht mit letzter Gewißheit sagen kann, ob die berichteten sieben positiven Beispiele wirklich biblischen Charakter haben oder nicht. Diese Frage wird ja noch untersucht werden.

  1. Deutlicher abzugrenzen sind die Erlebnisse der zweiten Gruppe. Es handelt sich hier um ein Training des Unbewußten. Dazu einige Beispiele, die zunächst ein Aktivwerden seelischer Kräfte vermuten lassen.

B 13 Eine Frau, die zur Pfingstgemeinde gehörte, leitete einen Mädchenkreis. Sie selbst spricht in Zungen. Ihr Anliegen war, daß auch ihre Mädchen das Zungenbeten und Zungensingen lernen möchten. Sie machte den ihr hörigen Mitgliedern des Kreises klar, daß man durch Lallübungen eine gewisse Bereitschaft für den Empfang der Zungengabe schaffen könne. Bei dem nun einsetzenden Training sagte sie Lallübungen vor, die dann im Sprechchor nachgesprochen wurden. In der Tat setzte dann einige Wochen später bei einigen Mädchen die Zungengabe ein.

B 14 In Schottland begegnete ich einem Akademiker mit dem Doktorgrad einer Universität. Er war ursprünglich ein eifriger Christ, der seinen Kameraden zum Segen wurde. Durch seine Studien über Hypnose und Yoga geriet er an das Problem der Suggestion und Autosuggestion. Er machte Experimente, in deren Verlauf es ihm gelang, sich in Halbtrance und Volltrance zu versetzen. In diesem Zustand war er offen für die Zungenbewegung. Er nahm in seinem Glaubensleben eine Wende. Die Kraft seines Zeugnisses erlosch. Seither spricht er aber in der Terminologie der Zungenbewegung von der Geistestaufe, dem zweiten Segen und der Zungengabe. Seinen früheren Freunden ist die Wandlung dieses Christen ein schmerzliches Erlebnis.

B 15 Eines der deutlichsten Erlebnisse auf diesem Gebiet hatte ich in Japan. Es ist bereits in meinem Buch »Jesus auf allen Kontinenten« wiedergegeben worden. Hier folgt es nur in Stichworten. Bei der Missionskonferenz in Karuizawa hatte ich acht Referate. Am Tag vor der Eröffnung tauchte ein lutherischer Pfarrer aus Amerika auf, der sich selber mit den Worten vorstellte: »i am a spirit filled minister.« Das heißt auf deutsch: »Ich bin ein geisterfüllter Pfarrer.« Wir hatten aber keine Zeit, uns über diese merkwürdige Einführung Gedanken zu machen. Er sprach nämlich den Präsidenten der Konferenz Joe Carroll mit den Worten an: »Der Herr hat mir den Auftrag gegeben, an dieser Konferenz zu sprechen.« Carroll erwiderte: »Wenn das der Wille des Herrn ist, dann muß er mir das auch sagen. Sie können hier nicht sprechen.« Am nächsten Tag rückte eine ganze Gruppe seiner Freunde an und wiederholten das gleiche Anliegen. Carroll blieb standhaft. Und das war gut, sonst wäre die schöne Konferenz mit rund 500 Missionaren aufgeflogen. Was geschah?

Dieser »geisterfüllte Pfarrer« setzte Gegenversammlungen an und ließ einladen. Etwa 40 Missionare gingen hin, ein Teil davon aber nur aus Neugierde. Sie kamen teilweise entsetzt zurück und gebrauchten starke Ausdrücke, die hier nicht wiedergegeben werden. Dieser amerikanische Pfarrer hatte lange in Zungen gesprochen und gesungen. Es war aber keine Auslegung dabei. Einer von unseren Missionaren hatte den Mut, ihn persönlich zu fragen, wie man zu dieser Zungengabe käme. Die Antwort war geradezu klassisch für das Verständnis der »Geistesgabe« dieses Pfarrers. Er sagte: »Wählen Sie ein kurzes Gebet, vielleicht den Satz »Lord help me« ‑ Herr hilf mir und wiederholen Sie dieses Gebet 500 oder 800 mal. Dann gewöhnt sich Ihre Zunge und Ihr Bewußtsein daran, und Sie sprechen plötzlich in >Zungen<.«

Wir brauchen hier keinen Beweis, ob dieses Zungenreden biblisch ist oder nicht. Der Heilige Geist hat keine Lallübungen und kein Training des Unbewußten nötig. Solche Erlebnisse sind beschämend und tragisch zugleich. Wir beobachten hier auf der Ebene des Unbewußten ein psychisches Phänomen. Wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, eine Welle nach der anderen auslöst, so haben wir hier eine psychische Wellenbewegung, die sich von Kontinent zu Kontinent, von Land zu Land fortpflanzt. Die Zungenbewegung in diesem Sinn ist eine psychische Epidemie. Da die Grundveranlagungen, die Archetypen, aller Menschen gleich sind, kann jede Rasse, jede Bildungsschicht, jeder Mensch, gleich welcher Religion, von dieser psychischen Epidemie angesteckt werden. Die persönliche Überzeugung tritt dabei in den Hintergrund, weil das Unbewußte eine viel stärkere Einheit darstellt, als konfessionelle Verschiedenheit trennen kann. Dazu einige Hinweise.

B 16 In Amerika wurde mir berichtet, daß Lutheraner und Jesuiten, Freikirchler und moderne Theologen, hochkirchliche Anglikaner und Mormonen sich im Zungenreden finden. Sie sind dabei der Überzeugung, daß das die wahre Ökumene darstellt.

Das hört sich phantastisch an. Und doch hörte ich von einer Londoner Gruppe Ähnliches. Leben wir nicht in einer wundervollen Zeit? Alle Schismen, alle konfessionellen Zäune, jahrhundertealte Trennungen werden überbrückt von der neuen Zungengabe! Meinen sie das wirklich? Was das Wort Gottes nicht fertig brachte, das soll von einer psychischen Epidemie bewältigt werden? Geben wir uns doch keinen Illusionen hin! Seit Jahren beobachte ich bei meinen vielen Missionsreisen, daß alle Bewegungen wachsen, die einen Angriff auf die biblisch zentrale Botschaft von der Erlösung durch Christus darstellen. Wir haben dabei zwei Richtungen, solche, die von der biblischen Substanz abschneiden wie die moderne Theologie, und solche, die hinzufügen, wie die schwarmgeistigen Gruppen extremer Prägung. In der englischen Christenheit hat man dafür einen seltsamen Ausdruck. Sie nennen diese beiden Richtungen die »Jesus Minus‑Christen« und die »Jesus Plus‑Christen«. Der Sinn ist leicht zu erraten. Die einen meinen, der Person Jesu werde zuviel Bedeutung beigemessen. Sie ertragen nicht seinen Gottheits‑ und Absolutheitsanspruch. Den anderen ist Jesus zu wenig. Sie setzen die Person des Heiligen Geistes über ihn. Die Antwort Gottes auf diese doppelte Misshandlung lesen wir in den letzten Versen der Bibel.

  1. Wer immer noch nicht klar sehen kann, dem gehen bei der dritten Gruppe von Erlebnissen vollends die Augen auf. Es gibt unzählige Beispiele für ein dämonisches Zungenreden.

B 17 Eine Frau erlebte in Neuseeland ihre Bekehrung. Die ersten Jahre folgte sie Jesus treu nach. Ihr Glaubensleben war nüchtern. Da geriet sie eines Tages in den Sog der schwarmgeistigen Strömungen. Ein Evangelist dieser Richtung erklärte ihr, sie müßte die Gabe der Zunge haben, andernfalls hätte sie nicht die Geistestaufe. Die Frau ließ sich betören und erhielt eine Handauflegung. Seither spricht sie in Zungen und trägt dazu bei, daß andere Christen aus der Bahn geworfen werden, wie sie es selber erlebt hat. Sie blickt Christen in die Augen und erklärt: »Ich sehe es Ihren Augen an, daß Sie noch nicht die Geistestaufe haben. Ich kann ihnen helfen.« Dann legt sie solchen Leuten die Hände zum Empfang des Heiligen Geistes auf. Sie wendet die Handauflegung auch zur Heilung und zur Bekehrung an. Das heißt, ein Mensch muß nicht seine Sünde erkennen, bekennen, bereuen und sein Leben im Glauben Jesus ausliefern. Es genügt eine Handauflegung der Prophetin.

B 18 In San Diego in Kalifornien kam eine Frau in die seelsorgerliche Aussprache. Sie berichtete mir eine üble Erfahrung in der Evangelisation eines Vertreters der Zungenbewegung. Sie hatte seine Vorträge besucht, in denen er von der Notwendigkeit der Zungengabe sprach. Sie ließ sich in der Nachversammlung eine Handauflegung zum Empfang der Zungengabe und der Geistestaufe geben. In diesem Augenblick verlor sie ihre Besinnung. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf dem Boden. Ihr Mund öffnete sich immer noch automatisch und schloß sich wieder. Sie brachte aber kein Wort heraus und empfand eine maßlose Angst. Es standen einige Leute aus der Gefolgschaft dieses Evangelisten um sie herum, die erklärten: »Liebe Schwester, du hast wunderbar in Zungen gesprochen. Nun hast du den Heiligen Geist.« Das Opfer dieser sogenannten Geistestaufe war aber kuriert. Nie wieder kehrte sie in den Kreis dieser Zungenredner zurück. Als sie mich um seelsorgerlichen Rat bat, hatte sie immer noch die unguten Nachwirkungen, die bei dieser sogenannten Geistestaufe aufgetreten waren.

B 19 Eines der schrecklichsten Beispiele hörte ich in Japan. Dieses Beispiel ist bereits ausführlich in »Jesus auf allen Kontinenten« berichtet. Meine Berichterstatter sind Joe Carroll und einige deutsche Missionare, die in Japan arbeiten. 18 englisch‑ und deutschsprechende Missionare zogen sich an den Konferenzort Toyama zurück. Sie wollten dort in aller Stille unter Fasten und Beten um einen neuen Segen bitten. Nach einigen Tagen setzte das Zungenreden in der Gruppe ein. Alle 18 Männer wurden davon erfaßt. Sie sahen das als »second blessing«, den zweiten Segen an. Nach Beendigung der Konferenz kehrten sie in ihre Gemeinden zurück. Sie machten ihren japanischen Gemeindegliedern klar, sie müßten als Zeichen der Geistestaufe die Gabe der Zungen haben. Die Japaner sind ein sehr intelligentes Volk. Sie fragten: »Was gilt nun? Das, was ihr früher verkündigt habt, oder die jetzige Botschaft.« Es entstand ein solches Hin und Her, daß diese 18 Gemeinden verwüstet und zerstört wurden. ‑ 15 der zungenredenden Missionare gingen in ihren Beruf zurück. Drei der Missionare sagten sich von dem »Toyama‑Segen« los und konnten in Japan bleiben. Ich selbst traf einen dieser drei Männer. Er ist auch Zeuge dieses Vorganges.

B 20 Ein anderes, ebenso schreckliches Beispiel nahm ich durch die Seelsorge auf . Um niemand zu gefährden, gebe ich nicht das Land an, in dem es passiert ist und leider immer noch geschieht. Ein Mädchen kam in großer Seelennot in die Seelsorge. Sie ist Schülerin einer Bibelschule. Eine Lehrerin ist Anhängerin der neuen Zungenbewegung. Sie spricht in Zungen und zog eine Reihe von Schülerinnen in das Zungenreden hinein. Gleichzeitig ist diese Frau lesbisch veranlagt. Sie treibt Unzucht mit einigen Schülerinnen. Das beichtende Mädchen war ebenfalls von dieser Lehrerin verführt worden.

Und nun einige Beispiele aus England. Es ist ganz offensichtlich, daß in England die Zungenbewegung schon stärker Fuß gefaßt hat als in der Schweiz oder in Deutschland. Ich fand in England keine Gemeinde, in die nicht das Zungenreden Unruhe hineingebracht hat. Fast alle Pfarrer wagen es nicht, etwas gegen die neue Bewegung zu sagen, weil sie abwarten wollen, was sich daraus entwickelt. Dazu gaben die Zungenredner überall die Parole aus, daß derjenige die Sünde gegen den Heiligen Geist begeht, der etwas gegen die Zungengabe sagt.

B 21 In Leicester berichtete ein junger Mann folgendes. Er und sein Freund sind seit einigen Jahren gläubig. Eines Tages wurden sie in die Versammlung einer zungenredenden Gruppe eingeladen. Sie wurden von diesem Geist erfaßt und beteten seit dieser Zeit um den zweiten Segen und die Geistestaufe. Nach intensivem Gebet kam etwas Heißes auf sie zu. Sie fühlten sich innerlich stark aufgewühlt. Einige Wochen schwelgten sie in der neuen Erfahrung. Langsam verebbten dann diese Gefühlswogen. Mein Berichterstatter merkte dann, daß er jegliche Lust zum Bibellesen und Beten verloren hatte. Er prüfte seine Erfahrungen an Hand der Heiligen Schrift und erkannte sie als Irreführung. Er tat darüber Buße und sagte sich davon los. Damit gewann er wieder seine frühere Heilsgewißheit und seinen Frieden mit Gott. Sein Freund dagegen machte in »Zungen« weiter und ging daran zugrunde. Er will heute von der Nachfolge Jesu überhaupt nichts mehr wissen.

B 22 Ein noch schrecklicheres Beispiel hörte ich nach einigen Vorträgen an einer englischen Bibelschule. Beim Betreten der Bibelschule sahen mein Begleiter und ich das Magazin eines schwarmgeistigen Evangelisten ausliegen. Ich fragte den Prinzipal: » Sind Sie mit diesem Mann einverstanden?« Er bejahte. Wie ich mir auf der ganzen Englandtour vorgenommen hatte, erwähnte ich in den Vorträgen kein Wort von der neuen Zungenbewegung. Und doch war dieses Problem unvermeidbar. In der Diskussion merkten wir, daß die Lehrer nicht alle mit dem Kurs des Prinzipals einverstanden waren. Dazu standen auch viele Studenten innerlich dagegen. Wir hörten von diesen Bibelschülern soviel Negatives über den Einbruch der Zungenbewegung in diese Bibelschule, daß diese Erfahrungen schon ausreichen würden, um den gefährlichen Charakter dieser Strömung darzustellen. Ein Student, der ganz in der neuen Strömung gefangen ist, sagte aus, er müsse nicht mehr die Bibel lesen. Gott Vater würde ihm selbst erscheinen und zu ihm sprechen. Sechs andere Studenten, die zuerst diesen »Zweiten Segen« gesucht haben, sagten sich davon los, als etwas Unheimliches auf sie zukam.

B 23 An einer schottischen Bibelschule hörte ich auch einige Beispiele dieser Art. Allerdings ist diese Bibelschule nicht so sehr gefährdet, weil der Prinzipal die neue Bewegung nicht fördert, sondern eher dämpft. Ein Mädchen, Schülerin dieser Bibelschule, strebte nach der Geistestaufe. Sie erhielt von einem Prediger einer Pfingstgemeinde dazu die Handauflegung. Da der erhoffte Segen ausblieb, ließ sie sich in den folgenden Wochen fünfmal die Hände auflegen. Sie spürte dann ein Wärmegefühl, das sie als den zweiten Segen ansah. Und der Erfolg? Heute ist es mit ihr so weit, daß sie von Gottes Wort und vom Gebet kaum noch etwas wissen will. Sie hat keine Freude mehr an der Nachfolge Jesu.

B 24 Die Tochter eines Arztes wurde von ihren zungenredenden Freundinnen beeinflußt, so daß sie auch anfing, um die Zungengabe zu bitten. Wochenlang flehte sie um diesen angeblichen Beweis der Geistestaufe. Als ihr Gebet nicht erhört wurde, geriet sie in Verzweiflung und machte einen Selbstmordversuch.

B 25 Ein Reichgottesarbeiter erhielt von einem schottischen Geschäftsmann ‑ der in diesem Fall gewiß kein »Schotte« war – einen Betrag von 300 Pfund (DM 3300.‑) ausgehändigt. Er sollte diesen Betrag einem englischen Evangelisten als Spende überbringen. Dieser junge Mann führte den Auftrag nicht aus, sondern behielt die Summe. Als der Geschäftsmann sich nach der Quittung erkundigte, erfuhr er den Sachverhalt. Beide Männer, der Spender und der betrogene Empfänger, sind Christen und wagen nicht, diesen Prediger vor Gericht zu ziehen. Der Betrüger selbst ist Verkünder des »Zweiten Segens«, der Geistestaufe, des Heiligungslebens, des »Full Gospel« (des vollen Evangeliums) und vertritt das Anliegen der Zungenbewegung. Da er ein guter Redner ist, hat er in vielen Kirchen Londons und Englands Eingang gefunden.

Zu diesem letzten Beispiel muß ein Kommentar gegeben werden. Das Sprichwort sagt: »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.« Unehrliche Leute gibt es in jeder Berufsgruppe. Man kann nicht von einem Mann auf die ganze Bewegung schließen. Ich habe es schon einmal ausgesprochen, daß es auch in der Pfingstgemeinde opferbereite Jünger Jesu gibt, vor denen ich Hochachtung habe. Es ist aber mehr als stilwidrig, einen Glaubensbruder um eine solche Summe zu betrügen und dann noch von der Geistestaufe zu predigen. Seine Freunde mögen mir entgegenhalten: »Dieser Prediger hat bestimmt Buße darüber getan und Vergebung erlangt.« Das wäre aber eine merkwürdige Buße. Biblisch ist, daß man gestohlenes Gut zurückgibt und den Geschädigten und selbstverständlich auch Gott um Vergebung bittet. Damit wäre diese grässliche Geschichte aus der Welt geschafft.

Die Frage ist nun, ob wir mit der Eingliederung des Zungenredens in drei verschiedene Gruppen in der Lage sind, alle die verschiedenen Formen biblisch richtig zu beurteilen. Ist zum Beispiel der Kern der Wahrheit getroffen, wenn gesagt wird: »Es gibt eine biblische Form des Zungenredens. Es gibt aber auch menschliche oder gar dämonische Nachahmungen.« Biblisch – menschlich ‑ dämonisch! Das wäre zwar eine verständliche Unterscheidung. Ob sie aber wahr ist, ist noch ungewiß. Wenn das Zungenreden durch Training des Unbewußten ‑ in der zweiten Gruppe untergebracht ‑ mit der Etikette des Heiligen Geistes versehen wird, ist das nicht eine Lästerung und damit dämonisch? Können auch nicht Erlebnisse, die in der Gruppe der biblischen Formen aufgezählt sind, dennoch Einbrüche eines fremden Geistes darstellen? Die oben erwähnte Dreiteilung ist also durchaus noch umstritten.

Ferner ist auch der Einwand berechtigt, den ich tatsächlich bis zum Überdruß gehört habe: »Sie zählen nur die negativen Beispiele auf. Wo sind die positiven?« Gewöhnlich fügen solche Vertreter der Zungenbewegung noch hinzu: »Es stimmt, was sie sagen. Es gibt viele unechte Formen des Zungenredens, aber meine Gabe kommt von dem Heiligen Geist.« Unterhält man sich aber ausgiebig mit solchen Brüdern der angeblich echten Zungengabe, dann kommt ein derartiger Wirrwarr der Gedanken zum Vorschein und so unbiblische Linien in ihrer Glaubenshaltung, daß nicht der Echtheitsbeweis, sondern der Gegenbeweis erbracht ist. Ich möchte also die Frage zurückgeben: »Wo sind die positiven Beispiele?« Daß es mir wahrhaftig um eine ehrliche Behandlung des Problems zu tun ist, ist ja daraus zu ersehen, daß in der ersten Gruppe Beispiele berichtet sind, die mir persönlich als echt erschienen. Den wenigen Erlebnissen mit gutem Charakter stehen aber Tausende von Fällen mit sehr merkwürdigem Charakter entgegen. Dazu liegt über der ganzen Zungenbewegung ein so seltsames geistiges Klima, daß man es manchmal ihren Vertretern direkt ansehen kann. Zwei englische Evangelisten sagten mir: »Wir sehen es diesen Leuten an, wenn sie von diesem Geist erfaßt sind.«

Ist es nicht auch ein Echtheitsbeweis, wenn ehrlich suchende Christen um die Zungengabe und um die Geistestaufe im Sinne der neuen Bewegung bitten und dann davon Abstand nehmen, wenn sie den Charakter der erstrebten Gaben erkennen? Dazu ein Beispiel.

B 26 Eine große Freude war es mir, in Brigthon mit Peter Marrow zusammenzukommen. Er ist Pfarrer an der anglikanischen Kirche und ist dafür bekannt, daß er eine lebendige Gemeinde hat. Peter Marrow ist auch in Deutschland ein bekannter und geschätzter Bruder. Bei dem Dienst in seiner Gemeinde hörte ich folgendes. Einige treue Christen hörten viel von dem »Second blessing« und streckten sich im Gebet darnach aus. Als sie einige Wochen treu darum gebetet hatten, kam etwas Merkwürdiges auf sie zu, das sie nicht als gut erkannten. Sie nahmen in Zukunft davon Abstand. Ihrem Pfarrer berichteten sie, daß das nicht ihr Weg sei. ‑ Diese Menschen hatten ein gesundes, biblisches Gefühl für das Abwegige der Zungenbewegung.

Wir kommen dem Hintergrund der neuen Zungenbewegung näher, wenn wir ähnliche Strömungen in anderen Religionen damit ver­gleichen. Das Zungenreden ist ja nicht nur auf den christlichen Raum beschränkt.

Bei meinem Besuch in Transvaal in Südafrika wurde mir be­richtet, daß viele Besessene der Bantu (die Schwarzen) in Zungen reden. Diese Bantu haben mit dem Christentum nichts zu tun. Selbstverständlich gibt es auch christliche Bantu. Ich habe in meinen anderen Büchern z. B. von den christlichen Zulu berichtet.

Bei meiner Missionstour durch Ostasien und Japan hörte ich oft davon, daß buddhistische und schintoistische Priester in der Trance in fremden Sprachen und Zungen reden. Ein Shintopriester, der mir seine Lebensgeschichte erzählte, sprach auch da­von. Auf den Philippinen hörte ich selbst einen Besessenen in fremden Sprachen sprechen, die der Besessene selbst nicht kennt.

Wir brauchen aber nicht in fremden Ländern herumsuchen. Die spiritistischen Medien der ganzen Welt sprechen oft in der Trance fremde Sprachen. Das berühmte Medium Mirabelli in Brasilien sprach in der Trance 25 Fremdsprachen, die er im Wachzustand nicht sprechen konnte. Mein neuestes Beispiel auf diesem Gebiet stammt aus London. Es darf wiedergegeben werden.

B 27 Bei meinem ersten Vortrag in Down Lodge Hall in London begegnete ich Herrn Millen. Als ich in der Diskussion angegrif­fen wurde, stand mir dieser Mann bei. Er war vor Jahren als Medium an einer spiritualistischen Kirche, und zwar ein sehr erfolgreiches Medium. Er entfaltete in der Halbtrance Heilkräfte. Vielen Menschen konnte er dadurch helfen. Er beherrschte auch die Exkursion der Seele. Er konnte gleichsam seine Seele oder einen Teil davon aus seinem Körper heraustreten lassen und über große Entfernungen hinwegsenden. Auf diese Weise deckte er verborgene Dinge auf, die der Nachprüfung standhielten. In der Volltrance sprach er auch in Zungen.

Die Frau von Herr Millen bekehrte sich bei einer Evangelisation. Sie bildete dann einen Gebetskreis, der jahrelang für diesen Mann betete. Gott gab Gnade. Bruder Millen löste sich aus seinem Spiritismus. Er wurde restlos frei und ist heute ein Zeuge Jesu.

Mit diesem Ausblick auf die Weltreligionen und auf den Welt­spiritismus ist uns der entscheidende Hinweis gegeben, daß das Zungenreden in all diesen Formen unmöglich eine Gabe des Heili­gen Geistes sein kann. Heidnische Zauberpriester und spiritistische Medien haben keine Gaben des Heiligen Geistes. Wir finden in aller Welt das Zungenreden in Verbindung mit ekstatischen Be­wegungen, mit seelischen Erregungszuständen. Es spielt keine Rolle, ob dieser Erregungszustand durch Tanz und aufpeitschende Lieder, durch Alkohol oder Drogen oder Suggestionen hervorge­rufen wird. Diese gefährliche Nachbarschaft sollte uns im christ­lichen Raum vorsichtig machen.

Daß es sich bei der Zungenbewegung hauptsächlich um eine mediale Strömung handelt, läßt sich auch durch folgende Beob­achtung erhärten. Länder, die viel Spiritismus haben, erleben heute auch einen starken Aufschwung der Zungenbewegung. Das ent­spricht dem Start der beiden Bewegungen von Los Angeles her. Das zeigt sich in der gleichen Charakteristik in Japan und Brasi­lien, auf den Philippinen und in England. Diese Tatsache wird auch durch folgendes Beispiel erhärtet:

B 28 In London traf ich Missionar Aldrich. Sein Missionsfeld war Britisch Guyana. Seine Gemeinde bestand aus europäischen Sied­lern und eingewanderten, ehemaligen Hindu und Moslems. Nachdem er einige Jahre dort gearbeitet hatte, brachte ein Zungenredner seine neue Weisheit auf dieses Missionsfeld. Die Gemeinde von Missionar Aldrich wurde damit infiziert. Ein typischer Prozeß setzte ein. Die Hindu und Moslem, die durch ihre Religionen stark medial verwurzelt sind, nahmen das Zungenreden an. Die europäischen Siedler widersetzten sich. So wurde die Gemeinde aufgespalten und zerstört. Missionar Aldrich sah es selbst so an, daß die medialen Gemeindeglieder eher für das Zungenreden prädestiniert waren als die mehr nüchternen Europäer.

Meine Beobachtung ist die, daß medial veranlagte Menschen schneller für das Zungenreden offen sind als nichtmediale. In der westlichen Welt sollen etwa 8 bis 10 % Menschen medial sein. In der östlichen Welt sind es wohl 90 % oder mehr. Die Medialität wird nicht immer erkannt. Manche entdecken sie nur durch Zufall.

In der Seelsorge zeigten sich mir folgende Zusammenhänge. Menschen können ihre Medialität durch die Zaubereisünden der Eltern oder Großeltern haben. Die Beschäftigung mit Wahrsagerei, Magie und Spiritismus entwickelt eine Medialität, die in den Erbgang geht. Die Nachkommen solcher Vorfahren sind medial, auch wenn sie es nicht wissen. Diese Medialität ist keine Schuld des Nachkommen, sie ist aber eine Belastung. Manche Menschen sind auch medial, weil sie etwa als kleines Kind magisch besprochen worden sind. Viele haben sich auch ihre Medialität durch eigene Zaubereisünden erworben. Auf dieser Ebene liegt auch B 14. Dieser Mann wurde durch seine Trance‑Experimente medial und ist nun offen für die neue Bewegung. Kommen medial veranlagte Menschen zum Glauben, dann werden manche von dieser Belastung restlos frei. Andere schleppen diese medialen Kräfte aber in das neue Leben hinein. Das ist deshalb möglich, weil die medialen Kräfte nicht in allen Fällen als dämonisch zu bezeichnen sind. Medialität ist aber in fast allen Fällen eine offene Tür für das Dämonische. Interessant ist die oben erwähnte Beobachtung, daß mediale Menschen viel schneller in Zungen reden als nichtmediale.

Verhängnisvoll ist folgender Vorgang. Es gibt Menschen, die ihre unbewußte Medialität in das neue Leben mitgeschleppt haben. Eines Tages können sie in Zungen sprechen und meinen dann, es sei eine Gabe des Heiligen Geistes. Und in Wirklichkeit steckt nur ihre mediale Gabe dahinter. Mediale Gaben werden vom Heiligen Geist nicht benutzt. Das sehen wir aus der Geschichte von der Wahrsagerin in Philippi, Apg. 16, 16‑18. Es müßten also alle Beispiele der ersten Gruppe daraufhin untersucht werden, ob die Zungengabe auf unbewusstem medialem Hintergrund entstanden ist, oder ob sie wirklich aus dem Heiligen Geist kam.

Bei all diesen Fragestellungen wird immer deutlicher, daß die neue Zungenbewegung vielleicht zu 95 % oder mehr einen medialen Charakter hat. Nun müssen wir uns aber dem Schriftbeweis unterziehen.

V. Die biblische Überprüfung der Zungenbewegung

Bevor ich dieses Kapitel beginne, muß ich ein Bekenntnis ablegen. Ich bin kein Anhänger der modernen Bibelkritik. Die Bibel ist für mich Gottes Wort. Ich glaube alles, was im Blick auf die Geistesgaben im Neuen Testament berichtet wird.

Diesem Bekenntnis zur ganzen Heiligen Schrift füge ich ein zweites hinzu. Durch Gottes Gnade und Vergebung gehöre ich zur communio sanctorum, zur Gemeinde Jesu. Diese Gemeinde Jesu geht quer durch alle Konfessionen. Ein Katholik, der eine Wiedergeburt erlebt hat, ein Bruder der Pfingstgemeinde, der biblisch nüchtern ist, steht mir näher als ein Pfarrer der eigenen lutherischen Richtung, der kein Jünger Jesu ist. Diese extreme Aussage bedeutet nicht ein »ökumenisches Bekenntnis«. Ich kann den Weg der sogenannten Ökumene nicht gehen. Mein Platz ist die Gemeinde Jesu. Ich wollte mit diesem Bekenntnis sagen, daß die Kinder Gottes zusammengehören, ganz gleich, in welchem Lager sie stehen. Ich missachte nicht die geschichtlich gewordenen, konfessionellen Grenzen. Ich könnte mich z. B. niemals der Pfingstgemeinde und ihren verwandten Gruppen anschließen. Und dennoch empfinde ich Hochachtung vor manchen Brüdern und Schwestern dieser Richtung. Einen Theologen in Deutschland hörte ich einmal sagen: »Bei den Sekten ist manchmal das Leben besser als die Lehre. In der Kirche ist gewöhnlich die Lehre besser als das Leben.« Natürlich hinkt auch dieser Vergleich. Sektierer ist, wer vom Leibe Jesu abgeschnitten ist. Ein Lutheraner kann ein Sektierer sein. Ein sogenannter Sektierer muß keiner sein. Wer aus der Wahrheit ist, begreift, was hier in diesem Abschnitt gesagt ist.

  1. Die Textstellen für die Zungengabe

Wir können nun in die biblische Diskussion der Zungengabe einsteigen. Wir haben im N. T. fünf Erwähnungen der Zungengabe:

  1. a) Mark. 16, 17 f: Jesus erwähnt unter fünf Gaben auch die neue Zunge als ein Zeichen und Auswirkung des Glaubens.
  2. b) Am Pfingstfest in Jerusalem (Apg. 2) hören wir abermals davon. Die Apostel sind in der Lage, durch die Kraft des Heiligen Geistes das Evangelium in vielen Fremdsprachen zu verkünden. Manche Theologen sprechen hier von einem Sprachenwunder und meinen, daß das Zungenreden einen anderen Charakter hat. Ganz gleich, ob wir das Sprachenwunder und das Zungenreden als Einheit verstehen oder trennen wollen, so liegen doch beide Phänomene im Blick auf ihre Entstehung auf der gleichen Ebene. In ihrer Auswirkung sind sie allerdings verschieden, wie wir noch sehen werden.
  3. c) Das dritte Ereignis des Zungenwunders finden wir in Cäsarea, im Haus des Kornelius (Apg. 10). Hier wurde der Heilige Geist zum erstenmal über die Heiden ausgegossen.
  4. d) Das nächste Erlebnis dieser Art geschah in Ephesus (Apg. 10). Die Apollosjünger hatten bis zum Besuch von Paulus nicht vom Heiligen Geist gehört. Nach der Handauflegung durch den Apostel empfingen sie den Heiligen Geist und sprachen mit neuen Zungen.
  5. e) Die stärkste Bezeugung und Auseinandersetzung mit der Zungengabe finden wir im ersten Korintherbrief Kap.12 bis 14.

Wenn wir nach der Bedeutung dieser Zungengabe im ersten Jahrhundert fragen, dann erhalten wir im wesentlichen zwei Antworten. Die Zungengabe war als Zeichen für die ungläubige Welt gegeben. Sowohl Jesus gebraucht diesen Ausdruck in Mk.16,17 als auch der Apostel Paulus in 1. Kor. 14, 22. Die Juden der vorchristlichen Zeit waren im »Zeichenglauben« erzogen. So sagt Jesus in Luk. 11. 29: »Dieses böse und ehebrecherische Geschlecht verlangt ein Zeichen, aber es wird ihnen kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Jona.« Und Paulus schreibt in 1. Kor. 1. 22: »Die Juden fragen nach Zeichen.« Die Zungengabe war neben den anderen Gaben ein Zeichen für dieses jüdische Volk. Neben Jerusalem hatten die Weltstädte Cäsarea, Ephesus und Korinth große jüdische Bevölkerungsteile.

Die zweite Bedeutung der Zungengabe war die Inauguration, der Start der christlichen Gemeinde. Das erste Pfingstfest war ja der Geburtstag der christlichen Kirche. Man könnte dieses Ereignis mit einer Hochzeit vergleichen. Das Brautpaar hat seinen Festtag mit großen Festgeschenken und einer festlichen Feier. Der Heilige Geist brachte eine Fülle der Gaben Gottes zu diesem Festtag der Jünger Jesu.

Der Unterschied des Sprachenwunders in Apg. 2 gegenüber der Zungengabe in 1.Kor.14 ist der, daß die Jünger keinen Dolmetscher brauchten. Die 17 in Jerusalem anwesenden Fremdvölker hörten die Botschaft in ihrer eigenen Sprache. Der Heilige Geist befähigte die Jünger in fremden Sprachen das Evangelium zu verkünden (Apg. 2, 4). In 1.Kor.14 war diese Fähigkeit nicht da. Die Zungenredner brauchten einen Dolmetscher. Wir stellen also hier im Blick auf die Zungengabe schon einen nachlassenden Impuls fest.

  1. Die Gemeindeordnung im Blick auf die Zungengabe

Das Studium von 1. Kor. 14 zeigt, daß damals schon durch die Zungenredner Unruhe und Verwirrung entstanden ist. Es gab in Korinth schon gläubige Männer, die den Zungenrednern wehrten. Wir wollen nun sehen, wie Paulus die Ordnung wiederherzustellen versuchte. Gleichzeitig erkennen wir hier, wie sehr die heutige Zungenbewegung von der biblischen Regel abweicht.

  1. a) Vers 18: Der Apostel bestätigt hier die Zungengabe als Gabe des Heiligen Geistes.
  2. b) Vers 39: Er ordnet an, daß der Zungengabe nicht gewehrt werden darf.
  3. c) Vers 19: Paulus macht einen Unterschied zwischen dem Zungenreden im privaten Gebet und in der Öffentlichkeit. Er sagt: »Lieber fünf Worte mit dem Verstand als zehntausend in der Zunge.«
  4. d) Vers 34: Frauen haben in der Öffentlichkeit nicht in Zungen zu beten. Das wird heute bei der neuen         Zungenbewegung nirgends beachtet.
  5. e) Vers 27: Nur zwei oder drei sollen in Zungen reden. In der neuen Zungenbewegung wird das auch nicht beachtet. Zehn, zwanzig und mehr beten in einer Gebetsversammlung in Zungen.
  6. f) Vers 27 sagt auch, daß hintereinander gebetet werden soll. In den heutigen zungenredenden Gruppen beten oft viele durcheinander.
  7. g) Vers 28: Wenn kein Ausleger in der Gemeinde da ist, dann sollen die Zungenredner schweigen. Wo wird das heute in der neuen Zungenbewegung beachtet? Nirgends!
  8. h) Vers 33: Unser Gott ist ein Gott der Ordnung und nicht der Unordnung.
  9. i) Vers 40: Paulus mahnt zur Nüchternheit.
  10. k) Vers 1 und 39: Paulus bestätigt zweimal, daß die Gabe der Prophetie größer ist als die Gabe der Zunge. Die Zungengabe, die bei Paulus eine der geringsten ist, steht heute in der Zungenbewegung an erster Stelle.

Diese Gemeinderegel zeigt, daß die heutige Zungenbewegung in nahezu allen Punkten die biblische Ordnung verlassen hat. Es wird vielfach ohne Ausleger gebetet, ohne Ordnung und in Unnüchternheit, es beten viele, sie beten durcheinander, sie räumen der Zungengabe die überragende Stelle ein. Die Frauen spielen die erste Rolle.

  1. Das Nachlassen der Zungengabe

Wir betreten hier einen heiß umkämpften Boden. Für und gegen die neue Zungenbewegung werden grimmige Schlachten geschlagen. In Deutschland und in der Schweiz ist es noch ruhiger auf diesem Sektor als in den anderen Ländern. In Südamerika und in den englisch sprechenden Ländern nimmt diese Diskussion aber den breitesten Raum ein.

Grob genommen bilden sich drei verschiedene Lager. Die Zungenbewegung spricht davon, daß die Gabe der Zunge nicht abgenommen hat, sondern gewaltig zunimmt. In diesem Punkt haben sie recht. Es besteht nur die Frage, was das für eine Zungengabe ist. Das zweite Lager ‑ es sind vorwiegend die evangelischen Theologen der USA und Englands ‑ sagen: »Die Gabe der Zunge hat schon nach dem zweiten Jahrhundert nach Christus restlos aufgehört.« Es gibt dann noch eine dritte Gruppe, die wenigstens die Tür nicht ganz zuschlägt und es offen läßt, ob es heute noch eine biblische Zungengabe gibt. Aber auch diese dritte Gruppe ist entschlossener Gegner der heutigen Zungenbewegung, Wir erhalten in dieser Fragestellung Klarheit, wenn wir die biblischen Texte wiederum zu Hilfe nehmen.

  1. Wir haben noch einmal den Zeichencharakter der Zungengabe zu untersuchen. Wir haben in der Bibel verschiedene Epochen der Offenbarungen Gottes. So bedeuten zum Beispiel die Erlebnisse des Volkes Israel mit den Plagen gegen Pharao und dem Durchzug durch das rote Meer eine bestimmte Etappe der Offenbarung. Als das Volk Israel in der Wüste war, waren diese Wunder nicht mehr nötig. Die Gabe des Manna in der Wüste war wieder eine besondere Offenbarungszeit. Als das Volk Israel in Kanaan war, waren diese Gaben überflüssig. So bedeuten auch die Propheten Elia und Jesaja bestimmte Epochen. Ihre Wunder, Machtaten und Prophezeiungen bildeten eine besondere Stufe der Offenbarungen Gottes. Der Hebräerbrief spricht vom Schatten des Zukünftigen. Auch die Gabe der Zunge war in diesem Sinne einer bestimmten Epoche vorbehalten, der Zeit der Urgemeinde. Daß diese Zungengabe später in der Kirchengeschichte nachließ, wissen wir nicht nur aus der Kirchengeschichte, sondern aus dem N. T. selbst.
  2. Wer die Texte der Apostelgeschichte über die Zungengabe ließt, der merkt, daß alle beteiligten Personen, die vom Heiligen Geist erfaßt wurden, in Zungen redeten. Wer den Korintherbrief daraufhin prüft, findet, daß in Korinth nicht mehr alle in Zungen redeten. Wir haben in 1. Kor. 12, 30 die rhetorische Frage des Paulus: »Sprechen sie alle in Zungen.« Er wollte sagen: »Nein, sie sprechen nicht alle in Zungen.« Wir haben also im N. T. von der Zeit der Ausgießung des Heiligen Geistes bis zur Niederschrift des ersten Korintherbriefes, das ist eine Spanne von etwas mehr als 20 Jahren, ein Nachlassen des Zungenredens. Das Zurücktreten dieser Gabe ist auch daran ersichtlich, daß nach der Niederschrift des 1. Korintherbriefes die Zungengabe in den späteren Schriften des N. T. überhaupt nicht mehr erwähnt wird.
  3. Wir können für das Nachlassen auch noch einen dritten Gesichtspunkt geltend machen. Wir sagten zuvor, daß die Zungengabe bei der Gemeindegründung am ersten Pfingstfest zusammen mit der Ausgießung des Heiligen Geistes gegeben wurde. Daß bei dieser Gabe die Gemeindebildung und der Gemeindeaufbau im Vordergrund steht, ist auch im Korintherbrief ersichtlich. Paulus sagt in 1. Kor. 12, 7: Die Gaben dienen in der Gemeinde zum gemeinsamen Nutzen. In 1. Kor. 14,28 steht wieder der Gemeindeaufbau im Vordergrund. Ist dieser Aufbau nicht gewährleistet ‑ wenn kein Ausleger der Zunge da ist ‑ dann soll das Zungenreden unterbleiben. Wer die Frühgeschichte des Christentums kennt, weiß, daß die Zungengabe langsam verschwand. An ihre Stelle trat das fixierte Wort, die Sammlung der neutestamentlichen Schriften.

 

  1. Hat die Zungengabe seit der Urgemeinde völlig aufgehört?

Wir sind damit bei der Frage, die am aktuellsten ist. Welche Argumente werden von den englischen Theologen ins Feld geführt? Da es sich bei dieser Verteilschrift nicht um einen theologischen Kommentar handelt, sondern um eine Flugschrift, will ich nur ein einziges Problem herausgreifen. Die englischen Theologen nehmen als Ausgangspunkt für einen Schriftbeweis das Kapitel 1. Kor. 13. In diesem Kapitel sind für sie die Verse 8 bis 13 bedeutungsvoll. Sie unterscheiden drei Etappen:

  1. Prophetie, Zungengabe und Erkenntnis werden bedeutungslos werden. Vers 8.
  2. Es bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Vers 13.
  3. Die Liebe ist die bleibende. Vers 13.

Mit diesen Aussagen haben sich die englischen Theologen folgendes System aufgebaut. Wenn Christus wiederkommt, wird der Glaube zum Schauen, die Hoffnung wird verwirklicht, aber die Liebe bleibt. Wenn Paulus sagt: »Da bleiben Glaube und Hoffnung, dann meint er damit, daß die ersten drei Gaben schon verschwunden sind. Wann ist das passiert, daß die drei ersten verschwanden und Glaube und Hoffnung übrig blieben? Sie geben als Antwort: Die Kanonbildung, das heißt, als das N. T. in der heutigen Gestalt vorlag, waren die drei ersten Gaben überflüssig, weil sie durch das geschriebene Wort Gottes abgelöst worden sind. Die Fixierung des Kanons geschah auf den beiden Synoden Jamnia und Joppe (201 n. Chr.). Wir haben hier also folgende Meinung: Bis zum Jahr 200 existieren die drei ersten Gaben. Glaube und Hoffnung bleiben bis zur Wiederkunft. Die Liebe existiert von Anfang bis in alle Ewigkeit. Dieses System ist logisch.

Und doch scheue ich mich, die Logarithmentafel an das Kapitel 13 zu legen. Ich bin überzeugt, daß die klassische und biblische Offenbarung mit dem abgeschlossenen Kanon zu Ende gegangen ist. Wie oft hat sich aber Gott auch nach dem Abschluß der Heiligen Schrift seinen Kindern offenbart! Ich bin auch überzeugt, daß die besondere Epoche des Zungenredens mit der Kanonbildung abgeschlossen ist. Sollte Gott nicht trotzdem hin und wieder seinen Kindern eine besondere Gabe der Anbetung schenken? Ich kann mich also diesem System der totalen Beendigung des Zungenredens nicht anschließen. Eine Bestätigung finde ich in der Stelle Mark. 16, 17 f . Jesus sagt hier kein Wort von der Begrenzung der Zungengabe. Wenn wir mit dem totalen Verlust einzelner Geistesgaben zu rechnen haben, dann fragen wir bei Markus: »Welche Gaben gelten noch und welche nicht?« Bei Markus sind ja fünf Gaben erwähnt. Aus meiner persönlichen Arbeit muß ich ja bekennen, daß ich viele Bestätigungen der vier Gaben bei Markus kenne. Lediglich bei der Zungengabe bin ich nicht in der Lage, auch nur ein einziges Beispiel mit letzter Gewißheit als biblisch und echt zu bestätigen. Ich gab bei den Beispielen 6 bis 12 die Möglichkeit der Echtheit zu. Gewiß bin ich darin nicht. Ich lasse aber die Möglichkeit offen, daß Gottes Geist einem demütigen, geisterfüllten Christen eine Gabe der Anbetung in fremder Zunge geben kann.

Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Es ist wohltuend, daß nicht alle die Türen zuschlagen. So schreibt Richard Trench, einer der gläubigsten und klarsten Theologen des letzten Jahrhunderts: »If the gift of tongues still survives among us, yet does so no longer under the same name nor with the same frequency and intensity as of old.« Wenn die Gabe der Zungen noch unter uns existiert, dann aber nicht unter demselben Namen noch mit der gleichen Häufigkeit und Intensität wie früher.« (Notes on the Miracles of Our Lord. Richard Trench. London Pickering & Inglis p. 162).

In einem Traktat von Dr. R. A. Torrey mit dem Titel »Ist die gegenwärtige Zungenbewegung von Gott« las ich folgendes: »Wir leugnen nicht die Möglichkeit, daß Gott einem Menschen die Gabe der Zunge geben kann, wenn er es für recht befindet. Er kann und will sie geben. Aber die Zungengabe wurde in der Frühkirche so offensichtlich missbraucht, ähnlich wie heute, daß es nötig wurde, davor zu warnen. Gott in seiner Weisheit und Liebe hielt es wohl auch deshalb für nötig, diese Gabe eine Zeitlang zu versagen. Und wir haben keinen Grund anzunehmen, daß er diese Gabe in unserer Zeit erneuerte, denn ganz gewiß ist die sogenannte Zungenbewegung heute nicht von Gott.«

Diese beiden Männer lebten 100 Jahre und 50 Jahre zuvor. Ihre Beurteilung der Zungenbewegung trifft aber exakt auch die heutige Bewegung. Beide schlagen aber nicht die Türe zu, obwohl sie die moderne Zungenbewegung ablehnen. Damit ist auch meine eigene Stellung getroffen.

Vl. Welche Beobachtungen lassen die neue Zungen­bewegung als gefährliche Irrlehre erscheinen?

Zu dieser Frage könnte ein ungeheures Material ausgebreitet werden. In dieser Flugschrift können nur im Telegrammstil einige Hauptpunkte erwähnt werden. Natürlich treffen nicht alle Aussagen auf jede Gruppe der Zungenbewegung zu. Im allgemeinen sind die schweizerischen und deutschen Gruppen etwas nüchterner als die englischen oder gar die südamerikanischen Richtungen.

  1. Grässlich ist die willkürliche Verwendung von Schriftaussagen. »Wer nicht die Gabe der Zunge hat, hat nicht den Heiligen Geist.« Dazu sagt Paulus in 1. Kor. 12, 13: »Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft … wir sind alle zu einem Geist getränkt.« Im gleichen Kapitel sagt dann der Apostel (Vers 29 und 30): »Nicht alle haben die Zungengabe.«

Auf der gleichen Ebene liegt die Aussage: »Wer krank ist, hat gesündigt. Wer glaubt, ist nicht krank.« Wo steht das in dieser Kurzschlüssigkeit in der Heiligen Schrift? Jesus sagte im Blick auf den Blindgeborenen (Joh. 9): »Weder seine Eltern noch er hat gesündigt, sondern daß die Herrlichkeit Gottes offenbart werde.«

  1. Ein zweiter Irrtum ist, daß die Bekehrung und Wiedergeburt nicht ausreicht, sondern daß der Christ einen »zweiten Segen« und eine »zweite Geistestaufe« erhalten müsse. Die Schrift sagt dagegen, daß eine Wiedergeburt nur durch den Heiligen Geist zustande kommt. 1. Kor. 12, 3: »Niemand kann Jesus einen Herrn heißen, ohne durch den Heiligen Geist.« Dieses krampfhafte Streben nach dem »zweiten Segen« ist eigentlich eine Lästerung des Heiligen Geistes, weil dieser erstrebte Segen bedeutet, daß das erste Werk des Heiligen Geistes nicht genug war.
  2. Was die Zungenbewegung kennzeichnet, sind auch die Akzentverschiebungen, die Gewichtsverlagerungen. Es werden bestimmte Wahrheiten überbetont. Das geht so weit, daß sogar die Person des Heiligen Geistes über Gott gestellt wird. Die ganze Terminologie: Volles Evangelium, zweiter Segen, Geistestaufe, Geistesgaben, Zungenreden, Spätregen zeigt, daß es dieser Bewegung um das Außerordentliche, um die Erlebnisse geht und nicht um das untrügliche Fundament des Wortes Gottes und seine biblisch echte Verkündigung.
  3. Eine weitere Beobachtung ist der Hochmut der »geistgetauften Zungenredner.« Sie sind die Christen 1. Klasse, während die anderen noch auf einer niederen Stufe stehen.
  4. Die furchtbarste Auswirkung ist die Aufspaltung der Gemeinden. Ohne jede Übertreibung beklagen sich in der ganzen Welt die Pfarrer, die Missionare, die Evangelisten über die Zersplitterung ihrer Gemeinden. Was mühevolle, jahrzehntelange Arbeit aufgebaut hat, wird im Sturm niedergerissen. Der Heilige Geist spaltet nicht die Gemeinden, sondern er straft die Sünde, macht unruhig, zerbricht den Stolz, zeigt uns Jesus und macht uns des Heils gewiß. Der Heilige Geist eint die Gemeinde und reißt sie nicht auseinander.
  5. Ein Irrtum ist, als sei die Zungenbewegung eine weltweite Erweckung. In allen klassischen Erweckungen brachen Menschen unter ihrer Sünde zusammen. Echte Erweckungen sind Bußbewegungen, bei der Menschen den Weg zu Jesus finden.

Die Zungenbewegung ist Proselytenmacherei. Menschen, die schon ein Eigentum Jesu sind, sollen für das »Zungenwunder« gewonnen werden. Ferner geht es nicht um die Bekehrung der Sünder, sondern daß sie in neuen Zungen reden können.

  1. Die neue Zungenbewegung ist ein seelisches Aufpeitschen. Es werden rhythmische Lieder gesungen, in die Hände geklatscht, in südlichen Ländern wird auf die Stühle gesprungen, oder sie wälzen sich am Boden, bis sie jegliche Kontrolle über sich verloren haben. In diesem Zustand sind diese Menschen offen für ein unkontrollierbares Erlebnis.
  2. Die Zungenbewegung ist eine ekstatische Bewegung, die sowohl der spiritistischen Trance als auch der Hypnose ähnlich ist. Als Beweis dafür kann etwa folgendes Beispiel dienen, das ich in England aufnahm.

B 29 Ein Prediger der Zungenbewegung hat die Gewohnheit, zuerst in Zungen zu beten und dann die Botschaft zu bringen. Es ist ihm nun einige Male passiert, daß er die fremde Zunge nicht stoppen konnte. Er mußte sich ein Handtuch geben lassen, das er in den Mund stopfte. Was sind das für Mächte, wenn der Prediger sein eigenes Gebet nicht beenden kann? Die Geister der Propheten pflegen doch sonst den Propheten untertan zu sein.

  1. Die Zungenbewegung ist eine mediale Strömung. Das sehen wir daran, daß bei Versammlungen der Zungenredner manchmal alle Anwesenden jeweils den beiden Nachbarn die Hände auflegen müssen, so daß unter allen eine Kette entsteht. Manchmal wird auch bei Sendungen durch Radio oder Fernsehen die Aufforderung erteilt, daß man die Hände auf das Gerät legt und dann mit den im Raum befindlichen Personen eine Kette bildet. Das sind Vorgänge, wie wir sie beim spiritistischen Tischrücken oder Glasrücken finden. Die Beispiele 14, 18 und 28 liegen auf dieser Ebene. Wo haben wir in der Schrift einen Hinweis, daß Gläubige und Ungläubige, Hindu, Moslem und Christen alle durcheinander sich gegenseitig die Hände auflegen, um den Heiligen Geist zu empfangen?
  2. Die Zungenbewegung ist eine Epidemie, die über die aufgewühlte Menschheit hinwegbraust. Beweis dafür ist, daß Heiden und Christen, Besessene und Tanzfanatiker, Zauberpriester und Spiritisten in Zungen reden. Die Zungenbewegung ist Ausdruck eines Rauschzustandes, in dem sich ein Einbruch dämonischer Mächte manifestiert. (1.Tim.4,1).

VII. Wo sind wir gefordert?

Wenn wir die Gefährlichkeit der Zungenbewegung erkannt haben, dann ist die nächste Frage: »Können wir sie stoppen?« Nein! Die Irrlehre des Mohammed konnte auch nicht gestoppt werden. Und die Mormonen bauen ruhig ihre luxuriösen Tempel weiter. Alles hat miteinander zu wachsen und zu reifen, bis der Herr erscheint und Ernte hält.

Heißt das, daß wir ruhig zusehen müssen, wie die Bewegung weiter um sich greift? Nein! Schweigen bedeutet Schuld und Gefährdung der Gläubigen, die von dieser Bewegung erfaßt werden können. Ich bitte zum zweiten Mal, die sieben Sendschreiben daraufhin zu überprüfen. Wir müssen warnen, wie wir vor der modernen Theologie und vor vielen anderen Irrlehren zu warnen haben.

Ist mit der Warnung unsere Aufgabe erfüllt? Nein! Wir Christen sind mitschuldig, daß diese Zungenbewegung so um sich greifen konnte. Unser Leben war nicht der Ausweis für das Werk des Heiligen Geistes. Wir haben Buße zu tun.

Die echte Antwort, die wir geben können, ist die Tatsache, daß wir Menschen voll Glaubens und Heiligen Geistes sind. Es gibt auch ein nüchternes, biblisches Reden über den Heiligen Geist und seine Gaben.

Gibt es von uns aus einen Weg zu einem solchen Leben? Nein! Gott kann nur von sich aus einen Weg zu uns bahnen. Dieser Weg ist gebahnt in der Sendung seines Sohnes, in der Gabe seines Heiligen Geistes und in dem gewaltigen Geschenk des schriftlich festgelegten Wortes Gottes.

Wie werden uns diese Heilswahrheiten erschlossen? Durch seine Gnade. Wer erlebt diese Gnade? Das Wasser sucht stets die tiefste Stelle. Das heißt, daß Gott sich der Zerbrochenen, der Zerschlagenen, der Gedemütigten annimmt. Wir sind gefordert, uns völlig dem Herrn auszuliefern. Es geht nicht darum, daß wir mehr vom Heiligen Geist bekommen, sondern, daß der Hl. Geist mehr von uns bekommt. Wir sind gefordert, daß wir unsere Gegenwart und Zukunft ihm überlassen. Wir sind gefordert, daß wir Leib, Seele und Geist ihm unterordnen. Wir sind gefordert, daß unsere Zeit, unser Wille, unsere Kraft, unser Geld und Gut ihm gehören. Wir sind gefordert, daß unser dickes, hoffärtiges, unbeugsames Ich ans Kreuz kommt. Blicken wir aber bei dieser Forderung nicht auf andere, sondern auf uns selbst.

Zu diesem aktuellen Thema ZUNGENREDEN sollten unbedingt noch weitere Beiträge berücksichtigt werden:

Die Geistesgaben – Dr. Kurt E. Koch
Ist die heutige Zungenbewegung von Gott? – Dr. Reuben Archer Torrey
Sprachenreden oder Zungenreden ? – Dr. Roger Liebi
Zungenreden aus biblischer Sicht – Ralph Shallis

www.horst-koch.deinfo@horst-koch.de

 




Schwarmgeistiges

K R Ä F T I G E     I R R T Ü M E R

Eine Stellungnahme zum Thema „Schwärmer einst und jetzt”

von Richard Ising

Darum sendet ihnen Gott auch kräftige Irrtümer, daß sie glauben der Lüge, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern hatten Lust an der Ungerechtigkeit.                     2.Thess. 2, 11-12

Gekürzt, auch die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, 2012

Vorwort
In der Gegenwart erleben wir einen allgemeinen Niedergang von Kultur und Moral. Wir sehen Zerfallserscheinungen in Staat, Gesellschaft und Familie, eine Verrohung der Sitten, Verweltlichung der Kirche und ein Erkalten des geistlichen Lebens. Andererseits ist ein Eindringen schwarmgeistiger Strömungen in christliche Kreise bis hin zum Pietismus zu beobachten. … Man streckt sich nach Geistesgaben aus, hat Visionen und Offenbarungen und bewertet sie höher als das Gotteswort. Man knüpft daran die Erwartung einer Neubelebung der evangelischen Kirche. Es handelt sich hierbei um schwarmgeistige Bewegungen, die niemals zu einer Neubelebung führen können, sondern zum weiteren Zerfall beitragen. …
1. September 1965                             Der Herausgeber

Inhaltsangabe
I. Allgemeine Kennzeichen des Schwarmgeistes 

II. Der Grund unseres Glaubens ist das Wort Gottes 

III. Religiöse Schwärmer in der Heiligen Schrift
IV. Schwarmgeistige Strömungen in der Kirchengeschichte
V. Der Schwarmgeist und seine Auswirkungen in der Neuzeit
 2. Die Pfingstbewegung und ihre Ausläufer
  3. Evangelische Orden
 c) Die Kommunität von Taize
 d) Die Marienschwesternschaft in Darmstadt

I. Allgemeine Kennzeichen des Schwarmgeistes
Auf der 14. Gnadauer Konferenz 1910 in Wernigerode wurden aus biblischer Sicht grundsätzliche Feststellungen über die Pfingstbewegung und das Schwärmertum gemacht. Wir entnehmen dem Buch von D. Paul Fleisch „Die Pfingstbewegung in Deutschland”, die folgende Erklärung von Pastor Buddeberg als Vertreter des reformierten Pietismus in seinem Referat „Wo fängt die Schwärmerei an?” eine äußerst prägnante Kennzeichnung des Wesens der Schwärmerei, die wir ebenfalls gekürzt wiedergeben.
1. Die Schwärmerei ist eine Krankheit des Glaubenslebens, ein erregtes Fiebern
    der Seele.
2. Die Schwärmerei ist eine Versuchung des Satans, der die Kinder Gottes zum
    Glaubensübermut verleiten möchte. Die Versuchungsgeschichte des Heilands
    ist ein Beleg dafür.
3. Die Wurzel der Schwärmerei liegt a) in dem mangelnden Wahrheitssinn,
     b) in dem Hochfahren des menschlichen Geistes.
4. Aller Schwärmerei liegt ein unpersönlicher, naturhafter Gesetzesbegriff
     zugrunde.
5. Die Schwärmerei fängt da an, wo der Mensch die Gesetze überfliegt, die
     Gott für seinen Verkehr mit den Menschen ein für allemal gegeben hat.
6. Solche Gesetze sind:
a) Gott will durch sein geoffenbartes Wort mit uns verkehren.  – Die Schwärmerei will darüber hinaus „inneres” Wort Gottes haben und richtet ein neues Prophetentum mit autoritativer Gewalt auf.
b) Gott will durch seinen Sohn mit uns verkehren. – Die  Schwärmerei löst den Geist von der Person Christi.
c) Gott hat uns an die Schöpfung und ihre Ordnung gewiesen. – Die Schwärmerei will alles „Kreatürliche” hinter sich lassen und nur Geist sein.
d) Gott stellt seinen Verkehr mit uns Sündern auf den Grund  der rechtfertigenden Gnade. – Die Schwärmerei läßt die  Rechtfertigung als eine Anfangsstufe des Glaubens hinter sich.
e) Gott stellt seinen Verkehr mit uns Sündern auf die Furcht des Herrn. – Die Schwärmerei überspringt in falscher Vertraulichkeit diese heiligen Grenzen.
f) Gott tut uns seinen Willen vornehmlich kund durch sein  Wort, durch die Lebensführung und durch erfahrene Christen. – Die Schwärmerei will nur unmittelbar vom Geist geleitet werden.
g) Gott stellt seinen Verkehr mit uns auf den Glauben und nicht  auf das Schauen. – Die Schwärmerei möchte aus der Glaubensbahn heraustreten und Gesichte und Erscheinungen haben.  Sie überschätzt die ekstatische Frömmigkeit.
h) Gott stellt die Entwicklung unseres Glaubens unter die Gesetze des wachstümlichen Lebens. – Die Schwärmerei möchte  aber durch einen Glaubensflug auf die Höhen des christlichen Lebens kommen (Sündlosigkeit).
i) Die Schwärmerei überspringt schließlich die geschichtliche Entwicklung des Reiches Gottes und möchte es in der Ungeduld eigenwillig aufrichten.

Auf die Frage, wie sich die Kirche vor den Irrungen der Schwärmerei bewahren könne, gab Pastor Buddeberg folgende Hinweise:
1. Sie bleibe auf dem Boden des Wortes Gottes stehen.
2. Sie bleibe auf dem Boden der Rechtfertigung aus Gnaden.
3. Sie bleibe auf dem Boden der Erfahrung der Gläubigen in allen Jahrhunderten.

Dem Schwarmgeist wohnt immer etwas Berauschendes, den klaren Blick Benebelndes bei. Man muß staunen, wohin er vernünftige Christen bringen kann. Man wird sagen dürfen, daß er sie oft geradezu sie gründlich blamierende oder gar anstößige Dinge zu tun veranlaßt, um die von ihnen vertretene Sache Gottes vor der Welt lächerlich zu machen und in Verruf zu bringen . . .

Der Schwarmgeist bietet sich an als höhere Stufe des Christentums. Auch werden viele getäuscht durch lichtähnliche Charaktereigenschaften . . .

Der Schwärmer ist unbelehrbar. . .“
Wir schließen diese Wiedergabe mit einem Ausspruch von D. Walter Michaelis: „Man darf eine Bewegung nie nach einigen prächtigen Menschen beurteilen, die auch darin sind, s o n d e r n nach dem führenden Gut, den ursprünglichen Quellen und den maßgebenden Grundsätzen.“

II. Der Grund unseres Glaubens ist das Wort Gottes
Der allmächtige Gott offenbart sich durch den Mund seines Knechtes Mose dem Volke Israel mit dem Worte 5. Mose 6,4: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.”
Diese große und einzigartige Offenbarung wiederholt sich in der ganzen Heilsgeschichte des Alten und Neuen Testaments. Worauf soll Israel hören?
Auf die Offenbarung Gottes. Auf nichts anderes soll es hören, wie geschrieben steht 5.Mose 4,2: „Ihr sollt nichts dazutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun, auf daß ihr bewahren möget die Gebote des Herrn, eures Gottes, die ich euch gebiete.”
Derselbe Gott in Christo Jesu beschließt das Bibelbuch mit den Worten Offenbarung 22,18:
„Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: Wenn jemand etwas dazusetzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas davontut von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird Gott abtun seinen Anteil vom Baum des Lebens und von der heiligen Stadt, davon in diesem Buch geschrieben steht.”
Mose befiehlt seinem Volk ernst, auf dieses heilige, unteilbare Wort zu achten. In 5. Mose 13,16 gebietet Gott wiederum durch ihn: „Alles, was ich euch gebiete, das sollt ihr halten, daß ihr darnach tut. Ihr sollt nichts dazutun noch davontun. Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch wird aufstehen und gibt dir ein Zeichen oder Wunder, und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gesagt hat, und er spricht: Laß uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennt, und ihnen dienen: so sollst du nicht gehorchen den Worten solches Propheten oder Träumers; denn der Herr, euer Gott, versucht euch, daß er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebhabt . . . Der Prophet aber oder der Träumer soll sterben.”

Israel ist diesem großen Gottesgebot nicht treu geblieben und hat andere Götter hereingeholt. So ist der Zorn Gottes entbrannt, wie wir in den Gerichtswegen Gottes sehen, die er von der 40jährigen Wüstenwanderung an mit Israel gegangen ist bis hin zur Vertreibung aus dem verheißenen Lande in die Gefangenschaft nach Assyrien und Babel. Um des Eides willen, Abraham gegeben, errettet er sie wieder und legt ihnen aufs neue ans Herz Jes. 45,21 ff.: „Verkündiget und machet euch herzu, ratschlaget miteinander. Wer hat dies lassen sagen von alters her und vorlängst verkündigt? Habe ich’s nicht getan, der Herr? Und ist sonst kein Gott außer mir, ein gerechter Gott und Heiland; und keiner ist außer mir.” … Am deutlichsten aber hat er durch den Sohn, das fleischgewordene Wort, geredet, wie geschrieben steht Hebr. 1,12: „Nachdem vorzeiten Gott manchmal und auf mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn.”
Wie redet der Sohn? Er steht auf dem ganzen Wort und sagt Matth. 5,18: „Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde vergehe, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis daß es alles geschehe.” Seinen Widersachern, den Schriftgelehrten, bestätigt er das Glaubensbekenntnis der Väter Mark. 12,29: „Das vornehmste Gebot ist das: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein der Herr . . .”

Da nach dem Hebräerbrief Gottes letzte und klarste Offenbarung der Sohn ist, bezeugt Johannes in Kap. 1,14 bündig und schlüssig: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.”

Das Johannesevangelium zeugt von dem Kampfe des Lichtes mit der Finsternis, des Glaubens gegen den Unglauben. Also bezeugt es die Wahrheit, die in der Person Jesu leibhaftig vor ihnen steht. Er sagt ihnen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!” Dem Pilatus bezeugt er: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.”
Die Wahrheit ist Gottes Wort, denn sein Wort ist nichts als W a h r h e i t ! (Psalm 119, 160). „Das Wort Gottes (also die Wahrheit) ist lebendig und kräftig und schärfer denn ein zweischneidiges Schwert, und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens” (Hebr. 4,12).
Der Glaube ist gegründet auf Jesu Wort: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.” Das Wort des Herrn steht wie ein ewiger Fels, der alle Stürme dieser Zeit überdauern wird. An ihm werden sich brechen die schäumenden Wogen des Unglaubens und der Schwärmerei.

III. Religiöse Schwärmer in der Heiligen Schrift

2. Zur Zeit der Apostel
Schon in der Apostelzeit regten sich die Widerchristen. Der Apostel Johannes hebt immer wieder warnend den Finger auf: „Kindlein, hütet euch vor den Abgöttern” (1. Joh. 5,21) und „Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, daß der Widerchrist kommt, so sind nun schon viele Widerchristen gekommen; daran erkennen wir, daß die letzte Stunde ist” (1. Joh. 2,18).
Er fährt erklärend in Vers 19-21 fort: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben, aber es sollte offenbar werden, daß sie nicht alle von uns sind. Doch ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und wisset alles. Ich habe euch nicht geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht, sondern ihr wisset sie und wisset, daß keine Lüge aus der Wahrheit kommt.“

Das untrügliche Erkennungszeichen solcher Widerchristen ist also:
Sie kommen aus der Gemeinde Jesu, die eine Grundfeste der Wahrheit ist, und sind innerlich der Lüge verhaftet. So haben sie äußerlich einen Schein der Wahrheit und sind innerlich Lüge. Darum können sie nicht bleiben in der Gemeinde Jesu und sondern sich ab. Im Missionsgebiet des Apostels Paulus zeigten sich in den Anfangszeiten ernste Krisen durch judenchristliche Gläubige. Paulus wehrt sie im Galaterbrief sieghaft ab und stellt das Evangelium „allein aus Gnaden  nicht aus den Werken” fest. Er hat in Gal. 1,8-9 ein hartes Wort gegen alle, die außer dem Evangelium Christi noch etwas Zusätzliches verkündigen: „Aber wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, als wir euch gepredigt haben, der sei verflucht...”

So blieb es bei dem großen Wort: „Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gerecht” (Röm. 10,4). …

IV. Schwarmgeistige Strömungen in der Kirchengeschichte

1. Die Montanisten
2. Die Donatisten
3. Die Schwärmerei im Mittelalter
a) Die hl. Katharina von Siena (1347-1380)
b) Die hl. Theresia (1515-1582)
4. Luther und der Schwarmgeist
5. Der Schwarmgeist bei Ignatius von Loyola (1491-1556)
(Teil IV. weggelassen, wegen Platzersparnis. H.Koch)

V. Der Schwarmgeist und seine Auswirkungen in der Neuzeit

1. Die schwarmgeistige Bewegung Irvings (entfällt)
2. Die Pfingstbewegung und ihre Ausläufer

a) Die Pfingstbewegung
Wir haben festgestellt, daß im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder der Schwarmgeist aufgetreten ist, stets unter anderem Namen, aber mit den gleichen Symptomen. Eine solche Strömung, behaftet mit allen Merkmalen des Schwarmgeistes, ist die Zungen- oder Pfingstbewegung. Sie trat um 1905 erstmals in einem spiritistisch-religiösen Kreis Kaliforniens auf. Dabei ist wesentlich, daß in Los Angeles schon damals Spiritismus, Okkultismus und andere dunkle Dinge zu Hause waren. Die Pfingstbewegung löste eine so ungeheure explosive Wirkung in der christlich-religiösen Welt aus, daß sie in wenigen Jahren über den ganzen Erdkreis gegangen ist. Im Jahre 1906 kam sie nach Europa, im darauffolgenden Jahr nach Deutschland. Sie hat die Kirchen wie auch die inneren pietistischen Kreise unterwandert und durchdrungen. Ihre staunenswerte Missionstätigkeit hat in der Jetztzeit keine Parallele. Sie gleicht dem eisigen Labradorstrom und hat in breiter Front alles überflutet. Wiewohl sie sich als Pfingstbewegung bezeichnet, also als eine Bewegung in der Kraft des Heiligen Geistes, hat sie eine große Zersplitterung in sich selbst erfahren, die gleichfalls keine Parallele hat. Wir haben in Deutschland weit über 40 Pfingstrichtungen, die sich z. T. scharf befehden. In USA sind es etwa 200. Daran ist zu erkennen, daß diese Bewegung wenig mit dem Heiligen Geist zu tun hat, der seine Gemeinde „beruft, sammelt , erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten einigen Glauben”, wie es in der Erklärung des 3. Artikels unseres Glaubensbekenntnisses heißt.

K. Hutten, „Seher, Grübler, Enthusiasten”: Wir entnehmen diesem Buch die nachstehenden Ausführungen über die Anfänge der Pfingstbewegung in Deutschland (S. 488-489):
„Auch in Deutschland war der Boden schon vorbereitet, als das Pfingstfeuer von Los Angeles nach Europa herübergetragen wurde. 1905 war Torrey in Blankenburg. Hier wurde die Geistestaufe nicht allein gepredigt, sondern es ging schon dort genügend warm her, um sie zu empfangen. Auch der schlesische Evangelist Eugen Edel (1872-1951) empfing sie mit einigen andern. Der Redakteur des Allianzblattes veröffentlichte eine Broschüre „Hunger nach Pfingsten”... Anfang 1907 reisten einige Männer, darunter Pastor Jonathan Paul, nach Christiania (Oslo). Paul veröffentlichte im Allianzblatt einen Bericht über die dortigen Erweckungsversammlungen. Im Juni 1907 kam auch der Leiter der Strandmission in Hamburg, Emil Meyer, nach Christiania. Auf seine Veranlassung schickte der Methodistenprediger Barratt die 2 norwegischen Zungenrednerinnen, Agnes Telle und Dagmar Gregersen, nach Hamburg. In der Begegnung mit ihnen kam der Evangelist Heinrich Dallmeyer „unter den Geist”, ohne allerdings die Zungenrede oder sonst eine Geistesgabe zu bekommen. Er hielt in Hamburg Versammlungen, in denen die Norwegerinnen in Zungen redeten. „Schon damals gab es wilde Szenen, einen richtigen Spiritistenspuk.” Trotz starker Bedenken nahm er sie nach Kassel mit, wo er im Juli 1907 eine Evangelisation hielt. Den Teilnehmern, Mitgliedern der verschiedenen Gemeinschaftskreise, wurde von ihm der Empfang eines „reinen Herzens” und der „Fülle des Geistes” verheißen. Einige Wochen später wurden ähnliche Versammlungen auch in Großalmerode (Hessen) gehalten. An beiden Orten wurde in Zungen geredet. Es kam zu allerlei unguten Ausbrüchen einer entfesselten Ekstase, die starken Widerspruch hervorriefen. Männer und Frauen wälzten sich unter Stöhnen, Zuckungen, Krämpfen und Hallelujageschrei auf dem Boden. Auf dem Gipfelpunkt der Erregung setzte das Zungenreden ein. Der „Geist” entlarvte geheime Sünden von Teilnehmern . . . 
Ein Gemeinschaftsleiter machte Luftsprünge. Ein Pastor wand sich einer Schlange gleich zwischen den Stühlen hindurch. Diese Vorgänge boten natürlich Nahrung für sensationelle Presseberichte. Es kam in Kassel zu einem Straßenauflauf, und auf dringende Bitte der Polizei wurden die Versammlungen beendet.”

Der Hauptvertreter der Zungenbewegung in Deutschland war Pastor Paul (1853-1931). Er war anfangs ein gesegneter Pastor der pommerschen Landeskirche und gleichzeitig 2 Jahrzehnte führend in der ostdeutschen Gemeinschaftsbewegung. Im Jahre 1904 begann er öffentlich seine Heiligungslehre in Wort und Schrift zu bezeugen. Das Kernstück ist die Botschaft vom „reinen Herzen”.
In seinem Monatsblatt „Die Heiligung” erschien in dieser Zeit ein Aufsatz mit dem Titel „Frei von der innewohnenden Sünde”. Der Inhalt ist kurz in diesem, seinem Zeugnis zusammengefaßt:
„Durch den Glauben an das Opfer Jesu empfange ich die Vergebung der Sünden. Durch einen weiteren Glaubensschritt empfange ich die Heiligung, das ,reine Herz`, und stehe in dem Unschuldsstand wie Adam und Eva vor dem Sündenfall.” Pastor Paul behauptete, der Sünde gestorben zu sein. Im Jahre 1919 sah er den Irrtum ein und bekannte: „Wenn ich von der Rechtfertigung redete, hatte ich des Geistes J a , wenn ich von der Heiligung redete, hatte ich des Geistes J a , wenn ich von der Sündlosigkeit redete, hatte ich des Geistes  J a   nicht ” (bezeugt von seinem Schwiegersohn Vietheer). Obwohl er wegen seines Irrtums von bewährten Gottesmännern ernst gewarnt und auf das Wort 1. Joh. 1,8 hingewiesen wurde, blieb er ablehnend. Und nun das Bedeutsame: Jedermann, der ihn kannte, mußte ihm seine Lauterkeit, Selbstlosigkeit, Sanftmut und Liebe bezeugen. Aber in der Sache der Heiligungslehre und der pfingstlichen Irrung blieb er unbelehrbar. Hier verstieß er gegen das Wort: „Die Weisheit läßt sich sagen.”
Über seine Persönlichkeit seien folgende drei Beurteilungen aus der Schrift von Pfarrer von Eicken: „Heiliger Geist – Menschengeist – Schwarmgeist” (S. 86-87) angeführt:
1. Dr. Lepsius berichtet wie folgt: „Pastor Paul hat mir mit seinem lauteren Gemüt und liebevollen Herzen immer brüderlich nahegestanden. Ich gestehe, daß ich sonst von dem Brauche, der in Gemeinschaftskreisen herrscht, mit dem Wort ,Bruder` und ,Schwester` äußerst freigebig zu sein, nicht sehr erbaut bin, denn seit ich die Erfahrung gemacht habe, daß ,Bruder` zehnmal weniger als ,Freund` heißt, und daß man niemals gegen Freunde so handeln würde, wie man gegen Brüder handelt, bin ich mit dem Wort ,Bruder` etwas sparsam geworden. Aber Pastor Paul ist mir immer ein lieber Bruder gewesen und ist es noch . . . Pastor Paul sorgte dafür, einen Ton kindlicher Heiterkeit und brüderlichen Vertrauens unter uns aufrechtzuerhalten . . .”

2. Robert Volkmann, langjähriger Evangelist und Inspektor der deutschen Zeltmission in Geisweid, erzählte mir um 1930 ein für Pastor Paul typisches Beispiel eines selbstlosen Verhaltens: Volkmann, von Hause aus wohlhabend, hatte vor dem ersten Weltkrieg an Pastor Paul zum Bau eines Hauses in Berlin-Steglitz eine Hypothek von 10 000 Goldmark gegeben. Am Ende der großen Inflation von 1918/1923 wurden bekanntlich Hypotheken mit 10 bis 12 % aufgewertet in neuer Reichsmark (= Goldmark). Pastor Paul aber zahlte die Hypothek 100%ig in der neuen Währung zurück.
3. Ich selbst (v. Eicken) konnte Anfang 1924 auf einer mehrtägigen Konferenz in Ferndorf bei Kreuztal Pastor J. Paul kennenlernen und gewann einen deutlichen Eindruck seiner herzgewinnenden Freundlichkeit, zuchtvollen Selbstbeherrschung in schwierigen Augenblicken und großen seelsorgerlichen Weisheit.  – Soweit Pfarrer v.Eicken über Pastor J. Paul.

So also sieht der fromme Mensch den „liebenswerten, selbstlosen, lauteren” Pastor Paul. Gottes Wort sagt aber von den Lehrern: „Ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.” Sein Schwiegersohn Heinrich Vietheer berichtet in dem Buch „Unter der guten Hand Gottes” (S. 152): „Ehe Pastor Paul heimging, rief er uns und alle die Missionsgeschwister, die gerade in meinem Missionshause anwesend waren, zusammen und sagte uns: Ich war am Bahnhof der Ewigkeit, und die Tür war mir verschlossen, und es wurde mir gesagt: Du hast von dem Gift der alten Schlange getrunken.”
Damit wird der große Irrtum Pastor Pauls in seinem Leben und seiner Lehre nochmals bezeugt.
Dazu sei ein eigenes Erlebnis aus der Jugendzeit des Herausgebers mitgeteilt:
In unserem Hause verkehrte der alte, ehrwürdige Bruder Thomä. Wir, als junge Christen (um 1904-05), schwärmten von dem damals so hell leuchtenden Gemeinschaftsstern Pastor Paul. Thomä hörte das und sagte: „Pastor Paul?!” und schüttelte mit dem Kopf. Dann fuhr er fort: Auf der Konferenz in Bentschen (frühere Provinz Posen) sprach Pastor Paul über seine Heiligungs- und Sündlosigkeitslehre. Ich stand auf und sagte ihm: „In der Bibel steht: Wer kann merken, wie oft er fehle?” Darauf wehrte Paul freundlich ab und ließ diesen biblischen Einwand nicht gelten. Thomä setzte hinzu: „Ich will nichts mehr von Pastor Paul wissen, denn er läßt Gottes Wort nicht stehen.”
Einige Jahre später, an einem Sonntagmorgen im Sommer, ist derselbe Bruder Thomä im Frühgottesdienst bei dem gläubigen Pastor Lohwasser. Hinterher nimmt er mit nur wenigen das Heilige Abendmahl. Zum Schluß tritt Pastor Lohwasser zu dem alten Thomä, begrüßt ihn und spricht einige Worte mit ihm. Thomä sagt mit seiner gebrochenen, fast tonlosen Stimme: „Ich erwarte vom Herrn etwas ganz Großes.”  Am nächsten Morgen fand man diesen wartenden Simeon, im Frieden heimgegangen, tot im Bett. „Ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.”
Hiermit sei das Ende dieser beiden Persönlichkeiten gegenübergestellt. Bruder Thomä erkennt bereits 1904 die falsche Grundhaltung zur biblischen Heiligungslehre und lehnt Pastor Paul scharf ab. Thomä hat das Ende eines Simeon.  Pastor Paul besteht hartnäckig auf seiner Heiligungserfahrung und später auf seiner Geistestaufe durch die Zungenbewegung. Das Ende ist der erschütternde Ausspruch: „Du hast von dem Gift der alten Schlange getrunken.” Dieses Gift haben seine Anhänger auch getrunken. Dennoch erkennen wir, daß auch Pastor Paul noch am Ende seiner Wegstrecke Licht über seinen Irrweg geschenkt wurde. Auch er erfährt, wie wir es alle erfahren, daß wir, Schächer oder Apostel, allein  aus  Gnaden  selig werden.
Das Gegenstück zu der hochstehenden Ethik Pastor Pauls ist das Geschehen in Brieg in der Arbeit des Predigers Edel. Bei Pastor Paul ethischer Hochstand, hier moralischer Tiefstand; alles aber Ausflüsse desselben dämonischen Zungengeistes.
D. Fleisch berichtet von einem Flugblatt ausgetretener Pfingstgeschwister. Er schreibt darüber auf S. 262 des eingangs erwähnten Buches: Der jetzige Schriftleiter des Allianzblattes, Nagel, erhielt es (das Flugblatt) von J. Seitz und veröffentlichte es: „Ein ernstes Wort in letzter Stunde”. Darin hieß es: „Wie war es möglich, daß ein Werk, das so herrlich anfing und einzigartig dastand, solchen Schiffbruch erlitt? Weil der Leiter ein Mietling war . . . weil er Kopfwissenschaft predigte und es nicht selber vorlebte . . . Das Gericht hat schon angefangen am Hause Edel. Schon im April 1919 hatte der Brieger Vorstand der Gemeinschaft dem Prediger Edel gekündigt, nachdem durch Gesichte und Offenbarungen die Vorgänge (schwere sittliche Verfehlungen) in seinem Hause bekanntgeworden sind. Trotzdem diese Geschehnisse schon in Berlin bekannt waren, bestanden die Brüder Humburg, Martensen und Pastor Paul darauf, daß Edel in Brieg verblieb.”
Im Herbst 1919 hätten die Brüder aber eingesehen, daß es so nicht weitergehe. „Die Welt sieht in solch einem Falle eine Disziplinarversetzung vor. Hier aber sollte es im alten Gleise seinen Gang weitergehen.”

„Ist es nicht erschütternd, daß in einem leitenden christlichen Hause solch ein Morast von Unsittlichkeit groß werden und jahrelang sich breitmachen konnte? Und Prediger Edel sah dem allen zu und rührte nicht daran, weil er selbst nicht rein war. Und wo bleibt die tiefe Buße?” „Über den Gaben werden die Gefäße hochmütig und vergessen den Zweck der Gabe und den Geber selbst. Deswegen fallen all die Auserwählten, und der Herr kommt nicht zu seinem Ziel. Edel, Humburg und Martensen, das sind drei Namen, die Bücher reden! Hochmut und Herrschsucht kommt vor dem Falle.”

Gleichzeitig schrieb das Vorstandsmitglied Fabrikant Bild in Brieg an Nagel, daß er aus der Pfingstbewegung ausgetreten sei. Das Allianzblatt bemerkte dazu: „Nach uns von zuverlässiger Seite gemachten Mitteilungen sind in der Tat Dinge aller skandalösester Art geschehen. In ihrem Offenbarwerden liegt eine erneute Entlarvung des Irr- und Schmutzgeistes, der in der sogenannten Pfingstbewegung sein Wesen hat. Vorkommnisse der oben angedeuteten Art beschränken sich nämlich keineswegs auf Brieg allein. Wir geben zur Beleuchtung des furchtbaren Standes der Dinge den Ausspruch einer Ohren- und Augenzeugin wieder, die für das Gesagte einsteht: ,Es sind in den Kreisen der Pfingstbewegung Dinge geschehen, denen gegenüber die Besucher in den Hamburger Verbrecherkellern gut abschneiden würden.´”

Die Vorgänge in Brieg waren nur Symptom eines allgemeinen und vielfältig auftretenden moralischen Tiefstandes in diesen Kreisen. Gelegentlich einer Begegnung im April 1909 sagte General v. Viebahn zu D. Michaelis: „Dürfen wir es länger mit ansehen, daß immer mehr Geschwister in diese unheilvolle Bewegung gezogen werden?”
Sie verabredeten ein Zusammentreffen mit Prediger J. Seitz, Pastor L. Wittekind und Pastor Stockmayer. Dabei erschien es den Genannten notwendig, einen größeren Bruderkreis nach Berlin einzuladen, der dann im September zusammentrat. Es waren etwa 60 Brüder aus allen Teilen des Landes, aus den Gnadauer Gemeinschaftskreisen und aus den Freikirchen. Unter ihnen waren solche, derer wir gern als Väter gedenken, wie Elias Schrenk, Walter Michaelis, Otto Stockmayer, Leopold Wittekind, v.Viebahn, Prediger Wächter, K. Mascher u. a. Nach Tagen ernsten Austausches wurde die sogenannte „Berliner Erklärung” herausgegeben und von 56 Brüdern unterschrieben. Sie fand auf der einen Seite große Zustimmung, während sie von der Gegenseite heftig angegriffen wurde. Der wesentliche Inhalt der „Berliner Erklärung“ ist in Satz Nr. 1 wie folgt ausgedrückt:
„Die sogenannte Pfingstbewegung ist nicht von oben, sondern von unten. Sie hat viele Erscheinungen mit dem Spiritismus gemein. Es wirken in ihr Dämonen, welche, vom Satan mit List geleitet, Lüge und Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen. In vielen Fällen haben sich die sogenannten „Geistbegabten” nachträglich als besessen erwiesen.”

Die „Berliner Erklärung“ schuf Klarheit und Scheidung in vielen Kreisen. Einige Führer der Gemeinschaftsbewegung glaubten allerdings, eine neutrale Haltung einnehmen zu können. Zu ihnen zählten Krawielitzki, Modersohn, Schenk/Lindenwald, Coerper/Liebenzell.
Als diese Neutralen in der Folgezeit gleiche oder ähnliche Schäden in ihren Kreisen feststellten wie die Väter der „Berliner Erklärung“, schieden sie sich von der Pfingstbewegung. In ihrer inneren Haltung sind sie jedoch zum großen Schaden des Reiches Gottes und ihrer selbst immer neutral geblieben. Pastor Modersohn schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Er führet mich auf rechter Straße” auf S. 236: „Wenn ich auch davon überzeugt hin, daß auch Dämonisches in der Pfingstbewegung je und je hervorgetreten ist, so glaube ich doch mit Thimme, daß man vieles hätte durch Vorgänge des Unterbewußtseins erklären sollen, wie man das auch beim Spiritismus tut.”

Diese Ansicht ist in zweifacher Weise irrig und gefährlich. Mit dem Worte „Unterbewußtsein” versucht man, etwas zu erklären, und bringt damit doch nur einen hohlen Wortbegriff. Wir können es schon dem Heiland glauben, daß es in der Frage zwischen Glaube und Unglaube, zwischen Gott und Teufel keine Zwischeninstanz gibt. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon” (Matth. 6,24). Nicht bloß das glitzernde Geld oder irgendeine irdische Habe meint er damit, vielmehr spricht er von den beiden Herren , denen wir nicht zugleich dienen können. Luther sagt: „Von irgendeinem wird der Mensch geritten, entweder von Gott oder vom Satan.”
Wenn wir schon das nichtssagende Wort „Unterbewußtsein“ stehen lassen wollen, dann müssen wir es als ein Neutrum ansehen, das sich entweder unter der Herrschaft Gottes oder unter der Herrschaft Satans befindet. Gefährlich aber ist es, wenn Modersohn das Unterbewußtsein mit dem Höllengewächs des Spiritismus zusammenbringt. Hier werden die gefährlichsten Dinge aller Zeiten, auf die Gott die Todesstrafe gesetzt hat (5. Mose. 18,9-12), verharmlost.
Die Beurteilung der Pfingstbewegung durch Pfarrer Krawielitzki, den Gründer des Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverbandes, gibt Pfarrer Mundt in seiner Lebensbeschreibung über Krawielitzki folgendermaßen wieder: An einen Bruder, der nicht aus der Pfingstbewegung herausfand, schrieb er u. a. :
„Es wurde mir unwiderleglich klar, daß die Bewegung freilich nicht eine dämonische, aber doch eine fleischlich-seelische und vom eigenen Geist ist, die der Feind in unseren Tagen zum schlimmsten Schaden für das Reich Gottes und vieler aufrichtiger Kinder Gottes gebraucht.” Beide, Modersohn und Krawielitzki, damals noch junge Pastoren, sind also weit abgerückt von der ernsten Feststellung der Väter: „Die Pfingstbewegung ist von unten!“ Entsprechend dieser falschen Beurteilung des Pfingstgeistes verlief die Entwicklung derjenigen Gläubigen, die sich an den beiden Genannten orientierten.
In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg kamen aus Posen und Westpreußen viele Pfingstler in das restliche Deutschland herein. Dadurch gab es in Deutschland ein neues Aufleben des Pfingstgeistes. Im März 1924 erließ der Vorstand des Gnadauer Verbandes eine neue Warnung gegen die Zungenbewegung. Pfarrer Coerper/Liebenzell unterschrieb sie nicht.

b) Die Gruppenbewegung
Ein neuer listiger Angriff des altbösen Feindes geschah durch die Gruppenbewegung, die in den dreißiger Jahren in Deutschland aufkam. Ihr Führer, der amerikanische Pfarrer Frank Buchman, hörte 1908 in einer Dorfkapelle bei Keswik in England eine Pfingstlerin predigen. „In der Folge begann er über die Dinge nachzudenken und hatte daraufhin eine Vision, die ihn aufforderte, sich Christus zu übergeben. Er vollzog die Übergabe und empfand ein vibrierendes Gefühl, als ob ein starker Lebensstrom plötzlich in ihn gegossen würde. Von diesem Zeitpunkt an hatte er Macht.” (Vgl: I. C. Brown: „The Oxford Group Movement, is it of God or of Satan?”) Daraufhin schrieb er an die Presbyter seiner Heimatgemeinde, mit denen er in Streit stand, einen Entschuldigungsbrief.
Göttliche Buße bekennt mit David: „An dir allein habe ich gesündigt” (Ps. 51,6). Göttliches Heilserlebnis wird geschildert durch Jak. 1,18: „Er hat uns geschaffen nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit” und 1. Petr. 1,23: „als die da wiedergeboren sind nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt.“ Das echte Heilserlebnis schließt ab mit dem Wort Römer 8,16: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind.”
Das alles finden wir nicht bei Buchman. Seine Bußrichtung ist falsch; an die Stelle des Glaubens tritt bei ihm ein vibrierendes Gefühl seiner Nerven. Auch die Frucht dieser „Bekehrung” ist darum falsch, doch: „Er hatte Macht!”
Seine Botschaft besteht in den 4 Absoluten:  1. Absolute Ehrlichkeit  2. Absolute Reinheit  3. Absolute Liebe  4. Absolute Selbstlosigkeit

Er beginnt also mit der Selbstheiligung statt mit dem Gnadenakt göttlicher Rechtfertigung. Buchmans Buße besteht im Stillewerden (Meditieren), im Erkennen der eigenen Fehler und im öffentlichen Bekennen. Die während des Meditierens einströmenden Gedanken werden als göttliche Eingebungen betrachtet, aufgeschrieben und nachher öffentlich innerhalb der Gruppe bekannt.
Das Wort Gottes spielt keine oder nur eine unbedeutende Rolle. Durch das öffentliche Bekennen von Sünden erfolgt eine Gewissensentlastung. Dieses Bekennen haben wir auch in der Heidenwelt heute und im alten Rom und in Griechenland. Solche Bekenntnisse bringen wohl Gewissensentlastung, doch sie führen nicht zum Ergreifen des Heils im Glauben an Jesus Christus. Gegen das öffentliche Bekennen, wie es in der Pfingstbewegung, Gruppenbewegung, in der Moralischen Aufrüstung und in ihren mancherlei Abarten geschieht, steht, so fromm und demütig es äußerlich erscheinen mag, das Wort Jak. 5,16: „Bekennet  einer  dem andern  seine Sünden und betet füreinander, daß ihr gesund werdet.“ Die biblische Grundlage der Vergebung liegt in dem Wort: „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen . . .” (1. Joh. 1,9), und der Grund des Heils steht auf dem Wort: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde” (1. Joh. 1,7). In der Buchmanschen Praxis ist davon nichts zu merken.
Die Buchmansche Seelenbehandlung machte wie die Zungenbewegung einen schnellen Lauf durch die Welt. Hatte man sich von den exaltierten Dingen der Zungenbewegung abgewendet, so fielen die religiösen Gemüter der Kirche und z. T. des Pietismus auf das moralische Kleid herein. Es entstanden tatsächlich moralische Wandlungen. Ja, bis in Wirtschaft und Politik hinein zeigte sich die „segensreiche” Wirkung der Gruppenbewegung. Je stärker sie aber die Welt erfaßte, um so weitherziger mußte sie den Rahmen spannen, um viele zu erreichen. Darum wurde der Name Jesu immer spärlicher genannt. Das Kreuz des Herrn Jesus rückte ganz beiseite, und die weitere Folge dieser falschen Weichenstellung war die uns heute bekannte „Moralische Aufrüstung“.

c) Die Moralische Aufrüstung
Frank Buchman hat an seinem 70. Geburtstag von Hollywood aus seinen amerikanischen Freunden das neue Programm entwickelt. Buchman zitiert darin Worte des Engländers Lord Ruffield: „Wenn wir glücklich leben wollen, wie wir es alle so sehr wünschen, müssen wir den gegenwärtigen, uns bedrängenden Problemen ins Auge blicken. Sie wurden durch Menschen verursacht. Wir müssen in vollem Umfang die Prinzipien der Wahrhaftigkeit, Unantastbarkeit, Selbstlosigkeit und das mitfühlende Verständnis für Probleme und Ansichten unserer Nächsten in unser persönliches, familiäres und industrielles Leben hineintragen.”
Frank Buchman fährt dann fort: „Welches ist für alle diese guten Nachrichten der gemeinsame Nenner? Es ist die Einigkeit  diese fast in Vergessenheit geratene Lösung aller Probleme von heute. Spaltungen sind das Erkennungszeichen unseres Zeitalters. Spaltungen im Heim, Spaltungen in der Industrie, Spaltungen in der Nation, Spaltungen zwischen den Nationen. Einigkeit ist unser größtes Bedürfnis, Uneinigkeit ist das Werk menschlichen Stolzes, des Hasses, der Lust, der Furcht, der Gier, Einigkeit ist die Gnade der Wiedergeburt. Wir haben die Kunst, Einigkeit zu schaffen, verlernt, weil wir das Geheimnis der Wandlung und der Wiedergeburt vergessen haben.” An Stelle der Formulierung von Lord Ruffield könnte man auch aus dem ursprünglichen Programm der Gruppenbewegung die schon genannten Urforderungen derselben setzen: absolute Reinheit, Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit, Liebe.
Dieses Programm ist Buchmans neue Ideologie, die bisher der heutigen Demokratie fehle. Hiernach entstehe eine von „Gott inspirierte Welt“, in der Menschen, Familien, Gemeinschaften, Nationen sich ändern. Dem selbstsüchtigen Menschen seien diese Grundsätze unbequem. Wer sich aber ihnen hingebe, dem komme eine Erleuchtung, wie sie auch Buchman im Jahre 1908 gekommen ist. Buchman sagt darüber in seiner Proklamation: „ I c h gebe innerlich meinen Stolz und Materialismus preis. I c h sagte Gott und denen i c h unrecht getan: Es ist mir leid. I c h lernte vor Gott gehorchen und seinen Auftrag an die Menschen annehmen.”

D. Walter Michaelis stellt im Gnadauer Gemeinschaftsblatt, August 1948, mit Recht die Frage: In welcher Kraft soll diese übermenschliche Aufgabe in einer Welt der brutalen Selbstbehauptung gelöst werden?
Die Rede Buchmans bleibt die Antwort darauf schuldig. Zwar sagt sie: „Wir haben die Kunst, Einigkeit zu schaffen, verlernt, weil wir das Geheimnis der Wandlung und der Wiedergeburt vergessen haben.“ Was ist aber mit Wiedergeburt gemeint? Offenbar wird das Wort auch in nur menschlichem Sinn gebraucht.

Und was heißt: „Die Moralische Aufrüstung ist die gute Straße einer von Gott inspirierten Ideologie, auf der sich alle finden können, Katholiken, Juden, Protestanten, Hindus, Mohammedaner, Buddhisten und Konfuzianer, sie alle finden die gute Straße eines einigenden Programms. Sie können alle zusammen vorwärts gehen. Es hebt sie über alle Differenzen hinaus auf die Ebene einer höheren Ideologie.

Das kann doch nicht anders verstanden werden, als daß die Anhänger all dieser Religionen innerhalb des Bereichs derselben und mit den Kräften derselben (also auch Islam, Buddhismus) sich durch Wandlung ihres Wesens erheben sollen zu der Ebene einer höheren Ideologie. Daran ändert auch der Hinweis auf Gottes Plan, so wie er dasteht, mit dem wir unser Leben in Übereinstimmung zu bringen haben, nichts. An „Gott“ glauben alle die Genannten.

In dieser Proklamationsrede ist kein Wort vom Evangelium der Bibel, kein Wort von dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi. Hier stellt sich ein frommes Ich vor, das eine außerordentliche Inspiration bekommen hat und nun nicht nur selbst eine Umwandlung erfuhr, sondern die Macht bekam, auch andere umzuwandeln. Hier stellt sich ein frommes Ich vor, das eine weltweite Mission erfüllen will, an der alle Menschen in allen Religionen teilhaben sollen, auf der höheren Ebene der neuen Ideologie, die die Menschen auf der Grundlage eines seichten Gottesglaubens und moralischer Taten zu einem glücklichen Leben und einer besseren Zukunft führen will.
Das untrügliche Wort Gottes redet eine ganz andere Sprache. Es spricht von einer Menschheit, die sich nicht in eine völkerverbrüdernde Demokratie hineinentwickeln wird, sondern in eine religiöse Diktatur eines Übermenschen, der zuletzt mit Zeichen und Wundern göttliche Anbetung fordern wird. Dieser Geist des Antichristen ist heute schon wirksam in den Kindern des Unglaubens und auch in dem Propheten der Moralischen Aufrüstung und seinen Jüngern.
Es gibt nur ein Heil, wie es uns das Evangelium darbietet. Es gibt nur einen Mittler, um zu Gott zu kommen. Da nach dem Worte der Schrift der Zorn Gottes auf allen liegt, die nicht an den Herrn Jesus glauben, und da auf die unbußfertige Menschheit Gottes Gericht und ewiges Verderben wartet, müssen wir es mit allem Ernst betonen: Buchman ist ein Lügenprophet. Seine Anhänger sind Gefolgsmänner dieses Lügenpropheten. Sie werden alle teilhaben an dem Fluch Gottes, den Paulus ausspricht in Gal. 1,8: „Aber wenn auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, als wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ Es bleibt bei dem Ausspruch des Apostels Petrus in Apg.4,12: „In keinem andern ist das Heil, ist auch kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden”, als der Name Jesus.

Wir sind an dem Punkt angelangt, den Israel erreicht hatte, als es neben dem Herrn im Tempel noch auf den Höhen, den Baal, die Aschera und den Moloch anbetete. Danach kam das Ende. In unseren Gemeinden sitzen neben den lauteren Seelen die Anhänger der Isebel, von denen der Herr Offb. 2,20 ff. sagt: „Ich habe wider dich, daß du das Weib Isebel duldest, die da spricht, sie sei eine Prophetin, und lehrt und verführt meine Knechte, Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen. Und ich habe ihr Zeit gegeben, daß sie sollte Buße tun, und sie will nicht von ihrer Unzucht lassen… Und alle Gemeinden sollen erkennen, daß ich es bin,  und ich werde geben einem jeglichen unter euch nach euren Werken.“

Die religiösen Bewegungen, die im 3. Reich verboten waren, traten nach dem Ende des 2. Weltkrieges neu hervor. Sie wurden verstärkt einmal durch das Hereinströmen der Bewohner aus den Ostgebieten, die stark mit Schwarmgeist durchsetzt waren, zum andern durch den amerikanischen Einfluß auf allen Gebieten des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens. Das neue Aufbrechen des Zungengeistes aus beiden Richtungen hat eine Flutwelle schwarmgeistiger Bewegung erzeugt, unterstützt durch Zeichen- und Wunderwirkungen. Es fanden große Heilungsfeldzüge statt, zu denen Zehntausende liefen. Besonders sind es amerikanische Heilsapostel, wie Hicks, Branham, Roberts, Osborn usw.
Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen; denn sie wachen über eure Seelen . . . (Hebr. 13,17)

3. Evangelische Orden

a) Luthers Orden (entfällt)
b) Die Christusbruderschaft in Selbitz (entfällt)

c) Die Kommunität von Taize
Roger Schutz, der Gründer und Leiter des Ordens in Taize, entstammt einer reformierten Theologenfamilie in Genf. Im Jahre 1939 studierte er in Lausanne Theologie. „Er war Sprecher der Studentengemeinde und einer der ersten Köpfe in einem Kreis von Studenten, die sich mit traditioneller, individualistischer Christlichkeit nicht begnügen wollten.“ 1942 verteidigte er nach altem Brauch vor der Theologischen Fakultät in Lausanne seine Dissertation: Das Mönchsideal bis Benedikt und seine Übereinstimmung mit dem Evangelium.

Ähnliche Gedanken wie in seiner Dissertation hat er in der bereits vorher veröffentlichen Schrift geäußert, in welcher er als Hauptproblem der gegenwärtigen Kirche die Frage der Gemeinschaft bezeichnete. „Seine Beschäftigung mit dem alten Mönchstum und seine Erfahrungen mit einem Kreis von Studenten, den er um sich gesammelt hatte, wiesen ihn immer mehr in die Richtung einer klar geordneten Communaute” (G. Schönweiß: Der Orden von Taize).
Nach diesem ihm vorschwebenden Ideal wurde der Orden in Taize gegründet.

Taize ist ein alter verfallener Ort mit einem verwahrlosten Schloß, unweit der mittelalterlichen Klostergründung von Cluny. In diesem Dorf erwarb Schutz 1940 von einer alten Dame das Herrenhaus. 1944, nach Beendigung der deutschen Besatzung, kehrte Schutz aus der Schweiz zurück und zog mit mehreren Gleichgesinnten zu gemeinsamem Werk dorthin.
1957 waren es 35, 1962 50 Brüder, darunter Schweizer, Franzosen, Holländer, Spanier, Deutsche. 1949 verpflichteten sie sich zu gemeinsamem, ehelosem Leben in Armut und Gehorsam. „Die Brüder waren zu der Erkenntnis gekommen, daß eine ortsgebundene Kommunität ohne diese dreifache Bindung ihrer Glieder keinen dauerhaften Bestand haben kann. Ebenso wie in christlicher Sicht eine Familiengemeinschaft ohne endgültige gegenseitige Bindung von Mann und Frau nicht lebensfähig ist . . .” ( nach F. Biot ).

Die Brüder, unter der Führung ihres Priors Schutz, führen ein arbeitsames, aufgelockertes Gemeinschaftsleben mit täglichen Gottesdiensten, mit Abendmahlsgang und einem zurückgezogenen Gebetsleben in der sogenannten Retraite, wie sie auch in anderen heutigen Klostergründungen, z. B. in Darmstadt, gepflegt werden. Die Brüder bekennen selbst, daß die Entwicklung von Taize spektakulär gewesen sei, doch soll ihr eigentliches Ziel darin bestehen: „Nicht von sich zu zeugen, sondern für Christus.“
In der Praxis pflegen sie eine offene Bruderschaft, indem sie in Gruppen in Frankreich, Italien, England und anderswo wirken, sich aber immer wieder zu gemeinsamen Begegnungen und zur inneren Sammlung in Taize einfinden.
Die Zeitschrift Christ und Welt brachte 1961 in Nr. 46 den nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Bericht über Taize:
„ . . . Das ganze Dorf Taize-les-Cluny ist ein Einsprengel neuer Kultur inmitten dieser alten sterbenden Landschaft . . . 1942 kam Roger Schutz, heute der Prior des Ordens, hierher. Pastor Schutz bot damals den ins unbesetzte Frankreich fliehenden Juden im Landschlößchen Zuflucht . . . Im Jahre 1944 war Schutz wieder in Taize, mit ihm ein Landwirt und ein Theologe. Sie nahmen über 20 Waisenkinder, Hinterbliebene des Judenmordes, auf. Weitere junge Männer kamen hinzu, und in der Osternacht 1949 verpflichteten sich sieben von ihnen zu einer lebenslangen Bruderschaft, der Communaute de Taize.
Heute (1961) zählt diese Gemeinschaft über 45 Männer: Schweizer, Franzosen, Holländer, Spanier, Deutsche. Zehn von ihnen haben noch nicht die zwei Jahre als Novizen durchlaufen, tragen also noch nicht den Ring der Bruderschaft. Dieser Ring ist Ausdruck ihrer Verpflichtung, die in einer Regel umrissen ist. Die Verpflichtung ähnelt äußerlich den alten Mönchsgelübden, akzentuiert sie aber neu . . .
Nicht zufällig zieht man den Ausdruck Verpflichtung dem belasteten Begriff Gelübde in Taize vor. Das Leitwort dieser Regel ist die disponibilite, die rückhaltlose Verfügbarkeit zum Dienst in der Kirche und an der Welt…  Um ganz verfügbar zu sein, bleibt jeder Bruder ehelos. Er hat das Zölibat frei gewählt, ja es ist für ihn eine Berufung genau derselben Bindekraft wie die Ehe. „Christus allein bringt in einem Bruder die Verwandlung der sinnlichen Leidenschaften in völlige Nächstenliebe zustande“, heißt es dazu in der Regel. „Wenn die Eigensucht deiner Begierden nicht von einer wachsenden Hingabe überflügelt wird, wird die Ehelosigkeit eine unglaubliche Last. Dieses Werk Christi in sich erfordert unendliche Geduld“. …
Zu der Verfügbarkeit jedes Bruders gehört auch die Gütergemeinschaft. Alle Einkünfte und Gehälter der Brüder gehen in die gemeinsame Kasse. Keiner von ihnen hat Privatbesitz. Wieder wird die traditionelle Mönchsregel durchbrochen, die die Armut als einen geistlichen Wert ansieht. In Taize heißt es: ,Die Gütergemeinschaft ist vollständig. Glaube nicht, wenn du ein sehr persönliches Geschenk erhältst, daß du davon entbunden bist, es abzugeben. Die Loslösung von den kleinen Dingen bleibt schwer bis ans Ende. (Aber) der Mut, alle Güter zum Besten zu gebrauchen, ohne Angst vor der Armut, gibt eine unglaubliche Kraft. Armut ist keine Tugend an sich. Der Geist der Armut nach dem Evangelium ist das Leben ohne Sicherung des Morgen in der Gewißheit, daß gesorgt wird.` …
Bald, nach Festigung ihrer Gemeinschaft, arbeiten die ,evangelischen Mönche` teilweise wieder in dem Beruf, den sie erlernt haben . . . Eine weitere ,Regel`: ,Damit dein Gebet wahrhaftig sei, mußt du dich bei der Arbeit mühen’,… ,Wenn du dich einer spielerischen Liebhaberei dauernd überläßt, bist du unfähig zur wahren Bitte, dein Gebet wird recht, wenn es mit der Arbeit verschmilzt.` … Die Männer von Taize wollen endlich aufhören, nur andere zur Verwirklichung des Glaubens aufzurufen. Daher ihr Versuch, das Evangelium nicht bloß zu predigen, sondern selbst zu leben . . .”

Wiewohl sie sich als evangelische Bruderschaft bezeichnen, pflegen sie einmal den Gedanken der Ö k u m e n e – man bezeichnet sie sogar als Creme der Ökumene – zum anderen legen sie großen Wert auf die Beziehungen zum Vatikan.
In dem Buch von Roger Schutz: Das Heute Gottes werden bedeutsame Aufschlüsse über den Orden gegeben. Zwei Dinge stehen klar im Mittelpunkt:
1.    die Kirche
2.    die Ökumene
Darüber schreibt der katholische Kaplan Frangois Biot:
„In der K i r c h e stehen die Brüder durch ihr kontemplatives Leben, ihre täglichen Gottesdienste, die häufige Feier der Eucharistie, durch ein glühendes Gebet um die sichtbare Einheit des Leibes Christi, durch ihren Dienst der Begegnungen, ihr Offensein gegenüber Christen aller Bekenntnisse.“

Er gibt dann bezüglich der weiteren Entwicklung die Auffassung von Roger Schutz wieder:
„Die kommenden Generationen werden immer weniger den Widerspruch der Spaltung der Christenheit in verschiedene Konfessionen ertragen. Sie werden den Verlust der Energie nicht mehr dulden, die dazu aufgewendet wird, konfessionelle Positionen zu rechtfertigen, während durch das schwindelerregende Wachstum der Völker die Zahl der Menschen, die von Gott nichts wissen, von Tag zu Tag zunimmt. Sie werden sich dagegen wehren, daß die besten Kräfte der Christen dafür verlorengehen, daß diese sich wechselseitig nachweisen, wie wohlbegründet ihre konfessionellen Einstellungen sind.
Ohne das Gebet für die Einheit wäre die ökumenische Arbeit nur lähmend und vergeblich. … Im Gebet für die Einheit bitten wir um die Barmherzigkeit Gottes, indem wir uns um unsrer Fehler und um der Hindernisse willen demütigen, die wir auf dem Weg aufrichten, und wir bitten für alle, die im besonderen für die Einheit arbeiten, damit sie in Gott und durch ihn zu Werkzeugen der Einheit werden.“

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat Roger Schutz eine aus vier Teilen bestehende Regel aufgestellt:
1. Das gemeinschaftliche Handeln in Gebet, Mahlzeit, Rat und Zucht.
2. Die geistliche Ordnung. Darin findet sich wörtlich folgender Gedanke:  Während deines Tageslaufs sollen Arbeit und Muße durch Gottes Wort belebt werden. Bewahre in allem die innere Stille, um in Christus zu bleiben. Laß dich vom Geist der Seligpreisungen durchdringen: Freude, Einfalt, Barmherzigkeit.
3. Die drei Verpflichtungen: Zölibat, gemeinschaftlicher Besitz, Unterordnung unter eine Autorität: den Prior.
4. Die ausgesandten Brüder, die neuen Brüder, die Gäste.
Diese Regel schließt mit der Ermahnung, die bei einem feierlichen Versprechen vorgelesen wird (vgl. Biot S. 108).

Wie schon erwähnt, legt Roger Schutz besonderen Wert auf die Beziehungen zum Vatikan. Bereits 1949 wird Verbindung mit dem Vatikan aufgenommen. Schutz reist regelmäßig zum Papst. Zum 2. Vatikanischen Konzil wird Roger Schutz mit seinem Stellvertreter als Beobachter eingeladen. Sie sind persönliche Gäste des Vatikan-Sekretariats zur Förderung der Einheit der Christen.

An dieser Stelle geben wir aus der Zeitschrift „Vigilance”, die von Pfarrer Marion in Genf herausgegeben wird, zwei Artikel über den Katholizismus wieder (vgl. die Zeitschrift: Zeugendienst und Bibelaktion, Dez. 1964, Nr. 12):
„Ansichten eines Bischofs über Taize. Man schreibt uns: Bei meinem kürzlichen Besuch in Obervolta berichtete mir jemand, der am 22. April einem Vortrag des Bischofs Dupont von Bobo Douolasso beigewohnt hatte, von der Rede des Kirchenfürsten. Die für junge Christen katholischen Bekenntnisses bestimmte Zusammenkunft in jener Stadt war öffentlich; ich verrate also kein Geheimnis, wenn ich wiedergebe, was ein zuverlässiger Zeuge mir mitteilte.
Nachdem der Bischof vom letzten Konzil in Rom erzählt hatte, fragte er, ob jemand eine Frage zu stellen habe. Da er von der Anwesenheit protestantischer Beobachter geredet hatte, fragte man ihn, was er von den Taize-Brüdern halte.
Er sprach zuerst seine Bewunderung aus über die Frömmigkeit des Priors dieser Gemeinschaft, Pfarrer R. P. Schutz, und fügte hinzu, er habe ihn jeden Morgen in einer Nebenkapelle der Petruskirche in die Anbetung des heiligen Sakraments vertieft gesehen, so daß er zu der Überzeugung gekommen sei, Pater Schutz nehme im Geheimen die Eucharistie. Was nun die Stellung Taizes zur Kirche betreffe, sei Schutz nach Rom gekommen, um den Papst vor der Gefahr der protestantischen Missionen in Lateinamerika zu warnen; und diesem Schritt zufolge habe der Heilige Stuhl ein ganzes Heer von Priestern und Missionaren dorthin gesandt.
Schließlich fragte sich der Bischof, warum der Prior von Taize nicht einfach in den Schoß der Kirche zurückkehrte. Pfarrer Schutz habe darauf geantwortet, wenn er jetzt nach Rom überträte, würde er allein kommen; wartete er jedoch, bis er seinen Auftrag ausgeführt habe, so könne er mit einem Teil der Protestanten Frankreichs kommen.
Ich kann für die Echtheit der Worte des Bischofs bürgen. Gewiß verpflichten sie nur ihn, aber ist es nicht erbaulich zu sehen, wie ein Kirchenfürst die Berufung der Taize-Brüder beurteilt, nachdem er ihrem Prior persönlich begegnet war? Wie viele Protestanten Frankreichs und anderer Länder werden bereit sein für diesen Marsch nach Rom? Das weiß Gott allein. Unsererseits ermahnen wir die Gläubigen der reformierten Kirche zur Wachsamkeit.“

Dazu bemerkt die Redaktion der Vigilance:
„Die obigen Ausführungen bestätigen leider gewisse Äußerungen eines Taize-Bruders, Max Thurian, in seiner Schrift Simple expose de la foi chretienne (Schlichte Betrachtung über den christlichen Glauben). In diesem Werk spricht Max Thurian der sogenannten allgemeinen ? Kirche die Fähigkeit zu, dem in der Heiligen Schrift enthaltenen (!) Wort Gottes eine sozusagen unfehlbare Deutung zu geben. Er rühmt in Maria die Mutter Gottes, deren Fürbitte uns helfen kann. Er glaubt an die tatsächliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Brot und Wein des Heiligen Abendmahls (Transsubstantiation), und noch einige andere rein katholische Lehren. Angesichts dieser schweren theologischen Abweichungen Taizes hat man triftige Gründe, sich zu beunruhigen, wenn dieses protestantische Kloster zu einem Treffpunkt unserer Gemeindeglieder, besonders der Jugend wird. Wohin soll das führen?”
Soweit die ergänzenden Ausführungen zur Stellung der Taize-Brüder zum Katholizismus.

Roger Schutz besucht 1962 den ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel, außerdem nimmt er Korrespondenz auf mit dem Patriarchen Alexis von Moskau. 1962 wird in Taize die Versöhnungskirche eingeweiht, welche von der deutschen Aktion Sühnezeichen gebaut wurde. (Aktion Sühnezeichen ist gegründet worden durch Präses Kreißig, Magdeburg, der bereits im Hitlerdeutschland in aktiver Gegenstellung gegen das Naziregime war und nun helfend und heilend mit seiner Aktion eintritt, wo deutsches Unrecht geschehen ist. Kreißig gehörte der Gruppenbewegung an.)

Von Kortzfleisch schreibt auf Seite 130 seines Buches über die Einweihung:
„Unter den mehr als tausend Menschen beim ersten Gottesdienst am 5. August war der anglikanische Bischof Stephen Neill, der orthodoxe Metropolit Melinton vom ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel, der schwedische lutherische Primas Erzbischof Hultgren, der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, D. Kurt Scharf. Am Tage darauf aber zelebrierte der katholische Bischof von Autun, zu dessen Diözese Taize gehört, in der Krypta der neuen Kirche eine Messe nach römischem Ritus. Am selben Tag kam auch der Erzbischof von Rouen und der Präsident des Sekretariats für die christliche Einheit in Frankreich.”

Beim Überprüfen dieses letzten Abschnittes der Einweihungsfeierlichkeit der Versöhnungskirche drängt sich die Wahrheitsfrage auf: Der evangelische Theologe und Prior der Kommunität von Taize nimmt von dem evangelischen Präses der Aktion Sühnezeichen das Gotteshaus als Geschenk und Vermächtnis hin. Das eigentliche Ziel der Bruderschaft besteht nach ihrem Selbstzeugnis darin: „Nicht von sich zu zeugen, sondern für Christus!“ Das Christuszeugnis kann nach dem Worte Jesu nur ein Zeugnis der Wahrheit sein. Diese Wahrheit wird nur bestehen und echt sein im Worte Gottes, wie geschrieben steht: „Dein Wort ist nichts als Wahrheit.“ Und wenn nun schon bei solcher weltumspannenden Bewegung der Ökumene, wie sie in Taize verwirklicht werden soll, die Liebe das Bindeglied ist, dann doch nur in dem Sinne, wie Johannes sagt: „Die ich liebe in der W a h r h e i t !“
Der Wanderer, der diese Versöhnungskirche besucht, findet am Gotteshaus die Inschrift: „Ihr, die ihr eintretet, versöhnet euch: Der Vater mit seinem Sohne, der Mann mit seiner Frau, der Gläubige mit dem, der nicht glauben kann, der Christ mit seinem getrennten Bruder.“
Bruderliebe, Nächstenliebe, allgemeine Liebe, das also ist das Signum dieser Kirche. Das offenbart gleichzeitig die Geisteshaltung dieser Bewegung.
Paulus spricht 2. Kor. 5,20: „So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott!“
Die Brüder von Taize wollen nicht von sich zeugen, sondern für Christus. Ist das nun der Christus Gottes, von dem Paulus zeugt? Oder ist es bei aller Menschen- und Bruderliebe der Christus, von dem Jesus Christus in Matth. 24,5 spricht: „Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: „Ich bin der Christus, und werden viele verführen”, und Verse 24-26: „Denn mancher falsche Christus und falsche Propheten werden aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, so daß, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt würden. Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt. Darum, wenn sie zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste! so gehet nicht hinaus; siehe, er ist in der Kammer! so glaubt es nicht!“
Wenn der in Taize an führender Stelle stehende Max Thurian an die Transsubstantiation glaubt, dann müssen wir als evangelische Christen feststellen: Der Christus in der katholischen Messe ist nach dem wahrhaftigen Gotteswort gewißlich nicht der Christus Gottes!
Wie haben wir nun die Ökumene im Lichte der Heiligen Schrift zu beurteilen?

Die Einheit nach Jesu Wort ist im Hohenpriesterlichen Gebet begründet (Johannes 17,22-23): „Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, daß sie e i n s seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf daß sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast.“
Die erbetene Einheit wird bewirkt durch das Gebet Jesu (Joh. 17,17): „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.“

Die bisher geformte Ökumene, die die Einheit der Christenheit der Welt darstellen soll, steht nie und nimmer in der Wahrheit, denn hier findet sich alles zusammen, was sich Christen nennt: Der Liberale, der die Gottheit Christi leugnet; der Abgöttische, der neben dem wahren, dreieinigen Gott noch andere Götter anbetet: die Mutter Maria und das Meßopfer; und neuerdings eine nicht geringe Zahl von übergeistlichen Mystikern, die neben dem Gotteswort noch ihre besonderen Offenbarungen haben und an deren Göttlichkeit festhalten.
Die Ökumene heute ist nichts anderes als ein Parallelfall zur Mischreligion Israels, wo neben dem Gott Israels Baal und Astarte angebetet und dem Moloch Kindesopfer dargebracht wurden. Wir kommen auf die am Anfang dieses Buches zitierte Schriftstelle zurück: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.”
Taize hat ein religiöses Idealbild einer Einheit vor sich, die sich im christlichen Sinne niemals erfüllen kann, denn sie ist gegen das Hohepriesterliche Gebet und ist gegen das prophetische Wort Jesu selbst, der da spricht von der bittenden und schreienden Witwe, die die Gemeinde Jesu in der Endzeit darstellen wird. Diese bedrängte Schar aber hat die Verheißung: „Fürchte dich nicht, du k l e i n e Herde! Denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben” (Luk. 12,32).
Gottes Wort sagt uns vom völligen Zusammenbruch des äußeren christlichen Gebildes und von der Sichtbarmachung der Gemeinde Jesu erst beim Kommen Jesu.
Zusammenfassend sei festgestellt, daß der Prior des Ordens in Taize, Roger Schutz, und sein Stellvertreter der katholischen Kirche verhaftet und Schrittmacher sind zu dieser abgöttischen Kirche. Ihr betontes Reden um die Einheit ist nichts anderes als ein Hinarbeiten auf eine Einheitsreligion unter der Führung Roms. Roger Schutz bezeichnet sich als evangelischen Theologen; dem steht entgegen, daß er den schwer ringenden evangelischen Missionen in Lateinamerika den Kampf ansagte. Jesus sagt dazu: Ihr Heuchler!
Wie kann man lehren: „Über Rom ist die Seligkeit zu finden, und über Maria geht die Brücke zu Jesus und Gott in den Himmel.”

Zum Schluß wird uns nun noch einmal im besonderen Licht klar, was die Überschrift über dem Eingang der Versöhnungskirche in Taize bedeutet:
„Ihr, die ihr eintretet, versöhnet euch: Der Vater mit seinem Sohn, der Mann mit seiner Frau, der Gläubige mit dem, der nicht glauben kann, der Christ mit seinem getrennten Bruder.“
Kurz gefaßt, es ist eine Versöhnungskirche, in der der Mensch mit dem Menschen sich versöhnt, in der der Mensch handelt. Gottes Wort sagt aber 2. Kor. 5,19-20:
„Denn Gott versöhnte in Christus die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott!”

G o t t ist der Handelnde, der lebendige Gott versöhnt die Menschen durch seinen Sohn Jesus Christus.
Die Taize-Brüder bezeichnen ihre Kirche nicht auf Grund der Heilstat von Golgatha, wo Gott in Christus die Welt versöhnte, sondern auf Grund einer ethischen Tat, von Mensch zu Mensch, als Versöhnungskirche.
Wir sind also auf den Grundsatz des selbstgerechten Menschen zurückgefallen, wie er im Goethewort seinen Ausdruck findet: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen”, nur mit dem Unterschied des Vorzeichens der katholischen Glaubenslehre: „Glauben u n d gute Werke”.
Aus diesem Grunde müssen wir die unbiblische Lehre dieses Ordens ablehnen und vor diesem Orden ernstlich warnen.

d) Die Marienschwesternschaft in Darmstadt
Eine ähnliche Geisteshaltung wie in Taize finden wir auch bei der Marienschwesternschaft in Darmstadt. Die Begründerin, Dr. Klara Schlink, schreibt in Oekumenische Marienschwesternschaft – Weg und Auftrag: „Gott hat mir 1934 in Hamburg die eigentliche Aufgabe gezeigt: ein Haus auf dem Berg zu errichten, das Gottes große Taten, die Er auch heute tut, verkündigen sollte.“
1935 verlassen sie und ihre Freundin, Erika Madauss, ihre Tätigkeit mit gesichertem Unterhalt (Frl. Madauss als Fürsorgerin und Dr.. Schlink in der Leitung des Deutschen Christlichen Studentenbundes), um im Elternhaus Schlink in Darmstadt Bibelkurse anzufangen. Sie führt weiter aus:
„Damals zogen wir wie Abraham im Gehorsam auf einen Ruf Gottes hin in ein gänzlich unbekanntes Land, um dort einem Auftrag für Sein Reich zu leben. Doch Gott führte uns zwölf Jahre lang, vor allem in den ersten Jahren, Wege völliger Aussichtslosigkeit, da alles, was wir unternahmen, mißlang. Es waren Wege scheinbarer Sinnlosigkeit, voll von Demütigungen, Glaubensdunkel und viel Not.  Vorbereitungswege für den eigentlichen Auftrag: Die Gründung der Marienschwesternschaft später.“
Wie Dr. Klara Schlink nun die Stadt auf dem Berg baut, schildert sie in der Zeitschrift Der weite Raum, 1963, Nr. 6 (Zeitschrift der Kaiserswerther-Mutterhausdiakonie) wie folgt:
„Die Marienschwesternschaft wurde in der geschichtlichen Stunde des Zusammenbruchs des nationalsozialistischen Reiches unter den Gerichtsschlägen Gottes über unser Volk, insbesondere über unsere Stadt, geboren.
In jener Nacht der fast völligen Zerstörung Darmstadts im September 1944, als die Jugend unserer Darmstädter Mädchenbibelkreise vom Tode bedroht war, hatte Gott ihnen wie mit einem hellen Blitz ihr vergangenes Leben in Seinem Licht erleuchtet. Sie hörten im Herzen Seinen Gerichtsspruch: „Gewogen und zu leicht befunden” – lau im Gebet, lau in der Nachfolge Jesu, und: „Die Lauen werde ich ausspeien aus meinem Munde”. Gott hatte ihr persönliches Leben wie das unseres ganzen Volkes, unserer Stadt, gerichtet, und sie spürten: Wenn Gott richtet und züchtigt, wartet Er auf unsere Antwort, auf eine Umkehr. Denn Gott richtet, auf daß in unserem Leben etwas neu werde. Und aus Gnaden wirkte der Herr in einer Reihe von Herzen Reue. Die Mädchen kamen in der Folgezeit, nun aus der Stadt evakuiert, von weither, um zu beichten, und fuhren fröhlich von dannen, Gott hatte eine Wende in ihrem Leben geschenkt. Er ließ aus der Reue eine Liebe zu Jesus erwachsen, die sie trieb, die bedingungslose Nachfolge Jesu zu erwählen.
In der folgenden Passionszeit 1945 waren Mutter Martyria und ich, Mutter Basilea, mit einer kleinen Schar der Schülerinnen unserer Mädchenbibelkreise zu stillen Rüsttagen im Odenwald. Wessen Bild konnte uns da anders vor Augen treten als das Bild des Schmerzensmannes Jesu, der sich uns in seinem Wort nahte? Es war, als sei er wirklich unter uns getreten – wie einst, einsam, verlassen und hinausgestoßen von seinen Menschen, weil auch heute kaum einer ihn mit seinem Staatsgefolge – Armut, Niedrigkeit, Schmach und Gehorsam  aufnehmen und diesen Weg mit ihm gehen wollte! Wir hörten gleichsam seine dringliche Bitte an uns: Wer von euch will meinen Weg mit mir gehen, an meiner Seite stehen und diesen Weg als mein Nachfolger für sein Leben erwählen, den Weg der Armut, Niedrigkeit, der Enttäuschung und des Allesverlassens? Und die demütig anklopfende Liebe des Herrn aller Herren, der für uns Sünder diesen Weg beschritten hatte und in den Tod gegangen war, bezwang in jener Stunde die Herzen, die durch das Gericht Gottes in den Monaten vorher zur Reue gekommen waren, und sie gaben ihm zu solchem Weg ihr Ja.  –  Aus den Mädchenbibelkreisen entstand dann zwei Jahre später 1947 die Oekumenische Marienschwesternschaft.”
In ihrem Buch Oekumenische Marienschwesternschaft Weg und Auftrag schildert Frl. Dr. Schlink noch nähere Einzelheiten (S. 17-18):
„In diesen Freizeittagen ergab es sich zum erstenmal, unbeabsichtigt und von dem Geist Gottes geführt, daß dieser kleine Jugendkreis als eine zueinander gehörende und zur gleichen Zeit erweckte Jüngerschar gemeinsam in das Licht Gottes treten durfte. In dieser Stunde wurden wir nun miteinander zur Buße geführt. Eine nach der anderen kniete nieder, getroffen von Gottes heiligem Geist, und bekannte ihre Sünden. Es war heilige Stunde, eine Stunde tiefer Demütigung, in der vor Gott und Menschen offenbar wurde, wer wir in Wahrheit sind. Unser wahres Angesicht wurde aufgedeckt, die frommen Masken fielen. Dieser Vorgang war von größter Bedeutung hinsichtlich unseres späteren Auftrages als Marienschwesternschaft, der uns in diesen Monaten schon von Gott ins Herz gegeben wurde. Es war der Auftrag des priesterlichen Gebets, des Sichbeugens unter eigene und fremde Sünde und der Anbetung.”

Was von Frl. Dr. Schlink im vorerwähnten Abschnitt als Geist Gottes bezeichnet wird, kann man prüfen an dem Rundbrief des Mädchenbibelkreises Darmstadt vom November 1945. Dort heißt es:
„Uns alle aber wies der Geist durch zwei Gesichte auf den ganzen Ernst der Buße hin. Br. List sah, wie ein Engel unsere Lippen mit einer glühenden Kohle berührte. Eines unserer Mädel sah im Geist einen goldenen Ölzweig, von dem sich jede ein Blatt abbrach und in den Mund nahm, aus dem dann eine Feuerflamme herausschlug. Dadurch wurde uns klar, daß, bevor uns Christus recht als Priester einkleiden könnte, erst die Entkleidung an uns geschehen müßte (Sündenbekenntnis voreinander). Wir beschlossen nun, nach der Nachmittagsstunde unser Bußbekenntnis abzulegen. Beim Beten vor der Nachmittagsstunde sah D. über jedem von uns ein Schwert liegen und darüber drei Feuerflammen und über allem die himmlische Stadt. Der Geist trieb uns, ins himmlische Jerusalem hineinzusehen, und machte uns damit das verheißene Ziel so begehrenswert, daß wir bereit wurden zu einem radikalen Sündenbekenntnis. Es heißt, vorwärts zu eilen und sich im Kampf bis aufs Blut gegen die Sünde und im Leiden zubereiten zu lassen, damit wir für die Entrückung bereit sind.  Anschließend an diese Stunde gingen wir ins Gebet um rechte Buße. Es war sehr ernst, mit welcher Gewalt der Bußgeist über uns kam. Eine nach der anderen brach in die Knie und bekannte vor dem gekreuzigten Gott ihre Schuld in wahrer Reue. Als wir alle bekannt hatten, sah Frl. Dr. im Geist über uns das Wort stehen: Siehe, ich mache alles neu. Wir waren alle so glücklich, und nach und nach kehrte der Friede in unsere Herzen ein. Abends kamen die Falkengesässer Geschwister im kleinen Kreis dazu, und der Geist schenkte uns, über die Liebe zu sprechen. Frau Z. bekam die Botschaft: ,Gott will uns ins Reich der Liebe führen.` H. sah den Heiland ins Zimmer treten und jedem von uns segnend die Hände aufs Haupt legen und dann die Flamme auf jeder, das Zeichen, daß er seine Liebe in uns gesenkt hat.”

Über diese Gesichte und Offenbarungen sagt Gottes Wort in nüchterner Weise Kol. 2,1819: „Lasset euch niemand das Ziel verrücken, der sich gefällt in falscher Demut und Verehrung der Engel und sich mit seinen Gesichten rühmt und ist ohne Ursache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn und hält sich nicht an das Haupt, von dem her der ganze Leib durch Gelenke und Bänder gestützt und zusammengehalten wird und so wächst zu der Größe, wie Gott sie will.”
Aus diesem Buß-Grunderlebnis entstand die Marienschwesternschaft mit den 3 Gelübden, die in den katholischen Orden die Grundlage für das gemeinsame Leben bilden, nämlich:
– Armut
– Keuschheit
– Gehorsam.

Darüber schreibt S. v. Kortzfleisch: Das Katholisierende des Ordens führt kaum mehr zu eifrigen oder gar erregten Protesten. Die verwunderten, bewundernden und preisenden Berichte überwiegen. Gerade das hat einen alten Freund der Schwestern, der im Laufe der Jahre zum kritischen Freund wurde, schließlich bewegt, die Dinge zurechtzurücken. Pfarrer Rudolf Wintermann aus Darmstadt nahm einen Bericht der Journalistin Marlies Flesch-Thebesius zum Anlaß, ihr in der hessischen Kirchenzeitung Weg und Wahrheit im Juni 1960 zu antworten. Es geht ihm um die Weise, w i e berichtet wird, unreflektiert, ohne Hinweis auf die Kehrseite. Aber die Antwort traf nicht so sehr Frau Flesch-Thebesius als vielmehr die Schwestern, von denen sie berichtet, daß sie in Zeiten des Mangels beteten  „und nun stellte sich das notwendige Geld danach von selbst ein“. 
Muß man nicht an die Menschen in Chile denken, sagte Wintermann, die durch die furchtbare Erdbebenkette in bittere Not gekommen sind? Wenn wir daran denken, daß dort Menschen aus der Tiefe nach Gott schreien, dann „hören wir endlich auf, die Geschichte der Marienschwesternschaft so darzustellen, als habe Gott nichts anderes zu tun, als sich in ganz besonderer Weise um dieses besondere Schwesternhaus zu sorgen und zu zeigen, daß Gebet, Buße, Friede und Vergebung doch sehr lohnende Dinge sind“.
Und wie ist es mit dem Elisabethenstift in Darmstadt, mit dem Diakonieverein und dem Roten Kreuz, die Mühe haben, junge Schwestern zu gewinnen? „Liegt das etwa daran, daß sie weniger fromm sind als die Marienschwestern? Liegt es daran, daß sie schon lange keinen Heiligenschein mehr tragen? Oder liegt es vielleicht daran, daß hier ein ganz anderer, höchst strenger und schwerer Dienst vom frühesten Morgen bis zum späten Abend gefordert wird, ja zu Zeiten auch in der Nacht? Liegt es daran, daß diesem Dienst oft jegliche öffentliche Anerkennung fehlt, wie sie etwa die Marienschwesternschaft mit ihren geistlichen Spielen bei den beiden letzten Kirchentagen erworben hat? Liegt es daran, daß hier niemand daran denkt, eine Theaterkirche mit 1000 Plätzen zu erbauen, dafür aber oft bittere Not hat, den Etat unter Dach zu bringen?“

Die Einwände der Kritik, soweit sie bisher veröffentlicht sind, lassen sich in etwa fünf wesentlichen Punkten zusammenfassen:
1. Immer hat in der Kirche das stumme, helfende Dienen die Verkündigung korrigiert. Die Marienschwestern aber verzichten immer mehr auf Diakonie. Werden sie nicht um sich selbst zu kreisen beginnen? Sie stehen, im Gebet und Spiel, vor Gott. Aber die Gefahr wächst, daß Gott zu einem Spiegel wird, in dem man sich selbst betrachtet.
2. Der Gedanke, daß man das geistliche Spiel als eine fortdauernde, legale Form der Verkündigung ansehen müsse, ist fragwürdig. Kann man jahrelang spielen, ohne zum Schauspieler zu werden, auch zum Schauspieler vor Gott?
3. Die Marienschwestern und ihre Oberinnen, die sich fast ausschließlich von den ihnen zuteil werdenden Losungen und Weisungen leiten lassen, führen ein zu eigenwilliges Leben. Sie gliedern sich nicht hinreichend ein in den Rahmen der Kirche. Sie stellen sich nicht unter eine höhere kirchliche Ordnung.
4. Eine große Reihe von Vorbehalten betrifft das Auseinanderfallen von Idee und Wirklichkeit: Sie sagen, das Ende ist ganz nahe herbeigekommen, doch sie bauen für Generationen. Die Schwestern üben die Armut, aber die Schwesternschaft wird immer reicher. „Die Rede von der Armut der Schwestern ist ein sehr peinliches Wortspiel“, so wird dies schroff zusammengefaßt.
So muß es kommen, wenn einer eine besondere Berufung hat, wenn er davon spricht und auch andere unter die gleiche Berufung stellt. Dann muß er eine Lehre entwickeln; die Lehre aber hatte nur die schmale Basis eines außerordentlichen religiösen Erlebens…
Die vorerwähnten Ausführungen zeigen, wieweit sich die innere Stellung der Marienschwestern vom Evangelium und den reformatorischen Bekenntnisschriften entfernt hat. Wir haben es hier mit einer falschen Lehre zu tun, die wir auf Grund des Wortes Gottes als Irrlehre bezeichnen müssen. In diesem Offenbarwerden der Gesichte und Prophezeiungen (auch Zungenreden haben sie) zeigt sich ein falscher Geist, der in der Gestalt eines Lichtengels Gottes Wort verkündet und dieses durch Zeichen und Wunder bekräftigt. Eingang findet dieser falsche Geist immer leicht bei uns Menschen, wenn wir uns dem Hochmut öffnen (Haus auf dem Berg). Dann genügt nicht der schlichte Dienst in einem Bibelkreis oder bei einer Missionsgesellschaft und dergleichen, dann muß etwas Außerordentliches begonnen werden, das ein weites Echo in der Öffentlichkeit findet. Da genügen nicht mehr normale evangelische Gottesdienste, da werden evangelische Messen gehalten. Es genügen nicht Gebetszeiten und Gebetsgemeinschaften, da wird das Kettengebet gehalten, bei dem jeweils zwei Schwestern sich ablösen in der Gebetswache Tag und Nacht. Dr. Kl. Schlink sagt, wenn ihren Schwestern nicht ständig neue Gebetsgegenstände gegeben würden, dann erschlaffe ihr Gebetsleben. An im voraus bestimmten Tagen und Stunden haben die Marienschwestern im inneren Kreis das Zungenreden. Einem Besucher, der sein Befremden darüber zum Ausdruck brachte, daß man das Zungenreden so festsetzen könne, sagte Fräulein Dr. Schlink 1964: „Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan.“ Als sie sich erbot, sofort vor dem Besucher in Zungen zu reden, verzichtete der Besucher auf diese Sondervorführung.
An jedem Freitag, als dem Todestage Jesu, versammeln sich die Marienschwestern um den mit einem Schleier verhüllten Kruzifixus und beklagen und beweinen den Tod Jesu. Das ist aber nicht biblisch. Johannes sieht in der Offenbarung Kap. 5 das erwürgte Lamm die sieben Siegel brechen. Die Himmelswelt klingt auf in Lob und Anbetung. Vers 11 und 12 heißt es: „Und ich sah, und hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend, und sie sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.“ Und die Vertreter der Menschenwelt singen und sprechen in Vers 9: „Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist erwürgt und hast mit deinem Blut für Gott erkauft Menschen aus allen Geschlechtern . . .“ Und wir stimmen mit der Gemeinde Gottes heute in den Lobpreis ein: „Tausend, tausendmal sei dir, großer König, Dank dafür.“

Wie bezeugt sich der falsche Geist?

1. Er stellt neben Gottes Wort Gesichte und Offenbarungen und gibt eine unbiblische Auslegung des Wortes

In den entscheidenden Punkten des Lebens gibt nicht das Gotteswort den Ausschlag, sondern der Geist, der aus der jeweiligen Offenbarung spricht. Als ein Beispiel u. a. sei ein Geschehen aus den Jahren 1962/63 angeführt.
L. S., die Tochter gläubiger Eltern, wird auf einer Freizeit, die von einer Marienschwester geleitet wird, stark beeindruckt. Sie entschließt sich zur Aufgabe ihres Lehrerinnenstudiums, um Marienschwester zu werden. Der Vater ist dagegen. Nach Bitten und Ermahnungen gebietet er der Tochter, zunächst das Studium zu vollenden. Da schaltet sich die Führung der Marienschwestern ein. Briefe gehen hin und her. Von der Leitung der Marienschwestern wird der Tochter L. S. geschrieben, man habe um die Entscheidung ernst gebetet und danach die Losung gezogen aus Apostelgesch. 5,29:  „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Daraus wird nun von der Leitung gefolgert: Es ist Gottes Wille, daß die Tochter L. gegen den Willen des Vaters das Studium aufgibt und Marienschwester wird. In diesem Gehorsam beweise sie die rechte Jesusliebe. So geschah es dann auch. Die Tochter L. schied aus dem Vaterhause, ohne von dem Vater Abschied zu nehmen, und trat in das Mutterhaus in Darmstadt ein. Wir sagten oben, daß in den entscheidenden Phasen der Lebensführung sich der falsche Geist einschaltet, Gottes Wort beiseite drängt und seine jeweilige Botschaft durch Offenbarung, Gesichte, Losungziehen oder sonst ein Zeichen über Gottes Gebot stellt. Vater S. hat führenden Persönlichkeiten der Evangelischen Kirche diese Vorgänge zur Beurteilung unterbreitet. Sie stehen alle eindeutig dazu: Gottes Wort steht über dem Losungziehen. (Bei diesen Losungen handelt es sich nicht um die bekannten Herrnhuter Losungen.)

Was für ein Gott ist das nun, der durch das Losungziehen der Marienschwestern einen anderen Willen kundtut als in seinem ehernen Gesetz des 4. Gebotes 2. Mose 20,12: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt”?
Auf dieses Wort greift der Herr Jesus zurück, wenn es Matth. 15,1 ff. heißt: „Da kamen zu Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte von Jerusalem und sprachen: Warum übertreten deine Jünger die Satzungen der Ältesten? Sie unterlassen die Waschung der Hände vor dem Essen. Er antwortete und sprach zu ihnen: Warum übertretet denn ihr Gottes Gebot um eurer Satzungen willen? Gott hat geboten: ,Du sollst Vater und Mutter ehren; wer aber Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben.` Aber ihr lehret: Wer zu Vater oder Mutter spricht: Ich opfere Gott, was dir sollte von mir zukommen, der braucht seinen Vater oder seine Mutter nicht zu ehren; und so habt ihr Gottes Gebot aufgehoben um eurer Satzungen willen. Ihr Heuchler, gar fein hat Jesaja von euch geweissagt und gesprochen: Dies Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir; vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind.“ (Ergänzend dazu Mark. 7,9)

Weiter betont die Leitung der Marienschwestern, daß ihre ganze Arbeit auf diese Weise von Gott geführt und aufgebaut wurde. Wir fragen uns, nachdem wir Gottes Wort aus Mose gehört und des Heilands Bestätigung und Erklärung aus Matthäus und Markus vernommen haben:
Was für ein Gott hat die Marienschwestern geführt und dort gehandelt? Das kann niemals der Gott sein, der am Sinai die Zehn Gebote gab und niemals das fleischgewordene Wort, der Sohn Gottes Jesus Christus, der auf dem Felsen des alttestamentlichen Gotteswortes steht und in ernster Sprache die Satzungen und Erklärungsversuche der heuchlerischen Pharisäer abweist.
Niemals ist es der Gott, der sich uns im Alten wie im Neuen Testament offenbart mit dem heiligen Wort: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.“ Niemals ist das, was die Marienschwestern der Tochter L. inspirierten, eine Gottesoffenbarung! Niemals ist das Gerede von der bei ihnen so oft betonten Jesusliebe echt! Dieser Gehorsam, den die Leitung der Marienschwesternschaft verlangt und der sich auf eine Gottesoffenbarung durch das Losungziehen gründet, beruht auf einer Täuschung. In diesem Losungziehen, das das Gottesgebot mißachtet, erkennen wir die List Satans, der sogar die Heilige Schrift für seine Zwecke mißbraucht (Matth. 4,6). So werden unmündige Gemüter verwirrt und verführt.

Ebenso fragwürdig ist die Behauptung der Marienschwestern: Mutterhaus und Mutterhauskapellenbau sowie der Ankauf von Kanaan (großes Gelände am Mutterhaus) sind im Namen des Herrn auf sein Wort hin geschehen. Für den Ankauf von Kanaan  war die Losung maßgeblich: „Deinem Samen will ich dies Land geben“ (1. Mose 12,7).
Der Gott, der bei diesen Schwestern mit solcher Frivolität das eherne Gottesgebot beiseite schiebt, ist niemals der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, sondern ganz gewiß der G o t t  d i e s e r  W e l t im allerfrömmsten Gewande.

2. Der falsche Geist verführt zur Unnüchternheit
Paulus schreibt (2. Thess. 3,10): „ . . . wenn jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.” Was macht die Marienschwesternschaft? Statt ihr tägliches Brot mit ihrer Hände Arbeit zu verdienen, treiben sie fromme Kurzweil mit Beten, Fasten, Theaterspielen und dergleichen. Ihre Unnüchternheit wird wieder offenbar an dem am Eingang stehenden Tisch, der einlädt zum fröhlichen Geben. Fehlt das Fleisch, die Wurst, das Gewürz, Zahnpasta dann betet man eben, und es liegt nachher auf dem Gabentisch. Unser Herr und Heiland hat das viel einfacher und nüchterner gemacht: Er führte für sich und seine Jünger eine Geldtasche mit und ließ jeweils das Nötige kaufen, wie Joh. 4,8 beweist: „Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, daß sie Speise kauften.“ Joh. 13,29 steht: „Etliche meinten, weil Judas den Beutel hatte, Jesus spräche zu ihm: Kaufe, was uns not ist zum Fest.“

Die Marienschwestern leben nicht in der nüchternen Welt des Glaubens, der Gottes Wort als Grundlage und Richtschnur hat. Wie sie selbst bezeugen, schauten sie ihre Tracht, den Schleier und Verlobungsring in Gesichten. Auch sei auf ihr unnüchternes Reden von der Endzeit hingewiesen, wie es besonders in ihrem Spiel zum Ausdruck kommt.
Auch ihr künstlerisches Schaffen (Dichtung, Musik und Plastik) führen sie auf direkte Gabe vom Herrn zurück. Ein Beispiel für diese Dichtkunst gibt Dr. Kl. Schlink in dem Buch: Zielklar ist Gott am Werk, 1963:
Wir hören aus dem oben genannten Buch, Seite 80-82, was eine der Schwestern bei der Gestaltung von Engelsfiguren erlebte:
„Da Gott sie die himmlischen Gestalten oft im Gesicht sehen ließ, waren sie ihr sehr vertraut. So schreibt sie in jener Zeit: ,Wie dankbar empfinde ich immer wieder die Nähe der himmlischen Welt. Sie umgibt mich wie ein warmer Strom der Liebe in aller Dunkelheit. Ich hatte solche Schmerzen, da sah ich einen Engel mit dunklen Locken an meinem Bett sitzen. Er schaute mich strahlend an und sagte: Siehe, immer komme ich zu dir! Ich trage in den Händen diese goldene Schale, in die du dein Ja zum Leiden hineinlegen sollst, und dann eile ich mit großer Freude zum Herrn. Ich fragte ihn, wie er heiße. Er sagte: ,Aurina`. Da packte mich wieder eine Angst vor diesen Dingen, und ich dachte: Solch einen Namen gibt es nicht! Wochen nachher las ich in einem Buch, daß es ein lateinischer Name ist und golden bedeutet. Wie ist der Herr so gnädig!` (Aurina ist in keinem üblichen Lexikon zu finden. Die angegebene Übersetzung: „golden” scheint ein Phantasieprodukt der ekstatischen Schwester zu sein. Der Herausgeber.) …

3. Die Geisteswirkungen in der Marienschwesternschaft entsprechen den Geisteswirkungen in der Pfingstbewegung
Diese oben zitierten Praktiken der Marienschwesternschaft, verbunden mit Botschaften, Gesichten, Zungenreden, sind die gleichen, wie sie sich in der sogenannten Pfingstbewegung offenbarten und noch heute offenbaren. Die Führung der Marienschwesternschaft leugnet zwar, Beziehungen zur Pfingstbewegung zu haben, die Tatsachen reden aber eine andere Sprache. Nach ihren eigenen Aussagen besaßen und besitzen sie Verbindung mit dem Pfingstkreis in Falkengesäß/Odenwald, der sich um Familie List gebildet hat. Herr List ist bereits aus dem schon erwähnten Gesicht aus der Passionszeit 1945 bekannt. Chinamissionar Kampmann schrieb am 27. 10. 1943 an den Methodisten-Superintendenten Riedinger, den geistlichen Vater der Marienschwesternschaft:
„Ist Dir bekannt, was Frau R. mir sagte, daß zur Belebung des Mütterkreises die Mütter eines Tages einen buchstäblichen Kreis zu bilden hatten, innerhalb dessen zwei Frauen aus Falkengesäß anwesend waren? Eine derselben forderte die Mütter auf, dauernd Halleluja zu rufen. Nach kurzer Zeit geriet dann eine der Mütter in Ekstase. Ist das geistliche Übung oder Spiritismus? . . . Den Dämonismus der Zungenbewegung kenne ich seit 1906 mit zunehmender, schrecklicher Deutlichkeit.“

Frl. Dr. Schlink betonte auf Anfrage, daß einige Mädchen des Darmstädter Bibelkreises schon die Gaben gehabt hätten, bevor die entscheidende Freizeit in Falkengesäß/Odenwald stattfand. Über die geistliche Herkunft dieser ersten Gabenträger gab sie keine Auskunft. Die geistliche Mutter der Dr. Klara Schlink aber hat ihre geistliche Tochter nachdrücklich vor dem Pfingstgeist gewarnt, wie der verstorbene Pastor Karl Stegemann bezeugte.
Aus alledem ist erwiesen, daß die Gnadengaben (Visionen, Botschaften, Zungenreden) aus der Quelle des Pfingstgeistes kommen und niemals göttlichen Ursprungs sein können.

Eine nicht mehr zu übertreffende Botschaft wird uns berichtet in dem schon erwähnten Rundbrief von 1945:
„Er, der Gekreuzigte, schenkte uns die Botschaft: I c h  trete mitten unter euch mit meinen Wundmalen, die für euch bluten, o empfangt mit dürstender Seele die Liebe meiner einigenden und heiligenden Kraft an euch, so werdet ihr satt werden. Ich will euch begegnen in meiner Kreuzesschönheit, und eure Augen sollen aufgetan werden für alle meine Schmerzen um euch und die Kraft meiner aufopfernden Liebe für euch, Segen über Segen und Gnadenfülle habe ich für euch bereitet, da ihr mich erkennt, denn selig das Auge, das mich erkannt hat in meinem Kreuzesleiden und dessen Herz davon erfüllt wird.”

Bestätigt wird diese Botschaft von Fabrikant Krüger, der am 16. 3. 1949 an Chinamissionar Kampmann schreibt:
„ . . . Ich habe die kleine Schrift von Otto Kaiser über die Pfingstbewegung durchgelesen. Was dort 1907 geschehen ist und geschrieben wurde, deckt sich genau mit dem, was in dem inneren Kreis des Steinberges (Elternhaus der Dr. Kl. Schlink) vor sich geht. Die von Kaiser angegebenen Botschaften und Offenbarungen decken sich genau mit den Offenbarungen des Steinberges. Bitte, nimm die Botschaft der Frau Oberin Schlink an Frau R. zur Hand, wovon Du ja eine Abschrift haben wirst, da findest Du sofort, daß sie, nachdem die Einleitung ganz ordnungsgemäß ist, dann nachher in der Person des Heilands spricht. Hierin ist klar und deutlich bewiesen, daß diese Botschaft unter Inspiration dämonischer Geister vor sich geht.”
Im Abschnitt über die Pfingstbewegung ist bereits auf die Botschaft in „Ich-Form” hingewiesen worden und auf Grund des Gotteswortes bewiesen, daß so Gott nicht spricht. Hier aber in den inneren Kapitelsitzungen tritt ein  C h r i s t u s  auf, vor dem der Herr in seinem Wort Matth. 24,24-26 ernst warnt: „Denn mancher f a l s c h e Christus und f a l s c h e Propheten werden aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, so daß, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt würden.“
Der gekreuzigte und auferstandene Herr ist nie in den Leib eines Menschen hineingefahren, um durch das Medium in erster Person zu sprechen. Das geschieht nur in spiritistischen und anderen dämonischen Geisterkundgebungen und bei Besessenen und Wahrsagern, aber nie hören wir aus dem Mund der Apostel das „Ich-Jesus” oder ähnliche Reden.

Schriftgemäße Prüfung des Geistes
Ohne recht zu prüfen, laufen die religiösen Menschen zu Tausenden nach Darmstadt und kommen hingerissen und begeistert zurück. Die warnenden Stimmen werden überhört, abgelehnt und von sogenannten frommen Führern wird drohend der Finger erhoben: „Ihr betrübt den Heiligen Geist!“
Wir berufen uns darum auf das untrügliche Gotteswort, wie geschehen. Wir fügen die schriftgemäße Prüfung hinzu, die nach unserem Wissen bei den Marienschwestern nie geschehen ist, nämlich die Prüfung nach 1. Joh. 4, 13: „Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: ein jeglicher Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus ist im Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, daß er kommen werde, und ist jetzt schon in der Welt.”

Es steht außer Zweifel, daß die Marienschwestern an die Wahrheit der Bibel glauben, an Jesus Christus, den Menschen und Gottessohn, gestorben, begraben, auferstanden und gen Himmel gefahren, wie wir es im Apostolikum bekennen.   D i e s e r  G e i s t  aber, der in sie hineingedrungen ist und nun aus ihnen durch die Botschaften spricht, wird und muß, wenn er im Namen Jesu geprüft wird, bekennen, daß er nicht der Christus Gottes ist, sondern ein Lügengeist.

Wir fügen ergänzend als Beispiel für eine Geisterprüfung hinzu, was Prediger Johannes Seitz, Teichwolframsdorf, in der Schweiz erlebte:
„Ich erhielt von einem Pfarrer aus der Schweiz einen Brief mit der Bitte, ihn zu besuchen. Er schrieb: ´Bei uns ist der Heilige Geist eingezogen. Meine Schwester redet in Zungen und hat die Gabe der Weissagung. Täglich kommen Menschen zum Glauben.´ Darauf schrieb ich ihm, er möge vorsichtig sein, denn unter 100 Fällen sind 99 solcher Dinge vom Teufel bewirkt. Darauf erhielt ich die Antwort, ich hätte mich am Heiligen Geist versündigt und müsse jetzt kommen, um den Geist zu prüfen.  Daraufhin fuhr ich in die Schweiz. In der Abendstunde kam die Schwester in weißem Gewand ins Zimmer zu mir und dem Pfarrer. Der Geist sprach aus ihr: ´Ich bin gesandt von den himmlischen Höhen, auch euch das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen.´ Ich fragte: Woher kommst Du? Antwort: Vom Himmel. Ich sagte: Hast Du uns etwas anderes zu bringen, als was in der Bibel steht? Wisse, wir nehmen nichts an, was nicht in der Bibel steht. Der Geist aus der Dame: Ich bringe euch nur das, was in der Bibel steht. Da sagte ich: Dann bist Du nicht von Gott, sondern vom Teufel. Der Pfarrer erschrak und sagte: Bruder Seitz, du versündigst dich. Ich gab ihm zur Antwort: Du bist Theologe und weißt nicht, daß nirgends in der Bibel steht, daß Gott Geister fürs Evangelium schickt? Das ist unsere Aufgabe. Wir Staubgeborenen Menschen sind dazu berufen, das Evangelium zu verkündigen. Dafür schickt Gott keine Geister.  Du hast mich gebeten zu kommen, um den Geist nach dem Worte Gottes zu prüfen. Laß uns niederknien und den Herrn bitten, Klarheit zu schenken.
Wir knieten nieder und beteten. Nach längerem Gebet riß der Geist die Dame hoch und schrie: Verflucht ist Jesus Christus, ich bin verraten…  Die mit diesem „Heiligen Geist“ begnadete Schwester ist nach ernstem Gebetsringen von ihrer Besessenheit frei geworden.“
Was sind das alles für ungezählte, verlogene und weithin ins Verderben führende, den Namen und die Ehre Gottes verlästernde Zungenbotschaften! Erschütternd ist, daß sie dem König der Wahrheit, unserem Herrn und Heiland Jesus Christus, in den Mund gelegt werden.
Gebe der Herr, daß sich aus dem Kreis der Marienschwestern noch viele retten lassen von dem Weg, zu dem sie verführt sind. Unsere evangelische Christenheit aber möge sich warnen lassen vor blinder Bewunderung alles dessen, was an Außerordentlichem von Darmstadt ausgeht. Besonders aber wollen wir uns alle warnen lassen vor dem Geist des Hochmuts, der immer den Lügengeistern die Türen öffnet.  . . .

VI. Zusammenfassung

Der Hochmut als Grundübel allen Abfalls
Die allgemeinen Kennzeichen des Schwarmgeistes sind bereits auf den ersten Seiten zusammengefaßt worden. Hier soll lediglich noch einmal das Grundübel allen Abfalls hervorgehoben werden, nämlich der Geist des Hochmuts. Dieser Hochmutsgeist beginnt bei Luzifer und geht durch das ganze Menschengeschlecht. Wo Irrlehrer auftreten, wo Menschen vom wahren Glauben abfallen und ihre eigene Lehre bringen, da tritt der Geist des Hochmuts deutlich hervor. Montanus nennt sich Paraklet (Heiliger Geist), die Zwickauer Propheten erheben sich über Luther, Ignatius von Loyola und Irving haben einen unauslöschbaren Ehrgeiz, die Pfingstler behaupten eine Perfektion der Heiligung und meinen, durch Zungenreden und Geistestaufe in einem besonderen Gnadenstand zu sein, und Dr. Klara Schlink will etwas Besonderes, nämlich eine „Stadt auf dem Berge“ gründen und glaubt, mit der Einführung von Kettengebeten, Fasten, weißen Gewändern Gott einen besonderen Dienst zu tun. Ernste Warnungen, die sie auf den teuflischen Charakter ihres Weges hinwiesen, wurden von allen abgewiesen.

Aus diesem besonderen Hochmutsgeist kommen auch die übrigen Abirrungen wie z. B.:
1. Visionen und Offenbarungen; sie wurden von allen erwähnten Irrlehrern über das Wort Gottes gestellt.
2. Durch Selbstheiligung Verdrängung der Rechtfertigung (Ehelosigkeit, Armut, Gehorsam, Fasten, Ernährung durch Hostie, Verlassen der Familie usw.).
3. Selbstquälerische Meditation über das Leiden Christi (hl. Theresia, Ignatius von Loyola, Marienschwestern). Unnatürliches Weinen (hl. Theresia, Ignatius von Loyola, Marienschwestern). Stille Zeit (hl. Theresia, Zwickauer Propheten, Gruppenbewegung, Taize, Marienschwestern).
4. Unnüchternes Gebet (Kettengebete und  bei den Marienschwestern  Gebete um die natürlichen Dinge unseres Lebens, die nach Gottes Wort durch Arbeit erworben werden müssen; 2. Thess. 3,6-12).
5. Unbiblisches öffentliches Sündenbekenntnis (Pfingstbewegung, Gruppenbewegung, Marienschwestern).
6. Unbiblisches Hervortreten der Frauen (Montanisten, Nonnen des Mittelalters, Zwickauer Propheten, Pfingstbewegung, Selbitzer Bruderschaft, Marienschwestern).
7. Überspitzte Enderwartung (Montanisten, Donatisten, Schwärmer der Reformationszeit, Irving, Pfingstbewegung mit ihren Abzweigungen).
8. Offenbarungen des falschen Christus in „IchForm“ (Montanus, Schwärmer der Reformationszeit, Pfingstbewegung mit ihren Abzweigungen, Marienschwestern).
– Wer Ohren hat zu hören, der höre. –

VII. Ausklang

In dem vorliegenden Buch wurde den geistigen Strömungen in den verschiedenen Zeiten der Kirchengeschichte wie auch der Gegenwart immer wieder das Wort der Heiligen Schrift als alleingültige Norm gegenübergestellt. Nur im Licht des ewigen Gotteswortes ist es möglich, Wahrheit und Irrtum alles irdischen Strebens zu erkennen. Auch Dr. Martin Luther war sich der grundlegenden Bedeutung dieses Gotteswortes bewußt, darum lehnte er alles wunderbare, religiöse Beiwerk von Träumen, Visionen und dgl. ab und wies nachdrücklich auf das Wort Matth. 17, 5 hin: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; d e n  s o l l t  i h r  h ö r e n !“

Wie der Herr Jesus dieses Wort verstanden haben will, lehrt er die Emmausjünger mit den Worten Lukas 24, 25 ff.: „O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen in der ganzen Schrift aus, was darin von ihm gesagt war.“

An demselben Osterabend unterweist er die Jüngerschar in gleicher Weise, wie geschrieben steht Lukas 24, 44: „Das ist’s, was ich zu euch sagte, als ich noch bei euch war: es muß alles erfüllt werden, was von mir g e s c h r i e b e n ist im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, daß sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: Also ist’s geschrieben, daß Christus mußte leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und daß gepredigt werden muß in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.”
So kämpfte der Herr gegen seine Widersacher, die Pharisäer und Sadduzäer, und weist sie auf das geschriebene Wort hin. Diesem Wort sollen die Jünger Glauben schenken. Der Glaube des Thomas soll nicht beruhen auf des Thomas vorgesetzter Meinung: „Es sei denn, daß ich sehe und lege meine Hände . . .”, sondern so sagt ihm Jesus: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!”

Der Apostel Paulus schreibt ausführlich den Korinthern über die Geistesgaben, betont aber in 2. Kor. 5,7: „Wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.”

Der religiöse Mensch ist immer geneigt zu frommen Erscheinungsformen: Stimmen hören, Gesichte sehen, Wunderbares erleben, selige Gefühle haben und ähnliches. Das normale Wachstum des Christenmenschen geht durch die Scheidung des Seelischen vom Leben im Geist und in der Wahrheit. Hebr. 4,12: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn ein zweischneidig Schwert und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.”

Gekürzter Text. Auch die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, 2012

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Okkultismus

W. J. Ouweneel

Der Okkultismus

Ursprung und Entwicklung des Okkultismus aus biblischer Sicht

 

Die Folgen des Sündenfalls
Der moderne Okkultismus
Okkultismus und Evolutionismus
Die neue östliche Invasion
New Age, das neue Zeitalter
Wahrsagerei und Zauberei
Charismatischer Okkultismus
Die Folgen okkulter Betätigung
Die Befreiung aus okkulter Belastung

1. Der Ursprung des Okkultismus – die Folgen des Sündenfalls

Um die mystischen und okkulten Strömungen unserer Zeit zu verstehen, ist es notwendig, auf die Heilige Schrift zurückzugreifen. Dort wird der Sündenfall beschrieben (1. Mose 3 ), und wir begegnen in diesem Kapitel praktisch dem ersten okkulten Medium in der Bibel: der Schlange, die laut Offenbarung 12,9 eindeutig den Satan repräsentiert. Die Schlange gebrauchte dort in gewisser Hinsicht dieselben Methoden, die auch die heutigen Okkultisten anwenden, und empfahl Adam und Eva denselben Weg, den auch heute noch die Mystiker empfehlen: den Weg, auf dem der Mensch „Gott gleich“ sein könne, auf dem er „wie Gott“ sein könne und sich „mit Gott vereinigen” könne, so dass er wesentlich selbst „Gott“ würde. Das war das Wesentliche, das beim Sündenfall geschah. Der Mensch öffnete sich den feindlichen Mächten und kam unter ihre Einflüsse.

Von Anfang an jedoch konnten Menschen durch die Gnade Gottes aus jener Finsternis befreit werden. Gott bot dem gefallenen Menschen unmittelbar nach dem Sündenfall aber nicht nur die Errettung der Seele an, sondern schützte den Menschen auch vor manchen dämonischen Einflüssen, indem Er ihm einige seiner ursprünglichen Fähigkeiten fortnahm. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Mensch vor dem Sündenfall große geistige Fähigkeiten hatte, mit denen er in größerem Maß, als es uns heute möglich ist, mit der unsichtbaren Welt Verbindung und Gemeinschaft haben konnte. In seinem ungefallenen Zustand konnte der Mensch offensichtlich mit Gott wandeln und täglich Gemeinschaft mit Ihm haben. Prediger 3,11 sagt, dass Gott die Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt hat. Der Mensch ist ein Ewigkeitswesen, und auch nach dem Sündenfall ist dieses Verlangen nach ewigen und unsichtbaren Dingen in ihm vorhanden geblieben. Doch Gott hat diese Fähigkeiten stark eingeschränkt, weil der Mensch durch die Sünde von Gott getrennt war: „Eure Missetaten haben eine Scheidung gemacht zwischen euch und eurem Gott” (Jesaja 59,2). Wenn also der Mensch heute diese Fähigkeiten entwickelt, die nur als Reste in ihm vorhanden sind, kann er tatsächlich mit der höheren Welt in Verbindung kommen. Da aber der Weg zu Gott durch die Sünde verschlossen ist, bedeutet das, dass er nur mit der Gott feindlichen, dämonischen Welt in Verbindung treten kann.

Das ist der Grund, weshalb Gott in 5. Mose 18, als das Volk Gottes im Begriff stand, das verheißene Land zu betreten, jede Verbindung mit diesen okkulten Dingen absolut verbot. Diese Dinge waren Ihm ein Greuel. Die Völker, die vorher das Land bewohnten, übten diese Dinge in starkem Masse aus. Alle diese Völker sollten wegen ihres Götzendienstes ausgerottet werden, und das Volk Gottes sollte keine einzige Verbindung mit diesen Greueln haben.

5. Mose 18, 9 f. „Wenn du in das Land kommst, dass der Herr, dein Gott dir gibt so sollst du nicht lernen nach den Greueln dieser Nationen zu tun. Es soll keiner unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seiner Tochter durchs Feuer gehen läßt, keiner der Wahrsagerei treibt, kein Zauberer oder Beschwörer oder Magier oder Bannsprecher oder Totenbeschwörer oder Wahrsager oder der die Toten befragt. Denn ein Greuel für den Herrn ist ein jeder der diese Dinge tut und um dieser Greuel willen treibt der Herr, dein Gott sie vor dir aus. Du sollst vollkommen sein gegen den Herrn, deinen Gott. Denn diese Nationen, die du austreiben wirst, hören auf Zauberer und auf Wahrsager; du aber – nicht also hat der Herr, dein Gott, dir gestattet. Einen Propheten aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, gleich mir, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken, auf ihn sollt ihr hören.“

2. Okkultismus in den Religionen und  in der Philosophie

Der Götzendienst
Wenn wir die ersten Kapitel des ersten Buches Mose aufmerksam lesen, werden wir feststellen, dass der Götzendienst erst nach der Flut aufgeblüht ist. Götzendienst ist im Grunde nichts anderes als die Preisgabe des wahren Schöpfers, indem man Ihn ersetzt durch Geschöpfe, also indem man Menschen oder Tiere oder Kräfte der Natur anbetet anstelle des Schöpfers. Der Mensch fühlt sich nicht mit Gott, sondern mit dieser Schöpfung verbunden und erwartet sein Heil und seine Lebensführung von den Kräften dieser Schöpfung, z.B. von den Himmelskörpern oder von Bildern, die er sich selbst macht. So entwickelte der Mensch nach der Flut allmählich seine Fähigkeiten, mit dieser dämonischen Welt in Verbindung zu treten. Und diese Verbindung hatte Gott absolut verboten, nicht etwa, weil Er uns gering halten wollte, sondern weil Er wusste, dass der Mensch sich damit völlig in Unglück und Verderben stürzen würde. Das war der Grund, weshalb Gott dem Volk ausdrücklich gebot, sämtliche Völker in dem Land der Verheissung auszurotten und alle ihre Greuel und ihre Altäre und Götzenbilder zu zerstören. Das ist eine gute Belehrung auch für uns heutzutage, die wir sehen, wie diese Greuel um uns herum immer mehr zunehmen und leider auch viele Gläubige verführt werden und in Verbindung zu diesen Greueln treten.

Damit haben wir kurz die Entstehung des Götzendienstes skizziert, aus dem im Lauf der Zeit die grossen Weltreligionen entstanden, durch die der Mensch immer tiefer in Finsternis verfiel. Daneben sehen wir im Alten Testament das gnädige Handeln Gottes im Blick auf Sein irdisches Volk Israel, obwohl auch von ihnen viele in Götzendienst und sexuelle Sünden (was oft gepaart ist), die Hurerei, gefallen sind. Und leider ist es bei dem Volk Gottes im Neuen Testament auch so. Schon in seinem ersten Brief an die Korinther musste Paulus sie tadeln, dass viele durch dämonische Mächte in Götzendienst oder Hurerei oder andere Sünden geraten waren. Auch im Blick auf das Volk Gottes im Neuen Testament ist der Feind von Anfang an bemüht gewesen, Schaden anzurichten.

Die Macht der Dämonen in Religion und Philosophie
Nun wollen wir uns kurz dem Westen zuwenden, um zu sehen, wie die finsteren Einflüsse des Heidentums wieder Eingang in unserem „christlichen Abendland” gefunden haben. Das geschieht nicht von heute auf morgen; tatsächlich können wir die Ursprünge weit zurückverfolgen. Aus der griechischen Philosophie entwickelte sich eine rationalistische Linie, die im Mittelalter eine radikale Trennung zwischen dem Glauben und der Wissenschaft machte, die noch heute Schaden anrichtet. Aus dieser griechischen Philosophie entstand aber auch noch eine andere Linie. Plato versuchte schon, den Menschen mit der höheren Welt in Verbindung zu bringen. Doch der Philosoph Plotinus, der im 3. Jahrhundert nach Christus in Rom lebte und kein Christ war, entwickelte aus dem Platonismus den Neoplatonismus. Der Neoplatonismus ist griechische Philosophie plus Mystik.

Mystik und Mystizismus
Mystizismus und Okkultismus sind im Grunde dasselbe. Okkultismus ist die lateinische Bezeichnung und Mystizismus die griechische. Beide bezeichnen eine „Geheimwissenschaft”, die sich mit den verborgenen Kräften der Natur befaßt. Der Mystiker benutzt diese geheimen Methoden, um sich dadurch mit der Gottheit zu vereinigen, um hinaufzusteigen zu dem Weltgeist, dem höchsten Geist, der die ganze Natur durchzieht. Das ist also Anbetung der Natur. Im allgemeinen ist Mystizismus Pantheismus, in dem Gott nicht der Schöpfer der Natur ist, sondern die Natur selbst Gott ist. Es gibt natürlich Unterschiede, denn wir kennen auch einen „christlichen” Mystizismus und einen jüdischen, aber im wesentlichen läuft er immer auf die Vereinigung mit der Gottheit hinaus. Er ist die Lüge Satans aus 1.Mose 3,4.5: „Ihr werdet sein wie Gott, erkennend Gutes und Böses”. Das ist sowohl die Lüge im Hinduismus als auch im Buddhismus: Gott zu werden. Das ist die Lüge jeder Art von Mystizismus. Schon sehr früh drang durch den Neoplatonismus der Mystizismus in das Christentum ein.
Hier im Abendland entwickelte der Neoplatonismus sich zur gleichen Zeit wie auch die Kabbala, der jüdische Mystizismus, nämlich im Mittelalter. Der kabbalistische „Baum des Lebens” mit seinen zehn Sephiroth (den Attributen des „Göttlichen“) und seinen zweiundzwanzig Pfaden gibt ein raffiniertes okkultes und immer noch populäres mystisches System wieder. Durch dieses System können Menschen mystische Erfahrungen machen und in die übernatürliche, höhere, dämonische Welt eindringen. Es sind abscheuliche Erfahrungen, durch die diese Menschen mit dämonischen Kräften in Verbindung treten und lernen, sie zu benutzen und auf diese Weise auch mit dem Weltgeist, mit „Gott“ in Verbindung zu kommen.

Eine andere Form des Mystizismus ist die Alchimie. Sie gehörte im Mittelalter zu der sogenannten Wissenschaft und war eine Vermischung vieler heidnischer Elemente der Griechen, Ägypter und Perser, zusammen mit christlichen Elementen. All das wurde in die Christenheit eingeführt und vermischte sich unter der Oberfläche allmählich mit dem Denken des Menschen. Gleichzeitig entwickelte sich ein durchaus „christlicher” Mystizismus.

„Christliche” Mystik
Im Mittelalter begann sich deutlich ein „christlicher” Mystizismus zu entwickeln. Unter „christlich” ist gemeint, daß sich inmitten der Kirche öffentlich ein Mystizismus entwickelte und die Kirche diese Entwicklung förderte. Wir finden das bei vielen der sogenannten katholischen Heiligen und Mystiker, wie z.B. Bernard von Clairvaux.
Das Büchlein „Imitatio Christi“ von Thomas a Kempis wird von vielen Christen für ein christliches Büchlein gehalten. Eine „Imitation“ Jesu Christi ist aber ganz und gar unbiblisch. Man kann das mit einem Soldaten vergleichen, der seinen General imitieren will. Wir werden nicht aufgefordert, unseren „General“ zu imitieren, sondern ihm zu gehorchen. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Diese Imitation hängt jedoch mit der Einsmachung oder Vereinigung zusammen. In dem Büchlein von Thomas a Kempis (obwohl viel Gutes und Schönes darin steht) tritt dieser Mystizismus deutlich zutage. Diese Mystiker selbst zogen sich in die Stille zurück, damit ihre fünf Sinne möglichst wenig Impulse empfingen und sich der sechste Sinn entwickeln könnte (mit diesem Zurückziehen in die Stille haben auch die Klosterordnungen zu tun).

Im Grunde sind das dieselben Methoden, die auch die Buddhisten anwenden: passive Meditation. Bei einer solchen passiven Haltung jedoch handelt es sich um unbiblische Meditation und Konzentration. Sie sind in all den verschiedenen Strömungen gleich, ob es sich nun um den Judaismus, den Islam, den Buddhismus oder auch um verirrtes Christentum handelt. Auch die Ergebnisse sind immer die gleichen, nicht in dem Sinn, daß ein Hindu jemals die Jungfrau Maria sehen würde oder daß ein katholischer Heiliger jemals Vishnu schauen würde. Nein, man sieht das, was man erwartet und worauf man sich einstellt. Aber die Meditationsmethoden und ihre Ergebnisse sowie die Erscheinungen sind immer die gleichen. Wenn diese Heiligen anfingen, sich vom Boden zu erheben, was öfters vorgekommen ist, so sind das dieselben Erscheinungen wie bei den Mönchen in Tibet oder auch bei spiritistischen Sitzungen. Da sie aber unter dem Deckmantel des Christentums geschahen, waren sie oft schwierig zu deuten oder zu erkennen.

3. Der moderne Okkultismus

Der erste Angriff auf das Christentum in den ersten Jahrhunderten erfolgte durch den Neoplatonismus, den Gnostizismus und ähnliche mystische Einflüsse.
Der zweite große Angriff geschah unmittelbar nach der Reformation. Immer, wo biblisches Christentum neu belebt wurde, startete auch Satan einen neuen Angriff. Nun traten Männer auf wie Paracelsus und andere okkulte Ärzte, die Europa bereisten und in neuer Form den Okkultismus predigten und verbreiteten.

Der dritte Angriff erfolgte im vergangenen Jahrhundert. Die Aufklärung hatte sich stark gegen das biblische Christentum gerichtet, doch zugleich gegen den Okkultismus. Letzteres war an sich ein Vorteil, doch zum Ende der Aufklärung (Ende des 18. Jahrhunderts) wandten sich die Denker erneut dem Okkultismus zu. Und als sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf neue Weise ein biblisches Christentum verbreitete (denken wir nur an die Erweckungen die vielerorts stattfanden), erlebte zur gleichen Zeit auch der Okkultismus eine neue Blüte. Damit begann die Schlussphase, der endgültige Angriff, der in gewisser Hinsicht völlig gelungen ist. Ich muss dabei oft an das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen in Matthäus 25 denken. Das Erwachen der klugen Jungfrauen war ein großer Vorteil, doch der Nachteil war, dass gleichzeitig auch die törichten Jungfrauen wach wurden. Sie haben sich nie so gerührt wie in den letzten hundertundfünfzig Jahren, und das gerade hier im Herzen der Christenheit.

Ein Mann, der dabei eine große Rolle spielte war Johann Wolfgang von Goethe, dessen Faust beispielsweise von Anfang bis Ende Okkultismus ist. Ähnliche Einflüsse sehen wir auch in seinem persönlichen Leben. Er hat sehr viel Denker unserer Zeit beeinflusst, ebenso wie ein anderer, sehr einflussreicher Philosoph des vergangenen Jahrhunderts: Arthur Schopenhauer. Dieser Mann ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutend, denn er verstand, dass der Okkultismus hier im Westen einen neuen Impuls brauchte. Woher konnte der Okkultismus diesen Impuls bekommen? Der Westen, das Abendland, konnte in dieser Hinsicht nichts bieten, also musste man sich der reichen Tradition okkulter Religionen bedienen. Schopenhauer stellte sich als erster großer Denker hier im Westen deutlich positiv zum Buddhismus ein und wollte ihn bei uns einführen. Das war der Anlass, dass bereits im vergangenen Jahrhundert einige Missionare aus dem Osten hierher kamen. Doch die richtige Zeit für sie war noch nicht gekommen.

Theosophie und Anthroposophie
Aber auch hier im Abendland selbst kamen starke okkulte Bewegungen auf, die viele ehemalige christliche Bekenner anzogen. So entstand 1875 der theosophische Verein, gegründet von Oberst Olcott und Madame Blavatsky. Sie waren sehr stark okkult belastet und betätigten sich okkultistisch. Madame Blavatsky hat dazu beigetragen, dass viele solcher magischer, okkulter Orden entstanden, die unter der Oberfläche großen Schaden anrichteten. Als sie sich dem Osten zuwandte und Krishnamurti als einen reinkarnierten Christus betrachtete, wandte sich Rudolf Steiner von ihr ab und gründete die Anthroposophie. Theosophie bedeutet noch „göttliche Weisheit”, obwohl sie das ganz und gar nicht ist. Doch die Anthroposophie ist eine rein menschliche Weisheit, was dieser Begriff auch zu deutsch bedeutet. Bei der Anthroposophie steht der Mensch im Mittelpunkt. Die Anthroposophie ließ zwar den größten Unsinn der Theosophen hinter sich, aber in ihrem intellektuellen Bereich entwickelte sich der Okkultismus stark, zwar nicht wie die magischen Orden, die sich mit den groben Formen der Magie beschäftigen, sondern sie war eigentlich ein besonderer Okkultismus für Intellektuelle.

Wenn wir den aufkommenden Evolutionismus untersuchen, entdecken wir wieder einen engen Zusammenhang mit dem Okkultismus. Russell Wallace, der zusammen mit Darwin die natürliche Auslese als Grundbegriff der vermeintlichen Evolution entdeckte und mit ihm zusammen den ersten Artikel über die natürliche Auslese veröffentlichte, war ein bedeutender Spiritist, der auch ein Buch über den Spiritismus geschrieben hat. Er ist ein typisches Beispiel des modernen Wissenschaftlers, der sehr deutlich die Bedeutung der Evolutionslehre für den Okkultismus erkannte.

Auch Madame Blavatsky war sich dieser Zusammenhänge bewusst und kritisierte den Darwinismus, da er nicht diese klaren Schlussfolgerungen im Blick auf den Okkultismus zog. Sie sah, wie auch Russell Wallace, deutlich die Verbindung zwischen dem Okkultismus und dem Evolutionismus. Evolutionismus ist ja eigentlich nichts anderes als die Annahme, dass der Mensch sich aus der Materie als eine besondere Form von Information entwickelt habe. Der Evolutionismus besagt, Gott habe sich irgendwie in menschlicher Gestalt aus der Materie entwickelt. Damit war der Weg frei, dass ein konsequenter Evolutionist auch Okkultist und Mystiker sein konnte, wie es viele geworden sind (Madame Blavatsky, Russell Wallace, Fechner u.a.).

Das alles geschah in gewisser Hinsicht noch im intellektuellen Bereich. Die nächste Phase dieses teuflischen Programms war die Frage: Wie können wir jetzt die Jugend erreichen? Wenn man eine Änderung in der Gesellschaft durchführen möchte, gilt es nicht so sehr, die Älteren zu erreichen, die in einer gewissen Tradition stehen, sondern solche, die noch beweglich in ihren Gedanken und aufgeschlossen für neue Dinge sind; besonders, wenn sie von den Älteren enttäuscht sind. So bekamen z.B. C.G. Jung und besonders auch Aldous Huxley großen Einfluss auf die Jugend, auf die jungen Künstler in New York (Greenwich Village), wo die Beatniks entstanden, aus denen sich später in Amerika eine Jugendkultur entwickelte wie die Hippies usw.

C.G. Jung hatte sich in seiner Jugend schon eingehend mit dem Spiritismus beschäftigt; er gab für viele psychische Phänomene okkulte Erklärungen und gebrauchte auch okkulte Mittel in seiner Praxis. Wer sich näher dafür interessiert, kann die vor einigen Jahren erschienene Biographie über Jung von Prof. Paul Stern lesen. Stern ist Professor an der Harvard Universität und hat sehr deutlich über den persönlichen und geistigen Kampf von Jung geschrieben, wie er unter diesen geistigen Mächten gefangen war.

4. Okkultismus und Evolutionismus

Ein bedeutende Rolle zur Ausbreitung des Okkultismus spielt die Evolutionslehre. Das ist um so bemerkenswerter, da die Okkultisten und die Materialisten einander völlig entgegengesetzte Auffassungen vertreten, doch das ist nur oberflächlich der Fall. Richard Wurmbrand hat in seinem Büchlein über Karl Marx darauf hingewiesen, dass Marx, der große Materialist, wahrscheinlich gleichzeitig ein Satanist, ein Okkultist war. Und das trotz der scheinbar großen Gegensätze zwischen dem Materialismus und dem Okkultismus. Die Materialisten glauben, dass alles Materie ist, und „beweisen” das durch die Evolutionslehre. Durch die Evolution sind ihrer Meinung nach Menschen mit Tieren und Pflanzen verwandt und dadurch schließlich auch mit der leblosen Materie. Menschen sind danach nichts anderes als eine besondere Form von Materie. Der Okkultist argumentiert genau entgegengesetzt. Nach seiner Auffassung ist alles Geist. Der Mensch ist die höchste Form geistiger Kräfte, einer geistigen Persönlichkeit, und dieser Geist hat sich allmählich aus der Materie entwickelt, so dass die Materie eigentlich eingefalteter Geist ist.

Nach Auffassung der Okkultisten beweist also die Evolutionslehre, nach der sich ja alles aus der Materie entwickelt hat, dass der Geist bereits in der Materie vorhanden sein muss. Auf diese Weise ist der Mensch mit der ganzen Natur verbunden und verwoben. Der Mensch und die Natur bilden ein Ganzes. Das kommt sehr klar in dem Hauptsatz des Okkultismus zum Ausdruck, nämlich dem Konformitätsprinzip oder der Mikro – Makrokosmoslehre, die nichts anderes besagt als dieses: der Mensch ist ein Mikrokosmos, und das Weltall ist der Makrokosmos; was im Weltall stattfindet, spiegelt sich im Menschen wider, und was in dem Menschen stattfindet, spiegelt sich im Weltall wider. Das bedeutet: wenn der Mensch das Weltall gut interpretieren kann, kann er damit sich selbst interpretieren. Genau das tut die Astrologie.

Diese Aussagen der Astrologie werden verständlich durch das Konformitätsprinzip, denn danach ist der Mensch in evolutionistischer, geschichtlicher und organischer Hinsicht mit dem Weltall verbunden. Doch damit nicht genug. Die Okkultisten wenden dieses Prinzip weiter auf den Menschen an und sagen, dass bestimmte Körperteile wieder einen Mikrokosmos bilden, der dann den ganzen Menschen darstelle, wobei schließlich der Mensch in seiner Gesamtheit der Makrokosmos sei. So sagen die Okkultisten, dass man in den Handlinien den ganzen Menschen erkennen könne: seine Vergangenheit und seine Zukunft. Sehr häufig werden heute solche Erkenntnisse anhand der Iris, der Regenbogenhaut, gewonnen, also mit Hilfe der sogenannten Augendiagnose oder auch durch die Fußsohlendiagnose (womit auch die Reflexzonenmassage zusammenhängt). Gewisse Teile des Körpers sind also nach dieser Ansicht repräsentativ für den ganzen Körper. All diese Dinge werden aus dem Konformitätsprinzip gefolgert – man kann das geschichtlich nachweisen. In vielen okkulten Heilverfahren, Diagnostikmethoden und Therapien finden wir dieses Prinzip wieder. Diese Verfahren sind also sehr alt, wie auch die Augendiagnose seit langem mit der Astrologie eng verbunden ist. Die Leute, die am stärksten die Augendiagnose vertreten, sind entschiedene Anhänger der Astrologie und okkulter Heilverfahren.

5. Drei Hauptverführungen und die neue östliche Invasion

Wir müssen auch sehen, dass der Teufel in diesem satanischen Programm Menschen benutzt hat, um immer größeren Einfluss, besonders auf die Jugend, auszuüben. In diesem Zusammenhang muss ich Aleister Crowley erwähnen. Merkwürdigerweise ist dieser Mann in einer orthodox – biblischen Familie aufgewachsen. Seine Mutter kam aber aus dem Osten, und über sie hat er wahrscheinlich diese okkulten Fähigkeiten geerbt. Jedenfalls hatte er schon als Neunzehnjähriger dämonische Visionen und fühlte eine starke Berufung, sich dem Okkultismus zu widmen, was er dann auch getan hat. Er selbst ist mehr oder weniger im Hintergrund geblieben, hat aber durch seine Schüler starken Einfluss genommen und ist auf diese Weise wahrscheinlich sogar der einflussreichste Okkultist der ganzen vorigen Jahrhunderthälfte gewesen.
Er empfahl seinen Schülern, die Jugend zu lehren, wie sie in Trance geraten und dadurch ihr Bewusstseinsniveau verändern könnte, um dann mit der höheren, dämonischen Welt in Verbindung zu treten.

Popmusik, Sex und Drogen
Dazu nannte er drei Methoden: erstens einen sehr starken Rhythmus, wie man ihn in manchen alten Religionen wiederfindet und er sich heute in der Popmusik entwickelt hat. Durch seinen Schüler Kenneth Angle war Crowley der geistige Führer der Rolling Stones und hat diese in die Dämonie eingeweiht. Bei den Beatles sieht man dasselbe, wie z.B. die Aussage John Lennons deutlich macht, der gesagt hat, dass die Beatles nicht nur erfolgreicher wären als Jesus Christus, sondern dass ihr Erfolg auch dadurch zu verstehen wäre, dass sie ihre Seele dem Teufel verkauft hätten. Lennon hat das in den sechziger Jahren in Hamburg gesagt, und das wurde anschließend in der Zeitschrift der Popmusik veröffentlicht. Diese Leute haben das ganz offen ausgesprochen. Und wer die Texte zu ihrer Musik liest, sieht auch, was für eine Botschaft diese Satansevangelisten gepredigt haben. Aldous Huxley war der Meinung, dass kein Mensch, sei er auch noch so nüchtern, unberührt bleiben könnte von einem Rhythmus, wie man ihn z.B. bei den Wudu-Priestern in Haiti oder bei den Schamanen (Zauberpriester asiatischer und indianischer Naturvölker) findet. Tatsächlich würde eine Veränderung des Bewusstseins eintreten. Viele junge Leute haben das erfahren, die an solchen Popveranstaltungen teilgenommen haben.

Die zweite Empfehlung, die Crowley gab, war eine absolut freie sexuelle Revolution. Das ist in jeder modernistischen Jugendbewegung die Grundvoraussetzung: absolut freier Sex. Crowley hat zur Förderung dieser sexuellen Revolution eine gewisse Sex-Magie entwickelt, die einfach abscheulich ist.

Drittens empfahl er Drogen als Mittel, um in Trance zu geraten, also genau die Mittel, die schon vor Tausenden von Jahren bei bestimmten östlichen Religionen bekannt waren und schon immer dabei behilflich waren, leichter mit dämonischen Mächten in Verbindung zu treten.

Die neue östliche Invasion
In Verbindung mit dieser neuen Kultur von Popmusik, Sex und Drogen, die alle eng miteinander zusammenhängen (es waren ja besonders die Popmusiker, die die sexuelle Revolution entfachten und auch die Drogen empfahlen), wurden nun zum zweitenmal die östlichen Missionare ins Abendland eingeführt, und zwar durch die Beatles. Im vorigen Jahrhundert war das bereits einmal geschehen, aber da konnten diese Missionare sich nicht durchsetzen. Jetzt war die Zeit reif dafür, weil nun Millionen von Jugendlichen darauf vorbereitet waren, diese Dinge aufzunehmen. Im vergangenen Jahrhundert war das noch nicht so. Da erschienen diese östlichen Religionsvertreter zwar auf dem Weltkongress der Weltreligionen, aber da spielte sich alles auf einer intellektuellen Ebene ab und wurden nicht die Massen erreicht, geschweige denn die Jugend. Doch nun waren es die Popmusiker selbst, die über die drei Elemente Crowleys, Popmusik, Sex und Drogen, diese Dinge hier einführten, und leider sind Millionen von Menschen dieser Bewegung zum Opfer gefallen.

Die Drogen waren in den sechziger Jahren eine Ideologie. Sie spielten eine Zwischenrolle. Sie bereiteten die Jugend auf mystische Erfahrungen vor. Doch viele von ihnen entdeckten, dass es viel einfachere, leichtere und „gesündere” Methoden der Trance und der okkulten Erfahrungen gab, nämlich die östliche Mystik. Ein Beispiel (deren es viele gibt): Timothy Leary und Richard Alpert, zwei Psychologieprofessoren an der Harvard Universität, experimentierten in den fünfziger und sechziger Jahren eingehend mit LSD und empfahlen es als Mittel zu übernatürlichen, mystischen Erfahrungen. Sie selbst waren mit diesen Erfahrungen nicht völlig zufrieden und reisten nach Indien. Richard Alpert entwickelte sich dort zu einem Guru, kam als solcher nach Amerika zurück und rief dort eine eigene Guru-Bewegung ins Leben.

Die Drogen waren in diesem satanischen Programm die Vorbereitung für die Aufnahme der östlichen Mystik. Jetzt, wo viele Geschmack an okkulten Erfahrungen bekommen haben, gehorchen Millionen junger Menschen  nun diesen Leuten, nicht nur in der Hare-Krishna-Bewegung, sondern auch in der Hippie-Bewegung und in einer Bewegung, die weit gefährlicher ist, der Transzendentalen Meditation; und zwar ist sie deshalb weitaus gefährlicher, weil sie sich nicht so deutlich als eine Religion manifestiert.

Der Maharishi Mahesh Yogi, der durch die Beatles hier eingeführt wurde, behauptete, dass die TM (Transzendentale Meditation) keine Religion, sondern eine Wissenschaft sei. Untersuchungen u.a. an der Stanford Universität haben bewiesen, dass die TM mit Wissenschaft absolut nichts zu tun hat. Soweit sie überhaupt positive Resultate hervorbringt (Ruhe, Erholung), so können diese ebenso gut durch aktive, gesunde Meditation erreicht werden. Im allgemeinen sind die Folgen der TM negativ, und es ist eine Lüge, dass sie eine Wissenschaft und keine Religion sei. Jeder, der sich einmal mit der Einweihungszeremonie beschäftigt hat, stellt fest (wie ich das kürzlich noch in einem Interview mit einem bekannten Guru las, der von einem bekehrten TM-Jünger befragt wurde), dass diese Einweihungszeremonie in Wirklichkeit ein hinduistisches Verfahren ist: man nimmt Opfer mit, Früchte, weiße Tücher oder ähnliche Dinge und Blumen; sie werden dann dem Guru geopfert. Dann wird in Sanskrit (das nur wenige Menschen verstehen) zu den Götzen und dem Guru gebetet, und dadurch kommt man in diese Dämonie hinein, ohne dass die Menschen überhaupt eine Ahnung haben, was sie in Wirklichkeit tun. Durch diese schreckliche Lüge sind viele verfinstert worden. Wir müssen uns als Christen wirklich die Schuld daran geben, dass so viele Millionen Menschen, in deren Herzen Gott doch die Ewigkeit gelegt hat, sich nun diesen dämonischen Dingen zuwenden, um die Leere in ihren Herzen auszufüllen. Christentum und Bibel sind für sie bedeutungslos geworden.

6. Das neue Zeitalter – New Age

Wie kommt es, dass heutzutage so viele Millionen von Menschen hier im Westen den verschiedenen Strömungen zum Opfer gefallen sind? Denken wir nur neben der Hare Krishna Bewegung auch an die Transzendentale Meditation, an die Guru Maharaj Strömung und jetzt an die Bhagwan Sekte und vieles andere. Wie ist dies möglich? Was sind die Ursachen dieser Entwicklung? Wenn wir die Okkultisten selbst fragen, geben sie eine klare Antwort, die sich auf die Astrologie gründet, einen äußerst wichtigen Teilbereich des Okkultismus. Ihre Antwort ist, dass wir im Begriff stünden, in ein völlig neues Zeitalter einzutreten.
Bekanntlich habe in den letzten zweitausend Jahren die Sonne am 21. März, dem Frühlingsbeginn, im Sternbild der Fische gestanden. Doch ungefähr in unserer Zeit, vielleicht etwas früher oder etwas später, beginne ein neues Zeitalter, nämlich das des Aquarius oder Wassermanns, d.h. also, dass die Sonne dann zum Frühlingsbeginn im Sternbild des Wassermanns steht. Nach Aussage der Okkultisten und Astrologen sei das Zeitalter des Wassermanns ein besonders wichtiger Zeitabschnitt.

Die Zeit der Fische sei die christliche Zeit gewesen, denn der Fisch sei, wie die Okkultisten sagen, das Kennzeichen des Christentums. Die Jünger des Herrn Jesus waren Fischer, zuerst zum Teil in der wörtlichen Bedeutung und später Menschenfischer; auch sei der Fisch ein wichtiges Symbol bei den ersten Christen gewesen. Die christliche Zeit sei, nach Meinung der Okkultisten, eine finstere und tragische Zeit gewesen, eine Zeit von Kriegen, Unfrieden und Zerstörung, weil die Menschen nicht ihre wahren geistigen Fähigkeiten benutzt hätten, d.h. ihre paranormalen, okkulten Fähigkeiten. Sie seien mit ihren Fähigkeiten innerhalb der sichtbaren Welt geblieben und hätten keinen Gebrauch von den hohen Kräften gemacht, durch die Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Erde hätten gegründet werden können. Das würde sich jetzt ändern, da die Menschheit im Begriff stehe, das Christentum abzuwerfen.

In gewisser Hinsicht ist das auch so. Wir leben in dem nachchristlichen Zeitalter, in der Endzeit, oder, wir könnten auch sagen, in einer Übergangszeit. Es ist auch richtig, dass wir eine Zeit von Frieden und Gerechtigkeit vor uns haben, aber die wird völlig anders sein, als diese Okkultisten sich das vorstellen. Und vor dieser Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit wird eine ungeheure Verführung in dem „nachchristlichen Abendland” stattfinden, wo Millionen Menschen, die aus christlichen Häusern stammen und christliche Vorfahren gehabt haben, sich dem Okkultismus öffnen und Zeichen und Wundern nachrennen werden.
All das ist die Vorbereitung zur Annahme des Antichristen, der in Offenbarung 13 als das Tier aus der Erde beschrieben wird und der als der größte Magier dieser Zeit durch Zeichen und Wunder die Menschheit verführen wird. Er wird der Stifter einer Weltreligion sein, auf die sich sehr viele „Christen” schon heute vorbereiten. Und wenn dann der Herr Jesus wiederkommt, wird Er den Antichristen vernichten (vgl. 2.Thessalonicher 2,8) und danach ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit auf dieser Erde errichten, und zwar nicht durch Zeichen und Wunder, sondern durch Gericht, wie der Prophet Jesaja geweissagt hat: „Denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises” (Jesaja 26,9). Das ist ein völlig anderes Zukunftsbild als das der Okkultisten.

7. Wahrsagerei und Zauberei

Ich habe bisher versucht, in der Darstellung dieser geschichtlichen Entwicklung nachzuweisen, womit wir es zu tun haben, und möchte nun noch auf einige Dinge besonders eingehen. Die Wahrsagerei kommt in zwei Hauptformen vor: erstens als Zeichendeuterei wie in der Astrologie und der Handlesekunde, zweitens als ein verändertes Bewusstseinsniveau. Auch das Pendeln ist eine Form dieser Wahrsagerei durch bestimmte okkulte Fähigkeiten. Ich habe schon von etlichen Christen gehört, die beunruhigt waren, dass sie solche Gaben besaßen, und viele von ihnen, die wirklich den Wunsch haben, mit dem Herrn zu leben, wollen diese „Gaben” nicht nutzen, weil sie deutlich spüren, dass es Gaben aus dem Bereich der Finsternis sind. Ungläubige bemerken diese Finsternis natürlich nicht, weil sie ja sowieso unter satanischer Macht stehen.

Die zweite Hauptform der Wahrsagerei geschieht also aufgrund eines veränderten Bewusstseinsniveaus, wie wir das z.B. bei Kristallsehern finden. Auch da gibt es natürlich wieder viele Formen, und eine wichtige Form ist der Spiritismus, der, wie wir in 5. Mose 18 gelesen haben, für Gott ein Greuel ist.
Der Spiritismus als Bewegung entstand im vergangenen Jahrhundert, und man rechnet heute mit vierhundert Millionen Anhängern, und zwar in den verschiedensten Religionen. Das sind ungeheure Menschenmassen. Im Spiritismus befragen Menschen die Toten, wie sie meinen. In Wirklichkeit stecken hinter den Medien dämonische Mächte, die sehr gut imitieren und auch sehr gut Auskünfte über die Verstorbenen geben können. Auf diese Weise werden Menschen ganz massiv betrogen und geraten unter dämonische Einflüsse. Es ist unmöglich, an solchen spiritistischen Sitzungen teilzunehmen, ohne selbst unter dämonische Einflüsse zu geraten. Das wird in der Seelsorge immer wieder deutlich. In solchen Sitzungen findet man dieselben Phänomene wie bei katholischen Heiligen und den Mönchen in Tibet, die anfingen zu schweben. Von dem berühmten Medium Daniel D.Home wird berichtet, dass er im dritten Stockwerk aus einem offenen Fenster schwebte und durch das danebenliegende Fenster wieder hereinkam. Es handelt sich dabei immer um dieselben Erscheinungen. Darum ist es so sonderbar, dass die Menschen nicht erkennen, um was für eine Kraft es sich handelt. Satan gebraucht nur immer etwas andere Formen, um auf andere Weise Menschen irrezuführen.

Wir begegnen dieser Dämonie bereits vor dem Mittelalter oder sogar noch früher, auch in der katholischen Kirche selbst. Ich betone nochmals ausdrücklich, dass ich davon überzeugt bin, dass es in der katholischen Kirche wiedergeborene Christen gibt. Das steht außer Frage. Aber es gibt in der Geschichte dieser Kirche, außer den mystischen Heiligen, so viele okkulte Erscheinungen, dass wir nicht erstaunt zu sein brauchen, wenn solche, die aus dem Katholizismus zum Glauben kommen, häufig noch sehr viel Finsternis in sich tragen, wovon sie befreit werden müssen. Eine der Ursachen ist, dass sie zu den Heiligen gebetet haben, und hinter diesen Heiligen stehen dämonische Mächte, die dadurch, dass sie Menschen helfen, Anrechte an sie bekommen.

Auf das Vorhandensein dämonischer Mächte hinter diesen katholischen Heiligen lassen sich viele Phänomene zurückführen, wie z.B. auch Marienerscheinungen (die nichts anderes sind als spiritistische Visionen) und Materialisationen. Denken wir auch an Therese Neumann, die an jedem Karfreitag die Wunden des Herrn an ihrem Körper aufwies und stark aus der Seite und an den Händen und Füssen blutete. Das sind schreckliche Dinge, die ich nur ungern erwähne. Tausende Menschen, die an jedem Karfreitag an ihr vorüberzogen, gerieten so in Finsternis, indem sie durch solche Zeichen und Wunder stark beeindruckt wurden.

Zauberei
Ein weiterer umfangreicher Bereich ist die Magie. Bei der schwarzen Magie handelt es sich um Zauberkraft, die andere töten oder ihnen Schaden zufügen kann. Sie ist für Christen vielleicht weniger eine Gefahr als die sogenannte weiße Magie. Das ist Zauberkraft, die angewandt wird, um Menschen zu heilen. Die alten Schamanen in Sibirien und Nordamerika haben sich ihrer schon seit Jahrhunderten bedient. Wir finden sie ebenfalls in Afrika wieder in den sogenannten primitiven Ländern, auch in Verbindung mit dem Götzendienst. Doch auch im Westen werden die Heilverfahren der weißen Magie immer populärer; denken wir nur an die „Streicher” (Magnetismus), die seit dem vergangenen Jahrhundert bekannt geworden sind, wovon es zu meinem Bedauern nicht wenige auch in der Schweiz gibt. Wie viele Christen gibt es – man schämt sich, das sagen zu müssen- , die zu solchen Streichern oder Besprechern gegangen sind, um von ihnen Heilung zu empfangen. Viele meinten, dass das etwas völlig Harmloses sei, doch mussten sie einen hohen Preis für ihre Genesung bezahlen, nämlich indem sie dämonischen Mächten Anrechte an sich selbst gaben und sich ihnen dadurch auslieferten.

Hexerei
Wo das Christentum in unserem nachchristlichen Zeitalter aufgegeben wird, ist erstens räumlich eine Hinwendung zum Osten und zweitens zeitlich eine Hinwendung zur Vergangenheit festzustellen. Welch eine Verzweiflung muss die Menschen ergriffen haben, die zu den alten, heidnischen Religionen zurückkehren, die vor der Zeit des Christentums hier im Abendland ausgeübt wurden. Beispielsweise wurde bei Stonehenge in England der keltische Götzendienst wiedereingeführt. Eigentlich hat diese Religion unter der Oberfläche immer in der Hexenbewegung fortbestanden, wenn auch viel Falsches über diese Bewegung verbreitet worden ist und häufig unschuldige Menschen umgebracht wurden. Trotzdem hat es immer wahre Hexen gegeben, auch breitet sich heutzutage diese Bewegung, besonders in den englischsprechenden Ländern, wieder stark aus. Zeitlich wendet man sich also zu den Götzendiensten zurück, die früher hier im Abendland geherrscht haben.

8. Charismatischer Okkultismus

Aber das Schlimmste ist, und das ist wohl der größte Trick des Teufels, dass es ihm gelungen ist, eine Burg inmitten des evangelischen Christentums zu errichten. Eigentlich hätten wir das aus der Bibel schon wissen müssen. Wir lesen im Neuen Testament, dass es zu Beginn des christlichen Zeitalters Zeichen und Wunder gab. Es waren Zeichen und Wunder der Apostel, wie wir deutlich in 2.Korinther 12,12 lesen: „Die Zeichen des Apostels sind ja unter euch vollbracht worden in allem Ausharren, in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten”, und das finden wir auch in Markus 16,17.18 bestätigt: „Diese Zeichen aber werden denen folgen, welche glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden; Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.” Es war also eine Verheißung für die Apostel und für solche, die durch sie zum Glauben kommen würden. Aus Hebräer 2 wissen wir auch, dass der Herr Jesus den Dienst der Apostel durch diese Zeichen bestätigte, „indem Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen” (V. 4). Zeichen und Wunder waren also Merkmale der apostolischen Zeit. Doch das Neue Testament erwähnt in 2.Thessalonicher 2,9-10 noch einmal Zeichen und Wunder, und zwar für die Endzeit, das Ende des christlichen Zeitalters. Dort spricht der Apostel Paulus davon, dass in den letzten Tagen inmitten des Christentums ein großer Abfall stattfinden würde unter der Leitung des Antichristen, der durch Macht und Zeichen und Wunder der Lüge viele christliche Bekenner verführen würde. Wir finden also hier dieselben Ausdrücke wieder: Zeichen und Wunder. Es sind ähnliche Phänomene wie zu Beginn des christlichen Zeitalters, aber jetzt (nach 2.Thess.2) aus dämonischen Quellen. Wir hätten Grund, erstaunt zu sein, wenn wir inmitten des biblischen Christentums diese riesige Bewegung nicht finden würden, die begleitet ist von diesen Zeichen und Wundern aus der Quelle Satans.

Bei dieser Bewegung hier im Westen kann man zwei Phasen unterscheiden. Die erste Phase begann Anfang dieses Jahrhunderts in der Pfingstbewegung, wodurch außerhalb der bestehenden Kirchen viele Pfingstgemeinden entstanden. Weitaus bedeutsamer ist aber die zweite Phase, die in den sechziger Jahren ausgelöst wurde durch einen gewissen Bennett, nachdem er die sogenannte „Taufe mit dem Heiligen Geist” empfangen hatte. Schon die Beschreibung dieser Taufe macht deutlich, welche Kräfte am Werk waren. Als er nach Empfang dieser vermeintlichen „Taufe mit dem Heiligen Geist” nach Hause kam, berührte er die Haustürklinke, und er beschreibt, dass dadurch unmittelbar ein Strom durch das ganze Haus gegangen sei, der seine Frau geweckt habe. Das hat natürlich mit den Zeichen zu Beginn des Christentums nichts zu tun. Es sind genau dieselben Kräfte, wie wir sie im Spiritismus und Okkultismus finden. Solche Erscheinungen sind altbekannt, sie haben absolut nichts mit dem Neuen Testament zu tun. Und solche Leute wie Bennett waren die großen Führer dieser sogenannten charismatischen Bewegung. Ich bin davon überzeugt, dass sich hierin auch viele wiedergeborene Christen befinden, aber der größte Teil von ihnen wurde verführt. Wir erheben unsere Stimme auch nicht gegen diese Menschen sondern gegen ihre Irrlehren; dazwischen müssen wir immer einen scharfen Unterschied machen.

Als dann diese Bewegung auch die römischkatholische Kirche erfasste, u. a. durch Bücher von David Wilkerson und die Bemühungen von David du Plessis, spielte das Evangelium gar keine große Rolle mehr. Tausende Katholiken empfingen diese sogenannte „Taufe mit dem Heiligen Geist”, ohne etwas von dem Evangelium und dem Blut des Herrn Jesus Christus gehört zu haben, ohne dass sie also Busse über ihre Sünden getan hatten und ohne wiedergeboren zu sein. Durch die „Taufe mit dem Heiligen Geist” fingen sie an, in Zungen zu reden, und verloren die Kontrolle über sich selbst. Mächtige ekstatische Bewegungen entstanden. Die ökumenische Bewegung ist in gewisser Hinsicht überholt. Das war eine Bewegung, in der Institutionen sich zusammenschließen wollten und sich bemühten, Glaubensbekenntnisse aufeinander abzustimmen. Diese Zeit ist vorüber. Man ist nicht mehr an Glaubensbekenntnissen interessiert. Die Menschen finden einander sowieso außerhalb der Kirche. David du Plessis, der früher als evangelischer Schriftsteller bekannt war, sagt heute, dass er nicht mehr wisse, ob er evangelisch oder katholisch sei. Für Menschen, die die „Taufe mit dem Heiligen Geist” empfangen haben, ist das einerlei. Sie kommen aus den verschiedensten Bekenntnissen und finden einander durch die Zeichen und Wunder. Sie werden so davon beeindruckt und erleben eine geistige Gemeinschaft miteinander, dass sie von nichts anderem mehr etwas wissen wollen.
Ich glaube, dass dies insbesondere die Vorbereitung für die mächtige Weltreligion des Antichristen ist. Der Antichrist wird durch diese magischen Zeichen und Wunder sowohl Christen als auch Juden verführen (Offenbarung 13,13.14; 1. Johannes 2,22), und ich habe den Eindruck, dass er auch die okkulten Kräfte im Islam mobilisieren wird, so dass wirklich eine massive Weltreligion zustande kommt.
Der bekannte Prediger der Pfingstbewegung, William Branham, war von vielen solchen okkulten Phänomenen gekennzeichnet. Man hat ihn photographiert, als er während einer Predigt einen Strahlenkranz um den Kopf hatte. Solche „Heiligenscheine” sind uns bereits von katholischen Heiligen bekannt. Er selbst hielt diesen „Heiligenschein” für ein wunderbares Zeichen seiner göttlichen Berufung. In Wirklichkeit ist er eine okkulte Erscheinung, die wir aus anderen okkulten Strömungen kennen, und wir brauchen uns über ihr Auftreten bei Menschen wie Branham nicht zu wundern.

9. Die Folgen okkulter Betätigung

Die Beobachtung der Seelsorge erhärtet die Tatsache, daß okkulte Betätigung das christliche Glaubensleben schwer schädigt. Der Glaube an Buddha oder an Mohammed oder an sonst eine religionsgeschichtliche Größe wird durch okkulte Praktiken nicht beeinträchtigt. Auch das läßt Hintergründe erkennen. Der Okkultismus macht immun gegen das Pneuma, das heißt, er stumpft ab gegen die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Das darf nicht falsch verstanden werden. Das allgemein religiöse Leben schädigt er nicht, im Gegenteil, der Okkultismus ist ja selbst zum großen Teil eine “religiöse” Bewegung. Ganz grob gesagt heißt das: der Teufel nimmt uns nicht unsere “Religiosität”, aber er will unter allen Umständen verhindern, daß wir Jünger Jesu werden. Die Jüngerschaft Jesu und eine Wiedergeburt durch den Heiligen Geist ist aber etwas total anderes als Religiosität
Die weitere Beobachtung der Seelsorge zeigt, daß in enorm vielen Fällen sich aus der okkulten Betätigung seelische Störungen entwickeln.
Wir halten an allen diesen Stellen fest, daß der Okkultismus sowohl in wissenschaftlicher als auch in primitiver Form unter dem Gericht Gottes steht. Gott hat sie dahingegeben. Das ist der letzte Grund, warum bei den vielen Formen okkulter Betätigung so viele schwere Schädigungen an Leib und Seele auftreten. Es sollen diese Folgen einmal kurz zusammengefaßt werden. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß die Zusammenstellung der Folgen nur die Angabe von Häufigkeitserscheinungen darstellen. Es handelt sich nicht um eine einfache Kausalität (Ursächlichkeit). Es zeigen sich bei okkult behafteten Menschen in großer Häufigkeit:
    In religiöser Hinsicht beim atheistischen Typ Widerstand gegen alles Göttliche, Verstockung, Zweifelsucht, Lästersucht, Unfähigkeit zum Glauben und Beten. Beim “frommen” Typ zeigen sich Selbstgerechtigkeit, geistlicher Hochmut, Pharisäismus, Heuchelei, Unempfindlichkeit gegen das Wirken des Heiligen Geistes.
    In charakterlicher Hinsicht finden sich abnormale Leidenschaftlichkeit, Hang zu Süchten, Haltlosigkeit (Nikotin, Alkohol, sexuelle Entgleisungen), Jähzorn, Geiz, Klatschsucht, Egoismus, Fluchgeist usw.
In medizinischer Hinsicht finden sich in okkultbelasteten Familien in merkwürdiger Häufung nervöse Störungen, psychopathische und hysterische Erscheinungsbilder, Veitstanz, Lähmungserscheinungen, Fallsucht, Mißgeburten, Taubstummheit, mediumistische Psychosen, Neigung zu Gemüts- und Geisteskrankheiten usw.

10. Die Befreiung aus okkulter Belastung

Eine Befreiung aus dem Banne des Okkultismus ist nur durch Christus möglich. Jede medizinische oder psychologische Hilfe wird dem geistlichen Charakter dieses Phänomens nicht gerecht. Durch die Tat Christi am Kreuz und am Ostermorgen ist die Seelsorge an okkult Belasteten eine sieghafte Seelsorge ohne Furcht. Satan und alle seine Trabanten sind ein geschlagenes Heer. Alle okkulten Mächte sind durch Jesus entmächtigt. Das ist der Triumphgesang des Neuen Testaments:
“Christus hat die Fürstentümer und die Gewalten völlig entwaffnet und hat sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst” (Kol. 2,15). Was die alttestamentliche Gemeinde sang: “Die Rechte des Herrn behält den Sieg” (Psalm 118,15), erfüllte sich in Christus. Der Apostel Paulus jubiliert: “Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus” (l. Kor. 15,57). Die Erlösung und der Sieg Jesu ist der Hintergrund einer hoffnungsvollen Seelsorge und Hilfe für den okkult Gebannten. Im einzelnen muß bei dieser seelsorgerlichen Beratung auf folgende Punkte geachtet werden:
Der erste Schritt ist die Wiedergeburt, ein wahrhaftiger Glaube an den Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, den Gott in diese Welt gesandt hat, damit Er die Sünden derer trüge, die an Ihn glauben würden. Sündenbekenntnis und Annahme des Herrn Jesus als Erlöser sind also das erste. Wer diesen ersten Schritt getan hat, wird Ihm dann sein Leben völlig anvertrauen und Ihm geweiht leben. Ohne diese Voraussetzung gibt es keine Befreiung und werden Sie auch niemals Ihre wirklichen okkulten Probleme sehen.

Zweitens ist es absolut notwendig, ein geheiligtes, persönliches Glaubensleben zu führen. Andernfalls wird der Teufel immer wieder neue Anrechte an uns geltend machen. Durch Unterweisung aus der Schrift über diese Dinge oder auch durch die Hilfe eines Seelsorgers werden Sie sehen, welche Anrechte der Teufel möglicherweise in der Vergangenheit an Ihnen bekommen hat durch spiritistische und okkultistische Verbindungen, ob nun im Zusammenhang mit der charismatischen Bewegung, durch Zungengeister oder was auch immer. Aus der Seelsorge wissen wir, wie äußerst schwierig es häufig ist, dass Leute von diesen Zungengeistern befreit werden, wenn sie einmal durch Handauflegung unter diese Einflüsse gekommen sind. Jemand kann daher nur davon befreit werden, indem er aus der Schrift darüber aufgeklärt wird und wirklich frei werden will. Man muss dazu kommen, persönlich vor Gott die Sünden, die in dieser Hinsicht in der Vergangenheit begangen worden sind, zu bekennen. Jede Verbindung mit dem Okkultismus, auch mit okkulten Heilverfahren, muss unter aufrichtiger Demütigung als Sünde bekannt werden. Satan wird alle Macht aufwenden, Menschen daran zu hindern, sich durch Gebet und Fasten über solche Verbindungen zu demütigen.
Doch nur, wer solche Anrechte des Feindes zerbricht und sich deutlich davon lossagt und sich völlig dem Herrn Jesus Christus ergeben und sich Ihm weihen möchte, kann befreit werden. Für solche gibt es Hoffnung und auch die Hilfe biblischer Seelsorger, weil Menschen, die tief in dieser Finsternis gefangen waren, auch seelsorgerliche Hilfe brauchen.  –  Der bekannte Seelsorger Pfarrer Dr. Kurt Koch hat seine Erfahrungen diesbezüglich so formuliert:

a) Wer frei werden will, muß sich rückhaltslos Jesus ausliefern. Hier gibt es keine Zwischenlösung und halbe Entscheidungen. Man kann nicht zwei Herren dienen.
b) In fast allen Fällen zeigt sich, daß der Belastete ohne eine Generalbeichte nicht durchkommt. Die Beichte ist sonst im Neuen Testament eine freiwillige Sache. Ich erlebte es aber bei weit über tausend okkulten Fällen noch nicht, daß einer ohne gründliche seelsorgerliche Aussprache frei wurde. Jakobus mußte ja wohl seine Erfahrungen gemacht haben, weil er riet: “Bekenne einer dem andern seine Sünden!” (Jak. 5,16).
c) Es gibt schwierige Sonderfälle, bei denen ein Lossagegebet erforderlich ist. Okkulte Betätigung ist ja immer ein oft unbewußter Vertragsschluß mit der Finsternis. Dieser Vertrag wird in Gegenwart des Seelsorgers, der an dieser Stelle Zeuge ist, durch das Lossagegebet gekündigt. Diese Kündigung ist einmalig. Sie wird nicht wiederholt. Dieses Lossagen kann etwa in die Worte gefaßt werden: “Im Namen Jesu Christi sage ich mich von dir, Satan, los und verschreibe mich Jesus als meinem Herrn.” – Auf den Wortlaut kommt es natürlich nicht an. In der Seelsorge gibt es keine magischen Formeln.
d) Unter Umständen kommt von seiten des Seelsorgers auch das Gebieten im Namen Jesu in Frage. Es ist aber meistens große Sachkenntnis und die Gabe der Geisterunterscheidung nötig, daß hier mit dem Gebieten kein Unfug getrieben wird. Es wäre verfehlt, bei einem Gemütskranken oder Geisteskranken, also bei einem medizinischen Sachverhalt, zu gebieten. Hier können in der Seelsorge verhängnisvolle Fehler gemacht werden. Lieber große Zurückhaltung üben als in unklaren Fällen zu gebieten. Wer gebietet, muß ein Jünger Jesu sein und sich im Glauben bewußt unter den Schutz Jesu stellen. Es kann ihm sonst passieren, daß er schwere Anfechtungen erlebt. Bei okkult Belasteten wird im allgemeinen nicht unter Handauflegung gebetet. Jesus hat nur Kranken die Hände aufgelegt, bei Besessenen hat er geboten.
e) Der Befreite muß fleißig die Gnadenmittel gebrauchen: Wort Gottes, Gemeinschaft der Gläubigen, Brotbrechen, Gebet (Apg. 2,42). Wenn Anfechtungen nach der seelsorgerlichen Betreuung wiederkommen, muß der Befreite sich täglich und stündlich unter den Schutz des Blutes Jesu stellen. Das ist keine gefühlsselige Blutsmystik, sondern biblische Realität. Mit Gefühlsduselei läßt sich kein Kampf gegen die Finsternis führen. Lassen die Anfechtungen nicht nach, dann darf der Befreite selbst auch im Namen Jesu gebieten. Das Gebieten von Weltleuten ist völlig sinnlos, unter Umständen sogar gefährlich, wie z.B. Apg. 19,13 zeigt. Das Gebieten von Christen mit mangelnder Hingabe an Jesus hat keine Kraft. Da die vertriebenen Geister und Mächte gern in ihre alte Behausung zurückkehren (Luk. 11,24-26), muß der Befreite wachsam sein. Zur Abwehr ist die geistliche Waffenrüstung (Eph. 6,10-18) erforderlich. Die wichtigste Waffe ist der Schild des Glaubens und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes
f) Es gibt schwierige Fälle, bei denen die Seelsorge nicht sofort zu einer ganzen Befreiung führt. Es gibt da zwei Möglichkeiten besonderer Hilfe. Meistens muß ein kleiner Gebetskreis von zwei oder drei Gläubigen gebildet werden, die wöchentlich mindestens zweimal zum Gebet und zur Fürbitte zusammenkommen. Der Belastete wird in diesen Kreis hineingenommen. Die Fürbitte wird solange fortgesetzt, bis eine Befreiung eintritt. Ein kleiner Gebetskreis hat eine größere geistliche Vollmacht als der Einzelseelsorger. Ihm gilt die Verheißung: “Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, daß sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel” (Mt. 18,19
g) Es muß beachtet werden, daß bei psychiatrischen Krankheitssymptomen auch der Facharzt zu Rate gezogen wird. Der Seelsorger auf diesem Gebiet darf nicht zum psychiatrischen Kurpfuscher werden.

Diese Darstellung der Gefahren des Okkultismus soll ausklingen mit der Frohbotschaft: das Evangelium ist die große Siegesnachricht vom erfolgreichsten Kampf der Weltgeschichte. Das Kreuz von Golgatha ist das große Mahnmal des Sieges und der Befreiung von allen Mächten der Finsternis. Wer zum Kreuz kommt, hat teil an diesem Sieg Jesu Christi.

Dr. Willem J. Ouweneel ist Holländer, Jahrgang 1944. Er studierte Biologie an der Reichsuniversität Utrecht und promovierte 1970 über eine These auf dem Gebiet der Entwicklungsbiologie und Vererbungslehre. Bis Ende 1976 war er bei der Königl. Niederl. Akademie der Wissenschaften für Forschungsarbeiten angestellt. Der Autor hat sich darüber hinaus intensiv mit der Bibel beschäftigt. Naturwissenschaftliche und biblische Vorträge sowie seine Veröffentlichungen auf beiden Gebieten machten ihn im In- und Ausland bekannt. Über seine naturwissenschaftlichen Ergebnisse liegen 20 Veröffentlichungen vor. Zu seinen Hauptthemen gehören Evolutionslehre, Okkultismus und Apologetik. Dr. Ouweneel doziert Philosophie an der Evangelischen Hochschule Amersfoort und ist Hauptredakteur der Zeitschrift „Bijbel en Wetenschap” (Bibel und Wissenschaft).

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