Watchman Nee – Gottes Bote in China (A.Kinnear)

Angus I. Kinnear

Watchman Nee

Ein Leben gegen den Strom

Inhalt

Wer ist wer?
Das Gottesgeschenk
Ehre deine Ahnen
Revolution
Hingabe
Das Samenkorn entfaltet sich
Die Glaubensprobe
Dienst im Ausland
Die alten Weinschläuche
Irdene Gefäße
Ernüchterung
Neue Horizonte
Der Höhepunkt
Rückkehr
Die Falle klappt zu
Die Feuerprobe
Unterdrückung
Die letzten Jahre

Eingestellt und leicht gekürzt von Horst Koch. Auch die Textbetonungen sind von mir. Im Herbst 2023.

Vorwort des Autors

Wenn ich diesen Bericht über Leben und Dienst Watchman Nees vorlege, so geschieht das aus einer gewissen Distanz, da ich nie in China gewesen bin. Ich war ein junger Missionar, der von England gerade nach Indien ausreisen sollte, als ich einige unvergeßliche Wochen mit Nee verbrachte. Leben und Dienst des Christen erschienen mir danach in einem neuen Licht; ich gewann eine neue Ausrichtung und sah das Ziel klarer. . . Das eine erhellt das andere. Dazu kommen die vielen Anekdoten, mit denen er seine Gedanken veranschaulichte . . . Alles zusammen zeigt Gottes Hand in einem Leben, das durch welterschütternde Ereignisse führte.
Bei meiner Arbeit haben mir also viele Menschen geholfen; aber an erster Stelle muß ich meine Dankesschuld gegenüber der verstorbenen Elisabeth Fischbacher erwähnen, die das beste von Nees Predigten und Artikeln in zuverlässigen Abschriften festhielt. . . . Bei der Deutung der Ereignisse verdanke ich viel der Reife und Weisheit des verstorbenen Faithful Luke, der schon als Knabe Watchmans Freund war. . . .
Angus I. Kinnear London 1973

Wer ist wer?

Die Nee (Ni) Familie (in der Futschou-Sprache: Nga)
Watchmans Eltern:
Ni Weng-hsiu (W. H. Ni) oder Nga Ung-siu aus Futschou, geboren 1877. Höherer Beamter am Zoll. Gestorben in Hongkong 1941.
Lin Huo-ping (
Peace Lin), geboren 1880 in Futschou, starb in Swatou 1950, in Singapur.

Watchman, geb. 1903, früherer Name Ni Schu-tsu, gestoben 1972

Chang Pin-huei oder Charity Chang, Ehefrau von Watchmann Nee. Gestorben 1971 in Shanghai


1. Das Gottesgeschenk.

Im Mittleren Königreich war der Frühling schon weit vorgerückt, und die Zeit der »Reinen Heiterkeit« war der des »Kornregens« gewichen. Die Nachtluft war klar. Schäfchenwolken trieben über den silbernen Mond. Kein Nebel verhüllte die zusammengedrängten Hausboote auf dem Min. Die Stadt Futschou-Fu hatte ihre sieben Tore unter den vielstöckigen Türmen geschlossen. . . .
. . .   Wieder schloß sie die Augen, aber nicht um zu schlafen. Zum hundertsten Mal flüsterte sie: »Laß es ein Junge sein!« Groll brannte in ihr, als sie sich an die bösen, spottenden Worte erinnerte, die ihr den Besuch bei den Schwiegereltern so schmerzlich machten. Die chinesische Gesellschaft legte großen Wert auf männliche Nachkommen, und sie hatte ihrem freundlichen Nga Ung-siu nur zwei Mädchen geboren. Ihre Schwiegermutter in Kanton war wütend gewesen. Die unglückliche Frau ihres ältesten Sohnes empfinge nur Mädchen – sie hatte bereits sechs –, und nun gehe es mit Ung-sius Frau, so versicherte sie, genau so.
»Räche mich, Gott!« weinte Huo-ping voller Bitterkeit. »Nimm diesen Makel von mir!« Dann fiel ihr das halbherzige Versprechen wieder ein, das sie vor einem Jahr gegeben hatte, als ihr zweites Kind unterwegs war, und das sie so schnell wieder vergessen hatte. Mit Hannas Worten hatte sie gebetet: »Gott, wenn du mir einen Jungen gibst, will ich ihn dir zurückgeben, damit er sein Leben lang dein Diener sei.« Das waren vertraute Worte für sie. Seit ihrer Kindheit kannte sie die Geschichte von Samuel. . . .
Es waren noch viele Wochen. Mit dem Schiff reisten sie zurück in ihr Heim in Swatou. Endlich kamen die Wehen, und dann, als ihr Mann rief: »Es ist ein Junge!« löste sich ihre Spannung in Tränen.
Rotgefärbte Enteneier sagten den Nachbarn und Freunden, daß der Sohn und Erbe da war.
So kam Henry Nga am 4. November 1903 zur Welt – zur Freude seines stillen Vaters und seiner willensstarken Mutter.
Chinesische Namen haben Bedeutung, ob sie einem Kind bei der Geburt gegeben werden oder ob jemand an irgendeinem Wendepunkt seines Lebens einen neuen Namen annimmt. Entsprechend der Familientradition hieß der Knabe Nga Schu-jeo oder – in der Mandarinsprache – Ni Schu-tsu, »Der die Verdienste seiner Ahnen verkündet«. Später jedoch, als er sich seiner Mission im Leben bewußt wurde, suchte er sich einen neuen Namen, der seine Aufgabe als Gottes Sprachrohr umschrieb. Eine Zeitlang nannte er sich Ching-fu: »Einer, der warnt und ermahnt«. Aber dies schien etwas streng und herb, und er war nicht ganz befriedigt. Seine Mutter schlug dann To-scheng (Sturmglocke) vor und erinnerte ihn an ihr Versprechen in jener Nacht, als der Wächter mit seiner Bambusrassel durch die Straßen ging. So wurde Ni To-scheng aus ihm oder auf Englisch Watchman (Wächter) Nee, und unter diesem Namen ist er allgemein bekannt geworden. . . .

2. Ehre deine Ahnen

Futschou ist die Hauptstadt der Provinz Fukien und eines der Tore zum südlichen Ozean. Seit Generationen wohnte die Nga (oder Nee)-Familie dort; seit Generationen gingen Männer, Frauen und Kinder der Familie im Frühling zu dem nahegelegenen Hügel, um die Gräber ihrer Ahnen zu pflegen. 1839, ein Jahr, bevor Watchmans Großvater Nga U-cheng geboren wurde, waren die Feindseligkeiten zwischen China und England wegen der ausgebrochen. Es folgte der drei Jahre dauernde Opiumkrieg, der mit der Demütigung Chinas und der gewaltsamen Öffnung des Reiches für den Westen endete.
Der Vertrag von Nanking 1842, in dem Hongkong an England abgetreten wurde, erzwang auch die Öffnung des Hafens von Futschou und vier anderer Häfen für den ausländischen Handel, mit allen Mißbräuchen, die das mit sich brachte. Während der chinesische Küstenhandel mit Holz, Papier, Früchten und Textilien weiterging, entstand nun eine neue und unwillkommene Niederlassung von ausländischen Fabriken und Wohnvierteln auf dem in der Mitte des Stroms gelegenen Inselchen Tschung-Tschou und auf den Hügeln der Nantai-Inseln.

Fünfzig Jahre früher hatte der gebildete Kaiser Chien Lung, der wahrscheinlich von den englischen Übergriffen … in Indien wußte, in einem Brief an Georg III. erklärt, daß in der ausgewogenen Wirtschaft seines Landes kein Raum sei für die seltsamen Produkte von Leuten, die weit fort in den Tiefen der See lebten. »Wie Ihr Abgesandter selbst feststellen kann, besitzen wir alles. Ich lege keinen Wert auf fremde und raffinierte Dinge, und wir haben keinen Gebrauch für die bei Ihnen erzeugten Waren.«
In offiziellen Kreisen herrschte diese Ansicht noch immer vor. Doch wurden in Europa zunehmend chinesisches Porzellan, Seide und Lack verlangt, und da durch kaiserliches Edikt Tauschhandel verboten war, mußten die englischen Kaufleute mit Silber bezahlen. Dieses Problem wurde erst gelöst, als sie herausfanden, daß man die Chinesen zum Kauf von indischem Opium bewegen konnte. Das Prinzip des Umtauschs wurde dann so angewandt, daß es einseitig zum Vorteil der Engländer arbeitete, und um 1851 war der Widerstand des Himmelssohnes schon so weit ausgeschaltet, daß der Opiumhandel legalisiert wurde.
Zum Aufschwung des Handels trug vor allem auch Europas Verlangen nach Tee bei. Um 1853, als Großvater Nga U-cheng vierzehn Jahre alt war, wurden die ersten Schiffsladungen mit Futschou-Tee nach Europa und Amerika verfrachtet . . . 
Eine andere Folge des Opiumkrieges und des Vertrags von Nanking war das Eindringen des protestantischen Christentums in China. Die Missionare folgten den Kaufleuten, und ein westlicher Zeitgenosse schrieb mit erstaunlicher Selbstzufriedenheit: »Die Art, wie Gott mit diesem Volk handelte, beginnt offenbar zu werden; er unterwarf sie dem Gericht, damit er ihnen seine Gnade zeigen kann.« Der Kaiser hatte in einem Dekret verordnet, daß der christliche Glaube im Reich der Mitte toleriert werden sollte, doch militärischer Druck laugte die Verordnung aus.
Trotzdem tat sich nun die Tür weit auf; westliche Missionare mit ihrem sozialen Bewußtsein und evangelistischen Eifer zogen ein und pflanzten einen neuen Begriff von Gerechtigkeit in chinesische Herzen.

Dies geschah schnell. Die ersten Missionare, die 1847 in Futschou ankamen, waren Kongregationalisten aus Amerika; im gleichen Jahr folgten amerikanische Methodisten und 1850 Anglikaner von der Missionsgesellschaft der Englischen Kirche. Die Missionare zögerten nicht, gegen den frevelhaften Opiumhandel zu protestieren. Aber als rothaarige Ausländer mit exterritorialen Vorrechten, fielen sie für die Chinesen mit den Kaufleuten und deren Handel in einen Topf.

Die erste Schule, die westliche Bildung vermittelte, wurde von der amerikanischen Mission in einem Vorort der alten Stadt eröffnet, und dort hörte Watchman Nees Großvater als Knabe von der Liebe Gottes in Christus Jesus und wurde für ihn gewonnen. Vier Jahre später, 1857, als die erste christliche Gemeinde in Futschou entstand, gehörte er zu einer Gruppe von vier Schülern, die im Min getauft wurden. Er machte so gute Fortschritte, daß die Amerikaner ihn zum Evangelisten ausbildeten, und bald verkündete er mit anderen jungen Männern das Evangelium von Jesus Christus in dieser Stadt, die eine halbe Million Einwohner hatte. Schließlich wurde er zum Pastor ordiniert, der erste Chinese von den drei Missionen Nord-Fukiens. Er hatte eine besondere Gabe, die Schrift auszulegen; daran erinnerte man sich noch lange nach seinem Tod im Jahre 1890.

Als für den Heranwachsenden die Zeit zum Heiraten kam, wurde das für ihn die große Prüfung seines Glaubens. In Fukien glaubten noch sehr wenige Frauen an Christus, und die Sitte verbot, jemanden aus einem anderen Kanton zu heiraten. So mußte sich Watchmans Großvater entscheiden, sich entweder gegen die Tradition außerhalb seines Kantons umzusehen oder in bezug auf sein christliches Zeugnis einen Kompromiß zu schließen. Es spricht für ihn, daß bei ihm der Glaube über die Tradition siegte. Aus Kanton kam ein Kwangtung-Mädchen 450 Meilen mit dem Küstenschiff angereist, das er als von Gott für ihn bestimmt empfing und das ihm eine echte Lebensgefährtin wurde.

Sie wurden mit neun Jungen »gesegnet« (in chinesischen Augen). Watchmans Vater, Nga Ung-siu, war der vierte, der 1877 geboren wurde. Als Pastorensohn besuchte er die christliche Elementarschule und fuhr dann fort, die klassischen Schriften des Konfuzius für die Examina zu studieren.
Futschou war ein literarisches Zentrum . . . Zur festgesetzten Zeit betrat Ung-siu mit einer Menge Gefährten unter jahrhundertealtem Zeremoniell den weiten Prüfungsbezirk nordöstlich der Stadt durch einen Torbogen mit der Inschrift: »Für den Kaiser: Betet um gute Menschen.« Dort wurde er für drei Tage in einer Zelle eingeschlossen.  . . .

Seine junge Frau Lin Huo-ping war bäuerlicher Abkunft, sie war 1880 geboren und die letzte einer großen Familie. Diese war sehr arm und im Aberglauben gefangen, Erwachsene und Kinder lebten in ständiger Angst vor Dämonen, Drachen und Zauberfüchsen.
Damals herrschte eine Hungersnot in Fukien, und da so viele hungrige Mäuler gefüttert werden mußten, hatte Huo-ping keine große Überlebenschance. Selbst unter normalen Umständen konnte ein kleines Mädchen, nur weil einer zu viel war, von seinem Vater ausgesetzt oder ertränkt oder lebendig begraben werden. Einigen bot das katholische Waisenhaus außerhalb des Südtors ein Heim. Die Inschrift über dem Eingang lautete: »Wenn dein Vater und deine Mutter dich verlassen, wird der Herr dich aufnehmen.«

Aber Huo-pings Vater verließ sie nicht so, wie andere Väter ihre überzähligen Mädchen verließen. Für drei oder vier Dollar, die er dringend brauchte, verkaufte er sie durch einen Vermittler an eine besser gestellte Familie in der Stadt, die sie als Sklavin aufziehen wollte. Sie war ein lebhaftes Kind, und bald wandte sich – wieder durch einen Mittelsmann – ein Kaufmann namens Lin, der in einer ausländischen Firma in Nantai arbeitete, an die Familie, in der Huo-ping lebte. Seine Konkubine war unfruchtbar und wünschte, sie als Tochter zu adoptieren. So kam Huo-ping wieder in andere Hände. Nach Gottes Vorsehung liebte auch der Kaufmann Kinder, und so fand sie hier ein Heim. Obwohl schon zwei Jungen und ein Mädchen in der Familie waren, schloß das Paar den temperamentvollen kleinen Neuankömmling ins Herz und zog ihn wie ein eigenes Kind auf.

Als Huo-ping sechs Jahre alt war, begann ihre Adoptivmutter der herrschenden Sitte gemäß ihre Füße einzubinden. Als Bauernmädchen wäre Huo-ping dieser Behandlung entgangen, denn die Landfrauen um Futschou hatten dieser Sitte widerstanden. Aber Huo-ping war jetzt das Kind eines Kaufmanns, das für ein besseres Geschick bestimmt war, und Lilienfüße waren ein Teil des Preises, den sie dafür bezahlen mußte.
In jenem Jahr wurde Herr Lin von einer geheimnisvollen Krankheit befallen, die der Kunst der Ärzte widerstand. Nun war ein Vorgesetzter von Lin mit Namen Chang Methodist geworden, und dieser Mann schlug vor, daß die Lins den Methodistenpastor kommen und für Lin beten ließen. Sie konnten diesen Vorschlag kaum abschlagen. Das Gebet wurde erhört, und die Lins waren von der dramatischen Genesung so beeindruckt, daß sie christliche Unterweisung suchten. Schließlich kamen sie zum Glauben an Jesus und warfen die häßlichen kleinen Götzenbilder aus dem Haus.

Herr Lin und seine Frau wurden in der Methodistenkapelle in der Nähe seines Arbeitsplatzes getauft. Weil es für die Konkubine näher war, besuchte sie mit ihrem Kind die Anglikanische Kirche. Zu Huo-pings großer Freude hörte das Einbinden der Füße jetzt auf, und sie konnte wieder frei herumlaufen. Als sie die Kirchenlieder und biblischen Geschichten lernte, wurde ihr Herz warm und zu göttlichen Dingen hingezogen. Ihre neue Glückseligkeit erwies sich bald als ansteckend. Der Lehrer in der Schule fragte sie, warum sie immer singe, und sie erzählte ihm, was ihre Familie erlebt hatte. Das Ergebnis war, daß auch er sich schließlich mit Frau und Kindern der Kirche anschloß.

Nach dem Besuch einer Elementarschule kam Huo-ping im Jahr 1891 auf die methodistische Missionsschule für Mädchen zu amerikanischen Lehrerinnen. Sie war inzwischen elf Jahre alt geworden, lernte gut und erlebte auch etwas von der Gnade und Vergebung Gottes. Doch ihre Religiosität blieb, wie sie später betonte, weitgehend auf Verdienste ausgerichtet, die sie durch gute Werke zu erlangen suchte.
Sie hatte die Schule schon fast durchlaufen, als eine junge chinesische Ärztin von ihrer Ausbildung in Philadelphia nach Futschou zurückkehrte. Es war Hu King-en, die zweite Chinesin, die die medizinischen Examen abgelegt hatte. Seit 1895 arbeitete sie in einem Missionshospital der Stadt und weckte in manchem Mädchen den Ehrgeiz, es ihr nachzutun. So bat auch die sechzehnjährige Huo-ping ihre Lehrerin, ihr bei der Vermittlung eines Studienplatzes in Amerika zu helfen. Da die vorläufige Antwort günstig lautete, setzte sie bei ihrem Vater durch, daß er sie in Begleitung einer Schulfreundin in die Chinesisch-Westliche Mädchenschule nach Schanghai sandte, damit sie ihr Englisch vervollkommnete. In jenen Tagen hing dort an den Parktoren ein Schild: »Für Hunde und Chinesen verboten!«

Huo-ping plagte das Heimweh unter diesen in einem fremdartigen Stakkato sprechenden Chinesen; . . .
Eine Begegnung in Schanghai sollte für den Plan Gottes mit Huo-ping bedeutsam werden. Eine gewisse Dora Jü, nicht viel älter als sie selbst, besuchte eines Tages Huo-pings Schule, um zu den Schülerinnen zu sprechen. Jü Tzi-tu stammte aus einer kultivierten Familie und war wie viele andere dem Christentum begegnet, als sie eine westliche Schule besuchte. Sie hatte sich mit einem guten Abschlußzeugnis nach England auf den Weg gemacht, um Medizin zu studieren. Als ihr Schiff im Mittelmeer ankerte, begegnete ihr Gott, der sie nach China zurückrief, wo sie ihrem Volk Christus predigen sollte. Der Kapitän, dessen Obhut man sie anvertraut hatte, hielt sie für übergeschnappt. Da sie aber in ihrem Ersuchen fest blieb, stimmte er schließlich zu, sie auf ein von Marseille zurückkehrendes Schiff überzusetzen. In Schanghai war der Empfang durch ihre skeptische Familie kühl, aber Doras stilles Zeugnis war so überzeugend, daß am Ende auch sie erkannten: Gott hatte seine Hand auf Dora gelegt. Von jenem Tag an, begann sie standhaft Zeugnis von Jesus zu geben, indem sie predigte und Bibelstunden hielt, und das um so wirksamer, als sie kein Gehalt aus dem Ausland erhielt und darauf vertraute, daß Gott für ihre Bedürfnisse sorgen würde.
Huo-ping war sehr bewegt, als sie Doras Geschichte aus ihrem eigenen Mund vernahm. Sie besuchte sie in ihrem Zimmer, um ihr einen sorgsam gehüteten goldenen Ring anzubieten, ein Geschenk ihrer eigenen Mutter, und Doras offensichtliches Zögern, eine solche Gabe von einem jungen Mädchen anzunehmen, überzeugte Huo-ping noch mehr von der Reinheit ihrer Motive: »Da wußte ich, daß sie Gott liebte und nicht das Geld«, sagte Huo-ping später.

Aber an sie selbst erging mit achtzehn Jahren kein Ruf Gottes, sondern sie geriet in eine Katastrophe. Ihre Mutter hatte sich nach ihr gesehnt und sich dem Studium in Amerika immer widersetzt. Als nun ein Abgesandter der Witwe von Pastor Nga U-cheng auftauchte, der eine Braut für ihren Sohn suchen sollte, ging sie sogleich auf das Angebot ein.
Ohne daß Huo-ping davon wußte, wurde die Heirat mit Ung-siu beschlossen, und nun brachte ihr ein Brief, hinter dem die ganze elterliche Autorität stand, diese Nachricht. Damit war der Traum vom Medizinstudium zu Ende, denn kein Mädchen aus Fukien hatte sich je einer solchen elterlichen Abmachung widersetzt. . . . Sie war verzweifelt. Die Heimreise verbrachte sie in tiefer Depression. In ihrem Herzen nährte sie einen wachsenden Haß gegen die Mutter, der sie ihr Leben verdankte und die dieses Leben nun ruiniert zu haben schien.

Zu Hause wurde ihr formell die Fotografie Nga Ung-sius und das Verlobungsgeschenk überreicht, das den Vertrag besiegelte. Sie war nun unwiderruflich an einen Mann gebunden, den sie nie vorher gesehen hatte. Noch während der Hochzeitsvorbereitungen schmerzte ihr Herz. Nur unerwünschte Mädchen wurden als Bräute fortgegeben, sagte sie sich. Die anderen durften unabhängig sein und beruflich Karriere machen. Das Leben war für sie zu Ende. »Hochzeit – wie ich dies Wort haßte!«

Der Oktober kam und am neunzehnten Tag feierte man die Vereinigung Nga Ung-sius – der als Regierungsbeamter beim Hafenzoll fortan Ni Weng-hsiu hieß –, des Sohnes des verstorbenen Kongregationalistenpastors, mit Lin Huo-ping.
Es wurde ein Tag der Freude und Hoffnung. Das junge Paar ging für vierzehn Tage in das Haus der Ngas, wo die alte Frau Nga über sieben Söhne und fünf Schwiegertöchter regierte. Die kurze Zeit, die Huo-ping dort in der schwierigen Rolle der Frau eines jüngeren Sohnes verbrachte, war mehr als genug, um die Zuneigung zu der eigenen liebenswürdigen Mutter wiederherzustellen. Sie beschloß, wenn sie Kinder hätte, sollten die Mädchen niemals so leiden, wie sie durch die Frauen dieses Hauses gelitten hatte, damals und später. Es war eine große Erleichterung, als die Zeit zur Abreise kam. Mit allem Hab und Gut ging es nach Swatou, dem 150 Meilen entfernten kleinen Vertragshafen an der felsigen Mündung des Han. . . .  Hier richtete sich das junge Paar in der Dienstwohnung häuslich ein. Das war im Jahre 1899.

Ein Jahr später ermordeten die I-ho-t’uan, im Ausland unter dem Namen »Boxer« bekannt, in den nördlichen Provinzen chinesische Christen und hetzten gegen die Ausländer. Die Kaiserin Dowager hatte die ursprünglich gegen das Kaiserhaus gerichtete Bewegung ihren eigenen Zwecken nutzbar gemacht und eine Verordnung gegen Fremde in China erlassen. Glücklicherweise beschlossen die Vizekönige im Süden unter großem persönlichen Einsatz, zu den »ungleichen Verträgen« mit den fremden Regierungen zu stehen und das neue kaiserliche Edikt zu ignorieren. In Futschou fügte es sich, daß in der kritischen Zeit eine Überschwemmung die Brücke über den Min zerstörte und so die Mörder von ihren Opfern fernhielt. Auch in Swatou herrschte Ruhe.

In dieser Zeit wurde Kuei-chen geboren, die mit spontaner Freude als Gabe Gottes begrüßt wurde. Als jedoch ein Jahr später wieder ein Mädchen, Kuei-cheng, ankam, war die Freude nicht mehr so ungetrübt. So stark war der Einfluß der Tradition, daß ein Gefühl der Schuld die Eltern beschlich. Warum gab Gott ihnen wieder nur ein Mädchen? Sie waren schlichte Christen, und ihr Gottvertrauen wurde hart geprüft. Glücklicherweise brachte sie dieser Schmerz wieder zum Beten, so daß sie ihr Problem Gott brachten.

Und dann kam Huo-pings dritte Schwangerschaft und schließlich der beglückte Ruf des Vaters: »Es ist ein Junge!« Mit dem kleinen Ni Schu-tsu hatte Gott Huo-pings Herzenswunsch erfüllt, und obwohl sie kein Held im Glauben war, hielt sie doch ihr Versprechen. Wie Hanna gab sie dem Herrn ihren Schatz zurück. »Um diesen Knaben habe ich gebetet, und der Herr hat mir gegeben, worum ich bat. Nun gebe ich ihn dem Herrn zurück, sein Leben soll ihm gehören.«
Gott hatte sich selbst einen »Wächter« erwählt.

3. Revolution

In den folgenden Jahren vermehrten sich die Nee (= Ni)-Kinder auf neun: fünf Jungen und vier Mädchen. Nach Kuei-chen, Kuei-cheng und Henry (Schu-tsu oder Watchman) kamen Georg (Huai-tsu) und der dritte Sohn Scheng-tsu, der als Student starb. Dann folgten nach einer Pause noch zwei Mädchen, Tek-ting und Teh-tsching, und zum Schluß noch einmal zwei Jungen: Paul (Hong-tsu) und John (Hsing-tsu).

Als junger Beamter bei der Hafenzollbehörde erhielt Nga Ungsin ein Monatsgehalt von 35 Taels, was nicht viel war. Überdies ging fast die Hälfte davon an seine verwitwete Mutter. Um ihre Finanzen aufzubessern, gewann Lin Huo-ping die Hilfe ihres Vaters. Mit ihm baute sie in Swatou ein Exportgeschäft mit Hohlsaumarbeiten auf. Dies erwies sich bald als sehr gewinnbringend, da die Ware in Malaya, Großbritannien und den Vereinigten Staaten abgesetzt wurde.
Auch ihr Mann hatte Erfolg. Er wurde von seinen Vorgesetzten als sorgfältiger Beamter geschätzt und wegen seiner gewissenhaften Arbeit immer wieder befördert. So lebte die Familie einige Jahre in Wohlstand. Dann bereitete die Versetzung nach Sutschou, einer Stadt fünfzig Meilen westlich von Schanghai, dem lukrativen Handel ein jähes Ende. Nach zwölf Monaten wurde Nga Ung-sin von seiner Mutter gedrängt, sich um einen Posten in Futschou zu bewerben, und zu seiner Freude erhielt er ihn auch.

In Swatou hatten die Eltern sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder gekümmert. In Futschou stellte Nga Ung-sin einen Lehrer für sie an, einen Hsiu taai, der das erste Examen bestanden hatte. Von ihm lernten die Kinder Schönschrift und die literarischen und ethischen Grundsätze der »Vier Bücher« . . . Der junge Watchman lernte schnell und stach seine älteren Schwestern gewöhnlich aus, wenn es darum ging, den Dollar zu gewinnen, den der Lehrer manchmal für gute Arbeit aussetzte.

Die Nees waren musikalisch, und ihr Lehrer unterrichtete sie auch in dem alten chinesischen System, den »Melodien«, während Huo-ping ihre Kinder christliche Lieder lehrte. Als ihr Mann es sich später leisten konnte, kaufte er ein Klavier und schrieb selbst Noten auf Blätter, damit die Kinder sie abspielen lernten.
Gewöhnlich regierte ein chinesischer Vater sehr streng, aber das lag Nga Ung-sin nicht. Er mochte nicht schelten, und obwohl er immer erreichbar war, blieb er doch meist im Hintergrund und verbrachte seine Zeit mit seinen beruflichen Pflichten und seinen Freunden. Im Haus herrschte Huo-ping. Sie übte strenge Zucht, weil das, wie sie meinte, zu einer angesehenen Familie gehörte, und zügelte ihre äußerst lebhaften Kinder durch die Furcht, die sie ihnen einflößte. Es war ein Familiengesetz, daß alle für Ordnung und Reinlichkeit im Hause mitverantwortlich waren. Wurde etwas nicht an seinem Platz gefunden, durfte sich niemand vor der Verantwortung drücken. . . .

Sie hatten das Glück, mit einer anderen Familie in Futschou befreundet zu sein, den Changs, die ganz in ihrer Nähe wohnten – am Strand von Nantai mit dem Blick über die Brücke. Chang Cheun-kuan war ein Christ und entfernter Verwandter von Vater Nee. Die Kinder paßten im Alter gut zusammen. Die beiden ältesten Chang-Mädchen waren gute Freundinnen der Nee-Töchter, während die kleine Charity ständig hinter Watchman herlief. Bei ihren Spielen war er der Anführer, und so wurde er für sie alle der »ältere Bruder«.

Vom Haus der Changs war es nur ein kurzer Weg zum Fischmarkt, von wo eine alte Steinbrücke mit ausgetretenen Platten zur Insel Tschung-Tschou führte. . . . Da waren die Stände der Händler, die Wahrsager, vielleicht zog gerade ein Zahnarzt vor amüsierten Zuschauern einen Zahn, und vielleicht sahen sie auch ein Opfer der Mandschu-Justiz, es würde um den Hals ein schweres Eisen tragen und ein Schild, das über sein Vergehen Aufschluß gab. . . . Vom Kai bei ihres Vaters Dienstgebäude am Südufer konnten die Kinder die Küstendschunken beobachten, die von Nantai heraufkamen. Auf ihren breiten Bug waren richtungsuchende Augen gemalt, ihre steifen braunen Segel hoben sich gegen die blauen Kuschan-Hügel ab.  . . .  Darin war Futschou noch hinter der Zeit zurück, denn überall in China hatte sich auf industriellem Gebiet ein Wandel vollzogen: Textilfabriken schossen in den Küstenstädten wie Pilze aus dem Boden, Eisenbahnen wurden in das Innere des Landes gelegt, und ausländische Ingenieure beuteten fleißig Chinas Bodenschätze aus.

Watchman war sechs Jahre alt, als die Familie nach Futschou zurückkehrte, und er war neun, als die Revolution ausbrach und die Dynastie hinwegfegte.  . . .

Ihr Held war Dr. Sun Yat-sen, der zwanzig Jahre lang für die Erneuerung Chinas gearbeitet hatte. Er war armer Leute Kind, protestantischer Christ und der erste Ideologe der Chinesischen Revolution. Obwohl das Fehlen aller Führereigenschaften sein Verderben war, ergriffen seine drei Grundprinzipien Nationalismus, Demokratie und Sozialismus Besitz von der Volksseele. Er war lange gezwungen gewesen, von seinem Exil aus zu agieren, denn das Mandschuregime wurde immer noch von den ausländischen Mächten aus selbstsüchtigen Motiven gestützt. Dann starb Kaiser Kuang Hsu im November 1908. Begabt, doch schwach, war er vollständig von Chinas bösem Geist, der abergläubischen alten Kaiserin Dowager, beherrscht worden. Sie starb am darauffolgenden Tag, und wenige trauerten um sie. Der Thronerbe war Kuang Hsus dreijähriger Neffe, der nun unter dem Namen Hsuan Tung zum Kaiser ausgerufen wurde.
Es folgten drei Jahre der Unsicherheit, in der unter der Bevölkerung die Überzeugung wuchs, daß die Dynastie ihr Himmelsmandat verwirkt habe. Am 10. Oktober 1911 löste die zufällige Explosion einer Bombe die Revolte in Wutschang aus, der Hauptstadt der Hupeh-Provinz. So begann die Kette der Ereignisse, die zur Abdankung des Kind-Kaisers und weiter zur Republik führte, zur nationalistischen Diktatur und schließlich zum Sieg der kommunistischen Partei.

Im Dezember kehrte Sun Yat-sen aus dem Exil zurück und wurde zum ersten provisorischen Präsidenten der Republik China gewählt. Er bekannte sich zur Demokratie, und um den Umsturz zu symbolisieren, schnitten seine Anhänger ihre Zöpfe ab, jenes Zeichen der Unterwerfung, das sich die Schuljungen in Futschou nun nicht länger auf den Veranden vor ihren Schlafräumen gegenseitig flechten mußten.

Nach zwei Jahrtausenden chinesischer Kultur war ihr Inbegriff, der Drachenthron, gestürzt, um einer demokratischen Republik Platz zu machen.
Aber Sun und andere Prominente der Revolution, die aus dem Süden stammten, kamen größtenteils aus dem Exil. Sie träumten von einem China, das nach westlichem Vorbild umgestaltet werden sollte, sahen aber nicht, daß für eine wirksame Demokratie alle Grundlagen fehlten. So fiel es einem Mann aus dem Norden, Yüan Schi-kai, einem kaiserlichen General mit persönlichen Absichten auf den Thron, nicht schwer, Sun als Präsidenten abzusetzen. Doch bevor Sun im August 1913 wieder ins Exil gehen mußte, organisierte er eine »zweite Revolution« in den Küstenstädten des Südens.

In all diese Geschehnisse war die Nee-Familie verwickelt. Suns nationale Bewegung fand in ihnen glühende Anhänger. Während aber Nga Ung-siu ein schüchterner Mann war, war seine Frau das Gegenteil: redegewandt, stark und bereit, hier ihre Emanzipation durchzusetzen. Trotz des Kämpfens und Blutvergießens um sie herum begab sie sich auf eine Vortragsreise, nachdem sie zunächst öffentlich ihre goldenen Armringe und anderen Schmuck der Bewegung geopfert und damit ein Beispiel gegeben hatte, dem viele folgten. Sie gründete eine patriotische Frauengesellschaft, die von prominenten Führern unterstützt wurde, und war selbst die Generalsekretärin.
Als im Juli 1913 Sun Yat-sen persönlich nach Futschou kam, gab man Huo-ping eine offizielle Rolle beim Empfang des Präsidenten.
Es stellte sich heraus, daß Suns Privatsekretärin Fräulein Song eine Schanghaier Klassenkameradin von ihr war, und mit ihr zusammen nahm sie an jedem Fest und jeder Aufgabe während des vier Tage währenden Besuches teil.

Watchman war jetzt zehn Jahre alt. Wißbegierig lauschte er den politischen Gesprächen. Die Revolution hatte dem Land neue Hoffnung gebracht, und der Aufschwung prowestlicher Gefühle verhieß eine schnelle Ausbreitung der christlichen Mission. Eines Tages würden sich auch die Türen für ein Studium im Ausland öffnen. Doch ein Jahr später brach der Krieg in Europa aus, und man erhoffte nichts mehr vom Westen. Daheim schien die Revolution zu einem Stillstand gekommen. Das Land war durch rivalisierende Kriegsherren zerstückelt, und die Japaner drangen ein unter dem Vorwand, Kriegshilfe zu geben. Am 8. Januar 1915 stellte Japan seine »Einundzwanzig Forderungen«, die mit dem Anspruch auf die Provinz Schantung begannen und am Ende aus China einen Marionettenstaat gemacht hätten. In jenem Jahr zerschlug Präsident Yüan all ihre Hoffnungen, indem er sich als Kaiser auf den Drachenthron setzte. Aber er sollte seine Tage in Schande beschließen.

Ab 1916 besuchte der dreizehnjährige Watchman die Mittelschule der Anglikaner in Futschou, wo er zum ersten Mal mit dem westlichen Schulsystem in Berührung kam. Dann würde er die höhere Schule von St. Marks besuchen, in der Englisch Unterrichtssprache war. Diese Schule gehörte zu einem Komplex der Anglikaner in Nantai, der mit fast vierhundert Schülern alle Arten von Schulen umfaßte. Das Ganze war in Futschou als Dreifaltigkeits-College bekannt, weil die meisten Lehrer Iren waren und vom Dreifaltigkeits-College in Dublin kamen.

Watchman war ein guter Schüler. Er holte gelegentliche Rückschläge infolge von Krankheit bald wieder auf – für seine Erkrankungen gaben die Freunde der Familie übrigens Huo-pings Mutter die Schuld, die ihn ständig verwöhnte. Trotzdem war er oft der Erste in der Klasse, wenn auch nicht der Bravste. Er wuchs jetzt schnell zu einem mageren, schlaksigen Burschen heran, der einen Kopf größer war als die meisten seiner Kameraden.

Er hatte sich bald den nördlichen Dialekt angeeignet, das »Mandarin«, das sich immer mehr zur Nationalsprache entwickelte und als pai-hua, die »reine Sprache« galt. In seiner Kindheit hatte er Bücher in klassischem Chinesisch gelesen, wie es literarisch gebildete Männer liebten und wie es noch immer von dem veralteten staatlichen Schulsystem verlangt wurde. Doch jetzt erlebte China eine riesige kulturelle Erneuerung. Auf allgemeines Verlangen wandten sich die Pioniere unter den Schriftstellern und Dichtern der Umgangssprache zu, die bisher der Trivialliteratur vorbehalten war.

1922 ordnete das Erziehungsministerium an, daß alle Schulbücher in die Umgangssprache umgeschrieben würden. Dieser Wandel sollte in der Zukunft einen gewaltigen Einfluß auf die Ausbreitung von Ideen haben und auch der freieren Verbreitung christlichen Denkens dienen.

Aber die Religion hatte gerade jetzt unter den Studenten jedes Ansehen verloren. Eine antireligiöse Bewegung war 1918 durch die Zeitschrift »Neue Jugend« gefördert worden. Der Herausgeber war Chen Tu-hsiu, Dekan der literarischen Fakultät und einflußreicher Führer unter den Gebildeten. Seine Bewegung gipfelte in der »Großen Föderation aller Anti-Religiösen« 1922 und in den folgenden emotional aufgeladenen Angriffen auf das Christentum. Chen selbst wurde später Generalsekretär der kommunistischen Partei in China.

Aber ein Ereignis von noch weitreichenderen Folgen muß uns hier beschäftigen: die »Bewegung vom 4. Mai«. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und dem Vertrag von Versailles erwartete China 1919, daß es die deutschen Konzessionen in Schantung erhalten würde. Stattdessen wurden sie von England und Frankreich an Japan gegeben. Die Entrüstung unter den jungen Chinesen über diesen Verrat ihrer eigenen unfähigen Regierung führte am 4. Mai 1919 zu jenem spontanen Protest der Pekinger Studenten, unter denen sich ein junger Mann von dreiundzwanzig Jahren mit Namen Tschu En-lai hervortat. Die Studenten waren es dann, die Streiks in Schanghai und Futschou anführten und marxistische Ideen verbreiteten. Durch das Angebot der Sowjetregierung, auf die russischen exterritorialen Rechte zu verzichten, erhielt der Marxismus Auftrieb, und am Ende erwies sich die »Bewegung vom 4. Mai« als höchst bedeutsame Wegbereitung für den chinesischen Kommunismus.

Watchman hatte inzwischen die Mittelschule beendet. Er befand sich in seinem sechzehnten Jahr und war natürlich empfänglich für den durch diese Ereignisse hervorgerufenen Aufruhr unter den Studenten. Aber der Anreiz, daß er nun nach St. Mark kommen würde, mag ihm über die sich überall bemerkbar machende politische Ernüchterung hinweggeholfen haben.
Auch zu Hause gab es viel, was einen heranwachsenden Jungen ernüchtern konnte. Die Tätigkeit seiner Mutter bei der Partei hatte allen Glanz verloren. Der Gouverneur von Fukien hatte sie in Anbetracht ihres politischen Einsatzes für eine Belohnung vorgeschlagen, und Peking hatte darauf reagiert, indem es ihr den Orden zweiter Klasse für Patriotismus verlieh. Nachdem sie diese Ehrung erhalten hatte, ließ ihr Eifer nach. An die Stelle der Vaterlandsliebe trat, so erzählt sie selbst, die Freude an der Karriere. Anstatt wie früher zur Kirche zu gehen, widmete sie sich jetzt gesellschaftlicher und kultureller Unterhaltung. »Durch den Umgang mit den ungläubigen Revolutionären wurde ich selbst beinahe ungläubig.« Täglich kamen die Damen der Gesellschaft in ihr Haus in Nantai, um Karten und Mah-Jongg zu spielen, und als der Pastor kam und um eine Spende für eine Reichgottesarbeit bat, meinte sie spottend: »Wenn ich gewinne, soll Gott etwas davon haben.«

Auch bei der Erziehung der Kinder wurde sie ungeduldig und ungerecht. Am Ende der Winterferien 1920 wurde ein wertvolles Ornament im Haus zerschlagen. Huo-ping hielt Watchman für den Schuldigen und verlangte ein Bekenntnis. Als er das ablehnte, verabreichte sie dem großen Jungen eine Tracht Prügel. Sie hatte zwar Gewissensbisse, als sie später entdeckte, daß er unschuldig war, doch tat sie nichts, um ihren Fehler wieder gutzumachen. So kehrte er verbittert ins Internat zurück.

Im gleichen Monat bekam Huo-ping eine unerwartete Nachricht. Dora Jü, die sie vor Jahren in Schanghai so sehr beeindruckt hatte, wollte zum chinesischen Neujahrsfest nach Futschou kommen, um vierzehn Tage Erweckungsversammlungen in der Methodistenkapelle zu halten. Fräulein Jü war als begabte Evangelistin bekannt geworden. Sie hatte Nordchina und Korea auf ausgedehnten Reisen besucht und auch eine eigene Bibelschule in Schanghai gegründet. Huo-ping hatte sie nicht mehr gesehen seit jenem Tag vor mehr als zwanzig Jahren, als sie ihr den Ring schenkte. Am Vorabend der Versammlungen in Futschou lud sie sie nun zu einem Abendessen ein, zu dem sie auch ihre Freundinnen vom Glücksspiel bat. Sie sprach mit Wärme über Fräulein Jü und kündigte am Schluß an:
»Morgen wird Fräulein Jü in der Halle des Ewigen Friedens sprechen. Bitte, seien Sie alle da!«
Jemand fragte: »Und Sie?«
»Natürlich werde ich hingehen.«

Am 15. Februar fand die erste Versammlung statt, und Huoping war pünktlich mit den anderen da. Die Füße der Predigerin, die man ihr als Kind eingebunden hatte, steckten in winzigen Brokatschuhen. Steif erhob sie sich, um ihren Text anzukündigen, Gottes Worte an Eva: »Du sollst ihn nicht einmal berühren, sonst wirst du sterben.« An diesem und am folgenden Tag predigte sie mit großer Kraft über den geistlichen Tod als Trennung von Gott. Aber das Thema langweilte Huo-ping. Das alles wußte sie von ihrer Kindheit an. So ließ sie es mit diesen zwei Versammlungen genug sein, und da sich auch ihre Freundinnen über die für das Glücksspiel verlorene Zeit ärgerten, klapperten am dritten und vierten Tag wieder die weißen Mah-Jongg-Steine auf der harten Tischplatte. Und doch – »ich saß da und spielte«, erinnert sich Huo-ping, »wie eine Tote. Ich wußte, Gottes heiliger Geist wirkte in mir«. Nach zwei Tagen hielt sie es nicht länger aus

»Ich bin eine Christin«, sagte sie zu den anderen. »Fräulein Jü hat eine weite Reise gemacht, um hier zu predigen. Daß ich nicht hingehe, muß sie verletzen. Sagt, was ihr wollt, ich werde morgen nicht spielen.«

Am nächsten Tag kam ihr Dora Jü entgegen, um sie zu begrüßen.
»Wo sind Sie gewesen?« fragte sie unschuldig.
»Ich fühlte mich nicht wohl«, log Huo-ping.

Fräulein Jü sah sie freundlich an: »Möge Gott selbst Sie heilen«, erwiderte sie.
Diese Worte trafen Huo-ping. Wie wenig hatte Mah-Jongg mit Krankheit zu tun! Während der Ansprache rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Sprach Dora Jü von ihr? Sie war vierzig Jahre alt und genoß öffentliches Ansehen, da konnte sie sich nicht vorstellen, daß jemand sie so bloßstellte. Dies sollte ihre letzte Versammlung sein! Doch als Dora Jü sie fragte: »Werden Sie morgen wieder hier sein?« fand sie keine Ausrede, und am nächsten Tag sprach die Predigerin über das sühnende Leiden Jesu am Kreuz. »Jedes Wort war für mich bestimmt«, berichtet Huo-ping später. »Jeden Tag brachte mich eine Macht, die stärker war als ich, in die Versammlung zurück.« Schließlich kam der Abend, an dem sie Gott ihre Not bekannte und ihm für Seine Gnade dankte. Seine Gnade hatte über sie triumphiert.

Ihr Mann, der ein paar der Versammlungen besucht hatte, war verblüfft.
»Du schläfst nicht und ißt nicht und vergießt den ganzen Tag Tränen«, protestierte er. »Andere sind glücklich, wenn sie sich bekehrt haben. Wenn das der einzige Erfolg ist, dann gib es auf und bleib weg!«

»Aber du weißt ja gar nicht, wie es in mir aussieht«, rief sie aus. »Ich habe dich belogen. Ich habe so viel Geld, das der Familie gehört, für Mah-Jongg vergeudet«, und fuhr fort aufzuzählen, was sie seit langem belastete. Dann war er an der Reihe, seine Fehler zu bekennen, und bald weinten sie beide. Friede – »Huoping« – hatte endlich Einzug in ihr gehalten. Nie wieder berührte sie die Karten oder die Mah-Jongg-Steine.

Es war den höheren Schülern freigestellt worden, die Versammlungen von Fräulein Jü zu besuchen, und einige machten davon Gebrauch. Watchman war bis jetzt nicht erschienen. Der Agnostizismus seiner Freunde hatte ihn schon ein wenig angesteckt, und überdies war er mehr denn je enttäuscht von dem Christentum in seinem Elternhaus. Huo-ping lud ihren Sohn ein, obwohl sie wußte, daß sie ihm etwas zu bekennen hatte. Aber ihr Stolz empörte sich gegen diesen Verlust an Gesicht. Lehrte nicht auch Konfuzius, daß Eltern immer recht haben?

Doch etwas anderes konnte sie in Ordnung bringen, und sie war entschlossen, das zu tun. Mit drei Dollar ging sie los, eine Bibel und ein Gesangbuch zu kaufen, um mit der Familienandacht wieder zu beginnen. Am nächsten Tag fing sie an zu spielen und das erste Lied zu singen – aber der Geist Gottes wehrte ihr. »Wie kann ich, eine Mutter, meinem Sohn einen Fehler eingestehen?« protestierte sie. »Es ist der einzige Weg«, kam die Antwort.

Ihr Mann und die Kinder waren verblüfft, als sie sich plötzlich Watchman zuwandte und ihn umarmte. »Um Jesu willen«, weinte sie, »ich bekenne, daß ich dich ungerecht und im Zorn schlug.«

»Das tatest du, ehrwürdige Mutter, und ich haßte dich deswegen«, stellte der Sohn sachlich fest.

»Bitte, vergib mir!« bettelte sie. Aber er wandte sich ab, ohne ihr zu antworten.

Die Familienandacht wurde fortgesetzt.
An jenem Abend wurde Watchman von Gott angerührt.
Huopings Bekenntnis!
Niemals hatte er von chinesischen Eltern gehört, die einen solchen Gesichtsverlust hingenommen hätten. Wenn seine eigene Mutter so verwandelt war, dann mußte er hingehen und selbst hören. Am nächsten Morgen stand er früh auf.

»Ich bin jetzt bereit, Dora Jü anzuhören«, sagte er zu seiner Mutter. Er ging hin, und noch ehe die Versammlungen zu Ende waren, hatten ihre Predigten auch in ihm die Reue über seine Sünden geweckt, und er hatte in Jesus Christus einen lebenden Erlöser und Freund gefunden.
In einem Akt jugendlicher Hingabe gelobte er sich selbst, Gott ganz und ausschließlich zu dienen, und er wich nie mehr zurück von dem einmal eingeschlagenen Weg. Gott antwortete ihm mit einer Wiedergeburt aus dem Geist, die sein ganzes Leben umkrempeln sollte. Er hatte vom Gebet der Mutter in jener Nacht vor vielen Jahren gehört und stand nun seinerseits zu dem Pakt.
In eben diesen Monaten verschlang ein Mann, der nur zehn Jahre älter als Watchman war, marxistische Schriften, die erst jetzt in chinesischer Sprache erschienen, und kam durch sie zu tiefen inneren Überzeugungen. Im Frühling 1920 besuchte Mao tse-tung Chen Tu-hsiu in Schanghai, und Chens Bekenntnis seines politischen Glaubens machte aus Mao einen überzeugten Kommunisten.
Aus so kleinen Anfängen sollte sich eine alles verschlingende Flut entwickeln. Doch der Weg, den Watchman Nee einschlug, war bereits gegen den Strom festgelegt.

4. Hingabe

Als sich Watchman Nee in seinem achtzehnten Lebensjahr Jesus Christus zuwandte, tat er das wie die Jünger Jesu, von denen es heißt, daß sie »alles verließen und ihm nachfolgten«. Später erzählte er einem guten Freund, daß er in den wenigen Tagen, als Dora Jü in Futschou Versammlungen hielt, die Sache sorgfältig erwogen habe. Er wußte, es mußte alles sein oder nichts. Um gerettet zu werden, mußte man sich lebenslang im Gehorsam dem Einen unterwerfen, der totale Ansprüche stellte.

Und warum nicht? In einem Laden in der Altstadt arbeitete ein unbekannter Handwerker schon seit sechs Jahren an drei Holzflügeln eines viertürigen Wandschirms. Er schnitzte Blumenreliefs in das Holz, die sich weiß von der schwarz lackierten Oberfläche abhoben. Dafür erhielt er achtzig Cents am Tag, Reis und Gemüse und ein Holzbrett zum Schlafen, ganz gleich, ob »es regnete, die Sonne schien, Feiertag war oder eine Revolution ausbrach«, wie der Ladenbesitzer sich ausdrückte. Nachdem der Mann dieses Kunsthandwerk einmal erlernt hatte, konnte er möglicherweise nur zwei solcher Wandschirme herstellen, ehe ihm Augen und Nerven versagten und er mit den Bettlern hinausgetrieben wurde. Wenn eine schöpferische Begabung so für einen geizigen Arbeitgeber verschwendet werden konnte, überlegte Watchman, war da irgend etwas zu gut, um es Gott zurückzugeben, der »seines eigenen Sohnes nicht verschont« hatte?

Bald stieß Watchman auf die Worte des Apostels Paulus: »Bringt euch Gott dar als Menschen, die vom Tod zum Leben durchgedrungen sind, und eure Glieder als Werkzeuge der Gerechtigkeit.« – »Gott verlangte von mir deshalb«, so berichtet er später, »daß ich von da an alle meine Fähigkeiten als einem anderen gehörig betrachtete. Ich wagte nicht, auch nur ein wenig von meinem Geld oder eine Stunde meiner Zeit oder geistige oder körperliche Kraft zu verschwenden, denn sie gehörten nicht mir, sondern ihm. Es war etwas Großes, als ich diese Entdeckung machte. An jenem Abend begann für mich das christliche Leben.« Das bedeutete auch, daß Unrecht gutgemacht werden mußte. Watchman hatte z. B. einen Widerwillen gegen Bibelkunde, der ihm schlechte Zensuren einbrachte. Diese wiederum führten zu Gesichtsverlust, denn er war ja der Sohn einer christlichen Familie. Bei der Prüfung – Bibelkunde war Schulfach – hatte er sich damit geholfen, daß er wichtige Daten in seine Handflächen schrieb und diese in den weiten Ärmeln verbarg. Auf diese Weise konnte er 70 Prozent der gestellten Aufgaben lösen, und da dies seinen Leistungen in den anderen Fächern entsprach, erregte er keinen Verdacht.

Da er nun wiedergeboren war, hörte er mit dieser Mogelei auf. Trotzdem bekam er keine Beziehung zu diesem Fach, so sehr er sich auch mühte. Es wurde ihm klar, daß Gott ihm nicht helfen konnte, solange er nicht mit dem Direktor gesprochen hatte. Aber er hatte allen Grund, damit zu zögern. Der Direktor hatte sie gewarnt, ein beim Mogeln ertappter Schüler würde sofort von der Schule gewiesen, und damit wäre alle Hoffnung auf ein Universitätsstudium oder gar ein Studium im Ausland zunichte gewesen. Ganz leicht fiel es Watchman nicht, die Karriere aufs Spiel zu setzen und sich für Jesus Christus zu entscheiden. Doch er ging zum Direktor, und zu seiner Erleichterung wurde er nicht von der Schule gewiesen.
In dieser Zeit wurde das Leben in Fukien durch Militär gestört. Auf dem Land wurde gelegentlich gekämpft, und die Stadt geriet bald unter nördlichen, bald unter südlichen Einfluß. Um den 9. Mai herum, dem Gedenktag der Schande Chinas, an die »Einundzwanzig Forderungen« der Japaner von 1915, wurden die Jungen der höheren Schule in antijapanische Demonstrationen verwickelt. Die Unruhe pflanzte sich fort und wirkte sich auf alle Lebensgebiete bis hin zum Lehrplan der Schule aus.

Watchman sah dies, und weil er die Notwendigkeit spürte, sein Leben auf eine ganz neue Grundlage zu stellen, verschwand er eines Tages. Seine Klassenkameraden hatten keine Ahnung, wohin er gegangen war, und seine Familie bewahrte das Geheimnis, bis er viele Monate später zurückkam. Er hatte sich nach Schanghai eingeschifft, wo die philosophischen und pädagogischen Ideen von John Dewey, Bertrand Russell und Rabindranath Tagore die Gemüter der Studenten bewegten. Doch auf Watchman machten sie keinen Eindruck mehr! Er war nach Schanghai gegangen, um ein Jahr lang Dora Jüs Bibelschule zu besuchen und die Heilige Schrift kennenzulernen, deren Studium er bis dahin so mühselig gefunden hatte. Er war mit ganzem Herzen bei der Arbeit, und er hätte keine bessere Lehrerin finden können. Von ihr lernte er, in bezug auf das Lebensnotwendige allein auf Gott zu vertrauen, wie sie es ihr Leben lang getan hatte. Sie lehrte ihn, Gottes Wort mit dem Herzen zu erfassen und es nicht nur – so wichtig das auch ist – auswendig zu lernen.

Als er zurückkehrte, schickte ihn seine Mutter sofort wieder in seine alte Schule, und da der Unterricht durch die Unruhen sehr gelitten hatte, holte er schnell auf.
Aber er war ein anderer geworden. Er befaßte sich energisch mit dem Lernstoff, aber er machte sich auch eine Liste seiner Klassenkameraden und fing an, für jeden systematisch zu beten und bei jeder Gelegenheit das Zeugnis seines Glaubens abzulegen. Zuerst lachten sie über ihn, weil er ständig eine Bibel mit sich herumtrug, und nannten ihn ärgerlich »Zitatenschatz«. Man erzählt, daß er sich vornahm, das Neue Testament mehrmals im Monat durchzulesen. Er war bereit, mit jedem Kameraden ernsthaft über die Botschaft der Bibel zu reden, und durch den Wandel in seinem Leben und seine offensichtliche Aufrichtigkeit gewann er langsam ihr Interesse. Ein Schüler der Marineschule, Wilson Wang, hatte seine Ausbildung dort aufgegeben und war in Watchmans Klasse gekommen. Er war einer der ersten, die sich mit ihm zu zwangloser Gebetsgemeinschaft im Andachtsraum der Schule trafen. Langsam wurden mehrere Jungen überzeugt, und einer nach dem anderen entdeckte in Christus die neue Freude, unter ihnen Simon Meek aus dem Lien-Kiang-Distrikt in der Nähe der Küste, und Faithful Luke und K. H. Weigh, die beide aus dem flußaufwärts gelegenen Ku-tien stammten.

Einigen Schülern genügte die Schule als Missionsfeld nicht. Sie begannen in der Stadt zu arbeiten. Dazu benutzten sie die Sonnund Festtage und die häufigen Studentenstreiks. Sie beschafften sich einen lauten volltönenden Gong, mit ihm zogen sie singend durch die Straßen und verkündeten allen, die anhielten und zuhörten, die gute Botschaft von dem lebendigen Erlöser. Es herrschte sowieso ein ständiger Lärm in der Stadt, eine Kakophonie von Trommelschlägen, knallenden Feuerwerkskörpern, quietschenden Schweinen, dem Geschrei von Straßenhändlern und Kulis und den Tumulten jener Gruppen, die zu einer Beerdigung gingen. Ein bißchen mehr Lärm machte nichts aus. Die Jungen verteilten Traktate und trugen Plakate mit sich, sie malten auch Schilder, auf denen in großen Buchstaben der Weg der Erlösung dargestellt war. Diese klebten sie an Hauswände zwischen grellrote Zigarettenreklame und Reklame für Petroleumlampen und die unheimlichen Wandmalereien des menschenfressenden blauen Tigers, der der Schrecken der Hügelbewohner in den Dschungeln von Futsing im Süden war. Die chinesische Schrift, die von oben nach unten geschrieben wird, brachte sie auf einen neuen Gedanken. Sie nähten sich weiße Baumwollhemden, auf denen in roten Buchstaben »Gott liebt die sündige Welt« und »Jesus Christus ist ein lebendiger Erlöser« zu lesen war. Die Christen in den Vororten zu beiden Seiten des Flusses erlebten ein geistliches Erwachen.

Als Watchman bei seiner Rückkehr von Schanghai am Anlegeplatz Pagoda das Schiff verließ, hatte er auf Dora Jüs Vorschlag Margaret E. Barber besucht, eine frühere anglikanische Missionarin, die jetzt unabhängig von ihrer Missionsgesellschaft arbeitete. Sie war von der C.M.S., ihrer Missionsgesellschaft, 1899 nach Fukien ausgesandt worden. Dort hatte sie, eine Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung, sieben Jahre in der Mittelschule für Mädchen unterrichtet. Als sie 1909 ihren Heimaturlaub in England verbrachte, hatte sie sich zur Glaubenstaufe entschlossen, woraufhin ihr Bischof ihr verständlicherweise schrieb, daß sie nicht nach Fukien zurückkommen möge. Trotzdem kehrte sie im Alter von zweiundvierzig Jahren dorthin zurück im Vertrauen, daß Gott für ihre Bedürfnisse sorgen würde. Li Ai-ming, ein unabhängiger chinesischer Prediger, schloß sich ihr an, und um ihren früheren Kollegen in Nantai kein Ärgernis zu geben, mietete sie den Bungalow eines in den Ruhestand tretenden amerikanischen Missionars in Pei Ya Tan (Weißer Zahnfelsen) gegenüber dem Landeplatz bei der Lo-hsing Pagode. Von hier aus und gemeinsam mit der zwanzig Jahre jüngeren M. S. Ballord, die aus England zu ihr kam, begann sie mit ihrer Arbeit.

Zehn Jahre lang arbeiteten die beiden geduldig unter den Frauen der Umgebung und, wo es möglich war, auch unter den Männern. In gewissen Abständen besuchten sie Futschou, um Traktate auf den Märkten zu verteilen. Dabei spürten sie stark die Begrenzung, die ihnen als Frauen auferlegt war, und dies an der Schwelle einer weiten Provinz, die noch nichts von Christus wußte. In ihrem ersten Jahr hatte sich in Futschou der zweite Priester des nahegelegenen Tempels der »Kochenden Quelle« zur Taufe entschlossen. So etwas geschah jetzt nicht mehr. Das ländliche China für Christus zu gewinnen – dies schien ein ausgeträumter Traum, bis Gott selbst einheimische junge Männer und Frauen für diese Aufgabe berufen würde. Warum sollte er das nicht tun? Sie machten dies zu ihrem ständigen Gebetsanliegen.

Eines Tages zu Beginn des Jahres 1921 ankerte ein Kriegsschiff der Republik gegenüber der Pagode, und ein junger Marineoffizier kam an Land. Er spazierte hinter dem Zollgebäude umher und wurde von Melodien angelockt, die aus einem Missionshaus kamen. Er ging hinein und stellte sich vor. Es war Wang Tsai (Leland Wang), der ältere Bruder von Watchmans Klassenkamerad Wilson Wang aus Futschou. Nach dem Verlassen der Marineschule war er auf einem Schiff in Nanking stationiert, und dort hatte er sich auf wunderbare Weise zu Jesus Christus bekehrt. Er war jetzt dreiundzwanzig und hatte beschlossen, auf sein Offizierspatent zu verzichten und ein Prediger des Evangeliums zu werden. Nun erlebten die beiden Frauen, daß Gott ihr Gebet beantwortete.
Das Haus der Wangs lag in Tschien Schan, einer Vorstadt von Futschou auf derselben Seite des Flusses wie Nantai, am Hang des Hügels ein wenig höher als das Haus der Nees. So bekam Wang Tsai bald Kontakt zu Watchman und seinen Freunden. Nachdem sein Gesuch um Entlassung aus dem Dienst den Behördenweg durchlaufen hatte, kehrte er hierher zurück und machte sein Elternhaus zu seinem Hauptquartier als Evangelist. Für diesen Dienst brachte er eine wirkliche Begabung mit. Da er etwas älter und viel erfahrener als sie alle war, wurde er von der Schülergruppe warm willkommen geheißen und ihm so etwas wie eine Führerrolle zugestanden.

Das Haus der Nees wurde zu einem Aktionszentrum ganz anderer Art. Es brauchte eine Zeit, bis die Leute sich daran gewöhnten, daß aus der politischen Rednerin Huo-ping eine christliche Zeugin geworden war. Doch dann kamen die Einladungen, als methodistische Laienpredigerin in Versammlungen für Frauen und Mädchen in Nord-Fukien zu sprechen. Und da sie das Paihua beherrschte, führten sie diese Vortragsreisen auch noch weiter ins Land hinein. Sie lebte mit Gott und suchte seinen Willen in allen Dingen, und Gott segnete ihr Zeugnis sichtbar.

Obwohl sie nun wieder viel reiste, war sie sich doch der Bedürfnisse ihrer großen Familie bewußt. In einem heißen Sommer, nachdem sie vierzehn Tage lang auf einem Treffen des Futschouer Christlichen Vereins junger Frauen gesprochen und zu Hause eine Woche vorher die wunderbare Bewahrung vor einer Feuersbrunst erlebt hatte, die gerade drei Häuser vor dem ihren zum Stillstand gekommen war, trieb wieder ein heftiger Wind die Flammen vor sich her, die sich diesmal vom Fischmarkt nach Norden wälzten. Wieder weckte sie die Kinder, und während sie dann mit Packen und dem Hinausschaffen der wichtigsten Dinge begann, kam ihr plötzlich Abrahams Gebet für Sodom in den Sinn. Gott schien sie mit der Frage zu tadeln: »Warum betest du nicht?« So hörte sie mit ihrer Beschäftigung auf und kniete sich hin. »O Gott«, betete sie, »in diesem Teil von Futschou ist meine Familie die einzige, die an dich glaubt. Gib mir eine Antwort für die Ungläubigen, damit sie nicht sagen können: ›Wo ist nun dein Gott?‹« Doch die Flammen näherten sich schnell, und dann geschah das Unglaubliche: Die städtische Feuerwehr, die durch das Durcheinander am Brückenkopf am Löschen gehindert wurde, kam auf dem Wasserweg ausgerechnet zu ihrem Haus, um von hier aus die Löscharbeiten zu kontrollieren. Ihre geschickten Bemühungen, verbunden mit einem Drehen des Windes und etwas Regen, brachten den Brand zwei Häuser vor ihrem Heim zum Stillstand. Die beiden Feuersbrünste in einer Woche hatten eine Insel von fünf Häusern am Flußufer zurückgelassen, die wunderbarerweise unberührt in der Verwüstung stehengeblieben waren. Es ist sicher, daß diese gnädige Bewahrung den Glauben der Familie stärkte.

Etwas später, als Huo-ping gerade wieder von einer Predigtreise zurückkam, hörte sie, daß die beiden Engländerinnen vom Weißen Zahnfelsen sie hatten besuchen wollen. Huo-ping wußte, daß Watchman und seine Schulkameraden manchmal bis zum Anlegeplatz Pagoda fuhren, um an den Bibelstunden der beiden Damen teilzunehmen. Sie selbst hatte die Missionarinnen gemieden, seit Dora Jü auf ihrem Heimweg nach Schanghai dort abgestiegen und von den beiden Frauen im Fluß getauft worden war. Damit habe sie ihrer Arbeit selbst am meisten geschadet, meinte Huo-ping, und zögerte nicht, auch öffentlich dagegen Stellung zu nehmen. Doch jetzt kam Watchman einige Tage vor Ostern zu ihr:
»Ehrwürdige Mutter, ab morgen habe ich drei Tage schulfrei. Ich möchte zum Bibelstudium zu Ho Scheo-ngen (so nannten sie Margaret Barber) gehen. Würdest du wohl mitkommen?«

»Warte, bis ich den Herrn gefragt habe«, erwiderte sie und stieg die Treppe hinauf. Sie betete kniend. Als kleines Kind war sie mit ihrer Mutter zusammen getauft worden. Verlangte Gott nun von ihr, daß sie öffentlich tat, wogegen sie so heftig gesprochen hatte: als Erwachsene ihren Glauben in der Taufe erneut zu bestätigen? Ganz sicher war es Gott und kein anderer, der sie zu diesem Gehorsamsakt drängte. Sie erinnerte sich der Worte Gottes bei Jesu Taufe: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.« Nachdem sie noch ein wenig nachgedacht hatte, ging sie hinunter und rief Watchman. Sie hatte sich entschlossen, mit ihm zu Fräulein Ho zu gehen, »und überdies möchte ich getauft werden«.

»Ich auch!« sagte Watchman. »Zu diesem Zwecke gehe ich nämlich hin.«
Watchman war beim Lesen des Neuen Testaments aufgefallen, daß Paulus die Taufe zum Tod Christi in Beziehung setzt, und Petrus zur Herrschaft Christi. Er hatte erkannt, daß es zwei einander feindliche Welten gibt und daß man unmöglich ihren beiden Herren dienen kann, dem Fürsten dieser Welt und dem Fürsten des Lebens. Nun wollte er öffentlich mit dem einen brechen und seine Hingabe an den anderen bezeugen. »Ich ziehe aus diesem vom Satan regierten System aus«, sagte er. »Ich gehöre nicht mehr zu dieser Ordnung der Dinge. Ich richte mein Herz auf das, worauf Gottes Herz gerichtet ist. Mein Ziel ist sein ewiges Ziel in Christus, und ich gehe in jenes Reich und bin aus diesem entlassen.«

Als Watchmans Bruder Georg von ihrem Plan hörte, äußerte auch er den Wunsch, getauft zu werden, und so fuhren die drei am nächsten Morgen mit einem Flußboot zum Weißen Zahnfelsen.

Margaret Barber war entzückt, als sie Huo-ping begrüßte.

»Haben Sie Ihren Reis gegessen? Was für gute Nachricht bringen Sie uns?« Und sie war sehr erstaunt, als sie aus Huo-pings eigenem Munde hörte, daß Gott zu ihr von Taufe gesprochen habe. Seit sie von Dora Jü erfahren hatte, wie Gott Huo-ping nachgegangen war, hatte sie nicht aufgehört, für sie zu beten.

Am Ostersonntag gingen sie zu den Stromschnellen hinunter. Die Strömung war träge, und der Tag war trübe; es regnete leicht, so daß ihre Stimmung litt. An diesem Morgen hatte Huo-ping einen ihrer gelegentlichen Anfälle von Herzjagen. Aber als Margaret anbot, die Taufe zu verschieben, bestand Huo-ping darauf:
»Ich würde lieber bei der Erfüllung des göttlichen Willens sterben, als noch länger nach meinem eigenen Willen leben.«

Nach seiner Taufe sagte Watchman mit wenigen Worten, wo er stand: »Herr, ich lasse meine Welt hinter mir. Dein Kreuz trennt mich von ihr für immer. Ich bin in eine andere Welt eingetreten. Ich stehe da, wo du mich in Jesus Christus hingestellt hast.«

5. Das Samenkorn entfaltet sich

Wang Tsai und Watchman Nee kamen sich jetzt sehr nahe, da sie ein gemeinsames Ziel hatten: die Ausbreitung des Evangeliums unter den jungen Männern und Mädchen der Stadt und in den Schulen und Colleges. Sie setzten ihre Straßenpredigten fort, besuchten die Nachbardörfer und bemühten sich, die zerstreut wohnenden neuen Gläubigen im geistlichen Wachstum anzuleiten. Dabei begann Watchmans fleißiges Schriftstudium Früchte zu tragen. Er entwickelte eine große Klarheit in der Bibelauslegung.

In Wang Tsais Haus war ein Raum groß genug für Versammlungen. Ein paar Menschen pflegten sich dort zu Gebet und Bibelstudium zu treffen. Eines Sonntagabends im Jahre 1922 feierte eine kleine Gruppe von vier Personen in diesem Raum das Abendmahl. Es waren Wang Tsai und seine Frau, Watchman und seine Mutter. Sie fanden so viel Freude und Erleichterung dabei, den Herrn ohne festen Ritus, ohne Priester oder Pastor anzubeten, daß sie dies von da an häufig taten. Nach einigen Wochen gesellten sich auch andere dazu, Simon Meek, Wilson Wang, Faithful Luke und ein zweiter aus dem Dienst ausgeschiedener Marineoffizier, John Wang, der aber nicht mit den anderen Wangs verwandt war.
Ende 1922 besuchte wieder eine Frau, eine ausgeprägte Persönlichkeit, Futschou, um eine Evangelisation zu halten.
Ruth Lee (Li Yuen-ju) war klein von Wuchs, hatte aber ein feuriges Temperament. Sie stammte aus Tientsin und war jetzt als Lehrerin in einem Nankinger College angestellt. Früher war sie überzeugte Atheistin gewesen und hatte Chen Tu-hsius »Neue Jugend« verschlungen. Nach Nanking war sie als Leiterin einer Regierungsschule gegangen. Dort hatte sie sich bei ihrer Ankunft gebrüstet: »Obwohl sich die ganze Welt dem Christentum zuwendet, werde ich niemals glauben.« Als sie erfuhr, daß unter den Mädchen das religiöse Interesse schon geweckt war, verbrannte sie die Exemplare des Neuen Testaments, die sie finden konnte, öffentlich. Zwei Schülerinnen begannen deshalb mit der Lehrerin Christiana Tsai um ihre Bekehrung zu beten. Dann wurde die Schule wegen einer Epidemie geschlossen, und Ruth mußte einige Schülerinnen auf dem Kanalboot in ihre Dörfer begleiten. Diese ruhige Fahrt durch den Frühling und die sprossenden Weizenfelder weckte in ihr den Gedanken an den Schöpfer all dieser Schönheit. Eine neue Sehnsucht erwachte in ihrem Herzen, heimlich las sie die Bibel, und endlich fand sie Jesus Christus als ihren Erlöser. Sie legte dann ihren Posten in der Regierungsschule nieder und fand Anstellung in der Mission. Christus sollte von nun an ihre ganze Zeit gehören.

Da Wang Tsai Ruth Lee zur Zeit seiner eigenen Bekehrung in Nanking kennengelernt hatte, lud er sie ein, noch etwas länger zu bleiben und vier Tage lang Versammlungen in seinem Haus zu halten. Es sollten bemerkenswerte Versammlungen werden. Der Raum war gepackt voll von Männern und Frauen, von alten und jungen Leuten, und es war eine Zeit großen Segens.

Für wenigstens einen Schüler, Faithful Luke, wurden sie zum Wendepunkt in seinem geistlichen Leben. Mit einem Herzen, das nach Gott hungerte, hatte er damals alle Versammlungen von Dora Jü besucht und in den folgenden zwei Jahren eifrig an der Tätigkeit der christlichen Schülergruppe teilgenommen. Die volle Heilsgewißheit erlangte er erst durch Ruth Lees Predigten. Zwei andere fanden zu dieser Zeit ihren Erlöser, und es wurde notwendig, die Versammlungen fortzusetzen, auch nachdem Ruth Lee abgereist war. Junge Männer gingen auf die Straßen hinaus und luden die Leute ein, und Wang Tsai, Watchman Nee und John Wang predigten abwechselnd vor einer wachsenden Zahl von Zuhörern.

. . .  Simon Meek war dreißig Meilen flußabwärts gereist, um in seiner Heimatstadt Lien Kiang einen kurzen Urlaub zu machen. Er war kaum eine Woche fort, als eine Postkarte von Watchman eintraf: »Es ist sehr dringend! Gott tut hier große Dinge, und wir brauchen deine Hilfe. Bitte komm schnell zurück!«

Obwohl rivalisierende Armeen die Stadt und ihre Umgebung unsicher machten, begab sich Simon Meek sofort auf die gefährliche Rückreise. Was er vorfand, setzte ihn in Erstaunen. Gottes Geist war an der Arbeit, und die Schüler, zum Glauben an Jesus gekommen, waren völlig verwandelt. Ihre Freude, die demütige Danksagung bewegten Simon so tief, daß er sich erneut der Nachfolge des Herrn weihte. »Hier auf der Erde ist es schon wie im Himmel«, schrieb er in jenen Tagen.  . . .

Nach Simon Meeks Berichten war es Watchman, der diese Unternehmen plante und anführte. Noch während er mit der Schar zog, leitete er die weniger Erfahrenen im Gespräch an. Er war um die Zukunft dieser jungen Zeugen besorgt, die so viel für die Ausbreitung des Gottesreiches bedeuteten, und so bestand er darauf, daß die Zeit außerhalb der Evangelisation für die Bibelunterweisung genützt würde. Gottes Ziele sollten sie erkennen und die hohen Ansprüche, die Jesus an seine Jünger stellt.

Um selbst im geistlichen Leben zu wachsen, fuhr er nun oft nach Pagoda, wo manchmal bis zu zwei Dutzend junger Männer und Mädchen die Bibelklasse der englischen Damen besuchten. Margaret Barber gab hauptsächlich den Unterricht. Watchman selbst schätzte ihren Rat und ihre Freundschaft mehr und mehr.  . . .

Im Frühlings 1923. Eine Gruppe der Wiedergeborenen hatte um die Taufe gebeten. Für die Brüderschar war dies von großer Bedeutung. »Jeder, der erlebt hat, wie sich in einem heidnischen Land Menschen zu Christus bekehren«, führt Watchman aus, »weiß, was für eine große Wirkung eine Taufe hat.«  . . .

Margaret Barber schalt Watchman oft, doch zu Faithful Luke bemerkte sie eines Tages: »Er wird einmal ein großer Prediger werden.«
In späteren Jahren erkannte er ihren Einfluß auf seinen Lebensweg wiederholt an:
»Ich hielt sie immer für eine erleuchtete Christin. Wenn ich nur ihr Zimmer betrat, fühlte ich mich sogleich in die Gegenwart Gottes versetzt. In jenen Tagen war ich noch sehr jung und hatte viele Pläne, viele Entwürfe, die der Herr billigen sollte, hundertundein Dinge, die ich mir herrlich vorstellte, wenn sie in die Tat umgesetzt würden. Mit all diesem kam ich zu ihr, um sie zu überreden, um ihr zu sagen, daß dies oder jenes das einzig Richtige sei. Aber ehe ich noch den Mund aufmachen konnte, sagte sie ein paar ganz alltägliche Worte – und die Erkenntnis dämmerte mir. Ich schämte mich einfach. Mein Planen war so natürlich, so menschlich, und hier war jemand, der nur für Gott lebte. Ich mußte Gott rufen: ›Herr, lehre mich, diesen Weg auch zu gehen‹«.

Etwa um diese Zeit gab sie ihm die Biographie der französischen Mystikerin Jeanne de la Motte Guyon (1648-1717) zu lesen, die von Ludwig XIV. um ihres Glaubens willen in die Bastille gesperrt wurde. In Frau Guyons Schriften bewegte ihn der Ausdruck ruhiger Ergebung in Gottes Willen sehr und hatte einen starken Einfluß auf sein künftiges Denken. Dieses Buch vertiefte irgendwie sein Bewußtsein von den unsichtbaren, ewigen Dingen. Eine andere Frucht der Lektüre, die Watchman von Margaret Barber erhielt – Schriften von G. H. Pember, Robert Govett und D. M. Panton –, war der Sinn für das Endzeitliche. Die nahe bevorstehende Wiederkunft Jesu war etwas, worauf man sich mit großer Dringlichkeit vorbereiten mußte. Faithful Luke erinnert sich, wie Watchman in dieser Zeit das Buch Daniel und die Offenbarung mit großer Begeisterung und sehr wirkungsvoll auslegte.

Aber nicht alles ging glatt. In dieser Zeit zeigte ihm Gott, daß er während der Ferien das Evangelium auf einer Insel predigen solle, die häufig von Piraten heimgesucht wurde. Es kostete einen Kampf, bis er diesen Ruf annahm. Was würde Gott alles tun, wenn er gehorchte! Nach viel Gebet besuchte er die Insel, die weit draußen in der Trichtermündung des Min lag. Zu seiner Freude stellte er fest, daß die Leute ihn willig aufnehmen würden. Nach einigen Schwierigkeiten mietete er ein Haus, ließ es ausbessern und machte alles für seinen Einzug bereit. Dieser Plan beschäftigte auch die Brüder, und um die hundert von ihnen beteten für ihn und hatten schon zu den Kosten beigesteuert. Während dieser ganzen Zeit erhoben seine Eltern keinen Einspruch. Doch fünf Tage, ehe er hinüberfahren wollte und als schon alles gepackt war, schritten sie ein und verboten ihm die Reise. Das Haus stand bereit, das Geld war ausgegeben, der Wille Gottes brannte in seinem Herzen. Was sollte er tun? Seine Eltern sagten Nein, und Gott hatte gesagt: Ehre Vater und Mutter!
Tief bekümmert suchte er Licht von Gott. Ja, es war Gottes Wille, daß er ging. Andrerseits durfte er seinen Weg nicht erzwingen. So erkannte er Gottes Willen darin, daß er sich seinen Eltern unterwarf und wartete und es Gott überließ, seinen Willen auf andere Weise walten zu lassen.

Die Schwierigkeit bestand nun aber darin, daß Watchman den anderen nicht erklären konnte, warum sein Plan sich zerschlagen hatte. »Alle mißverstanden mich«, berichtet er, »und der, auf dessen gute Meinung ich den größten Wert legte, meinte: Es wird schwierig sein, dir in Zukunft noch zu trauen.«
Lang und bitter grübelte er über diesem Problem, bis er eines Tages im Matthäusevangelium auf Jesu Worte über die Tempelsteuer stieß: »Die Söhne sind frei. Doch, um ihnen keinen Anstoß zu geben, nimm es und gib es für mich und dich.« Sogleich fühlte er die Bedeutung, die auf dem kleinen Wort »doch« liegt, und begriff. Selbst Jesus paßte sich denen an, die an der Freiheit, die er besaß, Anstoß nehmen würden. Jahre später konnte er seine Erfahrung im Licht der Kreuzigung deuten. »Der Wille Gottes mag klar und unmißverständlich sein, doch manchmal führt er uns auf einem Umweg an sein Ziel. Unserem Selbstgefühl gefällt es sehr zu sagen: Ich tue den Willen Gottes! Und es führt uns dazu anzunehmen, daß uns nichts auf der Welt daran hindern dürfte. Dann erlaubt Gott eines Tages, daß sich uns ein Hindernis in den Weg stellt. Wie das Kreuz Christi durchkreuzt es nicht nur unseren Eigenwillen, sondern alles, unseren Eifer, unsere Liebe zum Herrn. Und das anzunehmen, ist äußerst schwer für uns.« Zu jener Zeit konnte er es noch nicht annehmen, er fühlte nur Groll gegen seine Eltern, und die Hauptschuld gab er seiner Mutter. Es dauerte eine Weile, bis er darüber hinwegkam.

Er fragte Margaret Barber, ob sie ihm nicht ein Buch zum Thema »Kreuz« leihen könne. Ja, sie hatte zwei Bücher, aber sie würde sie ihm jetzt noch nicht geben, sie wollte warten, bis er reif genug dafür wäre.
»Ich konnte diesen Grund nicht verstehen«, berichtet er. »Ich wollte diese beiden Bücher so brennend gern haben und verschaffte sie mir durch eine List. Ich erfragte von ihr die Titel und die Autoren, ohne daß sie merkte, warum, und schrieb dann an Frau Penn-Lewis, die mir die Bücher als Geschenk sandte und auch noch einen netten Brief dazu schrieb. Das eine hieß »Das Wort vom Kreuz«, und das andere »Das Kreuz von Golgatha und seine Botschaft«. Ich las sie sehr aufmerksam, doch obwohl ich eine gewisse Hilfe erhielt, beantworteten sie zu meiner Enttäuschung meine Frage nicht. Es ist nicht Gottes Art, uns schnelle Antworten zu geben.«
Wegen eines Streiks wurde die Schule im letzten Monat des Sommersemesters geschlossen. Faithful Luke und vier andere benutzten diese Gelegenheit, um in der Taufe ihren Bruch mit der Welt und ihr Einswerden mit dem Herrn zu bezeugen.
Dabei machte Luke eine typische Erfahrung: Ein einflußreicher Onkel aus Ku-tien eilte herbei, der fürchtete, sein als Anglikaner erzogener Neffe habe sich damit den Weg zur St. Johns Universität selbst verbaut, und drängte ihn, seine Tat – die Taufe – zu bereuen. Doch Luke erwiderte: »Meine Reue gilt meinen Sünden. Ich bin in Frieden.«

Auch der Direktor der Schule dachte, daß Luke den Verstand verloren habe. Das Dreifaltigkeits – College war das Sprungbrett für den Staats- oder Missionsdienst, und die Schüler stiegen von dort oft zu einflußreichen Stellungen auf.
»Heißt das, daß du nicht weiterstudieren willst?« fragte er Luke. »Nein, ich werde das Evangelium predigen«, lautete die heftige Antwort.
Der Direktor, selbst Missionar, war aufrichtig bekümmert. Er fürchtete, daß Nee einen schlechten Einfluß auf die Schülergemeinschaft ausübte.
»Geh und bete«, sagte er zu Luke, »und komm nach drei Nächten wieder zu mir.« Doch als Luke wiederkam, hatte er seinen Sinn nicht geändert.
»Ich habe beschlossen, dem Herrn Jesus allein zu dienen«, verkündete er. Sein Leben lang stand er zu dieser Entscheidung.

Die beiden jungen Männer, die mit ihm das College verließen, erhielten eine Anstellung bei der Zollbehörde, während Luke selbst nach Pagoda ging. Für die englischen Damen war dies eine überschwengliche Antwort auf ihr langes, beharrliches Beten. Margaret Barber lud Luke ein, sich um die jungen Männer zu kümmern, die zu ihr in den Unterricht kamen, während ihre Gefährtin die Frauen betreute. Luke blieb sechs Jahre dort. Watchman und Wilson waren noch ein Jahr auf dem Dreifaltigskeits – College. Der religiöse Eifer hielt an. Sie hatten täglich drei Gebetsstunden, eine am frühen Morgen und zwei am Abend. Auch in der Stadt machte die Verkündigung des Evangeliums Fortschritte, da Wang Tsai und John Wang Abend für Abend in dem kleinen gemieteten Saal predigten. Sonntags wurde dort jetzt regelmäßig das Abendmahl gefeiert.

Watchman widmete indessen alle Zeit, die er erübrigen konnte, dem geistlichen Wachstum der Bekehrten und jungen Mitarbeiter. Er gab die »Erweckung« heraus, ein vervielfältigtes Blatt, das Bibelstudien enthielt und das in einigen Nummern erschien. Im Februar fand dann die Neujahrskonferenz statt, und als im Frühling die Ferien begannen, zogen die jungen Männer wieder hinaus in die Dörfer. Das Sommersemester wurde durch schwere Überschwemmungen gestört, die mit ihrem starken Druck die niedrigen Bogen der alten Brücken gefährdeten und Cholera und andere Plagen in die Häuser am Fluß brachten. Doch die Jungen konnten ihr letztes College-Jahr beenden. Wilson war Primus und Watchman Nee mit geringem Abstand Zweiter.
Watchman war jetzt einundzwanzig Jahre alt. Im Examen trug er einen Zehn-Dollar-Talar, den ihm seine Großmutter väterlicherseits, die scharfzüngige Dame aus Kanton, gekauft hatte. Sie war mit ihrer Schwiegertochter wieder völlig ausgesöhnt
Gott hatte in den letzten zwölf Monaten ganze Scharen bekehrt – in den Colleges, in der Stadt und ringsumher auf dem Land. Jetzt bei Semesterschluß versammelten sich die Studenten, um ihm dafür zu danken.

6. Die Glaubensprobe

Die Chang-Familie lebte jetzt in Tientsin, wo Chang Chuenkuan als Pastor bei der »Christian and Missionary Alliance« beschäftigt war. Von Zeit zu Zeit kehrten sie nach Futschou zurück. Sie blieben eng mit den Nees befreundet, und da sich die ehemals strengen Sitten lockerten, konnten die heranwachsenden Kinder innerhalb des Hauses frei miteinander verkehren. Diese Begegnungen hatten in Watchman ein Interesse für seine einstige Spielgefährtin Charity geweckt, die klug und außerordentlich hübsch war.

Doch Watchman, der seinen Erlöser gefunden und dessen Weltanschauung sich so vollkommen gewandelt hatte, wollte nach der Abschlußprüfung, wie Faithful Luke vor ihm, weder das St. Johns College besuchen, noch sonst irgendwie seine Ausbildung fortsetzen – von jetzt an sollte sein Leben der Predigt von Jesus Christus gehören. Es scheint, daß er diese weitreichende Entscheidung allein und aus persönlicher Überzeugung traf.
Damals wurde ihm klar, wie sehr Charity Chang seine Gedanken beschäftigten. Von Heirat war noch nicht gesprochen worden, aber er dachte manchmal daran. Da brachte ihm ihre nächste Begegnung Klarheit. Charitys weltliche Neigungen, ihre Leidenschaft für elegante Kleider, sagten ihm genug. Sie teilte in keiner Weise seine Liebe zum Herrn, und dieser Liebe durfte nichts vorgezogen werden. Charity verfolgte eigene Ziele, sie strebte nach weltlicher Ehre und nach Erfolg, die ihm nichts mehr bedeuteten. Es war klar, daß sie beide in verschiedene Richtungen lebten.

Eine Weile schob er das Problem auf, bis er eines Tages Psalm 73, 25 las: »Es gibt nichts auf der Erde, das ich begehre, außer dir.« Und der Geist Gottes ließ ihn innehalten: »Du hast ein verzehrendes Verlangen auf Erden. Du solltest deine Neigung zu Charity Chang aufgeben. Welche Befähigung hat sie denn, die Frau eines Predigers zu sein?«
Seine Antwort bestand in dem Versuch zu einem Handel. »Herr, ich will alles für dich tun. Wenn du willst, daß ich das Evangelium zu den entferntesten Stämmen bringe, so will ich das tun. Nur dies kann ich nicht.«
Wie konnte er, der gerade einundzwanzig geworden war, sein Herz von einem Mädchen losreißen, mit dem er sich so viel beschäftigt hatte?

Er stürzte sich in die Evangelisationsarbeit. Viele Türen standen ihm offen, und nachdem er an der Neujahrskonferenz in Futschou teilgenommen hatte, widmete er sich der Arbeit in den Dörfern und wieder besonders dem Unterricht der neu Bekehrten.
Dabei mußte er eine neue Lektion lernen. »In dem Jahr nach meiner Bekehrung«, berichtet er, »hatte ich große Lust zu predigen. Es war mir unmöglich zu schweigen. Es war, als würde ich vorwärtsgetrieben, und ich mußte einfach gehen. Das Predigen war mein Leben geworden.« Er hatte eine gute Schulbildung und war in der Schrift beschlagen und hielt sich für äußerst befähigt, die Landleute zu unterweisen, deren Frauen meistens Analphabeten waren. Aber nachdem er eine Gruppe mehrmals besucht hatte, erhielt sein Selbstgefühl einen empfindlichen Dämpfer. Er entdeckte, daß diese Frauen, obwohl sie nicht richtig lesen konnten, zu einem vertrauten Umgang mit dem Herrn gelangt waren. »Ich kannte das Buch, aus dem sie stockend vorlasen, sie aber kannten den Einen, von dem das Buch sprach.« Das war eine erste Erfahrung mit dem göttlichen Gesetz des Fruchtbringens: »Ohne mich könnt ihr nichts tun.«

In dieser Zeit erlebte er auch, was es heißt, in allen materiellen Bedürfnissen allein auf Gott zu vertrauen. Seine Studiengelder hatten aufgehört, und er hatte keine bezahlte Tätigkeit in Aussicht. Unter all den Büchern, die er von den englischen Damen geliehen, hatten ihn am meisten die Berichte über Georg Müller in Bristol und Hudson Taylor von der China-Inland-Mission beeinflußt. Diese Männer hatten ihr Vertrauen auf den Unsichtbaren gesetzt und bewiesen, daß Gott hinlänglich für die Bedürfnisse in der Reichsgottesarbeit sorgt.

In seiner näheren Umgebung war ihm Margaret Barber ein lebendiges Beispiel dafür. Sie war aus England aufgebrochen nur mit der Versicherung eines jüdischen Christen: »Wenn Gott euch sendet, muß er auch die Verantwortung tragen.« Watchman wußte, wie oft sie nur noch einen einzigen Dollar besaß; aber Gott hatte sie nie verlassen. 1923 hatte sie den Brüdern erzählt, daß sie um ein Haus mit zehn Zimmer bete, um ihre Arbeit in Pagoda auszuweiten. Dabei hatte sie keine Ahnung, woher sie die Mittel dazu nehmen sollte. Watchman war erstaunt, als wenig später eine benachbarte Gewerbeschule schloß und Gott ihr zwanzig Zimmer für eine ganz geringe Miete verschaffte.

Solcher Glaube war ansteckend. Als er einmal ein Wochenende bei Margaret Barber verbrachte, war auch ein Freund von ihm anwesend, der zwei Dollar in der Tasche hatte und bis zum Montagmorgen dringend deren 150 brauchte. Samstags und sonntags fuhr das Postboot nicht. Nachdem er diese Angelegenheit vor Gott gebracht hatte, ging dieser Mann hinaus zum Predigen und traf dabei einen Mann, dem er einen Dollar schuldete. Er bezahlte seine Schuld, und der Dollar, der in seiner Tasche blieb, erhielt nun einen neuen Wert für ihn. Als er einen Bettler traf, wollte er den Dollar erst in Kupfermünzen umwechseln, ehe er ihm etwas gab. Doch Gott hemmte ihn, und er gab dem Bettler das ganze Geldstück. Als auch dieser Dollar weggegeben war, zog Gott bei ihm ein. Er ging nach Hause und schlief friedlich, und am Montag morgen erhielt er telegrafisch eine ganz unerwartete Gabe von 150 Dollar.

Für Watchman wurde dieser göttliche Grundsatz: »Gib, und dir wird gegeben« zur Lebensregel. Wenn wir uns einzig um die Bedürfnisse der anderen kümmerten, dann würde Gott, so glaubte er, unsere Anliegen zu den Seinen machen. Aber er ging noch weiter: Wir sollten niemals anderen unsere finanzielle Not offenbaren, selbst wenn solche Geheimhaltung unsere Freunde annehmen ließe, wir hätten alles reichlich. Überdies sollten wir, abgesehen von dem Genuß kurzer Gastfreundschaft, für Reichsgottesarbeit nichts von den Heiden annehmen, damit Gott den Sündern keinen Dank schulde.  . . .

Von der dortigen Mission erhielt Watchman eine Einladung, Evangelisationsversammlungen zu halten. Seine Auslagen, so nahm er als sicher an, würden ihm ersetzt werden, und nachdem er darüber gebetet hatte, telegrafierte er zurück, daß er am Freitag abreisen würde.

Das Problem war nur, wie er nach Kienning gelangen sollte. Er besaß nur etwa dreißig Dollar, und das Fahrgeld für das Motorschiff würden wenigstens achtzig Dollar kosten. Und was noch schlimmer war: Er bekam heraus, daß in Futschou ein geistlicher Bruder finanziell mindestens ebenso bedürftig war wie er selbst. Als Gott ihn am Donnerstag daran erinnerte, wußte er, daß er handeln mußte. Mit innerem Beben sandte er dem Bruder deshalb eine Gabe von zwanzig Dollar, die er durch Wang Tsai überbringen ließ.

Am nächsten Morgen erhielt Watchman von niemandem etwas, bevor er aufbrach, und als er zum Hafen übersetzte, mit nur zehn Dollar in der Tasche, betete er verzweifelt: »Herr, ich bitte dich nicht um Geld, nur darum, daß ich irgendwie nach Chien-O komme.«

Als er am Landungsplatz ankam, wurde er von dem Besitzer eines kleinen Dampfers angesprochen: »Wollen Sie nach Jenping oder nach Chien-O?«
»Nach Chien-O!«
»Dann kommen Sie doch mit mir!«
»Und was kostet das?«
»Sieben Dollar.«
Erstaunt erkundigte er sich, wie das möglich sei. Als er sein Gepäck an Bord brachte, erfuhr er, daß das Schiff von der Verwaltung gechartert sei, doch stand es dem Besitzer frei, sich noch ein wenig Geld dazu zu verdienen, indem er einen Passagier mitnahm. So machte Watchman die lange Reise unbelästigt von Banditen und ohne die endlosen Verzögerungen durch die an Bord kommenden Zollbeamten.

Es war eine landschaftlich schöne Reise durch fruchtbares Hügelland. Hier wuchsen die besten Apfelsinen der Welt, wie Watchman behauptete.  . . .

In Chien-O predigte Watchman zwei Wochen lang mit großem Freimut und 1,20 Dollar in der Tasche. Seine Botschaft kam gut an, sein Freund K. H. Weigh wurde besonders gesegnet und weihte sich Gott erneut. Zum Schluß gab es ein Abschiedsmahl, bei dem der Erzdiakon Hugh Phillips den jungen Prediger beiseite nahm. Er war ein Mann reicher Erfahrung und hatte unglaubliche Härten um des Evangeliums willen überstanden.

»Ihre Predigten haben uns sehr geholfen«, begann er, »bitte, darf ich mich an Ihren Ausgaben beteiligen?«
Ungestüm erwiderte Watchman:
»Das ist nicht nötig. Es ist für alles gesorgt.« In Wahrheit bereitete es ihm ein unbehagliches Gefühl, Hilfe von einer Mission anzunehmen. Er war sicher, daß Gott auf seine Weise helfen würde.

Aber am nächsten Tag, als ihn viele neugewonnene Freunde zum Boot begleiteten, betete er: »Herr, du kannst mich nicht einfach hierherführen und mich dann nicht wieder nach Hause bringen.« Auf halbem Weg überholte sie ein Bote mit einer Nachricht von Hugh Phillips: »Obwohl Sie jemanden haben, der die Fahrt für Sie bezahlt, lassen Sie Ihren alten Bruder auch einen kleinen Anteil daran haben, indem Sie das Einliegende annehmen.« Da er Gottes Hand darin erkannte, nahm er dies Unterpfand der Freundschaft an. Es war weit mehr, als er brauchte, denn dasselbe Charterboot war wieder da und im Begriff, die Rückreise anzutreten, mit demselben freien Platz und demselben niedrigen Fahrpreis.  . . .

Das war eine Erfahrung, die er nie vergessen sollte. Wie er es später ausdrückte: »Gottes Art ist es nicht zu sagen: Spare, und du wirst reich werden! sondern: Gib, und es wird dir gegeben werden, ein gutes, gerütteltes, überfließendes Maß.«

Doch in Nantai hatte sich Watchmans Beziehung zu seinen Mitarbeitern gewandelt. Es ist im einzelnen nicht klar, was zu dem Beschluß der älteren Brüder (Wang Tsai und John Wang, von einigen anderen unterstützt) geführt hatte, Watchman aus ihrer Gemeinschaft auszuschließen. Gewiß, er hatte sie enttäuscht, als er nicht auf die Pirateninsel ging. Doch nicht dies, sondern eine einzige grundsätzliche Streitfrage wurde damals von den Beteiligten angeführt, und es ist überraschend, daß sie bei diesen jungen Menschen auftauchen konnte.
In seiner Suche nach einem neuen Durchbruch in der Arbeit für das Evangelium hatte Watchman versucht, auf die Grundlagen zurückzugreifen. Gott selbst, so sah er, ist der Urheber jeder Arbeit, die wirklich als die Seine bezeichnet werden kann, und Gott muß auch ihr Ziel sein. Was aber lag zwischen Ursprung und Ziel? Handelte Gott nicht auch da in einem gewissen Sinne, mußte er nicht die Kraft dazu geben?

Hier, meinte Watchman, war ein Punkt, den die Christen im allgemeinen übersahen. Er drückte es so aus: »Wenn wir einen begabten, redegewandten und tatkräftigen Menschen sehen, der auch für die Verwaltung Geschick hat, dann meinen wir: ›Was für ein Gewinn würde dieser Mensch für die Sache Christi sein!‹ Aber damit würden wir behaupten, daß, während Gott Anfang und Ende ist, der mittlere Teil Menschenkraft überlassen wäre.«
Trotz seines eigenen evangelistischen Eifers wurde er von den Worten Jesu beunruhigt: »Der Sohn kann nichts aus sich selbst tun, sondern er tut, was er den Vater tun sieht«, und durch seine Worte an Paulus: »Meine Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung.« Dies schien ihm die Haupttriebfeder alles wahren Wirkens für Gott.

Während der Neujahrskonferenz hatte Watchman versucht, diese Gedanken weiterzugeben. Er hatte über das Alte Testament, und zwar »Das Zeugnis Gottes durch die Bundeslade«, gesprochen – ein Thema, das uns seine gelegentlichen Ausflüge in die Allegorie veranschaulichen kann:
In Jericho, so sagte er, hatte die Gegenwart der Bundeslade den Fall der Stadt bewirkt. Später, als das Volk besiegt war, während der priesterliche Dienst in Silo noch hinsiechte, war es dieselbe Bundeslade, zu der Gott sich in der Verbannung bekannte, sehr zum Mißvergnügen derer, die sie geraubt hatten. Die Frage, die Watchman stellte, lautete: Wie kann Gott heute noch eine Arbeit oder Arbeiter finden, denen er sich so anvertrauen könnte?

Als Antwort deutete er auf den Inhalt der Bundeslade: die Gesetzestafeln, das verborgene Manna und Aarons Stab, der Knospen trieb. Dieser Stab war dort zur Erinnerung an eine dunkle Nacht und einen Auferstehungsmorgen aufbewahrt. Dies deutete, so glaubte er, auf den einen sicheren Weg für jeden Diener Gottes, Frucht zu bringen. Wir wirken nicht für Gott, wenn wir bloß den offenen Türen und den großen Gelegenheiten nachjagen. Sehr oft muß man auch um eines neuen Lebens willen, das kein Mensch aus sich hervorbringen kann (veranschaulicht durch den knospenden Zweig), eine dunkle Nacht mit Geduld ertragen. Dies Auferstehungsleben in seiner vollen Bedeutung war in Sicht, als Jesus das Kreuz bestieg, und der Diener ist nicht größer als sein Herr.
Diese Bibelauslegung war in der Zeitschrift abgedruckt, die er in unregelmäßiger Folge herausgab. Eine Nummer war mit der Gabe des Erzdiakons Phillips in Chien-O bezahlt worden. Watchman glich damals noch nicht durch sorgfältige redaktionelle Arbeit die Übertreibungen aus, mit denen der Prediger seinen Aussagen Nachdruck zu verleihen sucht, und es mag die allzu quietistische Auffassung vom christlichen Dienst gewesen sein, die das Mißfallen der Brüder erregte. Dazu kam ein Druck von außen. Die antichristliche Bewegung hatte in den Städten einen Höhepunkt erreicht, und so hätte man es in manchen Missionskreisen vorgezogen, wenn das Zeugnis der Studenten weniger kompromittierende Formen angenommen hätte.

Wenige konnten das Format von Wang Tsai und John Wang leugnen, beide schlagartig bekehrte Marineoffiziere, hoffnungsvolle Männer, die man vielleicht in das Establishment einordnen konnte. Wang Tsai war kürzlich in Schanghai von Missionaren formell ordiniert worden.

Watchman dagegen war weniger anpassungsfähig. Er war eine mögliche Quelle der Spaltung und dies zu einer Zeit, da man sich vor jeder Verwirrung unter den Gläubigen hüten mußte. Einige Missionare verboten den Studenten, Watchmans Erweckungsversammlungen zu besuchen, und ein Missionar bezeichnete ihn als »Teufel und Betrüger«.

So kam es, daß ihn seine engsten Freunde, die Wangs, aufforderten, nicht mehr an den Gottesdiensten der Gruppe teilzunehmen. Diesen Schritt bereuten bald viele, und von den meisten wurde diese Entscheidung später zurückgenommen. »Wir taten etwas sehr Törichtes. Aber vielleicht wurden wir auch von der Eifersucht geleitet, denn Bruder Nee war so sehr viel begabter als wir anderen.«
Doch für eine Weile blieben diese Beschränkungen in Kraft, und zu Watchmans großem Kummer heilte der Bruch mit einigen der Brüder niemals vollständig aus.

Watchman ging nach Ma-shien, einem Dorf in der Nähe von Pagoda, und mietete dort eine winzige Hütte, deren Fenster auf den Hafen hinausgingen. Diese neue Bleibe machte er nun zum Ausgangspunkt für seine Predigtreisen, und hier begann er auch ernsthafter an seiner Zeitschrift zu arbeiten. Ein oder zwei junge Brüder blieben bei ihm, und Faithful Luke war am anderen Ufer des Min auch nicht so weit entfernt.

Um diese Zeit erhielt Watchman den Besuch einer Ärztin des C.M.S.-Missionskrankenhauses stromabwärts. Fräulein Li hatte einen Jungen adoptiert und aufgezogen, aber er war nicht gut geraten. Als er sechzehn war, wurde er von der Schule gewiesen, und nun brachte sie ihn verzweifelt nach Ma-shien und bat Watchman um Hilfe. Dieser nahm den Burschen – Kuo-ching hieß er – auf und gab ihm Bibelunterricht, und es dauerte nicht lange, bis der Junge eine echte Bekehrung erlebte. Zum Entzücken seiner Mutter und der ganzen Familie zeugte auch sein Betragen von diesem Wandel.

Als man sich im Januar 1925 auf das Neujahrsfest und mit ihm auf die übliche Konferenz in Futschou vorbereitete, die die Gläubigen aus der Stadt und dem Umkreis vereinigte, ließ Wang Tsai  Watchman wissen, daß sein Besuch in Futschou nicht erwünscht sei. Die Kritik an ihrer Arbeit richtete sich hauptsächlich gegen ihn, Watchman, und sie würden es leichter ohne ihn haben.

Dieses Ansinnen, so gibt Watchman zu, nahm ihm den Frieden in Christus und allen Mut. In seiner höchsten Not bestieg er die Fähre zum Weißen Zahnfelsen, um seine Ratgeberin aufzusuchen. »Dahin ist es nun gekommen!« rief er und erklärte ihr, was geschehen war. Sie entgegnete nur sehr wenig, aber durch ihr Schweigen zeigte sie ihm, wie sehr sie mit ihm fühlte.
Dann suchte er Faithful Luke auf, der, obwohl er den älteren Brüdern in Futschou die Treue hielt, tief bekümmert über ihren Bruch mit seinem Freund war. Zusammen suchten sie Gott im Gebet. Watchman war nüchtern genug, um Kritik anzunehmen, und er stellte seine Frage demütig: Hatte er trotz der vielen echten Bekehrungen, die sie in diesem Jahr erlebt hatten, Gott auf irgendeine Weise mißfallen? Hatte er den Brüdern einen Grund für ihre Haltung gegeben?
Während sie beteten, erhielten sie die klare Antwort: »Überlaßt mir euer Problem! Geht und predigt das Evangelium!«

Faithful Lukes Mutter arbeitete damals als Hebamme in dem Dorf Mei-hwa am südlichen Arm der Trichtermündung des Min. Hier herrschte noch finsteres Heidentum, die Leute wußten nichts vom Evangelium. Faithful und Watchman beschlossen deshalb mit vier anderen, die Festtage dort zu verbringen und Christus zu predigen. In letzter Minute schloß sich ihnen der eben bekehrte Li Kuo-ching an, so daß sie sieben waren. Sie meldeten sich im voraus bei einem früheren Schüler des Dreifaltigkeits – Colleges an, der jetzt dort Schulleiter war; doch als sie nach Einbruch der Nacht in Mei-hwa an Land gingen, verweigerte er ihnen die Benutzung des leeren Schulgebäudes. Schließlich fanden sie auf dem Dachboden eines freundlichen Kräuterhändlers Bretter und Stroh für die Nacht.
In den ersten Tagen waren die Fischer und Bauern mit den üblichen Feierlichkeiten beschäftigt: mit zeremoniellen Besuchen, vegetarischen Mahlzeiten, Ahnenkult, Glücksspielen, Entzünden von Feuerwerkskörpern, Spenden für mildtätige Zwecke. Am vierten Tag unterhielten sie ihre verschiedenen Hausgötter mit Opfergaben. Kein Wunder, daß sie nicht zuhören wollten. Aber als selbst am neunten Tag noch kein Echo auf die Predigt der sieben Aufrechten kam, wurde der junge Li Kuo-ching ungeduldig.
»Was stimmt nicht? Warum glaubt ihr nicht?« fragte er die Leute.

Man erzählte ihm von ihrem zuverlässigen Gott Ta-Wang (Großer König), dessen Festtag, durch Weissagung bekanntgegeben, dieses Jahr auf den elften Januar festgelegt war. Während der letzten 286 Jahre hatte er ihnen, versicherten sie, immer Sonnenschein für den erwählten Tag verschafft.
»Dann verspreche ich euch«, rief der halsstarrige Li, »daß unser Gott, der der wahre Gott ist, es am 11. regnen lassen wird.« Sogleich gingen die Zuhörer auf diese Herausforderung ein.
»Sag nichts mehr! Wenn es am 11. regnet, dann ist euer Jesus in der Tat Gott, und wir werden bereit sein, von ihm zu hören.«

Watchman hatte an einer anderen Stelle des Dorfes gepredigt, und als ihn die Nachricht, die sich wie ein Steppenbrand ausbreitete, erreichte, war er entsetzt. Die Ehre des Herrn schien dem Zufall überlassen, denn sie hatten ihn leichtfertig auf etwas festgelegt, was er vielleicht gar nicht unterstützen wollte. Er wußte, daß sie alle sieben – und nicht nur Li allein – die Verantwortung dafür tragen mußten. Doch wenn Gott nicht darauf einging, welche Zukunft hatte das Evangelium dann auf diesen Inseln? Hatten sie gesündigt? wiederholte er die Frage, die er Gott erst vor einigen Tagen gestellt hatte. Sollten sie jetzt aufgeben und diesen »Großen König« Ta-Wang unumschränkt regieren lassen? Als sie wieder in ihrem Quartier waren, suchten sie Gottes Antlitz in großer Demut, bereit, eine Zurückweisung zu erhalten.

Dann empfing Watchman das Wort: »Wo ist der Gott des Elias?« und dies war die Zusicherung, daß es am 11. regnen würde. Es war so eindeutig, daß sie hinausgingen und diese Herausforderung laut verkündeten.
An diesem Abend beunruhigte ihr Gastgeber sie, indem er die Aussage der Dorfbewohner bestätigte. Der Gott Ta-Wang war der Hüter von Frieden und Ordnung, er beschützte seine Anhänger vor Krankheit, ihre Felder vor Unwettern, ihre Frauen bei der Entbindung. An seinem Festtag konnte man damit rechnen, daß er ihren Eifer mit einem wolkenlosen Himmel belohnte. Darüber hinaus erinnerte sie der Mann daran, daß die Hälfte der Dorfbewohner Fischer waren, die Monate auf der See zubrachten und wenigstens für einige Tage das Wetter zuverlässig voraussagen konnten.

Als die Brüder das hörten, beteten sie wieder um Regen, und wieder empfingen sie das Wort des Propheten: »Wo ist der Gott des Elias?«
Am nächsten Tag setzten sie auf eine nahegelegene Insel über – die Pirateninsel, auf die Watchman früher hatte gehen wollen. Dort bekehrten sich sogleich drei Familien zu Christus, bekannten sich zu ihm und verbrannten öffentlich ihre Götzen. Spät kehrten die Brüder zurück, müde, aber glücklich.
Am nächsten Morgen – es war der 11. – schliefen sie lange. Watchman erzählt, wie er von den Sonnenstrahlen erwachte, die durch das einzige Dachfenster auf ihn fielen. Es regnete nicht! Und es war schon nach sieben Uhr. So erhob er sich, kniete nieder und betete: »Herr, bitte schicke uns Regen!« Da klangen ihm sogleich wieder die Worte in den Ohren: »Wo ist der Gott des Elias?«

Schließlich saßen sie alle beim Frühstück, die sieben Brüder und ihr Gastgeber, alle sehr still. Es war keine Wolke am Himmel, und doch wußten sie, Gott hatte sich verpflichtet. Als sie den Kopf senkten, um vor dem Essen zu beten, meinte Watchman: »Ich denke, die Zeit ist da. Der Regen muß jetzt kommen. Wir können den Herrn daran erinnern.« Still taten sie das, und noch ehe sie Amen sagten, hörten sie die ersten Tropfen auf das Dach fallen. Als sie ihren Reis aßen, ging ein Schauer nieder, und als sie ihre Schalen zum zweiten Mal füllten, rief Watchman: »Laßt uns Dank sagen!« Draußen schüttete es wie mit Eimern, als sie ihre zweite Reisportion zu essen begannen. Als sie fertig waren, stand die Straße schon unter Wasser, es floß über die drei Stufen, die zur Haustür des Kräuterhändlers führten.
Schon als die ersten Tropfen fielen, hatten ein paar der jüngeren Dorfbewohner offen gesagt: »Das ist Gottes Hand, Ta-Wang ist nicht mehr! Der Regen hat ihn zu Hause festgehalten.«

Aber seine Anhänger gaben nicht auf. Sie trugen den Gott in einer Sänfte hinaus, denn gewiß würde er dem Schauer ein Ende bereiten. Aber dann stolperten die Träger der Sänfte im strömenden Wasser, und mit ihnen glitt auch Ta-Wang zu Boden. Der Gott brach sich den Kiefer und den linken Arm. Seine Anhänger besserten ihn eilig aus und setzten ihn wieder in die Sänfte. Sie zogen oder trugen ihn durch die Straßen von Mai-hwa, bis die niederstürzende Flut sie endgültig vertrieb. Einige der älteren Dorfbewohner, Männer zwischen sechzig und achtzig Jahren, barhäuptig und im Glauben an Ta-Wangs gutes Wetter ohne Schirm, hatten sich im Fallen verletzt.

Der Götze wurde in ein Haus getragen, und das Orakel erneut befragt. »Heute war der falsche Tag«, kam die Antwort. »Das Fest muß am 14. stattfinden mit einer Prozession um sechs Uhr am Abend.«
Als diese Nachricht sie erreichte, kamen die Brüder sogleich wieder zum Gebet zusammen. Am Nachmittag klärte sich der Himmel auf, und jetzt hatten sie aufmerksame Zuhörer für das Evangelium. Gott schenkte ihnen mehr als dreißig echte Bekehrungen in Mai-hwa und auf den Nachbarinseln während dieser drei kurzen Tage.
Der 14. Januar brach an, ein strahlender Tag, und wieder hatten sie eine große Zuhörerschar. Als der Abend nahte, trafen sie sich und brachten zu der festgesetzten Stunde – »um sechs Uhr am Abend« – die Angelegenheit vor Gott. Seine Antwort kam nicht eine Minute zu spät. Wolkenbruchartige Regenfälle und Fluten brachen wie beim ersten Mal herein. Satans Macht, die sich in diesen Götzen manifestiert hatte, war gebrochen, und Ta-Wang würde nie mehr ein angesehener Gott sein.
Am nächsten Tag war ihre Zeit abgelaufen, denn die Brüder, die eine Arbeit hatten, mußten abreisen. Die Mission, zu deren Arbeitsfeld die Inseln gehörten, nahm sich der Bekehrten an. Als Watchman später auf diese Ereignisse zurückblickte, erkannte er in ihnen eine Lektion von bleibendem Wert. Das Zusammentreffen der Ereignisse war für ihn und seine Gefährten eine große Beruhigung. Wenn sie nur demütig weitermachten und sich nahe zu Gott hielten, konnte man ihm die Sorge für alle Folgen gewiß überlassen.

7. Dienst im Ausland

Von seiner kleinen Hütte aus über dem Hafen sah Watchman das Kommen und Gehen von Flußbooten und Ozeanschiffen. Flußaufwärts lagen Schiffswerft und Marineschule, flußabwärts auf der Lo-sching-Insel stand die etwa dreißig Meter hohe Pagode, die dem Hafen ihren Namen gab – Pagoda. Hier, wo die beiden Arme des Min, die acht Meilen lang die Nantai-Insel umgaben, sich vereinigten, war das Flußbett tief genug, daß große Frachter in der Mitte des Flusses liegen konnten.  . . .

Hier führte Watchman von seinem zweiundzwanzigsten bis zu seinem vierundzwanzigsten Jahr ein sehr einfaches Leben. Es wurde für ihn eine Zeit des Übergangs und starker geistlicher Entwicklung.
Er sehnte sich nach festen Zielen. Vor Jahren, als er radfahren lernte, hatte er geglaubt, er müsse seine Augen nur fest auf die Lenkstange richten; wenn sie fest stände, dann würde er davon geradeaus fahren. Doch er fuhr in den engen Straßen ständig gegen Hauswände und verletzte sich die Knöchel. Dann zeigte ihm ein Freund, wo der Fehler lag: »Sieh auf die Straße! Richte die Augen fest auf den vor dir liegenden Weg!«

Er versuchte nun, dieses Prinzip auf seine Arbeit für Gott anzuwenden. Er sah die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung ein und legte ein anstrengendes Studienprogramm für sich fest, ahnte aber schon, daß für Gott der Prediger mindestens so viel bedeutet wie das, was er predigt. Gott wollte zuerst in ihm ausarbeiten, was er dann als Botschaft weitertragen sollte.

Zeitweise ließ Watchmans Gesundheit zu wünschen übrig, er wurde oft vom Husten geplagt, und in solchen Zeiten widmete er sich dem Studium, der Meditation des Wortes und einer ausgedehnten Lektüre, die die Kommentare von Alford und Westcott und die Biographien von Luther und Knox, Jonathan Edwards, George Whitefield und David Brainerd einschloß. Wenn es ihm besser ging, teilte er seine Zeit zwischen Predigtreisen und der Herausgabe der Zeitschrift »Erweckung«.

Dieses kleine Erbauungsblatt gab er seit 1923 heraus.  . . .
Später im Jahr führten ihn Familienangelegenheiten nach Schanghai, und dort hörte er das Neueste von Charity in Tientsin. Es war nun einige Zeit her, seit sie sich gesehen hatten, aber er hatte sie nicht aus seinen Gedanken verbannen können. Er hörte, daß sie eine glänzende Schülerin in Keans College war und an die Yenching Universität nach Peking gehen wollte. Was er von ihren gesellschaftlichen Ambitionen hörte, vertiefte in ihm die Überzeugung, daß er den Gedanken an sie aufgeben mußte, wenn er dem Herrn nachfolgen wollte. Bekümmert beschloß er deshalb, nicht mehr an sie zu denken. Er ging in sein Zimmer, kniete sich hin, übergab entschlossen und endgültig Gott die Angelegenheit und schrieb dann ein Gedicht »Grenzenlose Liebe«.

In Schanghai stieß Watchman bei seiner Bibellektüre auf die Worte Jesu: »Ich muß die frohe Botschaft vom Gottesreich auch in anderen Städten predigen, denn dazu bin ich gesandt.« Kurz danach kam ein Telegramm von seiner Mutter: »Ich bin eingeladen, in Malaya zu evangelisieren. Bist du frei, um mich zu begleiten?«
Etwa einen Monat vorher hatte Huo-ping auf der Geburtstagsfeier einer Freundin einen Mann namens Cheng aus Malaya getroffen, der geistlich in Not war. Er hatte von der wunderbaren Bekehrung der Nees gehört, und als Huo-ping nun darüber sprach, übergab er voller Eifer Gott sein Leben. Nun schrieb er ihr wegen seiner Heimatgemeinde in Sitiawan, in der nur wenige die Erlösung durch Christus kannten, die er erfahren hatte. Würde sie kommen und ihnen predigen? Huo-ping brachte die Angelegenheit vor den Herrn, und er gab ihr Bestätigung durch die Worte des Lukasevangeliums: »Ich muß die frohe Botschaft vom Gottesreich auch in anderen Städten predigen.« Daraufhin hatte sie Watchman telegrafiert, der nun von Schanghai aus zu ihr stieß.  . . .

Sie reisten auf Kosten des Herrn Cheng über Singapur und Ipoh nach Sitiawan . . . .
Während dieser Wochen hatte sich Frau Nee im Heim der Lings sehr wohl gefühlt. Sie war besonders von der ältesten Tochter Ai-king, einer vielversprechenden jungen Christin, eingenommen. In ihr sah sie die vollkommene Gefährtin für ihren Sohn. Sie sprach mit den Eltern des Mädchens darüber, nahm deswegen auch Verbindung mit ihrem fügsamen Mann auf, doch Watchman wurde weiter nicht gefragt. Da sie auch von anderen Orten zum Predigen eingeladen wurden, blieben sie länger in Malaysia, und so trafen sich die Familien wieder. Huo-ping vergaß ihre eigene bittere Erfahrung in der Jugend und trieb die Angelegenheit ungestüm voran. Der Gehorsam verlangte, daß Watchman seine Zweifel unterdrückte. Durch formellen Austausch von Karten und ein kleines Fest wurde die Verlobung verkündet, die sofort eine Quelle großer Unruhe für Watchman wurde. In einer Angelegenheit, die so tief mit Gottes Ziel für sein Leben verknüpft war, wollte er auf keinen Fall einen falschen Schritt tun. Er verbrachte einige schwere Tage im Gebet, prüfte vor Gott, was er tun sollte, und schließlich, als sie Schanghai erreichten, sagte er es seiner Mutter: Gott hatte ihm keine innere Freiheit zu einer Ehe mit Ai-king gegeben. Außerdem hatte ihm ein Bekannter der Familie Ling Negatives über Ai-king hinterbracht. Er setzte durch, daß Huo-ping die Verlobungsgeschenke zurückschickte, und er selbst schrieb an die Lings so höflich, wie er konnte, und erklärte ihnen seine Lage. Seine Mutter konnte sich nur schwer damit abfinden, denn sie liebte Ai-king bereits wie eine Tochter. So herrschte eine gewisse Spannung zwischen ihnen, als sie das Wort im Bethel – Krankenhaus auf Einladung von Dr. Mary Stone verkündeten. Aber als Huo-ping dann eingeladen wurde, in der Mädchenschule zu sprechen, erinnerte sie das an ihre eigene Verlobung, während sie dort Schülerin war, und sie begann die Dinge mit Watchmans Augen zu sehen. Auf dem Dampfer nach Futschou war sie bereit zuzugeben, daß sie sich vielleicht geirrt habe.

Der Vorzug von Watchmans Predigten lag vor allem darin, daß er den Weg zu Gott so klar aufzuzeigen wußte. Viele Christen mühten sich um eine Erlösung, die auf ihren eigenen guten Werken gründete, und unterschieden sich darin wenig von den Buddhisten. Man hatte ihnen gesagt, es sei vermessen zu behaupten, daß sie gerettet seien. Die Lehre vom neuen Leben als Gottes Gnadengeschenk bestürzte sie darum durch ihre Neuheit. Watchman blieb aber nicht bei dem Evangelium von der Rechtfertigung durch den Glauben stehen. Er hatte die Schriften von Andrew Murray und F. B. Meyer über ein geheiligtes Leben gelesen und alles, was er von Charles E. Finney, Evan Roberts und über die Erweckungsbewegung in Wales 1904-05 bekommen konnte. Er forschte auch bei Otto Stockmayer und Jessie Penn-Lewis, was sie über Seele und Geist und den Triumph über satanische Mächte zu sagen hatten. Sein eigenes Studium des Neuen Testamentes unterstützte ihn in der Ansicht, daß hier wichtige Fragen lagen, die den Gläubigen irgendwie in einfachen Worten nahegebracht werden mußten.

Zweifellos war vieles, was er verkündigte, nur die Frucht seines fleißigen Studiums und mußte erst noch durch eigene Erfahrung geklärt werden. Trotzdem beschäftigte er sich mit dem Gedanken, ein Buch über das geistliche Leben zu schreiben. So vieles, was er voller Freude entdeckt hatte, fand keine Erwähnung in den Missionskirchen ringsum. Wenn er in einer Versammlung sagte, der auferstandene Erlöser müsse das wahre Leben des Menschen werden, nur so könne er hoffen, wirklich nach Gottes Willen zu leben, dann waren das ganz neue Gedanken für Leute, die das Evangelium nur als eine Garantie für die ewige Seligkeit verstanden. »Nimm den Erlöser an, und dann vergiß ihn und wende dich einer menschlichen Lebensphilosophie zu«, das war die verbreitete Ansicht, und deshalb hatten die Lehren des Konfuzius und Meng-tse in vielen sogenannten christlichen Häusern das gleiche Gewicht wie die Bibel.

Wie weit war dies entfernt von den Früchten eines neuen Lebens! Wie wenig Raum gab es dem innewohnenden Geist Gottes! Auf ihn als den Lehrer der Unwissenden stützte sich Watchman mehr und mehr. Vor Monaten hatte er einen bescheidenen Schneider namens Chen entdeckt, der die lose letzte Seite eines Markusevangeliums aufgehoben und gelesen hatte. Dieser Mann kannte keinen Christen, der ihn beraten oder vor der zweifelhaften Anwendung dieser Verse gewarnt hätte. Er hatte sich aus Vers 18 des letzten Kapitels das, wie er meinte, geringste Zeichen ausgewählt, nämlich die Gabe zu heilen, und war ins Dorf hinuntergegangen, um sie zu erproben. Er war durch die dramatische Genesung eines Nachbarn überzeugt worden und ging dann einfach in seine Schneiderwerkstatt zurück, um dort für Christus Zeugnis abzulegen.

Solche Erlebnisse halfen Watchman eine Schwierigkeit zu überwinden, die ihm zu schaffen gemacht hatte. Er berichtet, daß er nach seiner Bekehrung große Angst hatte, einem Atheisten oder Modernisten zu begegnen, weil dieser ihm beweisen könnte, daß die Bibel unglaubwürdig sei und er dann seinen Glauben verlieren würde. Aber als er in seinem Leben dem lebendigen Christus begegnete und dies auch bei anderen erlebte, wußte er die Antwort: Auf alle Beweisgründe konnte er mit Sicherheit antworten: »Ja, es ist viel Vernünftiges in dem, was Sie sagen. Aber ich kenne meinen Gott! Das genügt.«

In einem anderen Dorf hatte ein neubekehrter Bauer eine andere Prüfung erlebt. Sein Reisfeld lag dicht über einem Bewässerungsgraben auf einem in Terrassen angelegten Hügelhang. Immer wieder wurde er durch seinen Nachbarn betrogen, der nachts das in mühevoller Arbeit hinaufgepumpte Wasser auf sein eigenes Feld leitete, indem er den Wall durchstach, der das Wasser auf dem oberen Feld zurückhielt.
In seiner Verzweiflung ging dieser Bauer zu den anderen Gläubigen. »Das ist nicht recht!« rief er aus. »Aber was soll ich tun? Sagt mir, wie ich mich in dieser Situation verhalten soll.« Sie beteten mit ihm, und dann schlug einer vor, er solle versuchen, die zweite Meile zu gehen. »Wenn wir nur tun, was recht ist«, meinten sie, »sind wir unnütze Knechte. Wir sollten über das Rechte noch hinausgehen.« So trug er am nächsten Tag wieder seinen Holztrog hinaus und begann auf seiner Tretmühle zu arbeiten und das Wasser hochzupumpen. Am Morgen pumpte er Wasser auf die beiden nassen Streifen des Nachbarn unter ihm, und am Nachmittag pumpte er genug für sein eigenes Feld.
Der Nachbar war sprachlos. Nachdem er die Sache bedacht hatte, ging er zu dem christlichen Bauern und bat ihn ganz aufrichtig um eine Erklärung. Bald wurde auch er Christ.
Dies waren Menschen, die die Bibel ernst nahmen. Sie lebten in einer rechten Gemeinschaft von Neugeborenen. Hier begann Watchman das Wesen der Kirche Jesu Christi auf Erden und das Zeugnis seines Geistes für das Heidentum zu sehen. Jedes geringste Kind Gottes sollte ein Zeuge von der umwandelnden Macht des Evangeliums sein.

Die alten Weinschläuche

Die Entfernung zwischen der Kapelle des Dreifaltigkeits-Colleges und Watchmans grasgedeckter Hütte am Fluß betrug nur zehn Meilen. Doch innerlich war er einen weiten Weg gegangen. Hier wie in Nantai drängten sich ihm die Gegensätze zwischen Ost und West auf. Der Hang hinter der Hütte war mit komfortablen ausländischen Bungalows bedeckt; im Hafen lagen die Küstenlinienschiffe und Frachter aus Europa und Amerika vor Anker, sie kamen mit der Flut und glitten mit der Flut hinaus. Aber zwischen ihnen schlingerten die winzigen Hausboote der Einheimischen, die die Göttin Ma-zu anbeteten. Hier unten am Strand, wo sich der Lärm und die Gerüche des Bazars bemerkbar machten, drängten sich ihre einfachen Behausungen rings um seine Hütte. Es war eine durcheinandergewürfelte Welt. Er fragte sich ständig, wie sein Christentum dahinein passen sollte.

In Futschou war es die Anglikanische »Steinkirche« (oder ihr aus roten Ziegelsteinen erbautes amerikanisches Gegenstück), die das Christentum symbolisierte. Dort kam, wie ein Zyniker feststellte, einmal wöchentlich die »Gemeinschaft« von ausländischen Konsuln, Hafenbeamten und Kaufleuten zusammen und vereinte sich mit den Missionaren zu einer kurzen Stunde religiöser Übung, die vom Kaplan der Marine mit einem sicheren Gefühl für religiöse Formen geleitet wurde. Wenn sie das vollbracht hatten, machten sich die Vertreter von Jardine Matheson oder Gillman & Sassoon an ihre traditionelle Aufgabe nach dem Kirchgang: Sie setzten den Teepreis für die Woche fest. Die übrigen begaben sich in den Britischen Klub oder zu ihren Sonntagsvergnügungen.

Natürlich fanden sich in den kleineren Gemeinden der Stadt und in der Umgebung, die mit so viel Eifer in jahrelanger Aufbauarbeit entstanden waren, mehr Chinesen ein. Auch ihre Geistlichen waren meistens Chinesen. Und doch spürte man das westliche Vorbild überall: Die Laien verhielten sich weitgehend passiv. Sie waren abhängig von einer schwerfälligen kirchlichen Organisation, an deren Spitze ein ausländischer Bischof stand. So herrschte ständig Mangel an ordinierten Geistlichen, und Pastoren, die die Sakramente austeilen durften, mußten oft sieben Gemeinden und mehr »bedienen«. So war es auch unvermeidlich, daß sich die einheimischen Sekten ausbreiteten. In Watchmans Jugendjahren zog besonders die »Wahre Kirche Jesu« (Chen Yehsu Chiao) in Fukien viele Pastoren und Gemeindeglieder an.

Watchman spähte ständig nach einer Bewegung des Geistes im Gottesvolk aus, und er glaubte, daß sie nicht in der Enge einer Sekte zum Durchbruch kommen könne. So sagte er etwas später in einer Versammlung: »Wenn wir uns heute um den Tisch des Herrn versammeln und unser Horizont auf unsere eigene kleine Gemeinschaft begrenzt ist, sind wir nicht berechtigt, das Brot zu brechen. Christi Leben in uns hat uns zur ganzen Kirche in Beziehung gebracht, nicht nur zu einem kleinen Teil von ihr. Wir brauchen ein weites Herz, das alle Kinder Gottes einschließt, sonst werden wir dies Brot unwürdig essen. Wir verkünden hier, daß alle Kinder Gottes Brüder und Schwestern sind, deshalb dürfen wir nichts für uns behalten. Wir wollen daran denken, daß derselbe Heilige Geist, der über uns gekommen ist, auch über sie ausgegossen wurde.«
Hier versuchte er für das Problem der Trennung in viele Denominationen eine Antwort zu finden: Es war ein »importiertes« Problem und für einen Neubekehrten in China nicht annehmbar.

Unter den jungen Christen jener Zeit war Watchman nicht der einzige, der sich fragte, ob eine Rückkehr zu der Einfachheit des Neuen Testaments nicht jene Einheit der Gläubigen wiederherstellen könne, um die Jesus gebetet und für die er sein Leben hingegeben hatte.

Er wußte wohl, daß jede Bewegung, die sich von den bestehenden Kirchen fortbewegt, in der Gefahr steht, nationalistisch und antimissionarisch zu werden und schließlich alle anderen christlichen Gemeinschaften abzulehnen. Aber unter den westlichen Schriftstellern, die er jetzt mit Freuden las, waren Govett, Panton und der viel ältere J. N. Darby, die ihr Amt in der Anglikanischen Kirche niedergelegt hatten und auf deren Suche nach einer schlichteren Form des Gottesdienstes Gott sichtbar geantwortet hatte. Solcher Gehorsam der Schrift gegenüber würde genügen, und so setzte sich Watchman für Qualität im geistlichen Leben ein. »In der Reichsgottesarbeit hängt alles von der Art des ausgesendeten Arbeiters und der Art der Neubekehrten ab.« Wenn er Qualität zu seinem Ziel erhob, brauchte er keinen Kreuzzug gegen die ausländischen Missionen zu führen. Er durfte seine eigene geistliche Pilgerschaft nicht mit der nationalistischen Strömung vermischen.

In dieser Zeit von 1925-28 erlebte das Nationalgefühl einen mächtigen Auftrieb unter den Studenten. Ihre Lehrer hatten ihnen gesagt, sie seien die Hoffnung der Nation – nun wollten sie ihre Retter sein. Mit dem Untergang des alten Systems stand ihnen der Eintritt in die Regierungsämter nicht mehr offen, ihre beruflichen Aussichten waren gering. Aber sie waren jung und Idealisten, ungeduldig gegenüber dem Alten und eifrig dem Neuen zugetan und bereit, jede aussichtsreiche Massenbewegung anzuführen.

Die Nee-Eltern kamen auf tragische Weise mit dieser Entwicklung in Berührung. Ihr dritter Sohn, Scheng-tsu, der unter dem Einfluß seiner weltlich gesinnten und nachsichtigen Großmutter herangewachsen war, hatte sich schon früh zur Politik hingezogen gefühlt. Er war für die Eltern eine Quelle ständiger Sorge, da er fast immer in Schwierigkeiten steckte. Angeblich um »die Nation zu retten«, aber in Wirklichkeit, um sich vor dem Studium zu drücken, hatte er sich nacheinander zwei radikalen revolutionären Bewegungen angeschlossen und war dann bei einer Demonstration umgekommen.

Die Demonstrationen richteten sich auch gegen die Missionen. Schon im Jahre 1925 während Watchman und seine Freunde auf den Inseln in der Min-Mündung missionierten, waren in Futschou die katholischen Schwestern und einige Missionarinnen der Anglikanischen Mission C. M. S. angegriffen worden und mit knapper Not mit dem Leben davongekommen.
Am 12. März dieses Jahres starb in Peking Dr. Sun Yat-sen, und am 30. Mai schossen weiße Polizisten des Ausländerviertels in Schanghai auf demonstrierende Studenten. Das löste eine Welle antibritischer Gefühle aus, die zu weiteren Gewalttaten in den Städten des Südens führte. Die »antichristliche Allianz« leistete so gründliche Arbeit, daß zwei Jahre später, im Frühjahr 1927, alle ausländischen Missionare vorübergehend an die Küste evakuiert wurden. Im Sommer 1927 brannte im Dreifaltigkeits-College die Elementarschule nieder, und im Januar 1928 das neue Internat. Die Flitterwochen der protestantischen Mission schienen zu Ende zu sein.

Zu Beginn des Jahres 1926 nahm Watchman, der den Kontakt mit den an den lebendigen Christus glaubenden Missionaren aufrecht erhielt, eine Einladung nach Amoy in Süd-Fukien an. Er sollte zu den Studenten des Talmage College und des Seminars der amerikanischen Presbyterianermission sprechen. Hier fielen ihm zwei eifrige christliche Studenten auf, Daniel Tan und James Chen, ein Pastorensohn, die in späteren Jahren seine Mitarbeiter werden sollten.

Dieser Dienst in Amoy führte zu einer herzlichen Einladung nach Nanking. Dort gab der Verlag »Geistliches Licht« eine gleichnamige Zeitschrift heraus, zu deren Redaktion seine alte Freundin Ruth Lee gehörte. Sie bat ihn um Mitarbeit, und da Watchmans Gesundheit zu wünschen übrig ließ und ein Klimawechsel sich vielleicht günstig auswirken würde, und da der Herr ihm zu sagen schien: »Geh und gewinne etwas Erfahrung im Verlagswesen!« kam er zu dem Schluß, daß Gott diese Reise wünsche.

Der Zwischenaufenthalt in Schanghai war in mehr als einer Beziehung wertvoll für ihn. Er frischte alte Freundschaften auf und gewann neue Bekannte. Viele Leser seiner Zeitschrift »Der Christ«, die die »Erweckung« abgelöst hatte, lebten in Schanghai und in den nördlichen Städten, den Jangtesekiang hinauf, und er erkannte erneut, wie günstig Schanghai als Operationsbasis für das ganze Land lag. Die Stadt war ein brodelnder Kessel und mit ihrer scharfen Konkurrenz und ihren politischen Intrigen ein ungemein anregendes, wenn auch gefährliches Pflaster. Die Moral dieser Stadt wurde oft mit der Bemerkung umrissen: »Wenn Gott Schanghai verschont, muß er sich bei Sodom und Gomorra entschuldigen.« Hier war das wirtschaftliche, industrielle und finanzielle Zentrum Chinas. Welche Möglichkeiten! dachte Watchman. Sollte er sich eines Tages hier niederlassen?

In Nanking mit seinen ausgedehnten Missionsniederlassungen genoß er erst einmal die Gemeinschaft mit anderen Christen. Hier eignete er sich nützliche Kenntnisse auf redaktionellem und publizistischem Gebiet an. Am wertvollsten war für ihn die Gemeinschaft mit Ruth Lee. Sie war zehn Jahre älter als er und hatte schon größere geistliche Erfahrung; er fühlte, daß er eine »ältere Schwester« brauchte. Mit ihr sprach er über das, was ihn innerlich bewegte: China für das Wort des Lebens zu erobern. Er fand in ihr einen verwandten Geist und eine weise Ratgeberin. Beide glaubten, daß die gegenwärtige Unruhe einen neuen geistlichen Hunger in den jungen Chinesen wecken würde, die sich Christus zuwenden und dann von dem Christentum, das sie vorfanden, enttäuscht sein würden. Konnte er in dieser Not nicht helfen? Ruth bestätigte auch Watchmans Ansicht, daß Schanghai der strategisch richtige Platz für diese Arbeit sei, und war bereit, ihren Posten in Nanking aufzugeben und nach Schanghai zu kommen, besonders auch, um ihm in seiner schriftstellerischen Tätigkeit zu helfen.

Watchmans Arbeit in Nanking dauerte nur einige Monate. Er wurde krank, und außerdem hatte er das Gefühl, daß Gott ihn nicht an den Schreibtisch binden wollte. So fuhr er im Frühherbst 1926 heim, geistlich erfrischt, doch im übrigen schwach. Wieder quälte ihn ein Husten, der nicht weichen wollte. Abends fror er, nachts schwitzte er. Unterwegs in Schanghai suchte er einen Arzt auf. Das Röntgenbild zeigte, daß die eine Lunge ganz, die andere zum Teil mit Tuberkulose befallen war. Während der Arzt die noch feuchte Aufnahme betrachtete, hörte Watchman, wie er auf englisch zur Schwester sagte:
»Der arme Kerl! Sehen Sie sich das nur an! Unser letzter Fall mit einem solchen Befund war nach sechs Monaten tot.«

Auf dem Schiff, das ihn nach Hause brachte, begann er sich einer strengen Selbstprüfung zu unterziehen. Er untersuchte sein Handeln, seine Motive, seinen Ehrgeiz. Ein Wunsch war nun übermächtig in ihm: Er wollte rein sein vor Gott. Er bekannte seine Sünden. Der Gedanke an das Mädchen Ai-king in Sitiawan bedrückte ihn. Seine Entscheidung damals war mitbestimmt worden von einer Information über Ai-king, die, das hatte er inzwischen festgestellt, völlig aus der Luft gegriffen war. Hatte er Gottes Führung in der ganzen Angelegenheit mißverstanden? Er war nun willig, um seiner Arbeit willen unverheiratet zu bleiben. Dies schien das einzige zu sein, womit er wieder gutmachen konnte.

Der Küstendampfer fuhr mit der Flut den Min hinauf und setzte Watchman in Pagoda ab. Seine Hütte in Mai-hsien schien ihm ein öder und freudloser Platz zu sein. Sein ganzes Leben kam ihm plötzlich nutzlos vor.
Er machte sich an die Arbeit. Einer Kiste in der Hütte entnahm er den Aufriß eines Buches, das er früher hatte schreiben wollen. Vor drei Jahren hatte er einen ersten Entwurf von zweieinhalb Kapiteln zu Papier gebracht, sein Thema lautete: Der Mensch Gottes – nach Geist, Seele, Leib.
Er hatte die Arbeit wieder weggelegt, weil sie ihm zu theoretisch vorkam, an vielen Punkten fehlte ihm noch die praktische Erfahrung. Aber in der Zwischenzeit war viel geschehen. In seinem eigenen Leben hatte er ein neues Gefühl für die Wirklichkeit bekommen, und er hatte auch erlebt, wie andere von der Macht der Finsternis befreit wurden. Wenn Gott ihn bald zu sich nehmen würde, wollte er vorher noch die kostbaren Erkenntnisse, die er empfangen hatte, niederschreiben. Er setzte sich ans Fenster, blickte über den Fluß und nahm Pinsel und Tinte zur Hand.

Aber auch jetzt quälte ihn das Fieber. Er konnte nicht schreiben, er konnte nicht einmal seine Gedanken sammeln. Er erkannte, daß er nicht allein durchkommen würde. So nahm er die Bibel und sein Manuskript und verschloß die Tür der Hütte wieder. An der Anlegestelle ließ er sich übersetzen zum Weißen Zahnfelsen. Im Gästehaus hieß ihn Faithful Luke willkommen. Er gab ihm ein Zimmer in der Männerabteilung, dort legte sich Watchman auf das kleine Feldbett und ließ sich in die Hände Gottes fallen.

Die beiden englischen Damen versorgten Watchman nun mit Milch, guter Nahrung und Medizin, soweit sie erhältlich war, und die Brüder pflegten ihn. Die dunklen Tage dehnten sich zu Wochen, während er immer mehr abnahm und seine Kräfte schwinden fühlte. »Er war so bescheiden«, sagte Luke, »und sehnte sich so sehr nach Heilung! Jeden Tag bat er mich, ihn im Namen des Herrn mit Öl zu salben und über ihm zu beten.« Wenn er zu erschöpft war, um zu lesen, kamen ihm aus dem Gedächtnis Schriftworte zu Hilfe, so auch der: »Demütigt euch unter die gewaltige Hand Gottes …«
Watchman wagte nicht, diesen Satz zu Ende zu sprechen: »… so wird er dich erhöhen …« – »Zwei Monate lang befand ich mich täglich in den Klauen Satans«, bemerkt er später.

Margaret Barber besuchte ihn regelmäßig mit den Worten »Christus ist Sieger«. Doch Watchman glaubte, er habe sich irgend etwas zu Schulden kommen lassen und Satan dadurch Macht über sich gegeben. Sie brachte ihm Schriften, die ihn eines Tages wieder von der allumfassenden Wirksamkeit der Erlösung überzeugten, so daß er endlich im Glauben zustimmen konnte: »Christus ist Sieger.«

Als Watchman ein wenig kräftiger geworden war, verlangte er nach Papier und Tinte. Nun wollte er, solange Gott es erlaubte, seine ganze Kraft für die von ihm als dringend empfundene Aufgabe einsetzen.
Nach Monaten war der erste Teil fertig. Er führte in erschöpfenden Einzelheiten aus, wie sich die Erlösung auf Geist, Seele und Leib des Gläubigen auswirkt. Im Vorwort nennt er es eine Arbeit über »Biblische Psychologie«, aber er warnt seine Leser: Wenn sie sie nur als Mittel der Selbstanalyse benutzten, würde sie das daran hindern, sich an Christus zu verlieren. Er hatte durch sein Leiden reiche Einsichten gewonnen.

Im Mai fuhr er, obwohl noch sehr schwach, mit dem Manuskript nach Schanghai. Ruth Lee war schon dahin übergesiedelt, nachdem in Nanking bei kommunistischen Aufständen einige Missionare getötet worden waren. Sie hatte angeboten, Watchmans Entwurf zu ordnen und mit ihrem ausgezeichneten Mandarin druckreif zu machen.

Nanking wurde damals das Hauptquartier der neuen Regierung von Tschiang Kai-schek. Seine Armeen bewegten sich nördlich durch Hunan, nahmen Tschangscha und Hankau ein und wandten sich dann östlich nach Schanghai. Hier ging Tschiang erbarmungslos gegen die kommunistische Bewegung unter den Arbeitern vor. Nur mit knapper Not entging ein gewisser Tschu En-lai dem Blutbad. Inzwischen war wieder Ruhe in der Stadt.

In Schanghai hatte Watchman, während er letzte Hand an seine Arbeit legte, ein Erlebnis, das seine künftige Bibelauslegung entscheidend beeinflussen sollte.
Hören wir ihn selbst:
»Nach meiner Bekehrung war ich gelehrt worden, daß man nun der Sünde gestorben sei und nur noch Gott lebe. Dies glaubte ich von 1920 bis 1927, und je mehr ich mich in dieser Richtung bemühte, desto mehr war die Sünde in mir lebendig. So bat ich Gott, mir zu zeigen, was das Wort bedeutete: ›Ich bin mit Christus gekreuzigt.‹ Ich stellte fest, daß Gott nirgends sagt: ›Du mußt dich kreuzigen lassen‹, sondern: ›Du bist gekreuzigt.‹ Das konnte ich nicht sagen, ohne zu heucheln, und so kam ich allmählich zu der Überzeugung, daß nur Heuchler eine solche Feststellung machen konnten. Doch immer, wenn ich Hilfe bei anderen suchte, wurde ich auf dieses Wort im Römerbrief hingewiesen. Ich bejahte es, aber ich konnte mir nicht erklären, warum es nichts in mir bewirkte. Niemand hatte mich darauf aufmerksam gemacht, daß das ›wissen, (daß Christus nicht mehr stirbt) dem ›darauf vertrauen‹ (daß wir auch mit ihm leben werden) vorausgehen muß. Monatelang war ich beunruhigt und betete ernstlich, ich las die Schrift und suchte Licht. Ich sagte zum Herrn: ›Wenn ich diese grundlegende Erkenntnis nicht begreifen kann, will ich nicht mehr predigen. Zuerst will ich hier klar sehen.‹ Als ich eines Morgens wieder an die Stelle kam, betete ich: ›Herr, öffne meine Augen!‹ Und dann wurde ich plötzlich wie durch einen Blitzstrahl erleuchtet. Ich schlug den ersten Korintherbrief auf: ›Durch ihn (Gott) seid ihr in Gemeinschaft mit Christus Jesus.‹ Es war erstaunlich! Wenn Christus starb, und das ist Tatsache, und wenn ich durch Gott in Gemeinschaft mit Jesus bin, dann muß ich auch gestorben sein. Ich erkannte plötzlich mein Einssein mit Christus:
Ich war in ihm, und, wenn er starb, war auch ich gestorben.
Mein der Sünde Gestorbensein gehörte der Vergangenheit an und nicht der Zukunft. Voller Freude sprang ich vom Stuhl und lief die Treppe hinunter zu dem jungen Bruder, der in der Küche arbeitete.
›Bruder‹, rief ich und faßte ihn bei den Händen, ›weißt du, daß ich gestorben bin?‹ Ich muß zugeben, daß er recht verwirrt aussah.
›Was meinst du?‹ fragte er.
›Weißt du, daß Christus gestorben ist? Weißt du, daß ich mit ihm gestorben bin? Weißt du, daß mein Tod nicht weniger Tatsache ist als derseine?‹
Ich hätte meine Entdeckung am liebsten in den Straßen von Schanghai ausposaunt. Von jenem Tag an habe ich nie wieder die Endgültigkeit des Wortes bezweifelt: ›Ich bin mit Christus gekreuzigt: ich lebe, doch nicht ich, Christus lebt in mir.‹«

9. Irdene Gefäße

Watchman fühlte sich jetzt kräftig genug, um in Schanghai zu bleiben und an den weiteren Teilen seines Buches zu arbeiten, von dem er annahm, Gott wünsche seine Vollendung. Unter Ruth Lees erfahrener Anleitung fanden die Erkenntnisse, die er durch Leiden und Niederlagen gewonnen hatte, langsam ihren schriftlichen Ausdruck.

Hier kam er auch zum ersten Mal in engere Beziehung zu der interkonfessionellen China-Inland-Mission, die, von Hudson Taylor gegründet, seit über sechzig Jahren das Evangelium in das Innere des Landes trug. Er befreundete sich mit Charles Judd, der in der Verwaltung der Missionsgesellschaft arbeitete und ein Missionar mit großer Erfahrung war.
Watchman besuchte ihn oft. Sie vertieften sich gemeinsam in die Bibel, und Watchman erzählte seinem Freund von seiner großen Hoffnung, China für das Evangelium zu gewinnen. Wenn seine Kräfte es erlaubten, gingen sie zusammen mit einigen jungen Männern in die Stadt und predigten.

An einem Sonntag gegen Ende des Jahres 1927 trafen sich Watchman, Charles Judd und Ruth Lee bei Peace Wang, einer früheren Schülerin von Ruth, zum ersten Mal zu einem Abendmahlsgottesdienst. Das setzten sie einige Wochen fort, bis Watchman meinte, er solle einen Glaubensschritt tun und eine geeignete Unterkunft für Bibelstunden und Predigt mieten. Ein chinesisches Sprichwort sagt: »Beginne mit kleinen Dingen.« Schließlich fand er ein kleines Haus in Wen Teh Li. Einige andere hatten sich bereits zu ihnen gesellt. An jedem Sonntag früh radelte Judd nun quer durch die Stadt, um mit ihnen gemeinsam das Brot zu brechen, ehe er zu seinen Pflichten im Hauptquartier der ChinaInland-Mission zurückkehrte. Ein knappes Jahr später wurde er nach Kanada zurückgerufen. Im Licht der folgenden Entwicklung mag man bedauern, daß diese wertvolle Verbindung zwischen Watchman und Charles unterbrochen wurde.

Im Juni 1928, während Tschiang Kai-scheks Truppen Peking besetzten, wurden die restlichen sechs Teile von Watchmans Buch »Der geistliche Mensch« druckfertig. Er hatte das Buch unter demselben inneren Zwang vollendet, mit dem er es begonnen hatte. Es blieb das einzige Buch, das er selbst schrieb; seine übrigen Schriften setzten sich aus mitgeschriebenen Predigten und Bibelstunden zusammen.
Doch obwohl alles, was er geschrieben hatte, Teil seiner eigenen Erfahrung war, gelangte Watchman bald zu einer ganz anderen Beurteilung seines Buches. In späteren Jahren stellte er oft fest, »Der geistliche Mensch« sei zu »vollkommen«, das Buch täusche vor, alle Antworten zu wissen. 1941 lehnte er darum eine Neuauflage ab: »Nicht, daß der Inhalt falsch ist! Wenn ich es jetzt lese, heiße ich alles gut. Es ist eine sehr vollständige Darlegung der Wahrheit. Aber gerade darin liegt die Schwäche des Buches! Es läßt keine Fragen offen. Gott handelt nicht auf diese Weise und viel weniger erlaubt er uns, so zu handeln. Die Gefahr einer Systematisierung göttlicher Aussagen besteht darin, daß sie auch ohne den Heiligen Geist verstanden werden können. Nur der unreife Christ verlangt nach intellektuell befriedigenden Schlüssen. Gottes Wort selbst spricht immer zu Geist und Leben.« Darum ist »Der geistliche Mensch« heute nur noch als Einblick in eine Entwicklungsstufe des Autors von Interesse, er war kaum fünfundzwanzig Jahre alt, als er es schrieb.

Der Versammlungsraum in Wen Teh Li konnte nur hundert Menschen fassen. 1928 fand hier die kleine, aber bedeutsame erste Schanghai-Konferenz statt, die Gläubige aus verschiedenen Vereinigungen in der Stadt zu einer Zeit des Bibelstudiums zusammenführte. Der Redner war Watchman, und seine Botschaft fand warmen Anklang. Aber diese Anstrengung, verbunden mit den vielen Gesprächen mit Ratsuchenden, erschöpfte ihn. Mit dem Einbruch des Winters kehrte sein Husten zurück, und er nahm wieder ab. Eine Familienangelegenheit erforderte seine Anwesenheit zu Hause, so ergriff er Anfang 1929 die Gelegenheit und schiffte sich nach dem Süden ein. In Futschou sollte er auch seine letzte Begegnung mit Margaret Barber haben.

Nur zögernd hatte sie ihm früher einige Schriften von C. A. Coates und J. N. Darby geliehen. Sie waren ganz nach Watchmans Geschmack, und er hatte sich in London weitere Bücher dieser Autoren bestellt. Dadurch war er mit den englischen »Brüdern« bekannt geworden. An jedem Sonntag versammelten sie sich um den Tisch des Herrn, und jeder Bruder hatte das Recht, Gott Anbetung oder Dank darzubringen, ehe sie Brot und Wein zu sich nahmen. Andere Merkmale waren die Gläubigentaufe, die Auslegung des Wortes, ihre Sorge füreinander und für die Reichsgottesarbeit und ihr ständiges öffentliches Zeugnis von der Erlösung in Christus. Das alles entsprach ganz Watchmans Ansichten, und so führte er wie diese »Brüder« in England auch das Redeverbot für Frauen in der Versammlung und eine Kopfbedeckung für sie ein. Nun kannten die chinesischen Frauen weder Schleier noch Hut, so mußte eigens eine Kopfbedeckung entworfen werden. Sie bestand in einer schwarzen Häkelmütze.

Die chinesischen Schwestern unterwarfen sich bereitwillig diesen Beschränkungen, und Ruth Lee und Peace Wang verzichteten ab jetzt außer in Frauenversammlungen auf die Fortsetzung ihrer Predigttätigkeit. Als Watchman nun Margaret Barber traf, stellte er sie zur Rede, daß sie Bibelklassen für junge Männer hielt. Margaret hörte höflich zu, sagte jedoch nicht viel. Sie machte ihn nur mit den Schriften eines anderen englischen Predigers bekannt, T. Austin-Sparks, dessen Botschaft vom Kreuz ihr im vergangenen Jahr zum Segen geworden war.

Watchman konnte nicht bleiben. Er nahm das Flußboot nach Nantai, doch auf der zweistündigen Fahrt kam das Fieber wieder, und erneut die Versuchung: Du hattest eine glänzende Zukunft vor dir und gabst alles auf, um Gott zu dienen. Wofür? Was hast du gewonnen?
Er ging zum Haus seiner Eltern am Flußufer, um ihnen seine Achtung zu erweisen und die Angelegenheit zu regeln, die ihn hergeführt hatte. In seinem Herzen war er bereit, alles zu tun, was Gott verlangte, wenn er nur seine Gesundheit zurückerhielt.

Am nächsten Tag bummelte er in die Stadt und vermied dabei sorgfältig die beiden Versammlungsstätten der ehemaligen Bruderschaft. Unter der Brücke waren die Kormoranfischer an der Arbeit, und wie einst als Kind stand er still, um sie zu beobachten. Langsam ging er, auf einen Stock gestützt, weiter und stand plötzlich vor einem früheren Lehrer vom Dreifaltigkeits-College. Der Mann musterte Watchman von oben bis unten, und nach ein paar scharfen Fragen rief er:
»Was muß ich da hören? Wir hielten viel von Ihnen in der Schule und hofften, daß Sie Großes leisten würden. Wollen Sie sagen, daß Sie immer noch nicht weiter gekommen sind?«

Watchman verehrte diesen Mann, um so mehr traf ihn dessen Frage, die nichts als eine Feststellung war. Es stimmte: seine Gesundheit war gebrochen, seine Pläne durchkreuzt. Was hatte er aufzuweisen? Nichts? In diesem Augenblick war Watchman, obwohl er erwachsen war, den Tränen nahe. »Doch im nächsten Augenblick wußte ich«, so berichtet er, »was es heißt, daß der Geist der Herrlichkeit auf uns ruht. Ich konnte aufblicken und beten: ›Herr, ich preise dich, daß ich den besten Weg gewählt habe.‹ Meinem Professor schien es eine vollkommene Vergeudung aller Gaben, Jesus, dem Herrn, zu dienen; aber das ist das Ziel des Evangeliums: alles für Gott.«

Eine Zeitlang blieb er zu Hause und war froh über die wieder angeknüpfte Verbindung zu seinen Eltern und über die Nachrichten von den Geschwistern, von denen die meisten jetzt verheiratet waren. Huo-ping steckte immer noch voller Energie und folgte jedem auswärtigen Ruf. Sie hatte die Freude, ihren bejahrten Vater noch zum Herrn zu führen, und schließlich auch die wenig interessierte Mutter.

Damals fürchtete Huo-ping, Watchman würde nicht mehr lange leben. Sie machte sich Sorgen um ihn. Gleichzeitig hielt sie vieles, was er tat, für falsch, und er ärgerte sich über ihre Predigtdienste und sprach das auch aus. Doch ruhte er viel und betete wieder und wieder um Kraft für die Arbeit, zu der er sich berufen fühlte. Die Zeitschrift »Der Christ« gewann jetzt schnell Leser und spielte eine wichtige Rolle in der Ausbreitung der Arbeit.  . . .

Seine Gesundheit besserte sich. Die Ärzte bestätigten diese Wendung zum Guten und rieten ihm, eine Ruhepause in dem gesünderen Klima des Kuling einzulegen, eines sechshundert Meilen Jangtseaufwärts liegenden Hochtals. Hier verbrachten die Angestellten der großen Geschäftshäuser in Schanghai und Hankau den heißen Sommer und erholten sich müde Missionarsfamilien. Ein hölzerner Zaun begrenzte das den Europäern abgetretene Gebiet. Weiter unten, außerhalb des Zauns, lag der chinesische Marktflecken mit dem Namen »Die Schlucht«, immer noch über 1000 Meter hoch.

Watchman konnte sich für zehn Taels am Tag eine Behandlung in dem gut eingerichteten Missionssanatorium der Europäer leisten. Schlafen durfte er in einem leerstehenden Haus unten im Ort, das einer Dame aus Nanking gehörte, und Nachbarn luden ihn zu den Mahlzeiten ein. Selbst, hier auf dem Kuling suchten ihn morgens ratsuchende Freunde auf, doch er ließ sie wissen, daß er an den Nachmittagen »anderweitig beschäftigt« sei – das hieß: er machte Liegekur.  . . .

Viele Wochen erholte Watchman sich in Kuling. Wieder überdachte er sein Leben als Christ und entdeckte, wo sein wirklicher Schwerpunkt lag. »Als ich zum Herrn kam, hatte ich meine eigene Vorstellung, wie ein Christ zu sein hätte. Ich glaubte, ein wahrer Christ müsse von morgens bis abends lächeln, und er dürfe unter keinen Umständen auch nur das leiseste Zeichen von Furcht zeigen, und ich tat mein Äußerstes, um diesem Ideal nachzukommen.«
Aber sein wiederholtes Lesen des Neuen Testamentes brachte ihm auch immer wieder zum zweiten Korintherbrief, in dem Paulus tiefe Einblicke in sein Leben und Leiden gibt. Ein Geheimnis begann ihm aufzugehen, das in den Worten zusammengefaßt ist: »Wir tragen diesen Schatz in irdenen Gefäßen, um damit zu zeigen, daß die alles übersteigende Kraft Gottes ist und nicht unser.« So lernte Watchman stündlich und täglich Gott zu vertrauen, und er fand zu einer neuen Ruhe und Gelöstheit

Der Sommer ging vorüber, und der Tag kam, an dem Watchman sich von seinen neuen Freunden verabschieden und nach Schanghai zurückkehren mußte.  . . .
Im Mai 1930 erhielt Watchman die Nachricht vom Tode Margaret Barbers.

»Der Herr hat sie wunderbar hindurchgetragen« hieß es in dem Telegramm. Sie war vierundsechzig Jahre alt geworden.  . . .
Als Watchman an ihr Leben zurückdachte, konnte er Gott nur danken. Es hatte ihn oft beunruhigt, daß sie so isoliert am Weißen Zahn lebte und so mit ihrer Kenntnis der Schrift nicht weiteren Kreisen dienen konnte und nicht mehr bekannt war. Doch die folgenden Jahre bewiesen, daß viele junge Männer und Frauen die Großes in der Evangelisationsarbeit leisteten, unter ihrem Einfluß herangereift waren. Besonders Wang Tsai, der jetzt in Hongkong lebte, reiste als Evangelist weit umher und gründete schließlich in Indonesien die China-Übersee-Missionsgesellschaft.
Margaret hatte ihre zerlesene Bibel Watchman vermacht. Darin fand er das Gebet: »O Gott, gewähre mir eine vollkommene und schrankenlose Selbsterkenntnis! «
Und auf das Vorsatzblatt hatte sie vor langer Zeit die Worte geschrieben, die Watchman sich nun zu eigen machte:
»Ich begehre nichts für mich selbst, ich begehre alles für den Herrn.«

10. Ernüchterung

Im Dezember 1930 genossen Watchman Nee und John Chang die brüderliche Gemeinschaft mit einem Engländer. Charles R. Barlow gehörte zu einer besonderen Gruppe der Londoner »Brüder« und war für eine britische Maschinenbaufirma nach Schanghai gereist. In seinen Briefen nach Hause berichtete er: »Einige dieser lieben Brüder sind sehr aufrichtig und dürsten nach der Wahrheit. Watchman Nee ist ohne Zweifel der hervorragendste unter ihnen. Er steht weit über den anderen. Er ist erst achtundzwanzig, aber er hat eine gute Bildung und ausgezeichnete Fähigkeiten. Er ist ein unermüdlicher Arbeiter und liest viel. Er hat auch J. N. Darby eifrig gelesen und hat augenscheinlich viel Hilfe durch seine Schriften empfangen.«

Für Watchman kam dieses Zusammentreffen einem stark empfundenen Verlangen entgegen, das er seit der Abreise C. H. Judds spürte: dem Bedürfnis, mit einem reifen und klugen Europäer Austausch zu haben. Und Barlow war kein Missionar, sondern nur ein »geliebter Bruder in Christo«, dem er sich wie einem Freund anvertrauen konnte.

Barlow wurde eingeladen, bei der täglichen Versammlung um vier Uhr nachmittags zu etwa vierzig Gläubigen zu sprechen, unter denen sich auch einige Studenten befanden. Am Sonntagnachmittag kamen achtzig bis neunzig Menschen zusammen, um ihn zu hören. Was ihn am meisten beeindruckte, war Watchmans Bibelkenntnis. Ganz nebenbei hatte er ihn sagen hören: »Ich schätze, daß ich das Neue Testament einmal im Monat durchlese.« Wie oft er das Alte Testament las, wissen wir nicht, doch Faithful Luke bekam durch eine ähnliche gelegentliche Äußerung den Eindruck, daß es auch sehr oft gewesen sein muß.
Gegen Ende des Jahres wurde in dem vergrößerten Wen Teh Li-Haus die zweite Schanghai-Konferenz abgehalten. Ein Beobachter der China-Inland-Mission berichtet, daß diese Konferenz zwölf Tage dauerte und sie bis zu vier Stunden täglich im Gebet zubrachten. Watchmans Mutter, die zu einem kurzen Besuch bei ihm weilte, schreibt über diese Zeit: »Was mein Sohn predigte, war zu tief, als daß ich es verstehen konnte, doch ich war zu stolz, um zu fragen, und hatte darum nicht viel davon. Aber als ich sah, wie sie lebten, konnte ich mich nur tief verneigen.«

Für diese Gelegenheit wurden die Lieder, die bisher nur auf losen Blättern erschienen waren, gesammelt und unter dem Titel »Hsiao Chun Shih-ko« (Die Lieder der kleinen Herde) veröffentlicht. Viele der 134 übersetzten oder selbstgedichteten Lieder, die oft mißtönend, aber immer mit Begeisterung gesungen wurden, fanden Eingang in Häusern und Gemeinden, selbst an entfernten Orten. Ihre Veröffentlichung sollte eine unvorhergesehene Nebenwirkung haben.

Watchman verabscheute die konfessionellen Bezeichnungen wie »Anglikaner«, »Lutheraner«, »Baptisten« mit dem nationalen oder persönlichen Beiklang, den sie hatten. Er selbst beschränkte sich deshalb auf die einfachsten biblischen Ausdrücke. Er sprach vom christlichen Leben als dem »Weg«, von den Gläubigen als von »Christen«, dem Platz, an dem man zusammen kam, als der »Versammlung«, seine Zeitschrift hieß »Der Christ« seine Druckerei das »Evangeliums-Verlagshaus«. Die Lieder hatte er meist aus dem Gesangbuch der »Brüder« übersetzt, das sich »Lieder für die kleine Herde« nannte. Auch der Titel hatte ihm gefallen, er war biblisch, einprägsam, nicht anmaßend und auch im Chinesischen klangvoll. Doch schlug dieser Name nur zu gut ein, und innerhalb eines Jahres wurde die Versammlung in Wen Teh Li in Missionskreisen »die kleine Herde« genannt. Obwohl Watchman den Titel des Gesangbuches sofort in »Lieder« änderte, war das Unheil geschehen, die Bezeichnung für seine Gemeinde blieb. Als sich sein Werk über China ausbreitete, wurden allerorts die ihm angeschlossenen Gruppen die »Kleine Herde-Gemeinden« genannt, ein Name, den die Mitglieder bedauerten und niemals selbst benutzten.

Kaum war die Schanghai-Konferenz zu Ende, als Unruhe in der Stadt ausbrach. Die japanische Besetzung der Mandschurei hatte den chinesischen Zorn entfacht, der in einem Boykott japanischer Waren seinen Ausdruck fand. Die Japaner verlangten in Schanghai, daß die Behörden Gegenmaßnahmen ergriffen, dann landeten japanische Truppen, die viel Schaden anrichteten. Die Feindseligkeiten hörten im Mai auf, aber die Unruhen waren nur ein kurzer Vorgeschmack des Kommenden.

Wunderbarerweise besserte sich Watchmans Gesundheit weiter. Er konnte jetzt nicht nur das Wort verkünden, er konnte auch größere Reisen unternehmen. Das Jahr 1931 brachte verheerende Überschwemmungen, und viele Menschen kamen im Jangtse-Becken ums Leben; doch in den kleinen Städten am Fluß wuchs das Werk ebenso wie in Nanking und Hankau weiter flußaufwärts; alle diese Orte besuchte er auf seinen Reisen.

Bei einer anderen Gelegenheit besuchte er Peking und kam dort zum ersten Mal mit dem mutigen Fundamentalistenpastor Wang Ming-tao in Berührung.

In Tsingtau lernte er die sogenannte »Geistesgaben-Bewegung« (Ling En) kennen, die in der Provinz Schantung sehr aktiv war. Watchman fühlte sich durch ihre unkontrollierten Gefühlsausbrüche und extravaganten Methoden gewarnt und brachte im Sommer 1932 in seiner Zeitschrift, die nun wieder »Erweckung« hieß, eine Artikelserie, wo er zwischen der von Gott geschenkten Geistestaufe und den äußeren Begleiterscheinungen unterschied, auf die manche ihrer Vertreter so großen Wert legten. Dabei zitierte er Margaret Barbers Beobachtung:
»Wir brauchen die Kraft, die aus dem Heiligen Geist kommt, nicht zu fühlen. Dazu wurde sie nicht gegeben. Unsere einzige Pflicht ist es, Gott zu gehorchen.«

Hier traf er auch zum ersten Mal Witness Lee. Er war Kind buddhistischer Eltern und hatte sich 1925 mit zwanzig Jahren bekehrt. Seit 1927 hatte er Watchmans Blatt bezogen, und nun entwickelte sich bei ihm die Gabe der Verkündigung und der Bibelauslegung. An einem Ferienabend taufte Watchman ihn im Gelben Meer.
Watchman kam nun auf seinen Reisen mit Menschen in Verbindung, die ihn als Herausgeber seiner kleinen, viel gelesenen Zeitschrift kannten. . . .

Im Dezember 1931 kam Dr. John Sung auf einer Predigtreise durch Tsinan, und nachdem er auf einer Versammlung im Haus der Stearns gesprochen hatte, fanden binnen weniger Tage vierzig oder fünfzig Studenten zu Christus. Gottes Geist begann unter der Studentenschaft zu wirken. Sie kamen ratsuchend zu den Stearns, und diese suchten nun nach einem entsprechenden Referenten für die bevorstehende Freizeit im Frühjahr. Einmütig wurde Wang Tsai gewählt, doch da er in Java Verpflichtungen hatte, schlug ein Student aus Futschou Watchman Nee vor. Dieser wenig bekannte Prediger in Schanghai führte keinen Terminkalender, und er stand in dem Ruf, daß man ihn nur schwer festlegen könne. Nachdem Dr. Stearns darüber gebetet hatte, lud er Watchman ein, und dieser gab seine Zusage.

Er kam, und Gott war mit ihm. Als er an einem Wochenende im Hörsaal der Medizinischen Fakultät sprach und den Weg des Lebens vor einer dicht gedrängten Zuhörerschaft verkündete, breitete sich die lang ersehnte Erweckung aus. Immer mehr Studenten fanden Christus.  . . .

Inzwischen war Charles Barlows Begeisterung über Watchmans Arbeit auf die »Brüder«-Gemeinden in der englisch sprechenden Welt übergesprungen. Man sah, daß in China der Geist Gottes am Werk war, und die Gemeinschaft, die daraus entstanden war, stellte Grundsätze auf, wie sie sie selbst in ihren Anfängen vor hundert Jahren gefunden hatten. So beschlossen sie denn, eine Abordnung nach Schanghai zu den chinesischen Brüdern zu senden.

Es waren acht – sechs Männer und die Ehefrauen von zweien –, die am 23. Oktober in Schanghai eintrafen und in einem passenden Hotel untergebracht wurden. Diese Vertreter aus England, den Vereinigten Staaten und Australien waren bewegt von der herzlichen Gastfreundschaft der Chinesen, die sie mit aufrichtiger Zuneigung erwiderten. Watchman fühlte sich bei ihrer Ankunft nicht wohl, doch bald konnte er an den freundschaftlichen Gesprächen teilnehmen, die sich über zwei Wochen hinzogen.
Am ersten Sonntag entschuldigten sich die Besucher. Sie konnten nämlich nicht am Brotbrechen der chinesischen Brüder teilnehmen. Sie beteten und debattierten über alles, was sie sahen und hörten, ob vielleicht doch etwas verkehrt daran wäre. Würde die Gemeinschaft mit den Brüdern zu Hause nicht gefährdet, wenn sie hier an etwas teilnähmen, das Gott möglicherweise nicht billigte? Aber es gab wiederum so viel, das sie beruhigte, die anbetende Haltung, der Gehorsam gegenüber der Schrift, das Gebet dieser Leute, die offensichtliche Autorität der Brüder und die Unterwürfigkeit und das Schweigen der Frauen, sowie ihre Kopfbedeckung!

Es war geplant, daß am 6. November eine einwöchige Konferenz folgen sollte, zu der vierzig Brüder von außerhalb erwartet wurden. Auch sollten einige öffentliche Versammlungen stattfinden. Die Gäste aus Übersee waren jetzt sicher, daß nichts sie von ihren chinesischen Brüdern trennte, und so nahmen sie am 6. November am Brotbrechen teil. Es war eine Zeit unaussprechlicher Freude.
Die Konferenz begann unter wechselseitigen Beglückwünschungen. Die Hauptsprecher waren Charles Barlow und W. J. House. Nee diente als Dolmetscher. Faithful Luke war mit anderen aus dem Süden angereist, und eine Anzahl Brüder war vom Oberlauf des Jangtse und von noch weiter nördlich gekommen. Auch Watchmans Mutter war da.

Nach der Konferenz luden einige Brüder aus Kiangsi die ausländischen Gäste ein, ihre Gemeinden zu besuchen, aber dies nördliche Gebiet hatte vor kurzem Unruhen erlebt, und das Risiko, daß ihre Gäste von Banditen gefangen wurden, war zu groß. W. J. House und Charles Barlow hatten jedoch den Wunsch geäußert, den Schauplatz zu besuchen, in dem das Werk begonnen hatte, und so reiste Faithful Luke voraus, um John Wang zu treffen und mit ihm den Empfang in Futschou vorzubereiten. Dort wehte ein schwerer Monsumsturm, als die Gäste eintrafen. Huo-ping und ihr Mann empfingen sie in ihrem Haus am Flußufer. Die Versammlungen waren gut besucht, etwa 250 Menschen kamen, und sie kehrten ermutigt und bereichert nach Schanghai zurück.

Der Bericht, den die Brüder zu Hause gaben, war so günstig, daß Watchman im Frühling 1933 eine Einladung nach England und Amerika erhielt. Er sollte Dr. Yu oder Faithful Luke mitbringen. Yu war zu dieser Zeit an Tuberkulose erkrankt und Luke weit fort, und Watchman erwähnte keinem gegenüber, daß er mit eingeladen war. Hatte er ein Vorgefühl der Probleme, die vor ihm lagen, und hielt er sich für den berufenen Wächter seines Volkes? Auf jeden Fall beschloß er, nachdem er mit den Brüdern darüber gebetet hatte, allein zu reisen.
Die Fahrt nach Europa machte eine Unterbrechung in Singapur möglich. Er fuhr nach Sitiawan und zeigte den Eltern Ling seine Ehrerbietung, eine Geste, die den Frieden besiegelte, den Gott ihm vor kurzem geschenkt hatte.

Die lange Seereise war der Ruhe und dem Studium günstig. Ende Juni kam er gestärkt in England an, wo ihn Charles Barlow abholte und zu sich in sein Haus in Peterborough nahm. Von dort aus besuchte Watchman weit verstreute Versammlungsorte bis nach Schottland, Islington, Croydon und Ventnor. Überall wurde ihm eine überwältigende Gastfreundschaft entgegengebracht, war sein Kommen doch etwas völlig Neues in dieser engsten Gruppe der »Brüder«, die selbst keine Missionstätigkeit ausübten.

Man lud ihn ein, über seine Arbeit zu sprechen, er durfte natürlich auch am Abendmahl teilnehmen und gelegentlich mit dem Wort dienen, wobei ihn sein Englisch etwas behinderte. Er führte lange Gespräche mit den älteren Brüdern und fand heraus, daß seine Gastgeber die chinesischen Gläubigen für ausgesprochen unreife Christen hielten, die eine Menge Belehrung nötig hatten. Watchman selbst sah trotz seiner dreißig Jahre noch wie ein Student aus, und nun nahm er mit seinem anerzogenen Respekt vor Weisheit und Alter ihre Ratschläge entgegen. Er überraschte die englischen Brüder jedoch durch die praktischen Probleme, mit denen er und die Brüder in Schanghai sich auseinandersetzen mußten. Wie würden sie entscheiden, wenn ein Neubekehrter käme und fragte: »Ich möchte getauft werden, aber ich habe zwei Frauen. Was soll ich tun?«

Mit den jüngeren Menschen plauderte er etwa über die einfache chinesische Regel für Versammlungen: »Keine Bibel, kein Frühstück!« Oder er erfreute sie durch Geschichten von den »Scherendämonen« in Fukien, die Löcher in die Schirme aus Ölpapier schnitten, damit der Regen durchkam.
Doch meistens, wenn er nicht gerade in Diskussionen verwickelt war, lauschte und beobachtete er schweigend. Er achtete den Reichtum geistlicher Erkenntnis in dieser Gruppe, doch störte ihn ihre Selbstgefälligkeit. Sie waren überzeugt – und sagten es auch –, daß es auf dem Gebiet geistlicher Offenbarung kaum etwas geben könne, was die »Brüder« nicht hätten, und hielten es für Zeitverschwendung zu lesen, was andere Christen geschrieben haben. »Was haben sie, was wir nicht haben?«

Bei einer Konferenz in Islington wurde er eingeladen, auch einen Beitrag zu einer langen Diskussion über die Lehre zu geben. Er erhob sich zu seiner ganzen Länge, streckte die Arme aus und machte seiner wachsenden Ungeduld Luft:
»Meine lieben Brüder, euer Verständnis der Wahrheit ist groß, doch in meinem Land würde sie euch so viel nützen« – er drückte Daumen und Zeigefinger zusammen –, »denn wenn es notwendig würde, könntet ihr nicht einmal einen Dämon austreiben …«.

Später schämte er sich über seinen Ausbruch, doch als er England verließ, meinte er voller Sorge zu seinem Freund Charles Barlow: »Ihr habt wundervolle Erkenntnisse, doch so wenig Glauben!«

Auf seinen Reisen durch England wurde Watchman immer von Charles Barlow oder einem anderen Bruder begleitet. Doch einmal entschuldigte er sich für eine Woche, um geschäftehalber nach London zu fahren. In dieser Zeit brach er, ohne seinen Gastgebern etwas davon zu verraten, aus dem engen Kreis aus, in dem er sich bewegte. Am Sonntag besuchte er das Christian Fellowship-Zentrum in der Honor Oak Straße, um am Gottesdienst dieser unabhängigen Gruppe teilzunehmen, die sich um T. Austin-Sparks, einen früheren Baptistenprediger, geschart hatte. Dieser Mann, den er zu treffen gehofft hatte, war zur Zeit im Norden, doch George Paterson und andere hießen ihn herzlich willkommen. Er genoß die Gemeinschaft und den Dienst am Wort und empfing voller Freude mit ihnen Brot und Wein.

Zwei Wochen später war sein Aufenthalt in England zu Ende. Mit dieser einzigen Ausnahme war er ausschließlich in dem sehr engen Kreis einer einzigen christlichen Splittergruppe geblieben und hatte keinerlei Verbindung zu anderen evangelikalen Kreisen aufnehmen können.

Ein älterer Mann aus Brooklyn, N. Y., dessen Wort bei diesen Brüdern großes Gewicht hatte, war einige Wochen in England gewesen und wollte Watchman nun auf seiner Rückreise über den Atlantik begleiten. Es war jener James Taylor, der neben einer Kette von Herrenkonfektionsgeschäften seit 1930 die Versammlungen der »Ravenschen« Brüder leitete. Er prüfte Watchman auf Herz und Nieren und war entzückt, als dieser so offen und frei über seine Arbeit in China und ihre besonderen Bedingungen sprach und ihn häufig um Rat fragte. Als es aber um Lehrfragen ging und besonders um die Prophetie, entdeckte er, daß Nee sich Vorstellungen über die Wiederkunft Christi machte, die er nur als Irrlehre betrachten konnte. Sie erreichten New York, wo Nee mit der größten Herzlichkeit empfangen wurde. Er sprach in einer Versammlung in Westfield über das Thema »Erlösung«. Die meisten waren begeistert, nur Taylor hielt seine Ausführungen für »mangelhaft in bezug auf die Lehre«.

Zur selben Zeit etwa saß ein älterer Herr im Zug nach Glasgow einem Teenager gegenüber. Das Mädchen las eifrig in der Bibel. Die Unterhaltung brachte zutage, daß es sich zur Versammlung in der Honor-Oak-Straße hielt. Er forschte weiter und erfuhr, daß ein netter Chinese am Wochenende dagewesen sei. Hatte jemand versäumt, auf Watchman aufzupassen?

An jenem Abend wurde George Paterson von einem Fremden angerufen: »Kennen Sie einen Chinesen namens Nee?« – »Hat er Gemeinschaft mit Ihnen gehabt?« – »Hat er mit Ihnen das Brot gebrochen?« Auf jede Frage antwortete Paterson mit einem »ja«, und dann wurde auf der anderen Seite eingehängt.

Ein Telegramm an Taylor nach Brooklyn kam zu spät, Watchman befand sich schon in New Haven. Er hatte den Atlantik hauptsächlich überquert, um einige Tage bei Thornton und Carol Stearns zu verleben, die auf Heimaturlaub waren. Am Sonntag brach er entgegen dem vorsorglich ausgesprochenen Rat Taylors mit den Stearns und anderen das Brot in ihrem Haus. »Er gab nicht zu, daß er Grundsätze verletzt hatte«, schrieb Taylor sorgenvoll. Gedrängt, Stellung zu beziehen, lehnte Watchman es ab, sich mündlich oder schriftlich zu äußern, bis er sich mit seinen Mitarbeitern in Schanghai beraten hätte.

Taylor berichtete nach Vancouver, wo Watchman in Versammlungen sprechen sollte, was geschehen war und wie er die Dinge sah. Die Gemeinden, in deren Mitte sich Taylor bewegte, grenzten sich hermetisch von allen anderen christlichen Gemeinden ab. Jeder »draußen« war von der Gemeinschaft mit denen »drinnen« ausgeschlossen, außer er stimmte zu, von jetzt an nur Versammlungen »innerhalb des Zauns« zu besuchen. Diese Regel galt auch für die gesellschaftlichen Beziehungen und wurde später von James Taylor jr. noch verschärft, bis sich die Bewegung in den frühen sechziger Jahren hoffnungslos über dieser Streitfrage aufspaltete.

In Vancouver wurde Watchman trotz Taylors Warnungen herzlich willkommen geheißen und eingeladen, auf den geplanten Veranstaltungen zu sprechen. Es scheint, daß er wirkliche Freiheit genossen hat, denn wenigstens ein junger Kanadier fand den Herrn, und man erinnert sich Watchmans dort noch immer mit großer Zuneigung. Hier erneuerte er auch die Freundschaft mit C. H. Judd von der China-Inland-Mission und besuchte Lena Clark, die dreiundzwanzig Jahre für die China-Inland-Mission gearbeitet hatte.
Auf der langen, stillen Heimreise über den Pazifik schenkte Gott Watchman eine neue Erkenntnis: »Als ich ein junger Christ war, lobten mich viele Leute, ich lebte Christus gemäß. Einige Jahre später entdeckte ich zu meiner Bestürzung, daß mein Temperament oft mit mir durchging, daß ich meine Gereiztheit und meine Launen nicht beherrschen konnte. Selbst wenn ich mich äußerlich zusammennahm, schwelten sie doch innerlich. Schlimmer wurde das Ganze noch dadurch, daß mich dieselben freundlichen Christen nicht gerade sanft auf diesen Unterschied hinwiesen. Ich wäre so demütig und geduldig gewesen, so sanft und liebevoll, doch jetzt …! Ich hätte ihre Kritik noch übertreffen können, wenn ich selbst ausgepackt hätte. Aber wie war es dazu gekommen? Was war die Ursache …?«

Für ihn war, wie er sagt, Christus der Inbegriff aller preiswürdigen Tugenden wie Sanftmut, Geduld, Liebe, Weisheit, Heiligkeit gewesen, deren Mangel er selbst so schmerzlich empfand. »Zwei Jahre lang tappte ich in dieser Finsternis herum und suchte diese Tugenden, die das christliche Leben ausmachen, als persönlichen Besitz anzuhäufen, genauso wie ich vor meiner Bekehrung weltliche Dinge angehäuft hatte. Doch ich hatte keinen Erfolg. Ich hatte geistliche Güter zu sammeln versucht, und Gott hatte eingegriffen und mich von ihnen befreit, um damit dem Leben seines Sohnes Bahn zu schaffen.
Und dann eines Tages im Jahre 1933 wurde ich erleuchtet. Wieder las ich 1. Korinther 1,30 und erkannte plötzlich, daß Christus von Gott dazu bestimmt ist, mir in seiner ganzen Fülle zu gehören. Was für ein Unterschied! O die Leere der Dinge! Wenn sie nicht zu ihm in Beziehung stehen, sind sie tot, denn Gott sucht nicht eine Zurschaustellung unserer Gerechtigkeit, sondern eine Offenbarung seines Christus. Damit begann ein neues Leben für mich. Er selbst ist die Antwort auf alle Forderungen Gottes, und das nicht für die Zukunft, sondern als eine gegenwärtige Tatsache. Mein tägliches Leben als Christ stand von da an unter dem Motto ›Empfangen‹.«

11. Neue Horizonte

In China erwarteten Watchman ungeheure Aufgaben. Die Korrespondenz zwischen den Brüdern in Schanghai und ihren ehemaligen Freunden im Westen schleppte sich zwei qualvolle Jahre hin bis zu ihrem traurigen Ende. Dies durfte Watchman jedoch nicht davon abhalten, das Evangelium zu verkünden und die gläubigen Mitarbeiter weiter zu schulen. Die Stärke seiner Arbeit lag darin, daß jeder Gläubige ein unbezahlter Evangelist war. Jeder, der aus geschäftlichen Gründen oder im Regierungsdienst in eine andere Stadt zog, konnte sein Heim zu einem Ort des Gebets und der Verkündigung machen. Durch Straßen- und Eisenbahnbau wurde China schnell erschlossen, auch die rasche Entwicklung des Flugverkehrs machte es immer leichter, das Land zu bereisen. Zu den Brüdern, denen sich diese neuen Arbeitsfelder öffneten, sprach er an Neujahr über Gemeindebildung. Er hatte im Westen viel Ungesundes gesehen. So prüfte er das Neue Testament erneut, wo er sich in seiner Ansicht bestätigt fand: daß eine Stadt oder ein Dorf nur eine einzige Kirche haben sollten und nicht deren mehrere.

Aber er war ruhelos. Schon seit einiger Zeit hatte er den Wunsch, die entfernten südwestlichen Provinzen von Kweitschou und Jünnan zu besuchen. Im Frühling 1934 bot sich nun eine Gelegenheit dazu.

Ein Mann namens Ma hatte kürzlich zum Glauben gefunden und bei seiner Taufe den Namen »Hirt« angenommen (Ma Muh). Er hatte ein gutgehendes Geschäft im Jangtsehafen Jo-tschou in Hunan, und seine geschäftlichen Interessen erstreckten sich bis in die Provinz Kweitschou hinein. Er war ein redlicher Bruder, besaß einen Ford und einen wagemutigen Geist, dazu kam nun sein Eifer für das Evangelium. Er und Watchman planten eine Reise bis zum Ende der neuen südwestlichen Autostraße. Watchman fuhr ihm per Schiff nach Futschou entgegen. Dort beluden sie den Wagen mit Benzinkanistern und Evangelien und umfuhren das große Reisanbaugebiet von Hunan. Zuerst ging es in südlicher Richtung zur Provinzhauptstadt Tschangscha und dann nordwestlich nach Tschangtu. Sie ließen sich Zeit. Hirt Ma fuhr den Wagen, und bei jedem Anlegeplatz einer Fähre, oder wenn sich ein paar Vorübergehende versammelten, stand Watchman auf und predigte.

Der schiffbare Jüan war immer der Handelsweg nach dem Südwesten gewesen, und ihr Weg führte sie nun in seinem breiten Tal hinauf nach Jüanling. Nicht weit von dieser Stadt, in Sangschi, lag die kommunistische zweite Armee Ho Lungs. Doch als die beiden zur Grenze von Hunan hinauffuhren, war alles ruhig. Hier gab es manche Außenposten europäischer Missionen, doch der größte Teil der Bevölkerung hatte noch nichts vom Evangelium gehört.

Die Provinz Kweitschou war in einem raschen Wandel begriffen. Stadtstraßen, die bisher an den Stadttoren endeten, wurden ins Land hinaus verlängert, und feste Straßen ersetzten die Fußwege, die sich um die Hügel wanden. Es mußten noch im Bau befindliche Wegstrecken bewältigt werden, und selbst da, wo die Straßen fertig waren, konnten sie so holperig sein, daß man äußerst vorsichtig fahren mußte. Hirt war kurzsichtig, er trug eine dicke Brille, so daß er in den nicht markierten Haarnadelkurven, wo eine falsche Bewegung den Sturz in die Tiefe zur Folge haben mußte, unsicher war. Dann mußte sich Watchman, weniger geübt im Fahren, aber mit stärkeren Nerven ausgerüstet, ans Steuer setzen.

In der Provinzhauptstadt Kweijang trafen sie eine Gruppe von Gläubigen, die eine Hausgemeinde bildete. Hier erlebten sie einen frohen Empfang, so daß sie einige Tage blieben. Hier wurde ihnen aber auch klar, wie ungewiß ihr weiterer Weg war. Sie hörten, daß weite Abschnitte der Straße nach Kunming in der Provinz Jünnan nur auf den Karten der Planer standen. Aber da die beiden Reisenden nun so weit gekommen waren, vermummten sie sich gegen die Kälte und fuhren entschlossen weiter, immer tiefer in die Berge hinein. Noch lag Schnee auf den Gipfeln, als sie zwischen Azaleen und Rhododendron immer höhere Pässe erklommen. Bergab stellten sie den Motor ab, um das knappe Benzin zu sparen.

Hirt Ma berichtet, wie der Rhythmus des Motors die kurzen Belehrungen und Predigten Watchmans in sein Bewußtsein tuckerte und daß in größerer Höhe Watchman häufig sein Herz zu schaffen machte; seine frühere lange Erkrankung forderte ihren Tribut. Aus dem Regen von Kweitschou kamen sie in den heftigen Wind von Jünnan, und schließlich gelangten sie an einen Punkt, an dem amüsierte Stammesleute sie über die Baustellen schieben mußten. Ein Ingenieur versicherte ihnen, daß sie tatsächlich die ersten Reisenden seien, die durchgekommen waren. Sie waren froh und erleichtert, als sie nun die lange Talfahrt in die Kü-tseng-Ebene antraten.

Als sie endlich in Kunming angekommen waren und versuchten Zeugnis abzulegen, interessierten sich ihre Zuhörer nur für das Auto. Als sie erfuhren, welche Strecke der Ford hinter sich gebracht hatte, wurde er schnell berühmt.
Nördlich von Kunming jenseits des Goldsand-Flusses lagen die ersten Tibeter-Siedlungen. In Schanghai waren einige Brüder, die Gott dazu rief, die Tibeter zu missionieren, und Watchman wollte sich ein Urteil über die Lage bilden. Ein mehrtägiger Ausflug brachte sie zu einem Marktflecken in den Bergen, zu dem die Tibeter ihre Waren brachten. Während Hirt Ma ihre außerordentliche Gastfreundlichkeit genoß, verschaffte sich Watchman mit Hilfe eines Dolmetschers ein Bild von ihrer geistlichen Finsternis und Erlösungsbedürftigkeit.

Diese Fahrt in den Südwesten zur rechten Zeit war offensichtlich Führung.
Das zeigten die beiden folgenden Jahre des Bürgerkrieges, die solche Reisen ganz unmöglich machten. Im Herbst 1934 wurden die Kommunisten unter Mao Tse-tung durch Tschiang Kai-scheks Einkreisung gezwungen, aus Süd-Kiangsi auszubrechen. Von dort aus begannen sie ihren historischen Sechstausend-Meilen-Treck, der in die Geschichte als der »Lange Marsch« einging und dicht an Kunming vorbeiführte. Doch lange vor diesen Ereignissen war Watchman zurück. Er hielt eine Zeitlang in der großen Handelsstadt Hankau Bibelstunden und kehrte anschließend nach Schanghai zurück. Hier hatte K. S. Lee, ein Führer unter den Christen, ein Treffen zwischen ihm, John Sung und Wang Tsai zustandegebracht, um diese drei so verschiedenen Männer zu einem Team zusammenzuschweißen. Doch diese Bemühung war umsonst. Wang Tsai lehnte Watchmans Überzeugung ab, daß die Prediger nicht besoldet werden sollten, und Watchman verstand nicht, warum er von den Missionen abhängig bleiben wollte, die, wie Watchman fürchtete, der christlichen Sache nur Schaden durch Spaltungen zufügen würden. Erst im Lichte späterer Ereignisse kamen Worte der Anerkennung über Wang Tsais Lippen, als er sah, wie Watchman für seine Überzeugungen einstand.

John Sung und Nee vertrugen sich unglücklicherweise niemals, obwohl der eine erntete, wo der andere gesät hatte. Sung, der nur noch zehn Jahre leben sollte, war ein großer Evangelist, der sich allerdings fast ausschließlich an das Gefühl wandte. Ein Freund beschreibt ihn als einen Menschen, bei dem jede Meinung eine Überzeugung war. Obgleich Nee der begabtere Evangelist war, benutzte Gott doch Sung, um dem Himmelreich die großen Massen zuzuführen, und die Erweckung, die durch seine Predigten entstand, verbreitete sich wie ein Präriefeuer. Ein Beobachter bemerkt: »Wenn Sung predigte, wachten die Schafe auf und wurden hungrig, und weil niemand ihnen Nahrung geben konnte, kam Watchmans Belehrung zur rechten Zeit, um den Hunger zu stillen.«
Doch Sung war Nee gegenüber ausgesprochen kritisch, und Vertrauten gegenüber äußerte sich Nee verächtlich über Sungs theologische Unreife und die Unbeständigkeit in seiner Arbeit. Ob Watchman ein unbestimmbares Verlangen nach einer Salbung durch Gott spürte, die er bei Sung wahrnahm, die ihm selbst aber fehlte?

Es folgte die dritte Schanghai-Konferenz, auf der er über die zentrale Stellung Christi in der Schrift und im Leben des Gottesvolkes sprach. Witness Lee aus Chefoo war anwesend sowie Gläubige aus Städten in Kiangsu und Schantung, wo seit Watchmans Besuch im Jahre 1932 in schneller Folge Gemeinden entstanden. (Die Brüder gliedern die Anfänge des Werks in drei Abschnitte von je vier Jahren: Futschou 1924, Schanghai 1928, der Norden 1932.)
Bei seiner Rückkehr aus England hatte Watchman erfahren, daß Charity Chang wieder in Schanghai war und ihr M. A. in Englisch an der Yenching Universität gemacht hatte. Sie war das weltlich gesinnte Mädchen geblieben, das er kannte; sie trug Make up und kleidete sich elegant.
Doch dann besuchte sie einige Versammlungen in Wen Teh Li und fand dort den Herrn, und als sie um die Taufe bat, bezeugten die älteren Schwestern, daß sie vollkommen umgewandelt sei. Das wurde durch Watchmans eigene Beobachtung bestätigt. Die Begegnung mit ihr brachte totgeglaubte Gefühle zu neuem Leben.

Als Charitys Schwester Faith dies sah, ergriff sie die Initiative. Sie suchte Watchman auf, der gerade von einer seiner Reisen zurückgekommen war, und fragte:
»Würdest du jetzt, da Charity eine ernste Christin geworden ist, die dem Herrn standhaft dient, eine Ehe mit ihr in Betracht ziehen? Ich bin sicher, daß sie keine Einwände erheben würde.«

Nur nach viel Gebet um Klarheit über Gottes Willen folgte Watchman seinem Herzen. Er sandte einen eiligen Brief an seine Eltern in Futschou und bat um ihre Vermittlung bei den Heiratsverhandlungen. Huo-ping erinnerte sich an ihren Fehler in Sitiawan und geriet in Panikstimmung. Sie machte sich auf den Weg nach Schanghai, wo sie sich durch eine Flut von Gerüchten hindurcharbeiten mußte. Charitys verwitwete Tante Chang Mei-chen war dem Vernehmen nach entschlossen gegen diese Eheschließung ihrer prächtigen Nichte mit einem armen Prediger. Und auch in den Gemütern der Gläubigen herrschten Zweifel. Sie vergötterten Watchman und waren entsetzt, daß er – ein Mann des Gebets – an die Gründung einer Familie dachte, und das, was noch schlimmer war, mit einer College-Schönheit von der Yenching-Universität!

Aber seine Mutter suchte Charitys Onkel Chang Schiu-kan, das Familienoberhaupt, auf, und erlangte zu ihrer Erleichterung seine Einwilligung. Dann lud sie Charity ein, sie zu Evangeliumsversammlungen in eine andere Stadt zu begleiten. Eine Woche lang teilten sie ein Zimmer, lebten und beteten zusammen, und als sie zurückkehrten, hatte sie die volle Gewißheit, daß Gott Charity für ihren Sohn gewählt habe.

Anfang Oktober versammelten sich fast 400 Gläubige in Hangtschou, der Hauptstadt der Tschekiang-Provinz, einer altertümlichen und malerischen Stadt inmitten steiler Hügel und verträumter grüner Seen. Seit Peace Wang, jene Schülerin Ruth Lees, die gegen den Widerstand aller Autoritäten Christ geworden war, dieses Gebiet zuerst besucht und unter den Frauen gearbeitet hatte, gab es an verschiedenen Orten in Ost-Tschekiang kleine Gruppen von Gläubigen. Hier hielt Watchman zehn Tage Bibelstunden, und er war überglücklich, daß seine Eltern anwesend waren. Für den folgenden Tag war seine Hochzeit festgesetzt. Der Gedanke daran lag ihm so fern, daß Faithful Luke ihn noch am Hochzeitsmorgen in einen Laden mit Gebrauchtkleidern schleppen mußte, damit er sich einen Hochzeitsanzug kaufte.

So wurde am Nachmittag des 19. Oktober 1934, am Hochzeitstag seiner Eltern, Watchman in christlicher Ehe mit Chang Charity (Pin-huei) vereinigt.

Gemeinsam mit zahlreichen Gemeindegliedern dankten sie Gott, sangen das Lied, das er zehn Jahre zuvor für Charity geschrieben hatte, und nachher feierten sie an dreißig Tischen mit je zehn Gästen.

Doch jetzt brach der Sturm los. Inzwischen hatte Charitys Tante Mei-chen ihrem Zorn in einer Schanghaier Tageszeitung Luft gemacht und Watchman in gelehrtem Chinesisch angegriffen. Wie, fragte sie, konnte dieser bettelarme Prediger es wagen, ihre geliebte Charity zu entführen? Wenn er es sich jemals leisten konnte, eine Frau zu ernähren, geschweige denn eine so kultivierte junge Dame zufriedenzustellen, dann mußte er das Geld dazu aus ausländischen Quellen erhalten. Und schließlich folgte ein verschleierter Angriff auf seine Redlichkeit, der in diesem Zusammenhang beleidigend genug war und bereitwillig von seinen Gegnern aufgegriffen wurde. Der Artikel wurde nachgedruckt und kursierte wochenlang in christlichen Kreisen. »Das Exemplar, das ich bekam«, bemerkt ein Missionar, »war so gemein, daß ich es verbrannte und anschließend das Bedürfnis nach einem Bad verspürte.«

Watchman geriet in eine tiefe Depression. In ihrem neuen Heim legte er sich zu Bett und wollte niemanden sehen. Eine energische Missionarin besuchte ihn trotzdem. »Er wird mich empfangen«, sagte sie, »weil ich eine Botschaft von Gott für ihn habe.« Sie betrat sein Schlafzimmer. »Keine Waffe, die gegen dich gerichtet ist, soll Erfolg haben«, verkündete sie, »und jede Zunge, die über dich zu Gericht sitzt, sollst du verwerfen.« Auch Faith Chang versuchte ihn aufzumuntern. »Was soll’s – du hast eine Frau nach deinem Herzen gefunden.«
Und Charity war in der Tat eine Quelle der Freude für ihn. Ihr Chinesisch war wunderbar und ebenso ihr Englisch. Sie lebte demütig mit dem Herrn und würde Watchman in seiner Arbeit eine große Hilfe sein. Und sie war eine Schönheit, darin waren sich alle einig.

Im November fuhren sie noch einmal nach Amoy zu einer Konferenz, und dann folgte eine Zeit, in der ihn die Probleme fast arbeitsunfähig machten. Die Londoner Korrespondenz mit dem Brüderkreis um Taylor sen. und jun. belastete ihn. Sein Herz machte ihm zu schaffen. Und da war die ungelöste Frage nach der persönlichen Begabung mit dem Heiligen Geist für den Dienst, er spürte, daß er sie nicht hatte, fand aber auch keinen Zugang zu der Lehre, die von dieser Gabe die Qualifikation für den Dienst abhängig machte. Im Blick auf die Lehre half ihm Gott während der Arbeit an einem Platz, der für seine theologischen Fragen absolut immun war und wo er, in seiner Verzweiflung allereinfachste Dörfler bat, mit ihm zu beten.

Und noch andere Hilfen machten sich bemerkbar. Etwa die Rückkehr der Stearns im Januar 1935. Nach Watchmans Besuch in Tsinan 1932 hatte sich dort eine »Separatisten«-Gruppe gebildet, die den Stearns die Rückkehr an die Universität Chefoo verleidete, und so nahm Dr. Stearn eine Berufung nach Schanghai an. Eine weitere Freude war es, Li Kuo-ching wiederzusehen, den Adoptivsohn der Dr. Li, mit dem er auf den Inseln in der Minmündung das Regenwunder erlebt hatte. Als Watchman ihn fragte, ob er dem Herrn noch nachfolgte, fragte Kuo-ching zurück: »Denken Sie, ich könnte ihn nach allem, was ich mit ihm erlebt habe, vergessen?«

Der lange Briefwechsel mit London und New York half, so schmerzlich er war, den Brüdern in Schanghai, ihre eigenen Vorstellungen über die Beziehungen zwischen den Kirchen klarer zu formulieren. Die Londoner Brüder hatten Watchman beschuldigt, die Gemeinschaft verraten zu haben, als er mit Christen anderer Gruppen (in Honor Oak und New Haven) am Tisch des Herrn teilnahm.

Nun ging es um die Frage, ob man sich von allen anderen christlichen Gemeinschaften absondern müsse, um zum Tisch des Herrn zugelassen zu werden. Wie stand es z.B. um die chinesischen Gemeinden, die ihre Beziehung zur Mission aufrechterhalten hatten?

Die Antwort der Ältesten in Schanghai war ein demütiger und versöhnlicher Hinweis auf die christliche Vernunft und das Wirken des Geistes. Sie befürwortete klar die offene Gemeinschaft beim Abendmahl, die sich auf das christliche Gewissen gründet. Doch ihr ausführlicher Brief , unterschrieben von D. C. Du, Y. A. Wu, W. Nee und K. Y. Chang, erreichte in London das Gegenteil: Am 30. Juli 1935 wurde in Islington der Bruch mit den chinesischen Brüdern verkündet. An diese Entscheidung war jede Versammlung dieser Brüdergruppe in der ganzen Welt gebunden. Den Chinesen bereitete dies eine Art Schock. Ihre Enttäuschung war groß.

Watchman erhielt den Brief in Chefoo. Hier hielt Elisabeth Fischbacher, eine der begabtesten Rednerinnen der China-Inland-Mission, Erweckungsversammlungen. Watchman machte gerade eine Zeit geistlicher Trockenheit durch. Ihn hungerte nach einer neuen Erfahrung Gottes, und nun überwand er seine Abneigung gegen weibliche Prediger und besuchte zusammen mit Charity diese Versammlungen. Elisabeth Fischbacher teilte die Schanghaier Vorliebe für ekstatisches Gebet, und wenn ihr Englisch nicht mehr ausreichte, betete und sang sie in Zungen. Aber sie predigte mit Vollmacht, und Watchman geriet in ihren Bann. Er antwortete dem Anruf des Wortes und kam so zu einer ganz neuen Entdeckung göttlichen Segens. Damit war diese etwas unfruchtbare Zeit beendet. Er konnte wieder predigen und sandte ein Telegramm nach Schanghai: »Ich bin dem Herrn begegnet.«

Bei der Herbstkonferenz sprach er über die Ausgießung des Heiligen Geistes, was manche zu einer ähnlichen Erfahrung führte. Die Folge war, daß sich etwa ein oder zwei Jahre lang eine Welle geistlicher Erregung in den südlichen Gemeinden ausbreitete. Diese Gruppen von Gläubigen hatten einen mehr intellektuellen Zugang zur Bibel gehabt, die für sie über aller subjektiven Erfahrung stand. Nur in den Gebetsstunden kannten sie kurze Gebetsgemeinschaften am Schluß. Diese Praxis soll John Sung eingeführt haben. Nun aber überließ man sich äußerster Erregung mit Hüpfen, Händeklatschen, Schreien, Lachen und unbekannten »Zungen«, die den Zuhörern und selbst dem Redner keine Botschaft übermittelten. Hinzu kam eine Flut von dramatischen Heilungen, von denen einige sicher echt, andere jedoch Selbsttäuschung waren.

Im Spätherbst 1935 fand eine zehntägige Konferenz in Tsinkiang statt. Lukas Wu, der Dekan des christlichen Colleges, der vor kurzem Christ geworden war, als er für John Sung in einer Evangelisation übersetzte, öffnete sein großes Haus für die fast vierhundert Konferenzteilnehmer. Hier sprach Watchman über sieghaftes Leben und die Ausgießung des Heiligen Geistes, und noch einmal wurde fühlbar der Segen Gottes erlebt. Nach diesen Tagen wurde Wus Heim zum Mittelpunkt einer Gruppe von Gläubigen. Er setzte damit ein Beispiel, das in Zukunft in einer Stadt nach der anderen Nachnahmer finden sollte.

Witness Lee versichert, daß Watchman »nie in Zungen redete«. Das mag sein, kann aber jetzt nicht mehr bewiesen werden. Gewiß glaubte er an die geringeren Gaben, die der Heilige Geist der Kirche gegeben hat, die Gaben des Heilens, des Zungenredens und seiner Auslegung. »Ich habe mit eigenen Augen Fälle von sofortiger göttlicher Heilung gesehen«, berichtet er. »Wir wenden uns nicht dagegen, wir bekämpfen nur falsche Wege der Heilung … Manchmal werde ich gefragt, ob ich gegen das Zungenreden bin. Gewiß nicht! obwohl ich ein Zungenreden in Frage stelle, das durch falsche Mittel erworben wird.« Er berichtete, wie Gott in einer sehr verwirrten Dorfgemeinde dies Mittel benutzt hatte, um schlimme Tatsachen zu enthüllen, die notwendig bekannt werden mußten. Die einzige eingeweihte Person hatte versprechen müssen zu schweigen. Hier hatte die Gabe des Zungenredens Sinn und Zweck gehabt, meinte er.

Andrerseits hielt Watchman streng daran fest, daß »nicht alle in Zungen reden«. Seine Lehre war in diesem Punkt immer ausgewogen. Ein älterer China-Inland-Missionar, der einige Jahre später in Schanghai seine Vorträge über den Heiligen Geist besuchte, beschreibt sie als »die klarste Unterweisung, die ich jemals zu diesem Thema gehört habe«.

Einige Erweckungsmethoden, die Watchman damals anwandte, wirkten wie geistliches Opium. Wenn man ihnen verfiel, verlangten sie eine ständig verstärkte Dosis. Elisabeth Fischbacher spürte, daß sie selbst für diese Entwicklung mitverantwortlich war und gab ihr öffentliches Predigen auf. Sie wandte sich der Schriftstellerei zu und fand hier einen neuen lohnenden Dienst.

Drei Jahre später, als das Pendel zurückschwang und diese Episode vorüber war, sagte Watchman in einer Unterhaltung mit K. S. Wong: »Wenn wir auf diese Zeit zurückblicken, stellen wir fest, daß der Gewinn gering, der Verlust aber sehr groß war.«

12. Rückbesinnung

Im Oktober 1938 tauchte Mao Tse-tung mit den ersten verstreuten Überlebenden des »Langen Marsches« im nördlichen Schensi auf und schlug als der unbestrittene Führer der chinesischen kommunistischen Partei sein Hauptquartier in Jenan auf. Der »Lange Marsch« sollte als ein Höhepunkt kommunistischer Heldenhaftigkeit in die Annalen der Partei eingehen. Einige eindrucksvolle Episoden waren schon zu Legenden geworden: der Ausbruch aus der Umklammerung von Kiangsi, der geheime Übergang über den Goldsand-Fluß, die Einnahme der Brücke der Eisernen Ketten über den Tatu bei Luting, der Aufstieg auf den Großen Schneeberg und die Durchquerung des Sumpflandes von Szetschuan, dem Alptraum der Helden. Aufrechtgehalten durch ihr politisches Programm und eiserne Entschlossenheit, tauchten sie nun an einem Schlüsselpunkt am Rand der nord-chinesischen Ebene auf. Ihre Feuerprobe hatte sie zu einer disziplinierten Kerntruppe zusammengeschweißt. Nachdem sie so lange fast ständig militärisch angegriffen worden waren, hatten sie ein neues Selbstbewußtsein als Chinesische Kommunisten entwickelt, die nicht länger Rußland verantwortlich waren.

Tschiang Kai-scheks Versuch, sie vernichtend zu schlagen, war mißlungen. Nun war der Süden offen, und für die Brüder von Schanghai war endlich der Weg nach Tibet frei. Im nächsten Jahr gingen sechs von ihnen dorthin. Sie wurden von den Tibetern herzlich aufgenommen. Um dem Mangel an Schrifttum abzuhelfen, ließen sie Traktate und Bibelauszüge in tibetischer Sprache in Schanghai drucken und sandten sie per Schiffsfracht über Hanoi, wo die Franzosen sie zu Nees großem Ärger beschlagnahmten. Er ließ deshalb die Druckplatten nach Jünnan fliegen, damit dort an Ort und Stelle gedruckt würde.

Zwei Faktoren waren es, die das Werk in China förderten. Der eine war die wachsende Nachfrage nach Abschriften von Watchmans Predigten. Seine Zeitschrift und seine Traktate fanden überall Eingang in die christlichen Häuser und brachten denen Nahrung, die durch Erweckungspredigten geistlich aufgerüttelt waren, aber niemand hatten, der ihnen weiterhalf. Nees Gabe, die christliche Lehre in einfachen Worten zu erklären, begegnete dieser Not.
Der andere Faktor war, daß sich die Häuser der Gläubigen geöffnet hatten. Eine Gebetsgruppe entstand immer da, wo sich ein gläubiger Geschäftsmann oder Regierungsbeamter niederließ. Sein Haus wurde sogleich zu einem neuen Zentrum des christlichen Zeugnisses, in dem sich Männer und Frauen, die sich von der Sünde losgesagt und sich Christus ganz ausgeliefert hatten, zu einer schlichten Gemeinschaft zusammenschlossen.  . . .

Um neue sektiererische Spaltungen aufgrund der Lehre oder der Ausstrahlung einer Persönlichkeit zu vermeiden, dachte man sich die Gemeinde als an den Ort gebunden, an bestimmte Städte und Dörfer, ähnlich wie im System der Pfarreien. Sie unterhielten sich selbst und waren an ihrem Ort autonom. Darüber spannte sich eine lose Zentralorganisation, in der Watchman und ein paar andere oder die »Apostel« berieten und schulten. Wenn ein »Apostel« an einem Ort eine Gemeinde vorfand, unterwarf er sich den Ältesten dieser Gemeinde. 1938 stellte Watchman fest, daß es 128 solcher Apostel gab.  . . . 
Ein Allianzmissionar in der im Nordwesten gelegenen Provinz Kansu sagte zu Beginn der vierziger Jahre: »Je weiter die Bewegung sich von ihrem Ursprungsort entfernt, desto weniger gelingt es ihr, zwischen ungeheuchelter Bruderliebe und weniger wünschenswerten Gefühlsausbrüchen zu unterscheiden.« Er empfand wie andere den geistlichen Stolz vieler Anhänger der »Kleinen Herde«.  . . .  In der Küstenprovinz Tschekiang sprachen einige China-Inland Missionare mit warmer Anerkennung von ihrer Lehre und der echten christlichen Gemeinschaft unter ihnen. Anderen, denen die Abnahme der Gläubigen in den Missionskirchen Sorge bereitete, erschien Watchman als ein »Dieb der Schafe« und somit als ein äußerst gefährlicher Mann. Zu dieser Zeit war er zweifellos manchem Missionar ein Dorn im Auge.

Inzwischen waren mehrere von den Brüdern in Fukien als christliche Zeugen nach Übersee gegangen: Simon Meek 1931 nach den Philippinen, Faithful Luke, Daniel Tan und K. S. Wong nach Singapur und Malaya, andere nach Niederländisch Indien. Im Juli 1937 besuchte Watchman auf Meeks Einladung Manila. Hier und in Baguio sprach er vier Wochen lang zu Versammlungen bis zu hundert Menschen über ein sieghaftes christliches Leben, die Fülle des Heiligen Geistes und die Gemeinschaft in der Kirche. Er war in Singapur, als die japanische Invasion mit der Einnahme Pekings in China begann, und auch am 14. August, als die Feindseligkeiten in Schanghai ausbrachen. Chinesische Flugzeuge griffen japanische Schiffe auf dem Wangpoo an, und zwei Bombenladungen auf ein Warenhaus und die benachbarte Straße verursachten einen Massentod unter den eigenen Bürgern. Marine landete und machte aus der nördlichen Vorstadt Hongkew eine Festung, während Scharen von Flüchtlingen aus den angrenzenden Gebieten hereinströmten und auf jedem freien Platz ihre Strohhütten aufbauten.
Schanghai blieb vom Süden her offen, und auf diesem Weg fand Watchman nach vierwöchiger Fußwanderung zurück zu seiner Frau. Ihr Haus lag in einem evakuierten Bezirk, sie selbst war bei den Schwestern in der Hardoonstraße, wo man das Schießen in Tschapei einige Meilen nördlich hören konnte. Nicht zum letzten Mal waren ihre Sachen durchwühlt worden.
Beruhigt, daß alles in Ordnung war, brach Watchman bald wieder auf. Er umging das Kampfgebiet und machte sich auf die Reise Jangtse aufwärts nach Hankau. . . .
Danach kehrte er wieder hinter die Schlachtlinie, nach Schanghai zurück, das im November völlig unter japanischer Herrschaft stand. Jedes Haus, jedes Hausboot trug eine Fahne mit der aufgehenden Sonne, um zu zeigen, wer Herr im Lande sei. Überall stieß man auf Stacheldraht und Barrikaden, und die Preise stiegen. Im Dezember fiel die Hauptstadt Nanking. Die Nationalregierung hatte ihren langen Rückzug nach Westen begonnen, der in Tschungking enden sollte.

Watchmans Vorträge waren mitgeschrieben und weitergegeben worden, und nun forderte man ihre Veröffentlichung. Mit Charitys und Ruth Lees Hilfe machte Watchman sie druckfertig, so daß Gläubige und Mitarbeiter im ganzen Land aus ihnen Nutzen ziehen konnten. Im März 1938 erschien das Buch unter dem Titel »Kong Tsch-tih Tsai Hsiang« (Rückbesinnung auf die Arbeit). Im Vorwort zitiert Nee Margaret Barbers Bemerkung, daß »der Geist Gottes nur nach Gottes Richtlinien arbeitet«.
»Die Erkenntnisse in diesem Buch«, schreibt Nee, »haben wir in den vergangenen Jahren allmählich erlangt und angewandt. Wir haben vieles berichtigt, wenn wir größeres Licht empfingen, und wenn wir demütig bleiben und Gott gnädig, so wird es auch in Zukunft weitere Berichtigungen geben.« Watchmans Freunde unter den Missionaren drängten auch auf eine englische Ausgabe des Buches, doch er glaubte nicht, daß dies geraten sei. Wenn sein erstes englisches Buch so untypisch für seinen Dienst als Ganzem war, konnte dies zu Mißverständnissen führen. Er suchte Kontakt zu älteren und erfahreneren Männern und plante deshalb, Elisabeth Fischbacher und zwei andere Missionarinnen nach Europa zu begleiten. Ehe er abfuhr, hatte er noch die große Freude, daß die Ärzte seine Lunge für ausgeheilt erklärten.

Charity begleitete sie bis Hongkong, wo sie bei den Eltern Nee außerhalb der Reichweite des Krieges blieb. Dann bestiegen sie ein Schiff der Anchor-Linie nach Schottland, und bei ihrer Ankunft im Juli begab sich Watchman zuerst nach Kilcreggan, um Austin-Sparks zu besuchen. Die beiden Männer fanden sich schnell. Zusammen reisten sie zur Konferenz nach Keswick. Es war ein sonniger Morgen, als der Direktor der China-Inland-Mission, der die Versammlung leitete, Watchman zusammen mit einem japanischen Redner auf die Plattform holte. Der Krieg in China war in jedermanns Bewußtsein, und als Watchman an der Reihe war, leitete er die Versammlung in der Fürbitte für den Fernen Osten mit Worten, die für viele eine Offenbarung bedeuteten. Es war ein Gebet, das wenige, die das Vorrecht hatten anwesend zu sein, je vergaßen:
»Der Herr regiert. Das bekennen wir kühn. Unser Herr Jesus Christus regiert, und er ist der Herr aller Dinge. Nichts kann seine Autorität beeinträchtigen. Es sind geistige Kräfte, die darauf aus sind, seine Interessen in China und Japan zu zerstören. Darum beten wir nicht für China, und wir beten nicht für Japan, sondern wir beten für die Interessen deines Sohnes in China und Japan. Wir tadeln nicht Menschen, denn sie sind nur Werkzeuge in der Hand deines Feindes. Wir treten für deinen Willen ein. Zerschmettere, o Herr, das Reich der Finsternis, denn die Verfolgung deiner Kirche verwundet dich. Amen.«

In Keswick sprach er auch zu den Missionskandidaten über die »Befähigung zum Missionar«. Am Ende der Woche nahm er an dem großen Abendmahlsgottesdienst teil, der unter dem Motto stand »Alle sind eins in Christus« und besiegelte so öffentlich die Stellung, die er und seine Mitarbeiter drei Jahre zuvor bezogen hatten.

Watchman reiste nun nach London, wieder war sein Ziel die Honor-Oak-Straße, wo sein erster Besuch so unangenehme Folgen gehabt hatte. Hier bei Austin-Sparks und den anderen verantwortlichen Männern schlug er sein zeitweiliges Hauptquartier auf, und hier verbrachte der Autor dieses Buches einige unvergeßliche Wochen mit ihm.

Die Honor-Oak-Gemeinde hatte ein klares Missionskonzept und weit offene Türen für das Volk des Herrn. Aber indem sie das subjektive Werk des Kreuzes im Leben des Christen hervorhob – dies entsprach durchaus dem evangelikalen Klima damals –, litt die Aktivierung des Zeugnisses. Die Beschäftigung mit »höheren Dingen« trieb die Christen in Passivität. Andererseits erhob man wie gegen Nee auch gegen Honor Oak den Vorwurf, man werbe dort den alten Missionen die Mitarbeiter ab, indem man für einfachere oder »geistlichere« Gestaltung von Leben und Zeugnis eintrat. Das veranlaßte Watchman wieder einmal, seinen eigenen Weg neben dem Hauptstrom der Evangelikalen zu suchen.

Er unterhielt sich gern, und seine Verwurzelung in der östlichen Kultur machte die Diskussion unseres gemeinsamen Erbes in Christus noch besonders reizvoll. Er sprach ein ausgezeichnetes Englisch; dies und der Charme seiner Gesten machte es zu einem Vergnügen, ihm zuzuhören. Aber es war der Inhalt seiner Ansprachen, der uns gewann. Er verlor nicht viele Worte, sondern führte uns sofort mitten in das Problem, mit dem wir allein nicht fertiggeworden waren. Oder er sprach über Gebote Gottes, die wir aus unserem Bewußtsein verdrängt hatten. Und immer beobachtete er die den chinesischen Denkern eigene Sorgfalt bei der Wahl der Begriffe. So gab er unseren evangelikalen Klischees oft einen neuen Inhalt.

Obwohl er uns durchschaute, blieb er bei uns. Denn es war sein Ziel, Christus, den er liebte, zu verherrlichen. Nachdem er einen Monat unter uns gewesen war, legte er den Finger immer wieder auf unsere gefährlichste Stelle, und das war regelmäßig unser geistlicher Hochmut. Gott habe ihn durch Erfahrung gelehrt, sagte er freundlich, daß das Gebot »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet« genauso zu seiner Selbstmitteilung gehört wie »Gib, und es wird dir gegeben«.

Wir machten uns damals fleißig Notizen von seinen Ansprachen, und es ist kein Wunder, daß sie uns 30 Jahre später mit neuer und überraschender Bedeutung aus dem abgegriffenen Notizbuch entgegensprangen. Ich war damals ein angehender junger Missionar und wollte gerade nach Asien ausreisen. Mit zwei anderen Freunden genoß ich die langen Unterhaltungen mit ihm, die alles mögliche zum Gegenstand hatten, von der finanziellen Lage des Missionars bis zur Offenbarung des Johannes. Niemals machte er auch nur den Versuch, mein Verhältnis zu den etablierten Missionsgesellschaften zu beeinflussen. Der beste Rat, den er mir als zukünftigem Botschafter des Herrn in einer fremden Kultur gab, war, in den ersten zehn Jahren ein L-Schild zu tragen, das Watchman mit großem Vergnügen auf den Autos von Fahrschülern und Anfängern gesehen hatte. Ich kam mit der Zeit zu dem Eindruck, daß für den Christen diese zehn Jahre viel zu kurz sind, daß sie auf sein ganzes Leben ausgedehnt werden könnten.
Wir erlebten in Europa gerade die Krise von München, und Watchman beobachtete, wie wir ängstlich Luftschutzkeller bauten und Gasmasken verteilten, und dann die große Erleichterung, als Chamberlain den Frieden aus München mitbrachte. Weil ihn all das nicht unmittelbar betraf, erlebte er es in jener Art von Gelassenheit, die der Christ auf einer anderen Ebene als Fremdling und Pilger in der Welt empfindet. Aber er hatte auch persönliche Sorgen.
Um diese Zeit erreichte ihn aus Hongkong die Nachricht, daß Charity, die ein Kind erwartete, eine Fehlgeburt gehabt hatte. Sie selbst schrieb tapfer, aber er wußte, wie sehr sie dieser Schlag getroffen haben mußte, besonders da er um die halbe Welt von ihr getrennt war. Sobald Charity wieder reisen konnte, begleitete sie ihre Schwiegermutter, die über Hanoi nach Kunming fuhr, um die evakuierten Gläubigen in der Jünnan-Provinz zu besuchen. Die Nees blieben ohne Kinder.

Im Oktober reiste Watchman auf Einladung von Pastor Fjord Christensen in Kopenhagen nach Dänemark zu Versammlungen in der Internationalen Schule in Helsingör (Hamlets »Elsinore«), wo er zehn Referate über Römer 5-8 zum Thema »Das normale christliche Leben« hielt. Diese Vorträge wurden zusammen mit anderen zum gleichen Thema in Buchform veröffentlicht. Für Watchman war das »sieghafte Leben« das wahre christliche Leben, dies Wort werde aber zu oft von den Nicht-Sieghaften für sich beansprucht. Jene, die überwinden, führte er aus, sind in Gottes Augen normal, die anderen sind dagegen keine normalen Christen.

Watchman hatte höchstens vier Monate im Westen zubringen und im November über die Vereinigten Staaten heimkehren wollen. Doch sein Besuch erschien ihm unvollständig ohne einen ausführlicheren Gedankenaustausch mit seinem neuen Freund und Ratgeber über die Probleme der praktischen Auferbauung des Leibes Christi. Als er über Norwegen, Deutschland und die Schweiz nach Paris kam, erhielt er dort einen Brief seiner Mitarbeiter in Schanghai, die ihn drängten, nicht ohne diese Beratung zurückzukehren. Das bedeutete die Übersetzung von »Rückbesinnung auf die Arbeit« ins Englische. Glücklicherweise war Elisabeth Fischbacher frei. Zwei Monate widmete sie dieser Übersetzung, während Watchman kürzte, änderte und ein neues Vorwort schrieb. Im Januar war das Manuskript fertig, und er kehrte für weitere vier Monate nach London zurück, wo sich die Freundschaft mit Mr. und Mrs. Austin-Sparks weiter vertiefte.

Hier fand Watchman Geschmack am englischen Familienleben. War er früher sehr förmlich und steif gewesen, so entspannte er sich jetzt und spielte mit den Kindern, ging mit zu einem Picknick in die Heide von Surrey und hatte nach den Worten eines der Teilnehmer »an allem seinen Spaß. Er machte überhaupt nicht den Eindruck eines ›geistlichen Bruders‹.« Im Heim der Austin-Sparks war er erstaunt, daß nicht jeder aufstand, wenn die Großmama das Zimmer betrat, und andrerseits ging dort ein Erwachsener so weit, daß er sich bei dem Hund entschuldigte, den er aus Versehen getreten hatte! Mit der Sparsamkeit, die er in den Tagen von Jünnan gelernt hatte, bestand er bei Autofahrten darauf, daß bergab der Motor abgestellt würde, Kinder lud er zu chinesischem Essen ein und genierte sich nicht, die einfachen englischen Gerichte mit Soyasoße zu würzen, von der er ständig einen Vorrat bei sich zu haben schien.

In Sheringham in Norfolk besuchte er Margaret Barbers Freund, D. M. Panton, dessen Schriften er schätzte und dem er seine Anerkennung dadurch zeigen Watchman Nee 1939. wollte, daß er ihm zwei Eier zum Frühstück zubereitete. Und zu seiner Freude führte ein Treffen mit Charles Barlow zu einer herzlichen Versöhnung. Diesmal beschattete ihn niemand.

Im Mai 1939, gerade ehe er England verließ, erschien die englische Übersetzung seines Buches in London unter dem Titel »Concerning Our Missions«, das später mit dem neuen Titel »Das normale Gemeindeleben« erschien.  . . . 

13. Der Höhepunkt

Wie sechs Jahre zuvor wollte Watchman wieder über die Vereinigten Staaten nach Hause reisen. Als er jedoch auf seiner Botschaft hörte, daß die Japaner in manchen Häfen gewisse Chinesen, die aus dem Westen zurückkehrten, mit Hilfe von Zwangsimpfungen liquidierten, hielt er es für weiser, den Rückweg auf einem britischen Schiff zurückzulegen. Die Reise über Bombay und Colombo ermöglichte ihm einen kurzen Aufenthalt in Indien, doch im Juli war er in Schanghai zurück – zur großen Erleichterung Charitys, die um seine Sicherheit im kriegsbedrohten Westen gebangt hatte.

Er kam in eine Stadt zurück, die nur der Schatten ihres früheren Selbst war. Ihr fröhliches Leben war unter dem Elend der feindlichen Besetzung verstummt, ihr einstmals blühender Handel durch den Krieg zum Erliegen gebracht. Aus den zerstörten Gebieten wurden Seuchen in die Viertel der Ausländer eingeschleppt, die immer noch durch die Anwesenheit englischer, französischer und amerikanischer Kriegsschiffe gehalten wurden. Jetzt waren sie überfüllt durch mittellose Flüchtlinge. Als Watchman unauffällig in seinem alten Gewand und dem zerdrückten Filzhut in den Häusern einund ausging, begegnete er schamloser Selbstsucht, auch bei Gläubigen. »Viele sind in diesem Existenzkampf hart geworden«, schrieb er an einen Freund, »und manche preisen den Herrn, weil sie nichts von dem Leiden ringsum zu spüren bekommen. Was mich betrifft, so muß ich bekennen, daß ich es in allen Einzelheiten mitleide, nur daß ich mich an den Herrn halte. Selbst wenn man tausend Herzen hätte, so ist das Geschehene genug, um sie alle zu brechen … Aber Gott ist mein Vater. Ich habe niemals das Wort ›Gott‹ so lieben gelernt wie heute. Gott!«

Unter den Brüdern war durch seine lange Abwesenheit eine Lücke entstanden, in die John Chang und besonders Dr. Yu, der Augenspezialist, eingesprungen waren. Als Redner zeigte Dr. Yu vielversprechende Gaben.
Am ersten Sonntag morgen im September 1939 rief Watchman die Kirche zur Fürbitte für Europa auf. Er bat einige Brüder, sich ihm im Gebet anzuschließen, und dann »ging er in die Gegenwart Gottes und nahm die Kirche mit hinein«; er erbat nichts anderes, als daß Gottes Wille in dieser Krise geschehe. Er beendete diese Stunde mit den Worten: »Herr, nun kannst du niemals sagen, deine Kirche habe nicht gebetet!«

Die Gebetsstunde am Montag und die Mahlfeier am Sonntagabend wurden jetzt in verschiedenen Häusern gehalten, und hier begannen die Gläubigen stürmisch darum zu beten, daß dem japanischen Vormarsch ein Ende gesetzt würde. Daraufhin hielt Watchman zu Beginn des Jahres 1940 eine Ansprache – »nicht an Chinesen (oder Briten oder Amerikaner), sondern an Männer und Frauen in Christus« – darüber, wie Gott die weltlichen Regierungen für seine Zwecke benutzt.
»Wir müssen deshalb wissen, wie wir beten sollen. Es muß möglich sein, daß deutsche und englische, chinesische und japanische Christen zusammen knien und beten.
Im letzten Weltkrieg gab es viel unwürdiges Gebet; laßt uns nicht in denselben Fehler verfallen! Die Kirche muß über den nationalen Belangen stehen und sagen können: ›Wir bitten weder um einen chinesischen noch einen japanischen Sieg, sondern um das, was von Vorteil für das Zeugnis deines Sohnes ist.‹ Das sind keine leeren Worte. Wenn die ganze Kirche auf diese Weise betete, könnte der Krieg bald auf Gottes Weise beigelegt werden.«  . . .

Lena Clark, die sieben Jahre in Schanghai zubrachte, beschreibt, wie es 1940 in Wen Teh Li aussah: »Am Sonntagmorgen versammeln sich die Leute, um die Predigt zu hören. Die Frauen sitzen auf der einen, die Männer auf der anderen Seite. Auf den lehnenlosen Bänken müssen alle so eng wie möglich zusammenrücken, um den Raum auszunützen, und außen ums Haus stehen weitere Menschen, um durch die Fenster oder mit Hilfe von Lautsprechern zuzuhören. Arme sitzen neben Reichen und Gebildeten, Ärzte neben Arbeitern, Juristen und Lehrer neben Rikschafahrern und Köchen. Unter den bescheiden gekleideten Schwestern sitzen auch moderne Frauen… Kinder laufen umher, Hunde strolchen herum, Autos hupen und Straßenhändler rufen ihre Waren aus. Doch jeden Sonntag wird das Wort vom Kreuz im Glauben gepredigt. Sünde und Heil, das neue Leben in Christus und die ewigen Absichten Gottes, Dienst und geistlicher Kampf – über alles wurde gesprochen und nichts zurückgehalten. Sie waren im Blick auf feste Nahrung und direkte Aufforderung kaum zu überbieten.«

Wenn Watchman sprach, hing eine begierig lauschende Menge an seinen Lippen. Er stand in seinem dunkelblauen Baumwollgewand da und fesselte ihre Aufmerksamkeit durch seine liebenswürdige Art, seine einfachen, aber durchdachten Begründungen und gut gewählten Vergleiche. Um etwas zu illustrieren, zeichnete er schnell eine Skizze in die Luft (die ein jüngerer Mitarbeiter manchmal auf ein Plakat übertrug), oder er erzählte eine Anekdote, die sich fast immer gegen ihn selbst richtete. Sein Sinn für Humor rief häufig Gelächter im Saal hervor, so wurde man in seinen Versammlungen nie schläfrig. Er blieb beim Thema, und am Schluß ließ er einen klaren und tiefen Eindruck in den Herzen seiner Zuhörer zurück.

Immer war Charity anwesend, still und zurückhaltend und ein wenig abseits vom Gedränge. Sie war nicht so tätig wie ihre Schwester Faith (Frau Bao) und die anderen Mitarbeiterinnen, zu denen auch Watchmans zweite Schwester Kuei-cheng (Frau Lin) gehörte, die, wenn sie konnte, sich von ihren Pflichten wegstahl, um den Schwestern zu helfen. Und im Hintergrund war da immer noch Ruth Wang, stattlich, heiter, Ruhe ausstrahlend, und die kluge und unendlich gütige Ruth Lee.

Im Frühjahr 1940 sprach Watchman fortlaufend über die Erzväter. Er nannte die Reihe »Gottes Handeln mit seinem Volk«. Seit seinem Aufenthalt in Europa trugen seine Vorträge einen mystischen Zug, der, obwohl er gar nicht so ganz in Watchmans Charakter paßte, dem Geschmack einiger Missionarinnen entgegenkam und sie veranlaßte, sich seiner Arbeit zur Verfügung zu stellen. Zusammen mit anderen Angehörigen der verschiedensten Gruppierungen in Schanghai bildeten sie einen wachsenden Kreis ausländischer Sympathisanten. Doch obwohl manche von ihnen die Hoffnung hatten, daß es zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Nee und den Missionen und besonders der China-Inland-Mission komme, verhielten sich ihre Feldleiter und Direktoren Nee gegenüber weiterhin reserviert; vielleicht war es noch immer der heimliche Vorwurf des Schafestehlens.

Leider war Dr. Thornton Stearns der einzige Ausländer unter den Ältesten der Gemeinde in Wen Teh Li. Das war sehr schade, denn für einige der Missionarinnen war die Gemeinde in Wen Teh Li nicht nur der höchste Ausdruck des Leibes Christi in Schanghai, »unser Bruder« Watchman, dieser außergewöhnliche Mann Gottes, war auch der einzige Mensch in China, durch den sie Gottes Willen erfahren konnten. Die »neue Lehre« von Gottes ewigem Plan im Blick auf die Herrschaft seiner Kinder hatte sie so mit Beschlag belegt, daß sie die Rettung der Ungläubigen kaum noch interessierte. Dienst und Zeugnis, Gebet und stille Zeit waren in ihren Augen nun »Übungen des natürlichen Menschen«. Und nur der Zerbruch dieses natürlichen Menschen durch eine lange Prüfung konnte die große Offenbarung des Leibes Christi herausrufen. Deshalb »sitze und laß Gott alles tun«.
Solche Extravaganzen führten dazu, daß manche Leute ihre Missionen verließen und dafür in Wen Teh Li saßen und nichts taten. Sie schienen von einer lähmenden Trägheit ergriffen zu sein, einer Furcht, sich zu bewegen oder etwas zu unternehmen, damit sie ja nicht »ohne den Antrieb des Geistes« handelten. Die sichtbare Tätigkeit für Christus wurde gering geachtet zu Gunsten von etwas »Höherem«.

Als Watchman sich diesem Zustrom von Europäern gegenübersah, bekam er es mit der Angst zu tun; er vertraute den Stearns an, daß er einige dieser Damen fürchtete, und diskutierte mit Thornton die Möglichkeit einer eigenen Gemeinde für sie. Als sich 1941 zwei idealgesinnte, aber schlecht informierte junge Missionarinnen in seinem Werk betätigen wollten, gab er ihnen den gesunden Rat: »Sie haben eine ziemlich anstrengende Zeit hinter sich und einen Urlaub nötig. Gehen Sie an die See und suchen sich ein paar Kinder, mit denen sie toben können.« Diese Verordnung erwies sich als sehr heilsam. Es stimmt sicher, daß Wen Teh Li für China ein Christentum ohne ausländische Fesseln bedeutete und deshalb Ausländer, mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen, nicht in dieses Werk paßten.
Geistliche Trägheit war niemals ein Merkmal der »Kleinen Herde« gewesen. Die meisten waren sehr kraftvoll in ihrem evangelistischen Zeugnis. Selbst die »Evangeliumshemden«, die die Schüler einst in Futschou getragen hatten, wurden noch auf den Straßen der Stadt und in den Dörfern verwendet. Auch eine ausgedehnte Sonntagsschularbeit gab es in Wen Teh Li, für die der Predigtsaal zu klein war und die deshalb in verschiedenen Privathäusern getan wurde.
Watchmans Traktate wurden verteilt und auf den Straßen durchdiskutiert; christliche Geschäftsleute verteilten sie über der Theke. Er verpflichtete alle Gläubigen zu evangelistischer Arbeit und stellte die Regel auf »Am Tag wenigstens einem Menschen gegenüber Zeugnis ablegen!« an die er sich selbst als erster hielt.
Er war deshalb begeistert, als er entdeckte, daß eine gläubig gewordene Haushaltshilfe in einer Straße mit zwölf Häusern beschloß, die Haushaltshilfe in dem Haus nebenan für den Herrn zu gewinnen, und die dann die Straße hinunter so weiter machte, bis schließlich sechs Dienstmädchen den Erlöser gefunden hatten. »Gewinne wenigstens einen Menschen am Tag für den Herrn«, war seine eigene Regel.

Obwohl diese Jahre den Höhepunkt seiner Arbeit in Schanghai bildeten, wurde er doch auch erstaunlich viel kritisiert. Man warf ihm Wankelmut vor und zu große Anpassungsfähigkeit. Andrerseits richteten sich manche Angriffe gegen seine Lehre. Ein angesehener Missionar, der zugab, daß Nee »so viele in China zu den Wahrheiten des Neuen Testaments zurückbringt«, griff ihn öffentlich wegen des »schweren Irrtums« an, Evangelisten »Apostel« zu nennen und weil er »Scharen von Jüngern in seine Gefolgschaft zog«. Ein sich auf »inneres Wissen« berufender Chinese schrieb ein Pamphlet, in dem er behauptete, Watchman flössen ständig ausländische Gelder zu, und stellte Fragen an Nees Redlichkeit in der Verwendung dieser Gelder. Als dann ein befreundeter Missionar der »Christian and Missionary Alliance«, die in Watchmans Wertschätzung der Missionen an erster Stelle stand, einen Artikel schrieb, der Nee und seine Arbeit ungerecht kritisierte, zeigte Watchman, was er von Selbstrechtfertigung hielt:

»Wenn ich bewiese, daß ich recht habe«, sagte er, »würde ich damit beweisen, daß mein Bruder im Unrecht ist. Aber was für einen Vorteil hätte ich davon, wenn mein Bruder ins Unrecht gesetzt würde?«
Er hatte erkannt, daß unser Verhalten unseren Brüdern gegenüber nicht ohne Folgen ist: »Wenn wir barmherzig sind, ist Er barmherzig.«

Auf ihn selbst jedoch waren diese kritischen Stimmen nicht ohne Wirkung. Er zog sich für einige Wochen nach Chefoo zurück. Dort fand ihn ein Freund in tiefer Depression, und da er spürte, daß Nee sich gefühlsmäßig abreagieren mußte, forderte er ihn heraus:
»Hast du schon versucht, den Herrn zu preisen?«
Watchman wollte es versuchen. Er ging hinaus auf den Tennisplatz und brüllte mit der ganzen Kraft seiner ausgeheilten Lunge: »Halleluja!« Dies half, und bald stand er wieder am Rednerpult.

Jemand hatte ihm einen kleinen Fiat geschenkt. Der stand die meiste Zeit in der Garage, doch gelegentlich zwängte Watchman seine langen Glieder hinein und fuhr mit irgendeinem Mitarbeiter zu einem Dienst. Die Nees erhielten auch andere Beweise von Gottes Fürsorge. Eine Dame, die sie zum Tee eingeladen hatte, überraschte Charity mit einem Päckchen. Wer beschreibt ihre Überraschung, als sie Watchmans Hochzeitsgeschenk darin fand, die Bibel, die nach der Landung der Japaner aus ihrem Haus verschwunden war!

Die Geschichte war kurz:
Bei einer Versammlung in Irland hatte ein Chinamissionar seine Ansprache mit der Bemerkung unterbrochen, daß er mit Hilfe einer chinesischen Bibel eine bestimmte Stelle viel klarer auslegen könnte. Zu seiner Überraschung wurde ihm eine überreicht. Der Sohn eines Freundes des jetzigen Besitzers war bei den englischen Streitkräften in Schanghai gewesen. In der Absicht zu plündern, hatte er ein leeres Haus betreten und ein Buch in die Hand genommen, auf dessen Vorsatzblatt in Englisch stand: »Das Lesen dieses Buches wird dich veranlassen, die Sünde zu meiden. Sünde wird dich veranlassen, das Lesen dieses Buches zu meiden.« Der Soldat hatte die Bibel dann als Andenken mitgenommen.

Mutter Nee hatte ihren Mann mit der ältesten Tochter in Hongkong zurückgelassen, um Watchman und Charity in Schanghai zu besuchen. In der Kirche war sie eine der »Schwestern«, doch im Haus war sie immer noch die alles beherrschende Mutter. Sie war ständig unterwegs, predigte, betete für die Kranken und legte vor allen Menschen Zeugnis ab. Sie machte aber auch viel Aufhebens um ihren Sohn, was Watchman früher verdrossen hätte; doch inzwischen hatte er sich mit seinen Eltern abgefunden.
»Manchmal haben wir das Gefühl, daß wir in die falsche Familie hineingeboren wurden«, hatte er im Juni 1940 zu seinen Mitarbeitern gesagt, »aber Gott bestimmte, wessen Kinder wir werden sollten. Joseph hätte sich gewiß auch andere Brüder gewünscht, doch er konnte sagen: ›Gott sandte mich vor euch hierher, um euch am Leben zu erhalten.‹ Unser ganzes Leben, nicht erst seit unserer Bekehrung, wurde von Gott vorgeplant, um uns für seine Zwecke zuzubereiten.«

Am 7. Dezember 1941, einem Sonntag, überfielen die Japaner Pearl Harbour. Am nächsten Morgen um acht Uhr, während ein leichter Regen niederging, »Tränen des Himmels über Schanghai«, versenkten sie die amerikanischen und britischen Kriegsschiffe im Whangpoo und besetzten die internationale und die französische Niederlassung. Sie handelten schnell und leisteten ganze Arbeit. Überall wurden Straßenbarrikaden errichtet, Autos beschlagnahmt; die Busse verschwanden, und Fahrräder wurden sehr begehrt. Die Lebensmittelpreise schnellten in die Höhe. Daß die Verbrechen zunahmen, kümmerte die Japaner wenig, die Furcht vor ihrer schrecklichen Vergeltung beschützte sie.
Am 18. Dezember 1941 starb Watchmans Vater in Hongkong plötzlich an einem Herzanfall, gerade eine Woche, bevor die Japaner auch diese Stadt besetzten. Watchman konnte noch hinreisen und für die Beerdigung sorgen. Nga Ung-sin war vierundsechzig Jahre alt geworden und starb als Kind Gottes.

14. Rückzug

Wenn der Erweckungsprediger sein Werk getan hat, überläßt er die Früchte seiner Arbeit den anderen – und Gott; er selbst freut sich seiner Freiheit und zieht weiter. Watchmans Arbeit war es jedoch, neue Gemeinden zu gründen und für ihren Aufbau zu sorgen. Das lag in diesen Jahren der politischen Krise und des Zusammenbruchs des gesamten Verkehrs als eine schwere geistliche Bürde auf ihm. Besonders ernst war ihm die Verantwortung für die jungen vollzeitlichen Mitarbeiter, die ohne ein festes Gehalt im Land verstreut treu ihren Dienst taten. Seine eigenen Erfahrungen in der Jugend gaben ihm eine Vorstellung davon, welchen Prüfungen sie unterworfen waren. Nachdem er erlebt hatte, wie einer von ihnen eine schwere Glaubensprobe bestand, sagte er: »Wir müssen unsere Hand am Pflug lassen, während wir unsere Tränen abwischen – das ist Christentum.« Einem Kollegen schrieb er: »Die Anliegen der Gemeinden liegen schwer auf mir. Ich bin nicht gerade fröhlich, mache aber im Vertrauen auf den Herrn weiter.«

Wie wurde nun dieses sich schnell ausbreitende Werk finanziell unterhalten? Die Haupteinnahmequelle bestand darin, daß die Gläubigen den »Zehnten« von ihrem Einkommen gaben. Niemand wurde dazu gezwungen, doch wurde das Geben des Zehnten als Zeichen der Ganzhingabe an Gott angesehen. Auf diese Weise konnten sich alle Ortsgemeinden selbst erhalten. Nun gab es neben den örtlichen Gemeinden mit ihren Ältesten noch die etwa 200 hauptberuflichen Evangelisten, die nicht notwendig einer Gemeinde verantwortlich waren. Sie gewannen neue Gebiete für das Evangelium und hatten oft Auslagen, die über den Unterhalt ihrer Familien weit hinausgingen, etwa für Reisekosten, das Mieten von Sälen und den Druck von Bibelteilen und Traktaten. Sie erhielten Spenden von Gemeinden und einzelnen Christen und wurden gelehrt, aus dem Glauben zu leben. Ihre geistliche Betreuung und ihre materielle Unterstützung lag bis zu einem gewissen Grade in Watchmans Händen. Für etwa vierzig von ihnen war er unmittelbar verantwortlich. Die Gelder für die Ausbreitung des Werkes wurden darum in einem Fonds gesammelt, der von den Gaben für die Gemeinde getrennt war und von Watchman und zwei oder drei älteren Mitarbeitern verwaltet wurde.

Die Chinesen haben eine besondere Begabung für den Handel, und durch die Ausbreitung des Wortes kamen manche erfolgreiche Geschäftsleute zur Gemeinde, von denen einige die Ausbreitung des Werkes großzügig finanzierten. Doch wurde wie alles andere auch der Handel durch die japanische Besetzung stark beschnitten, im Verlauf der Monate und Jahre kam er fast völlig zum Erliegen, was die Gemeinden hart zu spüren bekamen. Viele der jungen »Apostel« hungerten mit ihren Familien, waren krank und mittellos. Die Gemeindeglieder waren nicht viel besser daran, und weder sie noch Watchman hatten Geld zurückgelegt, um zu helfen.

So nimmt Watchman Nees Geschichte jetzt eine unerwartete Wendung.
Das Problem bestürzte ihn. Einige Monate lang legte er es Gott vor und bat um eine Lösung. Zu Beginn des Jahres 1942 tat er dann einen Schritt, zu dem er sich von Gott gerufen fühlte, der aber vielen seiner Freunde fragwürdig erschien.
Sein Bruder Georg, der an der St. Johns Universität einen Grad in Chemie erworben hatte, besaß ein eigenes Laboratorium, dazu in Schanghai eine pharmazeutische Fabrik und eine Arzneimittelgroßhandlung, die »Gebrüder Nee«, an der einige Familienglieder mit Aktien beteiligt waren. Doch da Georg mehr Lehrer und Wissenschaftler als Geschäftsmann war, arbeitete das Unternehmen nicht sehr erfolgreich. Watchman sah jedoch, daß hier etwas zu machen war. Schon 1939 hatte er in London Rat für seinen Bruder eingeholt, der sich um eine Lizenz für die Herstellung von Sulfonamiden bemühte. Nun hatte Watchman den Gedanken, eine Gesellschaft für die Produktion von hochwertigen synthetischen Medikamenten zu gründen. Auf diese Weise konnte er die chemischen Kenntnisse seines Bruders nutzen und den Gewinn dem Werk des Herrn zuführen. So entstanden die »Chinesischen Biologischen und Chemischen Laboratorien« (CBC) in der Kiaotchou-Straße in Schanghai. Als Aufsichtsratsvorsitzender schlüpfte Watchman nun, wenn er zu geschäftlichen Sitzungen ging, in einen modernen Anzug, nachher zog er wieder sein altes Gewand an, um die Heiligen zu besuchen.

Faithful Luke beschreibt, wie er mit David Tan und Philip Luan das einfache Haus besuchte, in dem Watchman und Charity lebten. In dem fast ungeheizten Zimmer mit den Verdunkelungsvorhängen und den mit Streifen beklebten Fensterscheiben stellte Luke die Frage, die viele damals bewegte:
»Warum hast du die Reichsgottesarbeit verlassen und dich dem Geschäftsleben zugewandt?«
»Ich tue nur, was Paulus in Korinth und Ephesus tat«, erwiderte Watchman. »Es handelt sich um eine Ausnahme, und ich verwende nur einen Teil meiner Zeit dafür. Eine Stunde am Tag schule ich die Vertreter der Firma, danach arbeite ich für den Herrn.«
Diese Vertreter waren die hart bedrängten »Apostel«, die nun aufgefordert wurden, ihr Evangeliumszeugnis mit einer bezahlten Tätigkeit zu verbinden. Als die Besucher ihm zusetzten, antwortete er reuig: »Ich bin wie eine Frau, die ihren Mann verloren hat und gezwungen ist, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen.«
Bezeichnenderweise gab er später aber noch einen anderen Grund an: seine wachsende Langeweile. Als ein glänzender Geist mag er sich durch die Mittelmäßigkeit vieler Gemeindeglieder bedrängt gefühlt haben. Ihm fehlte der Austausch mit Ebenbürtigen. Seine Schwierigkeit mag dann die mittelalterliche Sünde der Acedia gewesen sein, »eine Verachtung des heiligen Dienstes, ein Haß gegen den eigenen Beruf, der so ausgesprochen ist, daß das Opfer beim Gesang der Psalmen den Vers durch ein unziemliches Gähnen unterbricht«.

Doch seine neue Lebensweise beunruhigte die vier Ältesten der Gemeinde in Schanghai. Das Bild, das sie sich von ihm gemacht hatten, war getrübt worden, und in ihren Augen war er jetzt ein Abtrünniger oder einer, der die Hand an den Pflug gelegt hat und zurückblickt. Wie geeignet ist ein solcher Mann zum Dienst am Wort? fragten sie sich. Schon Ende 1942 baten sie ihn deshalb, seinen Predigtdienst in Wen Teh Li aufzugeben, obwohl Dr. Yu, einer der vier Ältesten und ein vernünftiger Mann, möglicherweise dagegen Einspruch erhob, denn auch er hörte von da an mit Predigen auf.

Watchman war entmutigt und wußte nicht, was er tun sollte. »Ich beneide Sie«, meinte er zu C. L. Yin, dem Manager seiner Firma, als sie zusammen einen Beutel seiner geliebten Fukien-Orangen verspeisten. »Sie haben Freiheit, in der Fabrik zu tun, was Sie wollen. Und wenn Sie dann einige Worte in der Versammlung sagen, wird man Sie als einen sehr eifrigen Bruder ansehen. Niemand wird das in Frage stellen. Aber ich? Sie wollen genau wissen, was ich während der vierundzwanzig Stunden eines Tages getan habe. Ich bin ein gezeichneter Mann.«

Watchman machte keinen Versuch, sich selbst zu rechtfertigen. Vielmehr nahm er ihre Feindseligkeit als Züchtigung Gottes an, der ihn auf seine Art eines Tages rechtfertigen würde. Wegen der vielen abhängigen Arbeiter hielt er nach wie vor den eingeschlagenen Kurs für richtig. Aber Charity, die ihm bei seinen Geschäften tatkräftig zur Seite stand, konnte seine, Haltung den Kritikern gegenüber nicht verstehen. Eines Tages hörte sie, wie ihr Mann einen Anruf beantwortete. Die Stimme am anderen Ende der Leitung sprach mit großer Lautstärke und konnte kein Ende finden. Watchman hörte einfach zu und warf nur hin und wieder ein »Ja« oder »danke« ein.
»Wer war das?« fragte sie, als er aufgehängt hatte.
»Es war ein Bruder, der mir sagte, was ich alles falsch gemacht habe.«
»Und war es wirklich deine Schuld?«
»Nein.«
»Warum hast du es ihm dann nicht erklärt, anstatt ›danke‹ zu sagen?« fragte sie ungeduldig.
»Wenn jemand Watchman bis in den Himmel erhebt, ist er immer noch Watchman. Und wenn jemand ihn in die Hölle verdammt, bleibt er immer noch Watchman.«

Gott war gerecht, und das genügte ihm. Bezeichnenderweise hat er manchen Brüdern, die ihn anfeindeten, im Geheimen finanzielle Hilfe zukommen lassen.
Im Frühling 1943 hatten die Japaner ihre Internierungslager für die Ausländer fertiggestellt. Watchman tat für seine Freunde alles, was in seinen Kräften stand, und brachte ihnen Dinge, die in den vor ihnen liegenden Tagen von Wert sein konnten. Besonders war er um Dr. Stearns besorgt, der im Krankenhaus lag und zu krank war, um mit seiner Familie ins Lager zu gehen. Elisabeth Fischbacher kam in ein südlich der Stadt gelegenes Lager.

In seiner Fabrik, die jetzt »Scheng Hua Arzneimittel-Fabrik« hieß, stellte Watchman nun außer alten eingeführten Mitteln Sulfonamide, Vitamin B-Konzentrate und Yatren her. Natürlich gab es Probleme, die er nicht vorausgesehen hatte, und diese beanspruchten seine Zeit. Er war nicht mehr sein eigener Herr. Es gab Konkurrenz mit den anderen großen Firmen, von denen jede danach strebte, ein neues Medikament zuerst auf den Markt zu bringen. Von Aktionären kamen Klagen, und Unfälle in bezug auf die Verträglichkeit der Vitamin B-Injektionen wurden gemeldet. Daß es ein Familienbetrieb war, bereitete auch nicht nur Freude, und Watchman mußte seine organisatorischen und diplomatischen Fähigkeiten voll einsetzen, um mit einer Situation fertigzuwerden, die zu jeder Zeit delikat gewesen wäre, nun aber durch den Krieg noch erschwert wurde. Watchman war deshalb häufig von Schanghai abwesend
Nachdem er mit seinem Bruder Georg verabredet hatte, daß die Geldüberweisungen an die Reichsgottesarbeiter weitergingen, plante er eine längere Reise. Obwohl die japanischen Armeen gegen Tschiang-Kai-scheks Stellungen weiter nach Westen vorrückten, war es möglich, die Front zu überqueren. Watchman machte sich auf den Weg nach Tschungking. In Schanghai waren Berichte von einer geistlichen Erweckung in den noch unbesetzten Provinzen eingelaufen. Universitäten, Banken, Geschäftshäuser hatten sich in die westlichen Provinzen abgesetzt und diese abgelegenen Gebiete plötzlich ins zwanzigste Jahrhundert geholt. Und da es nicht in Watchmans Plan lag, seine Medikamente der japanischen Armee zu verkaufen, begann er diese Gebiete zu besuchen, wo die Nachfrage am größten war. Darin war er äußerst erfolgreich. Er verbrachte zweieinhalb Jahre mit häufigen Reisen zwischen Schanghai und Tschungking, wo er eine kleine Wohnung mietete, in der Charity zu ihm stieß, auch ihr jüngerer Bruder Stephen, der gleichfalls geschäftliche Interessen in Szetschuan hatte. Die Gemeinde hier hatte sich durch den Zustrom verfolgter Christen vergrößert und blühte unter dem Dienst eines Mannes namens Stephen Kaung auf, der mit seiner Frau Mary über Indien der japanischen Eroberung von Singapur entkommen war. Watchman half einigen dieser Vertriebenen, indem er sie in seiner Firma beschäftigte. Von Zeit zu Zeit predigte er das Wort mit gewohnter Klarheit und Kraft, so 1945 über die sieben Sendschreiben.

Diese Doppelrolle hatte Watchman intellektuell angespannt wie nie etwas zuvor, und er war glücklich darüber; doch sein Körper, der immer zart gewesen war, begann unter der Anspannung zu leiden. Eine Zeitlang waren die geschäftlichen Anforderungen so groß, daß ihm wenig oder gar keine Kraft für das Werk des Herrn blieb. Weltliche Sorgen beschäftigten ihn so stark, daß er seine frühere Seelenruhe fast verlor. Augenscheinlich war es Zeit für einen Wandel.

In der Zwischenzeit waren die Versammlungen in Wen Teh Li noch eine Weile mit geringeren Besucherzahlen weitergegangen und hatten sich dann wohl auch, um den Anschluß an die von der Besatzungsmacht propagierte »Religiöse Union« zu vermeiden, in Hausversammlungen aufgelöst. Dies geschah in weiser Voraussicht. Die Japaner hatten in jedem Häuserblock der Stadt Straßenbarrikaden aufgebaut, die auf ein Signal hin plötzlich für Stunden oder selbst für Tage geschlossen wurden. In Fällen schwerer Repressalien konnten sie sogar wochenlang geschlossen bleiben und riefen dadurch große Not hervor, denn niemand durfte sich aus dem Abschnitt fortbewegen, in dem er gefangen war. Wie andere christliche Gruppen in Schanghai überlebte die Gemeinde in Wen Teh Li nur in Privathäusern.

Aber der achtjährige Krieg näherte sich seinem Ende. Ein letzter japanischer Vorstoß schnitt China in zwei Teile und zwang die chinesische Regierung in Tschungking fast in die Knie. Dann kapitulierte Japan am 15. August 1945, und der Waffenstillstand mit China wurde am 8. September unterzeichnet.
Im Winter kam Watchman für kurze Zeit nach Schanghai zurück, doch nicht, um in Wen Teh Li zu predigen. Gerüchte liefen unter den Gläubigen über ihn um, daß er Kirchengelder veruntreut, ja sogar mit den Japanern zusammengearbeitet habe. Selbst ihm nahestehende Freunde nahmen Anstoß an seiner weltlichen Tätigkeit. So konnte er natürlich nicht mitarbeiten. »Ich habe es in Gottes Hand gelegt«, sagte er zu einem Freund.

In den folgenden Monaten löste Watchman sich allmählich von seiner chemischen Fabrik. Nachdem er die Aktionäre befriedigt hatte, legte er große Summen beiseite für die Ausbreitung des Werks und die zukünftige Versorgung der Mitarbeiter. Dann reiste er nach Futschou, wo das Haus seiner Familie nun leer stand. Es hatte einen großen Garten und Nebengebäude und würde ein ideales Schulungszentrum für Mitarbeiter abgeben. Er war inzwischen Familienoberhaupt geworden, so nahm er sein Elternhaus in Besitz und wandelte es mit Charitys Hilfe für seinen künftigen Zweck um.

Hier an der Stätte seiner Kindheit suchte er sein Denken mit Fasten, Beten und Schriftlesung in Ordnung zu bringen. Während der schwierigen Jahre hatte er nicht aufgehört, die Bibel zu studieren und Pläne für die Ausbreitung des Evangeliums zu entwerfen. Die Frage war nur, wo er beginnen sollte. Die Verwirrung in Schanghai zwang ihn, zunächst abzuwarten, wie Gott ihn führen würde. Dr. Yu war dorthin zurückgekehrt und brachte die Gläubigen langsam wieder zusammen. Und doch schien mehr nötig zu sein.

Watchman schrieb deshalb an Witness Lee in Schantung, stellte ihm die Not in Schanghai vor und bat ihn, den Gläubigen dort zu Hilfe zu kommen. Lee zog mit seiner Familie nach Nanking und machte sich von dort aus an die Aufbauarbeit in Nanking und Schanghai. War Watchman ein gründlicher Bibelausleger gewesen, der die Fundamente legte, so brachte Lee mit seinem beweglichen Temperament etwas von dem Feuer mit, das in Schantung gebrannt hatte. In wenigen Monaten war das Vertrauen wiederhergestellt und die Leute begannen erneut zu den Versammlungen zu strömen. Lee war energisch und autoritativ und hatte auch organisatorische Gaben, die er nun in der verfahrenen Lage in Schanghai einsetzte. In den nächsten zwölf Monaten arbeitete die Gemeinde unter seiner Leitung nach folgendem Plan:
zweimal in der Woche trafen sie sich in Weng Teh Li als der »einen Kirche in Schanghai«: Sonntagmorgens um 10.00 Uhr zum »Dienst des Wortes«; am ersten Sonntag jeden Monats hieß das Evangelisation, an den anderen Sonntagen Bibelstunde. Der Samstagabend galt der Pflege der Gemeinschaft.
Dreimal wöchentlich kamen sie als Tschias = Familien in fünfzehn Hauskreisen zusammen: Am Sonntagabend zum Abendmahl, am Dienstag zum Gebet und am Freitagabend zur Unterweisung der Neubekehrten. Am Mittwochabend arbeiteten vier Hauskreise evangelistisch.

Die Ältesten standen der ganzen Gemeinde vor, aber jede Tschia hatte einen leitenden Bruder und eine leitende Schwester als »Trainingsdiakone«.
Bald machte sich eine Neigung der Leute bemerkbar, von einem Stadtteil zum andern zu wandern, und so wurden sie im Juni 1948 auf ihre Distrikte mit der Anweisung verpflichtet »Gehorcht denen, die Gewalt über euch haben«, und ab sofort mußten sie um Erlaubnis bitten, wenn sie wechseln wollten.
Nun wurde auch das Problem der Seelsorge akut. Deshalb wurden die »Familien« (Tschias), zu denen vierzig bis zweihundert Gläubige gehörten, in Gruppen oder Pais von höchstens fünfzehn Personen unterteilt, die oft zu einer einzigen Straße gehörten. Auch hier trugen zwei Personen die Verantwortung für jede Gruppe. Sie sollten sich um die geistliche Verfassung der Gläubigen kümmern und darauf achten, daß sie die Gemeindeveranstaltungen besuchten. In dieses System waren einige Erfahrungen eingeflossen, die die Kirche während der japanischen Besetzung gemacht hatte: In solchen kleinen Versammlungen konnte man offener miteinander sprechen, die Beteiligung am Gebet und an der Diskussion war größer, und es entwickelten sich geistliche Gaben in denen, die Führungsaufgaben übernehmen sollten.

Hier ist festzustellen, daß es keine Männerversammlungen oder Frauenversammlungen gab, keine besonderen Versammlungen für Studenten oder andere Bevölkerungskreise. Diese Gemeinde war tatsächlich ohne Klassen. Nur die Existenz begabter Predigerinnen wuchs zu einem Problem heran. Für sie wurden nun gelegentlich Frauenversammlungen eingerichtet. Eines Tages sah ein junger Christ, wie Männer ein großes weißes Tuch quer durch den Versammlungsraum in Kanton spannten. Auf seine Frage, was das zu bedeuten hätte, hörte er, daß Ruth Lee und Peace Wang erwartet wurden. Damit sie nun nicht zu Männern sprechen mußten, setzten sich die Brüder hinter den Vorhang und lauschten dort ihrer Botschaft!

Evangelisation war nicht allein Sache des Predigers. Sie war Aufgabe der ganzen Gemeinde. Deshalb wurden alle Gläubigen als Seelsorgeberater geschult. Am Ende einer evangelistischen Predigt wandte sich jeder an den Menschen, der neben ihm saß. Er notierte sich Namen und Anschrift, stellte Fragen, hörte zu, suchte zu beraten und ihn wenn möglich dazu zu bringen, den Namen des Herrn anzurufen, denn manchmal wurden Menschen dadurch gerettet. Auf Missionare, die diese Versammlungen besuchten, machte das verständlicherweise einen großen Eindruck.

1948 baten die fahrenden Gemeindemitglieder Watchman, die zweiundfünfzig Lektionen, die er freitagsabend den Neubekehrten gegeben hatte, auszuarbeiten und den Mitarbeitern als Hilfe für deren Unterweisung in den Gruppen zu geben. Es war eine systematische Einführung in die christlichen Grundwahrheiten, beginnend bei der Rechtfertigung aus Glauben bis zu den praktischen Grundbegriffen des kirchlichen Lebens. Diese Lektionen wurden bald in den meisten Kirchen fleißig benutzt.
Die Folgen einer so straffen Organisation blieben nicht aus. Pünktlichkeit in den Gottesdiensten, eine volle Erfassung der Gemeindeglieder nach Adresse, Beruf, Familienstand usw., Zulassungspflicht zum Abendmahl mit einem sorgfältig ausgeklügelten Prüfungssystem – wie weit hatte sich das alles von dem Rat entfernt, den Watchman 1940 einem Bruder gab: »Erwarte nicht, daß der Heilige Geist in Tsingtau dasselbe tut wie in Schanghai. Gib ihm Freiheit!« Diese Freiheit wurde nun ersetzt durch ein strenges Reglement, das Witness Lee nicht mit dem Makel der »Organisation« befleckt sehen wollte, sondern als Gefäß für den Austausch geistlicher Dinge bezeichnete. »Tue nichts, ohne vorher zu fragen«, pflegte er zu sagen. »Seit dem Sündenfall tut der Mensch, was er will. Bei uns ist Ordnung. Bei uns ist Autorität. Die Kirche ist ein Raum strenger Disziplin.«

15. Rückkehr

Während der letzten Kriegsjahre hatte die chinesische kommunistische Partei von ihrem Hauptquartier in den Höhlen von Jenan aus den Kampf gegen die Besatzungsmacht geführt. Durch den »Langen Marsch« 1935 im Guerillakrieg geübt, hatte sie erreicht, daß sich die Japaner auf die Städte beschränken mußten, während sie selbst engen Kontakt mit der chinesischen Landbevölkerung hatte. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Landreform in den großen Gebieten um den Gelben Fluß. Eine weitere Konsequenz des »Langen Marsches« war, daß Mao Tse-tung als unbestrittener Führer und Ideologe galt und seine »Gedanken« als unfehlbare Richtlinien für die Partei.
Hinzu kam eine eindrucksvolle Selbstdisziplin, die die verschiedenen Elemente in der Partei zu einer einheitlichen Macht zusammenband und sich damit bewußt vom Luxus der Kuomintang-Führung distanzierte. Das wiederum hatte zur Folge, daß es die reichen Geschäftsleute und die Intellektuellen nach Tschungking und in den Südwesten zog und die Idealisten, die das Land von Unordnung und Korruption befreien wollten, nach Jenan.
Im Nordwesten saßen die Leute mit einem klaren Konzept für die Zukunft, das wußte man in Schanghai.

Bei Kriegsende, nachdem Tschiang Kai-schek nach Nanking zurückgekehrt war, entwickelte sich das Mißtrauen zwischen der nationalen Regierung und der kommunistischen Partei zu offener Feindschaft. Wieder begann Tschiang Kai-schek einen Feldzug, um die Kommunisten vernichtend zu schlagen. Dabei eroberte er große Gebiete, in denen die Landreform durchgeführt worden war, und besetzte im März 1947 sogar Jenan.

Einen Augenblick lang schienen die Nationalisten zu triumphieren, aber es war nur ein scheinbarer Sieg. Die kommunistische Guerillatechnik machte einen solchen militärischen Sieg ziemlich bedeutungslos.

Den verantwortlichen Männern in Wen Teh Li begann die Tatsache, daß sich Watchman noch immer vom Dienst zurückhielt, Sorge zu bereiten. Schon 1946 hatte Witness Lee die Ältesten in Schanghai mit der Frage herausgefordert:
»Wurdet ihr vom Geist geleitet, als ihr Nee zurückstießt? Und was war die Folge? Könnt ihr sagen, daß es euch Leben und Gewinn brachte?«
»Nein«, hatten sie kleinlaut geantwortet. Im April 1947 sagte ein Bruder:
»Der Fall des Bruders Nee brachte uns eine tödliche Wunde bei; mit Worten kann man gar nicht alle Folgen schildern. Der Vorwurf, daß er mit dem Feind zusammenarbeite, und vieles andere, das über ihn verbreitet wurde, beruhte nicht auf Tatsachen. Das war die Arbeit des Teufels …, aber wir hoffen, daß wir unsere Lektion gelernt haben. Die Widerstände gegen seine Rückkehr sind nach und nach geschwunden. Er ist bereit, und bei uns herrscht eine große Sehnsucht nach seiner Wiederkehr … So warten wir auf den richtigen Augenblick.«

Inzwischen hatte Watchman zwei christliche Geschäftsleute gefunden, die ihm die Verantwortung für die Arzneimittelgesellschaft abnahmen, und eine geraume Zeit, nachdem er im April endlich nach Futschou zurückgekehrt war, ließ er die Gemeinde in Schanghai wissen, daß er zur Mitarbeit dort bereit sei.

Die Zahl der ausländischen Missionare war durch den Krieg zusammengeschmolzen. So gab es überflüssig gewordene Feriengrundstücke auf dem Kuliangberg, von denen Watchman zwei geräumige ebenerdige Steinhäuser erwarb, um sie zu Trainingszentren auszubauen. Hier begann er mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern aus Fukien, Tschekiang und anderen Provinzen, darunter auch sein alter Schulfreund K. H. Weigh. In den zehn Einführungsreferaten kehrte Watchman zu seinem geistlichen Ausgangspunkt zurück, zu den Grundwahrheiten seiner Botschaft vom Kreuz, die dann unter dem Titel »Freiheit des Geistes« erschienen sind. Sie bildeten die Basis für einen neuen Anfang. Aber das war nicht alles. Gott gab Watchman nun eine starke Resonanz bei den neubekehrten Studenten der staatlichen Universität. In Futschou mietete man die große Halle der amerikanischen Mission, um die riesige Menge zu fassen, die den früheren Studenten des Dreifaltigkeits – College hören wollte. Gott schien ihn in seinen alten Dienst als evangelistischer Zeuge neu eingesetzt zu haben.

Witness Lee, der seine Energien vorerst auf Schanghai und Nanking konzentriert hatte, beendete im Februar 1948 eine Reise durch die von einer Hungersnot betroffenen südlichen Provinzen. Er hielt eine Reihe von Versammlungen und nahm die Gelegenheit wahr, sich mit Watchman auszutauschen und, begeistert von Watchmans Schulungsprogramm auf dem Kuliangberg, ihn für eine revolutionäre Evangelisationsmethode zu gewinnen, die er gerade für den von den Japanern besetzten Norden entwickelt hatte.
Die Gemeinden in den Küstenstädten von Schantung waren sehr gewachsen, und Lee plante, durch Auswanderung zu missionieren. Schon immer waren die Chinesen ausgewandert, entweder wegen der Überbevölkerung oder auch nur, um Handel zu treiben. Nun beschlossen die verantwortlichen Brüder in Schantung, daß es unpraktisch und wenig erfolgversprechend sei, einen einzelnen Missionar in die Ferne zu senden. Vielmehr sollte eine ganze Gruppe von Gläubigen auswandern und einen sich selbst erhaltenden Verband in einem noch nicht missionierten Gebiet bilden. Dort konnten sie durch ihr Leben und Zeugnis zu einem Samenkorn des Christentums werden.
In der Apostelgeschichte stießen sie auf ein Vorbild: »In jenen Tagen erhob sich eine große Verfolgung gegen die Gemeinde in Jerusalem, und sie wurden alle zerstreut nach Judäa und Samaria mit Ausnahme der Apostel. Sie zogen deshalb umher und predigten das Wort.«
»Wir haben zwar noch keine Verfolgung«, meinten die Brüder, »aber auch ohne das können wir ihrem Beispiel folgen und uns zerstreuen.«

Lee arbeitete die Einzelheiten sorgfältig aus. Gruppen von Familien, in denen verschiedene Handwerke und Berufe vertreten waren – Gärtner, Schuster, Lehrer, Krankenschwestern, Friseure –, wurden ausgewählt und sorgfältig auf ihr Abenteuer vorbereitet. Besonders geeignet war der Beruf des Friseurs. Er brauchte wenig Ausrüstung und bot viel Gelegenheit zum Zeugnis. Alle diese weihten sich der Gemeinde, die ihre Reisekosten und die Lebenskosten für drei Monate bezahlte. Danach sollten sie sich selbst erhalten.

Schon im Frühling 1943 hatten zwei Auswanderergruppen die Gemeinde in Chefoo verlassen. Eine von dreißig Familien ging nordwärts in die Mandschurei, eine andere von siebzig Familien westwärts nach Sui-yuan in Schensi. Einige Glieder dieser Gruppen hatten viele Härten zu durchstehen. Das Schema war also durchaus kein voller Erfolg, außerdem brachte es Witness Lee im Mai 1943 in den Verdacht der Spionagetätigkeit. Mit großem Mut bestand er die einen Monat währenden Verhöre durch die Japaner, die damit verbundenen Prügel und die »Wasserbehandlung«. Trotzdem brachte dieses Auswandererexperiment Frucht.
Im Oktober 1944 berichtet ein Bruder Sun in einem Brief an Dr. Yu, wie sie am Oberlauf des Gelben Flusses mit Versammlungen begonnen haben. Sieben Brüder und drei Schwestern bildeten den Kern. Dann beschreibt er die Taufe von sechs gläubig gewordenen Männern. »Es gab keine Taufgelegenheit in einem Haus, doch diese Männer waren so sehr von dem Wunsch erfüllt, dem Herrn zu gehorchen, daß sie nicht warten konnten. So konnte man nur das sechzig Zentimeter dicke Eis auf dem Fluß aufbrechen. Es herrschte eine große Kälte, aber am Tauftag wurde es plötzlich zwanzig Grad wärmer. Ein Zelt zum Umkleiden wurde am Flußufer aufgeschlagen, und keiner erlitt Erfrierungen oder wurde krank.« Einige Monate später fand eine zweite Taufe statt an vier Brüdern und einer sechsundsechzigjährigen Schwester, die im Winter aus Furcht vor Erkältung sonst nie ausging. Diesmal war es noch schwieriger, weil das Wasser unter dem Eis nicht tief genug war und sie erst nach einer geeigneten Stelle suchen mußten. Wieder wurde niemand krank, und es herrschte große Freude.
Dies war nur eins von vielen Zentren, in denen auf diese Weise neues Leben entstand.

Als jetzt im Februar 1948 Lee mit Nee über dieses Experiment sprach, stimmte Watchman zu, doch betonte er, daß die Apostelgeschichte mit Kapitel 1 und nicht mit Kapitel 13 beginnt. »1937, in Hankau, waren wir in Kapitel 13«, sagte er.
Die erste Sorge müsse den Ortsgemeinden gelten, und dann, wenn regionale Zentren – wie in Jerusalem – voll aufgebaut seien, könne man Gruppen an andere Orte senden, »falls der Herr nicht eine Verfolgung schickt, um sie zu zerstreuen«. Das warf neues Licht auf ihre Arbeit.

Wie sie sich früher die Gemeinden streng an den Ort gebunden vorstellten, so erblickten sie jetzt das Werk in seiner geographischen Breite. Das bedeutete für die »Apostel« oder Mitarbeiter das Ende ihrer individualistischen Unternehmungen. »Wir Mitarbeiter, die wir anwesend waren«, berichtet Lee, »legten unsere Arbeit willig nieder und beschlossen, daß Futschou unser ›Jerusalem‹ und Ausgangspunkt sein solle.« Von diesem Zeitpunkt an machte sich eine strengere Führung in der Bewegung bemerkbar, auch unter den ausgewanderten Chinesen außerhalb Chinas.

Lee überbrachte Watchman eine versöhnliche Botschaft von den Ältesten in Schanghai. Er wurde eingeladen, im April eine Konferenz in Wen Teh Li zu leiten, und sagte zu. Als er dort ankam, erwarteten ihn sechzig Mitarbeiter aus ganz China und über dreißig Älteste und andere aus der Gemeinde in Schanghai. Die Mitarbeiter aus Schantung waren es, die die kommunistische Landreform aus nächster Nähe miterlebt hatten und sich über die feindliche Einstellung der Partei gegenüber dem christlichen Glauben nichts vormachten.

Watchman ging zunächst mit den Ältesten von Wen Teh Li beiseite, um ihnen im Angesicht Gottes ein Bekenntnis seiner Fehler und Versäumnisse in den vergangenen Jahren abzulegen. Mit diesem Akt der Versöhnung wurde die Gemeinschaft zwischen ihnen voll wiederhergestellt.

In der Gemeinde hatte sich inzwischen eine Art Hierarchie entwickelt, die ihren äußeren Ausdruck in einer neuen Sitzordnung fand, in der Platz Nummer Eins für Watchman reserviert war. Der Slogan »Beuge dich der Autorität!« zeigte von jetzt an einen neuen und für viele störenden Zug in der Bewegung an. Er scheint so wenig mit der früheren Lehre und Arbeitsweise Nees zusammenzustimmen, daß man sich fragt, ob die Änderung wirklich bei ihm ihren Ursprung hat.
Alle Anwesenden waren bereit, sich Gott aufs neue für die geplante Auswanderungsbewegung zu weihen. Watchman legte ihnen dar, was er auf dem Herzen hatte:
»Als es einige Tausend Christen in Jerusalem gab, zerstreute sie Gott durch Verfolgung; das war der Anfang einer ständigen Bewegung nach draußen. Doch als Paulus nach Jerusalem zurückkehrte, fand er dieselbe große Zahl von Gläubigen wieder vor. Wir dürfen nicht an einem Ort kleben, wir müssen ihn verlassen und Platz für andere machen. So viele auswandern, so viele werden neu hinzugetan werden. Heute hat China 450 Millionen Einwohner, und nur eine Million sind Christen. Man muß alle Christen in der gleichen Weise ausbilden, sie aussenden, und dann werden wir sehen, wie die Gemeinde das Wort überall verbreitet. Wir brauchen nicht auf eine Verfolgung zu warten.
Für viele von uns ist das halbe Leben schon vorüber. Für die verbleibende Hälfte müssen wir einen geraden Kurs einschlagen. Wenn wir nicht treu sind, wird der Herr andere an unserer Stelle erwählen, aber das würde wenigstens noch zwanzig Jahre brauchen. Wir müssen Gott diese zwanzig Jahre ersparen!«

Als dringendstes Anliegen bezeichnete er die Evangelisierung des Nordwestens.
»Ich glaube«, schloß er, »daß in kurzer Zeit ganz China für das Evangelium gewonnen werden kann. Für dies Ziel wollen wir alles daransetzen!«
Danach sprach er zu der ganzen Gemeinde, in der sich viele nach ihm gesehnt hatten, und sein erstes Thema war Jesu Wort: »Gebt Gott, was Gottes ist.«
Die Wirkung war gewaltig. Zunächst bekehrte sich eine große Zahl von Männern und Frauen. Binnen eines Monats wurden zweihundert neue Gläubige getauft und der Gemeinde hinzugetan. In der Versammlungshalle, die nur 400 Menschen fassen konnte, drängten sich 1500 Zuhörer, sie saßen auf der Treppe, hinten in den Sprechzimmern und standen auf der Straße. Man würde Land kaufen müssen, um einen größeren Predigtsaal zu bauen.

Es war bekannt, daß Watchman seine chemische Fabrik der Gemeinde übergeben hatte. In der gehobenen Stimmung und in der Eile, sich Gott ganz hinzugeben, brachten viele jetzt Gaben für die Ausbreitung des Werkes. Die hohen Steuern, die unkontrollierte Inflation und das wirtschaftliche Chaos, die durch die korrupte Nationalregierung gefördert wurden, hatten in vielen eine Abkehr von der Welt bewirkt. So brachten sie ihre Unternehmungen – Druckereien, Tintenfabriken und ähnliches – der Gemeinde als Gabe dar. Daß Christen sich in dieser Weise von ihrem Reichtum lossagten, war in China noch nicht dagewesen. Der Slogan »Alles für den Herrn« lief von einer Küstenstadt zur anderen, und ein großer geistlicher Segen begleitete die Bereitschaft, das eigene Leben ganz der Sache Gottes zu widmen.
Die Schwierigkeit lag nur darin, daß die Gemeinden nun ein großes Vermögen verwalteten. Sie verfügten über ausgedehnte Geldquellen und machten Geschäfte, und dies gerade zu der Zeit, als das Wort »Kapitalist« etwas Anrüchiges bekam und der bloße Besitz von Reichtum sofort Verdacht erwecken mußte. So lieferte die christliche Bewegung der kommunistischen Partei selbst die Waffen gegen sich in die Hand.

Mitte Juni 1948 wurde mit dem Schulungsprogramm in Futschou begonnen. Über hundert junge Mitarbeiter aus verschiedenen Städten hatten sich in der grünen Abgeschiedenheit des Kuliangberges versammelt. Aus Übersee hatte man Simon Meek, Lukas Wu und Faithful Luke eingeladen, dazu Joy Betteridge, eine Missionarin mit zwanzigjähriger Erfahrung. Grüße kamen von Geoffrey Bull und George Paterson, die an der tibetanischen Grenze festgehalten wurden.
Das bewaldete Kuliangtal hoch über dem buddhistischen Kloster von der »Kochenden Quelle« bot einen weiten Ausblick über das Stromgebiet des Min von Pagoda bis zum Ozean und war ein idealer Platz für geistliche Besinnung.
Watchman und Charity
hatten dort eine winzige Hütte für sich allein. Hier wartete Watchman auf Gott und ordnete seine Gedanken die sich in den Jahren der Zurückgezogenheit und des Schweigens angesammelt hatten. Die Ernte, die er einbrachte, war kaum zu fassen. Es war, als hätten sich Schleusentore geöffnet, die lange unter Druck gestanden hatten. Er behandelte Themen wie: die Befähigung zum Missionsarbeiter, der Dienst am Wort Gottes, die Grundlagen geistlicher Autorität, das Problem der Krankheit; die versprochenen zweiundfünfzig Lektionen für gläubig Gewordene waren da und Anweisungen, wie man die geschäftlichen Angelegenheiten der Ortsgemeinde regeln, die neuen Grundsätze bei der Ausbreitung des Evangeliums anwenden und wie man die Bibel studieren solle.

Er sprach ohne Konzept. Während des Vortrags ging er auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Danach bat er um Fragen, und bei der Beantwortung machte er niemals Ausflüchte, sondern war aufrichtig und sprach zur Sache.
An jedem Morgen war eine Zeit für das persönliche Zeugnis angesetzt: ein Mitarbeiter sprach eine halbe Stunde, danach kritisierten ihn die anderen, und schließlich faßte Watchman das, was für den Betreffenden dabei herausgekommen war, kurz zusammen. Das ganze Schulungsprogramm stand unter dem Eindruck der Dringlichkeit. Die Zukunft der Nation war ungewiß.
Im Norden hatte sich die Einnahme Jenans durch die Nationalregierung als Scheinsieg erwiesen. Die Soldaten Tschiangs gingen brutal gegen die unschuldigen Bauern vor, die sie von der Landreform »erlösten«, und leisteten auf diese Weise den Kommunisten Vorschub, die geschickt hinter der Gefechtslinie operierten und auch hier wieder um die Gunst der Landbewohner warben.

Im Juni 1947 hatte Mao Tse-tung Truppen der Volksbefreiungsarmee durch Honan geschickt, die im September bis ins Jangtsetal vorgedrungen waren. Andere Verbände gingen nach Norden und Osten; zu Beginn des Jahres 1948 wurde die Mandschurei von China getrennt, und im Herbst waren viele Städte in Honan und Schantung ohne Kampf gefallen. Die kommunistischen Truppen wurden diszipliniert und gut geführt und hatten einen unbeugsamen Glauben an die Sache, während von Tschiangs Armee bald ganze Regimenter und Divisonen desertierten oder sich kampflos ergaben.

In dieser unsicheren Lage fand der Schulungskurs auf dem Kuliangberg statt. Im Winter wurde er durch eine Mitarbeiterkonferenz in Wen Teh Li unterbrochen. Schanghai war damals vom Hunger heimgesucht. Die Inflation brachte viele in wirtschaftliche Not; Gewalttätigkeiten, Polizeikontrollen und Repressalien machten das Leben gefährlich. Die Bürger sehnten sich nach Frieden – viele um jeden Preis.
In dieser spannungsreichen Zeit nahmen die Gläubigen von Wen Teh Li jede Äußerung Watchmans begierig auf. Viel Zeit verwendeten sie auf das Gebet; sie flehten, Gott möge die Ereignisse so lenken, daß die Türen für das Evangelium offen blieben.

Watchman selbst zog sich mit den Mitarbeitern und Ältesten zurück. Ihnen vertraute er seine Überzeugung an, die er nach viel Gebet erlangt hatte: daß er in Schanghai bleiben solle, wenn die Kommunisten die Regierung übernähmen. Er hatte Marx und Engels gelesen und war sicher, daß das christliche Zeugnis unter dem Marxismus sehr erschwert werden würde. Die Kirche würde vielleicht nicht länger die Freiheit haben, dem Herrn zu dienen, selbst im Leiden nicht, und von Ausrottung bedroht sein. Doch seine persönliche Berufung war es, dem Herrn in China zu dienen und dem chinesischen Volk Christus zu bringen. Tschiang und seine Leute mochten fliehen, aber nicht die Kirche Gottes.
Zu den wenigen jüngeren Mitarbeitern, die anwesend waren, sagte er: »Wenn der Älteren einer fällt, müßt ihr Jüngeren weiter vorangehen.« Dann empfahl er noch, daß, wenn die Umstände eine Emigration erforderten, Witness Lee mit seiner Familie auswandern und das Evangelium unter den emigrierten Chinesen verbreiten solle. Lee stimmte zu. Dann kehrten die Teilnehmer des Schulungskurses nach Futschou zurück, um ihre Studien auf dem Kuliangberg wieder aufzunehmen.

16. Eine folgerichtige Wahl

Am 3. Januar 1949 besetzte die Achte kommunistische Armee das unverteidigte Peking. Im April standen die Befreiungsarmeen auf dem sumpfigen Nordufer des zwei Meilen breiten Jangtseflusses. Fast eine halbe Million durch Kriegsschiffe und Luftwaffe unterstützte Kuomintag-Truppen standen ihnen auf dem Südufer gegenüber. Doch als Mao Tse-tung am 20. April den Befehl gab, über den Fluß zu setzen und den Süden zu befreien, stießen die Dschunken, Flöße und Hausboote kaum auf Widerstand. Nanking, die Hauptstadt des Südens seit drei Jahrzehnten, hatte sich der Situation angepaßt.

Watchman hatte von Futschou aus an Lee telegrafiert, daß er mit seiner Familie von Schanghai nach dem neuen Arbeitsfeld in Taiwan übersiedeln solle. Er hatte auch Charity mit einer kleinen Gruppe von Damen nach Hongkong geschickt. Luke war nach Singapur, und Meek und Wu waren nach Manila abgereist. Da die Befreiungsarmee schnell nach Süden vordrang, wurde der Schulungskursus vorzeitig abgebrochen. Die Teilnehmer aus dem Norden flogen in Städte, in denen sie schnell überrannt wurden und von denen aus sie dann bald wieder in ihre Gemeinden gelangten. Witness Lee kam, um kurz über die Lage in Schanghai zu berichten, ehe er nach Taipeh zurückkehrte. Der neue Saal in der Nanyangstraße war fertig und konnte 4000 Menschen aufnehmen. Die zweiundfünfzig »Lektionen für gläubig Gewordene« waren im Druck. Es herrschte wirtschaftliche Not, aber die Versammlungen gingen weiter und erfuhren immer neu Gottes Treue.
Im Mai war es offensichtlich, daß Schanghai bald fallen würde, und Watchman wußte, daß er zurückkehren mußte. Die Befreiungsarmee, die am 25. Mai in die Stadt eindrang, machte einen guten Eindruck, sie war diszipliniert, gut genährt und in ihren olivgrünen Uniformen gut gekleidet – die Offiziere so einfach wie die Soldaten. Zur allgemeinen Erleichterung gab es keine Plünderungen und keine Gewalttaten.

Für eine kurze Zeit nahm sich Watchman wieder der Gemeinde an. Er hielt wöchentlich Bibelstunden und unterrichtete die Mitarbeiter und Helfer in den verschiedensten Fächern. Außerdem nahm er sich Zeit für seine eigene Weiterbildung. Er stand auf freundschaftlichem Fuß mit mehreren Parteimitgliedern in der Stadt, einer davon war Charitys sechzehnter Onkel, der nahe bei ihrem Haus wohnte. Er besuchte diesen Mann nun häufiger, um sich über die Pläne der Partei zu informieren. Er sah Schwierigkeiten zwischen der Parteiführung und den Gläubigen voraus und ahnte, daß die Partei dem Gemeindeprogramm der Evangelisation ganz Chinas feindlich gegenüberstehen würde.
Während der zwei Jahre, die der »Befreiung« folgten, blieb die Kirche unbehelligt. Die Parteimitglieder beobachteten die Christen. Sie informierten sich über begabte und einflußreiche Führer, und während sie gleichgültig schienen, machten sie Pläne für die Zukunft.

Charitys Onkel versprach, Watchman zu helfen. Er verbürgte sich dafür, daß er unbehelligt bleiben und nichts zu fürchten haben würde. Wahrscheinlich wurde Watchman wie so viele andere von den Funktionären getäuscht.
Im Sommer 1949, als Schanghai unter Taifunen und Überschwemmungen zu leiden hatte, fiel das Jangtsetal mit der Eroberung Wuhans in die Hände der Kommunisten. Im Oktober verlor die nationale Regierung Kanton, und Kweijang und Tschungking fielen einen Monat später. Am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik China proklamiert mit Mao Tse-tung an der Spitze und Tschu En-lai als Ministerpräsident.

In diesen Wochen besuchte Watchman Taiwan, um Lee und die Handvoll Mitarbeiter, die ihn dorthin begleitet hatten, zu ermutigen. Den zahlreichen Flüchtlingen dort fiel es schwer, Unterkunft und Arbeit zu finden. In wenigen Tagen sammelte Watchman mehrere Hundert. Es bildete sich der Kern für eine neue Kirche in Taiwan, die sich unter Lees Führung glänzend entwickelte. Von hier aus ging Watchman nach Hongkong, um Charity zu treffen.

Zu Beginn des Jahres 1950 reiste er nach Schanghai zurück, das am 6. Februar von nationalen Flugzeugen bombardiert wurde. Im Mai finden wir ihn wieder in Hongkong, dort hielt er eine Reihe von Versammlungen für junge Leute und erlebte den Beginn einer Erweckung.
Lee kam nach Hongkong, um ihm über die Entwicklung in Taiwan zu berichten, und hier versuchte Lee, ehe sie sich im Juni zum letzten Mal verabschiedeten, Watchman von der Rückkehr nach Schanghai zurückzuhalten.
»Aber Bruder«, protestierte dieser, »es hat so lange gedauert, die Gemeinde dort aufzubauen. Kann ich sie jetzt verlassen? Blieben die Apostel nicht unter den gleichen Bedingungen in Jerusalem?«

Lee hatte schon Erfahrungen mit der C.C.P. (Chinesische Kommunistische Partei) gemacht. Deshalb überprüften sie noch einmal ihre eigenen letzten Pläne über die weitere Verkündigung des Evangeliums und fragten sich, wie sie als sichtbare Kirche Mißtrauen abbauen und das Werk fortsetzen könnten. Am letzten Abend kam Lee wieder darauf zurück.
»Wenn du zurückgehst, könnte es das Ende bedeuten«, meinte er. Aber Watchman hatte aus Schanghai ein Telegramm von den Ältesten erhalten, das von ihren Problemen berichtete und um seine schnelle Rückkehr bat
»Ich mache mir keine Sorge um mein Leben«, erklärte er. »Wenn das Haus einstürzt, so habe ich Kinder darin und muß es stützen, wenn nötig mit meinem Kopf.«
Auch als aus Swatow die Nachricht kam, daß seine Mutter Lin Huo-ping heimgegangen sei, wankte sein Entschluß nicht. Er bat seine älteste Schwester, Frau Chan, für die Beerdigung zu sorgen, während er nach dem Norden abreiste. Er wollte eine Auswanderungsbewegung nach Hongkong unter den Gläubigen stoppen, die er früher ermutigt hatte, und zugleich die pharmazeutische Firma einem Konzern in der Mandschurei übergeben.

Von Schanghai aus bat er Charity, ihm nachzukommen. Danach sprach er zu den Mitarbeitern und forderte sie auf, die »Zeit auszukaufen, denn die Tage sind böse«. Er bekannte, daß er in der Vergangenheit Gelegenheiten versäumt hatte, und fuhr fort:
»Kein Diener Gottes sollte sich mit dem Erreichten zufriedengeben. Damit würden viele Gelegenheiten verpaßt … Heute ist der 7. Juli 1950. Die Zeit auskaufen heißt, die Möglichkeiten ergreifen, die Gott uns heute gibt. Wenn die Kirche ihr Talent vergräbt, so ist das ein schwerer Verlust. Wir denken vielleicht, weil die Versammlungshalle in der Nanyangstraße gebaut ist, können wir uns für den Rest unseres Lebens zur Ruhe setzen. Wir haben unsere Predigtgottesdienste, und wenn zehn oder zwanzig Seelen gerettet werden, denken wir, daß wir das gut gemacht haben. Aber wenn es die Absicht des Herrn wäre, tausend Seelen am Tag zu gewinnen, dann wären neunhundert verloren! Wenn Gott handelt, laßt auch uns handeln! Wenn die Tür sich nur ein wenig öffnet, tretet ein, denn das Schlimme ist, daß die Gelegenheiten nicht auf uns warten.«
Und er schlug vor, in der gegenwärtigen Krise mit Gruppen von Gläubigen aus anderen Bewegungen wie der aus Schantung stammenden »Jesus-Familie« – Gemeinschaft zu pflegen.

Es scheint, daß Watchman an die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der neuen Regierung glaubte. Natürlich hing das davon ab, wie der Artikel in der Verfassung, der die Religionsfreiheit garantierte, in der Praxis angewandt wurde. Die Gemeinden der »Kleinen Herde« beschworen die Gläubigen, nicht auszuwandern, sondern um des Herrn willen in China zu bleiben. Sie sollten darauf vorbereitet werden, den materiellen Komfort aufzugeben und als gute Christen und gute Chinesen mit dem Staat zusammenzuarbeiten, wenn sie zu öffentlichen Arbeiten wie Straßenbau und dem Bau von Bewässerungsanlagen eingesetzt würden. Nur dürften sie nicht gegen die Vorschriften der Bibel handeln und ihren Glauben nicht verleugnen.

Dies ging zuerst auch gut, doch eine bessere Kenntnis des Marxismus-Leninismus hätte sie warnen können, daß der erste Eindruck täuscht. Die kommunistische Politik ist etwas Relatives. Zeit, Raum und Umstände gestalten sie mit, und wenn sich diese Bedingungen ändern, ändert sich auch die Politik. Das kann über Nacht geschehen, und die Partei wird niemals ein gegebenes Versprechen halten.

In Schanghai machte man sich klar, daß allein die Größe der Versammlungen in der Nanyangstraße, in der drei- bis viertausend Menschen am Sonntagmorgen zusammenkamen, die Kritik herausfordern könne. Die Gläubigen mußten sich um des Evangeliums willen zerstreuen. Mehrere Gruppen von Freiwilligen verkauften deshalb ihren Besitz und zogen in die entvölkerten Gebiete von Kiangsi, um sie wieder zu bebauen. Sie errichteten einfache Lehmhäuser für die einzelnen Familien und führten ein streng geregeltes gemeinsames Leben, das Zeit ließ für persönliche Frömmigkeitsübungen und eine abendliche Gemeinschaftsandacht.

Sie hatten diese Übersiedlung aufs Land mit großer Begeisterung vollzogen, und als sie nun noch ein paar Kommunisten für den Herrn gewannen, meinten sie, daß ihre Zeit gekommen sei. Doch im Juni wurde die bereits erprobte Landreform der Regierung Gesetz. Während des folgenden Jahres bekamen die Städte eine Gnadenfrist, während in den Dörfern alles umgekrempelt wurde.

Massenversammlungen, öffentliche Tribunale und manchmal auch Hinrichtungen von Großgrundbesitzern und reichen Bauern waren an der Tagesordnung. Das Land wurde unter die armen Bauern und Arbeiter verteilt. Alle Arbeit ruhte, und alle Kirchen auf dem Land blieben während dieser Zeit geschlossen. Die ausgewanderten Christen waren von dieser Umerziehung nicht ausgeschlossen, ihre Motive wurden absichtlich verdreht. Sie wie auch die Angehörigen der Jesus-Familie erkannten, daß sie den Kommunisten nicht weniger verdächtig waren, wenn sie das Richtige aus in deren Augen falschen Motiven taten, als wenn sie überhaupt nicht mitgearbeitet hätten.
Missionare in Hunan berichten um diese Zeit, daß ihnen ein kürzlich eingewanderter Bruder aus der »Kleinen Herde« behilflich war, als ihre Gemeinde sich aufgelöst hatte und sie im Begriff standen, abzureisen. Trotz der Gefahr hielt er Versammlungen im Schein einer zerbrochenen Lampe (für die sie ihm eine bessere geben konnten). Als die Polizei kam und diese Zusammenkünfte verbot, entgegnete der Mann:
»Unsere Bibel sagt aber, daß wir mit unseren Versammlungen nicht aufhören sollen.«
»Wenn Sie müssen, dürfen wir dann auch kommen?«
»Selbstverständlich!«

Eine Missionarin in Tschekiang schrieb bald, nachdem sie das Land verlassen hatte: »Der Einfluß der ›Kleinen Herde‹ macht sich im ganzen Land bemerkbar. Mit einem ganz neuen und starken Nachdruck wird evangelisiert. Diese Bewegung hatte nie eine Beziehung zu ausländischen Missionen, und das ist ein großes Plus im neuen China. Ob Gott sie nicht besonders für die gegenwärtige Zeit vorbereitet hat? Ihre Organisation ist fest, doch unauffällig und anpassungsfähig, und sie liegt ganz in einheimischen Händen. Die Gläubigen sind geistlich gesinnt und entwickeln starken missionarischen Eifer.«
In einem späteren Brief schreibt sie von der möglichen Vereinigung der verschiedenen christlichen Gruppen in der Stadt: »Dies würde eine Vereinigung unter der Führung der ›Kleinen Herde‹ bedeuten und ist vielleicht der beste Schutz in den gegenwärtigen Schwierigkeiten.«

Im Jahre 1949 waren die meisten Missionare noch auf ihrem Posten geblieben in der Hoffnung, ihr Zeugnis unter dem neuen Regime fortsetzen zu können. Doch im Mai 1950 fand jeweils am späten Abend eine Reihe von Zusammenkünften zwischen dem Premierminister Tschu En-lai und drei liberalen protestantischen Führern statt, an deren Spitze Y. T. Wu vom Verein Christlicher Junger Männer stand, der schon seit zehn Jahren geheimes Mitglied der kommunistischen Partei gewesen war. Sie arbeiteten ein christliches Manifest für die protestantischen Kirchen aus. Für Tschu waren diese drei Männer die rechtmäßigen Vertreter der Kirchen und die Gründer einer neuen christlichen Bewegung, deren Grundsätze er ihnen nun mit allen Anzeichen des Wohlwollens diktierte. Das Manifest verlangte von der Kirche, daß sie auf allen Gebieten die Führung der Volksregierung anerkannte. Die Zusammenarbeit mit dem Reformprogramm des Staates war der Preis für die Religionsfreiheit. Tschu befahl die Entlassung von ausländischem Personal und die Ablehnung ausländischer Gelder. Waren nicht alle Missionare Imperialisten?

Die Männer, die an dieser Konferenz teilnahmen, bildeten ein Vorbereitungskomitee für die »Anti-Amerika-Korea-Hilfe – Drei-Selbst-Reformbewegung der Kirche Christi in China«.


Die Kirche sollte sich selbst regieren, sich selbst unterhalten und selbst missionieren, wobei »selbst« das Gegenteil von »imperialistisch« war. Sie war dem Büro für »Religiöse Angelegenheiten« verantwortlich, das dem atheistischen Komitee für Kultur und Erziehung in Peking unterstand. Ihr Leitsatz sollte sein: »Liebe dein Land! Liebe deine Kirche!« Dabei war absichtlich vermieden, den Namen Gottes zu nennen. Die Zeitschrift »Tien Feng« (Himmlischer Wind) wurde schnell zum offiziellen und einzigen christlichen Organ.
In den folgenden Monaten lief eine sich über das ganze Land erstreckende Aktion an, um Unterschriften für das Christliche Manifest zu sammeln. Als es am 23. September gedruckt vorlag, bestand kein Zweifel mehr darüber, daß die Arbeit der Missionare in Zukunft sehr eingeschränkt, wenn nicht unmöglich sein würde. Ihre Anwesenheit belastete die chinesischen Kirchen, auf die ständig Druck ausgeübt wurde, sich der neuen Bewegung anzuschließen. Im Lauf des Jahres 1951 reisten fast alle Missionare ab, die nach dem japanischen Krieg mit so großen Hoffnungen zurückgekehrt waren. Die jahrhundertelange Verbindung zwischen chinesischen und ausländischen Christen wurde auf diese Weise hart und jäh unterbrochen.

Viele Missionare, die durch Schanghai kamen oder sich dort aufhielten, um die Ausreisegenehmigung zu bekommen, besuchten die Versammlungen in der Nanyang-Straße, wo der entfachte evangelistische Eifer und Watchmans Persönlichkeit Eindruck auf sie machte.

Um diese Zeit kam Leslie Lyall mit einigen seiner Kollegen von der China-Inland-Mission zu Watchman. Ihr Thema war die Zukunft der Kirche in China. Sie hatten aber auch noch eine andere Frage: Wie sollten sich die Missionare in der Zeit, bis sie zur Abreise gezwungen waren, nutzbringend beschäftigen?

»Übersetzen Sie uns einige wirklich gute Kommentare«, antwortete Watchman. »Wir haben so wenig in dieser Art und brauchen es dringend. Und kommt als Älteste in unsere Versammlungen zurück, nicht wieder als Evangelisten. Die Evangelisation muß in Zukunft Aufgabe der Chinesen sein.«

Am 1. Januar 1951 hielt Watchman eine Neujahrsansprache über die Bedeutung von Gottes Segen bei der Brotvermehrung. Hier ein paar Sätze, die uns wichtig erscheinen:
»Aller Dienst hängt vom Segen Gottes ab. Wir mögen sehr gewissenhaft und sehr fleißig sein, wir mögen an seine Macht glauben und beten, daß sie offenbar wird, aber wenn der Segen Gottes fehlt, nützen all unsere Gewissenhaftigkeit, unser Fleiß, unser Glaube und unser Gebet nichts. Andrerseits werden wir, obgleich wir Fehler machen und die Situation, vor der wir stehen, hoffnungslos ist, auch Frucht erleben, wenn wir den Segen Gottes haben.«
»Da ist das Wunder von den Broten und den Fischen. Dabei ging es nicht um die Menge, sondern um den Segen, der darauf lag. Früher oder später werden wir feststellen, daß nicht die Größe unseres Reichtums oder die Vielzahl unserer Gaben zählt. Was zählt, ist allein der Segen des Herrn, der alle Bedürfnisse des Menschen befriedigt. Eines Tages wird es sich zeigen, wie wesenlos unsere Wendigkeit, unsere Macht, unsere Plackerei, unsere Treue sind. Die größte Enttäuschung der kommenden Tage wird in der Erkenntnis bestehen, daß wir absolute Versager sind.
Was wir hier zu lernen haben, lernt sich nicht leicht. Die Hoffnung so vieler konzentriert sich ja nicht auf den Segen des Herrn, sondern auf die paar Brote in ihrer Hand. Es ist so kümmerlich wenig, was wir in der Hand halten, aber für uns zählt es! Und je mehr wir damit rechnen, um so schwerer wird es uns. Meine Brüder und Schwestern, Wunder kommen vom Segen des Herrn. Wo dieser Segen über den Broten liegt, werden sie vermehrt. Wo der Segen ruht, werden Tausende satt. Wo der Segen fehlt, genügen auch keine ›zweihundert Denare‹, um die Menschen zu sättigen. Wenn wir das bedenken, hören wir auf zu fragen ›Wieviel Brote haben wir?‹ Dann hören wir auf zu manipulieren und auf Auswege zu sinnen. Wir verlassen uns nicht mehr auf uns selbst und brauchen nicht mehr zu stottern. Wir sollten es gelernt haben, auf den Segen Gottes zu vertrauen und darauf zu warten. Und dann werden wir es erleben, daß trotz unserer Stümpereien alles gut wird. Ein kleines bißchen Segen kann uns aus großen Nöten heraushelfen.
Was ist Segen? Es ist Gottes Handeln dort, wo du nicht damit rechnest. Ein Beispiel: Du willst für eine Mark etwas kaufen, was eine Mark wert ist. Aber wenn dir dann Gott etwas für zehntausend Mark gibt, noch bevor du deine eine Mark ausgegeben hast, dann hast du keinerlei Grundlage für deine Berechnungen. Wenn fünf Brote fünftausend Menschen sättigen und noch zwölf Körbe Brocken übrig bleiben, dann ist das Segen. Wenn die Frucht deines Dienstes in keinem Verhältnis mehr zu deinen Gaben steht, dann ist das Segen. Oder noch deutlicher: Wenn du an all das denkst, das du falsch gemacht hast und mit keiner Frucht mehr rechnest und dann doch Frucht siehst, dann ist das Segen. . . .  »Ein Leben des Segens«, schloß Watchman, »sollte das normale Leben des Christen sein, und unsere normale Arbeit die, auf der der Segen Gottes ruht. ›Prüfet mich doch, spricht der Herr der Heerscharen, ob ich euch dann nicht die Fenster des Himmels auftue und Segen über euch ausgieße bis zum Überfluß.‹ Hier in Schanghai, am Anfang des Jahres 1951, ist dieses Wort noch Wort Gottes.«

17. Die Falle klappt zu

Während sich durch die Hauptstraßen immer neue Umzüge von Arbeitern und Jugendlichen mit Papierflaggen und großen roten Seidenfahnen wälzten, während sich nach dem Rhythmus von Trommeln und zum Klang der Sprechchöre, die Parteiparolen ausposaunten, Jang-ko-Tänzer vor riesigen Maobildern drehten, wurde in den Nebenstraßen ein großer Umwandlungsprozeß in Gang gesetzt. Nachbarschafts-Revolutionskomitees arbeiteten. Ständig wurden Arbeitsplätze und Wohnungen geprüft. Jeder mußte über jeden Auskunft geben. Schulungskader begannen mit der Umerziehung. Privatleben gab es nicht mehr. Die städtische Polizei war immer bereit, auf Grund von Informationen einzugreifen, und hinter ihr lauerte die Geheimpolizei. Auf »Tigerjagden« wurden böse Kapitalisten, die sich am Volk bereicherten, gesucht und unschädlich gemacht. Unter diesen Verhältnissen als Christ zu leben, verlangte Mut und Glauben.

Vom 16. bis zum 21. April 1951 berief Tschu En-lai eine Konferenz von hunderteinundachtzig Kirchenführern ein, um die Unruhe, die durch die plötzliche Sperrung aller ausländischen Hilfsgelder entstanden war, zu schlichten. Watchman, der eine »Sich selbst regierende, sich selbst erhaltende und selbst propagierende« christliche Gruppe, also kein »Werkzeug des Imperialismus«, vertrat, wurde ersucht, dies Treffen als Beobachter zu besuchen.
In Schanghai gingen die Versammlungen »fast wie früher« weiter; alle Mitarbeiter waren eifrig dabei, die Zeit auszunutzen. Aber dann kam der 27. April, ein »schwarzer Samstag« für Schanghai, an dem Tausende verhaftet wurden, hauptsächlich Intellektuelle. Ein Programm zur Umschulung von Schriftstellern folgte. Unter den Festgenommenen waren auch ein paar Christen, »und litten für den Herrn, aber die meisten sind frei und wohlauf. Unter Anklage stehen alle«.
Am 2. Mai veröffentlichte »Der himmlische Wind«, das offizielle christliche Organ, eine Aufforderung an die christliche Kirche in China, sich an der Selbstkritik zu beteiligen. Ganze Gemeinden wurden dazu überredet. Nur so würden sie befähigt sein, der Reformkirche anzugehören. Öffentlich mußten sie sich von allen »imperialistischen Elementen und ihren Handlangern« in den eigenen Reihen und unter ihren Führern lossagen. Manchen Gruppen sagte man, welche unter ihren Leitern sie anzuklagen hatten, anderen überließ man es, sie selbst herauszufinden.

L. M. Liu, der Sekretär des Christlichen Vereins Junger Männer, veröffentlichte einen Artikel »Wie man in einer Versammlung erfolgreich Selbstkritik üben kann«. Er berief sich dabei auf Matthäus 23 und ermahnte die Christen, ihre Hemmungen zu überwinden und durch den Besuch politischer Versammlungen zu lernen. »Viele Christen haben die altmodische Vorstellung, daß sie ›über der Politik stehen‹; deshalb müssen wir in unseren Versammlungen Selbstkritik üben, um alle zu erziehen … Eine solche Versammlung erfolgreich zu halten ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche, um damit den Einfluß des lmperialismus zu brechen.«
Um ein Beispiel zu geben, veranstaltete die »reformierte« christliche Bewegung ein großes Treffen am Sonntag, dem 10. Juni. Es richtete sich gegen die Missionare und wurde im Stadion für Hunderennen abgehalten. Sorgfältig ausgewählte »Ankläger«, die verschiedene christliche Gruppen vertraten, sprachen zu einem Publikum, das sich hauptsächlich aus Kirchenmitgliedern zusammensetzte. Mit einstudierten Reden voller Haß und Verachtung machten sie ihre Brüder in Christo herunter. Die ganze Veranstaltung zielte darauf ab, daß nicht nur die missionierenden Nationen, sondern schließlich auch das Christentum selbst das Gesicht verlieren sollte. Christen, die dieses Treffen nicht besuchten, wurden sorgfältig notiert. So gewann die Bewegung an Boden, während die Christen in dieser Art Verfolgung an Boden verloren.

Am 11. August konnte »Himmlischer Wind« melden, daß seit Mai dreiundsechzig solche Anklageversammlungen gehalten worden waren. Und wehe den Gemeinden, die sich fernhielten! Die christlichen Kirchen mußten sich bequemen, das Plätzchen einzunehmen, das man ihnen in der neuen Gesellschaft einräumte, und das hieß: Kontrolle durch den Staat, finanzielle Abhängigkeit vom Staat und eine Verkündigung, die mit der Staatsideologie gleichgeschaltet war. Kein Wunder, daß im Juli Briefe davon berichteten, daß »die Gemeinden in einer sehr kritischen Lage sind, und ganz besonders die Verantwortlichen wie Bruder Nee«. Von ihm wurde berichtet, daß er wieder krank war und zu Bett lag.

Inzwischen machte die Volksregierung mit ihrem Programm der moralischen Säuberung erfolgreich weiter, um Verbrechen, Prostitution und Korruption auszumerzen. Im November 1951 rief der Staat zu zwei Feldzügen auf, die das Land in den kommenden Monaten beschäftigen sollten. Der eine Feldzug nannte sich San-Fan oder »Die Drei Antis«, Anti-Korruption, Anti-Vergeudung und Anti-Bürokratie bei den Beamten.
Wu-Fan oder »Die Fünf Antis« bekämpfte Bestechung, Steuerhinterziehung, Diebstahl von Staatseigentum, minderwertige Arbeit und Wirtschaftsspionage für private Zwecke.
Überall riefen Plakate die Öffentlichkeit auf, zu bereuen und zu bekennen, und es folgte eine Welle von Anklagen und falschen Beschuldigungen, die viele Selbstmorde zur Folge hatten. Dies war ein Hinweis auf kommende Dinge. Er wurde unterstrichen durch die Nachricht, daß der Verkauf von Watchmans pharmazeutischer Fabrik vorerst gestoppt worden sei, weil die Regierung vorher die Bücher prüfen wolle.

Am 30. November erschien im »Himmlischen Wind« ein Artikel von einem Mitglied der »Kleinen Herde« in Nanking: »Enthüllung über die geheime Organisation und die dunklen Machenschaften der Gemeinde in der Tsi-Tang-Straße.« Darin heißt es: »Ich bin ein Gläubiger, der von Anfang an zu der Gemeinde (in Nanking) gehört hat und sie als die reinste ihrer Art ansah, bis ich in der Reformbewegung geschult wurde und erkannte, wie schlecht diese Gemeinde ist. Lange wurde ich betrogen. Doch heute, da ich auf dem Grund der Vaterlandsliebe und der Liebe zur Religion stehe, enthülle ich voller Zorn ihre angebliche Geistigkeit. Um den wahren antirevolutionären Charakter dieser Bewegung zu verbergen, versichern die Verantwortlichen in der Tsi-Tang-Straße ständig, daß es sich nur um eine ›örtliche Gemeinde‹ handele. Tatsache ist aber, daß wir irregeführt wurden. Von Anfang an war unsere Gemeinde der Kirche in Schanghai unterstellt, und sie wurde von Watchman Nee streng kontrolliert. Die von ihm gegründete Gemeinschaft erstreckt sich über die ganze Nation und umfaßt 470 Gemeinden. Watchman Nee hat ein geheimes System, um diese Gemeinden zu beaufsichtigen. Schanghai ist dabei die Basis, und von hier aus werden die Gemeinden indirekt durch ›Zentralkirchen‹ in großen Städten wie Peking, Hankau, Tsingtau, Futschou usw. regiert. Die geheime Kontrolle, die Watchman Nee über die Gemeinden ausübt, geht weit über das Gebiet der Religion hinaus. Um seine totalitäre Herrschaft zu erleichtern, streut er antirevolutionäre Parolen aus. Schamlos nennt er sich selbst den ›Apostel Gottes‹.«

Die Mitarbeiter fragten sich, was Watchman zur Selbstverteidigung unternehmen würde.
Und was tat er? Er zählte die vier Züchtigungen auf, die er durch Gottes liebende Hand erhalten hatte: sein Ausschluß aus der Brüdergemeinschaft in Fotschou 1924 und die Erweckung, die ihr gefolgt war; seine schwere Krankheit, während der er vor der schwierigen Aufgabe stand, zwischen der Rolle eines volkstümlichen Predigers und der weniger anziehenden eines christlichen Zeugen, der durch seine Gemeinde wirkt, zu wählen; sein Rücktritt vom Predigtdienst während des japanischen Krieges und die geistliche Bereicherung, mit der er zurückgekehrt war; und nun dieser Angriff auf ihn! Zweifellos war in jeder Kritik ein Körnchen Wahrheit enthalten. Warum sich rechtfertigen, wenn sich jedesmal die Zurechtweisung durch den Herrn als so lehrreich, die Züchtigung sich als geistlich fruchtbar erwiesen hatte?

Kommunistische Kader besuchten jetzt die Nanyang Straße und versuchten durchzusetzen, daß die Gemeinde ihre eigene Versammlung zwecks Selbstkritik anberaume. Endlich, zu Beginn des Jahres 1952, wurde unter großem Druck eine Versammlung einberufen, auf der zwei Vertreter der Drei-Selbst-Zentrale sprechen durften. Ihre Ansprachen, die die Führer der Gemeinde des Imperialismus anklagten, stießen nur auf ein verwirrtes Schweigen. Niemand meldete sich zum Wort, um die Redner zu unterstützen. Schließlich brachte jemand den Mut auf zu sagen:
»Ist es nicht wahr, daß Paulus um Christi willen alle Dinge als Verlust betrachtete? Sollten wir darum nicht selbst unsere verehrte Volksregierung zurückweisen, damit wir Christus gewinnen?«

Nun platzte einer vom Kader, der in der Versammlung untergebracht war, heraus: »Watchman Nee hat angeordnet, daß die Frauen beim Gebet ihren Kopf bedecken müssen. Das ist Despotismus!« Dies sollte aufrührerisch wirken, doch die Beschuldigung fiel auf den Ankläger zurück. Die Brüder verlangten zu wissen, wer dieser Außenseiter war, der die Bemerkung gemacht hatte. Der Drei-Selbst-Sprecher stand auf und verkündete: »Offensichtlich seid ihr noch nicht zur Selbstreform bereit und braucht Schulung. Ich beauftrage Herrn Nee selbst mit eurer Umerziehung.«

Jetzt erkannten alle in der Gemeinde, gegen wen sie standen. Zweifellos hatten die Redner eine Niederlage erlitten, aber sie würden ihre Zeit abwarten.

Nachdem Watchman mit Charity und seinen Mitarbeitern die Lage besprochen hatte, widmete er sich nur noch einer Sache: der Vorbereitung von biblischem Material für die Gläubigen. So sprach er zu einer Gruppe von jungen Leuten ausführlich über die Beweise für die Existenz Gottes. Es folgten Abhandlungen über »Christus unsere Gerechtigkeit, unsere Weisheit und Herrlichkeit vor Gott« und über »die Macht seiner Auferstehung«;
Ruth Lee und ihre Helferinnen schrieben alles nieder. Aber das war es nicht, was die Regierung von ihm verlangte. So kamen neue Forderungen, diesmal, daß er Schanghai verließe. Finanzielle Fragen im Zusammenhang mit der pharmazeutischen Firma, mit der die Gemeinde noch immer belastet war, verlangten seine Anwesenheit in der Mandschurei. So arbeitete das Team unter einem verzweifelten Druck. Sie schafften den ganzen Tag und bis spät in die Nächte hinein, um das Wort Gottes auszulegen und festzuhalten. Im März standen sie so unter Zeitdruck, daß sie nur noch zwei Stunden schliefen.

Schließlich konnte Watchman dem Ultimatum des Staates nicht länger Widerstand leisten. Er richtete ein letztes Wort der Ermahnung an seine geliebten Brüder und Schwestern und fügte hinzu: »Sagt denen in Hongkong, daß die Kirche alle weltlichen Geschäfte aufgibt.« Voller Sorge nahm er Abschied von Charity. Mit bösen Ahnungen reiste er dann nach Harbin. Dies war das letzte, was die Gläubigen von ihm hörten vor seinem Prozeß im Januar 1956.

In seinem fünfzigsten Lebensjahr wurde Watchman am 10. April 1952 in der Mandschurei verhaftet. Bei seinem ersten Verhör, entweder in Harbin oder in Peking, wurde ihm vorgeworfen, ein kapitalistischer »Tiger« zu sein, der aller fünf Verbrechen schuldig war, gegen die sich der Wu-Fan-Feldzug gerichtet hatte. Man eröffnete ihm, daß die pharmazeutische Firma eine Geldstrafe von 17000 Millionen in alter Währung (umgerechnet etwa 6 Millionen DM) zu zahlen habe.
Watchman bekannte sich weder schuldig, noch hatte er das Geld, um diese Summe zu bezahlen. So blieb er im Gefängnis, und die Fabrik wurde vom Staat konfisziert.

Ursprünglich waren die Bedingungen in den Gefängnissen äußerst hart. Wahrscheinlich wurde keine physische Gewalt angewendet, doch Drohungen, kärgliche Nahrung, Schlafentzug, Ungeziefer und ständige Anforderungen an die körperliche Ausdauer taten das Ihre. Die Gefangenen durften mit keinem Menschen in der Außenwelt Verbindung haben.

Man sagt, daß Watchman die Chance gehabt habe, wieder als christlicher Führer in sein Amt zurückzukehren unter der Bedingung, daß er seine große Gefolgschaft mit der Volksregierung und dem kirchlichen Reformprogramm gleichschaltete. Durch die Erfahrungen anderer wissen wir, daß er, falls das zutrifft, ständigen Versuchen zur Umerziehung ausgesetzt war. Man bearbeitete ihn, in die nationale Neurose einzuwilligen und alle Gedankenfreiheit aufzugeben. Wir haben genügend Dokumente über Methoden der Gehirnwäsche, wie sie damals geübt wurde; über die langen Verhöre, bei denen sich die Beamten ablösten, die politischen Vorlesungen, die Überwachung durch unbarmherzige Aufseher, die Bespitzelung durch überzeugte und »bekehrte Mitstudenten«. Daß sich bei Watchman kein Sinneswandel vollzog und ihm kein brauchbares Bekenntnis entschlüpfte, spricht für die bewahrende Macht Gottes. Man wird von ihm verlangt haben, daß er die Geschichte seines Lebens mit endlosen Einzelheiten immer wieder aufschrieb. Aus diesem Material wurde dann Stück um Stück die Anklage gegen ihn aufgebaut, und er wurde »Beweisen« gegenübergestellt, die geisttötend endlos wiederholt wurden.

Es gab Präzedenzfälle. Bereits im Februar 1952 hatte man Isaac Wei, dem Sohn des Gründers der einheimischen »Wahren Jesuskirche«, nach einer Gefängnishaft ein Geständnis abgerungen, das genau dem entsprach, was man von Watchman wollte. Die Anhänger dieser großen Gruppe hatten sich daraufhin dem Staat angepaßt. Im gleichen Jahr war die »Jesusfamilie« genau entgegengesetzt behandelt worden, man hatte sie gezwungen, sich aufzulösen. Ihre Führer waren in Ungnade gefallen und wurden der Spionage, konterrevolutionärer Tätigkeit und eines unzüchtigen Lebenswandels beschuldigt. Die Partei duldete in China kein »Zentrum der Finsternis«, wo das Richtige aus – in ihren Augen – falschen Motiven getan wurde. Wenn in einer wirklich einheimischen Bewegung keine Verbindung zum Imperialismus gefunden wurde, mußten ihre Führer als gewöhnliche Verbrecher vor Gericht gestellt werden. Und dies war das Schicksal, das auf Watchman Nee wartete.

Während seiner Abwesenheit machten die Vertreter der Reformbewegung Fortschritte bei den Gläubigen. Den Ältesten der »Kleinen-Herde«-Gemeinden versicherte man, daß man sie bedingungslos willkommen heißen würde, wenn sie sich dem ständigen Zustrom der Kirchen in diesen »Bergstrom« anschließen würden, »der, je weiter er fließt, desto klarer und breiter wird«. »Noch steht die Tür offen«, sagte man ihnen, »wir strecken euch die Hand entgegen und hoffen, daß der Tag kommen wird, an dem wir alle einmütig zusammen wohnen.« Da Watchman nicht erreichbar war, hatten sie keinen geistlichen Ratgeber, an den sie sich wenden konnten, und eine Gemeinde nach der anderen kapitulierte. Die meisten sollten diesen Schritt allerdings bald bereuen.

Um ein Beispiel zu geben: Die »Kleine Herde« in der Stadt Wuhan hatte sich schon 1951 der Bewegung angeschlossen und sich dem vorgeschriebenen Schulungsprogramm unterworfen. Doch dann führte einer ihrer Prediger, Ho Kuang-tao, sie wieder heraus. »Wir ziehen uns von der Bewegung zurück«, sagte er nach dem Polizeibericht, »rein aus Gründen unseres Glaubens, denn der Gläubige und der Ungläubige können nicht dasselbe Joch tragen.« Von da an lehnten es die Ältesten ab, Kinokarten und anderes Schulungsmaterial anzunehmen, und empfingen die Beamten, die zur Gemeinde über die Religionspolitik der Regierung sprechen sollten, sehr kühl. Viele andere Ortsgemeinden folgten diesem Beispiel. 1954 berief Ho eine Predigerkonferenz nach Wuhan, er ermutigte die Teilnehmer im Glauben und beschwor sie, unabhängig von der patriotischen Bewegung zu bleiben und für die Gemeinden zu beten, die sich noch nicht von ihr distanziert hatten. In den vier Jahren, die Nees Verhaftung folgten, fanden viele Gemeinden auf diese Weise wieder zu sich selbst; die Gemeinde in Schanghai zog sich Ende 1955 zurück. Der Zorn der Partei war die unausbleibliche Folge. Inzwischen wuchs die Gemeinde in der Nanyangstraße weiter. Die Versammlungen konnten fortgesetzt werden und sogar ein oder zwei Jahre lang die Evangelisationen während der Neujahrsferien.

Wegen der allgemeinen Unsicherheit waren die Möglichkeiten zum persönlichen Zeugnis größer als je zuvor. Eine Menge Bücher wurde veröffentlicht, die meisten anonym, doch man konnte in ihnen Watchmans Bibelauslegungen erkennen. Die Buchhandlung der Gemeinde arbeitete auf Hochtouren. Im Frühling 1952, nachdem alle Studenten zwangsweise im Marxismus geschult worden waren, gab es in zwei Colleges ein christliches Erwachen. Viele wurden wiedergeboren. Dies führte zu einer Reihe von Winter- und Sommerkonferenzen, die in der Nanyangstraße abgehalten wurden. In jedem College in Schanghai entstanden neue christliche Gemeinschaften, selbst in der Schule für Politik. Das Tischgebet vor den Mahlzeiten diente den Studenten als Erkennnungszeichen. Ein Gebet im Freien, das als Gespräch zwischen zweien oder dreien getarnt war, mochte unentdeckt bleiben, und die freie Dreiviertelstunde nach der wöchentlichen politischen Schulung gab Gelegenheit zu einem eiligen Treffen. Hier beteten einige laut, die das vorher nie ohne Gebetbuch getan hatten, und riskierten damit ihre künftige Karriere. Eine wahrhaft ökumenische Gesinnung griff unter diesen Umständen um sich, um die Watchman immer gebetet hatte. Diese Erweckung in Studentenkreisen verbreitete sich über ganz China.

Im Juli 1955 erschien ein öffentlicher Angriff auf den fundamentalistischen Prediger Wang Ming-tao in Peking. Dieser wurde von den Studenten, die zu neun Zehntel seine Versammlungen füllten, sehr geliebt. Ein Versuch zehn Monate früher, ihn durch Selbstkritik in einer Versammlung bloßzustellen, hatte eine Gegenbewegung zum Schutz Wang Ming-taos ins Leben gerufen. Seine Zeitschrift, die sich treu an die Schrift hielt, erschien immer noch und hatte großen Einfluß. Watchman Nee achtete ihn als Gottesmann sehr. Doch für seine Kirche hatte Wang keine Zeit. Er verglich sie mit einem Rasthaus am Wege, einem Platz, an dem man sich auf der Reise erfrischte, der aber nicht das Ziel der Reise ist.

Wang Ming-tao hatte alle Vorschläge der Regierung standhaft zurückgewiesen, und die Schwierigkeit für die Partei lag nun darin, daß er als unabhängiger Prediger keiner Organisation angehörte. Es war deshalb schwierig, ihn eines Verbrechens zu bezichtigen. So mußten Vorwände allein in seinem christlichen Zeugnis gesucht werden. Diese wurden denn auch in dem mutigen Traktat gefunden, das er im Juni 1955 veröffentlichte: »Wir sollen standhaft im Glauben sein.« Die Geschichte seiner Festnahme am 8. August ist wohlbekannt. Einige seiner früheren Anhänger suchten sich bei der Partei in Gunst zu setzen, indem sie ihn verräterischer Absichten beschuldigten. Mit seiner Einkerkerung und seinem erzwungenen »Geständnis« war wieder eine der Stützen der Kirche gefallen. Das Feld war leer, als der große Sturm losbrach.

18. Die Feuerprobe

Am 18. Januar 1956, einem Mittwoch, begann in der Nanyangstraße eine Reihe von Zusammenkünften, die vom Büro für religiöse Angelegenheiten einberufen worden waren und bei denen alle Gläubigen anwesend zu sein hatten. Sie dauerten zwölf Tage. Die Mitglieder der Gemeinde waren bei der Arbeit entschuldigt, damit sie den ganzen Tag teilnehmen konnten.

Die Gläubigen sollten nach und nach über Einzelheiten der Anklage gegen Nee informiert werden, und anschließend sollten sie ihre Meinung dazu sagen.
Die Beschuldigungen waren in einer Anklageschrift von 2296 Seiten zusammengefaßt. Danach war Watchman wegen imperialistischer Umtriebe, Spionage, konterrevolutionärer Tätigkeit gegen die Regierung, wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und ausschweifenden Lebens verurteilt worden.
Zweck der Übung war, die Entrüstung der Gemeindeglieder zu wecken, die in einer Massenkundgebung am Monatsende ihren Ausdruck finden sollte, wo die Ältesten und die älteren Schwestern ihre Mitschuld zugeben und die Gemeinde dabei anführen würden, wenn sie Watchman als Volksfeind brandmarkte.
Zwei Älteste machten Feststellungen, die die Vertreter der Partei als völlig unangemessen abwiesen. Dr. Yu, Ruth Lee und Peace Wang lehnten es ab, überhaupt Anschuldigungen zu erheben.
Am Sonntag, den 29. Januar, kam der Fall Watchman zu einem zusammenfassenden Verhör vor den Schanghaier Gerichtshof für öffentliche Sicherheit. Das Verhör war kurz und nicht öffentlich. Die Anklage lautete darauf, daß er von der Nanyangstraße aus eine systematische konterrevolutionäre Tätigkeit gegen die Volksregierung ausgeübt habe. Fünf Punkte wurden verlesen, und ihm war nur erlaubt, mit Ja oder Nein zu antworten. Nee äußerte sich zur einzig wesentlichen Anklage, die der Spionage und Sabotage. Zu den anderen Punkten soll er geschwiegen haben. Der Fall wurde nun dem Obersten Gerichtshof übergeben mit der Empfehlung, Strenge walten zu lassen.
Am selben Tag wurden Dr. Yu und die beiden tapferen Frauen mit einigen anderen ins Gefängnis geworfen. In der Woche darauf waren schon dreißig Mitarbeiter und verantwortliche Brüder verhaftet. Gleichzeitig kämmte man die Gemeinden im ganzen Land durch und ließ ein paar tausend Männer und Frauen hinter Gefängnismauern verschwinden. Niemand durfte sie besuchen, sie hatten keinerlei Unterstützung.

Am Montag, dem 30. Januar, fand die öffentliche Anklage Nees in der Versammlungshalle in der Nanyangstraße statt. Sie war von der Abteilung für öffentliche Sicherheit und der Abteilung für religiöse Angelegenheiten einberufen. 2500 Personen waren anwesend. Vorsitzender war Lo Chu-feng vom Schanghaier Büro für religiöse Angelegenheiten. Eine Ausstellung von Fotografien und anderen Dokumenten »bewiesen« die Anklage.

Schon 1941, so wurde behauptet, habe Nee Informationen über die Bewegungen der kommunistischen Armee und ihre geheimen Pläne an die amerikanische Luftwaffe und an Tschiang Kaischeks Agenten weitergegeben. Der wahre Zweck seines letzten Besuches in Hongkong im Frühling 1950 sei es gewesen, über den Erfolg des nationalen Luftangriffs auf Schanghai, auf seine Wasser- und Stromversorgung, zu berichten. Er habe Abgesandten Tschiangs auch über die Epidemie berichtet, die in der Befreiungsarmee in Kiangsu und Tschekiang herrschte. Er habe dazu geraten, mit Larven infizierte Schnecken über den Flüssen und Seen Tschekiangs abzuwerfen und habe selbst wichtige Rohstoffe für Arzneimittel zurückbehalten. Er sei ein gesetzloser Kapitalist, der aus dem Handel mit pharmazeutischen Produkten Gewinn geschlagen habe; unter dem Deckmantel seiner Firma habe er Rohstoffe aus dem Ausland eingeführt, um sie anderen Herstellerfirmen zu verkaufen, und durch Bestechung der Zollbeamten habe er die Devisenbestimmungen umgangen. Auf diese Weise habe er die Nation um 17200 Millionen Yüan bestohlen. Indirekt sei er auch der Sabotage schuldig. Feuersbrünste und Explosionen in den Schanghaier Farbwerken seien dadurch entstanden, daß er geschulte Christen in diese Fabriken geschickt habe, um die Produktion zu sabotieren.
Er sei ferner ein Laufhund der Imperialisten. Unter dem Vorwand, daß es sich um chinesische Gründungen handele, habe er es versäumt, die christlichen Gemeinden als vom Ausland unterstützte Missionen eintragen zu lassen. Seit 1921 habe er Geschenke und Legate von Missionaren, von den Londoner »Brüdern«, von dem christlichen Gemeinschaftszentrum in London und von einzelnen Spendern aus Übersee erhalten. Als die China-Inland-Mission sich aus dem Land zurückzog, habe sie Nee eine Reihe von kirchlichen Gebäuden übergeben und so bewiesen, daß »sie im politischen Denken eines Sinnes« mit Nee waren.
Lange vor der Befreiung habe Nee unter dem Deckmantel der Religion eine konterrevolutionäre Bewegung geplant und organisiert. In seiner Rolle als Gründer der christlichen Gemeinden und mit Hilfe seiner Reaktionärsclique habe er den Plan gefaßt, China zu erobern. In Schulungskursen für seine Mitarbeiter habe er durch Vorträge, Predigten und bei Diskussionen seine subversive Tätigkeit verfolgt. Er habe die Christen aufgefordert, sich dem großen Unternehmen der nationalen Befreiung zu widersetzen, statt dessen zu fasten und zu beten, damit Gott die Volksbefreiungsarmee im Jangtse ertränke wie einst das Heer des Pharao im Roten Meer.
Er habe die Landreform angegriffen. Und doch habe er vor ihrer Einführung eine eigene Landreform unternommen, indem er der Kirche seinen ausgedehnten Besitz in Futschou übergeben habe. Doch sei dies nur ein Deckmantel für seine kriminelle Tätigkeit gewesen, deren schmerzlicher Einfluß noch immer zu spüren sei.
Zu einer Zeit, da China sich unter der Führung Maos auf dem lichten Pfad zum sozialistischen Aufbau befand, lehrten Nees Genossen, daß es sich um die in der Bibel erwähnten »letzten Tage« handele. Sie hatten das Volk demoralisiert, indem sie zum Beispiel die große Flutkatastrophe in Wuhan einem Gottesgericht zuschrieben.
Die Jugend sei durch die bösartigen Ratschläge Nees und seiner Anhänger verdorben worden. Manch junger Mann, manch junges Mädchen sei verlockt worden, sich einer Schulung zu unterziehen, »um dem Herrn zu dienen«, und hätte dann nur harte und demütigende Arbeit erhalten. Er habe der Jugend abgeraten, sich der Volksbefreiungsarmee anzuschließen, und sie gelehrt, »die Welt nicht zu lieben«. Darin sei er einfach unaufrichtig gewesen, denn was er wirklich liebte, sei die unglaubwürdige Welt von Tschiang Kai-scheks Banditen.
Nee und seine Clique hätten Kuomintang-Agenten beherbergt: Untergrundarbeiter, Generäle, entflohene Großgrundbesitzer, und hätten sie in den christlichen Gemeinden als Prediger, Älteste und Diakone eingesetzt, wo sie ihn in seiner subversiven Tätigkeit unterstützten. 1950 seien die Gläubigen ermahnt worden, in ihrem Eifer beim Straßenbau die Nicht-Christen auszustechen, doch nur, um auf diese Weise seinen geheimen Plan weiterzutreiben. Einige dieser »Untergrundarbeiter« wurden namentlich genannt: Chen Lu-sand, ein »früherer Polizeichef und konterrevolutionärer Bandit«, Lu Shih-kuang, »dessen Hände vom Blut des Volkes triefen«, Li Yin-shin und viele andere. (Sicher waren einige dieser Männer früher Beamte im Nationalstaat gewesen, ehe sie ihr Leben Gott übergaben.) Törichterweise habe Nee angekündigt, daß er China in fünfzehn Jahren für das Evangelium gewinnen wolle, das besser als der Kommunismus sei. Und diese Evangelisationsbewegung sei ein guter Deckmantel für seine politische Propaganda gewesen.
Der schamloseste Akt sei der Feldzug im April 1948 gewesen mit der Aufforderung an die Christen, dem Beispiel der Apostelgeschichte zu folgen und ihren Besitz um des Evangeliums willen Gott zu übergeben und nicht den Kommunisten. Dieser Feldzug habe sich wie ein Buschfeuer verbreitet und schätzungsweise 500000 Dollar erbracht. Natürlich habe Nee dies Geld für sein konterrevolutionäres Programm gebraucht.
Schließlich, um auch schlichte, gottesfürchtige Gläubige zu überzeugen, wurde Nee angeklagt, ein »liederlicher Vagabund« zu sein, der ein »zügelloses Leben« geführt habe und häufiger Gast in den Bordellen gewesen sei. Er habe bekannt, so wurde behauptet, daß er über hundert Frauen verführt habe, chinesische und ausländische. Für diese Behauptung blieben sie den Beweis schuldig.
In dem Saal in der Nanyangstraße, in dem Watchman die Gemeinde im Gebet geleitet und ihr das Wort Gottes ausgelegt hatte, schleppte sich die Aufzählung seiner »Verbrechen« dem Ende zu. Der Vorsitzende Lo Cu-feng rief den Vizebürgermeister von Schanghai auf, die Hauptansprache zu halten. Hsu Chienkuo stand auf. Nachdem er auf die Einzelheiten von Nees Verhaftung im April 1952 anspielte, die bis dahin nicht bekannt waren, fuhr er fort, über die Regierungspolitik in Sachen Religion zu sprechen.
»Die Volksregierung garantiert die Freiheit des religiösen Glaubens«, versicherte er. »Das Problem, das uns heute beschäftigt, sind die Konterrevolutionäre, die in den christlichen Gemeinden versteckt sind. Die Opposition, die Nee und seine Bande gegenüber der staatlichen religiösen Bewegung zeigen, kommt nicht aus religiösen Motiven. Sie hat ihren eigenen verborgenen Zweck. Religion ist Religion, und Glaube ist Glaube. Man darf sie nicht mit seiner eigenen konterrevolutionären Anschauung vermischen oder als Deckmantel benutzen, hinter dem man das Gift des Hasses im Volk sät. Jeder Christ sollte aktiv daran teilnehmen, die Verbrechen der verhafteten Männer aufzudecken.
Über die Haltung vieler anderer Gemeindeglieder haben wir noch ernste Zweifel. Aber wir befassen uns noch nicht mit ihnen, um zu sehen, ob sie bereuen und eine neue Haltung an den Tag legen werden. Durch unsere Nachforschungen in den letzten Jahren haben wir eine Menge Informationen, die wir, wenn nötig, benutzen werden. Wer diese Warnung in den Wind schlägt, muß die Folgen tragen. Der Kampf hat erst begonnen. Wir werden nicht ruhen, bevor der Sieg unser und auch die kleinste Wurzel konterrevolutionärer Ideen aus der ›Kleinen Herde‹ ausgemerzt ist.«

Nach der Rede des Bürgermeisters erhob sich ein Medizinstudent. Er gehörte zur Gemeinde und hielt eine Ansprache voller Denunziationen. Andere, die auch zu sprechen suchten, wurden auf eine spätere Gelegenheit vertröstet.
Ein alter Schulfreund und Mitarbeiter Watchmans betonte, daß die Anklagen nicht religiöser, sondern politischer und moralischer Natur waren. »Es ist ein Ding, als Christ zu leiden; und es ist etwas ganz anderes, als Verbrecher zu leiden für Sünden, die man nicht begangen hat.«

Am 1. Februar erschien in der Presse eine offizielle Bestätigung von Watchmans Verhaftung am 10. April 1952 und daß er nun mit zwei weiteren Gefangenen, Chang Tzu-chieh und Ni Hongtsu, im Gefängnis von Schanghai einsaß. Chang war Mitarbeiter in Tsingtau und Hong-tsu, Watchmans dritter Bruder, das achte Kind der Familie. Er war ein alter Agent Tschiangs und verstand sich selbst nicht als praktizierender Christ. Man hatte ihn mit dem Versprechen, seine zerrütteten Finanzverhältnisse zu ordnen, von Hongkong nach Schanghai gelockt. Hier wurde er als Verräter hingerichtet. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die politische Agententätigkeit des einen Bruders den anderen belasten sollte, um auf diese Weise den Vorwürfen, die man gegenüber Watchman erhob, Nachdruck zu verleihen.

Am 2. Februar denunzierte Bischof Robin Chen Watchman in einem Artikel, in dem er offen seine Genugtuung darüber äußerte, daß dieser harte Block beiseite geräumt worden war. Am selben Tag führte er den Vorsitz bei einer großen Versammlung der Drei-Selbst-Bewegung. Etwa ein Dutzend Geistliche und Kirchenführer sprachen und priesen Mao und die kommunistische Partei wegen ihres Kampfes gegen Nee und seine Gruppe. Das sei »vollkommen korrekt und unbedingt notwendig« gewesen. Diese »reißenden Wölfe in Schafspelzen« verdienten die schwerste Bestrafung. Die Versammlung verfaßte eine Resolution, in der sie gegen die Sünden dieser Landesverräter Stellung nahm. Eine Frau beschrieb Nee in ihrer Ansprache als »antirevolutionären liederlichen Menschen und schamlosen Ehebrecher«. »Wir Frauen konnten ihn nur hassen.«

Am nächsten Tag erschien in einer Schanghaier Zeitung eine Karikatur auf den Feldzug der »Kleinen Herde« »Gebt Gott, was Gottes ist«. Sie zeigte zwei Stockwerke eines Hauses. Im oberen Stock drängten sich die Leute um einen maskierten Mann, der auf einer Trittleiter saß und sie aufforderte, ihren Besitz in einen großen Trichter zu werfen, der die Aufschrift trug: »Gebt Gott, was Gottes ist.« Alle Arten von Gaben wurden hineingetan bis hinunter zu dem Hemd, das ein Kuli auszog, und dem Jäckchen eines weinenden Kindes. Im unteren Stock war der Trichter anders beschriftet: »Für die Arbeit der Konterrevolution.« Aus ihm strömten Gold und Silber, Armbanduhren, Schmuck und Geldscheine und häuften sich zu Füßen Watchmans, der, mit einer Prostituierten auf dem Schoß, entspannt dasaß und den ganzen Segen entgegennahm.
Durch solche gezielten Angriffe wollte man Watchman aus den Herzen der Gläubigen reißen. Nur wenige wagten es noch, seinen Namen auszusprechen, aber im Stillen unterstützten ihn viele Christen in ganz China, indem sie für ihn beteten.

Die Pastoren und Evangelisten in Schanghai wurden nun aufgefordert, vom 5. Februar an kleine Studiengruppen einzurichten, um die Christen über die »Verbrechen von Watchman« zu informieren. In der Nanyangstraße wurden mit Ausnahme des Sonntagsgottesdienstes alle Veranstaltungen abgesagt, um diese Schulung durchzufahren.

Der »Himmlische Wind« widmete am 6. Februar dem Fall Nee elf Seiten. »Treibt die grausamen Wölfe aus der Kirche«, stand da zu lesen. »Sie sind eine Gefahr für die nationale Erneuerung, für die soziale Ordnung, die Wohlfahrt des Volkes; sie untergraben die nationale Sicherheit. Ihr Dasein in den christlichen Kirchen bringt den Namen des Herrn in Verruf, schändet die Kirche und verfälscht die Wahrheit des Evangeliums. Sie sind sehr clever und sprechen gern über Heiligung. Ihre Aktionen aber sind weit davon entfernt, und das Leben Watchmans ist nicht mehr zu revidieren. Brüder und Schwestern, wir freuen uns, daß diese Bande unserer geliebten Kirche nichts mehr anhaben kann.«

Am 29. Februar berichtete das Blatt über eine weitere große Anklageversammlung, die von mehr als 3000 Angehörigen der »Kleinen Herde« besucht wurde. Sie sollten der Ernennung von vierzehn neuen Führern ihre Zustimmung geben, die, von der Regierung bestimmt, an die Stelle der Gefangenen treten sollten. Diese Versammlung stand unter einem noch stärkeren emotionalen Druck als die vom 30. Januar. Der Bericht über diese Versammlung im »Himmlischen Wind« nahm fünfzehn Seiten ein. Er war überschrieben: »Nun bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei.«

Eine große Zahl von Abgeordneten aus der »Kleinen Herde« besuchte die zweite nationale Konferenz der Chinesischen Christlichen Kirche in Peking vom 15. bis zum 23. März 1956. Hier gab der Vorsitzende der Drei-Selbst-Bewegung, Y. T. Wu, einen Bericht über die Fortschritte, die seit der letzten Konferenz im Jahre 1954 erreicht worden waren. »Zu diesem Zeitpunkt«, sagte er, »gerade als wir voller Vertrauen vorangingen, widersetzte sich eine kleine Gruppe unserer Bewegung unter dem Vorwand, daß es sich um eine ›Glaubensfrage‹ handele, und störte so unsere Einheit. Während der nationalen Kampagne 1955/56 wurden einige in der Kirche versteckte Gegenrevolutionäre entdeckt. Unter dem Deckmantel der Religion betätigten sich diese Männer als Spione, verbreiteten Gerüchte und behinderten den Feldzug des chinesischen Volkes. Innerhalb der Kirche benutzten sie den ›Glauben‹ als Vorwand, um sich der Drei-Selbst-Bewegung zu entziehen; mit einem religiösen Slogan suchten sie ihre Mitchristen zu verwirren, die Jugend zu verderben und die Einheit der Christen zu verhindern. Sie sind entlarvt; dieses Hindernis ist hinweggeräumt. Heute sind alle Christen vereinigt, auf einer breiteren und festeren Grundlage als je.«

Den Abgeordneten der »Kleinen Herde« wurde bald Gelegenheit gegeben, ein öffentliches Bekenntnis abzulegen und sich in die Bewegung einzureihen. In einer späteren Ansprache stellte der Anglikaner Dr. Tsui fest:
»Der Älteste Yen Chia-le aus der ›Kleinen Herde‹ in Peking und Fräulein Hsu Ma-li aus der ›Kleinen Herde‹ in Schanghai haben auf dieser Konferenz Beschuldigungen vorgebracht. Wer wurde jemals gezwungen, Anklage zu erheben? Wir konnten einfach nicht anders, als solche Gelegenheiten ergreifen, um diese Vertreter des Imperialismus bloßzustellen und anzuklagen, wenn wir ihre furchtbaren Verbrechen erkannten.« Er sprach von den »verborgenen Wolfsklauen unter dem Schafpelz« jener, die der Westen »tapfere christliche Führer« nennt.

Konferenzen in den einzelnen Provinzen folgten. Für die Provinz Tschekiang wurde sie in Hangtschou abgehalten, wo Watchman und Charity einst ihre Hochzeit feierten. Als Gelegenheit zum Sprechen gegeben wurde, waren die Mitglieder der »Kleinen Herde« besonders eifrig, sich von ihrer früheren Haltung zu distanzieren und ihren eingekerkerten Führer zu exkommunizieren.

In der Provinz Anhwei wurde im März offiziell berichtet, daß »so viele wie möglich von denen, die unter Watchman Nees weitreichendem Einfluß gestanden hatten, umgeschult wurden und man den Rest verhaftete«.

Mitte April war die Umerziehung der Gemeinde in der Nanyangstraße beendet. Ihren formellen Eintritt in die nationale Kirche vollzog sie am 15. April bei einer Zusammenkunft mit Vertretern der anderen Kirchen. Die Diskussionsthemen bei diesem Treffen lauteten: »Die Klärung unseres Glaubens« und »Wie man an der nationalen Bewegung teilnehmen soll«. Die Kirche beugte sich dem »Volksbegehren« und verkündete öffentlich ihre »Wiedergeburt«. Damit war die ganze protestantische Kirche in China unter einer einzigen Autorität vereinigt.

Später allerdings klagte ein Reporter im »Himmlischen Wind«: »Eine kleine Zahl von Brüdern und Schwestern, die durch das antirevolutionäre Gift sehr beeinflußt waren, fühlt sich noch immer unbehaglich und stimmt in ihrem Gewissen nicht zu. Für sie hängt diese Frage mit dem Glauben zusammen.«
So machte sich die Regierung daran, auch die letzten Schlupflöcher zu verstopfen. Alle Bibelund Gebetsstunden in Privathäusern wurden verboten. Unabhängige Evangelisten und Prediger wurden verfemt. Die Religionsfreiheit wurde laut proklamiert, doch sie stand unter staatlicher Kontrolle.
Nee blieb während dieser Zeit für die Öffentlichkeit verschwunden. Am 21. Juni 1956 erschien er dann in Schanghai vor Gericht. Wie zuvor und wie in allen solchen Fällen, handelte es sich nicht um einen öffentlichen Prozeß, sondern nur um eine öffentliche Verurteilung. Sie dauerte fünf Stunden. Dabei wurde verkündet, daß er von seiner eigenen Kirche exkommuniziert sei. Er wurde aller Anklagen für schuldig befunden und unter Anrechnung der vier Jahre Untersuchungshaft zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt, »zur Umschulung durch Arbeit.

19. Unterdrückung

Als der Sturm in Schanghai ausbrach, im Januar 1956, gehörte Charity zu denen, die man »haben wollte«. Doch sie befand sich unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus, da ihr Augenlicht bedroht war, und sie war zu krank, um die Anklageversammlungen zu besuchen oder das verlangte Bekenntnis abzulegen. Und im Juni, zur Zeit von Watchmans Verurteilung, war auch sie im Gefängnis. Bei Jahresende war ihr Geständnis immer noch nicht ausreichend.

1957 wurde sie wieder entlassen. Es war der Anfang ihrer langen einsamen Zeit. Sie wohnte in einem Zimmer in der Nähe der Medizinschule. Nur wenige wagten es, sie zu besuchen. Es verlangte großen Mut, das offen zu tun, denn sie war als »verbrecherische Reaktionärin« abgestempelt und hatte die bürgerlichen Rechte verloren; die Verbindung mit ihr konnte gefährlich werden. Ihre Nachbarn sprachen kaum mit ihr. Hin und wieder suchte ein christlicher Student oder einer der Gläubigen sie auf, doch gewöhnlich nach Einbruch der Dunkelheit, um unerkannt zu bleiben. Sie vermieden es, ihren Mann zu erwähnen, statt dessen sprachen sie über Jesus, den Herrn, und hatten Gebetsgemeinschaft mit ihr. Die Besucher verließen sie immer gestärkt und überrascht von ihrer Kraft und Ruhe, denn sie verfügte über beachtliche innere Reserven.

Ein Gefangener, der seine Strafe verbüßte, konnte einen Verwandten als Besucher empfangen, und so wurde es Charity endlich nach fünf Jahren erlaubt, Watchman zu sehen. Sie durchquerte die Stadt, ihr Ziel war das frühere internationale Viertel, wo das weitläufige Gefängnis am Suchow-Bach lag. Ihre Unterredung fand unter Aufsicht in einem Saal statt, in dem eine Barriere sie trennte, und dauerte eine halbe Stunde. Die Erlaubnis dazu konnte monatlich erneuert werden. Ebenfalls monatlich konnte Watchman je einen unter strenger Zensur stehenden Brief absenden und empfangen.

Das Gefängnis mit seinen häßlichen grauen Mauern hatten die Engländer im Jahre 1913 erbaut. Watchmans Einzelzelle maß drei mal anderthalb Meter. Als einzige Einrichtung gab es eine Holzplattform auf dem Fußboden zum Schlafen. Vor den Zellen zog sich eine etwa siebzig Meter lange Galerie hin, auf die die Zellenfenster hinausgingen.

Der Tag teilte sich in acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schulung und acht Stunden Nachtruhe. Wegen des Ungeziefers war es schwer, Schlaf zu finden. Watchman stand um fünf Uhr auf, um sich mit der Schar verlorener Männer zur Arbeit in die Gefängnisfabrik zu begeben oder zur Übung in einen der kahlen Innenhöfe. Es gab keine Gefängniskleidung, und so trugen die Gefangenen ihre eigene, meist abgetragene und zerrissene Kleidung. Wenn einer fleißig war, bestanden seine Kleider aus einer Anhäufung von Stopfen und Stichen.
Die drei Mahlzeiten am Tag wurden von den weiblichen Gegangenen zubereitet: eine war kräftig (für die Arbeit), eine leicht (für die Schulung), und die dritte bestand aus Haferschleim. Obwohl es frisches Gemüse und gelegentlich auch Fleisch gab, lebten die Häftlinge gerade ein wenig über dem Existenzminimum. Gelegentlich gestattete man ihnen ein heißes Bad und alle vierzehn Tage einen Haarschnitt. In der bitteren Winterkälte und ohne Heizung mußten sie viele Kleider übereinander ziehen, um überhaupt am Leben zu bleiben.

Als »Krimineller« erhielt Watchman dieselbe Schulung wie die politischen Häftlinge. Sie besuchten Vorlesungen über Politik, Tagesereignisse und Produktionstechniken. In jeder Abteilung gab es eine Bücherei und Zeitungen, und es wurden Diskussionen veranstaltet, Theatergruppen gebildet und Filme gezeigt. Einen großen Teil des Tages wurden sie über Lautsprecher mit politischer Propaganda gefüttert.

Als jenseits der Grenze bekannt wurde, unter welchen Umständen Watchman lebte, sandten die Gläubigen aus Hongkong kleine Mengen Nahrung, Kleidung und Seife (die streng rationiert war) an Charity, und es gelang ihr, ein wenig davon ins Gefängnis einzuschmuggeln. Man gestattete Watchman Schreibmaterial, und ein Teil seiner »Umerziehung durch Arbeit« bestand darin, daß er wissenschaftliche Bücher und Artikel aus dem Englischen ins Chinesische übersetzte, die für die Regierung wichtig waren. Für diesen Zweck konnte er auch anerkannte Bücher anschaffen, und später wurden einmal zwei Bände eines medizinischen Lexikons in Hongkong für ihn gekauft. Doch es ist ziemlich sicher, daß ihm nie erlaubt wurde, eine Bibel bei sich zu haben. Hier war er allein auf sein erstaunliches Gedächtnis angewiesen.

Im Sommer 1956 gab es mit dem Beginn der »Laßt-hundert-Blumen-blühen«-Kampagne eine gewisse Entspannung. Doch ein Jahr später, zur Zeit von Charitys Entlassung aus dem Gefängnis, folgte die Phase des »Blühens und Sich-Behauptens« mit ihrem harten Kampf gegen alles freiheitliche Denken. Trotzdem fand eine Studentin, die 1957 die Versammlung in der Nanyangstraße besuchte, mutige Christen, die verkündigten: »Der Herr ist meine Kraft und mein Lobgesang und mein Heil.« Sie erlebte einen Gottesdienst am Sonntagmorgen, das Abendmahl am Nachmittag und am Abend eine Zusammenkunft für junge Leute. Im Juli fand dort auch eine fünftägige Studentenkonferenz statt. In jenem Sommer gab es ein weit verbreitetes christliches Erwachen unter den Studenten in ganz China, das unter anderem vermutlich durch die Schriften Wang Ming-taos und Watchman Nees hervorgerufen wurde. Damals begannen viele Studenten, große Abschnitte der chinesischen Bibel auswendig zu lernen.
Im November wurde das erste Buch Watchmans im Ausland, in Bombay, gedruckt: »Das normale Christenleben.« Wahrscheinlich hat er nie erfahren, wieviel Frucht seine Bücher außerhalb Chinas brachten.

Im Januar 1958 proklamierte Mao Tse-tung den »Großen Sprung« mit dem Ziel, »schneller, besser und ökonomischer« zu produzieren. Seine unfehlbaren Gedanken begannen das Volk zu beherrschen. Die Parteikader interpretierten und prägten sie dem Volk ein, und so begann es über die gewöhnliche Zeit hinaus und unter Anspannung aller Kräfte zu arbeiten. Das Pflanzen von Reis, das Schmelzen von Roheisen im Hinterhof bekam den Rang nationaler Würde. Die Leute arbeiteten bis zur Erschöpfung, und so ließ der Kirchenbesuch nach.

Ebenfalls Anfang des Jahres hatte ein Feldzug zur sozialistischen Umschulung der Pastoren begonnen. Sie sollten als Glieder der ausbeutenden Klassen, als »Parasiten«, gebrandmarkt und zur produktiven Arbeit herangezogen werden. Der »Himmlische Wind« war voll von Berichten über die schlimmen Dinge, die man entdeckt hatte, wie Glaubensheilungen oder Dämonenaustreibungen; damit habe der Imperialismus sein Haupt wieder erhoben. Und hinzu kamen die meist jeder Grundlage entbehrenden Anschuldigungen wegen Unmoral. Listen wurden aufgestellt von Pastoren, die ins Gefängnis oder zur Arbeit in die Bergwerke geschickt wurden. Viele christliche Führer, die die anfängliche Strategie der Partei für ihr letztes Ziel gehalten und sich an den Denunziationen beteiligt hatten, wurden nun selber denunziert.

Daneben lief ein Feldzug zur Vereinigung der Gottesdienste. Überall wurden die Versammlungen zusammengelegt, und so wurden viele Kirchen für weltliche Zwecke frei. Im September waren in Peking aus 64 Gemeinden vier geworden, und in Schanghai blieben von 150 noch zwanzig übrig. In der Versammlungshalle in der Nanyangstraße wurde eine Fabrik untergebracht. Zur Zwangsreform der »Kleinen Herde« gehörte die Abschaffung der Frauenversammlungen und des wöchentlichen Abendmahlsgottesdienstes. Die Lieder wurden vereinheitlicht und mußten durch ein Komitee gebilligt werden. In allen Kirchen war es verboten, über das Jüngste Gericht und die Wiederkunft des Herrn oder die Vergänglichkeit dieser Welt zu predigen.
Vielmehr sollten die Vereinigung der Kirchen und der Sozialismus gelehrt werden. Alle Bibelkommentare wurden geprüft und nur solche, die keine gefährlichen Gedanken enthielten, zugelassen. Gebäude, kirchliches Eigentum, Bankguthaben mußten der patriotischen Bewegung übergeben werden.

Im Innern des Hauptgefängnisses, wo der Produktionszwang genauso hart wie draußen war, stieg ein heller Lobgesang zu Gott auf. Ein Gefangener, der in einem andern Block untergebracht war und im Sommer 1958 entlassen wurde, berichtete, daß man aus Watchmans Zelle häufig geistliche Lieder hörte. Er hatte eine angenehme Baritonstimme, und morgens, ehe die Lautsprecher einsetzten, war Zeit für vier oder fünf Lieder. Er hatte viele Lieder selbst verfaßt und andere ins Chinesische übersetzt, und nun hörten ihn die Gefangenen – eine Geschichte wie im ersten Jahrhundert.

Ruth Lees und Peace Wangs Prozeß fand im Sommer 1958 statt. Sie hatten sich standhaft geweigert, Watchman anzuklagen, und wurden beide zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Unter harten Bedingungen mußten sie Stoffschuhe anfertigen. Auch Dr. Yu hatte der Versuchung widerstanden, Watchman zu denunzieren, selbst als seine Frau und sein Sohn zu ihm geschickt wurden und ihm auftragsgemäß die Freiheit als Gegenleistung anboten. Er erkrankte dann an Krebs und war zu krank, um bei seinem Prozeß zu erscheinen. Ein wenig später, nachdem er auf Ehrenwort entlassen war, starb er in einem der früheren Büroräume in Wen Teh Li, bis zum Ende standhaft im Glauben.

Zu Neujahr 1959 gab es keine Feuerwerkskörper und keine bunten neuen Kleider. Der »Himmlische Wind«, die letzte überlebende christliche Zeitschrift, beschränkte sich nur noch auf Propaganda-Artikel. Die durch die Produktion voll ausgelastete Bevölkerung wurde ermahnt, »ihr Herz der Partei zu übergeben«. Aber als im Mai 1960 drei chinesische Bergsteiger eine kleine Gipsbüste von Mao Tse-tung auf dem Gipfel des Mount Everest aufstellten, befand sich China schon in der Wirtschaftskrise. Schlechte Planung und Naturkatastrophen kamen zusammen, die Lebensmittel mußten rationiert werden, und in vielen Gebieten herrschte Hungersnot. Maos »großer Sprung nach vorn« verkehrte sich in das Gegenteil. Natürlich herrschte auch in den Gefängnissen der Hunger. 1962 wurden zwei bejahrte und sehr gebrechliche Älteste der »Kleinen Herde« entlassen, nachdem sie zehn Jahre Haft verbüßt hatten. Sie berichteten, daß Watchman keine hundert Pfund mehr wöge.

Achtzehn Monate später wurde er mit einem Koronarschaden ins Gefängnishospital eingeliefert und für eine Weile von der körperlichen Arbeit befreit. Man erlaubte, daß in Hongkong Medizin für ihn gekauft wurde.

Im Juni 1966 brach die große proletarische Kulturrevolution aus. Sie überraschte selbst die scharfsinnigsten Beobachter, die nicht weit ab vom Schauplatz waren. Am 18. August erhielten die studentischen Roten Garden bei einer Massenparade in Peking den Segen Mao Tse-tungs, »unseres großen Lehrers, Führers, obersten Befehlshabers und Steuermanns«. Mit seinen »Worten« bewaffnet, griffen sie die Führer der Nation als »bourgeoise Sowjet-Revisionisten« an. Die Fabriken wurden geschlossen, Schmähplakate bedeckten jede freie Wand, die Massen füllten die Straßen, es kam zu einer großen Säuberungsaktion.

Rote Garden erschienen auch im Stadtgefängnis, beschuldigten den Direktor des Revisionismus und besetzten das Gebäude. Als sie durch die Zellen und Vortragssäle stürmten, wurden sie gegen einige Insassen gewalttätig. Dabei wurde Watchman niedergeschlagen und brach sich den Arm.
Von jetzt an spielten die »Worte Maos« die Hauptrolle bei der Schulung der Gefangenen, und die Gefängnisbücherei wurde in der Auswahl der Bücher darauf abgestellt.

Im April 1967 waren Watchmans fünfzehn Jahre um. Die Gefangenen waren durch die Lautsprecher oft genug gewarnt worden: »Wenn du zu fünf oder sieben Jahren verurteilt bist und wir nach dieser Zeit nicht zufrieden mit deiner Umwandlung sind, wird man dir weitere fünf oder sieben Jahre geben.« Viele Freunde in der ganzen Welt beteten um die Freilassung Watchmans, und Charity erwartete sie zuversichtlich. Doch nicht alle waren so hoffnungsvoll. Watchmans ältere Schwestern in Hongkong und Schanghai wechselten Postkarten: »Ist der ältere Bruder zu Hause?« – »Der ältere Bruder ist nicht zu Hause.«

1967 wurden 86 Millionen Exemplare der »Ausgewählten Werke« Mao Tse-tungs verteilt, 350 Millionen des »Kleinen Roten Buches« und 100 Millionen der »Ausgewählten Lesungen« und der »Gedichte«. Es wurde jetzt gefährlich, eine Bibel zu besitzen.

Dreizehnmal in dreizehn Monaten wurde Charitys kleines Heim von den Roten Garden durchsucht, ihre Habseligkeiten durchwühlt und alles Christliche lächerlich gemacht oder vernichtet. Am Ende war sie wie viele andere in einem akuten Angstzustand, der sich zu einem völligen Zusammenbruch steigerte. Obwohl die Gläubigen alles taten, um sie zu unterstützen, konnte nur Gott ihr durch diese Zeit helfen. Von jetzt an hörten alle Gottesdienste auf, und den wenigen Geistlichen, die es noch gab, wurde befohlen, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren. Alle religiösen Gebäude wurden säkularisiert und an ihre Mauern Plakate mit antireligiöser Propaganda geklebt. »Himmlischer Wind« stellte sein Erscheinen ein.

Im September erhielten die Ältesten der Gemeinde in Hongkong Nachricht, anscheinend von hohen Beamten der Volksrepublik, daß Watchman und Charity China verlassen dürften, wenn eine beträchtliche Geldsumme in U.S.-Dollar bei der Hongkonger Zweigstelle der Bank von China hinterlegt würde. Watchman war so beliebt unter den chinesischen Gläubigen in Südostasien, daß das Lösegeld sehr schnell zusammenkam und auf die Bank gebracht wurde. Doch zu Beginn des Jahres 1968 kam aus derselben amtlichen Quelle die Nachricht, daß der Handel abgeblasen war. Die Summe wurde voll zurückgezahlt.

Wenn man annimmt, daß das Angebot ehrlich gemeint war und daß Watchman davon hörte, so war es ihm gewiß erlaubt, sich so oder so zu entscheiden. Darauf läßt ein eigenhändiger Brief schließen, den ebenfalls im September ein Flüchtling nach Hongkong brachte. Darin versichert Watchman, daß er guten Mutes und bei guter Gesundheit sei. So nehmen seine jungen Mitarbeiter, die ihm am nächsten standen, an, daß er diesen Vorschlag selbst ablehnte. Das ist wahrscheinlich.

Er hielt an den Prinzipien fest, daß es richtig sei, auf neutralen Gebieten – Studium, Arbeit, Übersetzungen – mit der Regierung zu kooperieren, um zu beweisen, daß Christen loyale Chinesen sind. Damit hoffte er das Los der anderen zu erleichtern, während seine Einwilligung in die Ausreise nach Hongkong als Kompromißbereitschaft verstanden werden mußte und sie belastet haben würde.

Aber da spielte noch etwas anderes mit. Er befand sich ja nicht in den Händen von gewissenlosen Menschen, sondern in Gottes Händen. Die Menschen wußten, daß seine Verbrechen erfunden waren. Aber das war ihre Sache. Was galt, war, daß Gott auf seine Weise handelte und daß Gott sagen konnte: »Ich segne dich«.

Früh schon hatte Watchman die Lektion Jakobs am Jabbok gelernt, den Gott da anrührte, wo er stark war, und ihn an dieser Stelle zum Krüppel machte, damit er durch diese Erfahrung die immer neue Kraft Gottes entdeckte. Wenn er schwach ist, dann ist er stark in Gott. »Ich kann dich nicht festhalten, aber ich kann dich bitten. Ich habe keinen Glauben und kann kaum beten, und doch glaube ich!« Und wenn das so ist, dann muß Gott, weil man sich auf ihn verläßt, handeln. Watchman dachte nicht daran, diese Schule zu verlassen. »Wir bleiben immer Schüler«, hatte er in Wen Teh Li gesagt, »aber jeder kommt einmal an den Punkt, an dem er diese grundlegende Lektion lernen muß. Dann ist plötzlich alles anders. Von da an bekommen wir eine Erkenntnis Gottes, die über allem steht, was wir erträumt haben.« Ich erinnere mich, daß er bei einem gemeinsamen Essen einen Keks zerbrach und dann die beiden Hälften aneinanderhielt. »Er sieht aus, als wäre er ganz«, sagte er mit einem Lächeln, »aber er kann niemals mehr so sein, wie er war. So geht es dir auch. Bei der leisesten Berührung Gottes wirst du dich vollkommen verändern.«

Watchmans innerer Friede entsprang einem Gefühl des Geführtseins, das in diesem Leben vielleicht Gottes größte Gabe an einen Menschen ist. 1949 war er von Hongkong nach Schanghai in der Überzeugung zurückgekehrt, daß Gott eine Aufgabe in dem neuen China für ihn hätte. Und es war dann ganz folgerichtig, wenn er auch jetzt spürte, daß Gott ihn brauchen würde und daß er deshalb bleiben sollte, was immer auch geschähe. »Nichts hindert uns so wie die Unzufriedenheit mit unseren Umständen. Die Voraussetzung für jeden Start ist Ruhe, aber es gibt eine besondere Ruhe, die wir dann entdecken, wenn wir wie Jesus sagen lernen: ›Ich danke dir, Vater, denn es ist gut in deinen Augen. Gott weiß, was er tut, und es gibt nichts Zufälliges im Leben eines Gläubigen. Und nur Gutes kann denen geschehen, die ihm ganz gehören.«

»Zu was sind wir berufen? Nicht zum christlichen Werk, sondern in den Willen Gottes, zu sein und zu tun, was ihm gefällt. Gott hat den Weg jedes Christen schon vorgezeichnet. Und wenn wir am Ende eines Lebens mit Paulus sagen können: ›Ich habe meinen Lauf vollendet‹, dann sind wir tatsächlich gesegnete Leute. Die alttestamentlichen Heiligen dienten ihrer eigenen Generation und gingen davon. Die Menschen gehen, aber der Herr bleibt. Gott selbst nimmt seine Arbeiter hinweg, aber er gibt neue. Unsere Arbeit leidet, seine niemals. Er bleibt Gott.«

20. Die letzten Jahre

Watchman wurde durch die Verbreitung seiner Schriften in den sechziger Jahren auch im Westen bekannt, und dies führte dazu, daß an vielen Orten für die Christen in China gebetet wurde. Dieses Interesse war neu und ohne Beimischung des früheren Argwohns, mit dem man das Eindringen der Ideen Watchman Nees in andere Missionswerke beobachtet hatte. Offensichtlich fühlten seine westlichen Leser die Besonderheit dieses chinesischen Zeugnisses heraus, dem sie sich mehr verbunden fühlten als den orientierungslosen westlichen Missionen. Ein zu Herzen gehendes Eingeständnis für diese Unfähigkeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen, machte ein anglikanischer Missionar aus Fukien. Er beschrieb die »Kleine Herde« als eine echte und sich ausweitende Gemeinschaft und räumte ein, daß solche Bewegungen »ihren Ursprung in unseren eigenen Irrtümern haben«.
Den tragischen Gegensatz zwischen Ordnung und Freiheit des Geistes »würde es nicht gegeben haben, wenn wir ihn nicht nach China exportiert und unsere westlichen nachmittelalterlichen christlichen Traditionen dort verbreitet hätten«. Ein chinesischer Beobachter im Westen sah in der Einstellung der ausländischen Missionsarbeit die Voraussetzung für eine reichere evangelikale Zukunft.
»Nun kann mit einem neuen Typ missionarischer Bewegung in China gerechnet werden«, schreibt er. Würde dies eine Arbeit vom Typ der »Kleinen Herde« sein? Würde Watchman ein Mann dieser Zukunft sein?

Geboren in einem revolutionären Zeitalter und gewonnen für Jesus Christus, erkannte er die Notwendigkeit, ein eigenes Programm für Leben und Zeugnis zu entwickeln, das frei von fremden Bezügen in einem chinesischen Kontext stand und für das die Bibel als Quelle absolut genügte. Indem er sie wieder und wieder las, hoffte er, der Gefahr der Einseitigkeit zu entgehen, und er erwartete, daß sich die Probleme, die ein aus der Bibel aufgebautes Leben mit sich brachte, in der Begegnung mit dem lebendigen Christus, der ja ihr Thema ist, lösen würden. So wurde, um mit einem Missionar zu sprechen, die Bewegung, deren Führer er war, als eine Verkörperung eines ebenso radikal biblischen wie radikal chinesischen Evangeliums ungemein anziehend.

Sein Kirchenbegriff hatte einen schwachen Punkt. Dieser lag in dem Versuch, die Grundsätze, die er dem Neuen Testament entnommen hatte, direkt zu übertragen. So bestand er auf der geographischen Ortsgebundenheit der Kirchen: eine Stadt – eine Kirche. Dieser allzu statische Begriff hat diese Kirche denn auch schneller als nötig der staatlichen Kontrolle unterworfen. Im Gegensatz dazu wirkt zehn Jahre später seine Entdeckung der Auswanderungsbewegung im ersten Jahrhundert als echte Inspiration, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität halfen jenen, deren Bestimmung es war, schon sehr bald von den anderen isoliert zu werden. Als die Partei die Bevölkerung zu bespitzeln begann und auf diese Weise die Kirche zu liquidieren suchte, half dieses bewegliche Konzept dem Leben und Zeugnis der Christen zu ihrer eigentlichen Entfaltung. Das war die Kirche, deren Auftrag nicht das Überleben, sondern der Kampf war, während sie selbst im Feuer stand.
Aber der Hauptbeitrag Watchmans für das Überleben des Glaubens und lebendigen biblischen Denkens in China mag woanders liegen. In seine unvergeßliche Lehre vom Weg des Christen mit Gott hatte er sein eigenes Leben eingesät. Wenn das Weizenkorn stirbt, bleibt es nicht allein. Das Wort wird nicht leer zurückkehren, sondern es wird ausrichten, wozu es gesandt wurde. Wahrscheinlich hat jener Missionar recht, wenn er sagt: »Watchman Nee war von dem Herrn dazu bestimmt, die Wahrheiten des Evangeliums in den Blutstrom des chinesischen Volkes einzuimpfen. Seine Worte hafteten wie Kletten. Seine Bücher und Traktate tauchten überall auf. Und wenn jemand ein paar der einflußreichsten chinesischen christlichen Autoren nennen sollte, gab es kaum eine Möglichkeit, ihn auszulassen.«

Aber was kann Watchman Nee bewogen haben – wenn er tatsächlich die Möglichkeit einer Wahl hatte –, in China als ein zum Schweigen verurteilter »Krimineller« zu bleiben? Was mag die Botschaft seiner letzten Jahre gewesen sein?

Da ist zunächst seine Situation. Sie umreißt das, was Christentum überhaupt ist.
»Ihr werdet vor Obrigkeiten und Könige geschleppt werden um meinetwillen, um mich vor ihnen und den Heiden zu bezeugen« – das sagt Jesus den Zwölfen lange voraus. »Sorget euch nicht im voraus darum, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet! Denn nicht ihr seid es, die reden, sondern der Heilige Geist.« Das waren Erfahrungen der Apostel und das eigentliche Motiv des Paulus, den Kaiser anzurufen. Denn »was könnte nicht alles dabei herauskommen, wenn der Kaiser selbst hört, wie Paulus sich verteidigt! Wir können die Hoffnungen, die Paulus mit diesem Verfahren verband, gar nicht hoch genug ansetzen. Daß sie sich nicht verwirklichen ließen, können wir rückblickend verstehen, denn wir wissen mehr über Nero als Paulus im Jahre 59. Für Paulus war das Gefängnis keine Strafe für die Predigt des Evangeliums, sondern eine Plattform dafür.«
Die gleichen Erfahrungen haben andere Christen gemacht. Madame Guyon, deren Geschichte einen so wesentlichen Einfluß auf Watchmans frühere Jahre hatte, schrieb über ihr öffentliches Verhör unter Androhung des Schafotts 1688: »Unser Herr schenkte mir, was er seinen Jüngern versprochen hatte: Er gab mir Antworten, die weit besser waren, als wenn ich mich sorgfältig darauf vorbereitet hätte.« Damit wird die Evangelisationstätigkeit des gefangenen Apostels beschrieben.

Im Mai 1968 bat ein chinesischer Besucher in einer westlichen Hauptstadt um Asyl. Er erzählte den Behörden, daß er eine Zeitlang Aufseher im Schanghaier Gefängnis gewesen sei und durch Watchmans Zeugnis Jesus Christus als seinen Erlöser gefunden habe. Wenn dies einen Schluß darauf zuläßt, was chinesische Christen heute durch »das Wort ihres Zeugnisses« leisten – und das tut es tatsächlich –, dann müssen wir eine weitere Feststellung machen.

In seinen letzten Tagen pflegte Jesus das, was er früher den Zwölfen über das Zeugnis vor den Obrigkeiten gesagt hatte, auf die Gemeinde zu übertragen – auf uns. Nun hatte er zwischen die beiden oben zitierten Sätze eine Bemerkung eingeschoben, die wir gewöhnlich auf die Weltmission beziehen, daß nämlich »das Evangelium zuerst den Völkern gepredigt werden soll«. Das würde bedeuten, daß der eigentliche Ort für die Verkündigung des Evangeliums von Christus heute der Gerichtshof und Untersuchungsrichter ein offenes Ohr für das Zeugnis seines Opfers hat. Seine Rolle ist es zu fragen und nach Motiven und Gründen zu suchen. Er mag glauben, alle Karten in der Hand zu haben, aber vor Gott ist er ein verlorener und sterbender Mann. Der Gefangene dagegen, der weiß, was der Mensch braucht, ist in der idealen Situation, ihn mit »der Macht Gottes«, seinem Wort, zu konfrontieren.

Das heißt nicht, daß der Gefangene dem Gericht entgeht, selbst wenn es ungerecht ist. Jesus, unser Herr selbst, stand unter falschen Anschuldigungen, und er benutzte ein Gericht und eine Hinrichtung, um seine Richter, einen Mitgefangenen, seine Henker und das Volk zu dem Eingeständnis zu bringen, daß er ein schuldloser Mensch war. Wir sind nicht schuldlos. Und doch: »Wir werden bedrängt, in Zweifel versetzt, verfolgt, zu Boden geworfen, allezeit tragen wir das Sterben Jesu am Leibe herum, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.«

Die Gemeinschaft mit Christus, dem Überwinder, durch Teilhabe an seinem Triumph über den Tod – dieses Privileg war lange Zeit das Ziel Watchmans für seine Mitchristen. Der stürmische Symbolismus des Roten Drachens und der gebärenden Frau in der Offenbarung des Johannes hatte Watchman schon in den vierziger Jahren gefesselt. Dieses Kind und seine Flucht zum Throne Gottes war für ihn ein Bild der Auferstehung, da jene, die mit dem Bild gemeint waren, ihr Leben nicht liebten, selbst bis zum Tod. Nun mag man meinen, daß der chinesische Drachen wenig mit dem hellenistischen Symbolismus des Johannes zu tun hat. Doch für die chinesischen Gläubigen hat der Gedanke an einen enttäuschten Drachen – und einen roten – einen gewissen Reiz.

In einer Nachtsitzung erklärte der Premierminister Tschu En-lai den Gründern der »Chinesischen christlichen Drei-Selbstpatriotischen-Bewegung«, was die Partei unter Freiheit des christlichen Zeugnisses verstand. »Unter der Voraussetzung, daß Sie Ihre sozialen Aufgaben weiterhin wahrnehmen, erlauben wir Ihnen auch künftig den Versuch, Menschen zu bekehren. Sie und ich sind der Meinung, daß sich Wahrheiten durchsetzen werden. Wir denken, daß Ihr Glaube unwahr und falsch ist. Deshalb werden die Menschen, wenn wir Recht haben, Euch abweisen, und Eure Kirche wird zerfallen. Habt Ihr dagegen Recht, dann werden die Menschen Euch glauben. Aber da wir sicher sind, daß Ihr Unrecht habt, haben wir uns für die kommende Entwicklung vorbereitet.«

Das war die gnädige Eröffnung eines erbarmungslosen Planes, der aber schon beantwortet ist in der Versicherung Jesu an seine Kirche, daß selbst die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden. Wenn Jesus das sagt, dann hat er selbst für die Festigkeit dieser Pforten gesorgt. Und sicher ist dies der Grund, weshalb wir heute in China einen lebendigen christlichen Glauben erwachen sehen. »Der alte Aberglaube lebt wieder auf«, stellen die enttäuschten Wachhunde der Partei fest, und sie müssen es wissen.
Die offene Kollision ist unausweichlich. Christliches Leben kann nicht unsichtbar und nicht dauernd im Untergrund vor sich gehen. »Das Christentum ist keine Religion für einige Laien. Es ist sozial und an Gemeinschaft gebunden. Deshalb muß es den Kommunismus herausfordern.«

Im Januar 1970 wurde Watchman im Alter von 66 Jahren und nach achtzehn Jahren Schanghaier Gefängnishaft in eine offene Anstalt oder ein Arbeitslager auf dem Land verlegt. Dort vertrug er entweder das Klima nicht, oder die leichte Arbeit, die man ihm gab, wurde ihm zuviel. Seine Herzbeschwerden stellten sich wieder ein und machten ihm viel zu schaffen, und vermutlich wurde er deshalb für eine Zeit nach Schanghai zurückgebracht. Im nächsten Jahr ging es ihm besser.

Der Tag, an dem er zwanzig Jahre Haft hinter sich hatte, kam näher, und Charitys Hoffnungen regten sich wieder. Eines Abends im September 1971 brachte sie etwas in ihrem kleinen Heim an, womit sie Watchman bei seiner Rückkehr erfreuen wollte. Sie stand auf einem Stuhl, als sie plötzlich das Gleichgewicht verlor. Möglicherweise hatte sie einen leichten Schlaganfall. Sie fiel schwer zu Boden und brach sich mehrere Rippen. Freunde benachrichtigten ihre Schwester in Peking, die sie zuletzt vor Watchmans Prozeß gesehen hatte. Diese kam noch rechtzeitig zu ihr ins Krankenhaus, ehe sie starb. Gott hatte sein Kind zu sich genommen.

Nachdem diese Schwester für Charitys Beerdigung gesorgt hatte, besuchte sie Watchman in dem Arbeitslager, das etwas von der Stadt entfernt lag. Er hatte die Todesnachricht schon erhalten und litt unter dem Verlust. Sie hatten sich beide so auf ihre Wiedervereinigung im April gefreut. Die Schwester berichtete jedoch, daß er guten Mutes sei.

Was nun im Sommer 1972 eigentlich geschah, wissen wir nicht genau. Am 12. April waren zwanzig Jahre Haft um, das waren fünf Jahre über das Strafmaß hinaus, zu dem er verurteilt worden war. Zehn Tage später schrieb er seiner Schwägerin in seiner klaren, festen Handschrift. Er redete sie »Ältere Schwester« an und dankte ihr zunächst für einige Päckchen mit Geschenken.

»Ich habe Deinen Brief vom 7. April erhalten und ersehe daraus, daß Du meinen Brief, in dem ich die Sendung bestätigte, nicht bekommen hast. Alles, was Du aufzählst, habe ich erhalten, und ich bin Dir sehr dankbar.« Dann beruhigte er sie über seinen Zustand: »Du weißt, meine chronische Krankheit werde ich nicht los. Die Anfälle sind natürlich qualvoll, aber in der Zwischenzeit ist es nicht so schlimm. Die Heftigkeit der Anfälle wechselt und an Genesung ist nicht zu denken. Die Sommersonne gibt der Haut ein wenig Farbe, aber auf die Krankheit hat sie keinen Einfluß. Doch bin ich voller Freude, so beunruhige Dich bitte nicht. Ich hoffe, daß Du gut auf Dich aufpaßt und auch Dein Herz von Freude erfüllt ist.
Mit guten Wünschen Schu-chu.«
Er unterschrieb mit dem Kosenamen seiner Kindheit, den sie benutzten, als sie vor langer Zeit in Futschou zusammen spielten.

Sechs Wochen später befand er sich in der Provinz Anhwei. War die lange Reise dorthin zu viel für ihn? Gab es dort neue Entbehrungen? Wurde er als Intellektueller, der sich nicht gewandelt hatte und der keine bürgerlichen Rechte mehr besaß, schlecht behandelt? Oder verschlechterte sich sein Gesundheitszustand plötzlich? Wir wissen nichts Näheres.

Wir wissen auch Watchman Nees letzter Brief, datiert 22. April (1972) und unterschrieben mit dem Kosenamen seiner Kindheit: Schu-chu. Nicht, ob ein Christ ihm bei seinem Tod beistand. Alles, was wir wissen, ist, daß er am 1. Juni 1972 in seinem neunundsechzigsten Lebensjahr hinüberging, um den Herrn zu schauen.

Wenn man seinen letzten Brief sorgfältig durchliest, spürt man mehr hinter den Zeilen. Watchman nimmt seine Lage an und spricht von dem Sonnenschein, der von außen kommt und ein wenig Änderung bringt. Dann schließt er mit seiner Bemerkung über die Freude, die ihn erfüllt, und diejenigen, die ihn kennen, wissen, daß dies ganz zu seinem Charakter paßt. Da ist keine Rede von Selbstmitleid, er ist vielmehr um seine Schwägerin besorgt, daß auch sie die innere Freude spüre, die er erfährt. Wir müssen daran denken, daß er den Namen Gottes nicht erwähnen darf. Der Brief wird zensiert und kann leicht vernichtet werden, wenn etwas den Ärger des Zensors erregt. So verfällt Watchman auf einen anderen Ausweg. Indem er seinen Wunsch für seine Schwägerin ausdrückt, daß ihr »Herz von Freude erfüllt« sein möge, benutzt er vier Zeichen: hsi-loh = Freude und man-tsu = voll. Er mag sie mit einem Zwinkern in den Augen niedergeschrieben haben, denn diese vier Zeichen finden sich in der Übersetzung des Wortes Jesu: »Bittet, und ihr werdet empfangen, und eure Freude wird vollkommen sein.«

Diese verkleidete Botschaft gilt auch uns: »Bittet!« Da Gott immer gegenwärtig ist, gibt es keine Situation auf Erden, in der wir ohnmächtig und unfähig sind. Ob jemand von seinen Feinden gefesselt oder durch die Umstände behindert ist, ob jemand völlig gelähmt oder in einsamer Dunkelheit liegt – wir können beten, wir können uns an ihn wenden, wir können bitten. Und wir werden gewiß empfangen. Wenn wir nur beharrlich fortfahren, zu bitten, wird sich unsere Not in überströmende Freude verwandeln.
»Und eure Freude wird niemand von euch nehmen.«

Horst Koch, Herborn, im Oktober 2023. Die Hervorhebungen im Text sind von mir.
info@horst-koch.de




Audios

 

Prof. Ellinger, Köln. Vortrag in Breitscheid, Westerwald, um 1985 herum. Thema:

Endzeitliche Entwicklungen heute




Mohammed (Ibn Hischam)

IBN HISCHAM

Das Leben Mohammeds

nach Mohammed Ibn Ishaq
bearbeitet von Abd al-Malik Ibn Hischam

Erster Band


Der verfolgte Prophet in Mekka

– Von seiner Geburt bis zu seiner Auswanderung nach Medina –

Aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil
Neu bearbeitete und ergänzte Auflage von Abd al-Masih 


LICHT DES LEBENS • VILLACH • ÖSTERREICH

Eingestellt und leicht gekürzt von Horst Koch, Herborn. Im Oktober 2023. Einige Textbetonungen sind von mir.

Teil I  Die Zeit der Unwissenheit

1. Die Vorfahren Mohammeds
2. Die Geburt Mohammeds und seine Kindheit
3. Mohammeds Heirat mit Khadidja,

Teil II  Mohammed der verfolgte Prophet in Mekka

1. Mohammeds Prophetentum
2. Die Entstehung der islamischen Urgemeinde
3. Der Widerstand der Mekkaner
4. Die erste Auswanderung nach Abessinien
5. Der wachsende Boykott der Mekkaner
6. Die Vision Mohammeds von seiner Himmelfahrt
7. Die Loslösung Mohammeds von Mekka

Vorwort


Mohammed ist nach Jesus Christus die einflußreichste und bedeutendste Persönlichkeit der Weltgeschichte. Über 1 Milliarde Moslems, das sind über 20 Prozent der Weltbevölkerung, vertraut ihm und der von ihm gestifteten Religion. Der Islam schuf und prägte eine 1350 Jahre alte Kultur. Von Indonesien bis Marokko, von den Steppen Rußlands bis Kapstadt wird Mohammeds Name Tag für Tag 40 mal über die Dächer der Städte und Dörfer ausgerufen. Kein Mann wird von Millionen so fanatisch geliebt wie er.

Nur wenige Christen kennen das Leben Mohammeds genau. Deshalb bringen wir diese Biographie aufs neue in deutscher Sprache heraus. Ibn Ishaq, ein islamischer Gelehrter, begann etwa 90 Jahre nach dem Tod Mohammeds (gest. 632 n. Chr.) mit der Sammlung bekannter Geschichten und Legenden über den Propheten der Araber. Er kam jedoch schon bald mit den religionsgesetzlichen Autoritäten Medinas (Malik b. Anas) in Konflikt, verließ die Heimat und wanderte über Kairo nach Bagdad aus. Dort führte er unter dem Kalifen Mansur seine Forschungen weiter. Er starb im Jahre 767 n. Chr.

Ibn Ishaq hinterließ zwei umfangreiche Werke über das Leben Mohammeds, die von Ibn Hischam (gest. 834) zusammengefaßt und erheblich gekürzt wurden. Sein Werk ist bis heute eine unverzichtbare Quelle für jeden, der die überlieferten Berichte der Augenzeugen und Gefährten Mohammeds kennenlernen will.
Ibn Hischams grundlegendes Dokumentarwerk über das Leben Mohammeds wurde 1864 von Prof. Dr. Gustav Weil aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt. Wir haben seine Übersetzung überarbeitet und die Schreibweise der arabischen Begriffe und Namen modernisiert (mit Ausnahme der Namen Mohammed, Moslem usw.). Die Überarbeitung wurde nochmals mit dem arabischen Urtext verglichen und die Namen der Suren samt den Versnummern zu den vielen zitierten Qurantexten hinzugefügt. Die Zählung der Versnummern folgt der Einteilung der al-Azhar Universität in Kairo.

Da der umfangreiche Bericht über die Ereignisse im Leben Mohammeds auch im Zeitalter der Flugzeuge, Atombomben und des Fernsehens lesbar sein soll, haben wir die Einleitung mit den ermüdenden Genealogien wegfallen lassen. Das Buch beginnt daher mit den Berichten über Abd al-Muttalib, den Großvater Mohammeds. Mehrere arabische Gedichte und Trauergesänge, die in der deutschen Übersetzung Spannung und Klang verlieren würden, sowie Diskussionen über die grammatikalische Ableitung einzelner Begriffe, Legenden oder märchenhafte Geschichten wurden gestrichen, damit die Person Mohammeds mehr hervortritt und die wirklichen Ereignisse in seinem Leben deutlicher werden.

Die eingefügten Fußnoten enthalten Erläuterungen oder situationsbezogene Vergleiche zum Leben Jesu Christi und aus den Grundlagen seines Evangeliums. Damit wird Mohammed an Jesus gemessen und der Prophet der Moslems vor dem Hintergrund des Neuen Testaments dargestellt.

Der erste Band dokumentiert Mohammeds Jugendzeit und die zwölf Jahre seiner Verkündigung unter der wachsenden Verfolgung in Mekka.


Der zweite Band umfaßt Mohammeds Auswanderung nach Medina, den Aufbau des religiösen Stadtstaates, die 8 Kämpfe gegen die Kaufleute von Mekka und die Eroberung seiner Heimatstadt. Er beschreibt außerdem die Unterwerfung und Islamisierung der Arabischen Halbinsel bis zum Tod Mohammeds.

Der Begründer des Islam hinterließ hoch motivierte, kampferprobte Beduinentruppen unter zwei genialen Feldherren. In nur 100 Jahren eroberten ihre Heere die Länder vom Atlas bis zum Indus, ein Gebiet, das größere Flächen umfaßte, als Europa sie je besaß. In diesen Kernländern des Islam sind heute noch über 95 Prozent der Bevölkerung Moslems, unter denen Juden und Christen oft nur als Menschen zweiter Klasse geduldet werden.
Mit der Entdeckung des Erdöls in der Golfregion um 1930 und der Erhöhung der Ölpreise seit 1973 hat die Renaissance des Islam neuen Schwung bekommen.

Die Moslems haben sich die Islamisierung der ganzen Welt zum Ziel gesetzt, sei es durch Mission, Wirtschaftsmacht oder Heiligen Krieg. Vor allem aber breitet sich der Islam durch den starken Geburtenüberschuß aus. Dadurch werden sich die islamischen Völker in 27 Jahren verdoppeln und schneller als alle anderen Religionen und Bevölkerungsgruppen unserer Erde wachsen.
Es ist deshalb für den verantwortungsbewußten Christen unerläßlich, das Leben Mohammeds im Vergleich mit Jesus Christus zu studieren. Wir werden die Moslems und ihre Beweggründe nur dann verstehen, wenn wir Mohammed, seine Motive und Taten kennengelernt haben.
Abd al-Masih

TEIL I   Die Zeit der Unwissenheit

1. Die Vorfahren Mohammeds

Abd al-Muttalib, der Großvater Mohammeds
Als einst Abd al-Muttalib b*. Haschim schlief, wurde ihm in einer Erscheinung befohlen, den Brunnen Zamzam wieder aufzugraben. Die Djurhumiden hatten ihn bei ihrer Auswanderung von Mekka verschüttet. * Übliche Abkürzung für „Ibn” (Sohn des).
Dies war derselbe Brunnen, aus dem Allah einst Ismail hatte trinken lassen, als er noch klein war und Durst hatte. Seine Mutter hatte Wasser gesucht und keines gefunden. Sie stellte sich auf den Hügel Safa und betete um Wasser für Ismail. Auf dem Hügel Marwa bat sie nochmals um Wasser. Da sandte Allah den Engel Gabriel. Er drückte eine der Fersen Ismails in die Erde — und schon zeigte sich Wasser! Seine Mutter hörte Stimmen wilder Tiere. Sie war besorgt um ihren Sohn, lief zu ihm und fand ihn, wie er auf dem Gesicht lag, mit der Hand Wasser schöpfte und trank. Da reinigte sie die Quelle vom Sand*
(*Vgl. 1. Mose 21,9-21, Die Vertreibung Hagars und Imaels).

Der Streit um den Zamzambrunnen
Als eines Tages Abd al-Muttalib im Heiligtum schlief, hatte er eine Erscheinung und erhielt dabei die Weisung, den Zamzam aufzugraben. Er hat dies folgendermaßen erzählt: „Als ich einst an der Mauer des Heiligtums schlief, trat jemand zu mir und sagte: ‚Grabe Taiba (die Gute) auf!’ Ich fragte: ,Was ist Taiba?’ Hierauf verschwand die Erscheinung. Am folgenden Tage als ich wieder auf meiner Lagerstätte schlief, kam die Erscheinung von neuem und sagte: ‚Grabe Barra (die Reine) auf! Ich fragte: ,Was ist Barra?’ Die Erscheinung verschwand wieder. Am dritten Tage begegnete sie mir nochmals mit den Worten: .Grabe al-Madhnuna (die Kostbare) auf!’ Ich fragte: ‚Was ist Madhnuna?’ Die Erscheinung entfernte sich wieder. Am vierten Tage erschien mir abermals jemand, der mir sagte: ‚Grabe Zamzam auf!’ Ich fragte: ,Was ist Zamzam?’ Mir wurde geantwortet: ,Die, welche nie ausgeschöpft und nie wasserarm wird, welche den geehrten Pilger tränkt. Sie liegt zwischen Unrat und Blut bei dem Gekrächze des starken Raben, bei dem Ameisennest!'”
Als somit der Zustand der Quelle und ihr Ort näher bezeichnet waren und Abd al-Muttalib keinen Zweifel mehr an der Wahrheit des Hinweises hegte, nahm er am nächsten Tage sein Hackeisen und fing an zu graben. Al-Harith — damals sein einziger Sohn — begleitete ihn. Als der Brunnen allmählich zum Vorschein kam, pries er Allah. Nun eilten auch die Quraischiten herbei. Sie merkten, daß sein Unternehmen geglückt war und sagten: „Dieser Brunnen gehört unserem Stammvater Ismail. Wir haben alte Rechte auf ihn. Du mußt uns einen Anteil daran geben.” Abd al-Muttalib weigerte sich jedoch und entgegnete: „Er ist mir geschenkt worden! Er gehört mir allein!” Sie erwiderten: „Gib uns unser Recht, oder wir verklagen dich!”
„Gut, wählt einen Schiedsrichter!” Sie wählten eine Wahrsagerin aus dem Stamme Sa’d Hudsam, die auf den Höhen Syriens wohnte. Abd al-Muttalib ritt zu ihr. Einige Söhne Abd Manafs begleiteten ihn. Auch die Quraischiten schickten aus jedem Stamm Abgesandte. Als sie sich in der Wüste zwischen Hidjaz und Syrien befanden, in der es damals keine Wasserstellen gab, ging Abd al-Muttalib das Wasser aus. Er und seine Leute waren dem Verdursten nahe. Sie baten die Abgesandten der Quraischiten um Wasser. Diese verweigerten es ihnen jedoch und sagten: „Wir sind hier in der Wüste. Es könnte uns genauso ergehen wie euch.”
Abd al-Muttalib beriet mit seinen Leuten, was zu tun sei. Sie antworteten: „Du hast zu befehlen. Wir können dir nur gehorchen.” Da sagte er: „Meine Meinung ist, daß ein jeder von uns, so lange er noch bei Kräften ist, sein Grab selbst aushebe. Immer, wenn einer von uns stirbt, werden die noch Lebenden ihn in sein Grab legen und bedecken, bis der Tod den Letzten von uns heimsucht. Es ist in der Tat besser, wenn wir statt der ganzen Karawane umkommen.”
Seine Gefährten stimmten ihm zu. Jeder grub sich sein Grab und wartete auf den Tod. Da sagte Abd al-Muttalib plötzlich: „Bei Allah, es ist doch eine Schwäche unsererseits, wenn wir uns tatenlos dem Tode ausliefern und nicht unser Leben zu retten suchen. Vielleicht zeigt uns Allah irgendwo Wasser. Brecht auf!” Da brachen sie wieder auf, und die anderen Quraischiten sahen ihnen zu.

Abd al-Muttalib bestieg sein Kamel und ritt voran. Alsbald sprang unter den Hufen seines Kamels frisches Wasser hervor. Abd al-Muttalib und seine Gefährten priesen Allah, stiegen ab, tranken und füllten ihre Schläuche. Nun rief Abd al-Muttalib auch die übrigen Quraischiten zu der neuen Quelle und sagte: „Allah hat uns getränkt. Trinkt auch ihr und füllt eure Gefäße!” Als sie es getan hatten, sagten sie: „Bei Allah, das Urteil ist schon gegen uns gefällt. Wir machen dir Zamzam nicht mehr streitig; denn der, welcher dir in dieser Wüste Wasser gegeben hat, hat dir auch Zamzam geschenkt. Fahre fort, die Pilger zu tränken.” Abd al-Muttalib kehrte daraufhin nach Mekka zurück und die anderen mit ihm, ohne die Wahrsagerin aufgesucht zu haben.

Abd al-Muttalibs Gelübde
Es ist überliefert — doch Allah allein weiß, wie es sich wirklich verhielt—, daß Abd al-Muttalib beim Graben des Zamzambrunnens von den Quraischiten angefeindet wurde. Da tat erfolgendes Gelübde: Falls ihm zehn Söhne geboren werden sollten und sie ein Alter erreichen würden, in dem sie ihm beistehen könnten, wollte er einen von ihnen an der Kaaba Allah opfern. *
(* Dieser Brauch des Kinderopferns ist urheidnisch (vgl. Richter 11, 30-40).

Als dann in der Tat zehn Söhne herangewachsen waren und ihm Schutz bieten konnten, machte er sie mit seinem Gelübde bekannt und forderte sie auf, sich der Erfüllung zu unterwerfen. Sie waren dazu bereit und fragten, in welcher Weise dies geschehen solle. Da sagte er: „Jeder schreibe seinen Namen auf einen Pfeil und gebe ihn mir.” Mit diesen Pfeilen ging er zum Götzen Hubal, der auf dem Brunnen im Innern der Kaaba aufgestellt war. Dort brachte man die Opfer für das Heiligtum dar. Hubal hatte sieben Pfeile. Jeder war mit einer Inschrift versehen. Auf einem Pfeil stand „Sühne”. War man uneinig, wer Sühne zu bezahlen hatte, so mußte derjenige es tun, für den dieser Pfeil gezogen wurde.
Auf dem zweiten Pfeil stand „ja” und auf dem dritten „nein”. War man im Zweifel, ob man etwas tun oder unterlassen sollte, so entschied der mit „ja” oder „nein” gewählte Pfeil. Es gab auch einen Pfeil, auf dem „Wasser” vermerkt war. Wurde er gezogen, so sollte man nach einer Quelle graben. Schließlich gab es da noch drei weitere Pfeile. Auf dem einen stand „von euch”, auf dem anderen „verbleibend” und auf dem dritten „nicht von euch”. Wollten die Beduinen (Araber) eine Beschneidung vornehmen, eine Ehe schließen, einen Toten beerdigen oder zweifelten sie an der Herkunft eines Mannes, so führten sie ihn zu Hubal und brachten dem, der die Lose zog, hundert Dirham und ein Opferkamel. Sie sagten dann — wobei sie den Mann vor Hubal stellten — „Du, unser Gott, hier steht der Unbekannte, über den wir dies und jenes wissen möchten. Tue uns die Wahrheit über ihn kund!”

Nun ließen sie das Los ziehen. Kam dabei der Pfeil heraus, auf welchem „von euch” stand, so wurde der Unbekannte als einer der Ihrigen betrachtet. Kam der Pfeil mit „nicht von euch” heraus, so wurde er als Bundesgenosse angesehen. Kam aber der Pfeil mit dem Wort „verbleibend” heraus, so hatte der Betreffende in seinem bisherigen Zustand, ohne Anspruch auf Verwandtschaft oder Bundesgenossenschaft, zu bleiben. In anderen Fällen, in denen eine Antwort mit „ja” oder „nein” erwartet wurde, pflegten sie, wenn sie gern so gehandelt hätten, der Pfeil aber mit „nein” entschied, bis zum nächsten Jahr zu warten und dann die Pfeile aufs Neue ziehen zu lassen, um endlich in Übereinstimmung mit dem Los handeln zu können.

Abd al-Muttalib ging nun zu dem Wahrsager, der die Pfeile zog, und teilte ihm sein Gelübde mit. Jeder seiner Söhne hatte ihm einen Pfeil mit dem eigenen Namen darauf gegeben. Der Vater forderte nun den Mann auf, einen der Pfeile zu ziehen. Das Los traf Abd Allah, den Vater des Gesandten Allahs. Er war der Lieblingssohn Abd al-Muttalibs und obendrein der Jüngste. Als nun das Los Abd Allah getroffen hatte, nahm Abd al-Muttalib sein Schwert und ging mit Abd Allah zu den Götzen Isaf und Naila, um ihn dort zu opfern. Da stürzten die Quraischiten aus dem Rathaus und riefen: „Was willst du tun, Abd al-Muttalib?” — „Ich will ihn mit dem Halsschnitt schlachten*!”
(* Vergleiche 1. Mose 22,1-19, Abraham und Isaak auf dem Berg Morija. Auch Isaak sollte geopfert werden).

Da antworteten seine Söhne und die übrigen Quraischiten: „Bei Allah, du schlachtest ihn nicht ohne Grund. Tust du es dennoch, so wird jeder seinen Sohn bringen, um ihn zu opfern. Wie aber sollen dann die Menschen bestehen?” Auch al-Mughira b. Abd Allah, ein Onkel Abd Allahs sagte: „Bei Allah, du opferst ihn nicht, bis du uns einen ausreichenden Grund angibst. Lieber wollen wir ihn mit unserem Gut auslösen.”
Dann fuhren seine Söhne und die übrigen Quraischiten fort: „Tu’ es nicht! Geh’ mit ihm nach Hidjaz. Dort lebt eine Wahrsagerin, die einen ihr gehorsamen Geist hat. Befrage sie, dann wird deine Angelegenheit recht entschieden werden. Befiehlt sie dir, ihn zu opfern, so tu es. Sagt sie dir etwas anderes, wodurch dir und ihm geholfen wird, so folge ihr!”

Sie reisten also nach Medina und fanden die Wahrsagerin in Khaibar. Abd al-Muttalib teilte ihr sein Gelübde mit, die Entscheidung des Loses und seine Absicht, seinen Sohn zu opfern. Da befahl sie: „Verlaßt mich jetzt, bis mein Geist mich besucht und ich ihn fragen kann.”
Sie verließen sie, und Abd al-Muttalib betete zu Allah. Als sie am folgenden Morgen wieder zu ihr kamen, sagte sie: „Es ist mir Kunde geworden. Was ist bei euch die Sühne für einen Menschen?” Sie antworteten: „Zehn Kamele”. Sie erwiderte: „Geht in eure Heimat zurück, stellt Abd Allah auf die eine und zehn Kamele auf die andere Seite und lost zwischen ihnen. Kommt der Pfeil mit den Kamelen heraus, so opfert sie statt seiner. Er ist dann gerettet und euer Herr befriedigt. Kommt aber der Pfeil mit Abd Allah heraus, so bringt noch zehn weitere Kamele und so fort, bis der Pfeil mit den Kamelen gezogen wird.”

Sie kehrten hierauf nach Mekka zurück und beschlossen, dieser Weisung zu folgen. Abd al-Muttalib betete wieder zu Allah vor Hubal, dann brachten sie Abd Allah und zehn Kamele herbei und losten. Als das Los Abd Allah traf, brachten sie zehn weitere Kamele. Aber das Los fiel immer auf Abd Allah, bis schließlich hundert Kamele auf der anderen Seite standen. Da kam der Pfeil mit den Kamelen heraus. Die Quraischiten und die übrigen Anwesenden stellten fest: „Nun ist die Sache entschieden, Abd al-Muttalib! Dein Herr ist befriedigt!” Abd al-Muttalib soll aber, wie man hört, geschworen haben, nicht zu ruhen, bis noch dreimal gelost werde. Erst als das Los noch dreimal auf die Kamele fiel, wurden sie geschlachtet, und es stand jedem frei, davon zu nehmen, soviel er wollte.

2. Die Geburt Mohammeds und seine Kindheit

Wie der Vater Mohammeds heiratete
Abd al-Muttalib nahm die Hand Abd Allahs und kam mit ihm in der Nähe des Heiligtums an einer Frau von den Banu Asad b. Abd al-Uzza vorbei. Sie war die Schwester des Waraqa b. Naufal. Sie sah ihn an und fragte: „Wo willst du hin, Abd Allah?” — „Ich gehe mit meinem Vater.” — „Ich gebe dir so viele Kamele wie statt deiner geschlachtet worden sind, wenn du sogleich mit mir zusammenliegst.” — „Ich kann meinen Vater jetzt nicht verlassen, noch etwas gegen seinen Willen tun.” — Abd al-Muttalib ging dann mit seinem Sohn zu Wahb b. Abd Manaf, der damals sowohl wegen seines Ansehens als auch wegen seiner Abstammung der Herr der Banu Zuhra war. Dieser gab ihm seine Tochter Amina zur Frau. Sie war damals die vorzüglichste Frau unter den Quraisch infolge ihres Ranges und ihrer Abstammung. Ihre Mutter hieß Barra und war die Tochter des Abd al-Uzza. Barras Mutter hieß Umm Habib und war die Tochter des Asad b. Abd al-Uzza. Abd Allah heiratete sie alsbald, und sie wurde mit dem Gesandten Allahs schwanger. Dann verließ er sie, kehrte zu der Frau zurück, die sich ihm angeboten hatte und fragte sie: „Warum machst du mir heute nicht wieder den Vorschlag, den du mir gestern gemacht hast?” Sie erwiderte: „Das Licht, das gestern an dir war, hat dich verlassen. Ich habe nichts mehr mit dir zu tun.”
Sie hatte nämlich von ihrem Bruder Waraqa b. Naufal gehört — dieser war Christ geworden und hatte die Schriften gelesen — daß aus diesem Geschlecht* ein Prophet aufstehen werde.

(* Nirgendwo in den 66 Schriften der Bibel ist davon die Rede, daß ein Prophet arabischer Abstammung aufstehen werde.)

Abu Ishaq b. Jasar berichtet ähnliches. Abd Allah sei zu der Frau gekommen, welche er neben Amina hatte und habe sie liebkosen wollen. Er hatte aber zuvor Erdarbeiten verrichtet und war noch beschmiert davon. Deshalb hatte sie ihn abgewiesen. Er verließ sie, wusch sich und wollte zu Amina gehen. Als er wieder an jener Frau vorüberkam, rief sie ihn zu sich. Er schenkte ihr jedoch kein Gehör, sondern begab sich zu Amina und schlief mit ihr. Da wurde sie mit Mohammed schwanger. Später suchte er jene Frau nochmals auf und fragte sie: „Hast du Lust*?”
(* Vergleiche 2. Mose 20,14, Das Verbot des Ehebruchs).

Sie erwiderte: „Nein; als du an mir vorüberkamst, war ein glänzender Punkt zwischen deinen Augen. Deshalb forderte ich dich auf, zu mir zu kommen. Du weigertest dich aber und gingst zu Amina. Nun ist der Glanz auf sie übergegangen.”
Andere behaupten, die Frau habe gesagt: „Als er vorüberging, war zwischen seinen Augen so etwas wie der weiße Stirnfleck einer Stute. Da lud ich ihn ein in der Hoffnung, dieses Zeichen werde auf mich übergehen. Er weigerte sich aber und schlief mit Amina, und sie wurde schwanger mit dem Gesandten Allahs. Dieser war der Beste seines Volkes in bezug auf Abstammung und Adel, sowohl väterlicher als auch mütterlicherseits*.”

(* Mohammed war von Geburt ein normaler Mensch. Sein Vater hieß Abd Allah und seine Mutter Amina. Beide waren in Mekka bekannt. Der Islam nimmt nicht für sich in Anspruch, Mohammed sei auf übernatürliche Weise gezeugt worden. Er war ein Mensch wie wir alle ohne göttliche Natur.

Die Bibel aber bezeugt vielfach, daß Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist (vgl. Mt. 1,20-21: die Erfüllung der Prophetie aus Jes. 7,14).

Der Quran bezeugt ebenfalls, daß Jesus von der Jungfrau Maria ohne Zutun eines Mannes geboren wurde (3,46-48; 19,17-34). Der Engel Gabriel habe den Heiligen Geist in die Jungfrau Maria geblasen (21,91; 66,12). Deshalb wird Christus im Quran „das Wort Gottes” genannt (3,45; 4,171; 19,34).

Jesus wurde durch den Heiligen Geist in der Jungfrau Maria gezeugt. Der Unterschied zwischen der Person Mohammeds und der Person Jesu entspricht dem Unterschied zwischen der Geburt Mohammeds und der Geburt Jesu.)

Ereignisse während der Schwangerschaft Aminas
Es wird berichtet — nur Allah ist allwissend*— Amina, die Tochter Wahbs, habe erzählt: „Als ich mit dem Gesandten Allahs schwanger war, ist mir ein Geist erschienen, der mir gesagt hat: ,Du bist mit dem Herrn dieses Volkes schwanger. Sage bei seiner Geburt: Ich stelle ihn unter den Schutz des Einzigen, daß er ihn vor der Bosheit seiner Neider bewahre, und nenne ihn Mohammed**!'”

* Diese Redensart deutet an, daß der Verfasser sich über die Wahrheit oder Echtheit des von ihm überlieferten Textes nicht sicher ist.

** Vergleiche Matthäus 1,18-25 (Die Ankündigung der Geburt Jesu und Bestimmung seines Namens durch den Engel Gabriel). Siehe auch Lukas 1,26-38.

Die Bedeutung des Namens „Mohammed” im Arabischen ist „der Hochgelobte” oder „der Gepriesene.”

Sie soll auch während ihrer Schwangerschaft ein aus ihr strahlendes Licht bemerkt haben, bei welchem man (in 1 000 km Entfernung) die Schlösser von Bosra in Syrien (einer römischen Provinzstadt) sehen konnte*.
* Vergleiche Jesaja 60,1-3.

Noch während der Schwangerschaft Aminas starb Abd Allah, der Sohn Abd al-Muttalibs, der Vater des Gesandten Allahs*.
* Mohammed war bereits bei seiner Geburt Halbwaise.

Die Geburt und Ernährung des Gesandten Allahs
Der Gesandte Allahs wurde an einem Montag im „Jahr des Elefanten” ‘geboren, als zwölf Nächte des Monats Rabia al-Auwal verflossen waren. Hassan b. Thabit berichtet: „Ich war ein Knabe von sieben oder acht Jahren und verstand recht gut, was ich hörte, als ein Jude von einem Gebäude in Jathrib (Medina) aus seine Volksgenossen zusammenrief. Als sie sich bei ihm versammelten, sagte er: .Heute nacht ist der Stern** aufgegangen, an dem Ahmad ***geboren worden ist.’ Ich fragte Said b. Abd al-Rahman, wie alt Hassan gewesen sei, als Mohammed nach Medina kam. Er antwortete: .Sechzig Jahre alt'”. Da Mohammed damals dreiundfünfzig Jahre alt war, muß Hassan, als er diese Worte vernahm, ein siebenjähriger Knabe gewesen sein.
* Die Abessinier versuchten im Jahr 571 Mekka zu erobern. Da sie in ihrem Heer einige Elefanten mitführten, wurde dieses Jahr später bei den Arabern das „Jahr des Elefanten” genannt. Die Bezeichnung der Jahre nach dem jeweils wichtigsten Ereignis, das in ihnen stattgefunden hat, war eine Art primitiver Kalender.

** Vergleiche Matthäus 2,1-12 (Die Weisen aus dem Morgenland und der Stern, der sie nach Bethlehem führte)
***Ahmad heißt „Hochgelobter” und stellt eine andere Form des Namens Mohammed dar. Ahmad, der Hochgelobte, wird auf Grund von Sure 61,6 als der Name des im Evangelium verheissenen Parakleten (Tröster) verstanden.

Nachdem Mohammed geboren worden war, schickte seine Mutter zu Abd al-Muttalib und ließ ihn bitten, den Knaben anzusehen. Er kam und sie erzählte ihm, was sie zur Zeit der Schwangerschaft gesehen hatte, was ihr über ihn gesagt worden war und wie sie ihn nennen sollte. Man nimmt an, Abd al-Muttalib habe ihn gleich mitgenommen, zur Kaaba getragen, zu Allah gebetet und ihm für diese Gabe gedankt.

Dann brachte er ihn wieder zu seiner Mutter zurück und suchte eine Amme für ihn. Die Amme war eine Frau von den Banu Sa’d b. Bakr. Sie hieß Halimaund war die Tochter des Abu Dsuaib. Mohammeds Milchgeschwister waren Abd Allah b. al-Harith, Unaisa und Djudsama, die stets „al-Schaima” genannt wurde. Sie alle waren leibliche Kinder der Halima.

Djahm b. Abi Djahm, ein Freigelassener des Harith b. Hatib al-Djumahi, hat berichtet, Halima, die Tochter Abu Dsuaibs von den Banu Sa’d, die Amme des Gesandten Allahs, habe erzählt: „Ich verließ meine Heimat mit meinem Gatten, einem Säugling und anderen Frauen von den Banu Sa’d, die auch Säuglinge suchten, in einem Hungerjahre, das uns nichts übrigließ. Ich ritt auf einer scheckigen Eselin, und wir hatten eine Kamelstute bei uns, die keinen Tropfen Milch gab. Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen, denn der Kleine weinte vor Hunger. Weder ich noch unsere Kamelstute hatten Milch genug, um ihn zu stillen. Wir hofften aber auf irgendeine Hilfe. Ich ritt auf meiner Eselin und hielt die Karawane oft auf, weil die Eselin so schwach und elend war. Schließlich erreichten wir Mekka, um dort nach Säuglingen zu suchen. Der Gesandte Allahs wurde allen Frauen angeboten, doch keine wollte ihn nehmen, weil er ein Waisenkind war. Man erwartete Geschenke vom Vater des jeweiligen Säuglings und dachte, was würde wohl eine Mutter und ein Großvater geben können. Als aber bereits alle anderen Frauen Säuglinge gefunden hatten und wir wieder abreisen wollten, sagte ich zu meinem Gatten: ,Bei Allah, ich gehe nicht gern ohne einen Säugling mit meinen Gefährtinnen zurück. Ich werde dieses Waisenkind annehmen.’ Er erwiderte: ,Es wird dir nichts schaden, wenn du ihn nimmst. Vielleicht wird uns Allah durch ihn segnen.’ Ich nahm ihn also nur, weil ich keinen anderen Säugling gefunden hatte und brachte ihn zu meinem Reittier. Als ich ihn an meinen Busen legte, fand er soviel Milch, daß er satt wurde. Auch sein Milchbruder trank, bis er genug hatte. Dann schliefen beide ein. Zuvor hatten wir nie wegen des schreienden Säuglings schlafen können. Dann ging mein Gatte zur Kamelstute. Sie war von Milch angeschwollen, und er molk so viel, daß er und ich vollständig satt wurden und wir die angenehmste Nacht hatten. Am folgenden Morgen sagte mein Gatte zu mir: ‚Wisse, Halima, bei Allah, du hast ein gesegnetes Geschöpf mitgenommen.’ Ich erwiderte: ,Bei Allah, ich hoffe es!’ Dann reisten wir ab. Ich nahm ihn zu mir auf meine Eselin, die jetzt so schnell sprang, daß die Mitreisenden auf ihren Eseln nicht mehr Schritt halten konnten. Sie baten mich, auf sie zu warten und fragten mich, ob es nicht dieselbe Eselin sei, auf der ich gekommen sei. Als ich ihre Frage bejahte, antworteten sie: ,Bei Allah, mit ihr hat es eine besondere Bewandtnis.’ Als wir in unsere Heimat im Lande der Banu Sa’d kamen, welches das unfruchtbarste aller Länder war, da kam mir doch des Abends mein Vieh wohlgenährt und Milch verheißend entgegen. Tatsächlich hatten wir Milch im Überfluß, während andere Leute keinen Tropfen melken konnten. Schließlich sagten einige zu ihren Hirten: ,Wehe euch! Laßt euer Vieh dort weiden, wo der Hirte der Tochter Abu Dsuaibs weiden läßt!’ Aber dessen ungeachtet kehrte das meinige gesättigt und mit Milch gefüllt zurück, während das ihrige hungrig blieb und keinen Tropfen Milch gab. So fanden wir in allem Allahs Segen und Überfluß, bis zwei Jahre vorüber waren. Da entwöhnte ich den Knaben. Er war so kräftig herangewachsen wie kein anderer. Wir brachten ihn dann seiner Mutter, wünschten aber, daß er noch bei uns bleiben möchte wegen des Segens, der uns durch ihn zuteil geworden war. Ich sagte daher zu seiner Mutter: .Möchtest du doch dein Söhnchen noch bei uns lassen, bis er noch stärker wird; denn ich fürchte, die schlechte Luft Mekkas könnte ihm schaden.’ Wir drangen dann so lange in sie, bis sie ihn uns wieder gab.

Einige Monate nach unserer Rückkehr — Mohammed war eben hinter unserem Hause mit seinem Bruder beim Vieh — kam der Bruder eilig zu uns und sagte: ,Zwei weißgekleidete Männer haben meinen Bruder, den Quraischiten, ergriffen und zu Boden gestreckt, ihm den Leib aufgeschnitten und darin herumgewühlt.’ Ich lief mit seinem Vater zu ihm. Da wir ihn ganz entstellt fanden, nahten wir uns ihm und fragten, was ihm widerfahren sei.
Er antwortete: ,Zwei weißgekleidete Männer sind auf mich zugekommen, haben mich hingestreckt, meine Brust gespalten und etwas darin gesucht; ich weiß nicht was*.’
*Sure al-lnschirah 94,1-3 (Die Reinigung Mohammeds durch zwei Engel).

Wir brachten ihn in unser Zelt, und sein Vater sagte zu mir: .Ich fürchte, dieser Knabe ist von bösen Geistern geplagt. Bringe ihn zu seiner Familie zurück, ehe es bekannt wird.’
Wir reisten mit ihm zu seiner Mutter, und sie fragte: ,O Amme, was führt dich hierher? Du wünschtest doch so sehr, den Säugling länger zu behalten!’ Ich antwortete: ,Allah hat meinen Sohn heranwachsen lassen. Ich habe das Meinige getan und fürchte, es möchte ihm ein Unglück widerfahren. Darum bringe ich ihn dir deinem Wunsche gemäß zurück.’ Amina entgegnete: ,So verhält es sich nicht! Sage mir die Wahrheit!’ Sie drang so lange in mich, bis ich ihr alles erzählt hatte. Da fragte sie: ‘Fürchtest du, er sei von einem bösen Geist besessen?‘ Als ich nickte, erwiderte sie: .Niemals, bei Allah! Satan findet keinen Zugang zu ihm; denn mein Söhnchen wird einst eine hohe Stellung einnehmen. Soll ich dir von ihm erzählen?’ Als ich bejahte, fuhr sie fort: ‘Als ich schwanger wurde, sah ich ein Licht von mir ausstrahlen, so hell, daß es die fernen Schlösser von Bosra in Syrien beleuchtete. Meine Schwangerschaft war so leicht und angenehm, wie ich noch nie eine hatte. Als ich ihn gebar, streckte er die Hände auf den Boden und hob den Kopf gen Himmel. Doch laß ihn jetzt bei mir. Komm’ gut heim!'”

Einige Gefährten des Gesandten Allahs hatten ihn einst gebeten, ihnen Auskunft über sich selbst zu geben. Daraufhin habe er gesagt: „Ich bin der, dem zu glauben mein Vater Ibrahim (Abraham) geboten hat, und derjenige, der von Isa (Jesus) vorhergesagt worden ist*. Meine Mutter hat, als sie schwanger wurde, ein Licht gesehen, das von ihr ausstrahlte und selbst die fernen Schlösser Syriens beleuchtete. Ich bin unter den Banu Sa’d b. Bakr gesäugt worden. Als ich einmal mit meinem Bruder hinter unserem Haus das Vieh hütete, kamen zwei weißgekleidete Männer auf uns zu. Sie hatten eine goldene Waschschüssel bei sich, die mit Schnee gefüllt war. Sie ergriffen mich und spalteten meine Brust. Dann nahmen sie das Herz heraus, spalteten es ebenfalls und entnahmen ihm einen schwarzen Klumpen. Diesen warfen sie weg**. Dann wuschen sie mein Herz und meinen Leib mit Schnee, bis sie rein waren. Schließlich sagte einer zum andern: ‘Wiege ihn gegen zehn von seinem Volke auf!’ Er tat so, aber ich wog sie auf. Nun sagte er: `’Wiege ihn gegen hundert von seinem Volke’; aber ich wog auch die hundert auf. Zuletzt sagte er: .Wiege ihn gegen tausend von seinem Volke auf, und als ich auch diese aufwog, sagte er: ,Laß ihn! Selbst dann, wenn du sein ganzes Volk in die eine Waagschale legst, wird er sie doch aufwiegen!'”



*Jesus hat viele falsche Propheten (vgl. Mt. 24,14-24) und falsche Messiasse vorausgesagt. Die Moslems nehmen irrtümlicherweise für sich in Anspruch, daß in der Bibel mehrere Voraussagen über das Kommen Mohammeds stehen (5. Mose 18,15 u. a.)

** Diese Geschichte beschreibt die Berufung und Reinigung Mohammeds zum Propheten. Seither heißt er Mustafa, der Gereinigte. Er war nicht rein in sich selbst. Sein Herz mußte gereinigt werden. Er empfing jedoch kein neues, geistliches Herz, wie Gott es in Hesekiel 36,26-27 verhieß. Das Herz Mohammeds blieb das alte.


Indirekt soll diese Geschichte die Reinigung Mohammeds von der Erbsünde bezeugen. Der Islam glaubt jedoch nicht an die Existenz einer Erbsünde (vgl. jedoch Röm. 5,12-21). Nichtsdestotrotz hat Mohammed sich als Sünder verstanden. Dreimal steht im Quran, daß er Allah um Vergebung seiner Sünden bitten mußte (Sure 33,38; 4035 und 47,19).

Jesus aber lebte ohne Sünde. Er war heilig wie Gott und frei von der Erbsünde. Er war durch den Heiligen Geist gezeugt worden. Sogar der Quran behauptet an keiner Stelle, daß Jesus gesündigt habe, während bei allen bedeutenden Propheten Sünden genannt werden. Der Quran und die islamische Tradition bestätigen vielmehr Jesu Sündlosigkeit auf verschiedene Weise (Sure 19,19)

Der Gesandte Allahs hat gesagt: „Es gibt keinen Propheten, der nicht zuvor ein Hirte gewesen ist.” Und als man ihn fragte: „Und du?” antwortete er: „Auch ich war einer.” Ferner hat der Gesandte Allahs zu seinen Gefährten gesagt: „Ich bin der reinrassigste Araber unter euch*. Ich bin ein Quraischite und habe als Säugling unter den Banu Sa’d gelebt.”



* Araber (al-Arab) bedeutete in der arabischen Halbinsel nur die Nomaden, die Beduinenstämme, im Gegensatz zu den seßhaftgewordenen Stadt- und Dorfbewohnern. Diese verstanden sich nicht als Araber, sondern bezeichneten sich mit den Namen der konkurrierenden Sippen oder Stämme.

Mohammed verstand sich als Beduine. Er hat in seiner Jugend in der dürren Steppe Herden gehütet.

Manche behaupten — Allah allein weiß es — Halima habe den Gesandten Allahs auf dem Weg zu seiner Mutter auf der Höhe von Mekka im Menschengewühl verloren, und sie konnte ihn nicht wiederfinden. Sie ging zu Abd al-Muttalib und klagte es ihm. Dieser suchte das Heiligtum auf und betete zu Allah, er möge ihn ihm wieder zurückgeben. Es wird berichtet, Waraqa b. Naufal und ein anderer Quraischite hätten ihn auf der Höhe von Mekka gefunden und zu Abd al-Muttalib gebracht. Dieser nahm ihn auf die Schulter und umkreiste mit ihm das Heiligtum, indem er ihn Allahs Schutz empfahl und für ihn betete. Dann ließ er ihn wieder zu seiner Mutter bringen.

Ein Gelehrter (Traditionsträger) hat mir erzählt: „Halima wurde noch aus einem anderen Grunde, den sie seiner Mutter nicht angegeben hatte, bewogen, Mohammed zu ihr zurückzubringen. Als sie nämlich nach seiner Entwöhnung auf der Heimkehr von Mekka war, begegneten ihr einige Abessinier, die Christen waren. Sie betrachteten ihn von allen Seiten und fragten sie aus. Dann sagten sie: ‚Wir wollen diesen Knaben mit uns nehmen und unserem König bringen. Wir kennen die Zukunft dieses Knaben und wissen, daß er einst einen hohen Rang einnehmen wird.'” Derjenige, der mir dies erzählt hat, setzte hinzu, sie hätten den Abessiniern nur mit großer Mühe entrinnen können.

Der Tod Aminas und Abd al-Muttalibs
Der Gesandte Allahs lebte unter Allahs Beistand und Schutz bei seiner Mutter und seinem Großvater, und Allah ließ ihn als eine schöne Pflanze aufwachsen, bis er durch seine Gnade das vorgesteckte Ziel erreichte. Als er sechs Jahre alt war, starb seine Mutter. Abd Allah b. Abi Bakr erzählt: „Die Mutter des Gesandten Allahs starb in Abwa zwischen Mekka und Medina, als er sechs Jahre alt war. Sie hatte mit ihm seine Verwandten, die Banu Adi b. al-Nadjdjar, besucht und starb auf der Rückkehr nach Mekka*.”

* Mohammed war bereits bei seiner Geburt Halbwaise und ab dem sechsten Lebensjahr Vollwaise. Niemand sorgte für ihn, wie eine Mutter für ihr Kind zu sorgen pflegt. Schon in den ersten Monaten seines Lebens wurde er zu einem Beduinenstamm gegeben, wo eine Amme ihn anstelle seiner Mutter stillte. Im Herzen Mohammeds blieb ständig eine Leere und ein Hunger nach Liebe.

Für Jesus hatte Gott, sein Vater, in Josef einen treuen Adoptivvater berufen, der für ihn sorgte. Seine Mutter blieb ihm auch in der Verfolgung treu und stand unter seinem Kreuz, als er starb.

Der Gesandte Allahs lebte dann bei seinem Großvater Abd al-Muttalib. Dieser hatte sein Bett in der Nähe der Kaaba aufgestellt. Seine Söhne saßen um das Bett herum und warteten, bis er kam; aber keiner setzte sich aus Ehrfurcht vor ihm auf das Bett. Einst kam auch der Gesandte Allahs — er war damals noch ein kleiner Knabe — und setzte sich auf das Bett. Da wollte ihn sein Onkel wegschieben, aber Abd al-Muttalib sagte: „Laßt meinen Sohn! Bei Allah, er wird einst einen hohen Rang einnehmen.” Er ließ ihn dann bei sich sitzen und sich von ihm den Rücken streicheln. Was er auch tat, erfreute ihn. Als der Gesandte Allahs acht Jahre alt war, starb auch Abd al-Muttalib.

Als Abd al-Muttalib seinen Tod herannahen fühlte, ließ er seine sechs Töchter, Safija, Barra, Atiqa, Umm Hakim al-Baida, Umaima und Arwa, zusammenrufen und sagte zu ihnen: „Beweint mich, damit ich vor meinem Tode höre, was ihr über mich sagen wollt.” Da dichtete seine Tochter Safija:
„Als des Nachts eine klagende Stimme schweres Unheil wegen eines Mannes verkündete, vergoß ich Tränen, die wie Perlen über meine Wangen herabrollten, über einen wahrhaft edlen Mann, der allen Sklaven entschieden überlegen ist; über den Freigiebigen, den mit hohen Tugenden Begabten; über einen vortrefflichen Vater, den Erben aller Güte; über den Treuen in seiner Heimat, der keine Anstrengung scheute, der fest stand und keiner Stütze bedurfte; der mächtig war, wohlgestaltet, von hoher Natur, der bei seinem Geschlechte Lob und Gehorsam fand, aus erhabenem, glänzendem, tugendhaftem Geschlecht; der den Menschen wie ein Regen in Hungerjahren Segen spendete, von edlen Ahnen, ohne Scharte; der dem Herrn und dem Sklaven teuer war; er war äußerst mild, Abkömmling gnädiger, freigebiger, edler Männer, stark wie Löwen.
Könnte ein Mann wegen alten Adels ewig leben — aber Fortdauer ist keines Menschen Los — so würde er bis zur letzten Nacht unvergänglich bleiben durch seinen hohen Ruhm und adlige Abstammung.”

Auch die übrigen Töchter beweinten ihren Vater noch zu Lebzeiten und dichteten über ihn ruhmreiche Verse, wobei jede versuchte, die andere zu überbieten. Auch Freunde des Sterbenden kamen herein, um ihn zu loben und zu rühmen.
Abd al-Muttalib, der schon nicht mehr sprechen konnte, gab durch Kopfnicken zu verstehen, daß er so betrauert werden wollte. Nach dem Tode Abd al-Muttalibs wurde sein Sohn al-Abbas Herr der Zamzamquelle. Er war es, der die Pilger von der Quelle trinken ließ, obgleich er damals noch ältere Brüder hatte. Er wurde vom Gesandten Allahs in seinen Rechten bestätigt. Sie sind seinem Geschlecht bis zu diesem Tage verblieben.

Mohammed bei Abu Talib
Nach dem Tode Abd al-Muttalibs kam der Gesandte Allahs zu seinem Onkel Abu Talib. So hatte es Abd al-Muttalib empfohlen. Sein Vater Abd Allah war nämlich ein Doppelbruder Abu Talibs. Ihre Mutter hieß Fatima. Sie war eine Tochter des Amr b. Aids. Abu Talib sorgte nach dem Tode seines Großvaters für den Gesandten Allahs und behielt ihn stets bei sich. Ein Wahrsager, der oft nach Mekka kam, prophezeite dem Jungen einen hohen Rang. Und zwar geschah dies so: Als Abu Talib mit einigen Jünglingen unterwegs war, erblickte der Wahrsager den Gesandten Allahs. Doch wurde seine Aufmerksamkeit durch etwas anderes von ihm abgezogen. Als er das erledigt hatte, fragte er wieder nach ihm und wollte, daß man ihn herbeihole. Da Abu Talib merkte, wie gierig der Wahrsager sich nach dem Jungen umsah, verbarg er ihn. Da sagte dieser: „Wehe euch! Bringt mir den Jungen wieder, den ich vorher gesehen habe, bei Allah, er wird einen hohen Stand einnehmen.” Abu Talib ging aber mit ihm weg.

Später wollte Abu Talib mit einer Karawane zu einer Handelsreise nach Syrien aufbrechen. Er war eben im Begriff abzureisen, da schmiegte sich der Gesandte Allahs so zärtlich an ihn, daß er weich wurde und sagte: „Bei Allah, ich nehme ihn mit und trenne mich nie mehr von ihm!” So oder ähnlich sprach er. Er reiste also mit ihm ab. Wie gewöhnlich stiegen sie in der Nähe einer Mönchsklause ab. Der Mönch hieß Buhaira (oder Bahira). Er kannte die Schriften und die Religion der Christen und wohnte seit eh und je in dieser Zelle. In ihr wurde ein Buch aufbewahrt, aus dem sich die Mönche belehren ließen. Es vererbte sich vom einen auf den andern. Sooft Abu Talib auch früher hier vorbeigekommen war, so hatte sie der Mönch doch nie angesprochen noch sich ihnen vorgestellt. Diesmal jedoch ließ er eine Mahlzeit bereiten, weil — wie es heißt — er von seiner Zelle aus sah, wie eine Wolke den Gesandten Allahs inmitten der Karawane beschattete und wie sie auch dem Baum Schatten spendete, unter dem er sich mit der Karawane niedergelassen hatte. Selbst die Zweige des Baumes neigten sich zum Gesandten Allahs herab, um ihn besser schützen zu können. Als die Mahlzeit zubereitet war, sandte Buhaira zur Karawane und ließ alle, jung und alt, Sklaven und Freie, zum Essen einladen.

Da sagte einer der Quraischiten: „Es ist auffallend, daß du uns zuvor nie solche Gastfreundschaft erwiesen hast. Weshalb gerade heute?” Buhaira entgegnete: „Es ist so, wie du sagst, doch ihr seid heute meine Gäste. Ich will euch mit einem Mahle ehren, zu dem ihr alle eingeladen seid.” Alle kamen auch zu ihm, nur der Gesandte Allahs blieb seiner Jugend wegen unter dem Baum im Lager zurück. Als Buhaira den, an welchem er gewisse Merkmale erkannt hatte, nicht unter den Gästen fand, sagte er: „Ihr Quraischiten, es darf keiner von euch im Lager zurückbleiben, der hier noch einen Platz hätte.” Sie erwiderten: „Nur ein Knabe, der Jüngste der ganzen Karawane, ist im Lager zurückgeblieben.” Er versetzte hierauf: „Rufet ihn. Er soll auch mit euch essen!”
Da rief einer der Quraischiten: „Bei Lat*und Uzza**, es ist nicht recht von uns, daß wir den Sohn Abd Allahs im Lager zurückgelassen haben!” Er begab sich daher zu ihm, umarmte ihn und brachte ihn zu den anderen. Buhaira musterte ihn und suchte nach den Merkmalen, die er an seinem Körper zu finden hoffte. Als die Mahlzeit beendet war und die Gäste sich zerstreut hatten, stellte sich Buhaira vor ihn hin und beschwor ihn bei Lat und Uzza, ihm seine Fragen zu beantworten. Er beschwor ihn deshalb bei Lat und Uzza, weil die Quraischiten so zu tun pflegten.



*Al-Lat (die Frau Allahs) war die Stammesgöttin der Banu Thaqif, die auch al-Rabba (die Herrin) genannt wurde.

** Al-Uzza (die Tochter al-Lats) war die Stammesgöttin der Quraisch und der Kinana und stand außerhalb Mekkas. Die Statuen der beiden Göttinen wurden nach der Eroberung Mekkas zerstört.

Es heißt, Mohammed habe ihm gesagt: „Frage mich nicht bei Lat und Uzza, denn, bei Allah, nichts ist mir verhaßter als diese Götzen.” Da sagte Buhaira: „Nun, so beschwöre ich dich bei Allah, mir meine Fragen zu beantworten.” Mohammed erwiderte: „Frage, was dir gut dünkt!” Da befragte er ihn über seinen Zustand im Schlaf, über seine äußere Beschaffenheit und andere Dinge. Der Gesandte Allahs gab ihm über alles Auskunft, und es stimmte mit dem überein, was Buhaira von ihm wußte. Dann betrachtete er seinen Rücken und fand zwischen seinen Schultern, an der Stelle, wo es beschrieben war, das Siegel des Prophetentums. Es sah wie das Mal von einem Schröpfkopfe aus. Sodann ging er zu Abu Talib und fragte ihn: „Wie ist dieser Knabe mit dir verwandt?” Er entgegnete: „Er ist mein Sohn.” — „Er ist nicht dein Sohn, dieser Knabe braucht keinen Vater mehr.” — „Nun, er ist mein Neffe.” — „Und sein Vater?” — „Er ist während der Schwangerschaft seiner Mutter gestorben.” — „Du hast die Wahrheit gesagt. Geh’ jetzt mit dem Knaben nach Hause und verbirg ihn vor den Juden, denn, bei Allah, wenn sie ihn sehen und ihn erkennen wie ich, so werden sie ihm Böses antun. Dein Neffe wird einst einen hohen Rang einnehmen. Darum eile mit ihm in die Heimat zurück*!”

* Die Begegnung zwischen Buhaira und Mohammed wird von mehreren Islamisten als christliche Apologetik verworfen, die von den Moslems zur Erklärung des biblischen Wissens Mohammeds benützt wurde.

Abu Talib tat also, sobald er seine Geschäfte in Syrien abgewickelt hatte.

Der Gesandte Allahs wuchs heran, und Allah beschirmte und bewahrte ihn vor den Irrtümern des Heidentums, weil er ihn zu seinem Gesandten bestimmt hatte. So wurde er der hervorragendste Mann seines Volkes: an Ritterlichkeit, gutem Benehmen und edler Abstammung übertraf ihn keiner. Er war der angenehmste Nachbar, der Sanfteste, Wahrhaftigste und Treueste und hielt sich fern von allen häßlichen Eigenschaften, die den Mann erniedrigen. Er war erhaben darüber und vereinigte in sich so viele Tugenden, daß er unter seinem Volke „der Treue” genannt wurde. Als „der Krieg des Frevels” ausbrach, war Mohammed zwanzig Jahre alt. Der Krieg führte diesen Namen, weil dabei von den Kinana und Qais Ailan manches heilige Gebot übertreten wurde. Der Führer von Quraisch und Kinana war Harb b. Umaija b. Abd Schams. Am Anfang des Tages siegten die Qais, von Mittag an aber die Kinana.

3. Mohammeds Hochzeit mit Khadidja

Die Vorgeschichte

Als Mohammed fünfundzwanzig Jahre alt war, heiratete er Khadidja, die Tochter des Khuwailid b. Asad.
Khadidja war eine angesehene Unternehmerin. Sie ließ Männer mit ihrem Gut Handel treiben und gab ihnen einen Anteil am Gewinn. Als sie von der Treue, Wahrhaftigkeit und den guten Sitten Mohammeds hörte, sandte sie zu ihm und schlug ihm vor, in ihrem Auftrag nach Syrien zu reisen und dort mit ihrem Gut Handel zu treiben. Sie versprach, ihm mehr Waren als den anderen Kaufleuten zu geben. Mohammed ging auf ihren Vorschlag ein und reiste mit ihrem Gut in Begleitung eines Dieners von Khadidja, der Maisara hieß, nach Syrien.

Als er sich unter dem Schatten eines Baumes in der Nähe der Klause eines Priesters niedergelassen hatte, fragte jener Maisara, wer der Mann unter dem Baum sei. Maisara erwiderte: „Es ist ein Quraischite, ein Bewohner des heiligen Gebietes.” Da sagte der Priester: „Derjenige, der zur Zeit unter diesem Baum sitzt, ist nichts als ein Prophet!” Als Mohammed die mitgebrachten Waren verkauft und andere eingekauft hatte, kehrte er mit Maisara nach Mekka zurück. Maisara sah, so wird berichtet, während der Mittagshitze zwei Engel, die Mohammed, der auf seinem Kamel saß, Schatten spendeten. Als sie in Mekka angelangt waren, verkaufte Khadidja die Waren, die er mitgebracht hatte und fand ihr Gut verdoppelt. Auch erzählte ihr Maisara, was der Priester gesagt und wie er die schattenspendenden Engel gesehen hatte. Als Khadidja, eine verständige, edle und gute Frau, die Allah zu hoher Gnade bestimmt hatte, dies hörte, ließ sie — wie es behauptet wird — Mohammed rufen und sagte zu ihm: „Mein Vetter, ich möchte dich für mich haben wegen deiner Verwandtschaft mit mir, wegen deines Ansehens unter deinem Volke sowie wegen deiner Treue, Wahrhaftigkeit und guten Sitten.” Zuletzt trug sie sich ihm als Gattin an *.

* Khadidja war etwa vierzig, Mohammed fünfundzwanzig Jahre alt, als sie heirateten. Khadidja war zuvor mit zwei anderen Männern verheiratet und hatte von beiden Männern Kinder, die sie mit in die Ehe brachte. Ihr erster Mann war verstorben; den zweiten hatte sie entlassen. Sie war eine starke Persönlichkeit und eine erfolgreiche Kauffrau und Unternehmerin.
An Khadidja wird deutlich, daß die Frau vor dem Islam in der Arabischen Halbinsel eine viel höhere Stellung inne hatte als die islamischen Gelehrten zugeben. Diese behaupten, daß erst der Islam der Frau ihre Würde gegeben habe. Das Gegenteil ist der Fall.
Solange Mohammed mit ihr verheiratet war, ging er keine weitere Ehe ein. Vielleicht sah und suchte Mohammed in Khadidja einen Ersatz für seine früh verlorene Mutter, da er als Vollwaise wenig Mutterliebe erfahren hatte. Mohammed hatte es fertiggebracht, seine Chefin zu heiraten. Dadurch wurde er reich, angesehen und wohnte im Zentrum Mekkas.
Jesus zog vor, nicht zu heiraten. Er wußte, daß er 30jährig als Lamm Gottes für die Sünde der Welt sterben würde. Er wollte keine unversorgte Familie zurücklassen und seine Kraft ganz der Erlösung der Menschen widmen.


Mohammeds Ehe und Kinder
Khadidja war damals die Angesehenste unter den Frauen Quraischs, sowohl durch ihre Abstammung als auch wegen ihres großen Reichtums. Jeder aus ihrem Volke begehrte sie. Sie war die Tochter des Khuwailid b. Asad, und ihre Mutter war Fatima, die Tochter des Zaid b. al-Assam.
Mohammed teilte Khadidjas Antrag seinen Onkeln mit. Sein Onkel Hamza b. Abd al-Muttalib ging mit ihm zu Khuwailid b. Asad und hielt für ihn um dessen Tochter an, und die Ehe wurde geschlossen. Als Morgengabe gab ihr Mohammed zwanzig junge Kamele. Sie war die erste Frau, die Mohammed heiratete. Bis zu ihrem Tode heiratete er keine zweite Frau. Sie war die Mutter aller seiner Kinder mit Ausnahme Ibrahims*. Sie gebar ihm al-Qasim, weshalb er selbst Abu al-Qasim genannt wurde, al-Taijib, Zainab, Ruqaija, Umm Kulthum und Fatima. Al-Qasim war der älteste seiner Söhne, dann kam al-Taijib, dann al-Tahir. Die älteste der Töchter war Ruqaija, dann Zainab, dann Umm Kulthum, dann Fatima. Die drei Söhne starben noch im Heidentum, die Töchter aber erreichten alle den Islam, bekannten sich zu ihm und wanderten mit ihrem Vater aus**

* Ibrahims Mutter war Maria, die Koptin. Abd Allah b. Wahb hat von Ibn Lahia erzählt, Maria, die Mutter Ibrahims, die Sklavin des Gesandten Allahs, welche ihm al-Muqauqas geschenkt hatte, stamme aus Hafr im Bezirk Ansina.
** Der Tod seiner drei Söhne war für Mohammed eine bittere Tragik. Er hatte keinen Erben. Im Orient werden solche Schicksalsschläge auf den Zorn Gottes zurückgeführt oder als Folge Schwarzer Magie angesehen. Mohammed war reich und angesehen, innerlich aber haltlos und fragend.



Khadidja, die Tochter Khuwailids, hatte ihrem Vetter Waraqa b. Naufal* erzählt, was ihr Maisara von den Worten des Priesters und von den Mohammed beschattenden Engeln mitgeteilt hatte. Waraqa, ein Christ, der die Schriften eingehend studiert hatte, antwortete ihr: „Wenn das wahr ist, so ist Mohammed der Prophet unseres Volkes; denn ich weiß, daß ein Prophet erwartet wird und daß jetzt die Zeit dazu gekommen ist.” Er hatte schon lange darauf gewartet und stets gefragt: „Wie lange wird es noch dauern?”
* Waraqa b. Naufal war der Vorsteher einer kleinen christlichen Gemeinde in Mekka und hat wahrscheinlich an der Hochzeit Mohammeds mit Khadidja teilgenommen. Die islamischen Traditionen bestätigen, daß es vor dem Islam in Mekka eine christliche Gemeinde gab




TEIL II  Der verfolgte Prophet in Mekka

1. Mohammeds Prophetentum

Wie Mohammed den Streit um den heiligen Stein schlichtete

Als Mohammed fünfunddreißig Jahre alt war, beschlossen die Quraischiten, die Kaaba wieder aufzubauen. Sie war nicht höher als ein Mann und bestand aus übereinandergeschichteten Steinen. Doch scheuten sie sich, sie einzureißen. Sie wollten die Wände hochziehen und bedecken; denn der Schatz, der in einem Brunnen im Innern der Kaaba verborgen lag, war gestohlen worden. Man hatte ihn bei Duwaik, einem Freigelassenen der Banu Mulaih, wieder gefunden. Man nimmt aber an, daß andere ihn gestohlen und bei Duwaik versteckt hatten. Kurz zuvor hatte ein Sturm das Schiff eines griechischen Kaufmanns an die Küste von Djidda geworfen, wo es zerbrach. Die Araber hatten sein Holz herbeigeschafft und wollten es zum Bau des Daches der Kaaba verwenden. Außerdem fand sich in Mekka ein Kopte*, der von Beruf Zimmermann war und ihnen das Holz für das Dach bearbeitete.
* Es war ein koptischer Christ, der das Dach der Kaaba in Mekka gezimmert hat! Die seßhaft gewordenen Beduinen waren der Zimmermannsarbeiten unkundig.

Im Brunnen der Kaaba, in den man täglich Speisen warf, wohnte eine Schlange. Sie lag gern auf der Mauer der Kaaba und sonnte sich. Man fürchtete sie sehr. Sobald sich jemand ihr näherte, erhob sie sich, zischte und sperrte den Schlund auf. Eines Tages, als sie sich wie gewöhnlich auf der Mauer der Kaaba sonnte, schickte Allah einen Vogel, der sie wegschleppte. Da sprachen die Quraisch: „Wir hoffen, daß Allah unsere Absicht billigt. Wir haben einen Zimmermann als Freund; wir haben Holz, und nun hat uns Allah auch vor der Schlange Ruhe verschafft.”

Die Quraisch teilten nun den Bau der Kaaba unter sich auf. Die Seite, an der sich die Tür befand, fiel den Söhnen Abd Manafs und Zuhra zu; der Teil zwischen dem schwarzen und dem jemenitischen Pfeiler den Banu Makhzum und anderen zu ihnen gehörenden Stämmen von Quraisch; der hintere Teil der Kaaba den Banu Djumah und Sahm, den Söhnen Amrs, die nördliche Mauer „der Hatim”, den Banu Abd al-Dar b. Qusai, den Banu Asad b. Abd al-Uzza und den Banu Adi b. Ka’b.
Aber immer noch scheuten sich die Männer, die Kaaba einzureißen. Da sagte al-Walid b. Mughira: „Ich will den Anfang machen!” Er nahm seine Hacke, stellte sich vor die Kaaba und rief: „Allah, laß kein Unglück über uns kommen. Allah, wir wollen nur Gutes!”
Damit fing er an, die Mauer bei den beiden Pfeilern einzureißen. Die anderen warteten die ganze Nacht und sagten: „Wir wollen sehen, ob ihm ein Unglück widerfährt. Wenn ja, lassen wir es sein, wenn nicht, so billigt Allah unser Vorhaben.”
Am folgenden Morgen, als al-Walid mit dem Einreißen fortfuhr, folgten auch die andern seinem Beispiel. Als man auf die Grundsteine stieß, die noch von Ibrahim (Abraham) stammten*, waren sie mit einer grünlichen Farbe überzogen und hatten die Form eines Kamelhöckers. Sie waren fest übereinandergeschichtet. Ein Quraischite, der ebenfalls mit dem Einreißen beschäftigt war, hatte einen großen Hebel zwischen zwei Steine geschoben, um den einen zu lockern und herauszubrechen. Als der Stein zu wanken anfing, erbebte ganz Mekka. Man ließ daher die Grundsteine unverrückt, sie blieben an ihrem Ort.
*Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine Legende. Abraham war nie in Mekka.

In einem der Pfeiler fanden die Quraisch eine syrische Inschrift, die niemand entziffern konnte, bis sie ihnen ein Jude vorlas. Sie lautete: „Ich bin Allah, der Herr von Mekka. Ich habe diese Stadt an dem Tag geschaffen, als ich Himmel und Erde schuf, Sonne und Mond bildete und habe ihr sieben Engel als Schutz gegeben. Sie wird so lange bestehen wie die beiden Berge, die sie umgeben. Ihre Bewohner werden durch Wasser und Milch gesegnet.”
Laith b. Abi Sulaim behauptet, man habe vierzig Jahre vor der Sendung Mohammeds einen Stein in der Kaaba gefunden, auf welchem geschrieben war: „Wer Gutes sät, erntet Segen, wer Böses sät, erntet Reue. Wollt ihr für schlechte Handlungen mit Wohltaten belohnt werden? So wenig wie von Dornen Trauben gepflückt werden können*.”
* Vielleicht liegt hier ein abgewandeltes Wort Jesu vor (Matth. 7,16).

Die Quraischiten trugen nun die Steine zum Bau der Kaaba zusammen. Jeder Stamm arbeitete für sich. Sie bauten, bis sie an die Stelle des heiligen Steines kamen. Da entspann sich ein Streit. Jeder Stamm wollte die Ehre und das Vorrecht besitzen, ihn wieder einzulegen. Bald zerstritten sie sich, schlössen Bündnisse und bereiteten sich zum Kampf vor.

Die Banu Abd al-Dar brachten eine Pfanne mit Blut herbei und schlössen ein Bündnis mit den Banu Adi. Dabei schworen sie sich Treue bis zum Tod, indem sie ihre Hände in das Blut tauchten, das in der Pfanne war. Sie wurden daher „Blutlecker” genannt. Dieser Streit dauerte vier oder fünf Tage. Dann versammelten sich alle in der Moschee und berieten miteinander. Datrat Abu Umaija b. al-Mughira hervor, der damals der Älteste unter den Quraisch war, und machte den Quraisch den Vorschlag, denjenigen als Schiedsrichter anzuerkennen, der zuerst in die Moschee treten würde.
Sie willigten ein, und der erste, der eintrat, war Mohammed. Als sie ihn sahen, riefen sie: „Der ist uns recht, er ist der Wahrhaftige.”
Sie trugen ihm die Streitsache vor. Da ließ er sich ein Tuch bringen und legte den Stein mitten darauf. Dann ließ er einen aus jedem Stamm das Tuch fassen, den Stein gemeinsam aufheben und bis an den Ort tragen, wo er eingefügt werden sollte. Er legte ihn dann selbst an seine alte Stelle, und der Bau konnte fortgesetzt werden *.
* Die vermittelnde Hilfe Mohammeds bei der Kaabaerneuerung in Mekka steht der Tempelreinigung Jesu gegenüber, der die Händler und Kaufleute aus dem Tempel in Jerusalem trieb, um ihn för die Anbetung Gottes zu reinigen (Joh. 2,13-22). Darüber hinaus verkündete Jesus, daß seine Feinde den Tempel abreißen, er ihn aber in drei Tagen wieder aufbauen werde (Mt. 26,61; 27,40). Er meinte damit seinen Tod und die Auferstehung seines Leibes, welcher der wahre Tempel Gottes ist.
Mohammed ließ den alten Tempelkult bestehen, befestigte den Schwarzen Stein in der Kaaba und integrierte die heidnische Pilgerfahrt in das Gesetz des Islam.
Jesus aber schuf mit seiner Gemeinde einen neuen Tempel, in dem Gottes Geist wohnt.

Mohammed tolerierte die Kaaba mit ihren Götzen solange, bis er die Stadt mit seinem Heer eroberte. Dann reinigte er den Tempelbesitz von seinen Götzen, ließ aber den schwarzen Stein in der Kaaba eingemauert und küßte ihn.

Zur Zeit Mohammeds war die Kaaba je achtzehn Ellen lang, breit und hoch. Sie war mit ägyptischer Leinwand und später mit gestreiftem Baumwollstoff bedeckt. Al-Hadjdjadj b. Jusuf war der erste, der sie mit Seidenstoff überspannte.

Vom Glauben an Djinn in Mekka
Die jüdischen Rabbiner, die christlichen Priester und die Wahrsager unter den Arabern hatten bereits zu ihrer Zeit von Mohammed gesprochen. Die Rabbiner verkündeten, was sie in ihren Schriften über ihn und seine Zeit gefunden hatten. Die Wahrsager gaben weiter, was böse Djinn*(Geister) von ihm verstohlenerweise gehört hatten, ehe Sterne auf sie geschleudert wurden (Sternschnuppen).
*Ibn Hischam bezeichnet hier die Djinn als „böse” Geister, obwohl sie vorgaben, Geheimnisse über Mohammeds Sendung zu kennen.
Der Islam spricht von zwei verschiedenen Arten von Djinns, den bösen und den guten. Die letzteren hatten den Quran angenommen und waren Moslems geworden!

Die Wahrsager und Wahrsagerinnen verbreiteten mancherlei Andeutungen über Mohammeds Erscheinen, aber die Araber zeigten daran kein Interesse, bis das Gesagte sich bestätigte. Nun kamen sie zur Einsicht. Als dann die Ankunft des Gesandten Allahs nahe war, konnten die bösen Djinn nichts mehr erlauschen. Sie durften nicht mehr an ihre früheren Plätze zurückkehren, wo sie gelauscht hatten und deshalb Sterne auf sie herabgeschleudert worden waren. Daran merkten sie, daß nun eingetroffen sei, was Allah zuvor beschlossen hatte. Allah offenbarte seinem Propheten diese Geschichte der Djinn (Sure al-Djinn 72,1-3): „Sprich! Mir ist geoffenbart worden, daß einige Djinn gelauscht und gesagt haben, wir haben einen wunderbaren Quran (Vortrag) gehört, der zur Wahrheit leitet. Wir haben daran geglaubt. Wir werden unserm Herrn keinen Teilhaber zur Seite stellen, denn unser Herr, der Erhabene, ist allein allmächtig. Er hat weder eine Gattin noch ein Sohn*.”
* Eine andere Tradition verlegt diese Begegnung Mohammeds mit den Djinn in die Zeit nach seiner Abweisung von den Bewohnern Taifs.

Als die Djinn den Quran vernahmen, wußten sie, weshalb sie nicht mehr lauschen durften. Die Offenbarung sollte nicht durch verschiedenartige Nachrichten vom Himmel unverständlich und zweifelhaft gemacht werden. Nun glaubten auch die Djinn und predigten* ihren Gefährten: „Wir haben von einem Buch gehört, das nach Mose erschienen ist und das bestätigt, was ihm geoffenbart wurde. Es führt zur Wahrheit und weist den geraden Weg” (al-Ahqaf 46,30).
* Die moslemischen Djinn erweisen sich als eifrige Missionare für die Ausbreitung des Islam.

Mohammed b. Muslim b. Schihab al-Zuhri hat es von Ali b. Husain b. Ali b. Abu Talib, der es wiederum von Ansar gehört hat. Mohammed habe sie gefragt: „Was denkt ihr über die geschleuderten Sterne?” Sie antworteten: „Wir dachten, ein König sei gestorben oder auf den Thron erhoben worden, ein berühmtes Kind sei geboren oder gestorben.” Da erwiderte Mohammed: „Das stimmt nicht, sondern Allah hat etwas über seine Geschöpfe verhängt. Das hörten die Träger des Thrones und priesen ihn. Die untergeordneten Engel folgten ihrem Beispiel. So breitete sich der Lobpreis bis in den untersten Himmel aus.” Nun wollte einer vom andern wissen, weshalb sie Allah gepriesen hätten. Sie erhielten die Antwort: „Weil die Oberen ihn loben.” Nun fragte man die Oberen bis hinauf zu den Trägern des Thrones. Wenn diese dann Allahs Beschluß mitteilten, so kam die Antwort wieder stufenweise herunter bis in den untersten Himmel. Hier lauschten die bösen Djinn und faßten manches verkehrt oder falsch auf. Diese gingen zu den Wahrsagern auf der Erde und führten sie teils in die Irre, teils sagten sie ihnen das Richtige. Die Wahrsager gaben es weiter und verbreiteten so manchen Irrtum und manche Wahrheit. Daraufhin hielt Allah die Djinn fern, indem er Sterne auf sie schleudern ließ. Auf diese Weise wurde die Wahrsagerei beendet*.
* Die Djinn werden als mediale Geister verstanden, die durch Menschen (Medien) reden. Bei den Quraischiten waren solche besessenen Medien bekannt. Okkulte Kontakte und Belastungen waren üblich und bestehen bis heute noch in islamischen Ländern.

Begegnungen mit Juden *
Salama b. Salama erzählte: „Ein Jude, der ein Schutzgenosse der Banu Abd al-Aschhal war, suchte diese eines Tages auf — ich war damals noch einer ihrer Jüngsten, trug ein Oberkleid und lag vor der Wohnung meiner Familie — und sprach von der Auferstehung, vom Gericht, von der Waage, vom Paradies und von der Hölle. Die Polytheisten und Götzendiener, die an keine Auferstehung glaubten, entgegneten ihm: .Glaubst du wirklich, daß die Menschen nach dem Tode wieder auf erweckt werden und in eine Welt kommen, in der es eine Hölle und ein Paradies gibt, und daß ihnen dann nach ihren Taten vergolten wird**?'”
* Zahlreiche Juden lebten seit ihrer Vertreibung im Jahre 70 n. Chr. durch die Römer im Hidjaz, dem Westteil der Arabischen Halbinsel. Sie glaubten an den einen Gott und besaßen eine ausgereifte Liturgie in ihren Gottesdiensten. Vor allem aber besaßen sie ein Buch, aus dem sie alle Details ihres Glaubens, ihres Gesetzes und ihrer Geschichte herauslesen konnten.
**Der Glaube an die Auferstehung der Toten, an das Paradies und die Hölle wurde von den Juden an Mohammed weitergegeben. Etwa 70 Prozent der Texte des Qurans enthalten verzerrt wiedergegebene Geschichten und Gesetze aus dem Alten Testament.

Er erwiderte: „Jawohl, bei dem, bei welchem man schwört”, und fügte den Wunsch hinzu, er wolle sich lieber in den größten geheizten und verschlossenen Ofen sperren lassen, wenn er dadurch vor dem ihm bestimmten Feuer der Hölle bewahrt werden könne.
Einige Jahre vor dem Islam hatte sich ein Jude aus Syrien namens Ibn al-Haijaban bei uns niedergelassen, der, bei Allah, der beste unter denen war, die das fünfmalige Gebet nicht verrichteten. Immer, wenn wir Regenmangel hatten, gingen wir zu ihm und baten ihn, von Allah Regen zu erflehen*. Erforderte uns dann stets auf, vorher Almosen zu geben, und wenn wir ihn fragten wieviel, antwortete er: „Ein Sa’a “Datteln oder zwei Mudd Gerste.” Sobald wir diese Dinge herbeigebracht hatten, ging er mit uns aufs Feld und flehte Allah um Regen für uns an. Und, bei Allah, kaum hatte er sich erhoben, als eine Wolke vorüberzog, die ihr kostbares Naß über uns ausschüttete. Dies geschah häufiger. Als seine Todesstunde herannahte, fragte er seine Volksgenossen: „Weshalb habe ich nach eurer Meinung mein fruchtbares Land verlassen und bin in dieses karge Land eingewandert?” Sie erwiderten: „Du weißt es besser!” Da fuhr er fort: „Ich bin hierher gekommen, weil ich auf einen Propheten gewartet habe, dessen Zeit bald kommen wird, und in diesem Land wird er erscheinen. Ich habe auf sein Kommen gewartet, um ihm zu folgen. Nun ist seine Zeit nahe. Laßt euch nicht von anderen verleiten, denn er wird das Blut seiner Gegner vergießen und ihre Kinder gefangennehmen. Nichts kann euch gegen ihn schützen.”
* Regengebete sind in der islamischen Welt, besonders im Nahen Osten, auch heute noch eine weit verbreitete Praxis.
** Ein Sa’a ist ein Hohlmass, das vier Mudd aufnehmen konnte. Seine Grosse variierte in den verschiedenen Gebieten.

Als Mohammed später die Banu Quraiza belagerte, sagten jene Männer, die damals noch jung gewesen waren: „O ihr Söhne Quraizas! Bei Allah, das ist der Prophet, den euch Ibn al-Haijaban verheißen hat*!” Jene aber entgegneten: „Er ist es nicht!”
* Das weitere Warten der Juden — auch nach Jesu Kommen — auf den Messias bzw. auf den Propheten, den Mose geweissagt hatte (5. Mose 18,15), brachte Mohammed auf die Idee, daß er selbst dieser verheißene Prophet sei. Dabei steht an der betreffenden Stelle ausdrücklich, der Messias werde aus dem Volk Israel stammen („aus dir und aus deinen Brüdern”).

Die Gottsucher (Hanifen)
Einst hatten sich die Quraisch auf einem ihrer Feste um einen ihrer Götzen versammelt, den sie verehrten, dem sie Opfer brachten, bei dem sie sich aufhielten und den sie bei Prozessionen mit sich führten. Es war an einem Festtag, den sie alljährlich feierten. Vier Männer jedoch hielten sich fern und schlössen insgeheim einen Freundschaftsbund miteinander. Es waren Waraqa b. Naufal, Ubaid Allah b. Djahsch, Uthman b. al-Huwairith und Zaid b. Amr. Einer sagte zum andern: „Wir wissen, bei Allah, daß unser Volk nicht den rechten Glauben hat. Sie haben die Religion ihres Vaters Abraham verfälscht. Wie sollen wir einen Stein umkreisen, der weder hört noch sieht, der weder nützen noch schaden kann? Wir suchen uns einen anderen Glauben. Der überlieferte taugt nichts.” Sie zerstreuten sich hierauf in verschiedene Länder, um den wahren Glauben Abrahams zu erforschen*.
* Die Zweifel am Animismus und an versteinerten Seelen (Götzen) regten sich in Mekka schon vor Mohammed. Deshalb ist es ein fragwürdiger Kompromiß, daß Mohammed in die Liturgie der islamischen Pilgerfahrt das Umkreisen und Küssen des Schwarzen Steines wieder aufgenommen hat. Dies bedeutet einen Rückfall ins finsterste Heidentum.

Waraqa b. Naufal vertiefte sich in das Christentum und studierte die Bücher der Christen, bis er mit der Wissenschaft der Buchbesitzer vertraut war*.
* Waraqa b. Naufal war ein Neffe des Onkels von Khadidja, der Frau Mohammeds. Er war der Vorsteher einer kleinen christlichen Gemeinde in Mekka und hat zweifellos einen gewissen Einfluß auf Mohammed gehabt. Er soll versucht haben, die Schriften des Alten Testaments ins Arabische zu übersetzen.

Ubaid Allah b. Djahsch blieb bei seinen Zweifeln, bis er sich zum Islam bekehrte. Dann wanderte er mit seiner Frau Um Habiba, einer Tochter Abi Sufjans, nach Abessinien aus. Als sie dort lebten, bekehrte er sich zum Christentum und starb als Christ. Nachdem Ubaid Allah b. Djahsch Christ geworden war, sagte er zu seinen Gefährten, die mit ihm nach Abessinien ausgewandert waren: „Wir haben die Wahrheit klar erkannt. Ihr aber sucht sie noch und habt noch nichts gesehen.” Er gebrauchte dabei einen Ausdruck, der verwendet wird, wenn ein junger Hund zum erstenmal die Augen öffnet und dabei noch nicht klar sieht. Später heiratete Mohammed die Witwe Ubaid Allahs*.
Dazu schickte er Amr b. Umaija al-Dhamri zu dem Fürsten von Abessinien und ließ um sie werben. Der Fürst nahm die Werbung gegen eine Morgengabe von 400 Dinaren an.
*Das Ringen um die Erkenntnis des wahren Gottes ging mitten durch die Reihen der Moslems hindurch. Sie hörten das deutliche Zeugnis eines der Ihrigen, der Christ geworden war. Vielleicht wollte Mohammed aus erster Hand die Beweggründe zum Übertritt eines Moslems zu den Christen kennenlernen, als er die Witwe des Konvertiten, Umm Habiba, eine Tochter Abu Sufjans, heiratete.

Uthman b. al-Huwairith kam zum Kaiser von Byzanz, wurde Christ und gelangte bei ihm zu hohem Ansehen*.
Am Hof des Kaisers von Byzanz dürften Spuren der Kenntnis Mohammeds und des Islam existiert haben. Uthman wird aus der Ferne die Entwicklung in Mekka und Medina verfolgt und seine Gönner unterrichtet haben.

Zaid b. Amr nahm weder das Judentum noch das Christentum an. Allerdings hat er den Glauben seines Volkes aufgegeben. Er hielt sich fern von jeglichem Götzendienst, vom Genuß toter Tiere sowie solcher, die Götzen geopfert wurden und vom Genuß von Blut. Auch verurteilte er den Brauch, Mädchen lebendig zu begraben *. Er sagte: „Ich bete den Herrn Abrahams an”, und tadelte laut die Fehler seines Volkes. Hischam b. Urwa hat mir von seinem Vater berichtet, der von seiner Mutter Asma, der Tochter Abu Bakrs gehört hat, wie sie sagte: „Ich habe Zaid b. Amr gesehen, wie er als Greis seinen Rücken an die Kaaba lehnte und sagte: Gemeinde Quraisch! Bei dem, in dessen Gewalt meine Seele ist, außer mir ist keiner von euch im Glauben Abrahams.” Dann fuhr er fort: „Allah, wüßte ich, in welcher Weise es dir am liebsten ist, angebetet zu werden, ich würde es tun; aber ich weiß es nicht. Dann fiel er anbetend auf seine Hände nieder.”
* Der Koranische Hinweis auf die Tötung von Mädchen als Kleinkinder findet sich in der Sure al-Takwir 81,8-9.

Zaid hat über seinen Abfall vom Glauben seines Volkes und über das, was er deshalb zu erdulden hatte, folgende Verse gedichtet:
„Soll ich an einen Gott glauben oder an tausend Götter? Dann wäre ja die Herrschaft geteilt. Ich habe der Lat und Uzza entsagt*. So handelt der Starke, der Ausdauernde. Ich glaube weder an Uzza noch an ihre beiden Töchter. Auch besuche ich die beiden Götzen der Söhne Amrs nicht. Ich glaube auch nicht an den Götzen Ghanm, der unser Herr war, als ich ins Jünglingsalter trat. Ich erstaunte — aber in der Nacht setzt uns manches in Staunen, was bei Tag der Sehende begreift —, daß Allah viele Männer vertilgt hat, die ruchlos waren und wie er fromme erhalten hat. Allah läßt Kinder groß und stark werden. Wenn ein Mann sich auch verfehlt, so kann er sich doch eines Tages bekehren, so wie ein vom Regen befeuchteter Zweig wieder aufblüht. Ich bete meinen Herrn, den Barmherzigen, an, damit er, der Erbarmer, mir meine Sünden vergebe. Bleibt in der Furcht vor Allah, eurem Herrn, dann geht ihr nicht zugrunde. Du wirst sehen wie Gärten den Frommen als Wohnung zugewiesen werden, den Ungläubigen aber brennendes Höllenfeuer. Schmach im Leben finden sie und nach dem Tode, was ihnen die Brust beengt.”
* Vergleiche die „satanischen Verse” im Quran, nach denen Mohammed eine Zeitlang die Existenz einer Frau Allahs (al-Lat) und ihrer Töchter (Manat und al-Uzza) bejahte (Sure 22J2-53; 53,1923). Nach den Maßstäben der biblischen Prophetenprobe (vgl. 5. Mose 18,20) hätte Mohammed sterben müssen.

Er reiste dann ab, um den Glauben Abrahams zu suchen und befragte Mönche und Rabbiner. Er reiste durch Mesopotamien, kam nach Mossul** besuchte Syrien, bis er nach Maifa in der Provinz Balka kam, wo er einen Mönch fand, der, wie man annimmt, der gelehrteste Christ war. Erfragte ihn nach der wahren Religion, nach dem Glauben Abrahams. Der Mönch erwiderte: „Du suchst eine Religion, in welcher dich jetzt niemand mehr unterrichten kann, aber die Zeit ist nahe, da ein Prophet in dem Lande, aus dem du kommst, auftreten wird, der von Allah mit dem wahren Glauben Abrahams gesandt wird. Schließe dich ihm an, er wird bald auftreten, es ist an der Zeit.” Zaid hatte sich mit dem Judentum und dem Christentum bekanntgemacht, aber keine von beiden Religionen hatte ihn befriedigt. Auf der Rückreise nach Mekka zog er durch das Land der Lakhmiten. Sie fielen über ihn her und ermordeten ihn*. *
* Bereits vor den Offenbarungen an Mohammed war in Mekka durch den Einfluß zahlreicher Juden und Christen bei manchen „Hanifen” (Gottsuchern) die Überzeugung gewachsen, daß die Götter, Götzen und Statuen im Tempelbereich der Kaaba wertlos und tot seien.
** Eine nordirakische Stadt, die einst ein blühendes Zentrum der christlichen Aramäer darstellte.

Wie der Gesandte Allahs im Evangelium vorausgesagt sein soll
Isa b. Marjam* hatte sich in dem von Allah geoffenbarten Evangelium, nach der Abschrift, die der Jünger Johannes zu Lebzeiten Isas vom Evangelium angefertigt hatte, folgendes über Mohammed ausgesprochen: „Wer mich haßt, haßt den Herrn. Hätte ich nicht vor ihren Augen Werke getan, wie keiner vor mir, so wären sie unschuldig. Sie aber wurden undankbar und glaubten, sie müßten mich wie den Herrn selbst verehren. Das Wort, das im Gesetzbuch geschrieben ist, muß jedoch erfüllt werden, daß sie mich ohne Grund hassen**. Wäre Munhamanna***(d.h. im Syrischen Mohammed und im Griechischen Paraklet), den euch Allah vom Herrn und dem Geist der Heiligkeit senden wird**** schon hervorgetreten, so würde er Zeugnis für mich und für euch ablegen und ihr würdet es auch tun, denn ihr wart früher mit mir. Dies sage ich euch, damit ihr nicht zweifelt*****”.
* Isa b. Marjam ist die islamische Bezeichnung für Jesus den Sohn der Maria.
** Teile des Johannes-Evangeliums waren in Mekka zur Zeit Mohammeds bereits bekannt und in der Bevölkerung diskutiert worden (Joh. 15,23-27; 16,1).

*** „Munhamanna” ist eine Übersetzung des griechischen Wortes „parakletos” in die arabische Sprache. Es handelt sich jedoch dabei um einen Irrtum, weil das griechische Wort zwar mit arabischen Konsonanten richtig, jedoch mit falschen Vokalzeichen als „perikletos” geschrieben wurde. „Parakletos” heißt der Tröster und Beistand. „Perikletos” aber heißt „der Gepriesene”, was der arabischen Bedeutung des Namens Mohammed entspricht. Deshalb behaupten die Moslems, Mohammed sei der Parakletos, der im Neuen Testament verheißene Tröster.
**** Die Personen der heiligen Dreieinigkeit werden an dieser Stelle noch gänzlich unreflektiert genannt: „Allah”, „der Herr” und „der Geist der Heiligkeit”. In der Theologie des Islam aber werden sie strikt abgelehnt.
***** Mohammed hat die Verheißung Jesu Christi (Joh. 15,26), daß er den Tröstergeist senden werde, falsch verstanden und auf sich bezogen. Kein Moslem kann akzeptieren, daß Mohammed ein Gesandter Christi ist (Joh. 14,16-17 und 16,7-11)! Es ist bezeichnend, daß Ibn Hischam sich kurz vor dem Beginn der sogenannten Offenbarungen an Mohammed mit den meist unverstandenen Splittern des Evangeliums auseinandersetzt und damit indirekt die Aussage Ubaid Allahs bestätigt, der vom Islam zum Christentum in Abessinien übergetreten ist.

Als Mohammed vierzig Jahre alt war, sandte ihn Allah in die Welt — als eine Barmherzigkeit von ihm für die gesamte Menschheit *. Allah hatte schon in früheren Zeiten jedem seiner Propheten die Verpflichtung auferlegt, an Mohammed zu glauben, ihn als wahrhaftig zu erklären und ihm gegen seine Feinde beizustehen. Sie sollten dies allen verkünden, die an sie glaubten und sie für wahrhaftig hielten; und sie taten, wie ihnen befohlen war.
* Der betreffende Quranvers wird häufig auf den Quran selbst und nicht auf Mohammed bezogen (al-Nahl 16,89).

Die ersten Visionen Mohammeds
Urwa b. al-Zubair hat von Aischa folgendes gehört: „Als Allah Mohammed ehren und sich der Menschheit erbarmen wollte, ließ er sein Prophetentum damit beginnen, daß er Erscheinungen im Traume hatte wie die anbrechende Morgenröte. Allah gewährte ihm die Neigung zur Einsamkeit. So liebte Mohammed die Einsamkeit über alles.”
Wahb b. Kaisan erzählte, was Ubaid ihm gesagt hatte: „Mohammed brachte einen Monat auf Hira zu und speiste die Armen, die zu ihm kamen. Wenn der Monat zu Ende war, umkreiste er siebenmal die Kaaba oder so oft, wie es Allah gefiel. Dann erst begab er sich in sein Haus. Als das Jahr seiner Sendung kam, ging er wie gewöhnlich mit seiner Familie im Monat Ramadan nach Hira. In der Nacht, in der Allah seinen Diener mit seiner 58 Botschaft ehrte, erschien ihm der Engel Gabriel und brachte ihm den Befehl Allahs*.”
* In Galater 1,8-9 bezeichnet Paulus jeden Engel oder Geist, der nach der Offenbarung des Evangeliums durch Jesus Christus ein anderes Evangelium oder wieder eine Gesetzesreligion inspiriert, als verflucht. Es konnte deshalb nicht der Engel Gabriel sein, der Mohammed erschienen war. Aber genau dies behauptet der Islam!
Darüber hinaus wird der Engel Gabriel im Islam auch „ Geist der Heiligkeit” genannt. Der koranische Heilige Geist ist also ein geschaffener Engel, niemals aber Gottes eigener Geist. Hier wird deutlich, daß im gesamten Islam und in allen Moslems kein Heiliger Geist wohnt und wirkt.

„Ich schlief”, erzählt Mohammed, „als er mir ein beschriebenes, seidenes Tuch brachte und sagte: ,Lies *!’ Ich erwiderte: ,Ich kann nicht lesen**!’ Da drückte er mich in das Tuch, daß ich glaubte, ich müßte sterben***. Dann ließ er mich los und forderte mich erneut auf: ,Lies!’ Als ich wieder antwortete, ich könne nicht lesen, bedeckte er mich wieder mit dem Tuch, so daß ich beinahe den Geist aufgab. Dann ließ er mich frei und erneuerte seinen Befehl. Ich fragte nun aus Furcht, er werde mich wieder wie vorher behandeln, was ich lesen solle. Da sagte er: ,Lies im Namen deines Herrn, der den Menschen aus einem Blutklumpen**** erschaffen hat, lies, dein Herr ist der Barmherzige, der durch die Feder den Menschen gelehrt hat, was er nicht wußte’ (al-Alaq 96,1-5). Ich rezitierte nun, und Gabriel verließ mich wieder. Danach erwachte ich, und es war, als stünden diese Worte in mein Herz eingeschrieben.
*Das Wort „ Quran ” („Rezitation ” oder „ das zu Lesende “) ist eine Ableitung vom Grundverb (qara’a) des Befehls: „Lies!” oder „Rezitiere!” (Iqra’). Der Quran kann nicht nur gelesen oder vorgelesen, sondern auch von Analphabeten auswendig gelernt rezitiert werden. (Siehe auch Nöldeke T, Geschichte des Qurans, Bd. 1, S. 31-32, Nachdruck 1981 Hildesheim.)

**Mohammed war Analphabet. Er konnte weder lesen noch schreiben (Sure 7,157-158). Außerdem waren zu seiner Zeit das Alte und das Neue Testament noch nicht ins Arabische übersetzt. Mohammed hätte sie trotzdem jedoch nicht lesen können. Noch weniger war er in der Lage, die Bibel in ihren Ursprachen, dem Hebräischen (AT) und Griechischen (NT), zu lesen. Er hatte also keinen Zugang zu den Quellen der Wahrheit und war auf mündliche Überlieferungen angewiesen. Jesus konnte lesen und schreiben und rezitierte Texte der Thora und der Propheten (Luk. 4,17-20) in hebräischer Sprache. Darüberhinaus ist er Gottes Wort im Fleisch und die Wahrheit in Person.

*** Die Offenbarungen an Mohammed spielten sich in keiner befreienden und gesegneten Weise ab. Mohammed hatte jedesmal das Gefühl, daß er unter Schmerzen ersticken würde oder sterben müßte, wenn er die Offenbarungen von seinem Geist empfing.

****Gott hat den Menschen nicht aus einem geronnenen Blutklumpen erschaffen. Nicht das Blut war zuerst da, es hätte sonst höchstens Tierblut sein können. Gott schuf den Menschen durch sein Wort und formte ihn aus Erde als sein Ebenbild (1. Mose 1,26-27; 2,7; 3,19).

Ich trat aus der Höhle und stand auf der Mitte des Berges. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel, die mir zurief:,Mohammed! Du bist der Gesandte Allahs und ich bin Gabriel.’ Ich hob mein Haupt gegen den Himmel empor, um nach dem Sprechenden zu sehen, und ich sah Gabriel in der Gestalt eines beflügelten Mannes. Seine Füße waren am Horizont und er rief: .Mohammed! Du bist der Gesandte Allahs und ich bin Gabriel.’ Ich blieb stehen und schaute nach der Erscheinung und ging weder vorwärts noch rückwärts. Dann wandte ich mich von ihm ab, aber nach welcher Seite ich auch meine Blicke richten mochte, immer sah ich Gabriel vor mir. Ich blieb so stehen, ohne vorwärts und rückwärts zu gehen, bis Khadidja Leute schickte, um mich zu suchen. Sie gingen bis zur Höhe Mekkas und kehrten wieder zu ihrer Auftraggeberin zurück. Ich aber blieb stehen, bis der Engel wegging, dann kehrte ich zu meiner Familie zurück.

Als ich zu Khadidja kam, setzte ich mich auf ihren Schoß und drückte mich fest an sie. Sie fragte mich, wo ich war und sagte mir, sie habe Leute ausgeschickt, um mich zu suchen. Sie seien bis zur Höhe von Mekka gekommen und wieder umgekehrt. Als ich ihr erzählte, was ich gesehen hatte, sagte sie: .Freue dich, mein Vetter, und sei guten Muts bei dem, in dessen Gewalt meine Seele ist. Ich hoffe, du wirst der Prophet deines Volkes werden*.’
* Khadidja glaubte als erste an Mohammed und ermunterte ihn zum Glauben an seine Sendung. Sie machte ihn seiner Berufung bewußt. Bei ihr suchte er Trost in engster Umarmung.

Sie stand dann auf, kleidete sich an und ging zu ihrem Vetter Waraqa b. Naufal, der Christ geworden war, die heiligen Schriften gelesen und manches von Juden und Christen gehört hatte. Sie erzählte ihm, was ich gesehen und gehört hatte. Da sprach Waraqa: .Heilig, heilig, heilig bei dem, in dessen Gewalt Waraqas Seele ist! Wenn du mir die Wahrheit berichtest, so ist der größte Namus*zu ihm gekommen, der auch Mose erschienen ist, dann ist er der Prophet dieser Nation. Sage ihm, er soll standhaft bleiben.'”
* Namus bedeutete bei den arabischen Christen soviel wie „Geheimnis” oder „Gesetz”. Bei den Moslems aber war es eine Bezeichnungfür den „Engel Gabriel”.

Khadidja kehrte hierauf zu Mohammed zurück und erzählte ihm, was Waraqa gesagt hatte.
Als die Andachtszeit vorüber war, Mohammed sich auf dem Heimweg befand und wie gewöhnlich zuerst die Kaaba umkreiste, begegnete ihm Waraqa und sagte zu ihm: „Erzähle mir, was du gesehen und gehört hast.” Als Mohammed es ihm erzählt hatte, sagte er: „Bei dem, in dessen Gewalt meine Seele ist, du bist der Prophet dieser Nation. Der größte Namus, der Mose erschienen ist, ist auch zu dir gekommen. Man wird dich einen Lügner nennen, dich mißhandeln, verbannen und bekämpfen. Wenn ich jene Zeit erlebe, so werde ich Allah in einer Weise beistehen, daß er es mir anerkennen wird.” Er neigte sich dann mit dem Haupte zu ihm und küßte ihn auf die Stirn, worauf Mohammed nach Hause ging*.
* Waraqa b. Naufal war zwar Vorsteher der christlichen Gemeinde in Mekka, besaß aber nicht die Unterscheidungsgabe und geistliche Reife, um festzustellen, welcher Geist tatsächlich durch Mohammed redete.

Wie Khadidja die Offenbarungen Mohammeds prüfte
Ismail b. Abi Hakim, ein Freigelassener der Familie Zubairs, hat mir erzählt, er habe von Khadidja folgendes gehört: „Ich sagte zu Mohammed: .Kannst du mich benachrichtigen, sobald dein Freund dir erscheint?’ Er sagte: ,Ja.’ Ich bat ihn, dies zu tun. Als nun Gabriel wieder erschien, benachrichtigte er mich. Ich sagte zu Mohammed: ,Setze dich auf meinen linken Schenkel!’ Als er dies getan hatte, fragte ich: ,Siehst du ihn noch?’ Er antwortete: ,Ja.’ Da ließ ich ihn auf meinen rechten Schenkel sitzen und fragte ihn erneut, ob er ihn noch sehe. Als er meine Frage wieder bejahte, ließ ich ihn auf meinen Schoß sitzen und fragte nochmals, ob er ihn sehe. Als er es bestätigte, seufzte ich und warf meinen Schleier ab. Dann fragte ich ihn wieder, ob er ihn noch sehe, und ersagte: .Nein.’ Da rief ich: .Freue dich, mein Vetter, und sei festen Mutes, bei Allah, es ist ein Engel und kein Satan!'”
Ibn Ishaq ergänzte: „Als ich diese Überlieferung dem Abd Allah b. Hassan mitteilte, sagte er: ,lch habe dieselbe Tradition von meiner Mutter Fatima, der Tochter Husains, im Namen Khadidjas gehört, nur hat nach dieser Überlieferung Khadidja den Propheten unter ihr Hemd genommen, worauf Gabriel verschwand*.'”
* Die Prüfung der Offenbarung durch Khadidja trägt allzu menschliche Züge. Sie hatte die Religion fleischlich und nicht geistlich verstanden.

Mohammed widersetzte sich dieser Art von Geisterunterscheidung durch eheliche Kontakte nicht. Das widerspricht der Prüfung der Geister im Neuen Testament völlig (vgl. 1. Joh. 4,1-3). Hier wird das niedrige Niveau der Gotteserkenntnis und Frömmigkeit in der Familie Mohammeds deutlich.

2. Die Entstehung der islamischen Urgemeinde

Die bevorzugte Stellung Khadidjas
Khadidja glaubte an Mohammed, hielt die Offenbarung für wahr und unterstützte ihren Ehemann in seinen Vorhaben. Sie war die erste, die an Allah, an seinen Gesandten und an die Offenbarung glaubte. Dadurch hat ihm Allah Trost geschickt, denn sooft er etwas Unangenehmes hörte, Widerreden erfuhr, man ihn der Lüge bezichtigte und er darüber betrübt war, tröstete ihn Allah durch sie. Immer, wenn er zu ihr heimkehrte, richtete sie ihn auf, versicherte ihn ihres Glaubens an ihn und stellte ihm das Gerede der Menschen als geringfügig dar.
Hischam b. Urwa hat mir von seinem Vater erzählt, der von Abd Allah b. Djafar b. Abi Talib gehört hat, Mohammed habe gesagt: „Mir ist befohlen worden, Khadidja zu verkünden, daß sie ein Haus aus Qassab erhalten wird, in dem kein Geräusch und keine Krankheit herrscht” (Qassab ist eine ausgehöhlte Perle). Auch hat mir ein zuverlässiger Mann erzählt, Gabriel sei zu Mohammed gekommen und habe ihm gesagt: „Grüße Khadidja von ihrem Herrn!” Als Mohammed ihr diesen Gruß überbrachte, sagte sie: „Allah ist das Heil, von ihm kommt das Heil und Heil über Gabriel*!”
* Khadidja war es, die Mohammed zu seinem Sendungsbewußtsein verhalf und ihn immer wieder ermutigte, an seine prophetische Berufung zu glauben. Es war eine Frau, die als erste an Allah und seinen Gesandten glaubte. Mit ihrem Eifer als Gattin stabilisierte sie ihren Mann und beeinflußte ihre Töchter, an seine Lehre zu glauben. Der Islam begann im Rahmen einer Familie, während Jesus seine Jünger aus dem Kreis der Bußfertigen um Johannes den Täufer berufen hatte (Joh. 1,35-51).

Als die Offenbarungen ausblieben
Als die Offenbarungen eine Zeitlang ausblieben, wurde Mohammed darüber sehr betrübt*.
*Die Offenbarungen blieben zweieinhalb Jahre lang aus. Das trieb Mohammed zur Verzweiflung und zu der Überzeugung, von Allah verlassen und verworfen zu sein. Er ging öfters zum Abgrund des Berges Hira in der Absicht, sich dort hinabzustürzen (Bukhari, Kitabu fada’ il al-nabi).

Da überbrachte ihm Gabriel die Sure al-Duha 93,1-9, in der Allah, der ihm viel Gnade erwiesen hatte, schwor:
„Bei dem klaren Tag und der sinkenden Nacht! Dein Herr hat sich nicht von dir abgewandt und ist dir nicht abgeneigt, dein zukünftiges Leben wird besser als das gegenwärtige sein. Was ich bei deiner zukünftigen Rückkehr zu mir beschlossen habe, wird dir mehr wert sein, als die dir in diesem Leben vorausgeschickte Gnade. Dein Herr wird dir so viel geben, daß du zufrieden sein wirst (Sieg in diesem Leben und Lohn in der zukünftigen Welt). Fand er dich nicht als Waise und verschaffte dir Fürsorge? Fand er dich nicht im Irrtum gefangen, und leitete dich? Warst du nicht arm, und er machte dich reich?”

Allah erinnerte ihn mit diesen Worten, wie er angefangen hatte, sich ihm barmherzig zu erzeigen und wie er ihn durch seine Huld aus dem Waisenstand, aus Irrtum und Armut gezogen hatte.

Beginn der Verpflichtung zum Gebet
Dann wurde Mohammed das Gebet vorgeschrieben, und er betete. Zunächst wurde er gelehrt, wie die Gebetsabläufe praktisch durchzuführen seien. Später hat Allah das Gebet für jeden, der sich zu Hause aufhält, auf viermaliges Niederfallen erhöht. Für den Reisenden blieb es bei der ersten Bestimmung.

Als Mohammed vorgeschrieben wurde, wie und was er beten solle, geschah dies folgendermaßen: Gabriel kam auf der Höhe von Mekka zu ihm, drückte eine Ferse nach dem Tale zu in die Erde, und es sprudelte eine Quelle hervor. Da wusch sich Gabriel. Mohammed sah ihm zu, wie er sich vor dem Gebet reinigte. Dann folgte er seinem Beispiel*. Nun betete Gabriel, und Mohammed betete ihm die Worte nach. Als Gabriel sich entfernt hatte, ging Mohammed zu Khadidja und zeigte ihr, wie man sich vor dem Gebet waschen müsse. Dann betete er, wie Gabriel es ihm vorgemacht hatte, und sie betete ihm nach**.
* Jeder Moslem muß sich vor jedem offiziellen Gebet reinigen. Die Waschungen sind genau vorgeschrieben. Wer die Waschungen nicht in der rechten Reihenfolge erfüllt, dessen Gebet wird wertlos.
Die Waschungen im Islam verdeutlichen, daß der Moslem ein verborgenes Bewußtsein von Schuld und Sünde besitzt und ahnt, daß ohne Vergebung der Sünden ein Gebet von Gott nicht erhört werden kann. Wasser kann jedoch nicht von Sünden reinigen. Die islamischen Waschungen bleiben ein äußeres Symbol, das keine innere Realisierung kennt.
Die heutige Praxis des fünfmaligen Gebets kann aus dem Quran nicht abgeleitet werden. Diese Vorschriften beruhen auf mündlichen Traditionen Mohammeds.
**Das offizielle Gebet im Islam enthält kein freies Reden mit Gott, dem Vater, in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung, sondern stellt eine buchstäblich vorgeschriebene, straff geordnete Liturgie zur Anbetung des großen, fernen, unbekannten Allah dar. Mohammed kannte kein geistliches Beten. Der Geist in ihm betete nicht. Der Engel Gabriel betete ihm vor und Mohammed sprach die Worte nach (Sure 1,1-7).

Gabriel hatte Mohammed die fünf Gebetszeiten vorgeschrieben: Das Mittagsgebet fand statt, sobald die Sonne anfing, sich nach Westen zu wenden. Das Nachmittagsgebet begann, sobald der Schatten ihm gleich war, das Abendgebet, als die Sonne unterging, und das letzte, das Nachtgebet, sobald die letzte Abendröte verschwunden war. Das Morgengebet wurde verrichtet, sobald die Morgenröte angebrochen war, das Mittagsgebet wieder, sobald der Schatten ihm gleich war, das Nachmittagsgebet, sobald der Schatten zweimal so groß war wie er. Das Abendgebet fand wie am vorhergehenden Tag statt, als die Sonne untergegangen war, das Nachtgebet, als das erste Drittel der Nacht vorüber war. Es folgte wieder das Morgengebet, sobald der Morgen anbrach, aber die Sonne noch nicht am Horizont zu sehen war*.
* Der Tag eines Moslems ist in die Anbetung Allahs eingebettet. Das islamische Gebet befestigt den Moslem in einer theozentrischen Kultur. 34 mal wirft sich ein Moslem in seinen fünf Gebetszeiten vor Allah zu Boden. Er ist deshalb nicht frei, sondern an Allah ausgeliefert, ein Moslem. Die fünf Gebetszeiten sind das Rückgrat des Islam. Der anbetende Moslem stellt den inkarnierten Islam dar.
Diese islamischen Gebete sind keine geistlichen, persönlichen Gebete als Antworten auf Gottes Wort, sondern bestehen aus vorgeschriebenen, festen Formulierungen, die Nachsprechen, Unterwerfung und Zucht verlangen. Diese gesetzliche Anbetung ist ein Gebet für Sklaven, nicht für freie Menschen, die Gott als ihren Vater ansprechen dürfen.

Dann sagte Gabriel zu Mohammed: „Die Zeit des Gebetes liegt zwischen der, in welcher du gestern und heute gebetet hast.”

Ali, der erste Gläubige unter den Männern
Die erste männliche Person, die an Mohammed glaubte, mit ihm betete und seine Offenbarungen für wahr hielt, war der zehnjährige Ali b. Abi Talib b. Abd al-Muttalib b. Haschim. Allah hatte ihm die Barmherzigkeit erwiesen, daß er schon vor dem Islam bei Mohammed lebte*.
* Ali war der Vetter Mohammeds, zugleich sein Pflegesohn und später sein Schwiegersohn, der Fatima, die Tochter Mohammeds, heiratete. Er wurde der vierte Kalif. Die Anhänger Alis und seine Verwandten hatten erwartet, daß er als der direkte Nachfolger Mohammeds gewählt würde. An der Streitfrage um Ali und seine Söhne Hassan und Hussein spaltete sich der Islam in Sunniten und Schiiten. Letztere betrachten ihn als ihren ersten Imam.

Es war ein Werk göttlicher Huld und Gnade gegenüber Ali, daß Quraisch einst von großer Unfruchtbarkeit heimgesucht wurde. Da aber Abu Talib eine große Familie hatte, sagte Mohammed zu seinem Onkel al-Abbas, dem reichsten Mann unter den Banu Haschim: „Du weißt, daß dein Bruder Abu Talib eine große Familie hat und daß alle unter dieser Dürre zu leiden haben. Darum laß uns zu ihm gehen und es ihm leichter machen, indem ich ihm einen Sohn abnehme und du einen.” Al-Abbas war damit einverstanden. Er ging mit Mohammed zu Abu Talib. Sie sagten ihm, sie seien gekommen, ihm Erleichterung zu verschaffen, bis die Not nachlasse. Abu Talib erwiderte: „Wenn ihr mir Aqil laßt, so tut, was ihr wollt.” Mohammed nahm Ali und drückte ihn an sich; al-Abbas tat das gleiche mit Djafar. Auf diese Weise kam Ali zu Mohammed. Er folgte ihm, glaubte an ihn und hielt ihn für wahrhaftig. Djafar aber blieb bei al-Abbas, bis er zum Islam übertrat und seines Onkels nicht mehr bedurfte.

Manche Gelehrte behaupten, Mohammed habe, sobald die Zeit zum Gebet kam, die Täler bei Mekka aufgesucht. Ali habe ihn — ohne daß sein Vater und seine Stammesgenossen etwas davon wußten — dabei begleitet und mit ihm gebetet. Abends kehrten sie gemeinsam zurück. Dies ging eine Weile so, bis sie eines Tages von Abu Talib beim Gebet überrascht wurden*. Da fragte dieser Mohammed: „Was ist das für eine Religion, an die du glaubst?” Er antwortete: „Das ist die Religion Allahs, seiner Engel und seiner Gesandten. Es ist die Religion unseres Vaters Abraham, mit der mich Allah zu den Menschen geschickt hat. Du, mein Onkel, verdienst es am meisten, daß ich dir Belehrung zukommen lasse und dich zur Leitung aufrufe. Dir steht es am besten zu, meinem Ruf zu folgen und mir beizustehen.” Abu Talib erwiderte: „Ich kann, teurer Neffe, den Glauben meiner Väter nicht verlassen, aber, bei Allah, solange ich lebe, soll dir nichts zuleide getan werden.” Außerdem erzählt man, er habe Ali gefragt: „Was hast du für einen Glauben, mein Sohn?” Ali habe geantwortet: „Ich glaube an den Gesandten Allahs, mein Vater, und halte seine Offenbarung für wahr. Ich bete mit ihm zu Allah und folge ihm.” Man behauptet, Abu Talib habe darauf erwidert: „Er wird dich gewiß nur zum Guten anstiften. Schließe dich ihm ruhig an!”
*Als die Zahl der Moslems größer wurde und über den Rahmen der Familie Mohammeds hinauswuchs, trafen sie sich in einem einsamen Tal zum Gebet. Sie wagten anfangs nicht, ihre Gebete in der Öffentlichkeit auszuüben.

Von der Bekehrung Zaids, des zweiten Moslems
Danach bekehrte sich Zaid b. Haritha, der Freigelassene Mohammeds. Er war der erste erwachsene Mann, der sich bekehrte. Hakim b. Hizam b. Khuwailid hatte ihn als angehenden Jüngling aus Syrien mitgebracht. Als seine Tante Khadidja — damals schon die Gattin Mohammeds — ihn besuchte, schenkte er ihr einen Sklaven, den sie selbst auswählen konnte. Ihre Wahl fiel auf Zaid. Als Mohammed Zaid bei ihr sah, erbat er sich ihn von ihr. Sie schenkte ihn ihrem Gatten, und er gab ihm die Freiheit und adoptierte ihn als Sohn. Dies geschah bereits vor seiner Sendung. Später begegnete Haritha seinem Sohn Zaid bei Mohammed. Mohammed sagte zu Zaid: „Wenn du willst, bleibe bei mir, wenn nicht, so ziehe mit deinem Vater.” Zaid zog vor, bei Mohammed zu bleiben. Als Allah Mohammed als Propheten sandte, glaubte er an ihn, wurde Moslem und betete mit ihm. Als Allah später anordnete: „Nennt die Adoptivsöhne nach ihren Vätern”, nannte er sich Zaid b. Haritha.

Die Bekehrung Abu Bakrs und sein Eifer
Danach bekehrte sich Abu Bakr b. Abi Quhafa, der eigentlich Atiq hieß. Sein Vater war Uthman. Der eigentliche Name Abu Bakrs war Abd Allah, während „Atiq” nur sein Beiname war, den er wegen seines schönen, edlen Gesichts erhalten hatte. Als Abu Bakr Moslem wurde, bekannte er sich offen zum Islam und forderte auch andere auf, sich zu Allah und seinem Gesandten zu bekehren. Er war ein leutseliger, liebenswürdiger Mann, den jedermann gern hatte. Er war der Gelehrteste unter den Quraischiten und der Kundigste, was die Vorfahren der Quraischiten, ihre Schwächen und Vorzüge, betraf. Er war ein wohltätiger Kaufmann mit guten Sitten. Die Leute seines Stammes kamen häufig zu ihm, um ihre Angelegenheiten mit ihm zu beraten, weil er im Handel und in anderen Dingen bewandert war und sein Umgang jedem gefiel. Er rief alle zum Islam auf, welche ihm vertrauten und seine Gesellschaft suchten.

Durch Abu Bakrs Aufforderung wurde Uthman b. Affan bekehrt, ferner Zubair b. al-Auwam, Abd al-Rahman b. Auf und Sa’d b. Abi Waqqas und Talha b. Ubaid Allah. Als sie seinem Rufe folgten, ging er mit ihnen zu Mohammed. Sie bekannten sich zum Islam und beteten mit ihm. Mohammed soll gesagt haben: „Außer Abu Bakr’habe ich niemanden zum Islam aufgerufen, der nicht zuerst Bedenken, Zweifel und Einwände gehabt hätte. Abu Bakr warder einzige, der nichts einzuwenden hatte und keinerlei Bedenken vorbrachte.” *
* Abu Bakr, der erfahrene Kaufmann, wird in seiner Gradlinigkeit manchmal mit Petrus verglichen. Er wurde nach dem Tod Mohammeds der Fels, auf dem sich die anderen Moslems aufbauten. Abu Bakr hat den Islam in seiner kritischsten Stunde zusammengehalten. Er war ein enger Vertrauter Mohammeds und einer seiner Schwiegerväter. Seine Tochter Aischa wurde die Lieblingsfrau Mohammeds. Sie war neunjährig mit ihm verheiratet worden. Als Mohammed starb war sie erst 18 Jahre alt.

Diese acht Männer sind allen anderen Gläubigen im Islam vorangegangen. Sie beteten, glaubten an Mohammed und an seine göttliche Offenbarung.

3. Der Widerstand der Mekkaner

Die Ausbreitung des Islam unter den Stammesgenossen
In der Folgezeit nahmen mehrere Männer und Frauen den Islam an. Man sprach nun in Mekka viel von der neuen Gruppe. Drei Jahre nach seiner Sendung erhielt Mohammed den Befehl von Allah, mit seiner Offenbarung an die Öffentlichkeit zu treten, die Leute mit ihr bekanntzumachen und sie zum Islam zu bekehren: „Tritt hervor mit dem, was dir aufgetragen worden ist und wende dich von den Götzendienern ab! Predige deinen Stammesgenossen und Verwandten und breite deine Flügel über die Gläubigen, die dir folgen… Sprich: Ich bin der wahre Prediger” (al-Hidjr 15,94 und 89 mit al-Schuara 26,215).
In den Anfangszeiten des Islam stiegen die Gefährten Mohammeds in verborgene Schluchten und verheimlichten ihr Gebet vor ihrem Volk. Eines Tages, als Sa’d b. Abi Waqqas mit weiteren Gefährten Mohammeds in einer der Schluchten bei Mekka betete, erschienen mehrere Götzendiener, die sie tadelten und durch ihre Beleidigungen zum Kampf herausforderten. Sa’d b. Abi Waqqas verletzte damals einen der Götzendiener mit dem Kinnbacken eines Esels. Es war das erste Blut, das bei der Ausbreitung des Islam vergossen wurde.
Als Mohammed mit seiner Religion offen auftrat, hielt sich sein Volk nicht fern von ihm und widerstand ihm nicht, bis er über ihre Götter sprach und diese schmähte. Nun verleugneten sie ihn und feindeten ihn an mit Ausnahme derer, welche Allah durch den Islam bewahrt hatte. Diese aber waren in geringer Zahl und verachtet.

Mohammed unter dem Schutz Abu Talibs
In diesem Streit wurde Mohammed von seinem Onkel Abu Talib bemitleidet und beschützt. Mohammed befolgte den Befehl Allahs und ließ sich durch nichts abhalten, seinen Glauben zu verkünden. Als die Quraisch feststellen mußten, daß Mohammed in nichts nachgab, unbeirrt mit seinen Schmähreden gegen ihre Götter fortfuhr und Abu Talib ihm gewogen war, ihn nicht preisgab und für ihn einstand, begaben sich mehrere von ihren Angesehensten zu Abu Talib und sagten: „Dein Neffe, o Abu Talib, schmäht unsere Götter, lästert unseren Glauben, betört unsere Jugend und leitet unsere Väter in die Irre. Entweder du hältst ihn davon ab oder du gibst ihn uns preis, da du ja wie wir anderer Meinung bist als er, und wir werden dir Ruhe vor ihm schaffen*.” Abu Talib jedoch richtete freundliche Worte an sie und widerlegte sie mit sanfter Rede, bis sie wieder gingen.
* Die Verschwörung gegen Mohammed begann schärfere Konturen anzunehmen. Sie glich in ihrer Radikalität der Konspiration der Pharisäer gegen Jesus und seine Jünger. Lediglich Abu Talib und Khadidja schützten ihren Verwandten in allen Verfolgungen.

Mohammed fuhr indessen fort, den Glauben an Allah zu verkünden und zum Islam aufzurufen. Die Spannungen zwischen ihm und den Quraisch wurden immer größer. Sie mieden und haßten Mohammed, sprachen viel von ihm und reizten einander zur Feindseligkeit gegen ihn auf. Dann begaben sie sich abermals zu Abu Talib und sagten: „Du bist ein geehrter und hochgestellter Mann unter uns. Wir haben dich schon einmal gebeten, dem Treiben deines Neffen gegen uns Einhalt zu gebieten. Du hast es aber nicht getan. Wir werden nun, bei Allah, nicht länger dulden, daß er unsere Väter schmäht, unsere Jugend betört und unsere Götter lästert. Entweder du hältst ihn von uns fern oder wir werden euch beide bekämpfen, bis ihr oder wir zugrunde gehen.”

Hierauf entfernten sie sich. Abu Talib war über die Spaltung seines Volkes sehr betrübt. Aber er konnte und wollte Mohammed nicht aufgeben und ausliefern. Abu Talib ging zu Mohammed, wiederholte ihm ihre Worte und sagte dann: „Schone mich und dich selbst und bürde mir nicht mehr auf, als ich tragen kann!”
Mohammed dachte, sein Onkel habe bereits den Entschluß gefaßt, ihm seinen Beistand zu entziehen und ihn auszuliefern, weil er sich zu schwach fühle, ihn zu beschützen. Er sagte daher: „Bei Allah, wenn sie die Sonne zu meiner Rechten und den Mond zu meiner Linken setzten und von mir forderten, meine Sache aufzugeben, bis sie Allah offenbar mache oder ich zugrunde gehe, so würde ich sie doch nicht aufgeben.” Dann weinte *er und stand auf. Als er sich entfernen wollte, hielt ihn sein Onkel zurück und sagte: „Geh’ und rede, was du willst. Ich werde dich, bei Allah, niemals ausliefern.”
* Die Evangelien berichten, daß Jesus mehrmals weinte (Luk. 19,41; Joh. 11,35). Nicht aus Mitleid mit sich selber, sondern über die Hartherzigkeit der Menschen, über die furchtbare Macht des Todes und aus Mitleid mit den Menschen im Blick auf das kommende Gericht Gottes.

Als die Quraisch merkten, daß Abu Talib dem Gesandten Allahs seinen Schutz auch weiterhin nicht entziehen und ihn nicht ausliefern wollte und daß er eher sich von ihnen lossagen und sie zu Feinden haben wollte, gingen sie zu ihm mit Umara b. al-Walid und sagten: „Hier ist Umara b. al-Walid, der wackerste und anmutigste Jüngling der Quraisch. Nimm ihn, benutze seinen Verstand und gebrauche ihn als Beistand und liefere uns deinen Neffen aus, der deinem und deiner Väter Glauben untreu geworden ist. Er hat deine Gemeinde verlassen und die Jugend betört, und wir werden ihn töten. Er ist doch nur ein Mann wie jeder andere auch.”
Abu Talib erwiderte: „Bei Allah, ihr mutet mir etwas Unwürdiges zu. Ihr wolltet mir euren Sohn geben, daß ich ihn ernähre, und ich soll euch meinen Sohn geben, daß ihr in tötet. Daraus kann, bei Allah, nie etwas werden!”
Da sagte al-Mut’im b. Adi: „Bei Allah, deine Stammesgenossen sind gerecht gegen dich und bemühen sich, dir Unangenehmes zu ersparen. Ich sehe aber, daß dir von allem nichts genehm ist, was sie dir anbieten.” Abu Talib entgegnete: „Bei Allah, sie sind nicht gerecht gegen mich, aber du scheinst entschlossen, mich aufzugeben und es mit den anderen gegen mich zu halten. Tu”, was dir gut dünkt!”
Der Streit wurde immer heftiger. Man rüstete sich zum Kampf und zeigte sich feindselig gegeneinander. Jede Sippe versuchte, die Gefährten Mohammeds vom Glauben abzubringen. Einige von ihnen wurden mißhandelt.
Mohammed aber wurde von seinem Onkel Abu Talib gedeckt, der, als er das Vorgehen der Quraisch gegen die Gläubigen sah, die Banu Haschim und Muttalib aufforderte, ebenfalls Mohammed zu beschützen und für ihn einzustehen. Sie folgten seiner Aufforderung und schlössen sich ihm an*, mit Ausnahme Abu Lahabs, des verruchten Feindes Allahs.
* Das Gesetz der Sippe verpflichtete die Söhne Abd al-Muttalibs, Mohammed zu beschützen, auch wenn sie nicht an seine Sendung glaubten. Die arabische Sippenordnung hat den Islam gerettet.

Die Verleumdungskampagne der Quraisch gegen Mohammed
Einst versammelte sich eine Anzahl Quraischiten bei Walid b. al-Mughira. Er war ihr Ältester und sagte: „Die Festtage nahen; die Karawanen der Beduinen werden kommen. Sie haben schon von Mohammed gehört. Faßt also einen gemeinsamen Entschluß darüber, was von ihm zu halten ist. Oder soll einer den andern Lügen strafen und widerlegen? Verwickelt euch in keine Meinungsverschiedenheiten, damit keiner den anderen der Lüge bezichtigt.” Da sagten sie: „Sprich du, Vater des Abd Schams. Wir wollen deiner Ansicht zustimmen.” Er antwortete aber: „Sprecht ihr, ich will euch anhören!”
Da sprachen sie: „Wir wollen sagen, er sei ein Wahrsager {Kahin) *.” Da erwiderte er: „Nein, bei Allah, er ist kein Wahrsager! Er murmelt und reimt nicht, wie sie es zu tun pflegen.”
„Nun”, sagten sie, „dann wollen wir ihn als Besessenen (Madjnun) ‘ausgeben.” Walid entgegnete aber: „Er ist kein Besessener. Er ist nicht wie jene dem Ersticken nahe, flüstert nicht und redet nicht verrückt daher.” Da meinten die Quraischiten:
*„Madjnun “: Sure 37,36; 44,14; 52,29; 68,2; 81,22.

„Nun, so nennen wir ihn einen Dichter {Sha’ir)*.” Jener versetzte: „Er ist kein Dichter. Wir kennen alle Gedichte in den verschiedenen Versalien, aber seine Worte sind keine Gedichte.”
* „Sha’ir”: Sure 37,35; 52,30; 69,42.

„Nun”, argumentierten sie, „dann wollen wir sagen, er sei ein Zauberer (Sahir)*.” Walid b. al-Mughira erwiderte: „Er ist kein Zauberer. Wir haben Zauberer bei ihrem Tun beobachtet. Er wispert nicht wie sie und macht keine Knoten wie sie.”
* „Sahir”: Sure 10,2; 15,15; 38,4 („Mashur”, die passive Wortform von „Sahir”: Sure 17$0; 25,9; 44,13; 8125).
Aus den Texten des Quran geht hervor, daß Mohammed den Einwohnern Mekkas als psychisch gestörte Person erschien, vor der sie sich, wie vor einem Verrückten oder Zauberer, fürchteten.

Da fragten sie: „Nun, Vater des Abd Schams, was sollen wir dann sagen?” Er antwortete: „Bei Allah, seine Rede ist süß. Sein Stamm ist ausgezeichnet und seine Zweige sind ein Garten. Von all dem könnt ihr nichts sagen, ohne daß man sofort weiß, daß es falsch ist. Das beste ist noch, daß ihr sagt, er sei wie ein Zauberer; denn seine Rede ist ein Zauber, durch sie trennt er den Mann von seinem Vater, von seinem Bruder, von seiner Gattin und von seinem Geschlecht.”

Sie trennten sich nun, nachdem sie sich geeinigt hatten. Als die Festzeit kam, setzten sie sich an den Weg, wo die Pilger vorüber kamen, warnten jeden vor Mohammed und erklärten ihnen, daß er ein Zauberer sei. Sie sagten allen, denen sie begegneten, über Mohammed, was sie ausgemacht hatten. Auf diese Weise kehrten alle Beduinen von diesem Fest mit der Kenntnis von Mohammeds Prophetentum heim. Man sprach von ihm in ganz Arabien.
Als die Kunde von Mohammed sich immer mehr unter den Beduinen verbreitete und in alle Provinzen gelangte, sprach man auch in Medina über ihn. Kein arabischer Stamm wußte mehr von ihm als die Aus und Khazradj, die in Medina wohnten. Schon früher hatten sie durch jüdische Rabbiner, die als Schutzgenossen bei ihnen wohnten, von ihm gehört.

Was Mohammed noch von seinem Volk angetan worden ist
Die Quraisch wurden immer heftiger aufgrund der Unannehmlichkeiten, die sie sich wegen ihrer Feindschaft gegen Mohammed zuzogen. Sie stachelten die Verwegensten gegen ihn auf. Diese nannten ihn einen Lügner, mißhandelten ihn und schalten ihn öffentlich einen Zauberer, Dichter, Wahrsager und Besessenen.
Mohammed aber vollzog öffentlich Allahs Befehl, indem er laut sagte, was sie ungern hörten. Er schmähte ihren Glauben, verwarf ihre Götzen und sagte sich von ihnen, den Ungläubigen, los.

Sie sprachen: „Wir haben nie Ähnliches ertragen. Er nennt uns Toren, beschimpft unsere Väter, schmäht unseren Glauben, spaltet unser Volk und lästert unsere Götter. In der Tat, wir erleiden Schweres von ihm.”
Abd Allah b. Umar b. al-Aas erzählte: „Während sie so sprachen, erschien Mohammed selbst, umfaßte den Pfeiler des Heiligtums und ging dann, das Gebäude umkreisend, an ihnen vorüber. Ich merkte an seinem Gesicht, daß sie ihn beleidigt hatten. Ich machte dieselbe Beobachtung, als er zum zweiten und dritten Mal an ihnen vorübergegangen war. Dann blieb er stehen und sagte: ,Hört, ihr Gemeinde Quraisch, bei dem, in dessen Gewalt meine Seele ist, ich komme zu euch mit dem Halsschnitt* (Schächten)!’*
* Diese Worte enthalten eine Drohung bzw. einen Fluch, mit dem Mohammed den Untergang der Quraischiten voraussagte. Die Absicht seiner Worte war Rache.
Jesus hat auch den Tempel zur Ehre seines Vaters gereinigt, eiferte jedoch nicht um die Wiederherstellung seiner eigenen Ehre. Er hat den Kaufleuten und Händlern nicht den Tod angedroht, sondern ihr Geld in den Staub geworfen und ihnen geboten, die Opfertiere wegzutragen.

Die Leute hörten dieses Wort, und es war einem jeden, als hätte sich ein Vogel auf seinem Haupt niedergelassen. Selbst der Schlimmste unter ihnen redete ihn nun mit den zärtlichsten Worten an und sagte: ,Geh, Abu al-Qasim, bei Allah, du bist kein Tor.’ Daraufhin entfernte sich Mohammed. Am folgenden Tage waren sie wieder im Heiligtum versammelt. Ich befand mich bei ihnen und hörte, wie einer dem andern zuraunte: .Erinnert ihr euch, was ihr ihm und er euch angetan, so daß er euch zu hören gab, was euch nicht lieb ist, und doch habt ihr ihn gehen lassen?’
Während sie so sprachen, kam auch Mohammed. Sie fielen wie ein Mann über ihn her, umzingelten ihn und fragten: ,Hast du tatsächlich unsere Götter und unseren Glauben geschmäht?’ Er antwortete: ,Ja, das habe ich getan!’ Da sah ich, wie einer ihn an der Stelle faßte, wo erden Mantel übereinandergeschlagen hatte. Abu Bakr stellte sich weinend vor ihn und sagte: .Wollt ihr einen Mann töten, der Allah seinen Herrn nennt?’ Daraufhin entfernten sie sich. Das war etwas vom Gemeinsten, was sie Mohammed antaten.”

Umm Kulthum, die Tochter Abu Bakrs, läßt uns wissen, wie es weiterging: „Als mein Vater an jenem Tage nach Hause kam, war ein Teil seines Hauptes kahl, so sehr hatten sie ihm die Haare an Kopf und Bart herausgerissen.”

Ein Gelehrter berichtet dazu: „Eines Tages, als Mohammed ausging, nannte ihn jedermann, sowohl Freier als auch Sklave, einen Lügner und beleidigte ihn. Er ging wieder nach Hause und hüllte sich ein. Da sprach Allah zu ihm: ,O du Eingehüllter, steh’ auf und predige!'” (al-Muddaththir 74,1-2)

Die Bekehrung Hamzas
Abu Djahl ging bei Safaa an Mohammed vorüber und beschimpfte und beleidigte ihn wegen seiner neuen Religion und seiner sonstigen Verhältnisse. Mohammed entgegnete kein Wort. Eine Freigelassene des Abd Allah b. Djudan, die in ihrer Wohnung saß, hörte alles mit an. Abu Djahl begab sich alsdann zur Versammlung der Quraisch bei der Kaaba und setzte sich zu den andern. Nicht lange danach kehrte Hamza von der Jagd mit umgehängtem Bogen zurück. Er liebte die Jagd und war ein guter Jäger. Er pflegte, wenn er von der Jagd heimkam, nicht eher nach Hause zu gehen, bis er die Kaaba umkreist hatte. Wenn er dann an der Versammlung der Quraisch vorüberkam, blieb er stehen und grüßte und unterhielt sich mit ihnen. Erwar einer der stärksten und kräftigsten Männer unter den Quraisch.

Als er an der Frau vorüberkam — der Prophet war schon nach Hause gegangen — sagte sie zu ihm: „O Abu Umara, hättest du doch gesehen, wie soeben dein Neffe Mohammed von Abu al-Hakam b. Hischam behandelt worden ist! Letzterer ging hier an Mohammed vorbei und hat ihn geschmäht und beschimpft. Dann hat er sich entfernt, ohne daß Mohammed ein Wort erwidert hätte.”

Da Allah Hamza mit seiner Gnade segnen wollte, geriet dieser in Zorn. Er ging rasch weiter, ohne sich aufzuhalten und beschloß, Abu Djahl anzugreifen, falls er ihn treffen sollte. Als er zum Heiligtum kam, sah er ihn bei den anderen sitzen. Er trat auf ihn zu und versetzte ihm mit dem Bogen einen derben Schlag. Dann rief er: „Beschimpfst du ihn auch, wenn ich mich zu seinem Glauben bekenne und seine Worte zu den meinigen mache? Gib mir den Schlag zurück, wenn du es magst!” Einige unter den Makhzumiten erhoben sich, um Abu Djahl beizustehen. Er entgegnete aber: „Laßt Abu Umara in Ruhe, denn, bei Allah, ich habe seinen Neffen arg beschimpft.” Hamza blieb auch weiterhin Moslem und folgte in allem den Lehren Mohammeds. Die Quraisch sahen ein, daß Mohammed durch Hamza eine beachtliche Verstärkung erlangt hatte. Sie unterließen in Zukunft manche Kränkung, die sie ihm bisher zugefügt hatten*.
* Die islamische Gemeinde erstarkte immer mehr durch kampfwillige, starke Männer, vor denen jedermann Respekt hatte. Sie gewann das Wohlwollen und die Achtung der Bevölkerung nicht um ihrer Liebe und ihrer Opfer willen, wie es von der Urgemeinde der Christen berichtet wird (Apg. 2,47; 3,11; 5,12-16), sondern setzte sich mit wachsender Kampfkraft durch.

Wie Utba b. Rabia von Mohammed überzeugt wurde
Nachdem Hamza sich bekehrt und die Zahl der Anhänger Mohammeds zugenommen hatte, meldete sich Utba b. Rabia in der Versammlung der Quraisch zu Wort: „Soll ich nicht zu Mohammed gehen und ihm gewisse Vorschläge machen, die er vielleicht annimmt und uns dann mit seinem Glauben nicht länger belästigt?” Die Quraischiten hießen ihn, zu ihm zu gehen, um mit ihm zu reden. Utba stand auf, ging zu Mohammed, der allein im Heiligtum saß, und sagte zu ihm: „Du weißt, mein Vetter, daß du in unserem Stamm einen beachtlichen Rang einnimmst. Nun aber bist du mit einer schweren Last gekommen, wodurch du den Stamm gespalten, uns als Toren verspottet, die Götter gelästert, die Religion geschmäht und die dahingeschiedenen Väter des Unglaubens bezichtigt hast. Höre mir zu. Ich will dir Vorschläge machen, die du dir überlegen solltest. Vielleicht erscheint dir der eine oder andere annehmbar.” Mohammed antwortete: „Sprich, Abu al-Walid, ich will dich anhören.”

Da begann Utba: „Bezweckst du, mit deinem Vorhaben Geld zu gewinnen, so wollen wir so viel zusammenlegen, daß du der Reichste unter uns wirst; willst du aber Ehre erringen, so wollen wir dich zu unserem Ältesten erwählen. Somit kann nichts ohne dich beschlossen werden. Wir wollen dich sogar als unseren Fürsten anerkennen, wenn du es wünschst. Wenn dich ein Geist besucht, den du nicht abweisen kannst, so wollen wir dir einen Arzt beschaffen und unser Gut opfern, bis du geheilt bist; denn oft bemächtigt sich ein Geist eines Menschen, bis er geheilt wird*.”
* In dieser Versuchung wurden Mohammed Geld, Ehre, Macht und Heilung angeboten. Er hat alles abgelehnt und ist seiner Überzeugung und seinem Grundsatz treu geblieben.
Die Versuchung Jesu unterscheidet sich von der Versuchung Mohammeds in dem Maße, wie die Person Jesu größer als die Person Mohammeds ist (Mt. 4,1-11). Satan selbst versuchte Jesus und bot ihm allen Reichtum und alle Schätze dieser Welt an. Jesus lehnte jedoch dieses dämonische Angebot ab. Er wollte die Menschen nicht durch Reichtum oder Wunder für sich gewinnen, sondern sie durch seinen Sühnetod erlösen.

Als Utba so gesprochen hatte, entgegnete Mohammed: „Wenn du fertig bist, so höre auch mich an: ,lm Namen Allahs des barmherzigen Erbarmers. Ich habe eine Offenbarung vom barmherzigen Erbarmer erhalten, ein Buch, das in Verse eingeteilt ist, einen arabischen Quran für ein verständiges Volk, der gute Botschaft und Drohungen enthält. Aber die meisten wenden sich ab und hören nicht zu'” (Sure Ha-Mim-Sadjda oder Fasalat 41,1-4). Mohammed fuhr dann fort, ihm eine Sure des Qurans vorzutragen, und Utba hörte ihm aufmerksam zu. Er stützte sich dabei auf seine Hände. Als Mohammed an die Stelle kam: „Fallet nieder vor Allah!” (41,37), fiel Utba mit Mohammed nieder. Mohammed sagte ihm dann: „Du hast nun gehört, was du gehört hast. Du weißt jetzt, was du zu tun hast.”
Utba kehrte darauf zu seinen Freunden zurück. Da sagte einer zum andern: „Wir können bei Allah schwören, daß Utba mit ganz anderem Gesicht kommt, als er es beim Weggehen hatte.” Nachdem er sich wieder zu ihnen gesetzt hatte, fragten sie ihn: „Was bringst du?” Er antwortete: „Ich habe, bei Allah, Worte gehört, wie sie mir früher nie zu Ohren gekommen sind. Sie haben nichts mit Dichtung, Zauberei oder Wahrsagerei zu tun. Darum vertraut mir, folgt mir, und laßt Mohammed in Frieden. Die Worte, die ich von ihm gehört habe, werden tiefen Eindruck machen. Feinden ihn die Beduinen deshalb an, so habt ihr Ruhe vor ihm durch andere. Siegt er über sie, so ist seine Herrschaft auch eure Herrschaft, seine Macht eure Macht, und ihr werdet die glücklichsten Menschen durch ihn.”

Da riefen sie: „Bei Allah, er hat dich mit seiner Zunge verzaubert!” Er erwiderte: „Dies ist meine Ansicht. Tut nun, was euch gut dünkt.”

Der Streit zwischen Mohammed und den Quraischiten spitzt sich zu
Der Islam breitete sich nun in Mekka auch unter den Familien und Sippen Quraischs aus. Die Quraischiten aber nahmen viele, über die sie Gewalt hatten, in Gewahrsam, und suchten, sie wieder vom Islam abtrünnig zu machen. Nach Sonnenuntergang versammelten sich eines Tages folgende Quraischiten an der Rückwand der Kaaba: Utba b. Rabia, Schaiba b. Rabia, Abu Sufjan b. Harb, al-Nadhr b. al-Harith b. Kaiada, ein Bruder der Banu Abd al-Dar, Abu al-Bakhtari b. Hischam, al-Aswad b. al-Muttalib b. Asad, Zama’a b. al-Aswad, al-Walid b. al-Mughira, Abu Djahl b. Hischam, Abd Allah b. Abi Umaija, al-As b. Wail, Nubaih und Munabbih, die Söhne des Hadjdjadj, die Sahmiten und Umaija b. Khalaf. Außerdem waren noch etliche von den Edelsten aus jeder Sippe dabei.

Man beschloß, nach Mohammed zu senden und mit ihm zu disputieren, um nachher entschuldigt zu sein. Als der Bote zu Mohammed kam, der ihn zu den Edlen Quraischs bringen sollte, folgte Mohammed sofort, denn er glaubte, sie wollten nun seine Worte beherzigen. Er forderte sie zur Bekehrung auf, denn ihr Widerstand tat ihm weh. Als er sich zu ihnen gesetzt hatte, wiederholten sie ihre früheren Anklagen und machten ihm dieselben Vorschläge, die ihm schon Utba unterbreitet hatte. Mohammed erwiderte: „Ich brauche keinen Arzt; auch versuche ich nicht, Geld, Ehre oder Macht zu erlangen. Allah hat mich als Gesandten geschickt und mir ein Buch geoffenbart und befohlen, euch gute Botschaft und Warnungen zu bringen. Ich habe die Botschaft meines Herrn zu euch gelangen lassen und euch treuen Rat erteilt. Nehmt ihr an, was ich euch gebracht habe, so ist es euer Glück in diesem und in jenem Leben. Verwerft ihr es, so gedulde ich mich, bis Allah zwischen mir und euch entscheiden wird.”
Da sagten sie zu Mohammed: „Willst du von allem, was wir dir angeboten haben, nichts annehmen, so weißt du, daß wir ein hartes Leben haben, da es uns mehr als andern an Wasser fehlt und unser Tal sehr eng ist. Bete daher zu deinem Herrn, der dich gesandt hat, er soll die Berge* die uns beengen, von uns entfernen, daß unser Land weiter werde, und soll es mit Flüssen segnen wie Syrien und Mesopotamien, auch soll er unsere verstorbenen Väter auferstehen lassen. Wir wollen sie dann fragen, ob du die Wahrheit sprichst oder lügst. Erklären sie dich für wahrhaftig und tust du, was wir von dir fordern, so glauben wir dir und erkennen daraus deinen hervorragenden Rang bei Allah und sehen dich als seinen Gesandten an.”
* Die Bewohner Mekkas mußten etwas von den Worten Jesu über einen bergeversetzenden Glauben gehört haben, sie und Mohammed verstanden jedoch die geistliche Bedeutung dieses Wortes nicht (Mt. 17,20; 21,21; Mk. 11,23).



Mohammed antwortete: „Ich habe euch gesagt, was mir Allah für euch aufgetragen hat. Nehmt ihr es an, so ist es euer Glück in diesem und in jenem Leben, wenn nicht, werde ich geduldig warten, bis Allah zwischen uns entscheidet.” Sie sagten: „So lasse den Himmel stückweise auf uns herabfallen, wie, nach deiner Behauptung, Allah tut, wenn es ihm gefällt; sonst glauben wir nicht an dich.” Mohammed erwiderte: „Das ist Allahs Sache. Sobald es ihm gefällt, wird er es tun.” Sie entgegneten ihm: „O Mohammed, dein Herr weiß doch, daß wir hier bei dir sitzen und gewisse Forderungen an dich stellen. Warum kommt er nicht und sagt dir, wie du uns widerlegen sollst und was er tun wird, wenn wir dir kein Gehör schenken? Wir haben gehört, ein Mann in Jamama sei dein Lehrer. Er heißt Rahman, aber, bei Allah, wir werden nie an Rahman glauben. Wir haben nun das Unsrige getan, und wir werden dich mit deinen Bestrebungen nicht länger dulden, bis wir dich oder du uns vernichten wirst. Wir werden nicht an dich glauben, bis du uns Allah und die Engel herabbringst*.”
* Die Verschwörung der Mekkaner gegen Mohammed wuchs. Sie wollten ihn töten. Er konnte ihnen aber keine über den Tod hinausreichende Antwort geben.
Die Konspiration der Pharisäer gegen Jesus war so weit gediehen, daß sie seinen Tod planten (Mt. 12,14; 26,4; 27,1; Mk. 3,6; 15,1; Joh. 5,16). Er aber sagte zu ihnen: „Diesem ehebrecherischen 87 Geschlecht wird kein anderes Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jona” (Mt. 12,39-40; 16,4; Lk. 11,29;). Jesus hatte seinen Tod bejaht und ihn im Glauben an seine eigene Auferstehung in einen Sieg verwandelt. Mohammed konnte keine solche siegesgewissen Worte wagen, weil es im Islam keine Heilsgewißheit gibt. Mohammed liegt noch im Grab und ist nicht auferstanden. Jesus aber lebt!

Abu Djahls Mordanschlag auf Mohammed
Nachdem Mohammed sich entfernt hatte, sagte Abu Djahl: „Ihr seht, Mohammed will nichts anderes, als unseren Glauben schmähen, unsere Väter beschimpfen, uns für töricht erklären und unsere Götter lästern. Ich nehme daher Gott zum Zeugen, daß ich mich morgen mit einem Stein, der so schwer ist, daß ich ihn noch mit einer Hand tragen kann, zur Kaaba begebe. Wenn dann Mohammed beim Gebet niederfällt, zerschmettere ich ihm damit den Kopf. Ihr mögt mich dann beschützen oder den Söhnen Abd Manafs ausliefern, damit sie nach Belieben mit mir verfahren.” Die Quraischiten antworteten hierauf: „Wirwerden dich nie ausliefern! Tu, was du willst!”

Am folgenden Tag nahm Abu Djahl einen schweren Stein und erwartete Mohammed im Heiligtum. Dieser kam des Morgens wie üblich und betete, wie er es stets in Mekka zu tun pflegte, mit dem Gesicht nach Syrien * gerichtet, zwischen dem Schwarzen Stein und dem südlichen Pfeiler, so daß sich die Kaaba zwischen ihm und Syrien befand. Alle Quraisch waren versammelt, um zu sehen, was Abu Djahl tun werde. Mohammed fiel nieder, Abu Djahl trat mit dem Stein auf ihn zu. Als er ihm aber nahe kam, wandte Abu Djahl sich plötzlich zur Flucht. Sein Gesicht war dabei ganz entstellt und voller Entsetzen. Seine Hand hielt zitternd den Stein, bis er ihn wegwarf. Die Quraisch traten ihm entgegen und fragten: „Was ist los?” Er antwortete: „Ich wollte ausführen, was ich euch gestern mitgeteilt hatte. Als ich Mohammed aber nahe kam, sah ich ein Kamel zwischen ihm und mir mit einem Kopf und mit Zähnen, wie ich sie nie an einem Kamel gesehen hatte. Es machte Miene, mich aufzufressen **!”
* Mohammed betete zuerst in Richtung nach Jerusalem, wie es bei den Juden der arabischen Halbinsel der Brauch war. Jerusalem gehörte damals zur syrischen Provinz Ostroms.

** Der übernatürliche Schutz, den Mohammed erfuhr, war kein gnädiger Schutz durch einen heiligen Engel Gottes, sondern glich dem Dazwischentreten eines Dämons, der sich in tierischer Form mit einer gräßlichen Fratze zeigte.

Al-Nadhr b. al-Harith, der weitgereiste Widersacher Mohammeds
Nachdem Abu Djahl dies berichtet hatte, erhob sich al-Nadhr b. al-Harith und sprach: „ O ihr Quraischiten, bei Allah, es ist etwas über euch gekommen, das ihr mit List nicht abwenden könnt. Als Mohammed noch jung war, war er beliebt. Er galt unter euch als der Wahrhaftigste und Treueste, bis er älter wurde und über euch brachte, was ihr wohl wißt. Da nanntet ihr ihn einen Zauberer. Aber bei Allah, er ist kein Zauberer. Er bläst nicht und macht keine Knoten, wie die Zauberer zu tun pflegen. Ihr sagtet dann, er sei ein Wahrsager, aber er ist kein Wahrsager. Er reimt nicht wie sie und redet nicht irre. Ihr behauptetet hierauf, er sei ein Dichter. Aber er ist kein Dichter. Wir kennen die verschiedenen Versarten. Sie gleichen nicht seinen Reden. Ihr nanntet ihn besessen, aber, bei Allah, er murmelt nicht, er stöhnt nicht und rast nicht wie ein Besessener. Darum überlegt euch eure Sache, denn es ist euch etwas Schwieriges zugestoßen.” Al-Nadhr war einer der bösartigsten Gegner Mohammeds unter den Quraisch, einer von denen, die ihn gekränkt und verhaßt gemacht hatten. Er hatte Hira besucht und dort die Geschichten des Rustems*und des Isfendiars* gehört. Wenn nun Mohammed in einer Gesellschaft zum Glauben an Allah ermahnte und sein Volk vor Allahs Strafe warnte, die früher bereits andere Völker getroffen hatte, ergriff er nach Mohammed das Wort und sagte: „Ich weiß schönere Geschichten als Mohammed.” Er erzählte ihnen dann von den Königen der Perser und von Isfendiar und Rüstern. Auf Nadhr beziehen sich acht Verse des Qurans, etwa der Vers: „Wenn ihm unsre Verse vorgetragen werden, sagt er: ,Das sind Fabeln der Früheren'” (al-Qalam 68,15).
* Rüstern und Isfendiar sind persische Könige, deren Heldentaten an den Lagerfeuern der Beduinen immer wieder erzählt wurden.



Wie die Quraisch die Rabbiner befragen ließen
Weil al-Nadhr die Botschaft Mohammeds unglaubwürdig machte, sandten ihn die Quraisch mit Uqba b. Abi Muait zu den Rabbinern nach Medina*. Sie sollten ihnen über Mohammed, seine Reden und Eigenheiten berichten und sie fragen, was sie von ihm hielten, zumal die Rabbiner zu den Buchbesitzern gehörten, Kenntnis der alten Bücher hatten und vieles von den Propheten wußten, wovon sie selbst keine Ahnung hatten. Sie reisten nach Medina und begaben sich zu den Rabbinern. Sie sprachen diese weisungsgemäß auf Mohammed an. Ihre Antwort lautete: „Richtet drei Fragen an ihn, die wir euch mitgeben wollen. Beantwortet er sie, so ist er ein gesandter Prophet, wenn nicht, so ist er ein Lügner. Achtet darauf, wie ihr gegen ihn verfahrt! Fragt ihn zuerst nach den Männern, die in früheren Zeiten dahingegangen sind. Es wird Wunderbares von ihnen berichtet. Fragt ihn femer nach dem Wanderer, der bis zum äußersten Osten und Westen der Erde gelangt ist, und endlich nach dem Geist. Gibt er euch Antwort, so folgt ihm, denn er ist ein Prophet. Gibt er euch keine Antwort, so ist er ein Lügner.”
* In Medina, dem ehemaligen Jathrib, gab es Stadtteile, in denen wohlhabende Juden wohnten. Unter ihnen lebten auch angesehene Rabbiner, die im ganzen Land als Gelehrte der Thora und der Kabbala bekannt waren. 


Al-Nadhr und Ukba kehrten nach Mekka zurück und sagten den Quraisch: „Wir haben jetzt eine Möglichkeit zur Klärung der Angelegenheit erhalten”, und teilten ihnen die Fragen der Rabbiner und deren Worte mit. Dann gingen sie zu Mohammed und legten ihm die drei Fragen vor. Mohammed erwiderte mit Bestimmtheit: „Morgen werde ich euch die Antwort geben.” Er wartete aber fünfzehn Nächte, ohne daß ihm eine Offenbarung gegeben wurde. Die Mekkaner versammelten sich schließlich und sagten: „Mohammed hat uns auf den folgenden Tag eine Antwort versprochen, und nun sind bereits fünfzehn Nächte vorüber.” Mohammed selbst war sehr betrübt, weil die Offenbarung ausblieb und weil die Mekkaner ihn verhöhnten. Endlich sandte Allah Gabriel zu Mohammed. Der sagte zu Gabriel: „Du bist lange ausgeblieben. Ich habe Schlimmes befürchtet.” Gabriel antwortete: „Wir können nur auf Allahs, deines Herrn Befehl zu dir herabkommen. Er hat zu gebieten über das, was in unseren Händen, was hinter uns und was dazwischen ist.” Er sprach dann die Sure al-Kahf mit dem Lob Allahs und dem Prophetentum Mohammeds, das man ihm absprechen wollte: „Lob dem Herrn, der seinem Sklaven die Schrift offenbart hat!” (al-Kahf 18,1) Sie diente als Bestätigung auf ihre Frage nach seinem Prophetentum. Außerdem sei es rechtens, „daß er mit großer Strafe von Allah drohe, mit baldiger Strafe in diesem Leben und schwerer Pein in jenem Leben” (18,2). Richtig sei auch, „daß er den Gläubigen, die Gutes tun, einen schönen Lohn verkünde, in welchem sie immer verharren dürften” (18,3), nämlich eine Wohnung in der Ewigkeit, in der sie unsterblich sind, denen, die an seine Offenbarung glauben, welche andere für Lügen halten, und die die ihnen befohlenen Werke vollbringen. „Des weiteren solle er diejenigen warnen, die behaupten, Allah habe ein Kind” (18,4). Er meinte damit die Quraisch, die die Engel als Töchter Allahs anbeteten. „Sie hatten keine Kenntnis von Allah, ebensowenig wie ihre Väter, von denen sie sich nicht trennten und deren Religion sie nicht schmähen lassen wollten” (18,5). Weiter fuhr Gabriel fort: „Du quälst dich aus Kummer über ihr Benehmen, wenn sie diese Offenbarung nicht glauben. Aber Allah sagt dir, du sollst dies nicht tun” (al-Kahf 18,6).

„Als einst Männer sich in eine Höhle flüchteten und riefen: ,Herr! Schenke uns deine Barmherzigkeit und zeige uns das Rechte!’ Da verschlossen wir (Allah) ihre Ohren jahrelang in jener Höhle. Dann weckten wir sie wieder auf, um zu sehen, ob einige die Dauer ihres Aufenthaltes ausrechnen konnten…Es waren Männer, die an Allah glaubten und denen wir unsre Leitung in vollem Maße zukommen ließen. Wir stärkten ihr Herz, als sie sich erhoben, und sagten: .Unser Herr ist der Herr des Himmels und der Erde, wir beten außer ihm keinen Gott an, sonst würden wir Unwahres reden’. Unser Volk hat andere Götter außer Allah anerkannt. Haben sie triftige Gründe dafür? Wer ist ein größerer Übeltäter als derjenige, der über Allah Lügen erdichtet! Als ihr euch von euren Göttern lossagtet und von allem, was ihr außer Allah noch angebetet habt, da sagte einer zum anderen: .Flüchtet in die Höhle, Allah wird seine Gnade über euch ausbreiten und euch Erleichterung gewähren.’ Du hättest sehen können, daß, wenn die Sonne aufging, sie sich in ihrer Höhle nach rechts gewendet hatten, und wenn sie unterging, nach links; dabei befanden sie sich in ihrer Mitte.
Das sind Zeichen Allahs: ,Wen Allah leitet, der wird geleitet; wen er irreführt, der findet keinen anderen Herrn, der ihn auf den rechten Weg führt* (al-Kahf 18,7 und al-Ghafir 40,33)’.”
* Der Islam lehrt eine doppelte Prädestination zum Heil und zur Hölle (13,27; 14,4; 16,93; 35,8 u. 74,31). Ein Moslem hat wenig Freiheit zur eigenen Entscheidung. Der weitverbreitete Fatalismus und die Verantwortungslosigkeit im Islam finden hier ihre Begründung.

Jesus aber hat uns zur Freiheit der Kinder Gottes berufen, die mit ihrem eigenen Willen das für sie bereite Heil ablehnen oder annehmen können. Christus starb anstelle aller Menschen und erwartet den Glauben an ihn als Dank für seine Stellvertretung. Die Entscheidungsfreiheit der Christen adelt sie zur Verantwortlichkeit und Aktivität.

Die christliche Prädestination findet ihre Lösung in dem Wort des Apostel Paulus, daß wir „in Christus” erwählt worden sind (Eph. 1,4). Alle Menschen sind nur wegen Jesus, ihrem Stellvertreter, erwählt. Wer an den glaubt (und mit ihm lebt) der ist gerecht (Römer 10,4).

Man meinte, die Männer in der Höhle seien wach, aber sie schliefen. Wir drehten sie bald nach rechts, bald nach links, und ihr Hund streckte seine Vorderfüße an der Tür aus (Sure al-Kahf 18, 10-19)…Sie sagten: „Es waren drei, und der vierte war ihr Hund. Andere behaupteten, es seien fünf, und der Hund sei der sechste gewesen. Wieder andere sagen, es seien sieben Männer gewesen und ihr Hund der achte. Allah kennt ihre Zahl, und nur wenige kennen sie. Laß dich nicht in einen Streit mit ihnen ein und fordere keine Auskunft von ihnen über sich; denn sie haben keine Kenntnis davon. Sage auch niemals: ,lch werde dies morgen tun’, ohne hinzuzusetzen, ,so Allah will’; gedenke deines Herrn, wenn du es vergessen hast und sprich: .Vielleicht wird mein Herr mich noch mehr in die Wahrheit leiten1″ (al-Kahf 18,22-24). „Wenn man dich etwas fragt, so sage nie, wie du es bisher getan hast: ,lch will es morgen tun’, sondern behalte dir den Willen Allahs vor, erwähne ihn, wenn du es vergessen hast und sprich: .Vielleicht wird mein Herr mich leiten und belehren über das, was ihr mich fragt’, denn du kannst nicht wissen, was ich tun will.’ Die Männer blieben dreihundert Jahre in ihrer Höhle und dann noch weitere neun Jahre” (al-Kahf 18,25).

In bezug auf ihre Frage über den Wanderer heißt es: „Sie werden dich fragen über den Zweigehörnten (Alexander der Große). Sprich! Ich will euch etwas über ihn vorlesen: Wir haben ihm Macht auf Erden und Zugang zu allem gegeben, und er ging seinen Weg (al-Kahf 18, 83-85).” Von dem Zweigehörnten wird berichtet, Allah habe ihm mehr als jedem anderen Macht gegeben. Alle Wege wurden ihm geebnet, so daß er die ganze Erde von Osten bis Westen unterjochte, bis er dahin kam, wo es keine Menschen mehr gibt.

Ein in den persischen Traditionen bewanderter Mann hat mir berichtet: „Der Zweigehörnte war ein Ägypter und hieß Marzuban b. Marzuba und stammte von Junan, dem Sohne Jafeth b. Nuh her. Sein Name war Iskander. Er ist der Erbauer von Alexandrien.”
Thaur b. Jazid hat mir von Khalid b. Madan al-Kalai, einem Zeitgenossen Mohammeds, erzählt: „Mohammed wurde einst über den Zweigehörnten befragt, und er antwortete: Es war ein Engel, der die Erde von unten mit Stricken gemessen hat.” Khalid berichtet ferner, Umar habe einst gehört, wie jemand den Zweigehörnten anrief. Da habe Mohammed gesagt: „Allah! Verzeihe! Ist es nicht genug, daß ihr Propheten anruft? Wollt ihr auch noch Engel anrufen?”
In bezug auf die Frage über den Geist heißt es: „Sie werden dich fragen über den Geist*, sprich, der Geist gehört zu den Dingen meines Herrn, euch ist nur wenig Kenntnis gegeben” (al-lsra 17,85).
* Der Geist Gottes bzw. der Heilige Geist war bei den Juden in Medina und bei den Moslems in Mekka weitgehend unbekannt. Die Gemeinde Christi aber ist der Tempel des Heiligen Geistes und lebt in seiner Kraft (Joh. 3,34-36; Apg. 1,8; 2,1-4 und Röm. 5,5; 8,1-16 ebenso 1. Kor. 3,16; 6,19 und andere). Christen leben in der Kraft und unter der Führung des Heiligen Geistes. Ein Moslem trägt keinen Heiligen Geist und kein ewiges Leben in sich. Natürliche Frömmigkeit darf nicht mit geistlicher Wiedergeburt (vgl. Joh. 3,1-8) verwechselt werden.



Als Mohammed später nach Medina kam, fragten ihn die Rabbiner: „Meintest du uns oder deine Leute, als du sagtest: Euch ist wenig Kenntnis gegeben?” Mohammed erwiderte: „Die einen wie die andern.” Da sagten sie: „Hast du nicht in deiner Offenbarung gelesen, daß uns die Thora gegeben worden ist, in der alles erklärt ist?” Mohammed antwortete: „Auch sie enthält in bezug auf die Erkenntnis Allahs nur wenig. Für euch aber genügt es, wenn ihr euch danach richtet.” Über diesen Einwand der Rabbiner heißt es im Quran: „Wenn alle Bäume der Erde Federn wären und das Meer Tinte, und hinter demselben noch sieben Meere, so würden die Worte Allahs damit doch nicht erschöpft. Allah ist mächtig und weise” (Luqman 31,27).

In bezug auf ihr ferneres Verlangen, daß er für sich Gärten, Paläste und Schätze erflehen solle und daß Allah einen Engel schicke, der für ihn zeuge und ihn verteidige, heißt es: „Sie sagen, was ist das für ein Gesandter, der Speisen ißt und auf den Märkten umhergeht. Käme doch ein Engel als Warner mit ihm herunter oder sendete ihm Allah einen Schatz oder einen Garten, von welchem ersieh ernähren könnte.” Die Ruchlosen sagen: „Ihr folgt nur einem verzauberten Menschen! ,Sieh, mit was sie dich vergleichen und wie sie vom rechten Weg abirren. Gepriesen sei Allah, der, wenn er wollte, dir noch mehr als dieses in deinem Leben spenden könnte, Gärten, unter welchen Bäche fließen, und Paläste'” (al-Furqan 25,7-10).
„Wir haben vor dir keinen Boten geschickt, der nicht Speisen gegessen hätte und auf die Märkte gegangen wäre. Wir haben einige von euch den andern zur Versuchung gesetzt, ob ihr wohl ausharret. Dein Herr sieht alles” (al-Furqan 25,20).

Auf die Worte des Abd Allah b. Abi Umaija beziehen sich folgende Verse: „Sie sagen, wir glauben nicht an dich, bis du uns aus der Erde eine Quelle hervorsprudeln läßt oder bis vor dir Gärten entstehen mit Palmen und Reben, in deren Mitte Bäche entspringen, oder bis du, wie du vorausgesagt hast, Stücke vom Himmel auf uns herabstürzen läßt oder mit Allah und Scharen von Engeln daherkommst oder bis du ein geschmücktes Haus hast oder in den Himmel steigst. Aber auch dann glauben wir nicht, bis du uns ein Buch herabbringst, das wir lesen. Sprich! Gepriesen sei mein Herr! Ich bin nur ein Mensch, ein Bote” (al-lsra 17,90-93).
Über ihre Aussage, daß ein Mann aus Jamama namens Rahman Mohammeds Lehrer sei, heißt es im Quran: „So haben wir dich zu einem Volk gesandt, wie es schon bei früheren Völkern vorgekommen ist, daß du ihnen vorliest, was wir dir geoffenbart haben, und sie leugnen den Rahman*. Sprich! Er ist mein Herr. Es gibt keinen Gott außer ihm. Auf ihn vertraue ich, und zu ihm kehrt alles zurück” (al-Ra’d 13,30).
* „Rahman” ist ein jemenitisches Wort und bedeutet die Personifizierung des Erbarmens. Dieser Begriff scheint in Mekka unbekannt gewesen zu sein, so daß er ein erklärendes Adjektiv benötigte. Dieses heißt „ rahim ” und wird als Synonym angesehen. Alle Suren beginnen außer einer mit der Formel „Im Namen Allahs, des barmherzigen Erbarmers”.

In bezug auf das Geld, das Mohammed angeboten wurde, heißt es: „Sprich! Ich verlange keinen Lohn von euch. Behaltet ihn! Allah wird mich belohnen. Er ist Zeuge aller Dinge” (al-Saba’ 34,47).
Als aber Mohammed ihre Frage beantwortet und seine Kenntnis des Verborgenen offengelegt und damit nachgewiesen hatte, daß er die Wahrheit spreche und wirklich ein Prophet sei, hielt sie der Neid davon ab, an ihn zu glauben und ihm zu folgen. Sie blieben widerspenstig gegen Allah, wandten sich mit geöffneten Augen von ihm ab und verharrten in ihrem Unglauben. Einer von ihnen sagte: „Hört diesen Quran gar nicht an. Setzt ihn herab. Vielleicht siegt ihr!” (Ha-Mim-Sadjda 41,26)


Abu Djahl sagte eines Tages im Spott über Mohammed und seine Offenbarung: „O ihr Quraischiten! Mohammed behauptet, die Zahl der Diener Allahs, die euch in der Hölle peinigen und darin festhalten, sei neunzehn. Ihr aber seid der größte Stamm. Sollten wohl hundert Mann von euch nicht je einen dieser Sklaven überwältigen können?”


Da offenbarte Allah: „Wir haben nur Engel*zu Herren der Hölle gemacht und ihre Zahl als Versuchung für die Ungläubigen bestimmt” (al-Muddaththir 74,31)*.



* Engel sind Diener Gottes, zum Schutz der Heiligen ausgesandt. Sie versuchen die Menschen nicht zur Sünde. Mohammed aber vermochte gefallene Engel bzw. Dämonen nicht von den Engeln Gottes zu unterscheiden. Wahrscheinlich ist er nie einem Herrlichkeitsengel Gottes begegnet, sondern nur mit Dämonen in Kontakt gekommen, die sich zwar als Engel ausgeben, aber in Wirklichkeit unreine Geister sind.



Nach diesen Auseinandersetzungen wandten sich die Quraischiten von Mohammed ab, sooft er laut aus dem Quran vorlesen wollte, und hörten ihm nicht mehr zu. Wenn einer trotzdem zuhören wollte während er betete, tat er dies insgeheim, aus Furcht vor den anderen, und wenn er sah, daß sie es doch merkten, so entfernte er sich, weil er befürchten mußte, von ihnen mißhandelt zu werden. 


Abd Allah b. Abbas hat gesagt: „Der Vers .Sprich dein Gebet nicht zu laut und nicht zu leise, wähle die Mitte dazwischen’ (al-lsra 17,110) sei in bezug auf diese Leute geoffenbart worden.” Er sollte nämlich nicht zu laut beten, damit die Leute sich nicht von ihm abwenden, aber auch nicht zu leise, damit jene, die ihm unbemerkt zuhören wollten, ihn verstehen, manches auffassen und zu ihrem Nutzen anwenden könnten.

Widerstand in Mekka gegen das Rezitieren von Suren
Der erste, der nach Mohammed in Mekka den Quran laut rezitierte, war Abd Allah b. Mas’ud*. Die Gefährten Mohammeds waren nämlich eines Tages versammelt und sagten: „Bei Allah, die Quraisch haben noch nie gehört, wie ihnen der Quran laut vorgetragen wurde. Wer will es tun?” — „Ich”, antwortete Abd Allah b. Mas’ud. Da sagten sie: „Wir fürchten die Quraisch. Wir müssen einen Mann haben, der einem Geschlecht angehört, das ihn schützt, wenn die Quraisch gegen ihn vorgehen.” Abd Allah entgegnete: „Laßt mich, Allah wird mich schützen!” Am nächsten Morgen ging er in das Heiligtum, als die Quraisch versammelt waren, und sagte mit lauter Stimme: „Im Namen Allahs des barmherzigen Erbarmers, der den Quran gelehrt hat” (al-Rahman 55,2). Die Quraisch horchten auf und sagten: „Der Sohn der Mutter eines Sklaven rezitiert laut eine Offenbarung Mohammeds.” Sie standen auf und schlugen ihm ins Gesicht. Er aber ließ sich nicht beirren, sondern las noch eine Weile vor und ging dann wiederzu seinen Gefährten. Sie entdeckten die Spuren der Schläge in seinem Gesicht und riefen: „Das haben wir befürchtet!” Er aber erwiderte: „Die Feinde Allahs sind mir nie verächtlicher erschienen als jetzt. Wenn ihr wollt, werde ich ihnen morgen wieder Suren rezitieren.” Sie aber antworteten: „Es ist genug, du hast sie hören lassen, was ihnen verhaßt ist.”
* Abd Allah b. Mas’ ud war einer der schreibgewandten Begleiter Mohammeds, der seine sogenannten Offenbarungen niederschrieb. 


Wie die Quraischiten auf Mohammeds Vorlesungen reagierten
Sobald Mohammed den Quran rezitierte und die Quraischiten ermahnte, an Allah zu glauben, sagten sie spottend: „Unser Herz ist eingehüllt in einer Hülle und bleibt unzugänglich für deine Ermahnungen. Unsere Ohren sind taub für deine Klugheit. Wir hören nicht, was du sagst. Zwischen uns und dir hängt ein Vorhang, der uns scheidet. Handle du nach deiner Überzeugung, wir handeln nach der unsrigen. Wir wollen nichts von dir lernen.” Auf diese Reden hin offenbarte ihm Allah: „Wenn du den Quran vorliest, lassen wir zwischen dir und denen, die nicht an ein Jenseits glauben, einen Vorhang herabfallen. Wenn du im Quran Allah als den Einzigen erwähnst, wenden sie sich um und laufen davon” (al-lsra 17,46). Wie können sie begreifen, was du von Allahs Einheit sagst, wenn ich eine Hülle um ihr Herz gelegt, ihre Ohren taub gemacht und einen Vorhang zwischen dir und ihnen herabhängen lasse? „Wir wissen, was sie hören wollen, wenn sie dir zuhören und was sie einander zuflüstern und wie die Ruchlosen sagen: ,lhr folgt nur einem verzauberten Menschen'” (al-lsra 17,101). Sieh, mit wem sie dich vergleichen, wie sie irren und den rechten Weg nicht finden. Sie spotten: „Wenn wir Knochen und Staub sind — sollen wir dann als neue Geschöpfe wieder auferstehen?” Sprich: „Seid Eisen oder Stein oder etwas anderes Geschaffenes, das euch groß scheint.” Sie fragen dann: „Wer bringt uns ins Leben zurück?” Antworte: „Derjenige, der euch zum ersten Mal geschaffen hat” (al-lsra 17,49-51).

Kampf gegen die Gefährten Mohammeds
Die Quraisch bekämpften die gläubigen Gefährten Mohammeds. Jeder Stamm erhob sich gegen die schwachen Moslems, die unter ihnen wohnten. Die Moslems wurden eingesperrt, geschlagen, mußten Hunger und Durst leiden und wurden gefesselt der Sonne ausgesetzt. Manche fielen wieder vom Glauben ab, um so den vielen Mißhandlungen zu entgehen. Andere stärkte Allah, daß sie ihnen trotzten. Bilal b. Rabah, dessen Mutter Hamama hieß, ein später von Abu Bakr Freigelassener, gehörte damals einem der Söhne Djumahs. Er war einer der wahren Gläubigen. Umaija b. Khalaf führte ihn in der Mittagshitze in das Tal bei Mekka, warf ihn auf den Rücken, legte ihm einen schweren Stein auf die Brust und rief: „So lasse ich dich sterben, wenn du nicht von Mohammed abfällst und Lat und Uzza anbetest.” Bilal schrie aber immerzu: „Einer, einer!” Hischam b. Urwa hat von seinem Vater Bilal erzählt: „Während er so gepeinigt wurde, kam Waraqa b. Naufal vorüber, und als jener, .einer, einer!’ rief, sagte Waraqa: ,Ja, bei Allah, Bilal, einer, einer!’ Dann wandte er sich an Umaija und seine Helfer von den Banu Djumah und sagte: ,Bei Allah, wenn ihr ihn tötet, werde ich an seinem Grab beten’.” Eines Tages, als sie ihn erneut mißhandelten, kam Abu Bakr vorüber, dessen Haus im Viertel der Banu Djumah stand und sagte zu Umaija: „Fürchtest du nicht Allahs Strafe wegen der Mißhandlung dieses Armen? Wie lange noch?” Er antwortete: „Du hast ihn verdorben, befreie du ihn aus seinem Elend!” — „Das will ich tun”, antwortete Abu Bakr, „ich will dir für ihn einen schwarzen Sklaven geben, der stärker ist als er und fester an deinem Glauben hängt.” Umaija willigte ein. Abu Bakr schenkte Bilal die Freiheit und mit ihm noch sechs weiteren Sklaven*. Es waren: Amir b. Fuhaira, der den Kampf von Badr und Uhud mitfocht und während der Schlacht am Brunnen Mauna als Märtyrer starb; dann Umm Ubais und Zinnira. Zinnira wurde blind, als Abu Bakr ihr die Freiheit schenkte. Die Quraisch sagten daraufhin: „Lat und Uzza haben sie blind gemacht.” Sie rief jedoch: „Sie lügen, bei dem Haus Allahs, Lat und Uzza können weder schaden noch nützen!” Und Allah schenkte ihr das Augenlicht wieder. Ferner befreite er die Nahdija und ihre Tochter. Sie gehörten einer Frau von den Banu Abd al-Dar. Abu Bakr kam an ihnen vorüber, als ihre Herrin sie mit Mehl wegschickte und schwur, sie werde sie nie freilassen. Da sagte Abu Bakr: „Ist das erlaubt?” Sie antwortete: „Es ist erlaubt, du hast sie verführt, jetzt befreie sie auch.” Er fragte dann nach dem Preis und schenkte ihnen die Freiheit. Abu Bakr sagte zu ihnen, sie könnten jetzt das Mehl der Frau zurückbringen. Da fragten sie: „Sollen wir nicht erst die Arbeit vollenden und es hernach zurückbringen?” Er antwortete: „Auch das könnt ihr tun, wenn ihr wollt.” Dann kam er an einer Sklavin der Banu Muammal, eines Zweiges der Banu Adi b. Ka’b, vorüber, die gläubig war und die Umar, der damals noch ungläubig war, fortwährend schlug, um sie wieder vom Islam abzubringen, bis er müde war. Er sagte ihr noch, daß er nur aus Müdigkeit aufhöre, sie zu prügeln. Sie erwiderte: „Das hat Allah dir angetan.” Abu Bakr kaufte sie und schenkte ihr ebenfalls die Freiheit. Mohammed b. Abd Allah b. Abi Atiq hat mir von Amir b. Abd Allah b. Zubair erzählt, der es von einem seiner Verwandten gehört hat: Abu Quhafa sagte einst zu Abu Bakr: „Mein Sohn, ich sehe, daß du immer schwache Sklaven loskaufst. Kaufe doch lieber kräftige Männer frei, die dich beschützen und dir beistehen können.” Abu Bakr erwiderte: „Ich suche bei dem, was ich tue, Allahs Wohlgefallen.”
* Die Anhängerschaft des Islam in Mekka setzte sich zu einem beachtlichen Teil aus Sklaven zusammen, die in diesem Leben keine Hoffnung mehr hatten. Sie hatten in den Verheißungen Mohammeds über die materiellen Freuden des Paradieses eine Hoffnung gefunden und deshalb den Islam angenommen. Viele von den gläubigen Sklaven wurden später freigekauft. So vermehrte sich die Zahl der Moslems schnell. 

Die Banu Makhzum führten Ammar b. Jasir mit seinen Eltern, welche zum Islam übergetreten waren, in der prallen Mittagshitze auf den heißen Boden Mekkas. Da kam Mohammed vorüber. Er soll gesagt haben: „Geduld, Geschlecht Jasirs! Euch ist das Paradies verheißen.” Ammars Mutter wurde getötet, weil sie nicht vom Islam abließ*.

*Die Zahl der Märtyrer für den Islam in Mekka wuchs.



Es war der ruchlose Abu Djahl, der die Quraisch gegen die Gläubigen aufhetzte. Wenn er hörte, daß ein starker, angesehener Mann zum Islam übergetreten war, so wies er ihn zurecht und beschämte ihn, indem er zu ihm sagte: „Du hast den Glauben deines Vaters verlassen, der besser war als du. Wir werden dich für geistesgestört und schwachköpfig erklären und deinen guten Ruf schmälern.” War der Bekehrte ein Kaufmann, so sagte er zu ihm: „Bei Allah, wir werden deine Waren nicht mehr kaufen und dich zugrunde richten.” War es ein Armer und Schwacher, so schlug er ihn und hetzte andere gegen ihn auf. Hakim b. Djubair berichtet: „Die Götzendiener schlugen die Gefährten Mohammeds, ließen sie Hunger und Durst leiden, bis sie vor Schwäche nicht mehr aufrecht sitzen konnten und endlich der Verführung erlagen und Lat und Uzza als Götter anerkannten. Sogar einen Käfer am Wege mußten sie als Gott anbeten, um ihre schwere Pein loszuwerden.“

4. Die erste Auswanderung nach Abessinien

Die erste Flucht einiger Moslems
Als Mohammed erkannte, in welcher Not sich seine Gefährten befanden, während er selbst durch Allahs und seines Onkels Schutz unbelästigt blieb, sagte er zu ihnen: „Wie wäre es, wenn ihr nach Abessinien’auswandern würdet? Dort regiert ein König, der kein Unrecht duldet. Es ist ein Land, in dem Aufrichtigkeit herrscht und in dem ihr bleiben könnt, bis Allah euch aus eurem jetzigen Zustand befreit.”
*Mohammed, der unter dem Sippenschutz Abu Talibs lebte, riet den sozial schlecht gestellten Moslems, in das christliche Abessinien auszuwandern. Die Christen dort gewährten den Moslems Asyl und retteten den Islam vor dem Untergang. Mohammed und die Moslems wußten, daß bei den Christen Aufrichtigkeit herrschte und Unrecht nicht geduldet wurde.



Aus Furcht vor Versuchung und um ihren Glauben zu retten, begannen die Gefährten Mohammeds, nach Abessinien auszuwandern. Es war die erste Auswanderung der Gläubigen.
Die Gesamtzahl der Auswanderer, ohne die kleinen Kinder, die mitgenommen oder in Abessinien geboren wurden, belief sich auf 83 Personen, wenn Ammar b. Jasir, bei dem es zweifelhaft ist, ob er dabei war, mitgerechnet wird.

Als die Moslems in Abessinien Sicherheit gefunden hatten und ohne Furcht Allah anbeten durften, weil der Nadjaschi ihnen lobenswerten Schutz gewährte, dichtete Abd Allah b. al-Harith b. Oais folgende Verse:

„Benachrichtige von mir, wandernder Reiter, jeden, der Allah und den Glauben erhofft, jeden Diener des Herrn, der in Mekka der Verführung und der Gewalt ausgesetzt ist: Wir haben gefunden, daß Allahs Land geräumig ist und daß es gegen Erniedrigung, Schmach und Schande Schutz bietet. Verharret nicht in Erniedrigung in diesem Leben, in Beschämung nach dem Tode und in Sünden, bei denen es keine Sicherheit gibt. Wir sind dem Gesandten Allahs gefolgt, sie aber haben das Wort des Propheten verworfen und sind in der Waagschale hoch hinaufgestiegen. Strafe, o Allah, die Übeltäter, lasse sie nicht aufkommen und mir Gewalt antun.”

Der Auslieferungsantrag der Quraischiten
Als die Quraisch erfuhren, daß die Gefährten Mohammeds in Abessinien Ruhe und Sicherheit sowie feste Wohnplätze gefunden hatten, beschlossen sie, aus ihrer Mitte zwei tüchtige Männer zum Nadjaschi zu schicken. Sie sollten ihn bewegen, die Moslems wieder aus dem Lande zu treiben. Die Gesandten waren Abd Allah b. Abi Rabia und Amr b. al-Aas b. Wail. Man gab ihnen reichlich Geschenke für den Nadjaschi und die Patrizier mit.

Die Auswanderer (Asylanten) erzählten: „Als wir nach Abessinien kamen, gewährte uns der Nadjaschi den besten Schutz. Wir konnten in Sicherheit unserem Glauben anhängen und Allah anbeten. Niemand tat uns etwas zuleide, noch bekamen wir irgendwelche Unannehmlichkeiten. Als die Quraisch dies vernahmen, beschlossen sie, zwei tüchtige Männer zum Nadjaschi zu senden, die die besten Waren Mekkas als Geschenke bei sich hatten. Das Kostbarste darunter war Leder, mit dem man den Herrscher und seine Obersten reichlich beschenken wollte. Abd Allah b. Abi Rabia und Amr b. al-Aas erhielten den Auftrag, zuerst den Patriziern ihre Geschenke zu überreichen und dann erst beim Nadjaschi vorzusprechen und ihm die für ihn bestimmten Gaben zu überreichen. Sie sollten ihn dann ersuchen, ihnen die Moslems ohne vorherige Anhörung auszuliefern.

Die Gesandten kamen in Abessinien an, wo sie den besten Aufenthalt bei dem hilfsbereiten Gastfreund gefunden hatten. Sie beschenkten alsbald, noch ehe sie den Nadjaschi gesprochen hatten, alle Patrizier und sagten zu ihnen: ,Es haben sich in das Land eures Königs junge, törichte Leute geflüchtet, die den Glauben ihrer Väter verlassen haben, aber euren Glauben nicht annehmen, die einen neuen Glauben gebracht haben, der uns und euch nicht bekannt ist. Darum schicken uns die Edelsten unseres Volkes zum König, um sie zurückzubringen. Wenn wir daher mit dem König darüber verhandeln, so ratet ihm, sie uns auszuliefern, ohne zu ihnen zu sprechen; denn ihr Volk kennt sie besser und weiß, was tadelnswert an ihnen ist.’
Als die Patrizier sich mit ihnen einverstanden erklärt hatten, überreichten die Gesandten ihre Geschenke dem Nadjaschi. Nachdem er sie angenommen hatte, wiederholten sie vor ihm, was sie den Patriziern gesagt hatten und baten ihn im Namen der Edelsten ihres Volkes — darunter auch Väter und Onkel der Ausgewanderten — sie auszuliefern. Die Patrizier, die den König umgaben, stimmten ihnen bei und sagten: „Gewiß kennen ihre Leute sie besser und wissen, worin sie sich vergangen haben. Darum liefere sie aus. Laß sie mit den Gesandten wieder zu den Ihrigen zurückkehren.” Die Gesandten fürchteten nichts mehr, als daß der Nadjaschi mit den Moslems sprechen würde.

Der Nadjaschi geriet in Zorn und rief: „Bei Allah, ich werde Leute, die in mein Land gekommen sind und meinen Schutz jedem anderen vorgezogen haben, nicht ausliefern, bis ich sie über das, was die Gesandten behaupten, verhört habe. Verhält es sich nach deren Aussage, so liefere ich sie aus und schicke sie zu ihrem Volk zurück, wenn nicht, so schütze ich sie und gestatte ihnen, hierzu wohnen, solange es ihnen beliebt.”

Der Nadjaschi befragt die Auswanderer*
Nun wurde ein Bote zu den Gefährten Mohammeds geschickt, um sie zu rufen. Als der Bote zu ihnen kam, versammelten sie sich, und einer fragte den anderen: „Was wirst du dem König sagen, wenn du vor ihm erscheinst?” Sie antworteten: „Wir werden sagen, was wir wissen und was uns der Prophet anbefohlen hat, es entstehe daraus, was da wolle.”
* Die Anhörung der moslemischen Auswanderer gilt als die erste öffentliche christlich-islamische Disputation.



Als sie vor den Nadjaschi kamen, der auch seine Bischöfe mit ihren Büchern um sich versammelt hatte, fragte er sie: „Was ist das für eine Religion, um deretwillen ihr euch von eurem Volke getrennt habt und die euch abhält, meinen oder irgendeinen anderen Glauben anzunehmen?” Dja’far, der Sohn Abu Talibs, antwortete hierauf: „O König, wir waren in Unwissenheit, beteten Götzen an und aßen totes Vieh. Wir begingen obszöne Dinge, verletzten die Verwandtenliebe und die Gastfreundschaft. Der Starke verzehrte den Schwachen, bis uns Allah einen Gesandten aus unserer Mitte schickte, dessen Abstammung, Wahrheitsliebe, Treue und Keuschheit wir kennen. Er forderte uns auf, Allah allein anzubeten und uns abzuwenden von Steinen und anderen Götzen, die wir und unsere Väter außer Allah noch angebetet hatten. Er befahl uns ferner, aufrichtig in unseren Worten zu sein, Treue zu bewahren, die Verwandten zu lieben und den Gast zu schützen, abzulassen von Verbotenem, kein Blut zu genießen, keine Schändlichkeiten zu begehen, nicht zu lügen, das Gut der Waisen nicht zu verzehren und tugendhafte Frauen nicht zu verleumden. Er hat uns befohlen, Allah ohne Genossen anzubeten, Almosen zu geben und zu fasten.”

Nachdem Dja’far noch andere Gebote des Islam aufgezählt hatte, fuhr er fort: „Wir hielten Mohammed für wahrhaftig und glaubten an ihn und folgten dem, was er uns als göttliche Offenbarung gebracht hat. Wir beten Allah allein an, ohne Genossen, entsagen dem, was er uns verboten und sahen als erlaubt an, was er uns erlaubt hatte. Da wurde unser Volk feindselig gegen uns und mißhandelte uns und suchte uns von unserem Glauben abtrünnig zu machen und uns zur Verehrung der Götzen zurückzuführen. Wir sollten die früheren Abscheulichkeiten wieder für erlaubt halten. Als sie Gewalt anwendeten, uns durch ihre Übeltaten in die Enge trieben und uns von unserem Glauben losreißen wollten, wanderten wir nach deinem Lande aus, zogen deinen Schutz jedem anderen vor und hofften, daß wir bei dir, o König, kein Unrecht zu dulden haben würden.”
Der Nadjaschi fragte ihn hierauf, ob er etwas von dieser göttlichen Offenbarung bei sich habe.
Als er bejahte, forderte er ihn auf, es ihm vorzulesen. Dja’far las ihm den Anfang der 19. Sure Marjam (Maria) vor. Da weinte der Nadjaschi so sehr, daß sein Bart naß wurde. Auch die Patrizier benetzten ihre Bücher mit ihren Tränen, als sie hörten, was er ihnen vorlas. Dann sagte der Nadjaschi: „Dieses und das, was Moses geoffenbart hat, kommt aus derselben Quelle. Geht! Ich bin weit davon entfernt, sie euch auszuliefern.”

Was die Auswanderer dem Nadjaschi über Isa gesagt haben
Als die Gesandten den Nadjaschi verlassen hatten, sagte Amr b. al-Aas: „Bei Allah, ich werde ihm morgen Dinge von ihnen berichten, durch die ihre grünen Pflanzen entwurzelt werden.” Abd Allah b. Abi Rabia, der andere Gesandte, meinte: „Tu es nicht, wenn sie uns auch widersprechen, so sind sie doch unsere Verwandten.”Amr erwiderte aber: „Bei Allah, ich werde dem König sagen, daß sie Isa (Jesus), den Sohn der Maria, für einen Sklaven halten.”

Am anderen Morgen begab sich Amr erneut zum Nadjaschi und sagte: „O König! Sie führen schlimme Reden gegen Christus. Schicke nach ihnen und frage sie, was sie von ihm sagen.” Der Nadjaschi ließ sie holen, um sie über Christus zu befragen.
„Dies war”, so erzählte Umm Salama weiter, „das Gefährlichste, was uns je widerfahren ist. Die Auswanderer versammelten sich, und einer sagte zum andern: ,Was wollen wir von Isa sagen, wenn wir über ihn befragt werden?’ Sie beschlossen das zu sagen, was Allah geoffenbart und was Mohammed über ihn erklärt hatte. Es möge daraus folgen, was da wolle. Als sie nun zum Nadjaschi kamen und er sie fragte, was sie von Isa hielten*, sagte Dja’far: Wir bekennen von ihm, was unser Prophet uns geoffenbart hat: ,Er ist ein Sklave Allahs, sein Gesandter, sein Geist und sein Wort, das er der Jungfrau Maria eingegeben hat’ (al-Nisa 4,171).
* Die islamischen Asylanten betonten in der für sie gefährlichen Situation die positiven Elemente des christlichen Glaubens im Quran, verschwiegen aber ihre Leugnung der Gottessohnschaft Jesu und seiner Kreuzigung. So erschienen sie dem Nadjaschi als eine christliche Sekte, nicht aber als eine antichristliche Bewegung (Sure 19,17-35; 3,34-59).



Der Nadjaschi hob ein Stück Holz von der Erde auf und sagte: ‘Jesus, der Sohn Marias, ist nicht um dieses Stück Holz mehr als das, was du von ihm gesagt hast.’ Die Patrizier, die um ihren König herumstanden, murmelten etwas. Er aber fuhr fort: ‘Murmelt nur!’ — ‘Bei Allah’, sagte er dann zu den Ausgewanderten, ‘geht nur, ihr seid sicher in meinem Land. Wer euch beleidigt, soll bestraft werden! Wer euch beleidigt, soll bestraft werden!’ wiederholte er. ‘Nicht um einen Berg Goldes möchte ich einem von euch etwas zuleide tun. Gebt den Gesandten ihre Geschenke zurück! Ich brauche sie nicht! Ich habe Allah nicht bestochen, als er mir mein Reich zurückgab; wie sollte ich mich gegen ihn bestechen lassen?’ Er hat den Gesandten kein Gehör geschenkt.
‘Warum sollte ich gegen Allah ihrem Willen folgen?’

Die Gesandten zogen beschämt und ohne etwas erreicht zu haben ab.



Wir blieben bei dem Nadjaschi in bester Ruhe und unter bestem Schutz. Während wir in seinem Lande lebten, zettelte ein Abessinier einen Aufstand gegen den Nadjaschi an. Dies versetzte uns in größte Erregung. Wir befürchteten, der Nadjaschi könnte unterliegen und sein Widersacher unser Recht nicht so anerkennen wie er. Als der Nadjaschi gegen die Rebellen auszog und nur noch der Nil die feindlichen Heere trennte, sagten die Gefährten des Propheten:,Wer wird den Kampf beobachten und uns Nachricht über seinen Ausgang bringen?’ Al-Zubair b. al-Auwam, einer der Jüngsten, meldete sich. Sie waren damit einverstanden und bliesen einen Schlauch für ihn auf. Er hing ihn um seine Brust und schwamm darauf, bis er in die Gegend kam, in der die Schlacht stattfand. Wir aber beteten zu Allah, er möge dem Nadjaschi den Sieg geben und seine Herrschaft festigen.
Während wir der Dinge harrten, die kommen sollten, kehrte al-Zubair zurück, winkte mit seinem Gewand und rief: ,Gute Botschaft! Der Nadjaschi hat gesiegt!’ Allah hatte seine Feinde vertilgt. Bei Allah, wir haben noch nie eine größere Freude erlebt als damals.
Der Nadjaschi kehrte siegreich zurück, denn Allah hatte seine Feinde zugrunde gerichtet und seine Macht gefestigt, so daß ganz Abessinien sich um ihn scharte. Wir aber hatten bei ihm den angenehmsten Aufenthalt, bis wir zu Mohammed nach Mekka zurückkehrten.”

Die Empörung der Abessinier gegen den Nadjaschi
Dja’far b. Mohammed hat mir von seinem Vater erzählt: „Eines Tages aber rotteten sich die Abessinier zusammen und warfen dem Nadjaschi vor: ,Du hast dich von unserem Glauben losgesagt*!’ Der Nadjaschi sandte zu Dja’far und seinen Genossen, rüstete ihnen ein Schiff aus und ließ ihnen ausrichten: .Geht auf das Schiff, und wenn ich in die Flucht geschlagen werde, so flieht, wohin es euch beliebt. Siege ich aber, so bleibt!’ Er schrieb dann auf ein Stück Papier: ,lch bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Allah, daß Mohammed sein Sklave und Gesandter ist, daß Jesus sein Sklave und sein Gesandter ist, sein Geist und sein Wort, das er Maria eingehaucht hat.’ Er steckte dann diese Zeilen in die rechte Seite seines Oberkleides und zog den Abessiniern entgegen, die sich in Reihen zur Schlacht aufgestellt hatten. Er rief: ,O ihr Abessinier, habe ich nicht das höchste Recht, über euch zu regieren?’ Sie antworteten: ,Ja.’ Dann fragte er: ,Wie habt ihr meinen Lebenswandel gefunden?’ Sie antworteten: ,So gut wie möglich.’ — ,Was wollt ihr also?’ — ,Du hast unseren Glauben verlassen und Jesus einen Sklaven genannt.’ — ,Und was glaubt ihr von Jesus?’ — ,Wir sagen, er ist Gottes Sohn.’
* Der Glaube, daß Jesus nur ein Sklave Gottes war, widersprach der Auffassung der Kopten, die damals als Monophysiten die Gottheit Christi stärker herausstellten als seine Menschheit. So wirken sich die Glaubensauseinandersetzungen zwischen Arius und Athanasius und ihren Nachfolgern bis nach Abessinien hinein aus und zeigen, aufweiche Seite sich Mohammed und die Moslems geschlagen haben. Der Islam wird bisweilen als eine arianische Sekte angesehen.

Der Nadjaschi legte seine Hand auf die Brust und sagte: ,lch bekenne, daß Isa, der Sohn Marjams, nichts anderes als dies war.’ Er meinte damit was in der Schrift, auf welche er seine Hand gelegt hatte, geschrieben stand. Die Abessinier gaben sich mit diesen Worten zufrieden und gingen auseinander.”
Als der Nadjaschi starb, verrichtete Mohammed das rituelle Bestattungsgebet (in Mekka) für ihn und flehte Allah um Gnade für ihn an.

5. Der wachsende Boykott der Mekkaner

Die Bekehrung Umars b. al-Khattab
Als Amr b. al-Aas und Abd Allah b. Abi Rabia unverrichteter Dinge aus Abessinien zurückgekehrt waren und auch Hamza und Umar b. al-Khattab sich zum Islam bekehrt hatten — letzterer war ein kräftiger Mann, gegen den niemand im Kampf anzutreten wagte — fühlten sich die Gefährten Mohammeds stark genug, um es mit den Quraisch aufzunehmen.
Abd Allah b. Mas’ud berichtete: „Bis zur Bekehrung Umars konnten wir nicht bei der Kaaba beten. Als Umar* zum Islam übertrat, bekämpfte er die Quraisch, bis er bei der Kaaba beten konnte und wir mit ihm.” Umars Bekehrung fand nach der Auswanderung der Gefährten Mohammeds statt.
* Umar, der spätere zweite Kalif, war ein belesener Mann und glich in seiner Dynamik dem Apostel Paulus. Umar trug den Islam nach dem Tod Mohammeds mit seinen Armeen tief nach Nordafrika und Mittelasien hinein. Er hat Jerusalem erobert und die Zentren der Christenheit dem Islam unterworfen. Er war der Völkermissionar der Moslems, siegte jedoch nicht mit dem Wort, sondern mit dem Schwert! 


Abd al-Rahman b. al-Harith erzählt (der es von seiner Mutter, der Tochter Abi Hathma, gehört hat): „Bei Allah, wir wollten nach Abessinien auswandern. Amir war ausgegangen, um etwas zu besorgen, als Umarb. al-Khattab, der damals noch Götzendiener war und uns oft beleidigt und gekränkt hatte, herbeikam, vor mir stehen blieb und sagte: ,lhr wollt abreisen, Mutter Abd Allahs!’ Ich antwortete: ,Ja, wir wollen in das Land Allahs ziehen, bis uns Allah hilft. Denn ihr habt uns Gewalt angetan und Kränkungen zugefügt.’ Er sagte:,Allah sei mit euch!’ und ging weiter. Ich bemerkte eine Rührung in seinen Mienen, wie ich sie nie zuvor an ihm gesehen hatte. Er schien betrübt über unsere Auswanderung. Als Amir mit dem, was er besorgt hatte, zurückkam, sprach ich ihn an: .Hättest du doch eben Umar gesehen, wie er so gerührt und so traurig um unsertwillen aussah.’ Da erwiderte er: .Hoffst du etwa, er werde sich bekehren?’ Ich antwortete: ,Ja.’ Er entgegnete: ,Der, den du eben gesehen, wird sich nicht früher bekehren als die Esel al-Khattabs.’ Er zweifelte nämlich an seiner Bekehrung, weil er ihn stets derb und verstockt gegen den Glauben gefunden hatte.”

Umars Bekehrung fand wie folgt statt: Seine Schwester Fatima, Gattin des Said b. Zaid b. Amr b. Nufail, war mit ihrem Mann zum Islam übergetreten, aber heimlich aus Furcht vor Umar. Auch Nuaim b. Abd Allah al-Nahham, von den Banu Adi b. Ka’b, hatte sich zum Islam bekehrt, aber aus Furcht vor seinem Geschlecht, zu dem auch Umar gehörte, seinen Glauben geheimgehalten. Khabbab b. al-Arat kam zu Umars Schwester, um sie den Quran zu lehren. Eines Tages ging Umar mit umgürtetem Schwert aus, um sich zu Mohammed zu begeben, der etwa vierzig Personen beiderlei Geschlechts in einem Hause bei Safa um sich versammelt hatte. Unter ihnen waren auch sein Onkel Hamza, Abu Bakr, Ali und andere, die bei ihm in Mekka geblieben und nicht ausgewandert waren.
Nuaim b. Abd Allah begegnete Umar und fragte ihn, wohin er wolle. Er antwortete: „Ich will den abtrünnigen Mohammed töten, der die Quraisch gespalten, sie für Toren erklärt, ihren Glauben geschmäht und ihre Götter gelästert hat.” Da sagte Nuaim: „Bei Allah, Umar, du stürzest dich ins Verderben. Glaubst du, die Söhne Abd Manafs werden dich auf der Erde umherwandeln lassen, wenn du Mohammed erschlagen hast? Weshalb gehst du nicht lieber zu deiner eigenen Familie zurück und ordnest ihre Angelegenheiten?” Umar entgegnete: „Wen meinst du mit .meiner Familie’?” Nuaim antwortete: „Deinen Schwager und Vetter Said b. Amr und deine Schwester Fatima. Sie sind, bei Allah, zum Islam übergetreten und folgen Mohammed. Beschäftige dich zunächst mit ihnen!” Umar kehrte hierauf um und begab sich in die Wohnung seines Schwagers, in der Khabbab b. al-Arat sich mit einem Heft befand, auf dem die 20. Sure Ta-ha’geschrieben war, die er sie lehrte. Als sie Umars Stimme hörten, zog sich Khabbab zurück und Fatima verbarg das Heft in ihrem Gewand. Umar aber hatte, als er sich dem Hause näherte, gehört, wie Khabbab ihnen vorgelesen hatte. Sobald er eintrat, sagte er: „Was habe ich für ein Gemurmel gehört?” Sie sagten: „Du hast nichts gehört.”
* Einige Suren fangen mit Buchstaben an, deren Bedeutung selbst dem Moslem unbekannt ist.

Er entgegnete: „Sicherlich! Auch habe ich, bei Allah, gehört, ihr folgt dem Glauben Mohammeds.” Er schlug hierauf seinen Schwager ins Gesicht, und als seine Schwester dazwischentrat, um ihn abzuhalten, schlug er auch sie und verwundete sie. Hierauf gestanden beide: „Nun ja, wir sind Moslems geworden. Wir glauben an Allah und seinen Gesandten. Tu nun, was dir gut dünkt!”
Als Umar seine Schwester bluten sah, bereute er, was er getan hatte und erschrak darüber. Er sagte zu ihr: „Gib mir das Heft, aus welchem ich euch habe lesen hören. Ich will sehen, was euch Mohammed gebracht hat.” — Umar war nämlich des Schreibens kundig. Fatima erwiderte: „Wir fürchten, du möchtest es beschädigen.” Er versicherte aber: „Fürchte nichts!” und schwur bei seinen Göttern, daß er es ihr wieder zurückgeben wolle, sobald er es gelesen habe.

Aufgrund dieser Worte hoffte sie auf seine Bekehrung. Sie sagte daher zu ihm: „Du bist als Götzendiener unrein. Diese Schrift darf nur ein Reiner berühren.” Da stand Umar auf und wusch sich. Nun gab sie ihm das Heft, in dem die Sure Ta-ha stand. Als er den Anfang gelesen hatte, rief er aus: „Wie schön und erhaben sind diese Worte!” Als Khabbab dies hörte, betrat er ebenfalls den Raum und sagte: „Bei Allah, Umar, ich hoffe, daß Allah dich durch das Gebet seines Propheten auserkoren hat. Ich habe nämlich gestern gehört, wie er gebetet hat: .Allah, stärke den Islam durch Abu al-Hakam b. Hischam oder durch Umar b. alKhattab.’ Nun, Umar, wende dich zu Allah!” Umar erwiderte: „So führe mich zu Mohammed, daß ich mich vor ihm bekehre.” Khabbab sagte: „Er ist mit einigen Gefährten in einem Hause bei Safa.”

Umar befestigte sein Schwert an der Seite, ging zu jenem Haus und klopfte an die Tür. Einer der Gefährten Mohammeds schaute durch die Spalten der Tür. Als er Umar mit seinem Schwert an der Seite sah, lief er erschrocken zu Mohammed und meldete es ihm. Da sagte Hamza b. Abd al-Muttalib: „Laß ihn eintreten. Hat er Gutes im Sinn, so vergelten wir es ihm. Kommt er mit bösen Absichten, köpfen wir ihn mit seinem eigenen Schwert.” Mohammed ließ ihn eintreten, stand auf und ging ihm in das Vorzimmer entgegen, faßte ihn am Gürtel oder am Kragen, zog ihn zu sich heran und fragte: „Was bringt dich hierher, Sohn Khattabs? Bei Allah, ich glaube, du wirst nicht ruhen, bis Allah ein Ungemach über dich herabschickt.” Umar sagte: „Gesandter Allahs, ich bin gekommen, um zu bekennen, daß ich an Allah glaube und an seinen Gesandten und an das, was er von Allah geoffenbart hat.” Mohammed rief: „Allah ist größer!” Alle im Hause Versammelten erkannten daraus, daß Umar Moslem geworden war.

Die Gefährten Mohammeds gingen dann auseinander und fühlten sich gestärkt durch die Bekehrung Umars und Hamzas. Sie wußten, daß diese beiden Mohammed schützen und ihnen gegen ihre Feinde Recht verschaffen würden.

Die Beständigkeit Umars im islamischen Glauben
Nafi, ein Freigelassener des Abd Allah b. Umar, hat mir von Ibn Umar erzählt: „Nachdem Umar zum Islam übergetreten war, fragte er: .Welcher Quraischite kennt die Überlieferung am besten?’ Als man ihm Djamil b. Ma’mar al-Djumahi nannte, ging er des Morgens zu ihm, und ich”, so erzählt Ibn Umar, „folgte ihm, um zu sehen, was er tun werde. Ich war ein Knabe, der wohl begriff, was er sah. Als er zu Djamil kam, sagte er: .Weißt du, daß ich Moslem geworden bin und nun dem Glauben Mohammeds anhänge?’ Djamil antwortete nichts, sondern schnürte seinen Obermantel zu und ging zum Heiligtum, wo die Quraischiten versammelt waren. Auch ich folgte ihm mit meinem Vater. Hier rief er mit lauter Stimme: .Der Sohn al-Khattabs ist abtrünnig geworden!’ Umar rief aber hinter ihm her: ,Er lügt, ich bin Moslem geworden und bekenne, daß es keinen Gott gibt au ßer Allah und daß Mohammed sein Sklave und sein Gesandter ist.’
Die Quraisch fielen über ihn her und schlugen sich gegenseitig, bis die Sonne senkrecht über ihren Häuptern stand. Dann ließ sich Umar erschöpft nieder. Die Quraisch stellten sich um ihn herum, und er sagte: ,Tut, was euch gutdünkt, aber, bei Allah, wären wir dreihundert Mann stark, so würden wir so lange kämpfen, bis ihr uns oder wir euch den Platz räumen müßtet.’ Während sie so stritten, kam ein alter Quraischite in einem Oberkleid von jemenitischem Stoff und einem farbigen Unterkleid, und als er vor ihnen stand, fragte er, was es gäbe. Man antwortete ihm, Umar sei abtrünnig geworden. Da sagte er: ,Nun, laßt ihn! Er hat für sich einen Glauben gewählt, was wollt ihr? Denkt ihr vielleicht, die Banu Adi b. Ka’b werden euch ihren Feind preisgeben? Und, bei Allah, sie waren wie ein Kleid, das ihm ausgezogen wurde.'”

Abd al-Rahman b. al-Harith hat mir von einer Gattin oder von einem anderen aus der Familie Umars berichtet, Umar habe gesagt: „In der Nacht meiner Bekehrung dachte ich nach, wer wohl der erbittertste Gegner Mohammeds sein könnte und beschloß, zu ihm zu gehen, um ihm zu sagen, daß ich Moslem geworden sei. Ich fand, daß es Abu Djahl war und ging daher am folgenden Morgen zu seinem Haus und klopfte an die Tür.

Abu Djahl kam heraus und rief: .Willkommen, mein Neffe! Was führt dich her?’ Ich antwortete: ,lch bin gekommen, um dir zu sagen, daß ich an Allah glaube und an Mohammed, seinen Gesandten, und daß ich seine Offenbarung für wahr halte.’ Da schlug er mir die Tür vor der Nase zu und sagte:,Allah beschäme dich und deine Nachricht!'”

In der Schlucht Abu Talibs
Als die Quraisch sahen, daß die Gefährten Mohammeds Ruhe, Sicherheit und Schutz bei dem Nadjaschi gefunden hatten, daß Umar zum Islam übergetreten war und Hamza es ebenfalls mit Mohammed hielt, ja daß der Islam sich allmählich unter vielen Stämmen ausbreitete, traten sie zusammen und beschlossen, ein Schriftstück aufzusetzen, in welchem sie sich verpflichteten, mit den Banu Haschim und Muttalib keine Ehe einzugehen und keinerlei Handel mit ihnen zu treiben. Diese Abmachung wurde zur Bekräftigung ihres Bündnisses im Innern der Kaaba angebracht.

Daraufhin zogen sich die Banu Haschim und Muttalib in die Schlucht Abu Talibs zurück. Nur Abu Lahab b. Abd al-Uzza b. Abd al-Muttalib trennte sich von den Söhnen Haschims und hielt es mit den Quraischiten. Husain b. Abd Allah erzählt: „Als Abu Lahab sein Geschlecht verließ und Genosse der Quraischiten wurde, begegnete er Hind, der Tochter des Utba b. Rabia, und sagte zu ihr: ,Nun, Tochter Utbas, bin ich nicht der Lat und Uzza beigestanden und habe ich mich nicht von denen losgesagt, die ihnen entgegen sind?’ Sie antwortete: .Freilich, Vater Utbas, Allah wird es dir lohnen.’ Ferner habe Abu Lahab unter anderem gesagt: .Mohammed verheißt Dinge nach dem Tode, an deren Bestehen, wie mir scheint, er selbst nicht glaubt. Was wird er mir in die Hand geben?’ Er blies dann in seine Hände und sprach: .Verderben über euch! Ich sehe nichts von dem, was Mohammed sagt.’ Da offenbarte Allah: ‘Mögen beide Hände Abu Lahabs verdorren!'” (Lahab 111,1).

Zwei oder drei Jahre lebten die Moslems in dieser Schlucht in großer Not, denn ihre Freunde unter den Quraisch konnten ihnen nur heimlich etwas zutragen. Einst begegnete Abu Djahl dem Hakim b. Hizam b. Khuwailid und seinem Diener, der Getreide trug. Hakim wollte es seiner Tante Khadidja, Tochter des Khuwailid, welche mit Mohammed, ihrem Gatten, in der Schlucht lebte, bringen. Abu Djahl hielt ihn fest und schrie: „Willst du den Söhnen Haschims Nahrung bringen? Bei Allah, du und deine Lebensmittel, ihr geht keinen Schritt weiter, sondern folgt mir bis nach Mekka, wo ich euch zuschanden machen werde.”

Da trat Abu al-Bakhtari b. Haschim hinzu und fragte: „Was habt ihr?” Abu Djahl erwiderte: „Er will den Banu Haschim Lebensmittel bringen.” Da sagte Abu al-Bakhtari: „Es sind Lebensmittel, die seine Tante bei ihm untergestellt hatte und die sie jetzt zurückverlangt. Willst du ihn hindern, ihr ihre eigenen Lebensmittel zu bringen? Laß den Mann in Ruhe!” Abu Djahl weigerte sich jedoch, so daß sie aneinandergerieten. Abu al-Bakhtari hob den Kinnbacken eines Kamels auf und verletzte Abu Djahl damit. Außerdem versetzte er ihm heftige Fußtritte. Hamza, der in der Nähe stand, sah alles mit an. Das war den Streitenden unangenehm. Mohammed und seine Gefährten könnten dies erfahren und Schadenfreude darüber empfinden.

Abu Lahab und seine Frau Umm Djamil
Während Allah Mohammed gegen die Quraisch schützte und die Banu Haschim und Banu Muttalib sowie sein Onkel diese hinderten, ihm Gewalt anzutun, verleumdeten und verspotteten ihn die Quraisch und feindeten ihn an. Da erschienen im Quran Offenbarungen gegen die Quraisch und gegen die, welche sich im Widerstand gegen Mohammed besonders hervortaten. Ein Teil wird mit Namen genannt und der andere Teil in die Gesamtheit der Ungläubigen eingeschlossen. Zu den ersteren gehört Abu Lahab, der Onkel Mohammeds, und seine Gattin Umm Djamil, Tochter des Harb, die Holzträgerin. Man nannte sie deshalb so, weil sie dorniges Holz auf den Weg Mohammeds legte. Darum heißt es im Quran: „Mögen die Hände Abu Lahabs verdorren und er selbst verderben. Nichts nützt ihm das Vermögen, das er sich erworben. Er wird in einem hellflammenden Feuer verbrannt und seiner Frau, der Holzträgerin, wird ein Strick von Hanf um den Hals gebunden werden*” (Lahab 111,1-5).
*Die Fluch- und Rachesure Mohammeds über seinen Onkel Lahab und dessen Frau ist ein Beispiel für den Geist des Islam, der Feinde nicht segnet, sondern verflucht, der Widersacher nicht liebt, sondern haßt (Sure 111,1-5).


Jesus hat das Gegenteil gelehrt: „Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel” (Mt 5,44; Luk. 23,34).



Als Umm Djamil die auf sie und ihren Gatten sich beziehende Offenbarung vernahm, soll sie mit einem großen Stein in der Hand auf Mohammed zugegangen sein, der mit Abu Bakr bei der Kaaba saß. Als sie dann vor ihnen stand, nahm ihr Allah das Augenlicht, so daß sie Mohammed nicht sehen konnte. Sie fragte Abu Bakr: „Wo ist dein Freund? Ich habe gehört, er tadelt mich. Bei Allah, wenn ich ihn treffe, schlage ich ihm diesen Stein auf den Mund!”

Als sie sich entfernt hatte, sagte Abu Bakr zu Mohammed: „Glaubst du, sie hat dich gesehen?” Mohammed erwiderte: „Sie hat mich nicht gesehen. Allah hat mich für sie unsichtbar gemacht.”

Das Verbot, die Götter zu lästern
Abu Djahl begegnete einst, wie mir erzählt wurde, dem Gesandten Allahs und sagte zu ihm: „Höre endlich auf, unsere Götter zu lästern, oder wir lästern den Gott, den du anbetest.” Da offenbarte Allah: „Lästere die Götter nicht, die sie anbeten, sonst lästern sie Allah in ihrer Unwissenheit” (al-An’am 6,108). Mohammed hörte sogleich auf, ihre Götter zu lästern, forderte aber jedermann auf, an Allah zu glauben*.
* Hier begegnen wir der diplomatischen Klugheit Mohammeds: Er verschwieg die negative Seite der Wahrheit, um dafür in der Lage zu sein, die positive Seite seiner Botschaft ungehindert ausbreiten zu können.



Wer Brennmaterial in der Hölle sein wird
Al-Nadhr b. al-Harith pflegte stets, sobald Mohammed in einer Versammlung den Quran vorlas und die Quraisch aufforderte, an Allah zu glauben, und sie vor dem Schicksal früherer Völker warnte, ihnen von dem starken Rüstern und von Isfendiar, den Königen der Perser, zu erzählen. Er ergänzte dann: „Bei Allah, Mohammeds Erzählungen sind nicht schöner als die meinigen. Sie sind auch nur aus alten Büchern abgeschrieben wie die meinigen.”


Da offenbarte Allah: „Sie behaupten, es seien die Schriften der Vorfahren, die er abgeschrieben oder die man ihm morgens und abends diktiert habe. Sprich: Derjenige, der die Geheimnisse des Himmels und der Erde kennt, hat sie geoffenbart. Er war gnädig und barmherzig (al-Furqan 25,5-6). Wehe dem Lügner und Übeltäter, der Allahs Verse hört, die du vorliest, und sich dann hochmütig abwendet, so, als hätte er nichts gehört; verkündige ihm schwere Pein! (al-Djathija 45,6-8) In ihrem Lügen sagen sie, es gäbe einen Sohn Gottes*. Sie sind Lügner! (Saffat37,151 u. 152)”


*Der theologische Kampf der Moslems mit den Christen spitzte sich im Zuge von Mohammeds wachsender Ablehnung der Vielgötterei immer mehr zu. Mohammed bezeichnete die Christen als Lügner, weil sie an den Sohn Gottes glaubten. Später verfluchte er sie in seinem Zorn (Sure 3,61; 9,29-30).



Mohammed saß eines Tages mit Walid b. al-Mughira und anderen Quraisch im Bereich der Kaaba. Da kam al-Nadhr b. al-Harith und setzte sich zu ihnen. Mohammed sprach eine Weile, und al-Nadhr widersprach ihm. Endlich brachte ihn Mohammed zum Schweigen und las folgenden Quranvers: „Ihr und alles, was ihr außer Allah anbetet, wird Brennmaterial in der Hölle werden, in die ihr hinabfahrt. Wären es Götter, so würden sie nicht in die Hölle fahren. Alle bleiben ewig darin. Sie stöhnen darin, werden aber nicht gehört” (al-Anbija 21,100).



Als Mohammed sich bereits erhoben hatte, kam Abd Allah b. al-Ziba’ri, der Sahmite, und setzte sich zu den andern. Da sagte al-Walid b. al-Mughira zu ihm: „Kaum hatte sich al-Nadhr zu uns gesetzt, da hat Mohammed behauptet, daß wir, und was wir außer Allah anbeten, Brennstoff der Hölle werden.” Da entgegnete Abd Allah: „Bei Allah, wenn ich ihn treffe, werde ich mit ihm disputieren. Fragt ihn, ob tatsächlich alles, was außer Allah angebetet wird, in die Hölle kommt samt dem, der es angebetet hat. Wir beten ja die Engel an, die Juden Esra* und die Christen Jesus.” Al-Walid und den andern gefiel die Rede Abd Allahs. Sie waren froh, daß er Beweise gegen Mohammeds Behauptung aufgestellt hatte. Als Abd Allahs Worte Mohammed zu Ohren kamen, antwortete er: „Nur diejenigen, die außer Allah angebetet sein wollen, werden mit denen, die sie angebetet haben, verbrannt**. Die Quraisch aber beten Satane (Tawagit) und Götzen an, die von ihnen angebetet sein wollen.” Damals offenbarte ihm Allah: „Diejenigen, denen wir früher Gutes erwiesen haben, bleiben fern von der Hölle und hören nicht ihr Getöse. Sie bleiben ewig in dem, was sie gewünscht haben” (al-Anbija 21,102), zum Beispiel Jesus, Esra, die Rabbiner und Priester, die im Gehorsam gegen Allah dahingeschieden sind.

*
* Die Juden haben zeitweise Esra so hoch verehrt, daß Außenstehende dies als Anbetung mißverstanden. 

** Die Anbetung Christi (Offbg. 5,12) stellt für Moslems einen Greuel dar. Die angedrohte Höllenstrafe im ewigen Feuer umfaßt nach islamischen Denken auch alle Christen, die Jesus anbeten.



Was ihre Behauptung anbetrifft, daß sie Engel anbeten, die Töchter Allahs seien, heißt es: „Sie sagen, der Barmherzige habe Kinder. Gepriesen sei er! Sie sind nur Sklaven, denen er seine Gnade geschenkt hat. Sie greifen ihm mit keinem Worte vor und handeln nur nach seinem Befehl” (al-Anbija 21,26).

In bezug auf Jesus erfolgte die Antwort: „Er ist nur ein Sklave, gegen den wir gütig waren und den wir den Söhnen Israels als Vorbild aufgestellt haben. Er ist ein Zeichen für die Stunde. Zweifelt nicht daran! Folgt mir, dies ist der gerade Weg” (al-Zukhruf 43,59-61). Die Wunder, die ich durch ihn vollbringen ließ, wie die Wiederbelebung der Toten und die Heilung der Kranken, ist Beweis genug für die Stunde * Darum zweifelt nicht! 

* Christus und seine Wunder gelten im Islam als Zeichen für das kommende Gericht Allahs!



Von der Auferweckung der Toten
Ubai b. Khalaf und Uqba b. Abi Muit waren enge Freunde. Eines Tages hörte Ubai, daß Uqba sich zu Mohammed gesetzt und ihm zugehört habe. Er ging daher zu ihm und sagte: „Ich habe gehört, du hast Mohammed aufgesucht und ihm zugehört. Wenn dies wahr ist, so schwöre ich, daß ich dich nicht mehr sehen will und nicht mehr mit dir sprechen werde, bis du zu ihm gehst und ihm ins Gesicht spuckst.” Uqba — Allah verfluche ihn! — der Feind Allahs, tat dies. Daraufhin offenbarte der erhabene Allah: „Eines Tages wird der Ruchlose sich in die Hände beißen und sagen: Hätte ich doch den Weg des Gesandten gewählt!” (al-Furqan 25,27).
Ubai ging einst mit einem alten Knochen zu Mohammed und fragte ihn, ob er wirklich glaube, daß dieser Knochen auferweckt würde. Er zerbröckelte ihn dabei mit der Hand und blies den Staub in den Wind. Mohammed antwortete: „Jawohl, diesen Knochen und dich selbst — wenn du einmal im selben Zustand sein wirst — wird Allah auferwecken und dich in die Hölle bringen.

Disput zwischen Mohammed und den Götzendienern Quraischs
Als Mohammed einst die Kaaba umkreiste, traten ihm al-Aswad b. al-Muttalib, Walid b. al-Mughira, Umaija b. Khalaf und al-Aas b. Wail, angesehene Männer der Quraisch, in den Weg und sagten: „Wohlan, Mohammed, wir wollen deinen Gott anbeten. Bete du dafür auch unsere Götter an, so daß wir alle gemeinsam beten. Ist das, was du anbetest, besser, so haben wir unseren Anteil daran. Ist das, was wir anbeten, besser, so erhältst du ebenfalls Anteil daran.” Da offenbarte Allah: „Sprich: O ihr Ungläubigen! Ich bete nicht an, was ihr anbetet” (al-Kafirun 109,1 u. 2).

Der Baum Zaqqum
Als im Quran vom Baume Zaqqum die Rede war, um die Ungläubigen zu bedrohen, sagte Abu Djahl: „Wißt ihr Quraisch, was der Zaqqumbaum ist, mit dem euch Mohammed bedroht? Das sind die Datteln Medinas mit Butter. Bei Allah, wenn wir solche Zaqqum bekommen können, wollen wir sie uns schmecken lassen.” Da offenbarte Allah: „Der Baum Zaqqum ist die Speise des Übeltäters, sie kocht im Leib wie geschmolzenes Metall, wie siedendes Wasser” (al-Dukhan 44,43-50). Abu Djahls Behauptung ist falsch.

Von Ihn Umm Maktum, dem Blinden
Als einst Mohammed in einem Gespräch Walid b. al-Mughira für den Islam zu gewinnen suchte, kam der blinde Ibn Umm Maktum hinzu. Auch er sprach zu Mohammed und bat ihn, aus dem Quran vorzulesen. Mohammed aber waren die Fragen des Blinden lästig, weil er sich lieber mit Walid beschäftigt hätte, dessen Bekehrung er sehnlichst wünschte. Als der Blinde immer mehr hören wollte, wandte sich Mohammed ungehalten von ihm ab und ließ ihn stehen*.
* Jesus dagegen ließ die Massen stehen, wandte sich dem Blinden zu und öffnete ihm die Augen durch sein allmächtiges Wort (Mk. 10,46-52). Mohammed hatte keine heilende Kraft. Er suchte die Starken für sich und den Islam zu gewinnen, aber nicht die Schwachen und Kranken. Er ließ den Blinden stehen, um mit den Einflußreichen zu reden. Jesus jedoch kam mit Willen zu den Armen, Elenden, Kranken, Schwachen und Sündern, um ihnen zu helfen (Mt. 11,25-30).

In Sure Abasa 80,1-11 lesen wir, daß Allah Mohammed wegen seinem Verhalten dem Blinden gegenüber tadelte!

Von denen, die aus Abessinien zurückgekehrt sind
Die nach Abessinien ausgewanderten Gefährten Mohammeds vernahmen einst das Gerücht, die Mekkaner hätten sich zum Islam bekehrt. Sie kehrten daher zurück. Erst als sie in die Nähe von Mekka kamen, hörten sie, daß es ein falsches Gerücht gewesen war. Sie konnten daher nur heimlich nach Mekka hineingehen. Einige blieben in der Stadt bis zur Auswanderung 129 Mohammeds nach Medina und kämpften bei Badr und Uhud an seiner Seite. Andere wurden zurückgehalten, so daß ihnen Badr und andere Schlachten entgingen. Wieder andere starben in Mekka. Insgesamt waren es 33 Männer, die aus Abessinien zurückkehrten*.
*Ibn Hischam verschweigt, daß Mohammed während des wachsenden Boykotts der Mekkaner eine schwache Minute hatte und neben Allah al-Lat, Uzza und Manat als weibliche Gottheiten anerkannte, ja ihre Existenz durch eine göttliche Offenbarung legitimierte (Sure 53,19-21; 22$2-53). Später hat Mohammed diese Verse als Einflüsterung Satans abgelehnt. Die „ satanische Verse ” aber blieben ein Bestandteil des Korans bis heute.


Als die Asylanten in Abessinien hörten, daß Mohammed eine begrenzte Vielgötterei zuließ, brachen sie ihren Aufenthalt im fremden Land ab und wollten wieder nach Mekka zurückkehren. Als sie jedoch zu Hause ankamen, hatte Mohammed den Kompromiß mit seinen Feinden als falsche Offenbarung widerrufen. Er habe die Einflüsterung Satans nicht von der Stimme des wahren Gottes unterscheiden können. Diese Aussage Mohammeds legt die Frage nahe, ob nicht noch weitere Verse im Quran satanischen Ursprungs sind.

Von Uthmans Mut
Salih b. Ibrahim b. Abd al-Rahman b. Auf hat mir von einem, dem es Uthman selbst erzählt hat, berichtet: „Uthman b. Maz’un sah, wie die Gefährten Mohammeds litten, während er selbst unter dem Schutz Walids ausgehen konnte, wann er wollte. Da sagte er: ,Bei Allah, es tut mir im Herzen weh, daß ich durch den Schutz eines Götzendieners in Sicherheit lebe, während meine Gefährten 130 und Glaubensgenossen wegen ihres Glaubens an Allah von allerlei Leiden und Kränkungen heimgesucht werden.’ Er ging deshalb zu Walid und sprach: ,Dein Schutz hat sich bewährt. Ich aber verzichte in Zukunft darauf.’ Al-Walid fragte: .Weshalb, mein Neffe? Hat dich einer von meinem Geschlecht beleidigt?’ Er antwortete: ,Nein, aber ich begnüge mich mit dem Schutz Allahs und bedarf keines weiteren Schutzes.’ Da erwiderte Walid: ,So geh mit mir zur Kaaba und sage dich öffentlich von meinem Schütze los, wie ich ihn dir auch öffentlich gewährt habe.’ Hierauf gingen sie zusammen zum Heiligtum, und Walid sagte: ,Uthman ist gekommen, um auf meinen Schutz zu verzichten.’ Uthman setzte hinzu: ,Es ist wahr, ich habe ihn als einen treuen und edlen Beschützer gefunden, aber ich will außer Allah keinen Beschützer mehr haben, deshalb entbinde ich ihn von seiner Verpflichtung.'”

Eines Tages rezitierte Labid b. Rabia b. Malik b. Dja’far b. Kilab in einer Gesellschaft von Quraischiten einige Verse. Als er sagte: „Alles außer Allah ist eitel”, fügte Uthman, der auch zugegen war, hinzu: „Du hast wahr gesprochen!” Labid fuhr fort: „Alles Angenehme muß einst aufhören!” Uthman erwiderte: „Du lügst, das Angenehme des Paradieses wird nie aufhören!” Da sagte Labid: „O ihr Quraischiten! Bei Allah, niemand aus eurer Gesellschaft ist bisher beleidigt worden. Seit wann darf dies geschehen?” Einer der Leute antwortete: „Nimm’s dir nicht zu Herzen, was dieser Mann sagt. Er ist einer der Toren, die sich von unserem Glauben losgesagt haben.” Uthman seinerseits wollte auch nicht schweigen, bis sie in Streit gerieten und der Mann ihm auf das Auge schlug, so daß es grün und blau wurde. Als Walid, der in der Nähe war, dies sah, bemerkte er: „Bei Allah, mein Neffe, dein Auge hätte verschont bleiben können. Du hast bisher unter meinem sicheren Schutz gelebt.” Uthman erwiderte: „Nein, bei Allah, mein anderes Auge sehnt sich nach dem, was das eine für Allahs Sache getroffen hat. Ich bin unter dem Schutz dessen, der stärker und mächtiger ist als du, Vater des Abd Schams.” Walid sagte: „Wohlan, mein Neffe, wenn du willst, stelle ich dich wieder unter meinen Schutz.” Uthman wollte davon aber nichts mehr wissen.

Von Abu Salama und seinem Schutz
Abu Ishaq b. Jasar hat mir von Salama b. Umar b. Abi Salama erzählt: „Als Abu Salama sich unter den Schutz Abu Talibs stellte, gingen Männer von den Banu Makhzum zu Abu Talib und sprachen: ,Du hast schon deinen Brudersohn gegen uns in Schutz genommen. Was brauchst du noch einen der unsrigen zu beschützen?’ Abu Talib antwortete: ,Er hat sich unter meinen Schutz begeben und ist der Sohn meiner Schwester. Wenn ich meinen Schwestersohn nicht beschütze, so könnte ich auch meinen Brudersohn nicht beschützen.’ Da erhob sich Abu Lahab und sagte: ,Bei Allah, ihr habt diesem Greis schon viel angetan. Ihr fallt stets über ihn her, weil er Leuten aus seinem Geschlecht Schutz gewährt. Laßt ihn entweder in Ruhe, oder laßt es uns in allem mit ihm halten, bis er sein Ziel erreicht.’ Sie erwiderten: ,Wir wollen nichts mehr tun, was dir mißfällt, Vater Utbas.’ Er war nämlich ihr Freund und Beistand gegen Mohammed, und dabei blieb es auch.”

Von Abu Bakr
Wie mir Muhammed b. Muslim erzählt hat, der es von Aischa gehört hatte, bat Abu Bakr, der Wahrhaftige, Mohammed um die Erlaubnis, auswandern zu dürfen, als er in Mekka vielen Beleidigungen ausgesetzt war und die Quraisch sich gegen Mohammed und seine Gefährten verbündet hatten. Mohammed erlaubte es, und er wanderte aus. Als er aber eine oder zwei Tagereisen zurückgelegt hatte, begegnete er Ibn al-Dughunna, einem Bruder der Banu al-Harith b. Abd Manat b. Kinana, der damals Herr der Ahabisch war. Dieser fragte Abu Bakr, wo er hin wolle. Er antwortete: „Mein Volk hat mich vertrieben, indem es mich beleidigt und bedrängt.” — „Und weshalb?” fragte Ibn al-Dughunna, „bist du doch die Zierde deines Geschlechts, ein Helfer bei Unglücksfällen. Du bist wohltätig und bringst Verlorenes zurück. Kehre um, ich beschütze dich!” Abu Bakr kehrte mit ihm nach Mekka zurück, und Ibn al-Dughunna erklärte den Quraischiten, daß er Abu Bakr beschütze und ihm niemand etwas zuleide tun dürfe. Daraufhin ließen sie von ihm ab.

„Abu Bakr”, so erzählte Aischa weiter, „hatte einen Betplatz vor der Tür seiner Wohnung, unter den Banu Djumah. Er war ein gefühlvoller Mann, der durch seine Quranrezitationen andere zu Tränen rührte. Junge Leute, Sklaven und Frauen blieben stehen und bewunderten ihn. Deswegen begaben sich einige Quraischiten zu Ibn al-Dughunna und beklagten sich: ,Du beschützt doch diesen Mann nicht, damit er uns kränken kann? Wenn er betet und den Quran zitiert, wird er gerührt. Außerdem ist er ein Mann von einnehmendem Äußeren. Wir fürchten daher, er möchte unsere Frauen, Kinder und Schwachköpfe verführen. Geh zu ihm und befiehl ihm, sich in sein Haus zurückzuziehen. Da mag er tun, was er will.'”
Ibn al-Dughunna ging zu Abu Bakr und sprach: „Ich habe dir nicht meinen Schutz gewährt, damit du deine Leute kränkst. Sie fühlen sich belästigt, weil du vor deinem Haus betest. Darum zieh’ dich in dein Haus zurück und tu darin, was du willst!” Abu Bakr erwiderte: „Oder ich entsage deinem Schutz und begnüge mich mit dem Schütze Allahs.” — „Nun”, erwiderte Ibn al-Dughunna, „so bestätige mir dies.” Darauf sagte Abu Bakr: „Ich entbinde dich von deiner Schutzverpflichtung.” Ibn al-Dughunna zeigte dies den Quraischiten an und überließ es ihnen, was sie gegen Abu Bakr unternehmen wollten.

Wie die Ächtung der Banu Haschim und Muttalib aufgehoben wurde
Die Banu Haschim und Muttalib hatten sich in die Schlucht zurückgezogen, nachdem die Quraisch sie geächtet hatten. Doch taten sich einige Quraischiten zusammen, um die Ächtung wieder aufzuheben. Der Eifrigste war Hischam b. Amr b. Rabia, denn er war mütterlicherseits ein Brudersohn des Nadhla b. Haschim und fühlte sich daher zu den Banu Haschim hingezogen. Auch genoß er großes Ansehen unter seinen Leuten. Wie ich gehört habe, kam er eines Nachts an den Eingang der Schlucht, in der die Banu Haschim und Muttalib lebten. Er hatte ein mit Lebensmitteln beladenes Kamel bei sich, nahm ihm den Zaum ab, versetzte ihm einen Hieb und trieb es in die Schlucht. Ein andermal belud er das Kamel mit Stoffen und tat dasselbe. Hischam begab sich zu Zuhair b. Abi Umaija, dessen Mutter Atika, eine Tochter Abd al-Muttalibs war und sagte: „Gefällt es dir, daß du dich nach Herzenslust nährst und kleidest und Ehen schließt, während deine Onkel mütterlicherseits, wie du wohl weißt, nichts kaufen und verkaufen können und keine Ehen schließen dürfen? Bei Allah, wären sie die Onkel des Abi al-Hakam b. Hischam und du hättest von ihm verlangt, was er dir zugemutet hat, er würde dir nie nachgegeben haben.” Zuhair erwiderte: „Wehe dir, Hischam, was kann ich als einzelner tun? Fände ich einen zweiten, so würde ich die Ächtung rückgängig zu machen suchen.” Hischam erwiderte: „Du hast in mir einen zweiten Mann gefunden!” Da sagte Zuhair: „Suche uns noch einen dritten!” Hischam begab sich zu Mut’im b. Adi und sprach: „Ist es dir recht, daß zwei Zweige der Söhne Abd Manafs vor deinen Augen zugrunde gehen? Bist du mit den Quraischiten darin einer Meinung? Bei Allah, wenn ihr ihnen dieses einräumt, so wirst du bald erfahren müssen, was sie gegen euch selbst vermögen.” Mut’im erwiderte: „Was soll ich tun? Ich bin nur ein Mann.” Da entgegnete Hischam: „Ich habe einen zweiten gefunden.” — „Wen?”—„Mich selbst.”—„So suche noch einen dritten!”—„Das ist bereits geschehen!” — „Wer ist es?” — „Zuhair b. Abi Umaija.” — „So suche noch einen vierten!” Hischam begab sich zu Abu al-Bakhtari und sagte zu ihm dasselbe wie zu Mut’im. Jener fragte: „Wird mich noch jemand in dieser Sache unterstützen?” Hischam nannte ihm Zuhair, Mut’im und sich selbst. Da sagte jener: „Suche noch einen fünften!” Da ging Hischam zu Zama b. al-Aswad und sprach mit ihm über die Verwandten und die Rechte der Geächteten. Zama fragte: „Wer ist noch einverstanden mit dem, was du mir vorschlägst?” Hischam nannte ihm die übrigen, und sie verabredeten eine nächtliche Zusammenkunft auf dem vorspringenden Teil von Hadjun, einer Anhöhe bei Mekka. Dort verpflichteten sie sich gegenseitig, alles aufzubieten, um die Ächtung rückgängig zu machen. Zuhair erbot sich, den Antrag zu stellen.

Am folgenden Morgen, als die Quraisch sich wie gewöhnlich versammelten, erschien Zuhair in einem weiten Gewand und umkreiste die Kaaba siebenmal. Dann wandte er sich an die Versammelten: „Ihr Bewohner Mekkas, ist es recht, wenn wir uns gut nähren und kleiden, während die Banu Haschim zugrunde gehen und wir jeden Umgang mit ihnen meiden? Bei Allah, ich werde nicht ruhen, bis diese ungerechte Vereinbarung, die unseren Stamm spaltet, zerrissen wird.”

Abu Djahl, der auf der einen Seite des Heiligtums saß, erwiderte: „Du lügst, die Ächtung wird nicht aufgehoben.” Da sagte Zama b. al-Aswad: „Du bist, bei Allah, ein größerer Lügner. Wir waren nicht damit einverstanden, als diese Abmachung aufgeschrieben wurde.” Abu al-Bakhtari entgegnete: „Zama hat recht, wir sind nicht damit einverstanden und bestätigen die Ächtung nicht.” Al-Mut’im fügte hinzu: „Ihr beiden habt die Wahrheit gesprochen. Wer etwas anderes sagt, hat gelogen. Wir sagen uns vor Allah von der Ächtung los und von dem, was in dem Schriftstück festgelegt ist.”

Als Hischam das bekräftigte, rief Abu Djahl: „Die Sache ist in der Nacht, in welcher an einem anderen Ort Rat gehalten wurde, abgemacht worden.” Daraufhin erhob sich al-Mut’im, um das Blatt zu zerreißen, doch der Wurm hatte es bereits zernagt. Nur noch die Worte „In deinem Namen, Allah” waren lesbar. Schreiber des Blattes war Mansur b. Ikrima, dessen Hand, wie behauptet wird, später verdorrt ist.

Wie Mohammed Rukana bekehrte
Abu Ishaq b. Jasar hat mir erzählt: Rukana b. Abd Jazid, der stärkste Mann unter den Quraischiten, befand sich eines Tages allein mit Mohammed in einer Schlucht bei Mekka. Mohammed sprach: „Fürchtest du Allah nicht, Rukana, und folgst meinem Rufe nicht?” Er antwortete: „Wüßte ich, daß du die Wahrheit sagst, so würde ich dir folgen.” Mohammed entgegnete: „Wirst du, wenn ich dich zu Boden werfe, glauben, daß ich die Wahrheit sage?” — „Ja.” — „So steh auf und laß uns miteinander ringen!” Rukana erhob sich, um mit Mohammed zu ringen. Mohammed versetzte ihm einen Schlag, so daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Rukana wollte aber den Kampf wieder aufnehmen, doch Mohammed warf ihn abermals zu Boden. Da sagte Rukana: „Bei Allah, das ist wunderbar, wie kannst du mich zu Boden werfen?” Mohammed erwiderte: „Wenn du Allah fürchtest und meinen Glauben annimmst, werde ich dir noch ein größeres Wunder zeigen.” — „Welches?” — „Ich werde den Baum, den du dort siehst, herbeirufen, und er wird zu mir kommen.” Auf Verlangen Rukanas rief Mohammed den Baum, und er kam und blieb vor ihm stehen, bis er ihn wieder an seine Stelle zurückgehen hieß, was er dann auch tat. Rukana kehrte zu seinen Leuten zurück und sagte: „O ihr Söhne Abd Manafs, ihr könnt mit eurem Freund alle Bewohner der Erde verzaubern, denn, bei Allah, ich habe nie einen größeren Zauberer gesehen.” Er erzählte ihnen dann, was Mohammed getan und was er selbst gesehen hatte *.
* Sollte diese Geschichte wahr sein, so stellt sich die Frage, ob Mohammed nicht doch ein Zauberer war und über dämonische Kräfte verfügte.

Ankunft einer Abordnung von Christen aus Abessinien
Zu Mohammed kamen, als er noch in Mekka war, etwa zwanzig Christen, nachdem sie in Äthiopien Berichte von ihm gehört hatten. Sie fanden ihn in der Anbetungsstätte, setzten sich zu ihm, sprachen ihn an und stellten ihm Fragen, während die Männer von Quraisch an ihren Treffpunkten bei der Kaaba standen. Nachdem sie den Gesandten Allahs nach allem gefragt hatten, was sie von ihm wissen wollten, rief er sie zur Unterwerfung unter Allah und rezitierte vor ihnen einige Qurantexte. Als sie den Quran hörten, wurden ihre Augen von Tränen feucht. Sie nahmen sogleich Allah an, glaubten an ihn, vertrauten seiner Wirklichkeit und erfuhren, was von ihm in ihrem Buch geschrieben stand. Sie hatten Mohammed kaum verlassen, da trat ihnen Abu Djahl b. Hischam mit einigen Männern von Quraisch in den Weg und sagte zu ihnen: „Gott vereitle eure Abordnung! Die Leute eurer Religion, zu denen ihr gehört, haben euch geschickt, damit ihr ihnen Nachrichten von diesem Mann (Mohammed) bringt. Ihr aber habt euch zu ihm gesetzt und sogleich eure Religion verlassen, ohne euch mit ihm richtig vertraut gemacht zu haben. Eine dümmere Abordnung hatten wir noch nie gesehen!”

Andere sagten: „Die Abordnung kam aus dem Wadi Nadjran (im Nordjemen). Gott weiß, um wen es sich in Wirklichkeit handelte!” Über diese Abordnung wurden folgende Verse herabgesandt: „Diejenigen, denen wir die Schrift früher schon gegeben haben, sie glauben daran; und wenn sie ihnen vorgetragen wird, dann sprechen sie: Wir glauben daran. Wahrlich, das ist die Wahrheit von unserem Herrn. Wirklich, wir waren schon früher Moslems* (an Gott Ausgelieferte)” (al-Qasas 28,53).
*Die missionarische Aktivität der islamischen Asylanten in Abessinien hatte Nachwirkungen. Einige Christen wollten den Islam prüfen und besuchten Mohammed, um ihn kennenzulernen. Es gibt immer gutmütige und oberflächliche Christen, die religiöse Halbwahrheiten und eindrückliche Frömmigkeitsformen als Grundlage eines rechten Glaubens ansehen. Das Evangelium aber lehrt uns, daß selbst die tiefste Religiosität keinen Menschen rettet. Allein das Blut des gekreuzigten Gottessohnes schafft jene Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (vgl. Röm. 1,17). Alle anderen Religionen eröffnen keinen Weg zu Gott. Sie bleiben im Irrtum der Selbsterlösung und in ihrer Gesetzlichkeit gefangen.



„Sollte Allah gerade diese begnadet haben…”
Einst saß Mohammed bei der Kaaba, umgeben von den Geringgeachteten unter seinen Genossen, u. a. Khabbab, Ammar, Abu Fukaiha Jasar, ein Freigelassener des Safwan b. Umaija b. Muharrith und Suhaib. Da sprachen die Quraischiten spöttisch untereinander: „Das sind also seine Gefährten, wie ihr seht. Sollte Allah gerade diese aus unserer Mitte durch Leitung und Erkenntnis der Wahrheit begnadet haben? Wäre tatsächlich etwas Gutes an Mohammeds Offenbarung, so wären uns diese Leute nicht zuvorgekommen. Allah hätte sie nicht vor uns ausgezeichnet.”
Da offenbarte Allah: „Verstoße nicht diejenigen, die ihren Herrn morgens und abends anbeten, die sein Wohlgefallen suchen. Du gehörst zu den Übeltätern, wenn du sie zurückweist” (al-An’am 6,52).

Mohammed und der Christ Djabr
Wie mir berichtet wurde, saß Mohammed oft bei Marwa (in der Nähe von Mekka) vor der Bude eines jungen Christen, der Djabr* hieß und Sklave der Banu al-Hadhrami war. Es hieß daher, Djabr habe Mohammed vieles von dem gelehrt, was dieser später offenbart habe. Da erschien der Quranvers: „Wir wissen, daß sie sagen, ein Mensch lehre ihn, aber die Sprache dessen, auf den sie hinweisen, ist fremd, während dies klares Arabisch ist” (al-Nahl 16,103).
* Der Sklave Djabr ist einer der namentlich bekannten Christen, bei denen Mohammed stundenlang in einer Gemischtwarenhandlung saß, um Belehrung von ihm über das Evangelium zu erfragen. Die Mohammed feindlich gesinnten Mekkaner spotteten und nannten Djabr den „Heiligen Geist” Mohammeds, der ihn inspiriere und von dem er Teile seiner Offenbarungen empfange.



Wie die Sure al-Kauthar geoffenbart worden ist
Wie mir berichtet worden ist, sagte al-Aas b. Wail der Sahmite, wenn von Mohammed die Rede war: „Laßt ihn! Er hat keine Nachkommen! In ein paar Jahren wird sein Andenken erlöschen, und ihr habt Ruhe vor ihm.” Darauf offenbarte Allah: „Wir haben dir al-Kauthar* gegeben, welcher besser ist als diese Erde samt allem, was darauf ist” (al-Kauthar 108,1).
* Al-Kauthar heißt „das Große, Erhabene und Zahlreiche”. AlKauthar ist auch der Name eines Paradiesflusses der mehrere Nebenflüße haben soll. Sein Wasser schmecke süß wie Honig und sein Flußbett sei mit Edelsteinen ausgelegt.


6. Die Vision Mohammeds von seiner Himmelfahrt

Mohammeds nächtliche Wanderung und Himmelfahrtsvision
Mohammed wurde von der Anbetungsstätte in Mekka zum Tempel in Jerusalem getragen, als der Islam sich schon unter den Quraischiten und anderen Stämmen Mekkas ausgebreitet hatte. Über diese Reise gibt es Überlieferungen von Abd Allah b. Mas’ud, von Abu Said al-Khudri, von Aischa, der Gattin Mohammeds, von Muawia b. Abi Sufjan, von Hassan b. Abi al-Hassan al-Basri, von Ibn Schihab al-Zuhri, von Qatada, von anderen Traditionsträgern und von Umm Hani, der Tochter Abu Talibs. Wir haben hier zusammengefaßt, was die verschiedenen Männer und Frauen darüber berichtet haben.



Diese Reise stellte eine Versuchung und Prüfung der Moslems auf Befehl Allahs, des Erhabenen und Mächtigen, dar. Sie bedeutete eine Belehrung für Verständige, eine Leitung, Gnade und Befestigung für die Gläubigen. Allahs Befehl war geschehen. Mohammed mußte aufbrechen, „damit Allah ihm von seinen Wundern zeige” (al-lsra 17,1), so viel er wollte, und Mohammed einen Blick auf seine Macht und Herrschaft werfe, kraft derer er tut, was ihm gefällt.

Abd 

Allah b. Mas’ud erzählt: „Man führte Mohammed den Buraq*vor, jenes Wundertier, das schon andere Propheten vor ihm getragen hatte und das seine Hufe so weit auseinandersetzt, wie das Auge reicht. Sein Freund (Gabriel) hob ihn hinauf und begleitete ihn. Mohammed sah die Wunder zwischen Himmel und Erde. Schließlich kam er nach Jerusalem. Hier begegnete er Abraham, Moses, Christus und anderen Propheten, die sich um seinetwillen einfanden, und er betete mit ihnen**.
*Buraq heißt „der Blitzschnelle Glänzende ” und bedeutet im Islam ein weißes Reittier, das die Propheten bestiegen (Sure 17,1). Es soll größer als ein Esel und kleiner als ein Maultier sein und zwei Flügel haben. Als Mohammed bei seiner Himmelfahrt dieses Wundertier bestieg, war er von Gabriel und Michael begleitet (Ali Mansuru’s Nasif: Scharhu kitabi’t-tadj).


** Abraham, Mose und Christus sind im Islam die wichtigsten Propheten in der Zeit vor Mohammed. Indem Jesus im Zusammenhang mit Abraham, Mose und Mohammed erwähnt wird, wird er auf das Niveau der übrigen Propheten degradiert.
In Wirklichkeit sind Mose und Elia dem Herrn Jesus auf dem Berg der Verklärung erschienen. Die beiden Vertreter des Alten Bundes haben Jesus auf seinem Weg zum Kreuz bestärkt, damit er die Versöhnung der Welt vollende (Mt. 17,3-4; Mk. 9,4-5; Luk. 9,30-31). Mohammed selbst wurde nie verklärt, sondern blieb auch während seiner Vision bzw. seines Nachttraums ein normaler Mensch.



Man brachte ihm drei Gefäße. Das eine enthielt Milch, das andere Wein und das dritte Wasser. Mohammed hörte, während die Gefäße vor ihm aufgestellt wurden, eine Stimme, die ihm zurief: „Wenn du das Wassergefäß nimmst, wirst du und dein Volk ertränkt. Greifst du nach dem Wein, so wirst du und dein Volk dem Irrtum verfallen. Ziehst du aber die Milch vor, so wirst du und dein Volk recht geleitet.”


„Ich nahm daher”, erzählt Mohammed selbst, „das Milchgefäß und trank daraus, und Gabriel sagte zu mir: Du wirst recht geleitet und dein Volk mit dir, o Mohammed!”

Al-Hassan hat mir erzählt, Mohammed habe einst gesagt: „Während ich im Heiligtum schlief, kam Gabriel und stieß mich mit dem Fuß. Ich setzte mich aufrecht, sah aber nichts. Ich legte mich daher wieder auf mein Lager zurück. Abermals stieß mich Gabriel mit seinem Fuß. Da erhob ich mich. Als ich aber nichts sah, legte ich mich wieder nieder. Er stieß mich zum dritten Mal, und als ich mich aufrecht setzte, faßte er meinen Arm. Ich stand auf, und er führte mich an die Tür der Anbetungsstätte. Da stand ein weißes Tier, der Größe nach zwischen einem Maulesel und einem Esel. Es hatte zwei Flügel an den Hüften, unter welchen die Hinterfüße hervortraten, während seine Vorderbeine so weit reichten, wie das Auge sehen konnte. Gabriel hob mich hinauf und begleitete mich. Er blieb stets an meiner Seite.”
Von Qatada ist mir berichtet worden, Mohammed habe erzählt: „Als ich mich dem Tier näherte, um es zu besteigen, wurde es bockig. Da legte ihm Gabriel seine Hand auf die Mähne und sagte: ,Schämst du dich nicht, Buraq? Bei Allah, es hat dich bisher kein edlerer Sklave Allahs bestiegen als Mohammed.’ Buraq schämte sich derart, daß er ganz mit Schweiß bedeckt wurde. Er blieb dann ruhig stehen, bis ich ihn bestiegen hatte.”

Al-Hassan berichtet: „Mohammed reiste in Begleitung Gabriels nach Jerusalem. Dort fand er Abraham, Moses, Christus und andere Propheten. Mohammed ging auf sie zu und betete mit ihnen. Dann brachte man ihm zwei Gefäße. In dem einen war Wein und im andern Milch. Mohammed nahm das Gefäß mit Milch und trank daraus. Den Wein ließ er unberührt. Da sagte ihm Gabriel: Du bist von deiner Erschaffung an recht geleitet, dein Volk ist recht geleitet, und der Wein ist euch verboten.”
Mohammed kehrte dann nach Mekka zurück und erzählte am folgenden Morgen den Quraischiten seine Erlebnisse. Die meisten Leute sagten: „Das ist doch, bei Allah, eine klare Sache! Mohammed will in einer Nacht die Reise nach Syrien hin und zurück gemacht haben, während eine Karawane zwei Monate dazu braucht.”
Viele Moslems fielen wieder vom Islam ab. Andere kamen zu Abu Bakr und fragten: „Was hältst du von deinem Freund, der behauptet, diese Nacht in Jerusalem gewesen zu sein? Er habe dort gebetet und sei wieder zurückgekehrt.” Abu Bakr antwortete: „Ihr dichtet ihm Lügen an.” Da entgegneten sie: „Er ist im Bereich der Kaaba und erzählt selbst davon.” Abu Bakr erwiderte: „Bei Allah, wenn er es selbst sagt, so ist es auch wahr, und was ist so Unglaubliches daran? Glaube ich doch, wenn er mir sagt, die Offenbarung komme vom Himmel zur Erde herab in einer Stunde des Tages oder der Nacht. Und dies bedeutet doch noch viel mehr als das, was euch so wunderbar erscheint.”

Er begab sich dann zu Mohammed und fragte: „Hast du, o Prophet Allahs, diesen Leuten gesagt, du seist in Jerusalem gewesen?” Er antwortete: „Ja.” Da sagte Abu Bakr: „Beschreibe mir die Stadt. Ich bin schon dort gewesen.” Mohammed fing dann an, Jerusalem zu beschreiben, und sooft er Einzelheiten eines Stadtteils geschildert hatte, rief Abu Bakr: „Du hast wahr gesprochen! Ich bezeuge, daß du ein Gesandter Allahs bist.” Als er geendet hatte, sagte er zu Abu Bakr: „Du, Abu Bakr, bist der Wahrhaftige.” Von diesem Tage an wurde er „der Wahrhaftige” genannt.
Hassan berichtet ferner: „Gegen diejenigen, welche wegen dieses Vorfalls vom Islam abfielen, offenbarte Allah: ,Wir haben das Gesicht, das wir dir gezeigt haben, nur zur Versuchung für die Menschen gemacht, ebenso den im Quran verfluchten Baum. Wir warnen sie, aber das macht sie nur noch widerspenstiger'” (al-lsra 17,60).
Einer aus der Familie Abu Bakrs hat mir erzählt, Aischa habe gesagt: „Mohammeds Körper wurde nicht vermißt, sondern Allah ließ seinen Geist reisen.” Jaqub b. Utba b. al-Mughira b. al Akhnas hat mir berichtet, Muawia b. Abi Sufjan habe, wenn man ihn über Mohammeds nächtliche Reise befragte, geantwortet: „Es war eine wahre Vision von Allah.”
Al-Zuhri berichtet nach dem, was er von Said b. al-Musaijab gehört hat: „Mohammed hat seine Gefährten Abraham, Moses und Christus beschrieben, nachdem er sie in dieser Nacht gesehen hatte. Von Abraham sagte er: ,lch habe nie jemanden gesehen, der mir selbst ähnlicher wäre oder dem ich ähnlicher wäre. Moses war ein Mann von großer Statur, beweglich, mit krausem Haar und gebogener Nase, als wäre er vom Stamme Schanua.’
Christus habe weiss-rötlich ausgesehen, von mittlerer Größe, mit wallendem Haar, strahlendem Gesicht, als käme er aus einem Bad. Man hatte den Eindruck, es tropfe Wasser von seinem Kopf, was aber nicht der Fall ist*.”
* Mohammed schien etwas von der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan gehört zu haben.


Wahrscheinlich hatte Jesus eine hellbraune Haut. Wenn er anders als die übrigen Juden ausgesehen hätte, wäre er als Bastard verschrien und abgelehnt worden.

Beschreibung Mohammeds
Umar, ein Freigelassener des Ghufra, hat von Ibrahim b. Mohammed b. Ali b. Abu Talib berichtet, Ali habe folgende Schilderung von Mohammed gegeben: „Er war weder zu lang noch zu kurz, von mittlerer Statur. Sein Haar war nicht zu kraus, nicht zu wallend. Sein Gesicht war nicht zu voll und nicht zu fleischig. Es war weiß mit Röte gemischt. Er hatte schwarze Augen, lange Augenwimpern, einen starken Kopf und feste Schulterknochen, wenig feine Haare an der Brust, volle Hände und Füße. Wenn er ging, setzte er die Füße nicht fest auf, als ob er sich auf abschüssigem Boden bewegte; wenn er sich umdrehte, tat er es ganz. Er ging so leicht, als schwebe er auf dem Wasser, und wenn er nach einer Seite hinüberblickte, drehte er sich um. Zwischen seinen Schultern war das Siegel des Prophetentums*. Seine Hände waren die freigiebigsten aller Menschen. Seine Brust war die mutigste. Seine Zunge war die wahrhaftigste **. Er war der Treueste gegen seine Schützlinge, der Sanfteste und Angenehmste im Umgang. Wer ihn plötzlich sah, war von Ehrfurcht erfüllt. Wer ihm näherkam, liebte ihn. Wer ihn beschrieb, mußte sagen: Ich habe vor und nach ihm nicht seinesgleichen gesehen.”
* Das Siegel des Prophetentums findet verschiedene Auslegungen in bezug auf Form und Farbe. Gelegentlich wird ein Muttermal als ein Siegel angesehen.


** Mohammed erlaubte den Männern die Lüge legal im Krieg, zur Versöhnung zweier Feinde, den eigenen Frauen gegenüber und den Frauen ihren Männern gegenüber (Al-Tirmidhi, Kitab al-birr, 26; Musnad Ahmad b. Hanbai, 3,457).

Von der Himmelfahrt und den Wundern, die Mohammed dabei gesehen hat
Ein zuverlässiger Mann hat mir von Abu Said al-Khudri berichtet, er habe gehört, wie Mohammed erzählte: „Als ich in Jerusalem alles Nötige vollendet hatte, brachte man mir eine Leiter. Nie hatte ich etwas Schöneres gesehen. Es ist die, nach welcher die Toten bei der Auferstehung ihre Blicke richten. Mein Freund (Gabriel) ließ mich hinaufsteigen, bis wir an eines der Himmelstore kamen, welches das Tor der Wache hieß. Hier stand ein Engel, der Ismail hieß. Er hatte über 12 000 Engel zu gebieten, denen wieder je 12 000 Engel untergeordnet waren.”
Mohammed sagte: „Als ich in den untersten Himmel kam, begegneten mir alle Engel mit lachendem, heiterem Gesicht und wünschten mir Glück. Nur ein Engel wünschte mir Glück, ohne daß er lachte oder vergnügt aussah. Ich fragte daher Gabriel, warum gerade dieser Engel kein heiteres, lachendes Gesicht zeige wie die anderen. Gabriel antwortete: ,Er würde dir entgegenlachen, wenn er es je vor einem anderen getan hätte oder tun würde. Aber dieser Engel lacht nie. Es ist Malik, der Herr der Hölle.’ Da sagte ich zu Gabriel, der an diesem Ort nach Allahs Willen zu gebieten hatte und dem man vertrauen konnte: .Willst du ihm nicht befehlen, mir das Feuer der Hölle zu zeigen?’ Er sagte zu und erteilte Malik den entsprechenden Befehl. Dieser hob den Deckel beiseite, und das Feuer tobte und stieg in die Höhe, so daß ich glaubte, es würde alles verzehren, was ich vor mir sah. Ich bat daher Gabriel ihm zu befehlen, es wieder zurückzudrängen. Gabriel tat dies und Malik rief: .Weiche zurück!’ Da kehrte das Feuer dahin zurück, wo es hergekommen war, und mir erschien es, als wenn plötzlich ein Schatten auf alles gefallen wäre. Dann schob Malik den Deckel wieder darüber.”

Nach Abu Saids Bericht hat Mohammed gesagt: „Als ich in den untersten Himmel kam, sah ich einen Mann sitzen, dem die Seelen der Menschen vorgestellt wurden. Er freute sich mit den einen und sagte: .Gute Seele, aus gutem Körper herausgekommen.’ Bei anderen machte er ein finsteres Gesicht und rief: ,Pfui, häßliche Seele, aus häßlichem Körper herausgekommen.’ Ich fragte Gabriel: ,Wer ist dieser Mann?’ Er antwortete: .Dieser ist dein Vater Adam *, dem die Seelen seiner Nachkommen vorgestellt werden. Er freut sich mit den Gläubigen und sagt: „Gute Seele aus gutem Körper.” Bei den Ungläubigen wird er betrübt und mit Abscheu erfüllt und sagt: „Häßliche Seele aus häßlichem Körper.'”
*Nach islamischer Auffassung gehört Adam zu den Gläubigen und war bereits ein Moslem. Diese Auffassung der Moslems beruht auf einer Überlieferung von Mohammed, was in den Köpfen der späteren Generationen Verwirrung hervorrief. Daher gibt es eine Unzahl von erdichteten Überlieferungen, die von einer Huldigung Adams an Mohammed sprechen (siehe al-Mawahib al-ladunniyya).

Dann sah ich Männer mit Kamellippen, welche Stücke von Feuer in der Hand hatten, so groß, daß sie die ganze Hand ausfüllten. Dieses Feuer warfen sie in ihren Mund, und es kam hinten wieder heraus. Ich fragte Gabriel:,Was sind das für Leute?’ Er antwortete: ,Es sind Menschen, welche das Gut der Waisen ungerechterweise verzehrt haben.’
Dann sah ich Männer mit Bäuchen, wie ich sie nie gesehen. Sie krochen auf ihren Bäuchen wie durstige Kamele. Dann traten sie auf ihnen herum, so daß sie sich nicht mehr von der Stelle 148 bewegen konnten. Ich fragte Gabriel: ,Wer sind diese?’ Er antwortete: .Dies sind Wucherer.’
Dann sah ich Männer, die gutes, fettes Fleisch vor sich liegen hatten und daneben schlechtes, stinkendes, die aber doch von dem verdorbenen aßen und das gute liegen ließen. Ich fragte Gabriel, was das für Leute wären. Er antwortete: ,Es sind solche, welche die Frauen, die ihnen Allah erlaubt hat, verlassen und sich denen zuwenden, die ihnen Allah verboten hat.’
Dann sah ich Frauen, die an ihren Brüsten aufgehängt waren. Ich fragte Gabriel: ,Wer sind diese?’ Er antwortete: ,Es sind solche, die ihren Männern fremde Kinder untergeschoben haben. Allahs Zorn ist heftig gegen eine Frau, die einem Geschlechte jemanden zuführt, der nicht zu ihm gehört, der dann dessen Güter verzehrt und die Scham aufdeckt.'”

Nach Abu Said al-Khudri fuhr Mohammed fort: „Gabriel ließ mich dann in den zweiten Himmel steigen. Hier sah ich die beiden Vettern*, Christus und Johannes.
* Mohammed wird von Christen erfahren haben, daß Johannes der Täufer und Jesus ferne Verwandte waren (Luk. 1,36).
Indem er Jesus mit Johannes in den zweiten Himmel einstufte, stellte er ihn unter Mose und Abraham. Ja, sogar noch unter Joseph, Henoch und Aaron. Er wollte ihn unter allen Umständen herabsetzen und Adam ähnlich machen (Sure Al Imran 3,59).



Dann kam ich in den dritten Himmel. Da war ein Mann, der wie ein Vollmond aussah. Als ich nach seinem Namen fragte, sagte mir Gabriel: ,Es ist dein Bruder Josef, der Sohn Jakobs.’


Er brachte mich dann in den vierten Himmel. Da sah ich wieder einen Mann, welchen Gabriel Idris (Henoch, den unsterblichen Propheten) nannte und sagte darauf: ,Wir haben ihm einen hohen Platz angewiesen’ (Marjam 19,57).



Er führte mich dann in den fünften Himmel. Da war ein Greis mit weißem Haupthaar und einem langen, weißen Bart. Ich habe nie einen schöneren Greis gesehen. Ich fragte nach seinem Namen und Gabriel sagte mir, es ist Harun (Aaron), der Sohn Imrans, der Beliebte unter seinem Volk.
Im sechsten Himmel, den ich hierauf bestieg, sah ich einen großen Mann mit gebogener Nase, als wäre er vom Stamm Schanua. Ich fragte Gabriel: ,Wer ist dieser Mann?’ Er antwortete: ,Es ist dein Bruder Moses, der Sohn Imrans.’

Er ließ mich dann in den siebten Himmel steigen. Da saß ein Mann, der mir sehr ähnlich sah, auf einem Thron vor dem Tor des Paradieses, durch das jeden Tag 70 000 Engel eingehen, die bis zum Tage der Auferstehung nicht wieder herauskommen. Ich fragte Gabriel: ,Wer ist dieser Mann?’ Er antwortete: ,Es ist dein Vater Abraham.’
Dann führte er mich in das Paradies. Da sah ich ein schwarzes Mädchen (Sklavin, Dienerin), das mir wohlgefiel. Ich fragte, wem es angehöre*. Es antwortete: ,Zaid b. Haritha’, und ich brachte Zaid diese frohe Botschaft.”
* Es ist interessant, daß Mohammed diesmal nicht direkt nach der Person, sondern nach deren „Besitzer” fragte, da es sich um eine Frau handelte! Zaid, der Adoptivsohn Mohammeds, war der erste erwachsene Mann, der den Islam angenommen hatte.

Später hat Mohammed seine Frau Zainab bint Djahsh beim Baden überrascht und sie auf Grund einer speziellen Offenbarung geheiratet, nachdem Zaid sich von ihr geschieden hatte (Sure al-Ahzab 33, 35 u. 37 u. 50).



Nach der Überlieferung des Abd Allah b. Mas’ud wurde Gabriel an jedem Himmelstor, in das er eingelassen werden wollte, gefragt, wer bei ihm sei. Als er Mohammeds Namen nannte, fragte man, ob er bereits als Prophet gesandt worden sei, und sobald er diese Frage bejahte, wurde gerufen: „Allah grüße ihn von seinem Freunde und von seinem Bruder!”
Nachdem er zum siebten Himmel gelangt war, führte ihn Gabriel zu seinem Herrn*, und er schrieb ihm für jeden Tag fünfzig Gebetsgänge vor**.
* Der Quran und der Hadith beschreiben Allah selbst nie in einer Vision. Sie kennen keine Herrlichkeitserscheinungen des Herrn und wissen nichts von den Cherubim. Mohammed brach nicht entsetzt vor der Heiligkeit Gottes zusammen. Das sind Hinweise darauf, daß er Gott in Wirklichkeit nie gesehen hat, sondern durch einen Traum getäuscht und genarrt wurde. Der Islam erlaubt keine Beschreibung Allahs, weil er unbeschreiblich sei. Niemand wisse, wer er ist und wie er aussieht. Der Mensch im Islam ist kein Ebenbild Gottes, sondern Allahs Sklave. Allah bleibt der ferne, große, unbekannte Gott, den keiner erreichen oder verstehen kann.

In der Bibel jedoch werden mehrere Visionen des heiligen und herrlichen Gottes berichtet. Wer ihn sah, war tief erschüttert und fiel wie tot zu Boden (Jes. 6,1-8; Hes. 1,4-2,1; Apg. 9,4; Off. 1,17; 4,1-3 und 5,6-8). 

**Die Frucht der angeblichen Begegnung Mohammeds mit Allah war keine Heilsgnade. Sie bewirkte auch keine Erschütterung oder Buße in Mohammed, noch folgte ihr eine Warnung vor Gottes Gericht. Die Vision intensivierte lediglich die gesetzliche Grundhaltung Mohammeds und forderte vermehrte Anbetung. Das zeigt, daß Allah zuerst ein Gesetzgeber und ein anzubetender Richter ist, jedoch kein liebender Vater noch ein sich selbst opfernder Retter wie Jesus. 



„Als ich”, so erzählt Mohammed weiter, „auf dem Rückweg wieder an Moses, eurem guten Herrn, vorüberkam, fragte er mich, wieviele Gebete mir vorgeschrieben worden seien. Ich antwortete: .Fünfzig pro Tag.’ Da sagte er: ,So viele Gebetsrunden sind mühsam, und dein Volk ist schwach. Geh zu deinem Herrn zurück und bitte ihn, daß er es dir und deinem Volk leichter mache.’ Ich folgte diesem Rat, und es wurden mir zehn abgenommen.



Moses fand aber vierzig noch zu viel und riet mir, um weitere Erleichterung zu bitten, und es wurden mir abermals zehn abgenommen.
Moses fand es jedoch immer noch zu viel. Ich kehrte so oft wieder zurück, bis mir endlich nur noch fünf Gebetsgänge für jeden Tag auferlegt wurden*.
* Der Bericht vom Mittleramt Mohammeds stellt eine islamische Reflektion der Fürbitte Abrahams für die Bewohner der Städte Sodom und Gomorra dar (1. Mose 18,16-33). Während Abraham jedoch um die Rettung der Verdorbenen bat und dabei die kleinste Zahl der Gerechten als Voraussetzung für die Begnadigung der Städte erbat, ging es bei Mohammed nicht um Heil oder Rettung seiner Gemeinde, sondern um eine Erleichterung der Gesetzespflichten für den Moslem. Nicht die Begnadigung der Sünder, sondern ein Kompromiß in der Gesetzgebung als bequemere Anbetung bei vollem Lohnausgleich war das Ergebnis der Vermittlung Mohammeds. Sonst kam nichts bei der Vision von seiner Himmelsreise heraus.

Als Moses auch jetzt noch mich zur Rückkehr bewegen wollte, sagte ich: ,lch habe nun schon so oft um Erleichterung gebeten, daß ich mich schäme, es nochmals zu tun. Wer dieses fünfmalige Gebet in Glauben und Erwartung des Lohnes täglich verrichtet, erhält den Lohn von fünfzig Gebeten, wie sie ursprünglich vorgeschrieben waren.'”
* Die sogenannte Himmelsreise Mohammeds (al-mi’ radj) ist ein bei den islamischen Theologen äußerst umstrittenes Thema. Die einen sind der Meinung, daß Mohammed diese Reise leiblich unternommen habe. Die anderen stützen sich auf eine Überlieferung von Aischa und sind der Auffassung, daß die Reise nur ein Traum Mohammeds war und Mohammed sich in Jerusalem im Geist befunden habe.

Wie Allah die Spötter unschädlich machte
Mohammed ermahnte trotz allen Spottes, aller Beleidigungen und obgleich man ihn einen Lügner nannte, beharrlich sein Volk in Erwartung des Gotteslohnes. Wie mir Said b. Rumman von Urwa b. al-Zubair erzählt hat, waren fünf mächtige und angesehene Männer die ärgsten Spötter: al-Aswad b. al-Muttalib von den Banu Asad. Wie ich gehört habe, soll Mohammed, als er von seinen spöttischen und beleidigenden Reden Kunde erhielt, gebetet haben: „Allah! Mache ihn blind und töte seinen Sohn*!”


* Der Fluch Mohammeds atmet den Geist der Rache, der im Islam immer wieder durchbricht. Jesus dagegen heilte die Blinden und warnte die Spötter. Hier wird der grundverschiedene Geist im Evangelium und im Quran sichtbar.



Jazid b. Rumman hat mir von Urwa b. al-Zubair erzählt: „Gabriel kam zu Mohammed, als die Spötter die Anbetungsstätte umkreisten. Mohammed erhob sich und stellte sich neben ihn. Als al-Aswad b. al-Muttalib vorüber kam, warf Gabriel ihm ein grünes Blatt ins Gesicht, und er wurde blind *.
* Der Engel Gabriel manifestiert sich im Islam als Gerichtsengel und Gehilfe Mohammeds, um dessen Racheabsichten auszuführen. Gabriel ist hier kein Gnadenbote Gottes, der segnet und rettet. Welch eine Verzerrung! Mohammed hatte keine Ahnung von der geistlichen Hoheit und Erhabenheit der Engel Gottes.



Dann kam al-Aswad b. Abd Jaghuth vorüber. Da deutete er (Gabriel) auf dessen Leib, und er wurde wassersüchtig und starb an dieser Krankheit.

Dann kam al-Walid b. al-Mughira vorüber. Gabriel zeigte auf die Narbe einer alten Wunde an der Ferse, die er vor Jahren erhalten hatte. Da verschlimmerte sich das Übel, und er starb daran. Hierauf kam al-Aas b. Wail vorüber. Gabriel deutete auf die Sohle seines Fußes. Bald danach ritt er auf einem Esel nach Taif. Der Esel legte sich auf dorniges Gesträuch, und es ging ein Dorn in die Fußsohle al-Aas, und er starb daran. Endlich kam al-Harith b. Tulatila vorüber, und Gabriel zeigte auf seinen Kopf, der an der betreffenden Stelle zu eitern anfing, bis er starb*.”
* Solche Berichte lassen auf Schwarze Magie schließen, ebenso wie die Aufforderung zum Gebetsduell in der Sure al-Imran 3,61, in der Mohammed den Fluch Allahs auf die Christen legen wollte, weil sie den Islam nicht akzeptierten. Jesus aber gebot seinen Jüngern ihren Feinden alle ihre Sünden zu vergeben, sie zu segnen und ihnen wohlzutun (Mt. 6,14 u. 15). Der Segen Christi ist stärker als der Fluch Allahs (Joh. 16,33; Röm. 8,31-39).

Abu Talibs und Khadidjas Tod
Die Männer, die Mohammed in seinem Hause quälten, waren Abu Lahab, al-Hakam b. Abi al-Aas, Uqba b. Abi Muit, Adi b. Hamra al-Thaqafi und Ibn al-Asda al-Hudhali. Sie waren seine Nachbarn.
Von diesen Männern hat sich allein al-Hakam später zum Islam bekehrt. Wie mir erzählt worden ist, warf der eine den Uterus (Gebärmutter) eines Schafes auf ihn, während er betete, der andere warf einen Uterus in den Topf, in dem für ihn gekocht wurde. Zuletzt betete Mohammed, um sicher zu sein, in einem Zimmer. Wie mir Umar b. Abd Allah berichtet hat, pflegte Mohammed solchen Unrat auf einem Stück Holz vor die Tür zu tragen und zu rufen: „O, ihr Söhne Abd Manafs! Welche Nachbarschaft genieße ich!” Damit warf er den Unrat auf den Weg.

Dann starben Abu Talib und Khadidja im selben Jahr*. Dadurch wurde Mohammed von großem Unglück heimgesucht, denn Khadidja war ihm eine treue Stütze im Islam, bei der er Beruhigung fand, und Abu Talib hatte ihn gegen seine Stammesgenossen verteidigt und beschützt. Beide starben drei Jahre vor der Auswanderung nach Medina.


*Bis zu Abu Talibs und Khadidjas Tod war Mohammed—und damit der ganze Islam—von der Macht der Sippe und ihrer Verpflichtung, Mohammed zu schützen, erhalten und getragen worden. Als die Träger dieses Sippenschutzes im gleichen Jahr starben, wurde 155 Mohammed schutzlos und vogelfrei. Der Islam war im Schutz der arabischen Sippe gewachsen und erstarkt.
Jesus aber hatte keine Sippe, die ihn schützte. Seine Brüder trennten sich frühzeitig von ihm. Jesus wurde ein Flüchtling und wich mehrere Male ins Ausland (Phönizien und die 10 Städte) aus, bis er sich entschlossen und mit Willen auf den Weg nach Jerusalem machte, um dort als Lamm Gottes für alle Menschen zu sterben (Mt. 12,46-50; Joh. 7,3-10).



Nach dem Tode Abu Talibs mißhandelten die Quraischiten Mohammed in einer Weise, wie sie es zu Abu Talibs Zeiten nie gewagt hätten. Einer ging sogar so weit, daß er ihm Staub auf den Kopf streute. Mohammed ging in seine Wohnung und hatte noch den Staub im Haar. Eine seiner Töchter wusch ihm weinend den Kopf, er aber sagte: „Weine nicht, mein Töchterchen, Allah wird deinen Vater beschützen.” Zwischendurch sagte er: „Solange Abu Talib lebte, konnten mir die Quraisch nichts antun.”

7. Die Loslösung Mohammeds von Mekka

Wie Mohammed bei den Thaqifiten Beistand suchte
Nach dem Tode Abu Talibs häuften sich die Kränkungen, die Mohammed von den Quraisch ertragen mußte. Er ging daher nach Taif “und bat die Thaqifiten, ihm beizustehen und ihn gegen seine Stammesgenossen zu schützen. Auch hoffte er, sie würden es annehmen, was er von Allah empfangen hatte.
* Taif ist eine Stadt am großen Grabenbruch und liegt einem Adlernest gleich hoch über Mekka (etwa 2000 Meter über dem Meeresspiegel).



Als Mohammed nach Taif kam, begab er sich zu den Edelsten der Thaqifiten. Es waren drei Brüder: Abd Jaleil, Mas’ud und Habib, Söhne des Amr b. Umair. Einer von ihnen hatte eine Frau von den Quraischiten, aus dem Geschlecht der Banu Djumah. Er setzte sich zu ihnen, forderte sie auf, an Allah zu glauben, dem Islam beizustehen und ihn gegen sein Volk zu beschützen. Da sagte der eine, der das Gewand der Kaaba zerriß: „Wenn Allah dich gesandt hat?!” Der andere sagte: „Hat Allah keinen anderen Gesandten finden können als dich?” Der dritte sagte: „Bei Allah, ich spreche nicht mir dir, denn bist du, wie du behauptest, von Allah gesandt, so bist du zu gefährlich, als daß ich dir widersprechen könnte. Lügst du aber, so mag ich nicht mit dir reden.” Mohammed erhob sich hierauf, enttäuscht von den Thaqifiten. Wie mir berichtet worden ist, soll er ihnen gesagt haben: „Wenn ihr so unehrerbietig gegen mich verfahrt, so haltet es wenigstens geheim.” Erwünschte, daß seine Leute nichts davon erfuhren und dadurch nicht noch mehr gegen ihn aufgestachelt würden.



Die Thaqifiten entsprachen aber nicht dem Wunsche Mohammeds, sondern hetzten ihre Toren und Sklaven gegen ihn. Diese schmähten ihn und schrien ihn an. Bald sammelte sich eine Menschenmenge um ihn. Mohammed war genötigt, in einen Garten zu fliehen, der Utba und Schaiba b. Rabia gehörte. Beide befanden sich gerade dort. Seine Verfolger zogen sich deshalb zurück, und Mohammed setzte sich in den Schatten eines Weinstocks. Die Söhne Rabias blickten zu ihm hinüber und beobachteten ihn.

Der Christ Addas anerkennt Mohammed als Propheten
Als Utba und Schaiba, die Söhne Rabias, sahen, was Mohammed widerfahren war, regte sich ihr Mitleid. Sie riefen einen christlichen Diener namens Addas und gaben ihm folgenden Auftrag: „Schneide eine Traube von diesem Weinstock, lege sie auf eine Platte und bringe sie dem Mann dort und sage ihm, er möge sie essen.” Addas tat, was ihm befohlen worden war. Als Mohammed seine Hand danach ausstreckte, sprach er: „Im Namen Allahs”, dann erst aß er. Addas sah ihn an und sagte: „Bei Allah, solche Worte habe ich nie von den Bewohnern dieser Stadt gehört.” Mohammed fragte: „Woher bist du? Welchem Glauben gehörst du an?” Er antwortete: „Ich bin ein Christ aus Ninive.” Mohammed fragte weiter: „Aus der Stadt des frommen Junus b. Matta* ?” Addas erwiderte: „Woher weißt du etwas von Junus b. Matta?” Mohammed antwortete: „Er war mein Bruder; denn er war ein Prophet, und ich bin auch ein Prophet.” Addas neigte sich zu Mohammed hinab und küßte ihm das Haupt, die Hände und die Füße. Die Söhne Rabias aber sagten einer zum anderen: „Diesen Jungen hat er verführt.” Als er wieder zu ihnen kam, riefen sie: „Wehe dir! Warum hast du diesem Mann das Haupt, die Hände und die Füße geküßt?” Er antwortete: „Mein Herr, es gibt auf der Welt keinen besseren Dienst oder nichts besseres als das, was ich eben getan habe. Er hat mir etwas gesagt, was nur ein Prophet wissen kann.” Sie entgegneten: „Wehe dir! Addas, laß dich durch ihn nicht von deiner Religion abtrünnig machen; sie ist besser als die seinige!”
*Junus Ibn Matta ist der arabische Name für den Propheten Jona.

Von den Djinn, die gläubig wurden
Nachdem der Prophet an den Thaqifiten verzweifelt war, verließ er Taif, um wieder nach Mekka zurückzukehren. Auf seinem Rückweg kam er durch Nakhia und verrichtete dort mitten in der Nacht sein Gebet. Dabei kam eine Anzahl Geister (Djinn) an ihm vorüber und hörte ihm zu. (Dieses Ereignis wird zweimal im Quran erwähnt: al-Ahqaf 46,29; al-Djinn 72,1.) Es waren sieben Djinn aus Nasibin, die ihm zuhörten. Als Mohammed sein Gebet vollendet hatte, kehrten sie zu den Ihrigen zurück und predigten ihnen, denn sie waren gläubig geworden und hatten angenommen, was sie über den Islam gehört hatten.
Allah offenbarte Mohammed diese Begebenheit in folgendem Vers: „Wir haben dir eine Anzahl Djinn zugewandt *”.. .Sprich: „Mir ist geoffenbart worden, eine Anzahl Djinn hat mir zugehört**.”
*Al-Ahqaf 46,29-32: Was ist das für ein Gott der seinem Propheten Dämonen als Gehilfen zuleitet. Das war nicht der wahre Gott, der dies tat!
** Al-Djinn 72,1-15: Die Djinngeister bezeichnen sich im Quran als Moslems. Sie besaßen nicht das Recht, den Himmel zu betreten und mußten draußen bleiben. Sie versicherten jedoch Mohammed, daß sie ihm helfen würden, den Islam auszubreiten und die Menschen in ihren Einflußbereichen aufzufordern, den Islam anzunehmen. Moslems sind nach dem Quran nicht nur Menschen, sondern auch Geister, die mithelfen, den Islam auszubreiten. Die Öffnung der Stadt Jathrib (Medina) könnte als eine Folgewirkung für die Begegnung Mohammeds mit den Djinn angesehen werden.

Mohammed verkündigt den Beduinenstämmen den Islam
Mohammed kehrte nach Mekka zurück. Seine Stammesgenossen widersprachen ihm noch mehr als früher, mit Ausnahme von einigen Schwächlingen, die an ihn glaubten. An den Festtagen aberzeigte sich Mohammed den Beduinen aus den Stämmen und forderte sie auf, an Allah zu glauben. Er verkündigte ihnen, daß er ein von Allah gesandter Prophet sei und verlangte, daß sie ihn für wahrhaftig hielten und beschützten, damit er ihnen erklären könne, wozu ihn Allah gesandt habe.
Husain b. Abd Allah hat mir berichtet, er habe gehört, wie sein Vater dem Rabia b. Ibad folgendes erzählt habe: „Ich war als Knabe mit meinem Vater in Mina, als Mohammed vor den Lagerplätzen der arabischen Stämme stand und ihnen zurief: ,O ihr Söhne so und so! Allah sendet mich zu euch und befiehlt euch, ihn anzubeten, ihm keine Genossen zur Seite zu stellen und abzuschaffen, was ihr außer ihm anbetet und ihm gleichstellt. Ihr sollt an mich glauben, mich für wahrhaftig halten und beschützen, damit ich euch Allahs Offenbarung erkläre.’ Hinter Mohammed stand ein sauber und listig aussehender Mann mit zwei Locken in einem Gewand aus Aden. Sobald Mohammed zu sprechen aufhörte, sagte er: ,O ihr Söhne, dieser Mann fordert euch auf, Lat und Uzza und eure Verbündeten unter den Djinn von den Banu Malik b. Ukaisch aufzugeben und euch von dem, was er erdichtet hat. irreführen zu lassen. Folgt ihm nicht und hört nicht auf ihn!’

Ich fragte meinen Vater: ,Wer ist der Mann, der Mohammed folgt und seiner Rede widerspricht?’ Er antwortete: ,Das ist sein Onkel Abu Lahab.'”

Der Anfang des Islam in Jathrib*
Als Allah dem Islam zum Sieg verhelfen, seinen Propheten verherrlichen und sein Versprechen erfüllen wollte, ging Mohammed wie gewöhnlich zur Zeit des Pilgerfestes zu den Beduinenstämmen und stellte sich ihnen als Prophet vor. Auf der Aqaba** begegnete er einer Anzahl Khazradjiten, durch die Allah Gutes bezweckte. Asim b. Umar b. Qatada hat mir von Scheichs seines Volkes erzählt: „Mohammed fragte die Khazradj, denen er begegnete: ,Wer seid ihr?’ Sie antworteten: ,Wir sind Khazradjiten.’ Da fragte Mohammed weiter: ,Seid ihr die Freunde der Juden?’ Sie sagten: ,Ja.’ Er lud sie ein, sich zu ihm zu setzen, trug ihnen die Lehre des Islam vor und rezitierte vor ihnen Suren aus dem Quran. Es gehört zu Allahs Werken, daß die Juden, die Männer der Schrift und der Gesetzeswissenschaft, die unter den Khazradj, den Götzendienern, wohnten, und von ihnen unterdrückt wurden, oft bei Streitigkeiten darauf hinwiesen, daß die Zeit nahe sei, in der ein neuer Prophet aufstehen werde. Sie drohten ihnen: ,Wir werden ihm folgen und mit seiner Hilfe euch Götzendiener wie Aad und Iram vertilgen.’ Als nun Mohammed diese Leute aufforderte, an Allah zu glauben, sagte einer zum andern: .Vielleicht ist dies der neue Prophet, mit welchem die Juden uns bedroht haben. Darum laßt uns ihm zuvorkommen!’ So kam es, daß sie Mohammed Gehör schenkten, an ihn glaubten und sich zum Islam bekehrten. Sie sagten auch zu Mohammed: ,Wir stammen aus einem Volk, unter dem viel Bosheit und Feindschaft herrscht. Vielleicht wird Allah uns durch dich einig machen. Wir werden unsere Stammesgenossen zu dem Glauben auffordern, zu dem wir uns nun bekennen, und wenn Allah uns alle um dich vereint, so gibt es keinen stärkeren Mann mehr als dich.’ Hierauf kehrten sie als Gläubige in ihre Heimat zurück. Wie mir erzählt worden ist, waren es sechs Khazradjiten. Als diese Männer nach Medina kamen, sprachen sie mit ihren Stammesgenossen über Mohammed und forderten sie zum Islam auf. Bald war in jedem Haus von dem Gesandten Allahs die Rede.”
* Jathrib wurde später Medina genannt, was „die Stadt” bedeutet, die Mohammed Zuflucht gewährte. Dort wurde der Islam zum erstenmal voll realisiert, weil Mohammed hier einen religiösen Stadtstaat aufbauen konnte.
** Al-Aqaba ist der Name eines Hügels außerhalb Mekkas.

Von der ersten Zusammenkunft auf al-Aqaba
Im Jahr darauf kamen zwölf Ansar*zum Pilgerfest. Sie begegneten Mohammed auf der Anhöhe. Dies nennt man die erste Zusammenkunft auf al-Aqaba. Sie huldigten Mohammed nach der Weise der Frauen **; denn der heilige Krieg war damals noch nicht vorgeschrieben.


*Ansar (wörtlich: „die Helfer”) sind gläubige Moslems aus Medina, die der Sache Allahs zum Sieg verhelfen. Sie stammten aus den Stämmen der Aus und Khazradj.
** Die Huldigung nach der Weise der Frauen bedeutet: Sie verpflichteten sich, Allah keinen Teilhaber zur Seite zu stellen, waren aber zu keinem Kriegsdienst verpflichtet.

Ubada b. al-Samit hat mitgeteilt: „Ich zählte zu denen, die bei der ersten Zusammenkunft auf al-Aqaba zugegen waren. Wir waren zwölf und huldigten Mohammed nach der Weise der Frauen, ehe der Krieg vorgeschrieben war. Wir verpflichteten uns, Allah keinen Genossen zu geben, nicht zu stehlen, keine Unzucht zu treiben, unsere Kinder nicht zu töten, nichts Falsches zu erdichten und Mohammed in allem Guten gehorsam zu sein. .Erfüllt ihr dies,’ sagte er, ,so kommt ihr ins Paradies. Übertretet ihr etwas davon, so ist es Allahs Sache, ob er euch straft oder verzeiht.””
* Jesus hat von Gott die Vollmacht erhalten, den Menschen auf Erden die Sünden zu vergeben (Matth. 9,6). Jesus gab seinen Jüngern diese Vollmacht weiter, geleitet vom Heiligen Geist Sünden zu vergeben (Joh. 20, 21-23).


Mohammed hatte keine Vollmacht, Sünden zu vergeben. Er hatte für sich selbst keine Gewißheit der Sündenvergebung. So hat auch kein Moslem eine Gewißheit, ob ihm seine Sünden vergeben worden sind.


Nur bei Jesus und durch das Wort seiner Jünger gibt es volle Vergebung aller Sünden. Wer ihm vertraut, wird gerettet.

Ubada b. al-Samit erzählt, Mohammed habe des weiteren bei der Huldigung gesagt: „Wenn ihr etwas übertretet und in dieser Welt dafür bestraft werdet, so ist dadurch die Sünde gesühnt. Bleibt die Sünde aber bis zum Tage der Auferstehung verborgen, so ist es Allahs Sache, euch zu strafen oder zu begnadigen.
Als die Leute wieder abreisten, ließ Mohammed Mus’ab b. Umair mit ihnen ziehen, um sie den Quran und den Islam zu lehren und sie im Glauben zu unterrichten. Mus’ab wurde in Medina „Lesemeister*” genannt. Er wohnte bei Asad b. Zurara. Mus’ab hat ihnen vorgebetet, weil die Aus und Khazradj**es ablehnten, daß einer von ihnen den andern vorbete.

* Er war von Mohammed beauftragt worden den neugewonnenen Moslems das Lesen, Auswendiglernen und Rezitieren des Korans beizubringen.

** Die Stämme Aus und Khazradj waren zwei verfeindete, seßhaft gewordene Beduinenstämme, die von der jüdischen Oberschicht in der Stadt Jathrib beherrscht und gegeneinander ausgespielt wurden.

Die Bekehrung zweier Stammesfürsten in Jathrib
As’ad b. Zurara begleitete Mus’ab b. Umair in das Lager der Banu Abd al-Aschhal und der Banu Zafar. So kamen sie auch in einen der Gärten der Banu Zafar und setzten sich an einen Brunnen, der Mark genannt wurde. Dort versammelten sich viele Gläubige um sie. Als Sa’d b. Muads und Usaid b. Hudhair, welche die Herren ihres Volkes und noch Götzendiener waren, von den beiden hörten, sagte Sa’d zu Usaid: „Verflucht! Geh zu den beiden Männern, die zu uns gekommen sind, um unsere Schwachen zu betören. Weise sie ab und gestatte ihnen nicht, in unsere Wohnung zu kommen. Wäre As’ad nicht mit mir verwandt, wie du wohl weißt, ich würde dich mit diesem Auftrag verschonen. Aber er ist der Sohn meiner Tante, und ich kann ihm nicht entgegentreten.” Usaid nahm sein Schwert und ging auf die beiden zu.



Als As’ad ihn sah, flüsterte er zu Mus’ab: „Dieser Mann ist der Herr seines Stammes. Er kommt auf dich zu. Bleibe Allah treu!” Mus’ab erwiderte: „Wenn er sich setzt, werde ich mit ihm reden.” Usaid blieb vor ihnen stehen, schimpfte und rief: „Was bringt euch hierher, um unsere Schwachköpfe zu betören? Wenn euch euer Leben lieb ist, so verlaßt uns!” Mus’ab erwiderte: „Setze dich und höre mich an. Gefällt dir meine Rede, so nimm sie an, wenn nicht, so soll dir weiter nichts Unangenehmes zu Ohren kommen.” Usaid sagte: „Dein Vorschlag ist gut”, steckte sein Schwert in den Boden und setzte sich. Mus’ab sprach mit ihm vom Islam und las ihm aus dem Quran vor. Als Mus’ab geendet hatte, sagte Usaid: „Wie schön und lieblich sind diese Worte! Wie kann man dieser Religion beitreten?” Sie sagten: „Du mußt dich waschen* und dich und deine Kleider reinigen. Dann mußt du das Bekenntnis des Islam ablegen und beten.”
* Die Waschungen vor jedem Gebet zeigen immer wieder das tiefe Bedürfnis nach Reinigung im Islam. Aber Wasser reinigt nur das Äußere. Das Innere, Herz und Gewissen, bleibt im Islam unrein.

Usaid tat, wie ihm geheißen worden war. Dann sagte er: „Außer mir gibt es noch einen Mann, wenn dieser euch folgt, dann bleibt kein einziger von seinem Volk zurück. Ich will ihn euch sogleich schicken. Es ist Sa’d b. Muads.” Er nahm sein Schwert und ging zu Sa’d. Dieser saß unter den Räten seines Volkes. Sobald Sa’d ihn kommen sah, rief er: „Ich schwöre bei Allah, Usaid hat jetzt ein anderes Gesicht, als bei seinem Weggehen.” Als er schließlich herangekommen war, sagte Sa’d: „Was hast du getan?” Er antwortete: „Ich habe mich mit den beiden Männern unterhalten und, bei Allah, nichts Schlimmes an ihnen gefunden. Ich habe ihnen verboten, länger zu verweilen, und sie haben sich meinem Verbote gefügt. Aber ich habe gehört, daß die Banu Haritha ausgezogen sind, um As’ad b. Zurara zu töten. Sie wissen, daß er dein Vetter ist und wollen ihren Schutzvertrag mit dir brechen.”



Sa’d geriet hierüber in Zorn, sprang auf, riß das Schwert aus der Hand Usaids und rief: „Bei Allah, du hast nichts Gutes gestiftet!” Als er aber zu den beiden Männern kam und sie in Ruhe und Sicherheit fand, merkte er, daß Usaid ihn nur veranlassen wollte, die beiden anzuhören. Er begann zu schimpfen und sagte zu As’ad: „Bei Allah, wären wir beide nicht verwandt, du hättest es nicht gewagt, von uns so etwas zu verlangen. Bringst du uns in unser eigenes Haus, was wir für abscheulich halten?”

Mus’ab, den As’ad bereits darauf hingewiesen hatte, wie wichtig es sei, diesen führenden Mann für den Islam zu gewinnen, sagte zu Sa’d: „Setze dich und höre mich an! Findest du Wohlgefallen an dem, was ich dir sage, so nimm es an, wenn nicht, so befreien wir dich von dem, was dir unangenehm ist.”
Sa’d sagte: „Du hast recht.” Er steckte sein Schwert in den Boden und setzte sich. Mus’ab machte ihn nun mit dem Islam bekannt und las ihm aus dem Quran vor. Beide erzählten, sie hätten ihm den Islam angesehen, noch ehe er sprach; denn sein Gesicht sei freundlich und leuchtend*. Er fragte dann, was man tun müsse, um diesem Glauben beizutreten. Sie ließen ihn dasselbe tun wie Usaid. Er nahm dann sein Schwert und ging mit Usaid wieder zu den Räten seines Volkes zurück. Sobald sie Sa’d kommen sahen, schworen sie bei Allah, er komme mit einem anderen Gesicht zurück als dem, mit dem er sie verlassen hatte. Als er vor seinen Räten stand, sagte er: „Ihr Söhne Abd al-Aschhals, welche Stellung nehme ich unter euch ein?” Sie antworteten: „Du bist unser Herr. Du bist der Zärtlichste, der Verständigste und der Beglückendste unter uns.”—„Nun”, sagte er, „ich gelobe, kein Wort mehr mit euren Männern oder Frauen zu reden, bis ihr an Allah und seinen Gesandten glaubt!” So kam es, daß in dem Lager der Banu al-Aschhal kein Mann und keine Frau übrig blieb, die sich nicht dem Islam zugewandt hätten.

Mus’ab kehrte dann mit As’ad in dessen Wohnung zurück und blieb bei ihm. Er predigte den Islam, bis kein Haus der Ansar übrig blieb, in welchem nicht gläubige Männer und Frauen waren. Eine Ausnahme bildeten nur die Banu Umaija b. Zaid, Khatma, Wail und Wakif, die von Aus b. Haritha abstammen. Unter ihnen lebte nämlich der Dichter Abu Qais b. al-Aslat, der Saifi hieß und als ihr Führer galt, dem alle gehorchten. Er hielt sie vom Islam zurück. Doch nach der Auswanderung Mohammeds aus Mekka und nach den Treffen (Schlachten) von Badr (624 n. Chr.), Uhud (625 n. Chr.) und Khandaq (627 n. Chr.) bekehrten auch sie sich zum Islam.

Von der zweiten Zusammenkunft auf al-Aqaba
Mus’ab b. Umair kehrte dann mit andern Männern aus Jathrib, teils Moslems, teils Ungläubigen, zum Pilgerfest nach Mekka zurück. Als Allah in seiner Gnade dem Propheten beistehen, den Islam und seine Bekenner verherrlichen und den Götzendienst und seine Anhänger demütigen wollte, verabredeten sie eine weitere Zusammenkunft mit Mohammed am mittleren Tag der Taschrik (am zweiten nach dem Feste). Abd Allah b. Ka’b, einer der gelehrtesten Ansar, erzählte, sein Vater Ka’b, der selbst bei dieser Zusammenkunft auf al-Aqaba dabei war und Mohammed dort huldigte, habe ihm gesagt: „Wir zogen mit anderen ungläubigen Pilgern unseres Volkes aus, beteten und unterrichteten uns in Glaubensfragen. Mit uns war al-Bara b. Marur, unser Herr und Vorgesetzter. Als wir Jathrib verließen, um die Reise anzutreten, sagte al-Bara: ,lch habe einen Plan entworfen, weiß aber nicht, ob ihr ihn gutheißen werdet.’ Als wir fragten, was es sei, fuhr er fort: .Meine Meinung ist, wir sollten uns diesem Gebäude’ — er meinte die Kaaba — ,beim Gebet zuwenden.’ Wir sagten: ,Bei Allah, wir haben gehört, Mohammed wende sich beim Gebet nach Syrien*. Wir werden ihm nicht zuwiderhandeln.’ Er entgegnete: ,Ich aber werde nach der Kaaba hin beten.’ Wir beharrten jedoch bei unserer Ansicht und beteten nach Syrien gerichtet, während er, trotz unseres Tadels, bis zu unserer Ankunft in Mekka sich stets beim Gebet der Kaaba zuwandte. Als wir nach Mekka kamen, sagte er zu mir: ,Laß uns zu Mohammed gehen, um ihn zu fragen, denn durch euren Widerspruch sind mir einige Zweifel gekommen.’ Wir fragten nun nach Mohammed, den wir zuvor nie gesehen hatten und darum auch nicht von Angesicht kannten. Ein Mekkaner, dem wir begegneten, fragte uns, ob wir Abbas kennen würden, und als wir diese Frage bejahten — Abbas war oft des Handels wegen nach Medina gekommen—, antwortete er: ,Wenn ihr in die Anbetungsstätte kommt, so findet ihr Mohammed an der Seite seines Onkels Abbas sitzen.’
*Die Gebetsrichtung „nach Syrien ” weist daraufhin, daß Mohammed zu Beginn seines Wirkens sich in Richtung Jerusalem niederwarf. Er leitete alle Moslems an, in derselben Richtung wie die Juden zu beten und hoffte durch diese Anpassung, die Juden in seiner Stadt für sich und den Islam zu gewinnen.



Wir gingen in das Heiligtum, setzten uns zu Mohammed und grüßten ihn. Er fragte Abbas, ob er diese beiden Männer kenne. Dieser antwortete: ,Ja, der eine ist Bara b. Marur, der Herr seines Volkes, und der andere ist Ka’b b. Malik.’ — ,Bei Allah’, erzählt Ka’b weiter, ,ich vergesse nie, wie Mohammed dann fragte: Ist er der Dichter? Und Abbas antwortete: Ja.“

Al-Bara trug nun Mohammed seinen Streit mit seinen Gefährten wegen der Gebetsrichtung vor und fragte ihn nach seiner Ansicht. Mohammed antwortete: „Du hattest früher die rechte Richtung, wärest du nur dabei geblieben!”
Al-Bara nahm hierauf die Richtung Mohammeds an und betete mit uns mit dem Gesicht gegen Syrien gewendet. Seine Familie behauptet zwar, er habe bis zu seinem Tode sich nach der Kaaba gewendet; das ist aber nicht so; wir wissen es besser.
Ka’b erzählte dann weiter: „Wir gingen nun zum Pilgerfest und verabredeten mit Mohammed eine Zusammenkunft auf den zweiten Tag nach dem Fest. Abends vor dem zweiten Tag begaben wir uns zu unseren Leuten. Bei uns war auch Abd Allah b. Amr, einer unserer Obersten. Diesem teilten wir uns mit, obgleich wir vor den anderen Ungläubigen unser Treffen geheimhielten: ,Du bist einer unserer Herren und Edlen, o Abu Djabir! Wir möchten nicht, daß du so bleibst und dereinst Brennmaterial der Hölle werdest.’ Wir forderten ihn auf, zum Islam überzutreten und setzten ihn von unserer Zusammenkunft mit Mohammed in Kenntnis. Er nahm den Islam an, war mit uns auf al-Aqaba und wurde einer unserer Vorgesetzten. Wir schliefen nun, bis ein Drittel der Nacht vorüber war. Dann verließen wir die Karawane und schlichen zur Schlucht bei al-Aqaba. Wir waren 73 Männer und zwei Frauen, nämlich Nusaiba, die Mutter Umaras, die Tochter Ka’bs, und Asma, die Mutter Manis. Als wir eine Weile in der Schlucht gewartet hatten, kam Mohammed mit seinem Onkel al-Abbas, der zwar damals noch Heide war, aber doch dabei sein wollte, um für seinen Neffen ein rechtsgültiges Bündnis zu schließen. Als sich alle gesetzt hatten, ergriff Abbas das Wort. Er sagte: ,lhr Khazradjiten wißt, daß Mohammed zu uns gehört. Wir haben ihn gegen diejenigen im Volk geschützt, die meine Ansicht über ihn teilen. Er lebt in Kraft unter seinem Volke und in Schutz in seiner Heimat. Dessenungeachtet möchte er sich zu euch begeben* und sich euch anschließen. Glaubt ihr, daß ihr erfüllen könnt, was ihr ihm versprecht und daß ihr ihn gegen seine Feinde beschützen werdet, so übernehmt die Bürde, die ihr euch aufgeladen habt. Glaubt ihr aber, daß ihr ihn täuschen und ausliefern werdet, so laßt ihn hier; denn er ist in seiner Heimat stark und geschützt.’

* Nachdem Khadidja und Abu Talib gestorben waren und Mohammed nirgendwoher einen zuverlässigen Schutz hatte, bereitete er seine Auswanderung systematisch vor. Er floh nicht ohne Sicherung, sondern plante und bereitete durch Verträge mit den verantwortlichen Moslems in Jathrib die Auswanderung der Moslems aus Mekka vor. Die Verträge sollten auf der Basis der rechtlichen Bindung einer Blutsbruderschaft stattfinden.



Wir antworteten:, Wir haben deine Worte vernommen. Mohammed mag sagen, wozu wir uns ihm und Allah gegenüber verpflichten sollen.’ Mohammed hielt eine Rede an uns, rief uns zu Allah auf, rezitierte Suren aus dem Quran und erweckte in uns die Liebe zum Islam. Dann sagte er: .Schwört mir, daß ihr mich vor allem bewahren werdet, wovor ihr auch eure Frauen und Kinder bewahrt!’ Al-Bara b. Marur ergriff seine Hand und sagte: .Jawohl, bei dem, der dich als Propheten mit der Wahrheit gesandt hat, wir werden dich wie unsere eigenen Leiber beschützen. Empfange unsere Huldigung, o Gesandter Allahs! Bei Allah, wir sind Söhne des Krieges und Männer der Waffen, die wir von unseren Vorfahren geerbt haben.’



Während al-Bara sprach, unterbrach ihn Abu al-Haitham b. al-Tihan und sagte: ‘Gesandter Allahs, es bestehen Bande zwischen uns und anderen’ — er meinte damit die Juden — ,die wir nun zerreißen werden. Tun wir dies und Allah verschafft dir Sieg, wirst du uns dann verlassen und in deine Heimat zurückkehren?’ Mohammed antwortete: .Euer Blut ist mein Blut. Was ihr vergießt, vergieße auch ich. Ihr gehört zu mir und ich zu euch. Ich bekriege, wen ihr bekriegt, und schließe Frieden, mit wem ihr Frieden schließt.'”

Ka’b erzählt ferner: „Mohammed habe sie aufgefordert, ihm zwölf Vorgesetzte*zu benennen, die ihre Angelegenheiten leiten sollten. Sie wählten neun Khazradjiten und drei Ausiten.”
*Die Zahl „12″ entsprach den zwölf Stämmen Israels und den zwölf Jüngern Christi. Mohammed schloß seinen Bund nicht mit den Moslems zu Mekka, sondern nur mit den Helfern aus Medina. Seine Bünde waren Schutzbünde zwischen Menschen — ohne Gott als Bundespartner. Sie hatten keinen Versöhnungscharakter und keinen Ewigkeitswert.


Als Jesus den neuen Bund mit seinen 11 Aposteln schloß — der zwölfte war weggegangen, um ihn zu verraten—nahm er unter den Zeichen des Brotes und des Weines Wohnung in seinen Jüngern, reinigte und heiligte sie und machte sie zu königlichen Priestern, die seiner Gemeinde dienen sollten (Matth. 26,26-29; 1. Petr. 2,9-10; Offbg. 7,5-6). Der neue Bund, den Jesus stiftete, hatte kein politisches Reich zum Ziel, das mit Steuern und Waffen erkämpft wurde. Jesus beabsichtigte ein geistliches Reich, das auf Wahrheit und Liebe, Freude und Friede, Selbstverleugnung und Opfer aufgebaut ist. Der Bund Mohammeds mit den zwölf Führern von Medina lieferte die Basis für sein späteres politisches Wirken und für die kriegerische Ausbreitung des Islam.

Abd Allah b. Abi Bakr hat mir erzählt, Mohammed habe zu den Häuptern gesagt: „Ihr seid die Sachwalter eures Volkes, wie es die Jünger Christi waren, und ich bin der Sachwalter meines Volkes*.”
* Mohammed bezeichnete die Moslems als sein Volk, nachdem die Bewohner Mekkas ihn verworfen hatten.

Als die Leute sich vereinigten, Mohammed zu huldigen, sagte al-Abbas b. Ubada b. Nadhla al-Ansari: „Wißt ihr auch, ihr Khazradjiten, womit oder worauf ihr diesem Mann huldigt?” Sie antworteten: „Ja!” — „Ihr verpflichtet euch”, fuhr er fort, „alle Stämme zu bekriegen. Glaubt ihr, daß, wenn eure Güter zugrunde gehen und eure Edlen getötet werden, ihr ihn ausliefert, so ladet ihr euch Schmach in diesem und jenem Leben auf. Glaubt ihr aber, daß ihr bei dem, wozu er euch aufgerufen hat, beharren werdet, wenn auch euer Gut und das Leben eurer Edlen verlorengeht, so nehmt ihn auf, es wird euch in diesem und jenem Leben Glück bringen.” Sie sagten: „Wir nehmen ihn auf, mag auch unser Gut zugrunde gehen und mögen unsere besten Männer getötet werden*!” Sie fragten dann Mohammed, welchen Lohn sie für ihre Treue erhalten würden. Er antwortete: „Das Paradies.” Da riefen sie: „Strecke deine Hand aus!” Er streckte seine Hand aus, und sie huldigten ihm.
* Mit diesen Verordnungen war der Heilige Krieg und die Bereitschaft zum Martyrium vorprogrammiert. Mohammed versprach ihnen im Falle des Todes die Entrückung ins Paradies mit allen seinen materiellen Freuden. Nur die im Heiligen Krieg Gefallenen gelten im Islam als gerechtfertigt, während alle anderen Moslems in einem Zwischenzustand auf den Tag des Gerichtes warten.

Allen voran hatte al-Bara b. Marur Mohammeds Hand zur Huldigung ergriffen. Nach der Huldigung schrie der Teufel mit durchdringender Stimme vom Gipfel al-Aqaba herunter: „O ihr Bewohner der Djabadjib (des Lagers) — diese Ortschaft liegt bei Mina — wollt ihr den Tadelnswerten und die Abtrünnigen mit ihm zusammen aufnehmen? Schon haben sie sich vereinigt, um euch zu bekriegen.” Da entgegnete Mohammed: „Dies ist der Satan der Anhöhe, es ist der Sohn des Azjabs. Hörst du, Feind Allahs? Aber bei Allah, ich werde mit dir fertig!” Mohammed forderte sie dann auf, wieder zu ihrer Karawane zurückzukehren. Al-Abbas b. Ubada sagte hierauf: „Bei Allah, der dich mit der Wahrheit gesandt hat: wenn du willst, so fallen wir morgen mit unseren Schwertern über die Leute in Mina her.” Mohammed antwortete: „Das ist uns nicht vorgeschrieben. Kehrt zu eurer Karawane zurück!” Sie kehrten zurück und schliefen in ihrem Lager bis zum Morgen.

Wie die Quraisch zu den Ansar kamen
Am folgenden Morgen, so erzählt Ka’b b. Malik weiter, kamen die angesehensten Männer der Quraisch zu uns und sagten: „Wir haben gehört, ihr Khazradjiten seid zu dem Mann aus unserer Stadt gekommen, wollt ihn von uns wegnehmen und ihm schwören, uns zu bekriegen. Bei Allah, gegen keinen arabischen Stamm möchten wir weniger gern Krieg führen als gegen euch.” Da erhoben sich mehrere Ungläubige aus unserem Stamm und schworen bei Allah, daß dem nicht so sei, daß sie nichts davon wüßten. — Sie haben wahr gesprochen, denn sie wußten in der Tat nichts davon. — Wir aber sahen einer den andern an. Dann standen die Leute auf. Unter ihnen war al-Harith b. Hischam, welcher ein Paar neue Sandalen trug. Ich sagte, als wollte ich den Leuten in dem, was sie behaupteten, beistimmen: „O Abu Djabir, du bist doch einer unserer Herren, warum trägst du nicht auch Sandalen, wie jener Quraischite?” Al-Harith hörte diese Worte, zog alsbald seine Sandalen aus, warf sie mir zu und sagte: „Bei Allah, du ziehst sie an.” Da sagte Abu Djabir: „Laß ab! Bei Allah, du hast den Mann beschämt, gib ihm seine Sandalen zurück.” Ich erwiderte: „Bei Allah, ich gebe sie ihm nicht zurück. Es ist, bei Allah, ein rechtes Omen; wenn das Omen wahr ist, so werde ich ihm einst sein Gut abnehmen.”
Wie Sa’d gefangen und befreit wurde
Die Pilger brachen von Mina auf, und die Leute forschten der Begebenheit nach und fanden, daß es so war. Sie zogen daher aus, um die Karawane aus Jathrib aufzusuchen und holten die beiden Häupter Sa’d b. Ubada und Mundhsir b. Amr in Adsakhir ein. Mundhsir konnte allerdings nicht ergriffen werden, aber Sa’d wurde festgenommen. Man band ihm mit einem Kamelriemen die Hände auf den Rücken, führte ihn nach Mekka, schlug ihn und zerrte an seinem starken Haar. „Während ich so in ihren Händen war”, erzählt Sa’d, „kam eine Anzahl Quraischiten herbei. Unter ihnen war ein weißer, schlanker, zierlicher und anmutiger Mann. Ich dachte, wenn von einem dieser Leute etwas Gutes zu erwarten ist, dann von diesem.
Als er mir aber näher kam, erhob er seine Hand und versetzte mir einen heftigen Schlag. Ich dachte, bei Allah, nun ist nichts Gutes mehr von ihnen zu hoffen. Ich bin in ihrer Gewalt, sie werden mich mißhandeln. Einer der Männer hatte jedoch Mitleid mit mir und fragte: .Besteht keine Schutzverpflichtung oder ein Bündnis zwischen dir und einem Quraischiten?’ Ich antwortete: .Wohl habe ich einst in meiner Heimat die Leute, die für Djubair b. Mut’im b. Adi Handel trieben, beschützt und gegen diejenigen verteidigt, die ihnen Gewalt antun wollten; desgleichen die Leute des Harith b. Harb b. Umaija.’ Da sagte er: ,So nenne diese beiden Männer und erzähle, was zwischen dir und ihnen vorgefallen ist.’ Ich tat dies, und der Mann ging alsbald zu den beiden Männern, welche im Heiligtum bei der Kaaba saßen, und sagte: ,Ein Mann von den Khazradj wird im Tal geschlagen. Er hat euch angerufen und gesagt, es bestehe ein Schutzverhältnis zwischen euch und ihm.’ Sie fragten: ,Wie heißt der Mann?’ Er antwortete: ,Sa’d b. Ubada.’ Sie sagten: ,Er hat wahr gesprochen. Bei Allah, er hat unsere Kaufleute in seiner Heimat vor Gewalt beschützt.’ Sie kamen herbei und befreiten Sa’d, und er zog weiter. Der Mann, welcher Sa’d geschlagen hatte, war Suhail b. Amr, einer der Banu Amir b. Luai.”

Die Geschichte eines Götzen
Als sie nach Jathrib kamen, bekannten sie sich offen zum Islam. Doch waren unter ihren Stämmen noch einige Scheichs übrig, die in ihrer Abgötterei verharrten. Unter ihnen war Amr b. al-Djamuh b. Zaid b. Haram, dessen Sohn Sa’d auf al-Aqaba Mohammed gehuldigt hatte. Amr war einer der ersten und angesehensten unter den Banu Salama. Er hatte in seinem Haus einen Götzen aus Holz namens Manat* den er, wie es andere vornehme Leute zu tun pflegten, als Gott verehrte und regelmäßig putzte und reinigte. Als nun mehrere junge Männer von den Banu Salama, darunter sein Sohn Muads und Muads b. Djabal, sich zum Islam bekehrt hatten, schleppten sie in der Nacht Amrs Götzen fort und warfen ihn mit dem Kopf vornüber in eine Abfallgrube der Banu Salama. Als Amr des Morgens aufstand, rief er: „Wehe euch! Wer ist heute nacht über unsern Gott gekommen?” Er machte sich dann auf und suchte ihn. Als er ihn fand, wusch er ihn, reinigte ihn und rieb ihn mit wohlriechenden Salben ein. Dann sagte er: „Bei Allah, wenn ich wüßte, wer dies getan hat, ich würde ihn zuschanden machen.” In der folgenden Nacht wiederholten die Gläubigen dasselbe mit dem Götzen, und Amr reinigte ihn wieder. Als sich dieser Vorgang aber mehrmals wiederholte, nahm Amr ein Schwert und hing es dem Götzen um den Hals. Nachdem er ihn erneut gereinigt hatte, sagte er: „Bei Allah, ich weiß nicht, wer so übel mit dir verfährt. Bist du etwas wert, so verteidige dich selbst! Hier hast du ein Schwert!” Als Amr in der folgenden Nacht schlief, kamen die Gläubigen wieder, nahmen dem Götzen das Schwert vom Hals, banden ihm stattdessen einen toten Hund mit einem Strick um und warfen ihn in einen Brunnen der Banu Salama, in dem sich Unrat befand. Als Amr ihn am folgenden Morgen in solchem Zustand fand, ließ er sich von den Gläubigen seines Volkes bereden, den Islam anzunehmen, und er wurde durch Allahs Gnade ein guter Moslem.
* Al-Manat war der Name einer Göttin in einem Heiligtum der Aus und Khazradj. Es lag an der Küste in einer Ortschaft namens Qudaif nahe dem Berg Muschallal. Al-Manat war eines der drei wichtigsten Idole der vorislamischen Araber neben al-Lat und al-Uzza, die zusammen in der Kaaba verehrt wurden.

Nach seiner Bekehrung dichtete er folgende Verse:


„Bei Allah, wärest du ein Gott, so lägest du nicht mit einem toten Hund am Hals mitten in einer Grube. Pfui über den, der dir wie einem Gott dient. Wir haben dich jetzt entlarvt und werden nicht länger mehr getäuscht. Preis dem erhabenen Herrn, dem Gnadenspender, dem Versorger, dem Richter des Glaubens. Er hat mich erlöst, ehe ich dem Dunkel des Grabes verpfändet wurde.”

Der Schwur auf der Anhöhe
Als Allah Mohammed erlaubt hatte, gegen die Ungläubigen Krieg zu führen, verband er die letzte Huldigung mit der Verpflichtung, für ihn zu kämpfen. Das war bei der ersten Huldigung nicht der Fall gewesen, weil Allah damals den Krieg noch nicht erlaubt hatte. Bei der letzten Huldigung mußten sie schwören, die Schwarzen und die Roten *zu bekriegen und für ihn und den Herrn zu kämpfen. Als Lohn für ihre Treue wurde ihnen das Paradies verheißen. Ubada b. al-Samit, einer der zwölf Häupter, sagte: „Wir haben Mohammed den Kriegseid geleistet.”
* „Die Schwarzen und die Roten” war ein Ausdruck (per merismum) für alle Arten von Menschen, womit Mohammed wahrscheinlich alle Beduinen und die seßhaften Stämme gemeint hat.

Ubada war einer der Zwölf gewesen, die sich bei der ersten Huldigung auf der Anhöhe eingefunden hatten. Diese geschah nach der Weise der Frauen. Die schworen Mohammed Gehorsam und Verehrung in Not und Wohlstand, in Freud und Leid; niemandem streitig zu machen, was ihm gehört; überall die Wahrheit im Namen Allahs zu sagen und keinen Tadel zu fürchten. 


Mohammed erhält den Befehl, Krieg zu führen
Vor der zweiten Huldigung auf al-Aqaba hatte Mohammed von Allah keine Erlaubnis erhalten, Krieg zu führen und Blut zu vergießen. Er sollte nur zu Allah aufrufen, alle Beleidigungen mit Geduld ertragen und den Unwissenden verzeihen. Die Quraischiten mißhandelten seine Anhänger, um sie von ihrem Glauben abzubringen, und verbannten sie aus ihrer Heimat. Sie wurden entweder vom Glauben abtrünnig oder von ihnen gepeinigt und genötigt, nach Abessinien, nach Jathrib oder in andere Länder zu fliehen. Als nun die Quraischiten sich von Allah abwandten, also die von Allah ihnen zugedachte Gnade zurückwiesen, den Propheten einen Lügner nannten und die, welche Allah allein anbeteten und an Mohammed glaubten, peinigten und verbannten, da erlaubte Allah Mohammed Krieg zu führen* und sich gegen die, welche den Seinigen Gewalt antaten, zu verteidigen. Wie mir von Urwa b. Zubair und anderen berichtet worden ist, waren folgende Verse die ersten, in denen ihm der Krieg gegen die, welche gegen die Gläubigen Gewalt gebrauchten, erlaubt wurde: „Es ist denen, welchen Gewalt angetan wird, erlaubt zu kämpfen. Allah hat die Macht, ihnen Sieg zu verschaffen” (al-Hadj 22,39), das heißt, ich habe ihnen erlaubt, Krieg zu führen, weil ihnen Unrecht**angetan worden ist und sie nichts anderes getan haben, als Allah anzubeten, das Gebet zu verrichten, Almosen zu geben, Gutes zu empfehlen und vom Schlechten abzuhalten. Nachher wurde geoffenbart: „Bekämpft sie, bis keine Verführung (zum Abfall vom Islam) mehr stattfindet***” (al-Baqara 2,193), das heißt, bis die Moslems nicht mehr von ihrem Glauben abtrünnig gemacht wer179 den…„und der Glaube allein Allah dargebracht wird” (al-Anfal 8,39
*Mit der Übersiedlung Mohammeds nach Medina begann ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des Islam. Der Religionsstaat war geschaffen worden. Er fußte auf dem Gesetz des Heiligen Krieges, der verschiedene Entwicklungsstufen aufweist: 
• Stufe 1: Das öffentliche Gebet und das oft wiederholte Glaubensbekenntnis des Islam. 
• Stufe 2: Geduldiges Ertragen des Spotts und der Verhöhnung. 
• Stufe 3: Verbale Verteidigung des Glaubens und vehemente Wortkriege bei zahlenmässigem Erstarken der Moslems. • Stufe 4: Die Auswanderung und Flucht verfolgter Gläubiger ist so lange denkbar, bis der Islam die Macht und Mehrheit gewonnen hat.
• Stufe 5: Bei zahlenmäßiger Überlegenheit wird Kriegsbereitschaft, Opfersinn und Rüstung erwartet.
• Stufe 6: Der Heilige Krieg bedeutet Verteidigung bei Angriffen.
• Stufe 7: Der Verteidigung kann der Überfall aus dem Hinterhalt auf feindliche Karawanen und schwächere Gruppen folgen.
• Stufe 8: Zum Heiligen Krieg gehört die Geiselnahme von Feinden und ihre Auslieferung erst nach der Zahlung von hohen Lösegeldern.
• Stufe 9: Der strategisch geplante Angriff zur Unterwerfung der näheren Umgebung.
• Stufe 10: Die weltweite Kriegserklärung gegen alle Ungläubigen. Die Erde wurde dazu in ein Haus des Islam und in ein Haus des Krieges aufgeteilt. „Bekämpft sie, bis keine Versuchung (zum Aufruhr und Abfall vom Islam) mehr existiert und die Religion Allahs (der Islam) alle umfasst” (al-Baqara 2,193).
**Khomeini sagte: „Es ist besser Unrecht zu tun, als Unrecht zu leiden.” Jesus aber zog es vor, Unrecht zu leiden, statt Unrecht zu tun (Luk. 23,34). 

*** Der Heilige Krieg wird so lange andauern, wie noch Ungläubige auf dieser Welt leben. Der Kampf mit der Waffe ist Teil der islamischen Mission. Islam heißt Unterwerfung unter Allah und seinen Gesandten —freiwillig oder gezwungen!

Als Mohammed die Erlaubnis erhielt, Krieg zu führen und der Stamm der Hilfsgenossen ihm schwor, den Islam anzunehmen und ihm und seinen gläubigen Anhängern beizustehen, befahl er seinen Gefährten, sowohl denen, die schon ausgewandert waren als auch denen, die bei ihm in Mekka geblieben waren, sich nach Jathrib zu begeben und sich dort ihren Brüdern von den Ansar anzuschließen. Er sagte: „Allah hat euch Brüder* und einen sicheren Aufenthaltsort gegeben.” Sie zogen nun truppenweise ab. Mohammed selbst blieb aber noch in Mekka und wartete, bis ihm Allah erlauben werde, auch nach Jathrib auszuwandern.
* Der Islam versteht sich als Bruderschaft, die besonders dann zum Tragen kommt, wenn ein Moslem von einem Nichtmoslem bedrängt oder angegriffen wird. Dann eilen alle Moslems ihm zu Hilfe.



Die Auswanderung der letzten Gefährten
Mit den letzten wanderte auch Umar b. al-Khattab aus und Aijasch b. Abi Rabia, der Makhzumite. Abd Allah b. Umar berichtet, sein Vater habe ihm erzählt:



„Als wir auswandern wollten, verabredeten wir—Aijasch b. Abi Rabia, Hischam b. al-Aas und ich — uns in Tanadhib an einem der Teiche der Banu Ghifar, oberhalb Sarif, zu treffen. Für den Fall, daß einer von uns ausbleiben sollte, machten wir untereinander aus, ohne ihn die Reise anzutreten. Aijasch und ich trafen in Tanadhib ein, Hischam wurde zurückgehalten und zum Abfall vom Islam gebracht. Als wir nach Jathrib kamen, stiegen wir bei den Banu Amr b. Auf in Kuba ab.



Abu Djahl b. Hischam und al-Harith b. Hischam, die Vettern und Brüder Aijaschs mütterlicherseits, kamen dann, als Mohammed noch in Mekka war, nach Jathrib und sagten zu Aijasch, seine Mutter habe ein Gelübde getan, keinen Kamm auf ihren Kopf zu bringen und keinen Schutz gegen die Sonne zu suchen, bis sie ihn wiedersehe. Er möge daher Mitleid mit ihr haben. Ich sagte ihm: ,O Aijasch, bei Allah, die Leute wollen dich nur von deinem Glauben abtrünnig machen. Sei auf der Hut! Wenn deine Mutter von Ungeziefer geplagt wird, so wird sie sich schon kämmen, und wenn die Hitze Mekkas sie plagt, wird sie Schatten aufsuchen.’ Aijasch sagte: ,lch will nur verhüten, daß meine Mutter ihren Eid bricht und auch das Geld mitnimmt, das ich noch in Mekka habe.’ Ich erwiderte: ,Du weißt, daß ich einer der reichsten Quraischiten bin. Ich gebe dir die Hälfte meines Vermögens, geh nicht mit ihnen!’ Als aber Aijasch darauf bestand, nach Mekka zurückzukehren, sagte ich: ,Wenn du schon dich nicht abhalten läßt, so nimm wenigstens mein Kamel und setze dich darauf, es ist ein edles, folgsames Tier. Schöpfst du Verdacht gegen die Leute, so rette dich auf ihm!’ Aijasch reiste mit ihnen auf Umars Kamel ab. Unterwegs sagte Abu Djahl: ,Bei Allah, mein Vetter, ich finde, daß mein Kamel einen so schweren Gang hat, daß ich gern hinter dir auf dem deinigen sitzen würde.’ Aijasch gestattete es ihm und ließ sein Kamel niederknien. Die anderen taten das gleiche, um Abu Djahl auf Umars Kamel zu bringen. Als sie aber abgestiegen waren, fielen sie über Aijasch her, fesselten ihn, führten ihn nach Mekka und nötigten ihn, vom Islam abzufallen. Sie brachten ihn bei hellem Tage gefesselt nach Mekka und sagten: ,O ihr Bewohner Mekkas, verfahrt mit euren Toren, wie wir mit dem unsrigen hier verfahren sind!'”

Umar soll später folgendes erzählt haben: „Allah nimmt von dem, der vom Islam abfällt, keine Gegenleistung, keine Sühne und keine Buße an, auch nicht von solchen, die Allah erkannt haben und wegen eines Unglücks, das sie getroffen hat, wieder zum Unglauben zurückkehren*.” Die Abtrünnigen mußten sich dies selbst auch sagen.

* Die gnadenlose Härte des Islam gegen alle abgefallenen Moslems wurde immer deutlicher sichtbar. Sie haben keine Möglichkeit zur Buße, außer wenn sie wieder Moslems werden. Wenn sie in ihrem Abfall vom Islam beharren, sollen sie in dieser Welt gepeinigt und getötet werden und in der anderen im Feuer schmoren. Abfall vom Islam kann von Allah und den Moslems nie vergeben werden (al-Baqara 2,217; al-Maida 5,54; Mohammed 47,25). Der Islam kennt keine Religionsfreiheit und widerstrebt den allgemeinen Menschenrechten.



Als Umar mit seiner Familie und seinen Stammesgenossen nach Medina kam, stieg er bei Rifa’a b. Abd al-Mundhsir in Kuba ab.

Mit ihm waren: sein Bruder Zaid, ferner Amr und Abd Allah, die Söhne des Suraqa und Khunais b. Khudsafa, der Sahmite, der Gatte seiner Tochter Hafsa, die später Mohammed heiratete, Said b. Zaid b. Amr, Waqid b. Abd Allah, der Tamimite, ein Schutzgenosse, Khaula und Malik, die Söhne des Abi Khaula, auch Schutz genossen, und die vier Söhne des Bukair: Ijas, Aqil, Amir und Khalid, ihre Schutzgenossen, von den Banu Sa’d b. Laith. Auch Aijasch war mit Umar bei Rifa abgestiegen, als er nach Jathrib kam.

Ihnen folgten weitere Auswanderer: Talha b. Ubaid Allah b. Uthman und Suhaib b. Sinan stiegen bei Khubaib b. Isaf, einem Bruder der Banu al-Harith b. Khazradj, in Sunh ab. Nach anderen stieg Talha bei As’ad b. Zurara, einem Bruder der Banu alNadjdjar, ab.
Als Suhaib auswandern wollte, sagten ihm die Ungläubigen Mekkas: „Du bist als armer Bettler zu uns gekommen und bei uns reich geworden und hast mancherlei erworben. Und jetzt willst du mit deinem Vermögen von uns wegziehen? Bei Allah, das darf nicht sein!”
Da sagte Suhaib: „Wollt ihr mich ziehen lassen, wenn ich euch mein Vermögen überlasse?” Sie sagten: „Ja.” Da schenkte er ihnen, was er besaß. Als Mohammed dies hörte, sagte er: „Suhaib hat einen guten Handel gemacht! Suhaib hat gewonnen!”

Mohammed blieb in Mekka, nachdem seine Gefährten schon ausgewandert waren, bis Allah ihm die Erlaubnis zur Auswanderung gab. Außer denen, welche mit Gewalt zurückgehalten wurden oder wieder abtrünnig gemacht worden waren, blieben nur Ali und Abu Bakr bei ihm in Mekka. Dieser bat häufig um die Erlaubnis auszuwandern. Mohammed sagte ihm aber: „Eile nicht, vielleicht gibt dir Allah einen Gefährten.” Und jener hoffte, Mohammed werde dieser Gefährte sein.


Die Häupter der Quraisch beschließen den Tod Mohammeds

Die Quraisch erkannten bald, daß Mohammed Anhänger außerhalb ihres Stammes in fremdem Gebiet gewonnen hatte. Bei diesen fanden seine Freunde, die ausgewandert waren, Schutz und Zuflucht. Nun fürchteten sie, Mohammed könnte sich zu ihnen begeben und Krieg gegen sie führen. Sie kamen daher im Rathaus, im Hause des Qusai b. Kilab, zusammen, in dem alle Beschlüsse gefaßt wurden, und berieten, was zu tun sei; denn sie begannen sich nun vor Mohammed zu fürchten*.
* Mohammed war kein Mann des Friedens. Er heilte niemand und versöhnte seine Nachfolger nicht mit Gott. Er drohte seinen Feinden mit Vernichtung (Halsschnitt, Schächten), verfluchte sie im Namen Allahs und schadete ihnen mit Hilfe seines Racheengels, der sich Gabriel nannte, aber nicht Gabriel war.



Die Quraisch kamen am festgesetzten Tag zur Beratung über Mohammed zusammen. Dieser Tag hieß Tag der Zahma (Beschwerlichkeit) . Da kam Iblis (der Teufel) in der Gestalt eines alten Mannes in einem abgetragenen Oberkleid herbei und stellte sich an die Tür des Rathauses. Als die Quraisch fragten, wer er sei, antwortete er: „Ein alter Mann aus Nadjd, der erfahren hat, was ihr verabreden wollt und jetzt hier erschienen ist, um eure Worte zu vernehmen und euch vielleicht wohlgemeinten Rat erteilen kann.” Sie sagten „gut” und ließen ihn eintreten.
Hier waren die edelsten Quraisch vereinigt. Einer sagte zum anderen: „Ihr habt gesehen, wohin die Sache dieses Mannes gelangt ist. Bei Allah, wir sind nicht sicher, daß er nicht mit seinen Anhängern aus fremden Stämmen uns überfallen wird. Darum einigt euch auf eine Maßnahme gegen ihn!” Nach einiger Beratung sagte einer: „Werft ihn in Ketten und sperrt ihn ein. Dann wartet, bis es ihm ergeht wie andern (vorislamischen) Dichtern vor ihm, Nabigha, Zuhair und anderen, die in ähnlicher Weise umgekommen sind.” Darauf sagte der Greis aus Nadjd: „Das ist kein guter Rat. Bei Allah, wenn ihr ihn einsperrt, so wird die Sache durch die Tür, hinter welcher ihr ihn eingeschlossen habt, zu seinen Gefährten gelangen. Sie könnten euch leicht überfallen und ihn aus euren Händen befreien, dann durch ihn an Zahl zunehmen und euch überwinden. Darum schafft einen besseren Rat!”

Nach abermaliger Beratung sagte einer: „Wir wollen ihn aus unserer Mitte verstoßen*und aus unserem Lande verbannen. Ist er ferne von uns, so mag er hingehen, wo er will, wir aber haben Ruhe vor ihm und ordnen unsere Angelegenheiten und stellen die Eintracht wieder her.” Der Alte aus Nadjd aber entgegnete: „Auch dieser Rat taugt nichts. Habt ihr nicht seine schönen Reden und seine süße Sprache vernommen und gesehen, wie er damit die Herzen der Männer gewinnt? Bei Allah, tut ihr dies, so stehe ich nicht dafür, daß er nicht bei einem Beduinenstamm sich niederläßt und ihn durch seine Reden gewinnt, bis er ihm folgt. Dann zieht er gegen euch und bezwingt euch, nimmt euch die Herrschaft ab und verfährt mit euch, wie es ihm gut dünkt. Drum schafft einen anderen Rat!”
* Jesus war vom Hohen Rat aus der Volksgemeinschaft des Alten Bundes ausgeschlossen worden. Die Juden verdächtigten ihn, ein Volksverführer und Lästerer zu sein, der den sofortigen Tod verdiene. Bei Jesus hatte jedoch nie die Gefahr eines bewaffneten Aufruhrs bestanden. Er war der Friedefürst und der wahre Friedenstifter.

Da sagte Abu Djahl: „Bei Allah, mir fällt etwas ein, auf das noch keiner von euch gekommen ist.” Als sie fragten, was es wäre, sagte er: „Meine Ansicht ist, daß wir aus jedem Stamm einen jungen, kräftigen, angesehenen Mann von guter Familie wählen und jedem ein scharfes Schwert übergeben. Sie sollen wie ein Mann über ihn herfallen und ihn erschlagen*. Dann haben wir Ruhe vor ihm. Tun sie dies, so ist sein Blut auf sämtliche Stämme verteilt. Die Söhne Abd al-Dars können nicht ihr ganzes Volk bekriegen. Sie werden sich mit einem Sühnegeld zufriedengeben, das wir ihnen bezahlen wollen.” Da sagte der Greis aus Nadjd: „Der Rat dieses Mannes ist der einzige gute Rat.” Die Versammlung war damit einverstanden und ging auseinander.
*Die Juden beschlossen ebenfalls, Jesus zu töten, sobald sich eine Möglichkeit dazu ergab. Er wurde beobachtet und bespitzelt. Sie hoben Steine auf, um ihn zu steinigen. Er aber ging mitten durch sie hindurch. Seine Stunde war noch nicht gekommen (Joh. 8,59; 10,39).



Mohammed verläßt seine Wohnung
Da kam Gabriel zu Mohammed und sagte: „Bringe diese Nacht nicht in dem Bett zu, in dem du gewöhnlich schläfst.” Als ein Drittel der Nacht vorüber war, sammelten sich die Quraisch vor seiner Tür und warteten, bis er eingeschlafen wäre, um über ihn herzufallen.

Als Mohammed dies bemerkte, sagte er zu Ali: „Schlafe auf meinem Bett und hülle dich in meinen grünen Obermantel aus Hadramaut*” — in diesem pflegte Mohammed zu schlafen — „sie werden dir nichts zuleide tun**.”
* Eine Landschaft in Südarabien.
** Mohammed veranlasste seinen Neffen und Adoptivsohn Ali, seine Feinde zu täuschen. Er setzte ihn — in der Nacht und ohne Beleuchtung — der Lebensgefahr aus, um sich selbst zu retten.

Jesus dagegen stellte sich in der Nacht seinen Feinden und sagte: „Wenn ihr mich sucht, so laßt diese gehen!” (Joh. 18,8). Er war bereit, selbst zu leiden und zu sterben, um seine Nachfolger nicht in Gefahr zu bringen.



Jazid Ibn Zijad hat mir von Mohammed Ibn Ka’b aus dem Stamme Quraiza berichtet: „Als die Quraisch vor Mohammeds Tür standen, sagte Abu Djahl, der sich auch unter ihnen befand: .Mohammed glaubt, daß, wenn ihr ihm folgt, ihr Herren der Araber und der anderen — der „übrigen” Welt — werdet, daß ihr nach dem Tode wieder aufersteht und Gärten bekommt, wie die am Jordanfluß. Wenn ihr ihm aber nicht folgt, so wird er euch niedermachen. Nach eurem Tode werdet ihr aber auferweckt und in der Hölle verbrannt.’ Datrat Mohammed heraus, nahm eine Handvoll Erde, streute sie über ihr Haupt und sagte zu Abu Djahl: ,Ja, dies habe ich gesagt, und du bist einerder Letzteren.’ Allah nahm ihnen allen die Sehkraft, so daß sie Mohammed nicht erkannten (Ya-sin 36,9).

Schließlich kam jemand, der nicht zu ihnen gehörte und fragte sie, auf wen sie warteten. Sie antworteten: ,Auf Mohammed.’ Da sagte jener: .Allah möge euch enttäuschen! Mohammed ist längst zu euch herausgekommen, hat euch allen Erde auf das Haupt gestreut und ist seines Weges gegangen. Seht ihr nicht, was auf euch liegt?’ Da griff jeder nach seinem Haupt und fand Erde darauf. Sie betraten dann das Haus, fanden Ali auf dem Bett in Mohammeds Mantel gehüllt und sagten: ,Bei Allah, hier schläft Mohammed in seinen Mantel gehüllt,’ und sie blieben in dieser Meinung bis zum Morgen. Als Ali endlich vom Bett aufstand, sagten sie: ,Der Mann, der uns ansprach, hat doch die Wahrheit gesagt!'”

Hierauf erlaubte Allah Mohammed die Auswanderung*. Abu Bakr, der ein reicher Mann war, hatte sich zwei Kamele gekauft, die er in seinem Hause fütterte, um sie für diesen Ernstfall bereitzuhalten.

* Allah ermöglichte es Mohammed zu fliehen, um sein politisches Reich in Medina aufzubauen. Im Islam gibt es keinen Mittler zwischen Gott und Menschen, kein stellvertretendes Opfer, keine Versöhnung und keine Ausgießung des Heiligen Geistes als Folge dieses Opfers. Das Ziel der Religion Mohammeds bleibt der islamische Staat, nicht die geistliche Erneuerung der Menschen. Deshalb starb Mohammed auch nicht für seine Nachfolger. Jesus aber opferte sich selbst auf Golgatha, damit wir ewiges Leben empfangen konnten.



 

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Islam ( Abd al-Masih)

ABD AL-MASIH

DER ISLAM AUF DEM PRÜFSTAND DES EVANGELIUMS

Warum befiehlt uns Jesus Christus Muslime zu missionieren?

VON LICHT DES LEBENS – VILLACH – ÖSTERREICH 


– Eingestellt auf meine HP, Horst Koch, Herborn, im Herbst 2023 –

INHALT

I. DER PRÜFVORGANG
1. Liebt Allah unsere Welt?

2. Was sagt der Qur’an zum stellvertretenden Sühneopfer des Sohnes Gottes?

3. Was bedeutet Glaube im Islam?

4. Kann ein Muslim verloren gehen?

5. Wie stellen sich Muslime das ewige Leben vor?
a) Die Zeichen der nahenden Auferstehung
c) Das Weltgericht im Islam

e) Die Hölle

f) Wie stellen sich Muslime das Paradies vor?

g) Wie sieht das ewige Leben bei den Christen aus?


II. DER PRÜFBERICHT
1. Der Islam ist ein antibiblischer Geist
2. Der Islam ist ein antichristlicher Geist
3. Der Islam ist ein antigemeindlicher Geist

III. KONSEQUENZEN AUS DEM PRÜFBERICHT
1. Ist der Islam die einzig gültige Religion? (Sure 3,19)…
2. Wie können wir heute Muslime missionieren?

3. Wollen wir Muslime wirklich missionieren?

Einleitung:
Das Prüfverfahren Wer sein Auto in eine moderne Reparaturwerkstatt bringt, kann zusehen, wie sein Wagen zur Inspektion in einen Prüfstand gefahren wird. Dort werden an verschiedenen Stellen Elektroden angelegt und Stromstöße durchgeschickt. Die Prüfkabel werden dann versetzt und die wichtigsten Punkte des Wagens getestet. Zum Schluß rechnet der Computer blitzschnell die Meßwerte durch, und präsentiert einen Prüfbericht, der manchem Wagenbesitzer das Grauen lehrt. Anschließend muß der Besitzer entscheiden, welche Konsequenzen er aus dem Ergebnis ziehen will: ob es billiger ist, ein neues Auto zu kaufen, ob er das alte noch mal aufpoliert, so dass es gut aussieht, oder ob er einfach weiterfährt bis der Wagen stehen bleibt oder auseinanderbricht.

I. Der Prüfvorgang

Der Radiosprecher Pastor Menes Abdul Nour aus Kairo war von uns gebeten worden, einen Vortrag über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Islam und Christentum zu halten. Er lächelte über unsere typisch europäische Frage und legte in wenigen Sätzen seine Erfahrung als Seelsorger an Christen und Muslimen dar. Wir folgen den Grundgedanken seiner Ausführungen und ergänzen sie im Blick auf unsere heutige Situation.

Er sagte: Bewusste Christen sehen in Johannes 3,16 die Summe des Evangeliums:

So sehr hat Gott die Welt geliebt,

dass er seinen einzigen Sohn gab,

auf dass alle, die an ihn glauben,

nicht verloren gehen,

sondern das ewige Leben haben.

Wir wollen die Zeilen dieses Verses wie Elektrodenkabel an den Qur’an anlegen und fünf Fragen, wie Stromstösse durch den Islam hindurchsenden, um seine Meinung zu diesem Kernwort der Bibel zu erfragen:

1. Liebt Allah unsere Welt?
2. Was sagt der Qur’an zum stellvertretenden Sühneopfer des Sohnes Gottes?
3. Was bedeutet Glaube im Islam?
4. Kann ein Muslim verloren gehen?
5. Wie stellen sich Muslime das ewige Leben vor?

Anschließend versuchen wir, die wichtigsten Gedanken in einem Prüfbericht zusammenzu- fassen und wollen zum Schluß die Konsequen- zen daraus ziehen. So sehr hat Gott die Welt geliebt…

1. Liebt Allah unsere Welt?
Im Islam ist Allahs Liebe kein beherrschendes Thema, sondern Allahs Erhabenheit, sein Recht und seine unbegrenzte Autorität. Allah steht jenseits menschlicher Emotionen.

Wir lesen sechsmal im Qur’an: „Allah verführt, welche er will und leitet, welche er will” (Suren 6,39; 13,27; 14,4; 16,93; 35,8; 74,31). (Dazu gibt es vier weitere indirekte Hinweise zu dieser Aussage: Suren 2,26; 14,27; 40,34+74).
Zur Vertiefung dieser Aussage steht 12-mal im Qur’an: „Wen Allah verführt, der findet keinen Helfer mehr, der ihn recht leiten könnte” (Suren 4,88+143; 7,178+186; 13,33; 17,97; 18,17; 39,23+36; 40,33; 42,44+46).

Allah selbst setzt dieser trostlosen doppelten Prädestination die Krone auf, indem er in Sure 32,13 (in der Wir-Form) sagt:
„Wenn wir gewollt hätten, hätten wir jeder Seele ihre Rechtleitung gegeben! Aber mein (früheres) Wort muß in Erfüllung gehen: Wahrlich ich werde die Hölle mit Dämonen (Jinna) und mit Menschen füllen.”

Allah ist kein liebender Gott im Sinne des Evangeliums. Er ist erhaben über menschliche Regungen. Er bleibt der große, ferne und unbekannte Gott (allahu akbar), der alles weiß (al-‘aliim 158-mal), alles hört (as-samii’ 45-mal), alles sieht (al-basiir 42-mal) und alles kann (al-qadiir 45-mal). Er tut, was er will (yafal maa yaschaa’ 116-mal). Niemand kann ihn zur Rechenschaft ziehen. Er ist kein Vater-Gott, der ein persönliches Verhältnis zu seinen Anbetern aufbauen möchte. Er ist der allmächtige Willkür- Herrscher, der wie ein Supercomputer alles kon- trolliert und alles steuert. Er wird nicht geliebt, son- dern gefürchtet und angebetet. Er schließt keinen Bund mit seinen Muslimen, sondern verlangt ihre bedingungslose Unterwerfung als seine Sklaven. Islam heißt Auslieferung, Unterwerfung und Hingabe, mit oder ohne freien Willen

Im Qur’an steht jedoch auch 17-mal, dass Allah eine bestimmte Art von Menschen liebt. Dabei ist nicht von der opferbereiten heiligen Liebe die Rede (Agape), sondern von seiner Sympathie für sie (rida). Er ist mit ihnen zufrieden, und sie sind mit ihm zufrieden (Suren 5,119; 9,100; 58,22; 98,8). Er steht ihnen als “Besitzer einer großen Gunst” gegenüber (Suren 2,105; 3,74+152+174; 8,29; 57,21+29; 62,4).
Wer sind diese Bevorzugten Allahs? Das sind vor allem die gottesfürchtigen Spender, die ihr Hab und Gut mit den ausgewanderten muslimischen Gläubigen teilen, die geduldig Vertrauenden, die für Allah im Heiligen Krieg mit der Waffe in der Hand kämpfen, die sich vor dem Gebet waschen und die zu ihren Frauen zurückkehren, wenn diese sich gereinigt haben, um sie nach Allahs Willen als ihr Saatfeld zu benützen (Suren 2,195+222 [2-mal]; 3,76+134+146+148+159; 5,13+42+93; 9,4+7+108; 49,9; 60,8 und 61,4).

Andererseits steht im Qur’an 23-mal, dass Allah verschiedene Kategorien von Menschen nicht liebt! Diese Abgelehnten sind besonders alle Ungläubigen und jene, die versuchen Muslimen Schaden zuzufügen, die stolzen Heuchler und jeder Feigling und Verräter im Heiligen Krieg. Allah liebt auch diejenigen nicht, die viel Geld ausgeben, die böse Worte laut aussprechen und alle, die verbotene Speise essen. Allah liebt die Fröhlichen nicht (Sure 28,76), nur die Respektvollen! Er liebt besonders alle Ungerechten nicht (Suren 2,190+205+276; 3,32+57+140; 4,36+107+148; 5,64+87; 6,141; 7,31+55; 8,58; 16,23; 22,38; 28,76+77; 30,45; 31,18; 42,40; 57,23).
Wenn Allah jedoch auch nur einen einzigen Ungerechten nicht liebt, dann liebt er keinen, denn die Bibel lehrt uns, dass „da keiner ist, der Gutes tue, auch nicht einer” (1. Mose 6,5+11- 12; Ps 14,1-3; Röm 3,10-18).

Im Islam gibt es keine umfassende Liebe Allahs zu einer abgefallenen bösen Welt, höchstens eine Zuneigung zu den gottesfürch- tigen Muslimen. Eine heilige Liebe, die Allah zur Rettung der Sünder triebe, kennt der Islam nicht. Damit fehlt das Motiv zur Erlösung der Welt im Islam.

2. Was sagt der Qur’an zum stellvertretenden Sühneopfer des Sohnes Gottes?
Das zentrale Zeugnis in Johannes 3,16 faßt die unbegrenzte, alle Menschen umfassende Liebe Gottes in der Kreuzigung Jesu Christi zusammen. Gottes Liebe und seine Heiligkeit drängten ihn, seinen einzigen Sohn als stellvertretendes Sühneopfer für alle dahinzugehen. Im Kreuz Jesu offenbart sich die Gerechtigkeit Gottes: Er bleibt gerecht, selbst wenn er die Ungerechten umsonst rechtfertigt (Rom 1,17; 3,24-26).
Muhammad hatte von dieser scheinbar unlösbaren Spannung zwischen der richtenden Heiligkeit Gottes und seiner rettenden Liebe keine Ahnung. Vermutlich hat er in seinem Leben nie eine solche Liebe erfahren.
Sein Geist in ihm rebellierte mit aller Macht gegen die Existenz eines Gottesohnes. Seine Ablehnung entfaltete sich in zunehmender Schärfe in verschiedenen Varianten, von denen wir fünf kurz skizzieren wollen:

1. Jeder bewußte Muslim lehnt mit Entrüstung den Gedanken ab, dass Allah einen Sohn habe. Im Qur’an steht mindestens 17-mal, dass Allah keinen Sohn hat, nie einen haben wird und keinen haben kann (Suren 2,116; 4,171; 6,101; 9,29; 10,68; 17,111; 18,4+5; 19,35; 19,88-92 [3-mal]; 21,26; 23,91; 25,2; 37,152; 39,4; 43,81; 72,3; 112,3). Muhammad verstieg sich dahin, dass er sagte: „Wenn der Allerbarmer einen Sohn hätte, wäre ich der erste der Anbeter” (Sure 43,81).

2. Wer sagt, Allah hat einen Sohn, begeht – islamisch gesehen – eine unvergebbare Sünde, die im christlichen Bereich mit der Sünde wider den Heiligen Geist verglichen werden kann. Wer sagt, Allah habe einen Sohn, verstößt gegen das Urdogma des Islams, wonach Allah nur ein einziger und keine Einheit aus Dreien sein kann.

Allah ist der Superstarke (al-jabbar, Sure 59,23), der allen Widerstand Zerschmetternde (al-qahhaar, Suren 12,39; 13,16; 14,48; 38,65; 39,4; 40,16), der Stolze {al-mutakabbir, Sure 59,23), der Listigste von allen (khair ul-makiriyn, Suren 3,54; 8,30) und der alleinige Besitzer der Majestät und der Verehrung (dhu al-jalaal wa al-‘ikraam, Sure 55,27).

Er kann nicht aus drei Personen bestehen. Das würde unausweichlich zu einer Palastrevolution führen. Im Islam kann nur ein einziger Herr und Herrscher sein (Sure 5,17).

Jesus aber war sanftmütig und von Herzen demütig. Er verleugnete sich selbst und ehrte allezeit seinen Vater. Auch der Heilige Geist stellt sich nicht selbst groß heraus, sondern verherr- licht Jesus (Joh 16,13-14). Es gibt nie Streit in der Heiligen Dreieinigkeit, denn unser Gott ist demütig und voller Liebe.
Der Gedanke eines Sohnes Allahs sowie eines Geistes Allahs als göttliche Personen bleibt im Islam undenkbar (Suren 4,171; 5,73).

3. Dazu kommt, dass eine christliche Sekte auf der Arabischen Halbinsel Maria vergöttlicht hatte und die Heilige Dreieinigkeit als Vater, Mutter und Sohn beschrieb (Sure 5,116). Seither meinen viele Muslime, die Christen glaubten, Allah habe mit Maria geschlafen und mit ihr einen Sohn gezeugt. Muhammad hat diese Gotteslästerung mit Recht abgelehnt! Wer heute noch solche Gedanken von Muslimen hört, sollte ihnen erklären, dass keine christliche Kirche einen solchen Unsinn glaubt. Wir lehren keine biologische Zeugung Jesu, sondern eine geistliche Dreieinigkeit, die aus Gott, seinem Wort und seinem Geist besteht (Suren 3,45 und 4,171).

4. Muhammad versuchte den Christen „tolerant” entgegenzukommen, um sie für seinen Islam zu gewinnen. Er bekannte mehrere Male, dass ‘Isa ohne Zutun eines Mannes, allein durch das Wort Allahs und seinen Geist, in Maria geschaffen worden sei (Suren 3,45-47; 19,16-22; 21,91 und 66,12). Muslime können deshalb an die Geburt Christi von der Jungfrau Maria glauben! Sie stellen sich dabei jedoch auf die Seite des Häretikers Arius aus Alexandrien (260 – 336), der behauptete, Jesus sei in Maria geschaffen aber nicht gezeugt worden. Das Konzil von Nizäa (325 n.Chr.) hat diese Irrlehre verworfen. Seither bekennen alle christlichen Kirchen im Nizänischen Glaubensbekenntnis:

Jesus ist „Gott von Gott,

Licht von Licht,

wahrer Gott vom wahren Gott,

gezeugt und nicht geschaffen,
in einem Wesen mit dem Vater.“

Muslime aber behaupten: „Nein! Er ist nur geschaffen und nicht gezeugt worden! ‘Isa ist ein Geschöpf und nicht göttlicher Natur. Allah ist sein Schöpfer, niemals sein Vater!” Sie akzeptieren zwar die Geburt Christi von der Jungfrau Maria, verdrehen aber den entscheidenden Punkt: Sie nennen ‘Isa den Sohn der Maria, nicht aber den Sohn Gottes. Deshalb ist es falsch zu sagen, der islamische ‘Isa sei mit Jesus im Evangelium identisch. ‘Isa ist nur ein zeitliches Geschöpf und steht nach dem Qur’an auf derselben Stufe mit Adam (Sure 3,59). In Jesus Christus ist jedoch die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig sichtbar geworden (Kol 2,9). ‘Isa ist nicht gekreuzigt worden. Jesus aber wurde Mensch, um die Welt mit Gott am Kreuz zu versöhnen. Wer behauptet, Jesus sei mit ‘Isa identisch, steht in Gefahr, den gekreuzigten Sohn Gottes zu verdunkeln oder zu verleugnen.

5. Die Auseinandersetzung zwischen Muhammad und den Christen wurde so scharf, dass er jeden verfluchte, der glaubte und bekannte, dass Christus Gottes Sohn ist. In Sure 9,30 lesen wir:

„Die Christen sagen

Christus ist der Sohn Gottes.

Das sagen sie nur so obenhin mit ihren Mündern. Sie ahmen damit das Geschwätz derjenigen nach, die vor ihnen ungläubig waren.
Allah schlage sie tot!
Wie sind sie doch so abgewichen!”

Solange dieser Vers im Qur’an als Direktoffenbarung Allahs steht, ist jeder Dialog zwischen Christen und Muslimen im Sinne einer Gleichberechtigung der Religionen eine Farce. Entweder wird dieser Vers bei den dialogbereiten Christen unterbewertet oder er ist ihnen nicht bekannt. Meistens wird er von Seiten der Muslime aus taktischen Gründen verschwiegen. Die Tatsache bleibt aber bestehen: Jeder Christ, der die Gottheit Christi bekennt, gilt im Islam als verflucht.

Muhammad hat die Sündlosigkeit Christi direkt oder indirekt bestätigt (Sure 19,19). Er hat jedoch nicht verstanden, dass die Inkarnation Gottes in Jesus unerläßlich war, damit ein Mensch ohne Sünde bleiben konnte und würdig war, als Lamm Gottes für alle Sünder zu sterben. Der Geist in Muhammad erlaubte ihm nicht, diese Zusammenhänge zu erkennen. Er sträubte sich bewußt, die Kreuzigung Christi anzuerkennen.

Im Qur’an zeichnet sich eine zunehmende Verhärtung Muhammads gegenüber der Tatsache des Todes Jesu ab. Im Anfang bestätigte er noch die Tatsache seiner Geburt, seines Todes und seiner Auferweckung von den Toten (Sure 19,33). Dann ließ er Allah, als „den Listigsten von allen” (Suren 3,54; 8,30) Christus vor seiner Kreuzigung retten, indem er ihn einschlafen und lebendig zu sich entrücken ließ (Sure 3,54-55). Zum Schluss leugnete Muhammad die Kreuzigung Christi offen und behauptete: „Sie haben ihn nicht getötet, sie haben ihn nicht gekreuzigt! Er ist ihnen nur so erschienen” (Sure 4,157).
Weshalb hat Muhammad die Geschichtstatsache der Kreuzigung Christi geleugnet? Wir wollen einige dieser Gründe in Kürze nennen:

1. Allah im Islam ist souverän! Er braucht kein Lamm, keinen Mittler und keine Sündopfer, um vergeben zu können. Er vergibt, wem er will, wann er will und wo er will. Er vergibt nicht, wenn er nicht will. Wäre ein Sündenbock oder ein Brandopfer zur Versöhnung nötig, wäre Allah nicht mehr allmächtig. Er wird zwar im Qur’an 114-mal als der Vergebende bezeichnet (a/- ghafur 91-mal, al-ghaffar 5-mal, al-tawwaab 11-mal, al-‘afuw 5-mal, dhu al-maghfira 2-mal). Er sagt jedoch nie direkt: Deine Sünden sind dir vergeben!
Allahs Vergebungsautorität ist lediglich theoretisch möglich und bietet nur eine ungewisse Hoffnung für die Muslime.
Seine Vergebung basiert nicht auf der geschichtlichen Tatsache eines stellvertretenden Opfers und schafft keine Gewißheit der Vergebung in den Muslimen. Deshalb schreibt Muhammad, dass Allah „vielleicht” vergibt, „wenn” er will, oder nur „einige” der Sünden, ohne je eine bindende, für jedermann gültige Zusage zu machen. Allah im Islam steht jenseits aller Bindungen und Gewißheiten.

2. Muhammad lehnte außerdem die Möglichkeit einer Stellvertretung im Jüngsten Gericht strikt ab. Jeder Mensch müsse seine Schuld und Strafe selbst tragen. Muhammad ließ zwar Allah bei der vereitelten Opferung des Sohnes Abrahams sagen: „Wir haben ihn durch ein gewaltiges Schlachtopfer erlöst” (Sure 37,107), ohne jedoch diese bedeutende Aussage anderweitig im Qur’an oder der Hadith zu erhellen. Auch die jährliche Schlachtung von Millionen Schafen und Kamelen am islamischen Adha Fest hat keine versöhnende, sondern nur eine gesellschaftlich-religiöse Bedeutung. Die Opferordnungen im Alten Testament haben im Qur’an keinen Niederschlag gefunden. Sie wurden sorgsam gemieden oder ausgemerzt. Der Geist in Muhammad sträubte sich gegen jede Stellvertretung im Gericht Allahs.

3. Muhammad war ein Kaufmann. Wer bei ihm bezahlte, erhielt Ware. Wer nicht bezahlte, bekam nichts. Wer arbeitete, empfing seinen Lohn. Wer nicht arbeitete, ging leer aus. Umsonst gab es nichts. Muhammad verstand Religion als ein Geschäft (Sure 35,29-30).
Allah kaufte die Seelen und den Besitz der Muslime (Sure 9,111). Er zahlt den Gläubigen ihren Taten entsprechend einen Lohn (Sure 3,57 u.a.). Eine Umsonst-Gnade für Faule und Ungerechte erschiene als ein Unrecht den Gottesfürchtigen und Fleißigen gegenüber. Der Islam zeigt sich damit als eine Werkgerechtigkeits- Religion, die auf den guten Werken der Muslime aufgebaut ist. Der Qur’an sagt, „die guten Taten vertreiben die bösen Taten” (Sure 11,114) Die Worte “Heil” oder “Rettung” im biblischen Sinn kommen im Qur’an nicht vor. Im Islam ist kein Platz für einen Heiland und seinen stellvertretenden Tod.

4. Vielleicht hat Muhammad auch aufgrund persönlicher Erwägungen die Kreuzigung Jesu verworfen. Er sah in Christus einen treuen Sklaven Allahs. Wie sollte der treue Allah den treuen ‘Isa in die Hände seiner Feinde fallen lassen? Das könnte bedeuten, dass Allah auch Muhammad in die Hände seiner Feinde fallen ließe. So verwarf Muhammad um seiner eigenen Sicherheit willen strikt die Möglichkeit der Kreuzigung Christi.

5. Muhammad hörte von einer christlichen Sekte im Niltal, die weder an die volle Inkarnation Gottes in Christus, noch an seinen realen Tod am Kreuz glaubte. Sie behauptete, Gott sei lediglich in Gestalt eines Menschen „erschienen”. Er könne weder menschlichen Bedürfnissen unterliegen noch sterben. Er sei nur als Gekreuzigter erschienen, aber nie real gestorben. Da griff Muhammad sofort zu und sagte: „Die armen Christen! Sie denken Christus sei gekreuzigt worden. Er ist aber nicht getötet noch gekreuzigt worden, sondern nur so erschienen!” (Sure 4,157). 20 Muslime sind überzeugt, dass das Kreuz Jesu auf die verirrten Christen wie eine Fata Morgana (Luftspiegelung) wirkt. Sie hätten sich in der Wüste des Lebens verirrt und seien bereits am verdursten und sähen in ihren Halluzinationen drei Götter anstelle von einem und meinen, einer von den Dreien sei sogar gekreuzigt worden. Die Armen, sie liegen bereits im Delirium! (Sure 1,6) Muslimische Eltern warnen ihre Kinder früh vor solchen Wahnvorstellungen der Christen, um sie gegen den Glauben an die Kreuzigung Christi immun zu machen.

Die ständig sich wiederholende, bewußte oder unbewußte Ablehnung des Kreuzes Jesu durch die Muslime stellt uns vor die bittere Tatsache, dass kein Muslim Vergebung seiner Sünden empfangen kann. 1,2 Milliarden Angehörige dieser Weltreligion lehnen Jesus heute als Lamm Gottes ab, der auch ihre Sünde getragen und sie am Kreuz mit Gott versöhnt hat. Außerhalb des Kreuzes Jesu aber gibt es keine Vergebung oder Rechtfertigung, sonst hätte Jesus Christus nicht stellvertretend für uns sterben müssen. Das Wort vom Kreuz ist für die Humanisten und Rationalisten Europas eine Torheit und für die Muslime in allen Kontinenten ein Ärgernis (1. Kor 1,18+23). Ihre beharrliche Ablehnung der Kreuzigung des Sohnes Gottes bewirkt in ihnen eine Verhärtung und Immunität gegen das auch für sie vollendete Heil.

3. Was bedeutet Glaube im Islam?

Wie jede Religion ist auch der Islam auf dem Prinzip des Glaubens aufgebaut. Die islamischen Glaubensinhalte und Methoden unterscheiden sich jedoch grundsätzlich vom christlichen Glauben. Sechs Bereiche sollen das verdeutlichen:
1. Muhammad wollte die Beduinenstämme seiner Umgebung mit ihren großen Kamelherden unterwerfen. Die Beduinen bekamen jedoch von diesem Vorhaben Wind und schrieen bei der Ankunft seiner Reiter: „Wir glauben an Allah! Wir sind Gläubige!” Darauf offenbarte Muhammad in Sure 49,14 die klassische Definition des islamischen Glaubens:

„Die Beduinen sagen: Wir glauben!’ Sag: Ihr habt nicht geglaubt, bis ihr sagt: ‘Wir unterwerfen uns’. Der Glaube ist euch noch nicht ins Herz eingedrungen. Wenn ihr aber Allah und seinem Gesandten gehorcht, so fehlt euch nichts mehr an euren guten Werken.”

Glaube im Islam besteht also nicht zuerst aus dem Vertrauen des Herzens, noch im intellektuellen Verstehen einer Glaubenslehre, sondern in der bedingungslosen Unterwerfung des Willens und der gesamten Existenz unter Allah und seinen Gesandten. Zuerst kommt die Eingliederung in den Religionsstaat und die Unterwerfung unter sein Gesetz, dann erst dringt der Glaube in Herz und Kopf und formt die Lebensweise. Bei den Christen ist es umgekehrt. Zuerst die Überzeugung, dann die Hingabe.

2. Das Eindringen des Glaubens in die Herzen nach der Unterwerfung wird von einigen Islam-Theologen als stufenweise Entwicklung definiert: Nach einem zögernden Überlegen soll die Erkenntnis kommen. Dann soll der feste Entschluss und die Bindung des Herzens folgen. Das Bekenntnis der Zunge ist unumgänglich. Die Taten sollen sich immer mehr nach dem Qur’an ausrichten. Der Glaube reift damit zum Voll-Islam. Wer kein Muslim ist, kann kein Gläubiger sein, sondern wird als Ungläubiger abgelehnt. Glaube und Islam werden zu Synonymen.

3. Eine andere Seite im Glauben der Muslime ist die weitgehende Absage an jedes kritische Denken und Analysieren der Offenbarungen Muhammads. Der Qur’an soll in erster Linie nicht erarbeitet, zerpflückt und verstanden, sondern in der arabischen Sprache auswendig gelernt werden. Niemand könne Allah mit seinen Gedanken erreichen und umfassen. Vielmehr denkt er uns, nicht wir ihn. Das aktive Denken wird im Islam selten gefördert. Dafür wird blindes Akzeptieren, Auswendiglernen und Nachplappern bevorzugt. Christen sind erzogen, viel zu denken und werden in der Bibeiarbeit geschult, aber sie kennen wenig Bibelabschnitte und selten ein Evangelium auswendig. Bei Muslimen ist es umgekehrt. Sie wissen viel und denken wenig, die Christen aber denken zu viel und wissen wenig!

4. Letztlich entscheidet der Inhalt der islamischen Glaubensordnung über den Glauben der Muslime. Diese wurde von den muslimischen Theologen in sechs Artikel gegliedert:

Allah ist der Schöpfer, der souveräne Herr aller Welten und ihr Richter.

Seine Engel sind seine Sklaven. Zu ihnen gehört auch Djibril, der als der „Geist des Heiligen” (ein geschaffener Geist) verstanden wird.

Seine Bücher sind präexistent. Zu ihnen gehören die Thora und das Evangelium, die jedoch vom Qur’an relativiert und überboten werden.

Seine Gesandten und Propheten sind seine Stellvertreter und Sprecher auf der Erde. Zu ihnen gehören u.a. Abraham, Mose, Isa und Muhammad.

Seine Prädestination determiniert alle Geschöpfe, jeden Menschen und alle Ereignisse im voraus bis ins Detail.

Die Auferstehung der Toten am Tage des Gerichts und ihre Trennung in Bewohner der Wonnegärten oder des röhrenden Feuers ist das Ziel der Weltgeschichte.

5. Wer dieses „Fundament des islamischen Glaubens” mit den drei Hauptartikeln des christlichen Glaubens vergleicht, stellt ernüchtert fest:

a) Der zweite Glaubensartikel des christlichen Bekenntnisses mit seiner alle umfassenden Recht- fertigungsgnade fehlt im Islam völlig. Es gibt zwar Versuche der Muslime, eine Gerechtigkeit allein aus Glauben aufzubauen, indem sie sagen: „Wer an Allah, Muhammad und den Qur’an glaubt, hat das Vorrecht ins Paradies einzutreten. Wer nicht an Allah, Muhammad und den Qur’an glaubt, muß draußen bleiben.”
Muhammad hat jedoch selbst mehrere Male im Qur’an angedeutet, dass der islamische Glaube allein nicht zur Rechtfertigung im Gericht genügt, indem er etwa 50-mal sagte:
„Wer da glaubt und gute Werke tut, der wird in die ewigen Gärten geführt” (Suren 2,25+82; 4,57+122+124; 11,23; 14,23; 18,107; 22,14+23+56; 29,58; 30,15; 31,8; 32,19; 42,22; 47,12; 98,7-8).
…. Sie werden ihren Lohn erhalten” (Suren 2,277; 3,57; 4,173; 5,9; 17,9; 18,2+30; 35,7; 41,8; 48,29; 84,25; 95,6).
„… Sie empfangen Vergebung und ihre bösen Taten werden zugedeckt” (Suren 5,9; 11,11; 22,50; 29,7; 33,35; 34,4; 35,7; 48,29).
… Sie sind selig zu preisen” (Sure 13,29).
„… Sie erreichen hohe Stufen” (Sure 20,75).
„… Allah schreibt ihnen alles gut” (Sure 21,94).
… und bringt sie zu den Guten” (Sure 29,9).
„…Er belohnt sie aus seinem Überfluß” (Sure 30,45).
„… Er erhört sie” (Sure 42,26)
… und bringt sie in seine Barmherzigkeit” (Sure 45,30)
Sie sind die besten aller Geschöpfe” (Sure 98,7).
„… und empfangen viele weitere Vorrechte” (Suren 19,96; 20,112; 29,58; 22,50; 42,22-23; 65,11).

Muhammad hat mit diesen Versen die Glaubensgerechtigkeit im Qur’an korrigiert und indirekt bekannt, dass der Glaube allein keinen Muslim im Gericht rettet, sondern dass seine guten Werke (Zeugnis geben, fünfmal beten am Tag, Fasten im Monat Ramadan solange die Sonne scheint, Almosen geben und eine Wallfahrt nach Mekka) dazukommen müssen. Der Glaube im Islam wird als Leistung des Menschen wie ein gutes Werk verstanden, so dass erneut deutlich wird, dass der Islam kein Heil allein aus Gnade kennt, sondern seine Hoffnung auf die Frömmigkeit der Muslime setzt.

Wer diese islamische Rechtfertigungslehre mit der Auslegung Martin Luthers im Kleinen Katechismus vergleicht, erkennt schlagartig die Oberflächlichkeit und Hohlheit des islamischen Glaubens. Luther hat uns gelehrt zu bekennen:

„Ich glaube, dass Jesus Christus … sei mein Herr,

der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels

nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben,

auf dass ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe

und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden vom Tod, lebt und regiert in Ewigkeit.

Das ist gewisslich wahr.”

Hört ein Muslim dieses Bekenntnis, dann sträuben sich ihm die Nackenhaare vor Entsetzen. Wenn er den Mut hätte, würde er antworten:
* „Dieses Bekenntnis ist reiner Unglaube und enthält eine ununterbrochene Gotteslästerung.
* ‘Isa ist nicht der Herr, sondern ein Sklave Allahs.
* Ich bin kein verlorener und verdammter Mensch, sondern ein Muslim.
* ‘Isa hat mich nicht durch sein Blut erlöst! Er ist überhaupt nicht gestorben! Er ist auch nicht gekreuzigt worden.
* Ich bin nicht sein Eigentum, denn ich habe mich allein Allah ausgeliefert.
* ‘Isa regiert nicht als Gott-König im Reich der Himmel, denn Allah ist der Herrscher.
* Wir verehren ‘Isa als Propheten, lehnen jedoch den Glauben an seine Göttlichkeit und seine Erlösung konsequent ab.”

Die meisten Muslime haben ihre eigene Verdorbenheit und Sündhaftigkeit nicht erkannt und sind überzeugt, dass sie sich mit ihrem islamischen Glauben und ihren guten Werken selbst rechtfertigen können. Hier liegt der Kern ihres Irrtums.

b) Nicht nur der zweite Artikel des christlichen Glaubens fehlt komplett im islamischen Glaubenssystem, sondern auch der dritte Artikel vom Heiligen Geist. Der Qur’an redet zwar 29- mal vom Geist Allahs, meint aber damit meistens Djibril (den Engel Gabriel), der mit verschiedenen Titeln und Namen des Geistes von Allah belegt wird. Dieser ist in jedem Fall ein geschaffener Geist und ein Sklave Allahs. Der Geist Allahs ist nie heilig in sich selbst, noch göttlicher Natur. Er bleibt ein Besitz des Heiligen, ist ein Geschöpf und kein Schöpfer.

Der Geist Allahs im Qur’an erscheint im Zusammenhang mit der Schöpfung des ersten Menschen (Suren 15,29; 32,9; 38,72), mit der Erschaffung ‘Isas in der Jungfrau Maria (Suren 19,17; 21,91; 66,12), mit den Wundern ‘Isas (Suren 2,253; 4,171; 5,110), mit dem Leben Muhammads (Suren 2,97; 16,102; 17,85; 26,193-194; 42,52), mit seiner islamischen Gemeinde (Suren 58,22) und dem Jüngsten Gericht (Suren 40,15; 70,4; 78,38).

Wir müssen die nüchterne Feststellung treffen, dass es im Islam keinen Heiligen Geist im Sinne der 29 Bibel gibt. Wer seelsorgerlich denken kann, der hat damit den Islam durchschaut:

Im Islam kann es keine Erkenntnis des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geben, denn der Geist ist’s, der „Abba, lieber Vater”, ruft und Zeugnis unserem Geist gibt, dass wir Gottes Kinder sind (Röm 8,15-16). Niemand kann Jesus den Herrn nennen ohne durch den Heiligen Geist (1. Kor 12,3). Der Geist allein erforscht die Tiefen der Gottheit (1. Kor 2,10-11).

Es gibt keine Einwohnung des Heiligen Geistes in einem Muslim oder in der Gemeinde des Islams. Ein Muslim ist kein Tempel des Heiligen Geistes – weder als einzelner noch als Gemeinde. Der Glaube im Islam hat weder eine Wiedergeburt noch eine Kindschaft in Bezug auf Gott zur Folge. Es gibt kein ewiges Leben in den Muslimen, da es keinen Heiligen Geist im Islam gibt.

• Im Islam gibt es keine Frucht des Heiligen Geistes, nur Fruchte des Fleisches. Alle Religiosität, Gebet, Glaube, Gesetz und Frömmigkeit ist innerweltlich (immanent) im Islam und keine Wirkung des Heiligen Geistes (Gal 5,19-26).

• Es gibt keine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens in den Muslimen, denn sie kennen keinen göttlichen Tröstergeist. Sie behaupten, Muhammad selbst sei dieser Tröster. Sie haben Angst vor den Plagen im Grab, vor Gericht und Hölle, denn sie sind noch nicht aus der Finsternis zum Licht und nicht vom Tod ins Leben durchgedrungen.
Auch beim dritten Artikel unseres Glaubens ist die Erklärung Martin Luthers in der Beurteilung des Islams wegweisend. Indem wir seine Worte nachsprechen, zeigen wir, was dem Islam fehlt:

„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann,
sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten,
gleichwie er die ganze Christenheit beruft, sammelt und erhält im rechten einigen Glauben.
Das ist gewisslich wahr.”

Im Islam kann es keinen Heiligen Geist geben, weil Allah nur Einer ist und keine andere Person neben ihm existieren kann. Damit ist der Islam von jedem geistlichen Leben und von der Liebe Gottes geschieden. Der Islam ist geistlich tot!
Ohne Jesu Tod am Kreuz wäre der Heilige Geist nicht in die Gemeinde Jesu Christi gekommen. Ohne Glauben an den Sohn Gottes hätten wir kein ewiges Leben.
„Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm” (Joh 3,36).

Jesus spricht:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen” (Joh 5,24).

Da die Muslime weder an Jesus noch an den Heiligen Geist glauben, scheiden sie sich willentlich und bewußt mit allen Konsequenzen vom ewigen Leben.

c) Auch der erste Artikel des christlichen Glaubens verliert in der islamischen Glaubensordnung seinen Glanz. Ein Muslim kann zwar bekennen: „Ich glaube an Allah, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde.” Er kann jedoch nicht bekennen, dass der Allmächtige sein Vater ist. Da der Islam den Sohn Gottes ablehnt, lehnt er auch den Vater ab (1. Joh 2,23). Kein Muslim hat eine persönliche Beziehung zu Allah, welcher letztlich der ferne, große und unbekannte Gott bleibt, den keiner kennt und den dennoch alle anbeten müssen. Der Evangelist Johannes bestätigt diese Tatsache, indem er sagt:

„Niemand hat Gott je gesehen. Der einzig geborene Sohn, der in des Vaters Schoß sitzt, der hat ihn uns verkündigt” (Joh. 1,18).

Jesus hat uns den Vater geoffenbart, den nahen, den persönlichen Gott, der sich an uns, seine verlorenen Söhne und Töchter, auf ewig gebunden hat. 186-mal redet Jesus nach den vier Evangelien vom Vater und lehrte uns, nicht zu „Gott”, sondern zum „Vater” zu beten.
Die Realität Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes bleibt einem Muslim verborgen und verschlossen. Damit zeigt sich der islamische Glaube als ein Irrgarten, als ein Tappen im Nebel ohne die Erkenntnis der Sonne Jesus Christus.
Vielleicht sagt jemand: „Die Muslime zeigen aber in ihrem Glauben eine große Leidensfähigkeit und Geduld, von der wir Christen nur lernen können!” Auf einen solchen Einwand kann geantwortet werden: „Vielleicht ist diese Ergebenheit in den Willen Allahs letztlich lähmender Fatalismus.” Wir sollten bedenken, dass der islamische Glaube gleichzeitig einen Muslim zu glühendem Fanatismus und sogar in den Heiligen Krieg treiben kann. Wie sagte doch Hasan al- Banna, der Begründer der Muslimbrüder: „Erst derjenige Muslim ist ein ganzer Muslim, der sich selbst verleugnet, seine innere Hemmung überwindet und bereit ist, die Feinde des Islams zu töten!”

Der islamische Glaube ist kein rettender und erlösender Glaube, sondern bindet die Nachfolger Muhammads in eine dämonische Gottesferne. Sie kennen ihren Allah nicht, fürchten ihn jedoch. Sie verteidigen seine Einheit und Einzigartigkeit, kennen jedoch die Frage des Jakobus und seine Antwort nicht:

„Du glaubst, dass nur einer Gott ist?

Die Dämonen glauben es auch – und zittern!” (Jak 2,19). 


4. Kann ein Muslim verloren gehen?
Im Qur’an steht in Sure 19,71+72 die schreckliche Offenbarung, die an jeden Muslim gerichtet ist:
„Es gibt keinen von euch, der nicht in sie (die Hölle) hinein kommen wird.
Das lag auf deinem Herrn als eine unausweichliche Vorherbestimmung.
Anschließend retten wir die Gottesfürchtigen und lassen die Ungerechten in ihr auf ihren Knien liegen.”

Was ist das für eine Religion, die ihre Anhänger in die Hölle befördert und anschließend nur die Superfrommen herausholt!?
Diese Verse entstammen keiner christlichen Apologetik, sondern stellen einen zornigen Ausruf Muhammads über seine Muslime dar, die sich im heißen Sommer nicht an einem Rachefeldzug gegen die byzantinischen Christen im Norden beteiligen wollten. Als Abdullah, ein Verwandter Muhammads, diese „Offenbarung Allahs” hörte, sagte er „Wenn ich einmal in der Hölle bin, komme ich nie mehr heraus, denn meine Sünden gehen mir über den Kopf.” Er stürzte sich in den Kampf und kämpfte, bis er getötet wurde, denn die Märtyrer im Heiligen Krieg erwarten von dieser Vorherbestimmung befreit zu werden. Sie hoffen, um ihrer Ganzhingabe willen nach ihrem Tod sofort in die Gärten ewiger Wonnen entrückt zu werden (Sure 3,157-158+169-170+195).

Diese Verse bestätigen aufs neue die Werkgerechtigkeit des Islams, denn nur diejenigen Muslime, die viel beten, fasten und reichlich von ihrem Besitz spenden haben Aussicht, nach einer unbestimmten Dauer aus den Flammen des islamischen Fegefeuers errettet zu werden. Es ist nur eine Auswahl von Muslimen, die nicht auf ewig in der Glut des Zornes Allahs schmoren muß. Die Mehrzahl von ihnen, sowie alle Juden, Christen und Animisten, die nicht an Allah, Muhammad und den Qur’an glauben, werden auf ewig in der Hölle gegrillt werden. Jedesmal wenn ihre Haut aufplatzt, wird ihnen eine neue Haut gegeben, damit sie ewige Pein erleiden (Sure 4,56)!
Ein weiteres Argument, das der Apostel Paulus lehrte, bestätigt die Voraussage Muhammads, dass alle Muslime in die Hölle kommen.
Paulus schreibt:
„Kein Mensch kann durch die Werke des Gesetzes vor Gott gerecht werden” (Röm 3,20; Gal 2,16).
„Alle, die aus den Werken des Gesetzes leben, sind unter dem Fluch, denn verflucht ist jeder, der nicht bleibt bei allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht und es tut” (Gal 3,10; 5. Mose 27,26).

Jakobus fügt dem hinzu:
„Wenn jemand das ganze Gesetz hält und sündigt gegen ein einziges Gebot, der ist am ganzen Gesetz schuldig geworden” (Jak 2,10).

Paulus bestätigt:
„Das Gesetz führt nur Gottes Zorn herbei” (Röm 4,15).

Solange die Muslime ihre Religion auf Gesetz und eigene Leistung bauen, leben sie unter Gottes Zorn.

Muhammad verstand sich selbst als Warner, nicht als Retter (Suren 13,7; 38,4+65; 50,2; 79,45). Er warnte die Menschen in etwa einem Drittel seiner Suren vor dem kommenden Gericht. Sein Heilsmechanismus jedoch, mit dem er die Muslime vor dem kommenden Gericht retten wollte, war die Erfüllung des islamischen Gesetzes. Muhammad steht mit der Peitsche seines Gesetzes hinter den Muslimen in aller Welt und treibt sie zur Einhaltung der Schari’a an, die alle Lebensgebiete umfaßt, damit sie im Jüngsten Gericht genügend gute Taten aufweisen können, um als ihren Lohn Wonne und Lust in den ewigen Gärten zu empfangen. Hier liegt der große Irrtum Muhammads und die entscheidende Schwäche des Islams. Kein Muslim betet zu allen vorgeschriebenen Gebetszeiten. Keiner kann das Fasten (solange die Sonne scheint) einen Monat lang fehlerlos erfüllen. Viele berechnen ihre Religions- steuer zu ihren eigenen Gunsten. Und in den Bereichen „Sex”, „Stolz” und „Betrug” bleibt kein Mensch gerecht – auch kein Muslim! Zwar stellt Muhammad seinen Muslimen eine große Waage in Aussicht, die im Jüngsten Gericht die guten gegen die bösen Taten aufwiegen soll. Er hat jedoch nicht erkannt, dass vor dem heiligen Gott alle unsere sogenannten guten Taten mangelhaft und ungenügend sind. Kein Mensch kann aufgrund seiner eigenen Werke gerecht werden.

Allah ist jedoch im Islam so weit vom Menschen entfernt, dass seine Heiligkeit und Liebe für Muhammad nicht zum Maßstab seines Gesetzes wurden. Er war sich nicht voll bewusst, dass jeder Mensch nur Zorn verdient hat. Er ahnte vielleicht, dass jedermann verloren und verdammt ist, denn er sprach offen davon, dass alle Muslime in die Hölle kommen. Er hat trotzdem die Gnade Christi nicht erkannt geschweige denn angenommen, vielmehr alle Muslime vor ihr gewarnt (Sure 1.5-6)1. So begriff er auch nicht, dass „Christus des Gesetzes Ende ist. Wer an den glaubt, der ist gerecht” (Röm 10,4).

Das Gesetz des Islams, auf das viele Muslime ihre Hoffnung setzen, wird sie am Ende alle verurteilen. Denn „das Gesetz bringt uns nicht mehr als Gottes Zorn ein” (Röm 4,15). Um ihres Gesetzes willen sind alle Muslime verlorene und verdammte – und wissen es nicht. Viele ahnen es jedoch. Wer in ihre hoffnungslosen, traurigen Augen blickt, kann spüren, dass sie keinen Frieden mit Gott im Herzen tragen.

Vielleicht wendet jemand ein und sagt: „Aber Jesus Christus wird im Jüngsten Gericht die Menschen nach ihren Taten der Liebe richten” (Mt 25,31-46). Dem antworten wir: Ja! Aber sind die Gesegneten seines Vaters, die dem Richter zur Rechten stehen, nur gut und fehlerlos? Und sind die Ungerechten, die mit Satan und seinen Engeln ins ewige Feuer verdammt werden, nur böse, kalt und herzlos? Haben die Guten nicht auch gesündigt und die Bösen nicht auch Gutes getan? Gewiß, aber die Auserwählten haben ihre Sünden erkannt, bekannt und sie unter die Vergebung des Blutes Jesu gebracht. So blieb von ihrem Leben nichts übrig, außer dem, was der Heilige Geist in ihnen an Taten der Liebe gewirkt hatte.

Die Ungerechten aber haben ihre Sünde weder erkannt noch bekannt. Sie haben die Gnade der Reinigung durch das Blut Christi nicht in Anspruch genommen, wenn nicht gar mit Willen oder Spott verworfen. Sie müssen alle ihre Sünden und auch die Strafe allein tragen. Jesus nennt sie Verfluchte, die mit dem Teufel und seinen Engeln ins ewige Feuer gehen müssen.

Glauben wir noch an die Realität dieser Gerichtsrede Jesu Christi? Leiden wir mit den Muslimen, die ihren Retter verworfen haben und die Macht seines Blutes leugnen? Kann das Erbarmen Christi uns noch zur Mission unter den Nachkommen Ismaels treiben, oder sind unsere Herzen bereits kalt und hart geworden? Lasst uns um die Gnade des Mitleidens mit den Muslimen beten, damit wir aus unserem Gemeindekarussell aufgeschreckt werden und den Herrn der Mission um Kontakte mit suchenden Muslimen bitten.

5. Wie stellen sich Muslime das ewige Leben vor?

Der Islam hat vom Christentum etliche spezifische Merkmale seiner Eschatologie übernommen, sie jedoch nach Inhalt und Form „islamisch” verändert. „Das Kommen Allahs zum Gericht” stellt eines der Hauptthemen des Qur’ans dar und war nach Frantz Buhl ein Hauptmotiv für das Prophetentum Muhammads. Der Islam ist eine eschatologisch ausgerichtete Religion. Ein Drittel aller Suren enthält widersprüchliche oder sich ergänzende Fragmente der islamischen Endzeiterwartung. Sie kann in sechs Abschnitte eingeteilt werden.

a) Die Zeichen der nahenden Auferstehung
Neben Naturkatastrophen erwarten Muslime vor allem das Kommen des einäugigen Verführers (al- dadjdjal), der die Muslime zum Abfall verführt, so dass kaum noch ein Muslim Muslim bleiben wird.

Auch Gog aus Magog gehören als Unheilbringer in die Zeit vor der Auferstehung, nur dass es im Qur’an Alexander der Große (der Zweigehörnte) ist, der vergeblich versuchen wird, durch einen hohen eisernen Wall ihr Eindringen zu verhindern (Sure 18,83-98).

Das Kommen und die Herrschaft des islamischen Antichristen wird als Auslöser der Wiederkunft ‘Isas verstanden, der heute noch bei Allah lebt (Suren 3,55; 4,157-158). Dieser hatte ’Isa leiblich zu sich entrückt, um ihn vor dem Kreuzestod zu bewahren. Der kommende ‘Isa wird den großen Verführer mit dem Hauch seines Mundes töten, alle Kreuze auf Kirchen und Gräbern zerschlagen, alle Schweine töten, heiraten und Kinder zeugen, um dann als Reformator des Islams die abgefallene Menschheit zur Hingabe an Allah im Sinne des Qur’ans zu führen. Wenn er seine Reformation vollendet hat, wird er sterben und neben Muhammad in Medina begraben werden. So ist die Wiederkunft ‘Isas nach der Auffassung vieler Muslime die direkte Überleitung zum Jüngsten Gericht. Aus diesem Grund wird ‘Isa im Qur’an als „das Zeichen der Stunde” (Sure 43,61) bezeichnet.

b) Die erste und die zweite Posaune
Engel werden mit lautem Getöse die erste Posaune blasen. Daraufhin werden alle Lebewesen im Himmel und auf der Erde wie vom Blitz getroffen in eine tiefe Ohnmacht fallen oder sterben, außer jenen, die Allah lebendig erhalten will.

Dann folgt eine große Stille im Himmel und auf Erden, deren Dauer unbekannt ist.
Danach blasen die Engel die zweite Posaune mit lautem Dröhnen (Suren 6,73; 18,99; 20,102; 23,101; 27,87; 36,51; 39,68; 69,13; 74,8; 78,18). Da werden sich die Himmel spalten und die Erde wird zerbrechen (Sure 82,1-5), Sterne werden erlöschen und Berge wie zerzauste Wolle davonfliegen (Sure 101,4-7). Alle Toten werden auf den Befehl Allahs auferstehen und zum Gericht versammelt werden. Sie stehen stumm in langen Reihen und haben zu schweigen, bis sie gefragt werden. Nun beginnt ihr Nachdenken und ihre Erinnerung an vollbrachtes Unrecht. Ihre aufkommende Reue setzt jedoch zu spät ein (Sure 78,38).

Der Gerichtstag in der islamischen Ewigkeit hat eine Dauer von 50.000 Erdenjahren (Sure 70,4). Dieser schreckliche Tag hat im Qur’an verschiedene Namen. Am häufigsten wird er der Tag der Auferstehung genannt (yawm al-qiyaamat, 90-mal). 40-mal wird er als die Stunde {ai-saa’af) oder als die klopfende Katastrophe (al-qaari’at, Suren 13,31; 69,4) bezeichnet. Er wird als die alles Einhüllende oder Zudeckende (al-ghaashiyat, Suren 12,107; 43 88,1) dargestellt. Er wird die ohrenbetäubende Stunde des Gerichts (al-sakhkhat, Sure 80,33) oder Tag der Scheidung (yawm al-fasl, Suren 37,21; 44,40; 78,17) genannt. Er ist die unausweichlich hereinbrechende (Katastrophe) (al-waaqi’at, Suren 56,1; 69,15), die wahre, reale Stunde (al-haqqat, Sure 69,1), der Tag der Abrechnung (yawm al- hisaab, Suren 38,16+53; 40,27), der Tag der Auferstehung der Toten oder ihrer Sendung aus dem Grab (yawm al-ba’th, Sure 30,56), der alle und alles umfassende Tag (yawm al-muhiyt, Sure 11,84) und der Tag der Religion oder der Tag des Gerichts (yawm al-diyn, Suren 1,4; 83,11). Dieser Tag ist für die Muslime der wichtigste Tag der Weltgeschichte, ihr Ziel und ihre Zusammenfassung. Er liegt wie ein schwarzer Tag vor ihnen, denn sie tragen keine Heilsgewissheit in sich.

c) Das Weltgericht im Islam
Unter der Aufsicht und Herrschaft Allahs (Sure 1,2-4), dessen Thron acht Engel tragen (Sure 69,17), wird jeder einzelne Mensch persönlich gefragt und beurteilt werden. Bücher werden aufgetan, in denen jede Tat aufgeschrieben ist (Suren 17,13-14; 18,49; 69,19+25; 84,7-12). Eine große Waage mit zwei Waagschalen wird aufgestellt, auf welcher die guten gegen die bösen Taten aufgewogen werden (Suren 7,8-9; 44 23,102-103; 42,17). Alles Unrecht zwischen Menschen und zwischen Völkern wird bis zur letzten Ursache aufgeklärt, alle Heuchelei und Lüge enthüllt und gerichtet. Das Gerichtsurteil wird jedem schriftlich in die Hand gedrückt, den Gerechtfertigten in die rechte, den Schuldigen in die linke Hand (Sure 69,19+36).

d) Die Brücke über die Hölle
Nach der Verurteilung folgt in der islamischen Tradition eine Frage der Hoffnung: Wird Muhammad von Allah die Erlaubnis zur Fürbitte für die Verurteilten seiner Gemeinde bekommen? Diese Fürbitte wurde von Muhammad im Qur’an nicht bestätigt, höchstens angedeutet (Suren 2,255; 19.87). Einige Kommentatoren sprechen von 70.000 Verdammten, die auf seine Fürbitte hin gerettet werden. Andere behaupten, dass für jeden, der bekennt „Allah habe einen Partner (Sohn und Heiliger Geist)” keine Fürbitte mehr möglich sei. Einmal steht im Qur’an geschrieben, dass selbst Engel für die Muslime Fürbitte einlegen (Sure 40,7).

Zum Schluss muß jeder den Gang über den „geraden Weg” (al-siraat al-mustaqiym), der über den Schlund der brodelnden Hölle führt, antreten. Einige beschreiben den Pfad, als sei er so dünn wie ein Haar oder so scharf wie die Schneide eines Schwertes; andere sehen in ihm ein Drahtseil über dem röhrenden Feuer oder einen vibrierenden Schwebebalken. Die Verdammten fallen kopfüber in das brüllende Flammenmeer. Die Gerechtfertigten aber gehen mit leichten Füßen über die „höllische Brücke” ins Paradies (Sure 37,23).

e) Die Hölle
Das häufigste Wort für Hölle ist Djahannam und kommt 77-mal im Qur’an vor. Dabei schienen Muhammad zwei Grundkonzepte vor Augen zu stehen:

Einmal ein überdimensionales Biest, das nach al- Ghazali (al-durra al-faakhira) sich auf vier mächtigen Beinen bewegt. An jedem seiner Beine seien 70.000 eiserne Ringe angebracht, die von 70.000 Dämonen mit Seilen festgehalten und gebremst würden, damit das Monster nicht alle Menschen und Dämonen fressen könne. Immer wenn es gefragt werde, ob es noch in der Lage sei, weitere Verdammte zu vertilgen, stöhne es hungrig: „Mehr!” (Sure 50,30).

Dieses frühe Konzept der Hölle wurde später von Muhammad fallen gelassen und durch das Bild eines unüberschaubar großen Kraters ersetzt. Dieser fällt in sechs terrassenartigen Stufen steil zum röhrenden Feuersee ab, in dem glühende Lava koche und brodle. Von Zeit zu Zeit steige und explodiere diese glühende Masse, überflute alle Terrassen und fülle den ganzen Krater, der auf allen Stufen mit Verdammten aus Menschen und Dämonen vollgepackt sei.

Allah habe grobe Folterknechte und erbarmungs- lose Wächter über die Hölle gesetzt (Sure 66,6). Sie lehnen alle Fürbitte ab (Sure 40,49-50), fesseln die schuldiggesprochenen Neuankömmlinge (Suren 34,33; 40,71) und schleifen sie auf ihren Gesichtern an ihren Bestimmungsort (Sure 25,34). Manche werden in Fesseln aneinandergebunden (Sure 25,13). Etliche bekommen Kleider aus Feuer übergestülpt (Sure 22,19). Andere stehen in siedend heißem Wasser, werden mit heißem Wasser übergossen und trinken heißes Wasser gierig wie Kamele, die am unstillbaren Saufdurst leiden (Sure 22,19-20).

Selbst der Onkel Muhammads, Abu Lahab und dessen Frau, wurden von ihrem Neffen in die Hölle befördert, weil sie sich geweigert hatten, Muhammad weiterhin bei dem wachsenden Boykott ihrer Sippe solidarisch zu beschützen: Abu Lahab werde in züngelnden Flammen gebraten und geröstet! Seine Frau müsse ständig gebückt schwere Holzscheite zum Verbrennen ihres Mannes herbeischleppen. Um ihren Hals liege eine Hanfschlinge, an der die Höllenwächter immer wieder ziehen, so dass sie beinahe ersticke und einen tausendfachen Tod sterbe (Sure 111,3-5).

Am tiefsten Punkt der Hölle, direkt am brodelnden Lavasee, stehe der Zaqqum-Baum, dessen Blätter als Speise für die Verdammten wie geschmolzenes Metall in ihren Därmen koche. Sie krümmten sich unter permanenten Magenkrämpfen am stinkenden Höllenschlund (Suren 44,43-46; 37,62-68).

Die unterste Stufe im Höllenkrater wird als djahiym 26-mal im Qur’an genannt. Dorthin werden vor allem jene verfrachtet, die die Offenbarungsverse Muhammads nicht akzeptiert und sie als Lüge bezeichnet haben (Suren 5,29+86; 22,51; 57,19). Ihre Qualen seien unbeschreiblich groß.

Wer sind die Verurteilten, die auf eine der sechs Terrassenstufen verdammt werden? Es sind vor allem die Ungläubigen (Suren 8,36; 9,49+68+73; 17,8; 18,100+102+106; 29,54+68; 35,36; 39,32+71; 50,24; 67,6; 98,6), und solche, die Allah einen Partner zur Seite stellen (Suren 17,39; 21,29+98), alle, die die Hölle leugneten (Sure 55,43) und alle, die sich unterstanden, Allah und Muhammad verbal zu widerstehen und anzugreifen (Suren 9,63; 72,23). Dazu gehören auch Juden und Christen, die nicht an Muhammads Offenbarungen glaubten, und sich seinem Islam nicht unterwarfen (Sure 98,6) und besonders jene, die versuchten Muslime und Musliminnen von ihrem Glauben abzubringen (Sure 85,10). Sie werden ewiglich in ihren Qualen leiden (12-mal).

Zu den Verdammten gehören auch die Stolzen, die Muhammad verachteten und verspotteten (Suren 16,27; 39,59; 40,60+76; 72,23), die Heuchler, die so taten, als wären sie Muslime (Sure 9,68+73), die Hinterlistigen (Sure 8,36-37) und alle Verbrecher und Frevler (Suren 19,86; 20,74; 43,74; 55,43-44). Sie können weder sterben noch leben (Sure 20,74).

Aber auch schuldig gewordene Muslime finden sich in der ewigen Qual, etwa wenn ein Muslim einen anderen Muslim vorsätzlich tötete (Sure 4,93), wenn seine Waagschale zu wenig mit guten Werken beladen war und hochschnellte (Sure 23,103), oder wenn er vom rechten Weg abwich und nur kleinlich in Raten spendete (Sure 72,14-15). Aber nicht nur Menschen, sondern auch Dämonen gehören zu den Bewohnern der Hölle, falls sie sich nicht dem Geist des Islams unterworfen hatten (Suren 11,119; 19,68; 32,13).

Man kann sich beim Lesen dieser Offenbarungen an Muhammad des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mehrzahl der Verdammten in der Hölle Muhammads Feinde waren, die seinen Islam nicht angenommen hatten. Er haßte sie und weidete sich an der detaillierten Beschreibung ihrer Qualen. Er nahm auf diese Weise Rache an ihnen, so wie er seinen toten Feinden, die er nach der Schlacht von Badr in einen alten Brunnen werfen ließ, noch Flüche in die Tiefe hinein nachrief.

Erschütternd ist auch die Aussage Allahs, dass er persönlich unbeugsame Christen, die den Islam Muhammads nicht annahmen, mit einer fürchterlichen Plage in dieser Welt und in der nächsten quälen werde (Sure 3,56). Das gilt auch allen Animisten, die sich dem Islam nicht öffnen. Der Zorn Allahs und sein Fluch bleiben über ihnen (Sure 48,6).

Wer die islamischen Darstellungen von der Auferstehung der Toten und dem Jüngsten Gericht liest, und sie mit den Berichten des Neuen Testaments vergleicht, findet neben scheinbaren Gemeinsamkeiten unüberbrückbare Unterschiede, von denen wir sechs herausstellen wollen:

• Im Islam erscheint nicht Jesus als Richterkönig, sondern Allah! Nicht der Retter der Menschen ist im Islam der Weltenrichter, sondern ein eiskalter Willkürherrscher, der verführt, welche er will und leitet, welche er will.

• Muslime stolpern ohne biblische Sündenerkenntnis ins Gericht, sie denken, sie seien gut genug, um ihr Sündenkonto mit guten Taten ausgleichen zu können. Sie wissen nicht, dass alle Menschen, ohne Ausnahme, verloren und verdammt sind, weil sie nicht barmherzig, heilig und vollkommen wie Gott sind und seiner Herrlichkeit ermangeln (3. Mose 11,44-45; + 19,2; Mt 5,48; Luk 6,36; Röm 3,23). Muslime sagen nicht wie Martin Luther:

„Da war kein Gut’s am Leben mein,
zur Hölle mußt ich sinken.”

• Sie kennen weder das Ausmaß ihrer Sünde, noch haben sie alle ihre bewussten Sünden bekannt und sich nicht vom heiligen Gott der Liebe im Voraus richten lassen. Im Islam gibt es kein vorgezogenes Selbstgericht, das sie vom eigentlichen Gericht befreit hätte (1. Joh 1,8-10). Die Muslime haben vielmehr Angst vor einer islamischen Vorstufe des Gerichts, die mit den Plagen im Grab eines jeden Verstorbenen beginnen. Der Engel des Lichts kämpft dort mit dem Engel der Finsternis um die Seele des Toten. Deshalb fürchten sich viele Muslime nicht nur vor dem Gericht, sondern auch vor ihrem Grab.

• Muslime kennen keinen Mittler und wissen nichts vom Lamm Gottes, das ihre Sünde wegtrug (Joh 1,29; Jes 53,4-12). Muhammad ist nicht an ihrer Stelle gestorben, was auch nutzlos gewesen wäre. Deshalb schlittern sie ohne die Vergebung ihrer Sünden und ohne Frieden mit Gott ins Jüngste Gericht und tragen eine unterschwellige Angst in sich. Sie lehnen eine Rechtfertigung allein aus Gnaden ab und kennen keine Reinigung ihrer Herzen (Ps 51,7-11; Hes 36,25-27; Mt 5,8). 52

• Sie werden entsetzt und überaus schuldig vor dem wahren Richter stehen. Sie haben keine Ahnung von dem befreienden Wort Jesu:

„Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,
dass er die Welt richte,

sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.

Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.

Wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet,

denn er glaubt nicht an den Namen des einziggeborenen Sohnes Gottes”
(Joh 3,17-18; 5,24).

• Muslime lehnen den gekreuzigten Gottessohn und sein auch für sie vollendetes Heil bewußt oder unbewußt ab. Sie scheiden sich damit willentlich von ihrer Umsonst-Rechtfertigung und der Reinigung ihrer Herzen, die auch für sie vorbereitet ist. Der Haß gegen den gekreuzigten Heiland steigert sich bisweilen zum offenen Fluch (Suren 3,59-61; 9,29).

Jesus redete mehrere Male von der Realität der Hölle, jedoch sehr zurückhaltend:


„Da wird sein Heulen und Zähneklappern” (Mt8,12; 13,40-42+49-50; 22,13; 24,51; 25,30; Luk 13,28),

„wo ihr Feuer nicht erlöscht und ihr Wurm nicht stirbt” (Mk 9,42-49).


In Lukas 16,19-31 hat Jesus den Vorhang vor der Hölle weggezogen und uns einen Einblick in das Leiden der Verdammten gegeben. Er wollte sich mit dieser Offenbarung nicht an ihnen rächen, sondern alle Unbußfertigen und insbesondere die Reichen erschüttern und zur Umkehr bewegen.

f) Wie stellen sich Muslime das Paradies vor?
Der Qur’an redet 62-mal von einem Garten (al- djannaf), dreimal von zwei Gärten (al-djannataan) (Suren 55,44-62, und 57-mal von mehreren Gärten (al-djannaat). Nur zweimal wird vom Paradies (al-firdaws) geredet (Suren 18,107; 23,11)8. Diese verschiedenen Paradiesgärten werden zusammen 124-mal erwähnt, während die Hölle {djahannam 77-mal und djahiym 26-mal) zusammen nur 103-mal im Qur’an genannt werden.

Für die obengenannten Gärten gibt es noch weitere Bezeichnungen:
Die Gärten der Annehmlichkeit und der Wonne (djannaat al-naiym) werden 13-mal genannt (Suren 10,9; 22,56; 26,85; 31,8; 37,43; 52,17; 56,12[-40]+89; 68,34; 70,38).
Der Garten Eden (djannat adan) wird 11-mal genannt (Suren 9,72; 13,23; 16,31; 18,31; 19,61; 20,76; 35,33; 38,50; 40,8; 61,12; 98,8).
Der Garten der Unsterblichkeit djannat al- khuld) wird nur einmal in Sure 25,15 genannt.
Die Länge und Breite der Gärten sei so weit wie die Erde und der Himmel reichen (Suren 3,133; 55 57,21). Es gibt Andeutungen, dass Gärten an einem Bergabhang als „höher gelegene Gärten” liegen sollen (Suren 69,22; 88,10). Sufiausleger erklären im Anschluß an die Vision Muhammads, dass der Lotusbaum am höchsten Punkt des Berges stehe und mit seinem Schatten das ganze Paradies abdecke. (Sure 53,14+16). Die verschiedenen Gärten seien von Wächtern bewacht (Sure 39,73), welche die Schätze des Islams bewachten: das Buch, in dem alle Taten der Menschen aufgeschrieben stehen (Sure 10,61) und das Urbuch, aus dem alle Offenbarungen stammen (Sure 85,21-22).

Über diesen Paradiesgärten breiten sich die Himmel aus, die von den Gärten durch das Reich (malakuut) und die Kraft (jabaruut) getrennt sind. Die Herrlichkeit Allahs schwebt über diesen sie- ben Himmeln (Suren 2,29; 17,44; 23,86; 41,12; 65,12; 67,3; 71,15), die den Muslimen nicht offen stehen (Sure 72,8). Adam lebe im untersten Bereich des Himmels, dann folgen ‘Isa (Jesus) und Yahya (Johannes der Täufer), Jeremia, Abraham und Mose in den höheren Himmeln. Über ihnen wird der Thron Allahs von acht Engeln getragen (Suren 69,17-18).
Das Interesse des Qur’ans konzentriert sich nicht so sehr auf den Ort, wo Allah wohnt, sondern auf die Gärten, die wie eine überdimenionale Oase die gerechtgesprochenen Muslime aufnehmen sollen.

Am Häufigsten (48-mal) werden im Blick auf diese Gärten sprudelnde Quellen, Bäche und Flüsse in Niederungen genannt, wobei die Salsabil- Quelle (Sure 76,18) und der Phantasiefluß (kaw- thai) (Sure 108.1)10 speziell erwähnt werden. Außerdem gibt es Flüsse, in denen Milch oder Honig, Wein oder Wasser fließen sollen (Sure 47,15).
Die Folge dieser frischen Wasser und Flüsse sind unzählige Fruchtbäume, die einen dichten Schatten spenden (Suren 4,57; 13,35; 55,68; 56,28-32; 76,14), unter denen bequeme Couchen, Betten und Liegen stehen (Suren 36,56; 37,44; 38,51; 44,53; 55,54; 56,34; 76,13; 88,13).
Für die Nahegebrachten (al-muqarrabuwn) wurden golddurchwirkte Couchen vorbereitet (Sure 56,15) und mit kostbaren Kissen und Teppichen belegt (Sure 88,15-16).
Die gerechtgesprochenen Muslime tragen glänzende Kleider aus Sundus- und Istabraq- Brokat (Suren 18,31; 22,23; 35,33; 44,53; 76,12+21). Sie schmücken sich mit Armringen aus Gold (Suren 18,31; 22,23; 35,33) und kostbaren Perlen (Suren 22,23; 35,33).
Silberne Becher werden aus silbernen Kannen immer wieder von ewig jungen Knaben nachgefüllt (Suren 52,24; 56,17-19; 76,19).
Von den Fruchtbäumen hängen Zweige mit köstlichen Früchten tief herunter (Sure 2,25; 55,54). Granatapfel- und Palmbäume sowie Traubenlauben stehen zur Verfügung (Suren 55,52+68). Die einladenden Fruchtbäume werden 17-mal genannt (Suren 13,35; 36,67; 37,42; 38,5; 44,55; 47,15; 56,20+32-33; 69,23; 76,14).
Verschiedene Fleischsorten werden den Ruhenden immer wieder zur Auswahl angeboten (Suren 56,21).
Spezielle berauschende Getränke, die nicht trunken machen, werden auf Wunsch von verführerisch schönen Jungen nachgefüllt (Suren 37,45-47; 52,23-24; 56,17-19; 76,5-6+15-19; 88,12+14). Die Gerechtfertigten werden immer wieder aufgefordert: „Eßt und trinkt! Wohl bekomms!” (Suren 52,19; 69,24).

In detaillierter Weise werden 17-mal großäugige Paradiesjungfrauen beschrieben, die den Muslimen als Gattinnen zur Verfügung gestellt werden (Suren 44,54; 52,20). Sie seien strahlend schön wie Hyazinth und Korallen (Sure 55,58). 58 Sie gehören zu den Guten (Sure 55,70) und bleiben geschützt wie wohlverwahrte Perlen (Suren 55,72; 56,22-23). Sie leben abgeschirmt in Zelten oder Pavillons und ruhen auf grünen Decken und aäqany-Teppichen (Sure 55,76). Sie halten ihre großen Augen niedergeschlagen (Sure 37,48) und sind gleichaltrig wie die einzelnen Muslime. Ihre Jungfräulichkeit ist garantiert. Sie blieben unberührt, wie wohlverwahrte Eier (Sure 37,49) und sind weder von Menschen noch Dämonen entjungfert worden (Suren 55,56+74). Sie wurden extra als Jungfrauen für die gerechtgesprochenen Muslime geschaffen und warten mit großen Busen (Sure 78.33)12 heißliebend auf die Gerechtgesprochenen (Sure 56,35-37). Bisweilen seien die Muslime im Paradies nicht ansprechbar, wenn sie mit ihren Gattinnen auf Couchen beschäftigt seien (Sure 36,55-58).

Muhammad fragt im Qur’an in einem Kehrreim herausfordernd: „Welche dieser Gnadengaben Allahs nennt ihr Lügen?” (Suren 55,56-57+70- 75). Er antwortet selbst darauf: „Der Name deines Herrn ist voller Segen!” (Sure 55,78).

Weder Hitze noch Kälte wird die Paradiesbewohner stören (Sure 76,13). Sie haben in den Gärten alles, was sie wollen und wünschen (Suren 59 16,31; 25,16; 41,31; 42,22; 50,35; 52,22; 65,11)! Sie werden ohne Rechnung morgens und abends mit allem versorgt (Sure 19,62).

Muhammad hat die unterbewußten und bewußten Wünsche seiner Beduinen genau gekannt, die in der erbarmungslosen Hitze oder Kälte der Wüste ein karges Dasein fristeten. Sie träumten von einem bequemen Leben in einer reichen Oasenstadt mit allen möglichen Wonnen und Genüssen. Muhammad transponierte diese weltlichen Träume, phantasievoll gesteigert, ins Paradies, um seine Muslime während der Verfolgungen in Mekka zu trösten und seine Kämpfer in Medina im Heiligen Krieg anzufeuern.

Es wäre falsch, Muhammad nur materielle und fleischliche Genüsse im Blick aufs Paradies zuzuschreiben. Er hat auch religiöse Sehnsüchte und Hoffnung auf Segen in die Gärten der Wonne hineinprojeziert. Den Muslimen wurden bleibende Behausungen im Paradies entsprechend ihrer Einsätze und Opfer für den Islam bereitgestellt: Vornehme Zimmer (Suren 25,75; 29,58; 34,37; 39,20), Absteigequartiere (Suren 3,198; 18,107; 32,19; 38,49; 41,32), gute Wohnungen (Suren 9,72; 61,12), Häuser (Sure 66,11), letzte Behausungen mit friedvollen großräumigen Hallen (Suren 2,94; 6,32+127; 10,25; 12,109; 13,22+24+42; 60 16,30 (2-mal]; 28,37-38+77+83; 29,64; 33,29; 35,35; 40.39)14 und Schlösser (Sure 25,10). Für jeden ist dies der beste und schönste Ruheplatz (Suren 18,31; 25,24; 32,19; 79,41).

In den Gärten der Wonne und in ihren Wohnungen hören sie kein leeres Geschwätz, keine Lüge und sehen keine Sünde (Suren 19,62; 36,58; 56,25; 78,35; 88,11). Sie hören allenthalben nur den Friedensgruß: „Salaam” (Suren 6,127; 7,46; 16,32; 19,62; 39,73; 50,34), der ihnen auch von Engeln (Sure 16,32) und selbst von ihrem Herrn entboten wird (Sure 36,58).

Sie leben in Wonne und im Glück (Suren 9,21; 10,10; 11,108; 13,24; 14,23; 15,46; 52,17; 56,26; 83,24; 76,20) und genießen nur Bequemlichkeit, Reichtum und Besitz (Sure 76.20). Sie erleiden keine Traurigkeit noch haben sie Angst vor Vertreibung, sie werden nicht erniedrigt und müssen sich um nichts bemühen (Suren 7,49; 10,26; 15,48; 35,34-35). Ihnen wird Vergebung ihrer Untaten zuteil (Suren 3,133+136+[157- 158]; 4,95-96; 35,33-34; 48,5; 57,21; 64,9). Ihr Haß wird aus ihren Herzen genommen (Suren 7,43+ 15,47).

Ihr Bleiben im Garten der Wonne stellt ihren Lohn für ihren Glauben, ihre guten Taten und ihre Opfer dar (Suren 3,136; 18,30-31; 20,76; 39,74; 46,14; 76,12). Der Paradiesgarten ist ihr Erbe geworden (Suren 7,43; 19,63; 26,85; 39,74; 43,72). Sie sind Besitzer dieser Gärten (Suren 2,82; 25,24; 46,14+16; 59,20; 68,17). Die Verheißung, dass sie ewig in den Gärten der Wonne verweilen, wird ihnen 30-mal im Qur’an zugesprochen.

Sie können mit den Höllenbewohnern reden, über sie lachen und sie verspotten (Suren 7,44; 37,50-61; 74,42-47 83,34-35), wie auch die Höllenbewohner sie um kühles Wasser aus dem Paradies bitten (Sure 7,50), aber nicht bekommen können, weil eine Trennwand (barzach, Suren 23,100; 25,53; 55,20) oder ein Vorhang (hidjaab, Sure 7,46) zwischen ihnen besteht.

Das Lob Allahs durch die Muslime wird jedoch nur viermal in den 124 Versen über die Gärten erwähnt (Suren 7,43; 10,10; 35,34; 39,74). Das Lob der Engel, die Allahs Thron tragen, wird nur einmal verzeichnet (Sure 39,75).16 Ausdrücklich wird jedoch geschrieben, dass Allah mit den Muslimen im Paradies zufrieden sei, wie auch sie mit ihm und seinen Wohltaten zufrieden seien (Suren 3,15; 5,119; 9,72+100; 98,8). Diese Zufriedenheit Allahs wird besonders seiner Spezialpartei, der Hisbullah mit ihren Selbstmordeinsätzen zugesprochen (Sure 58,22).

Im Qur’an wird an keiner Stelle deutlich oder konkret von der Anwesenheit Allahs in den Gärten gesprochen. Allah ist größer als das Paradies. Auch in der Ewigkeit gibt es keine Gemeinschaft zwischen Allah und seinen Muslimen. Das hat viele Mystiker und Islamtheologen beunruhigt. Sie suchten in den Versen des Qur’ans nach Worten, die andeutungsweise oder verhüllt die Gegenwart Allahs im Paradies bezeugen (Suren 10,26; 42,22; 50,34; 54,54-55; 75,22-23). Andere muslimische Gelehrte stellen jedoch diese Hineinlesungen der eigenen Wünsche in den Qur’an in Frage.

Eigenartig berührt eine andere Formulierung im Buch der Muslime, dass der Eintritt in die Paradiesgärten einen großen Erfolg und einen gewaltigen Sieg (fawz aziym) für die gerechtfertigten Muslime darstelle. Auch hier zeigt sich wieder die Ablehnung der unverdienten Umsonstgnade und die Herausstellung des eigenen Verdienstes! (Suren 3,185; 9,71-72+88-89+99-100; 48,5; 57,11-12; 61,12; 64,9; 85,11 u.a.)

Die entscheidende Frage jedoch bleibt: „Wer sind die Bevorzugten, die ins Paradies kommen?” Das sind zuerst die Gottesfürchtigen, die Buße taten, die sich vor Allah demütigten, um Vergebung baten und Muslime wurden. 27-mal wird ihre Gottesfurcht betont. In den Versen, die sich auf die Gärten der Wonne beziehen, steht nicht ein einziges Mal, dass Muslime Allah lieben. Ein Satz, wie: „Die Gott lieben, werden sein wie die Sonne, die aufgeht in ihrer Pracht”, kann nicht im Qur’an stehen. Allah bleibt auch im Paradies der zu Fürchtende und Erhabene.

Als nächstes werden jene Muslime genannt, die an die Verse Muhammads glaubten und gute Taten vollbrachten (30-mal). Ihr Glaube erscheint als ein Verdienst, weil sie Allah und Muhammad vertrauten und gehorchten (Suren 48,18; 56,10- 12; 58,22). Dann werden Muslime genannt, die etwas für den Islam taten und nicht nur redeten (Suren 3,134-136+195; 13,23; 16,32; 32,19; 39,74; 43,72; 46,14). Besonders die gottesfürchtigen Spender haben eine große Chance einen guten Platz im Paradies zu bekommen (Suren 3,16+134; 5,85; 9,18-19; 10,26; 13,22; 16,30; 51,15-19). Wer auf der Erde eine Moschee baut, dem wird im Paradies ein Schloß bereitgestellt.

Eine bevorzugte Stelle nehmen jene Muslime ein, die im Heiligen Krieg mit der Waffe in der Hand kämpfen (Suren 3,142; 9,19+88-89+111; 47,4-6; 48,17; 61,10-12). Wer als Märtyrer für Allah in einer Schlacht fällt, bekommt völlige Vergebung (Sure 3,157+158+195) und wird sofort, noch vor dem Tag der Auferstehung, ins Paradies entrückt (Sure 3,169-170). Das ist einer der Gründe, weshalb immer wieder islamischen Schwerverbrechern angeboten wird, bei Überfällen und in Kämpfen ein Himmelfahrtskommando zu übernehmen. Ihr Märtyrertod bietet ihnen die einmalige Chance für ihre umfassende Rechtfertigung und ihren Eintritt ins Paradies. Auch die Mekkapilger, die jährlich bei den Wallfahrten umkommen, werden als Märtyrer bezeichnet, die direkt ins Paradies entrückt werden.

Allen von Mekka nach Medina ausgewanderten Flüchtlingen wird eine hohe Stufe in der Ewigkeit zugesprochen, aber auch ihre medinesischen Helfer (ansaar) wurden nicht vergessen (Suren 3,195; 9,20-21+100; 13,22; 29.58-59).

Grundsätzlich werden alle Anbeter wie auch die regelmäßigen Beter als Kandidaten für die ewigen Gärten angesehen (Suren 2,3; 2,45-46; 2,2777; 7,170; 8,3-4; 9,71; 13,22; 31,4-5; 51,17- 18; 70,34-35). Insbesondere werden verschiedene Geläuterte erwähnt: Die Wahrhaftigen (Sure 5,119), die Guten aus ihren Sippen (Sure 40,8), die vom Geist Allah gestärkten Mitglieder der Hisbullah (Sure 58,22) und alle die Allah und Mu- hammad gehorsam waren (Sure 48,17).

Nicht nur die Männer, auch Frauen können zu den prädestinierten Auserwählten gehören, die ins Paradies kommen (Suren 4,124; 9,72; 13,23; 36,56; 40,8+40; 43,70; 48,5). Gute Väter hoffen auf Grund eines Engelgebetes im Qur’an mit den Guten unter ihren Vorfahren, ihren Frauen und ihren Nachkommen wiedervereint zu werden (Suren 40,7-8; 43,70; 48,5).

Nicht nur Muslime aus der Zeit Muhammads können ins Paradies kommen. Wir lesen auch von den Patriarchen der Heilsgeschichte und ihrem Verhältnis zu den ewigen Gärten: Adam lebte dort vor seiner Vertreibung aus dem Garten Eden (Suren 2,35; 7,19+22; 20,117- 121). Abraham bat um ein Erbteil im Paradies (Sure 26,85). Zu den „Nahegebrachten” gehören mehr Gläubige aus den früheren Generationen als von den Muslimen zur Zeit Muhammads (Sure 56,13). Zahlreiche Nachfolger Muhammads gehören dann zu denen, die „zur Rechten stehen”, wie auch eine große Zahl von den Gläubigen aus den früheren Generationen (Sure 56,39).
Letztlich bleibt es ein großes Vorrecht, in die Gärten der Wonne einzutreten (Suren 35,32; 42,22; 44,57). Von Dank und Lob für dieses Vorrecht steht jedoch wenig im Qur’an.

Muhammad redet sehr deutlich von denen, die niemals ins Paradies eintreten können: Das sind vor allem diejenigen, die Allah einen Teilhaber zur Seite stellen (Sure 5,72). Damit sind alle Christen, Hindus und Götzenanbeter gemeint. Eine weitere Gruppe der Ausgeschlossenen aus dem Paradies sind jene, die die Verse Muhammads als Lüge erklärten. Sie können nicht in die Gärten eintreten, bis ein Kamel durchs Nadelöhr geht (Sure 7,40). Wenn Juden und Christen an Allah und Muhammad glaubten, hätten sie die Chance, dass eines der sieben Tore zu den Gärten sich auch ihnen öffnete (Suren 2,111-112; 5,65-66). Da sie aber den Islam verstockt ablehnen, müssen sie draussen bleiben.

Aus diesen islamischen Ewigkeitsvorstellungen sollen zwei Schwerpunkte speziell betrachtet werden:

• Wenn die zweite Posaune ertönen wird, und alle Ohnmächtigen oder Toten auferweckt werden, erfolgt keine geistliche Neuschöpfung, auch keine geistliche Erneuerung des alten Menschen, vielmehr werden sie genauso auferweckt oder erschaffen, wie sie zuvor auf Erden lebten. Die Rillen ihres Daumens werden genau dieselben sein, wie zuvor im irdischen Leben. Alle ihre früheren Bedürfnisse, Gedanken und Motive bleiben erhalten. In einem kürzlich erschienen arabischen Buch über Sex im Islam ist ein Kapitel des Buches dem Sex nach dem Tod gewidmet. (Ibrahim Mahmud, al-Djins fi al-Qur’an, London, 1994) Dabei werden die entsprechenden Qur’anstellen durch Traditionen Muhammads ausgelegt. Spätestens hier können auch die bestgesonnensten Sympathisanten der Muslime erkennen, dass der Islam ein unreiner Geist ist, der das Gegenteil des Heiligen Geistes in der Bibel darstellt.

Die Antwort, die Jesus den liberalen Sadduzäern gab, richtet auch den Islam. Die Kritiker der Auferstehung hatten damals einen spitzfindigen Fall diskutiert und fragten Jesus, welchem der sieben verstorbenen Gatten die noch lebende Witwe im Jenseits gehören werde. Jesus antwortet ihnen:
„Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt, noch die Kraft Gottes. Denn in der Auferstehung werden sie weder freien noch sich freien lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel” (Mt 22,23-33; Luk 20,27-38).

Mit dieser Klarstellung des Sohnes Gottes fällt auch die islamische Zukunftshoffnung wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ewige Wonnegärten wie der Qur’an sie beschreibt, gibt es nicht. Muhammad kannte weder die echte Offenbarung Gottes in den Schriften des Alten und des Neuen Testaments noch hatte er eine Ahnung von der Kraft Gottes. Er meinte zwar dem wahren Gott zu dienen, war aber letztlich ein falscher Prophet.

• Nach verschiedenen Traditionen erklärt Muhammad, er habe das Paradies gesehen. Seine Bewohner seien zu 90 Prozent Männer und nur 10 Prozent seien Frauen. Deshalb habe Allah für jeden Muslim Paradiesjungfrauen geschaffen. Muhammad behauptete, auch die Hölle gesehen zu haben. Dort seien 90 Prozent der Insassen Frauen und nur 10 Prozent Männer. Als er gefragt wurde, woher ein solches Mißverhältnis zwischen Männern und Frauen in der Ewigkeit komme, meinte er, dass die meisten Frauen aufsässig, unehrerbietig und selten ihren Männern untertan seien. Nur für jene Frauen bestünde Aussicht, ins Paradies einzutreten, die von ihren Männern im Gericht bescheinigt bekämen, dass sie immer demütige, willfährige, gehorsame, sparsame und gläubige Musliminnen gewesen seien (Sure 66,4).

Muhammad litt unter wachsenden Schwierigkeiten in seinem eigenen Harem, der in zwei Lager gespalten war. In Sure 66,3 rief er Allah, Djibril und die Guten unter den Muslimen, samt allen Engeln an, ihm gegen seine beiden Teenager-Frauen Aisha und Hafza beizustehen.

Umm Salamah, eine kluge Frau, welche die andere Gruppe im Harem Muhammads anführte, wagte es, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass fast alle seine Offenbarungen nur Verheissungen und Ordnungen für Männer enthielten. Seit ihrer Kritik hat Muhammad in seinen Versen auch Frauen eingeschlossen und ihnen Hoffnung gemacht, in die ewigen Gärten einzutreten. Er redete dabei von gereinigten Gattinnen und von Gattinnen im allgemeinen, legte sich jedoch nicht fest, ob er damit die Paradiesjungfrauen oder die irdischen Gattinnen der Muslime meinte (Suren 2,25; 4,57; 36,55- 56). Auf alle Fälle garantierte er den muslimischen Männern Sex in alle Ewigkeit mit oder ohne ihre irdischen Gattinnen.

Wer diese islamische Ewigkeitshoffnung mit dem christlichen Zeugnis vom ewigen Leben vergleicht, findet kaum noch einen gemeinsamen Nenner. Der Islam und das Christentum liegen auf zwei völlig verschiedenen Ebenen. Die Kraft des Heiligen Geistes im Neuen Testament ist den Muslimen unbekannt und weitgehend verschlossen.

g) Wie sieht das ewige Leben bei den Christen aus?
Als Christus geboren wurde, ist das ewige Leben in Menschengestalt erschienen (Joh 1,4; 1. Joh 1,2). In ihm ist die Ewigkeit in die Zeit und das Heilige in das Unheilige hereingebrochen (Mk 1,24, 5,7). Muslime jedoch lehnen die Gottheit und Ewigkeit ‘Isas als Lästerung ab. Christus aber bleibt unser Leben (Phil 2,21; Gal 2,20). Er ist die Quelle unserer geistlichen Kraft, Liebe, Demut und Sanftmut (Joh 14,19+27; 15,11; 16,13-15, Apg 1,8). Er ist unser Friede (Eph 2,14)!

Durch den Glauben an ihn empfangen wir heute schon ewiges Leben (Joh 17,3; Gal 2,20; Eph 2,1-6) und nicht erst nach dem Tod oder nach der Auferstehung. Sein Geist ist das ewige Leben in uns (Joh 6,63; Röm 8,10-11; Hes 36, 26-27).
Dieser Geist treibt uns an und gestaltet uns um in das Bild Jesu Christi (Röm 8,14; 2. Kor 3,17-18;). Er heiligt uns durch und durch und richtet alle unsere Sünde und unseren Hochmut (1. Thess 4,3; Hebr 4,12). Er befestigt uns in Jesus. Wir sind berufene Glieder an seinem geistlichen Leib (Röm 12,4- 5; 1. Kor 12,12-27; Eph 4,11-16). Jesus Christus wohnt durch den Glauben in unseren Herzen (Joh 75 15,5; Eph 3,17; Kol 2,6-7). In ihm werden wir mit seinen Gnadengaben erfüllt ( Eph 1,3; 3,19; Kol 1,9- 10) und leben als eine geistgeborene, neue Kreatur (2. Kor 5,17; Röm 8,10; Gal 6,15; Offb 21,5).

Den Muslimen bleibt die geistliche Existenz der Gemeinde Jesu verborgen. Muhammad erkannte zwar, dass die Christen nicht stolz, sondern barmherzig sind. Er sah darin eine spezielle Gabe Allahs für die Nachfolger ‘Isas (Suren 3,55; 5,46+82; 57,27). Das Geheimnis des Heiligen Geistes blieb ihm jedoch verborgen. Ohne Glaubensverbindung mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen gibt es kein ewiges Leben. Wer nicht von oben geboren ist, kann das Reich Gottes nicht sehen (Joh 3,3).

„Christus in uns ist die Hoffnung der Herrlichkeit!” (Kol 1,27). Wenn er wiederkommen wird in seiner Herrlichkeit, wird auch das geistliche Leben, das er uns geschenkt hat, offenbar werden (Kol 3,1-4). Keiner von uns trägt ewiges Leben in sich selbst. Nur in, mit und durch Jesus Christus ist uns dieses Vorrecht gewährt. Er versichert uns:

„Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe.
Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.
Glaubst du das?” (Joh 11,25-26).

Die Auferstehung Jesu von den Toten hat unsere Auferstehung vorausgeschattet (1. Kor 15,20). Sein Geistleib enthält unsere zukünftige Existenz. Er war berührbar und kein formloser Geist. Trotzdem ging er durch Mauern und verschlossene Türen hindurch. Er aß aus Liebe zu seinen Jüngern, aber bedurfte keiner Speise (Lk 24,36- 43; Joh 20,19-29; 21,9-14). Sein ewiges Leben in uns wird bei seiner Wiederkunft sichtbar werden.

Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich;
es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit;

es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft;

es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib” (1. Kor 15,42-44).

Muslime denken in dieser Frage anders. Sie sagen: Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird wieder auferstehen ein natürlicher Leib. Die geistliche Dimension des ewigen Lebens bleibt ihnen verborgen.

Christus hat uns den Vater im Himmel geoffenbart. Durch die Glaubensverbindung mit dem Sohn wurden wir adoptiert und als Kinder Gottes neu geboren. Wir sind seine Geliebten und gehören zu seiner Familie. Muhammad sah in diesem Zeugnis eine Lästerung (Sure 5,17-18) und verspottete die Christen. Wir aber haben nur ein Ziel und eine Hoffnung für die Zukunft: Wir wollen nach Hause gehen und unseren Vater sehen, vor ihm niederfallen und stammeln:

“Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner.”

Er aber wird den Mantel seiner Gerechtigkeit um uns legen und sagen:
“Freuet euch mit mir; denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden” (Lk 15,20-24).

“Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen; und wir sind es auch! Noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wenn er aber erscheinen wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist” (1. Joh 3,1-2).

Wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern durch den Herrn, der der Geist ist” (2. Kor 3,18).

Christus lebt! Muhammad ist tot!
Wer Christus nachfolgt, lebt ewig. Wer Muhammad folgt, folgt der Religion des Todes. Allein durch den Glauben an Christus empfangen wir ewiges Leben. Ein anderes ewiges Leben gibt es nicht. Da Muslime den gekreuzigten Gottessohn beharrlich ablehnen, bleiben sie im geistlichen Tod und in der Hoffnungslosigkeit. Wer aber durch Christus lebendig geworden ist, gehört zu der Zahl, die niemand zählen kann.

“Diese sind aus großer Trübsal und Verfolgung gekommen und haben ihre Kleider gewaschen und hell gemacht im Blut des Lammes. Darum stehen sie heute schon vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht Sie werden nicht mehr hungern und dürsten, die Sonne wird sie nicht mehr stechen noch irgend eine Hitze sie plagen. Das Lamm mitten im Thron wird sie zu lebendigen Wasserquellen führen, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen” (Offb 7,9+14-17).

Gottes Gegenwart bei seinen Kindern ist der Glanz und das Geheimnis des ewigen Lebens.
“Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst wird mit ihnen sein” (Offb 21,3).

Im Islam gibt es keinen Vater, keinen Sohn und keinen Heiligen Geist. Deshalb gibt es auch keine Rechtfertigung aus Gnaden als Voraussetzung für das ewige Leben. Der Heilige Geist wurde ausgegossen, weil Christus am Kreuz gestorben ist. Ohne Kreuz kein Geist, ohne Geist kein ewiges Leben, keine Erneuerung und keine Heiligung.

Muslime haben keine Ahnung von der geistlichen Existenz und Erneuerung der Gemeinde Jesu.

“Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Wehen des Geistes Gottes. Es ist ihm eine Torheit oder ein Ärgernis” (1. Kor 2,14).

Er denkt nur an Essen, Trinken und Sex, sogar nach dem Tod. Wir aber leben auf einer anderen Ebene, in einer anderen Welt, in Jesus Christus, unserem Herrn (Joh 17,3; Phil 2,5-11).

II. Der Prüfbericht

Nachdem wir die fünf Satzteile von Johannes 3,16 wie Elektroden an den Qur’an anlegten und Fragen wie Stromstösse durch den Islam sandten, wollen wir versuchen, die Quersumme der Prüfungsergebnisse vorzulegen. Dabei ergeben sich drei Aspekte:

1. Der Islam ist ein antibiblischer Geist
Pfarrer Eberhard Troeger hat in einem seiner Vorträge unter der Leitung des Heiligen Geistes die Formulierung vom „antibiblischen Geist des Islams” geprägt. Wir schließen uns seiner Aussage voll an.

Muslime bezeugen zunächst, dass alle drei Bücher, die Thora, das Evangelium und der Qur’an, verbal inspirierte, fehlerlose Offenbarungen Allahs darstellten (Sure 5,44-50 u.a.), behaupten jedoch im gleichen Atemzug, die Juden hätten einzelne Worte ihrer Schrift verborgen, verdreht oder verfälscht (Suren 2,40-42+75+79+140-141; 3,71+78; 4,46; 5,13).
Den Christen lastet der Qur’an an, sie hätten die Worte der Offenbarung vergessen (Sure 5,14). Insonderheit wird Juden und Christen vorgeworfen, sie hätten alle Verheißungen auf Muhammad, den größten aller Propheten, aus ihren Büchern gestrichen. Im übrigen müsse alles, was in der Thora und im Evangelium anders als im Qur’an laute, eine nachträgliche Fälschung der ursprünglich richtigen Offenbarung sein. Aus diesem Grund traut kaum ein Muslim unserer Bibel. Er fürchtet, durch die Fälschungen in den verschiedenen Büchern irregeleitet zu werden. Er bedauert zuweilen die Juden und Christen, weil sie gutgläubig Fälschungen und Fabeln aufsitzen.

Die Infragestellung der Bibel durch die Muslime zeigt, wie der Irrtum zum Maßstab für die Wahrheit gemacht wird und die Lüge als Richterin über die wahre Offenbarung eingesetzt wurde. Die Muslime haben meistens keine Ahnung von der gewissenhaften wissenschaftlichen Arbeit, die Generationen von gläubigen Männern geleistet haben (Lk 1,1-4), um einen genauen und vollständigen Bibeltext zu erstellen. Über 1.500 Originale – Fragmente oder ganze Bücher – liegen wohlverwahrt in Museen oder Bibliotheken, während alle neun Original-Qur’ane zur Zeit des Kalifen Uthman (651-652 n. Chr.) verbrannt wurden, da unüberbrückbare Differenzen zwischen zahlreichen Qur’anversen bestanden, die bereits zu Spaltungen zwischen den Muslimen geführt hatten. Der Qur’an, der heute existiert, ist der Qur’an, den der Kalif Uthman herausgegeben hat, und nicht mehr der Qur’an Muhammads!

Im Islam gibt es keinen Geist der Wahrheit wie im Evangelium (Joh 14,17; 15,26; 16,13). Die Lüge ist nach der Schari’a in vier Fällen erlaubt:
Im Heiligen Krieg,
bei der Versöhnung zweier Feinde,
ein Mann seinen Frauen gegenüber und die
Frau ihrem Mann gegenüber.

Deshalb herrscht oft großes Mißtrauen zwischen den Muslimen. Keiner ist sicher, ob der andere ihn nicht übers Ohr haut.

Besonders im Umgang mit Nichtmuslimen kommt dieser Geist der List und des Betrugs zum Tragen. Muhammad hat mehrere Male bekräftigt, dass der Heilige Krieg nichts anderes als List und Betrug den Feinden des Islams gegenüber bedeute. Wer in einen Dialog mit Muslimen treten möchte, sollte im Voraus wissen, was sie denken. Was sie sagen, kann ganz anders klingen als was sie beabsichtigen. Einzelne Islamtheologen haben längst begriffen, was Europäer und Amerikaner hören wollen und stellen den Islam als Religion des Friedens dar, obwohl die Hälfte aller Unruhen und Kriege in den letzten 25 Jahren ursächlich mit islamischen Ländern zu tun hatte. Darüber hinaus hat die Schari’a die Welt in ein “Haus des Islams” und ein “Haus des Krieges” eingeteilt. Wo der Islam regiert, soll ein islamischer Friede herrschen. Wo die Schari’a nicht regiert, soll das Land „befriedet” werden.

Neuerdings hört man von muslimischen Sprechern, dass der Islam die soziale Gerechtigkeit predige. Tatsache ist aber, dass die ölfördernden Länder zu den reichsten der Erde gehören, während gleichzeitig über zehn islamische Staaten zu den ärmsten Ländern der Erde zählen. Selbst in Saudi-Arabien gibt es Einheimische, die sich nur selten Fleisch leisten können.

Wir müssen lernen, die Aussagen der Muslime zu hinterfragen, sonst werden wir am laufenden Band hereingelegt. Jesus forderte uns auf, klug zu sein wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben (Mt 10,16).

Allah wird im Qur’an zweimal “der Listigste von allen” genannt (Suren 3,54; 8,30). Können dann seine Nachfolger anders handeln als er? Muhammad hatte seinen beiden Teenager-Frauen, Aischa und Hafsa, gegenüber voreilig geschworen, nicht mehr mit Maria, seiner koptischen Sklavin, zu schlafen. Er bereute diesen voreiligen Schwur später und ließ sich durch eine Offenbarung in Sure 66,1-2 von ihm entbinden. Nicht einmal ein Schwur ist im Islam bindend, da selbst sein Stifter ihn gebrochen hat.

Im Islam herrscht kein Geist der Wahrheit. Das eigentliche Ziel ist der Religionsstaat mit der Hoffnung auf Machtergreifung und Unterwerfung der Feinde. Jede List, die dem Erreichen dieses Zieles dient, ist legal.

Zu diesem Zweck wurde selbst der Qur’an, die Quelle des islamischen Rechts, manipuliert. Dort gibt es abrogierende und abrogierte Verse. Muhammad sagte mehrere Male, dass Allah früher offenbarte Verse aufhebe und durch bessere und zeitgemäßere ersetze, wenn das für das Wohl der Islamgemeinde nötig sei. Es gibt etwa 240 aufgehobene, das heißt ungültige Verse im Qur’an, die jedoch noch nicht gestrichen wurden, weil sie echte frühere Offenbarungen darstellen. Nicht alle Islamtheologen stimmen der Zahl von 240 abrogierten Versen zu. Dieses Problem könnte als eine innerislamische Frage betrachtet werden, wenn nicht über 60 Verse im Qur’an, die zu Toleranz und Gleichberechtigung zwischen den Religionen aufrufen, nach Auffassung der meisten Islamtheologen, durch den Schwertvers und den Bußvers aufgehoben wären (Suren 2,191+193; 8,39; 9,3-4+28-29).

Die vielen Aufrufe zur Toleranz stehen noch immer im Qur’an und werden von den Muslimen, die als Minderheit in christlichen und nichtislamischen Ländern leben, fleißig benutzt. Nicht wenige Humanisten und Christen spielen ihre Ouvertüren auf dem gleichen Klavier, ohne zu merken, dass sie in eine Falle der Muslime getappt sind. Diese Verse sind nicht mehr gültig! Das bekommen die Christen, die als Minderheit in mehrheitlich islamischen Ländern leben, zu spüren. Seit 25 Jahren gehen immer wieder blutige Verfolgungen über diese christlichen Minderheiten hinweg, weil der Islam dort, wo er die Macht besitzt, seinen Schafspelz abgeworfen hat und sein wahres Gesicht zeigt. Im Islam wirkt nicht der Geist der Wahrheit, sondern jener Geist, der mit „groß Macht und viel List” beschrieben werden kann.

Natürlich stimmen nicht alle Muslime dieser Schlangenstrategie zu. Dazu gehören viele muslimische Mystiker und liberale ehrenvolle Muslime. Der Geist des Qur’ans jedoch reformiert sie immer wieder und macht sie zu fanatischen Fundamentalisten, die mit diesem „Geist Allahs” in besonderer Weise ausgerüstet werden (Sure 58,22).

2. Der Islam ist ein antichristlicher Geist
Ausgerechnet Johannes, der Apostel, der die Liebe Gottes erkannte und bekannte, hat mit großer Klarheit auch die Wahrheit präzisiert. Wahrheit und Liebe schließen sich nicht gegenseitig aus, denn Liebe ohne Wahrheit wäre eine Lüge, während Wahrheit ohne Liebe wie Totschlag wirken kann. Das Geheimnis der Seelsorge heißt nicht Liebe oder Wahrheit, sondern Wahrheit in Liebe und Liebe aus der Wahrheit. Das ist der Weg zu einer biblischen Evangelisation der Muslime.

In seinem ersten Brief gibt Johannes uns das Instrument zur Unterscheidung der Geister in die Hand. Er schreibt in Kapitel 2, Vers 21-23:

„Ich habe euch nicht geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht; sondern ihr wißt sie und wißt, dass keine Lüge aus der Wahrheit kommt. Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist?


Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater” (1. Joh 2,21-23)!

Johannes vertieft diese Worte im vierten Kapitel und schreibt:

„Ihr Lieben, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen. Daran sollt ihr Gottes Geist erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott, und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommen wird, und ist jetzt schon in der Welt. Kindiein, ihr seid von Gott und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer als der in der Welt ist” 1. Joh 4,1-4).

Diese beiden Abschnitte aus dem ersten Johannesbrief sollte jeder, der missionarisch unter Muslimen wirken will, auswendig lernen. Hier liegt der Schlüssel zum seelsorgerlichen Verständnis der Muslime. Der Islam ist eine nachchristliche Religion und deshalb notwendigerweise eine antichristliche Religion geworden. Hätte Muhammad den gekreuzigten Gottessohn toleriert und als Geschichtstatsache angenommen, gäbe es überhaupt keinen Islam.

Muhammad hat sich jedoch durch seine Ablehnung der Wahrheit profilieren wollen und verstockte sein Herz gegen das Evangelium in zunehmender Weise. Er benützte Splitter des Neuen Testaments trickreich und verdreht, um Christen für den Islam zu gewinnen. Niemals aber hat er sich Jesus ergeben, untergeordnet oder als seinen Retter akzeptiert. So verhärtete er sich und seine Nachfolger gegen den Geist Jesu. Der Islam wurde zu einer antichristlichen Großmacht, die zwar gottesfürchtig und zeitweise beinahe christlich erscheint, aber Jesus, den gekreuzigten Gottessohn, vehement ablehnt.

Muslime sind Gefangene einer kollektiven Gebundenheit. Sie beten täglich in ihrem Hauptgebet, der Fatiha, Sure 1,5-6:

Führe uns den rechten Weg (den Weg der Schari’a),
den Weg derer, die du begnadet hast (mit Reichtum und vielen Söhnen),
nicht den Weg derer, auf denen dein Zorn ruht (den Weg der Juden mit ihren Zehn Geboten)
und nicht den Weg der Verirrten (den Weg der Christen mit ihrem Glauben an die Heilige Dreieinigkeit).

Die Fatiha ist ein Gebet der Selbstverstockung; sie bindet alle Muslime in kollektiver Besessenheit an den antichristlichen Geist.
Hier liegt die Ursache, dass viele Muslime gegen das Evangelium immun sind, und dass manche nicht recht frei werden, weil sie ihre tiefe Bindung nicht erkennen, und ihre Verbindung zu Sippe und Kultur nicht lösen wollen. Wer nicht bekennt: „Der Herr ist gerecht, ich aber und mein Volk sind schuldig” (2. Mose 9,27), wird nie wirklich frei.


Erst im Schrei eines Jesaja:
„Wehe mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, mit meinen Augen gesehen!” (Jes 6,5),

werden sie recht frei. Die Vollmacht Jesu Christi in der Kraft seines Heiligen Geistes vermag jeden Muslim zu retten.

Wir müssen uns von dem Herrn Jesus wie Paulus sagen lassen:

“Siehe, ich sende dich jetzt,

damit du ihnen die Augen öffnest,
dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht

und von der Gewalt Satans zu Gott,
damit sie durch den Glauben an mich Vergebung der Sünden

und ein Erbteil mit den Geheiligten empfangen” (Apg 26,17-18).

Wir lesen im Missionsbefehl des auferstandenen Herrn an Paulus, dass die Vergebung oft nach der Bekehrung kommt und eine Lösung von der Gewalt Satans bei vielen Menschen nötig wird. Genau hier liegt der seelsorgerliche Schwerpunkt in der Mission unter Muslimen. Sie alle brauchen Jesus als ihren Erlöser, der sie von ihrer kollektiven Gebundenheit frei macht. Wir aber sind berufen, den Sieg Jesu Christi über den Islam zu proklamieren und zu glauben, dass der Gekreuzigte und Auferstandene auch heute viele aus dieser antichristlichen Großmacht befreit.

3. Der Islam ist ein antigemeindlicher Geist
Muhammad hat noch auf seinem Sterbebett verfügt, dass auf der Arabischen Halbinsel keine andere Religion als der Islam existieren könne. Obwohl die Christen im Wadi Nadjran, im Nord- jemen, einen früheren, von Muhammad unterschriebenen Vertrag, besaßen, dass sie als christliche Minderheit von den Muslimen beschützt würden, solange sie die Minderheitensteuer {djizjat) zahlten, wurden sie vom zweiten Kalifen, ‘Umar b. al-Khattab, aus Haus und Hof nach Jordanien vertrieben.

Der islamische Missionsbefehl, der zweimal im Qur’an steht, sagt deutlich:
Kämpfet gegen sie (mit Waffen), bis es keine Versuchung mehr zum Abfall (vom Islam) gibt und die Religion Allahs überall herrscht (Suren 2,193; 8,39).

Diese Verse werden von den Sympathisanten der Muslime meistens nicht geglaubt, weil sie zeigen, dass der Islam letztlich die Weltherrschaft anstrebt.

Muhammad hatte erkannt, dass Juden und Christen eine höhere Bildung und eine bessere Kultur besaßen, als die Muslime damals erreicht hatten (Suren 3,55; 57,27). Sie lebten vor Gott und richteten ihr Verhalten nach ihren Büchern. Sie logen und stahlen nicht, blieben mit einer Frau verheiratet, lebten sauber, waren oft gut gekleidet, zuverlässig und aktiv. Muhammad begriff, dass die Anhänger der Buchreligionen eine Versuchung zum Abfall für seine Muslime darstellten. Deshalb befahl er in Sure 9,28-30 ihre Unterjochung und Degradierung mit der Begründung, dass sie nicht an denselben Allah wie die Muslime glaubten, eine andere Hoffnung als die Muslime im Blick auf die Auferstehung und das Paradies pflegten, nicht mit der Schari’a, dem islamischen Gesetz, seinen Speisevorschriften oder Verstümmelungsstrafen einig waren, nicht im Heiligen Krieg mitkämpften und endlich nicht der richtigen Religion, dem Islam, angehörten. Sie mußten unterworfen werden und als Menschen zweiter Klasse mit eigener Hand ihre Minderheitensteuer entrichten. In den Kernländern des Islams werden die christlichen Minderheiten seit 52 Generationen verachtet und unterdrückt.

Aus dieser intoleranten und feindlichen Haltung des Qur’ans und der Schari’a entwickelte sich im Zeitalter der Renaissance des Islams eine dreifache Strategie zur Abwehr christlicher Einflüsse mit dem Endziel der Dezimierung oder Ausmerzung des Christentums in den islamischen Ländern:

• Das Verbot von christlicher Mission durch ausländische Missionen in mehrheitlich islamischen Ländern wird immer straffer gehandhabt. Mission wird als ein schwereres Verbrechen als Totschlag bewertet (Sure 2,217), weil dadurch die Substanz der islamischen Volksgemeinschaft angegriffen und geschmälert wird. Missionare oder Evangelisten bekommen selten oder nie ein offizielles Einreisevisum. Wenn sie unter dem Deckmantel eines Facharbeiters oder Spezialisten einreisen, müssen sie in einigen Ländern vorher unterschreiben, nicht missionarisch tätig zu werden. Sie können solange vorsichtig wirken, bis sich sichtbare Erfolge zeigen. Sobald Übertritte von Muslimen oder Taufen bekannt werden, müssen Missionare und Missionierte festgenommen, bestraft oder ausgewiesen werden. Meistens werden ausländische Missionare nach einigen Tagen oder Wochen von ihren Botschaften aus den Gefängnissen herausgeholt und in ihre Heimat abgeschoben. Unabkömmliche Spezialisten, die missionarisch tätig bleiben, müssen mit Drohbriefen rechnen, in denen ihre Ermordung angekündigt wird.

• Die Existenz lebendiger einheimischer Kirchen ist dem Islam ein Ärgernis. Christen haben theoretisch das Recht, innerhalb ihrer Kirchenmauern als Christen zusammenzukommen. Sie können nach dem Qur’an nicht gezwungen werden, den Islam anzunehmen (Sure 5,47-48). Die Steuerschraube und die gesellschaftliche Verachtung jedoch zwangen 90 bis 99 Prozent der Christen in den islamisierten Mittelmeerländern (von der Türkei bis Marokko), den Islam anzunehmen. Nur Minderheiten, von einem halben bis zehn Prozent der Bevölkerung, blieben ihrem Glauben trotz verschiedener Verfolgungswellen in den vergangenen 1365 Jahren treu.

Ihnen ist es nicht erlaubt, Muslime zu missionieren. Falls auch nur ein Glied einer Gemeinde Muslime missioniert, muß die ganze Gemeinde bestraft werden. Dies ist einer der Gründe, weshalb manche Kirchenführer in islamischen Ländern sich gezwungen sehen, überaktive Evangelisten oder Missionare dem Geheimdienst zu melden oder eigene Priester zu maßregeln, abzusetzen oder ins Ausland abzuschieben.

Da aber die modernen Medien keine Grenzen kennen und viele Muslime ins gottlose Ausland reisen, mehrt sich die Zahl der Muslime, die anfangen, das Evangelium zu lesen. Nach wie vor erhalten einheimische Kirchen so gut wie keine Baugenehmigung, um ihre kirchlichen Gebäude zu reparieren oder neue zu errichten.

Die Bedrückung und Verfolgung der Christen in Nord-Nigeria, im Süd-Sudan, in Ägypten, im Libanon, im Iran, in Pakistan und Indonesien scheint kaum in das Bewußtsein der Gemeinde Jesu Christi in Europa, den USA und Korea eingedrungen zu sein.

In Indonesien wurde in den letzten zwei Jahren systematisch das Mobiliar und die Fenster in 1.500 Kirchengebäuden zerschlagen. Mehrere hundert kirchliche Gebäude wurden verbrannt.
Im Norden Nigerias sind in den vergangenen zehn Jahren bei 13 Verfolgungswellen mindestens 50.000 Christen getötet, 200 Kirchengebäude verbrannt und etwa 20 Pfarrer und Evangelisten umgebracht worden. Wer von der Toleranz der Muslime schwärmt, sollte in diese islamischen Länder reisen und einige Monate lang mit den einheimischen Christen leben, dann würden ihm die Illusionen schnell vergehen. Der Geist des Islams kämpft immer gegen den Geist Jesu Christi in seinen Gemeinden, so lange die Muslime in der Mehrheit sind.

• Besonders hart sind Konvertiten betroffen, die vom Islam zum Christentum übertreten. Nach der Schari’a müßten sie durch die Organe des islamischen Staates getötet werden. Falls der Staat dies nicht tut, müßte die eigene Familie sich von der Schande ihres abgefallenen Gliedes reinigen. Gott sei Dank geschieht dies selten!
60 bis 70 Prozent der Muslime denken und leben heute liberal und töten ihre abgefallenen Angehörigen nicht. Aber das Leiden dieser Familien und der Konvertiten ist größer als wir wissen und ahnen.

Nur wenige Kirchen und Gemeinden in den islamischen Ländern sind bereit, die Ausgestoßenen aufzunehmen, für sie wie für ein Familienmitglied zu sorgen und sie im Fall von Gefangennahme und Folter durchzutragen und treu für sie zu beten. Manche Kirchenleitungen und Bibelschulen verweigern die Aufnahme von Konvertiten, die Muslime waren, um keine Schwierigkeiten mit den Behörden zu bekommen.

Leider werden in einigen islamischen Ländern Konvertiten immer wieder in unbegründeter Weise verdächtigt, Haschisch zu schmuggeln, für Feindstaaten zu spionieren oder sich unmoralisch zu benehmen, so dass die Sicherheitsbehörden eingreifen müssen. Diese versuchen, die gottlosen Subjekte mit den verschiedensten Mitteln der Folter zu Geständnissen zu zwingen. In mehreren Fällen wurden die Angeklagten sogar vergewaltigt, um ihre Selbstachtung zu zerstören. Muhammad verlangt nämlich für alle vom Islam Abgefallenen eine sie verächtlich machende Strafe (Sure58,16).

König Hassan II. von Marokko sagte zu einer Abordnung von Amnesty International, die ihm Vorhaltungen wegen der Verfolgung der 400 Konvertiten in Marokko machte: “In unserem Land herrscht das Gesetz: Allah, der König und das Vaterland. Wenn nun einer kommt und sagt, es gebe eine bessere Religion als den Islam, müssen wir ihn einem Team von Ärzten übergeben, die nachprüfen, ob er noch bei Sinnen ist. Wenn dies nicht der Fall ist und er weiterhin auf seiner Meinung beharrt, muß er nach unserem Gesetz bestraft werden.”

Es ist ein Wunder Jesu Christi, dass trotz der wachsenden Verfolgungen und Bedrückungen von Konvertiten in den letzten 20 Jahren Tausende von Muslimen in Indonesien, Bangladesch, Kirgisistan, Aserbaidschan, Syrien, Ägypten, Ghana und Marokko Christen geworden sind. Sie haben sich bisweilen zu Konvertitengemeinden zusammengeschlossen, wo noch keine Gemeinden oder Gemeinschaften vorhanden waren, und wo örtliche Gemeinden sich nicht in der Lage sahen, die Konvertiten aufzunehmen.

Im Zeitalter der Medien mit der überall wachsenden Schulbildung entsteht eine neue Missionssituation, auf die viele traditionelle Kirchen, Gemeinschaften und Missionen noch nicht vorbereitet sind. Wenn heute evangelistische Sachbücher den Muslimen im Internet angeboten werden, schalten sich monatlich mehr als 5000 Interessierte aus vielen islamischen Ländern ein. Der Hunger nach dem Heiligem Geist, nach Leben im Frieden ist groß. Doch wenige sind der Arbeiter, die Muslimen hilfreiche Antworten geben können. Darum bittet heute den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende (Mt 9,38). Wir sollten diesen Befehl Jesu Christi neu hören und ihm gehorchen, trotz der Drohungen, Bedrückungen und Verfolgungen durch muslimische Fanatikern.

III. Die Konsequenzen aus dem Prüfbericht

Wer sein altersschwaches Auto auf den Prüfstand einer modernen Werkstatt fährt und wenig später den Prüfbericht in Händen hält, muß sich zu einem Entschluß durchringen: Entweder er stößt das Auto zum Schrottpreis ab, oder er zahlt eine hohe Reparaturrechnung und läßt die Karosse seines Wagens nochmals polieren; oder er fährt weiter, bis der Wagen stehen bleibt und auseinander fällt.
Wir schlagen aufgrund unserer Vergleiche von Evangelium und Qur’an vor, das alte Religionsmodell der Aufklärung zu verlassen und zu einer biblischen Form der Mission durchzubrechen.

1. Ist der Islam die einzig gültige Religion? (Sure 3,19)

• Der Islam ist keine vom wahren Gott inspirierte Religion, denn der Qur’an ist ein Sammelsurium von verdrehten Texten aus dem Alten Testament, christlichen Splittern aus dem Neuen Testament und lokalen Ordnungen und Sitten aus Mekka und Medina. Muhammad war ein Gottsucher, aber kein Prophet! Er konnte weder Hebräisch noch Griechisch lesen. Die Bibel war zu seiner Zeit noch nicht ins Arabische übersetzt. Deshalb hatte er keinen direkten Zugang zum Wort Gottes. Er hörte nur mündliche Berichte aus dem Talmud und der Mischna, oder christliche Märchen von neutestamentlichen Apokryphen durch christliche Sklaven aus Syrien oder Ägypten. Die Quellen, aus denen Muhammad schöpfte, lassen sich häufig nachweisen.

• Wir sollten uns von dem synkretistischen Annäherungsversuch der Theologen der Aufklärung lösen, der die jüdische Religion, das Christentum und den Islam als drei monotheistische Religionen definierte. Weder Juden noch Muslime sind bereit, das Christentum als „monotheistische Religion” zu akzeptieren, solange wir an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist glauben. Wenn wir ihnen die geistliche Einheit der drei Personen bezeugen, lächeln sie erhaben über diese für sie durchsichtige Anbiederung.

Der Islam ist dem ersten Teil seines Zeugnisses entsprechend eine monotheistische Religion. In der Praxis jedoch wird Muhammad beinahe wie Allah verehrt. Sein Name wird täglich 40-mal von hunderttausenden Minaretten ausgerufen, da er den entscheidenden Inhalt im zweiten Teil des islamischen Zeugnisses darstellt. In einigen islamischen Ländern wird eine Beleidigung Allahs nicht sofort geahndet, weil Allah sich selber rächen könne. Eine Beleidigung Muhammads jedoch wird sofort bestraft, weil Muhammad tot sei. Die übermäßige Verehrung Muhammads stellt von der Praxis her den Monotheismus des Islams in Frage. Wir sollten das Märchen von den drei monotheistischen Religionen endgültig begraben.

• Ein weiterer Irrtum ist die Behauptung Allah und der Vater Jesu Christi seien identisch. Es gibt Theologen wie Hans Küng oder Cannon Kenneth Cragg, die lehren, dass alle Religionen dasselbe höhere Wesen verehren, ihm jedoch verschiedene Namen geben: Die einen sagen „Jahwe”, die anderen „Allah” und wieder andere „Vater Jesu Christi”. Hinter diesen verschiedenen Namen stehe immer derselbe Schöpfer, Herr und Richter. Diese Behauptung ist eine Irreführung! Einen allgemeinen interreligiösen Gott gibt es nicht! Was existiert, ist der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Außer ihm gibt es keinen Gott.

Die Muslime sind freilich der Meinung den wahren und einzigen Gott anzubeten. Doch der Allah des Qur’ans, hat mit dem Vater Jesu Christi nichts zu tun. Welcher Christ könnte akzeptieren, dass unser Vater im Himmel der „Listigste von allen” ist und nach dem Tod den Seligen im Paradies Sex garantiert? Jesus sagt deutlich:

„Niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will” (Mt 11,27).

Der Evangelist Johannes bezeugt:
„Niemand hat Gott je gesehen; der einzig geborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat uns Kunde von ihm gebracht” (Joh 1,18).

Wer um des allgemeinen Konsenses willen behauptet, Allah im Islam sei Gott der Vater, scheidet sich vom Inhalt des christlichen Glaubens. Allah im Islam hat keinen Sohn. Dieser „Gott” leugnet die Kreuzigung Christi. Der Geist von Allah im Islam ist nur ein Geschöpf, nicht ewig und nicht heilig. Allah ist nicht Gott, denn außer der Heiligen Dreieinigkeit gibt es keinen Gott.

Der Gott der 15 Millionen arabischen Christen muß jedoch in der arabischen Bibel mit dem Wort „Allah” übersetzt werden, weil es kein besseres arabisches Wort für Gott gibt. Schon die Verfasser der neutestamentlichen Briefe standen vor 106 demselben Problem, als sie das Wort „theos” für den Namen des biblischen Gottes verwandten. Sie füllten den unbekannten Namen mit neuem Inhalt und schrieben: Gelobt sei Theos, der Vater Jesu Christi. Im selben Sinn wird auch der Name „Allah” in der arabischen Bibel eingesetzt: Gelobt sei Allah, der Vater unseres Herrn Jesus Christus (2. Kor 1,3; Eph 1,3; Kol 1,3; 1. Petr 1,3).
In dieser Formulierung ist der Allah der Christen nicht mehr der Allah der Muslime.
Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, den Gott der arabischen Christen mit dem Allah der Muslime zu verwechseln.

Wer jedoch unbedingt bestätigt haben will, dass Allah ein Gott ist, der sollte mit den Worten des Apostels Paulus sagen:
“Der Gott dieser Welt, Allah, hat den Sinn der Muslime verblendet, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild des heiligen Gottes” (2. Kor 4,4; Joh 16,8-12).

• Die Muslime nehmen für sich in Anspruch, Djibril (der Engel Gabriel) habe Muhammad die Verse des Qur’ans ins Herz graviert. Muhammad bestätigte selbst, dass er Stimmen gehört habe. Wir müssen jedoch betonen, dass der Geist, der Muhammad besuchte, nicht der echte Engel Gabriel war. Der Vater Jesu Christi schickte seinen Erzengel nicht zu Muhammad nach Mekka, um diesem 17-mal zu bezeugen, dass er keinen Sohn habe. Er schickte ihn einst nach Nazareth, um der Jungfrau Maria zu offenbaren, dass der von ihr Geborene „Sohn des Höchsten” genannt werde und „Gottes Sohn” sei (Lk 1,32+35).
Der Geist, der Muhammad inspirierte, war also nicht Gabriel. Dieser Geist hat sich laut Qur’an nie mit seinem Namen persönlich vorgestellt. Muhammad wußte in Mekka nicht, welcher Geist ihn wirklich inspirierte und gab ihm 26 verschiedene Titel und Namen. Erst in Medina hörte er von den Juden, der Offenbarungsengel im Alten Testament heiße Djibril (Gabriel). So adoptierte Muhammad diesen Namen für den unbekannten Geist, der ihm erschien (Sure 53,1-18).

Dazu müssen wir bezeugen, dass der Vater Jesu Christi Muhammad nie inspiriert hat, dass sein Sohn Jesus nicht am Kreuz gestorben sei, wenn er, Gott, “in Christus” war und die Welt mit sich selbst versöhnte (2. Kor 5,18-21). Nicht der wahre Gott hat zu Muhammad geredet, sondern ein unreiner Geist, der sich als Allah ausgab, aber nie Gott war.

Während Muslime daran festhalten, dass Muhammad ein Prophet des wahren Gottes ist, müssen wir bezeugen, dass er das Medium eines unreinen Geistes war und einer Verführung zum Opfer fiel. Derselbe Verdacht wurde von den Bewohnern Mekkas öfters ausgesprochen, bevor sie dem Islam unterworfen wurden (Suren 10,2; 15,15; 17,49; 25,8; 37,36; 38,4; 44,15; 52,29-30; 68,2; 69,42-43; 81,22+25).
Die “Satanischen Verse”, die nicht von Salman Rushdi erfunden wurden, stehen von Anfang an im Qur’an (Sure 53,10-22). Sie erscheinen seltsamerweise direkt nach dem Bericht von der Erscheinung des Offenbarungsgeistes, der Muhammad inspirierte. Diese Verse waren nach Muhammads eigener Aussage eine Einflüsterung Satans, die er später ablehnte (Sure 22,52-53). Er behauptete, alle Propheten würden von Satan versucht. Allah lösche jedoch später diese dämonischen Einflüsterungen durch bessere Offenbarungen seinerseits wieder aus. Nach den Geboten des Alten Testaments hätte Muhammad nach dieser Fehloffenbarung sterben müssen (3. Mose 20,27; 5. Mose 18,9-13+20, Jer 14,13- 15). Er war nicht in der Lage, die Stimme Satans von der Stimme Gottes zu unterscheiden. Wenn aber Muhammad einmal nicht in der Lage war, Gottes Offenbarung von den Einflüsterungen Satans zu unterscheiden, dann gibt es möglicherweise noch viele Verse im Qur’an, die satanischen Ursprungs sind. Die Sure der Dämonen (djinn), 72,1-15, stellt eine solche Predigt der Geister dar, die den Islam angenommen hatten und Muslime geworden waren. Nach der Lehrmeinung des Islams sind nicht nur Menschen, sondern auch Geister Muslime. Nach Sure 46,29- 32 beeinflußten sie die Menschen in ihrem Hoheitsgebiet, sich dem Islam Muhammads nicht zu widersetzen.

Wer in der Mission unter Muslimen mitarbeiten will, muß lernen, was der Apostel Paulus schon vor 1950 Jahren der Gemeinde in Ephesus schrieb:

„Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke … Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel” (Eph 6,10+12).

Wer meint, er brauche diese Mahnung des Apostels nicht zu beherzigen, darf nicht erstaunt sein, wenn er und sein Team im Dienst Schaden an Leib, Seele und Geist nehmen.

Wir bezeugen, dass das humanistische Märchen der Aufklärung, dass der Islam eine Religion Gottes sei, ein Irrtum ist. Vielmehr stellt der Islam eine Verführung dar und ist eine satanische Großmacht ersten Ranges, die weder rationalistisch noch organisatorisch überwunden werden kann. Wir müssen in Europa Buße tun und das Gedankengut der Aufklärung ablegen und zu den biblischen Realitäten und Kräften zurückkehren.

Vielleicht wendet jetzt jemand ein: Aber der Islam ist eine Weltreligion und enthält eine große Kraft, der 1,2 Milliarden Menschen nachfolgen. Dem entgegnen wir: Eine Lüge wird umso stärker je mehr Wahrheitssplitter sie enthält. Ihre Grundrichtung aber bleibt destruktiv. So enthält der Islam viele gute Gedanken aus dem Alten und Neuen Testament, die etwa zwei Drittel der Texte des Qur’ans ausmachen. Die Grundrichtung des Islams bleibt jedoch die permanente Ablehnung des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Damit fällt der Geist, der den Islam offenbarte, unter das Verdikt, das Paulus an die Galater schrieb:

„Wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium predigten als das, welches wir euch gepredigt haben, der sei verflucht” (Gal 1,8).

Der Geist, der Muhammad 600 Jahre nach dem Tod Christi inspirierte, bestätigte nicht das Evangelium und war nicht bereit, sich der Herrschaft des Auferstandenen zu unterwerfen. Er brachte den Rückfall in eine Gesetzesreligion, die auf Werkgerechtigkeit aufgebaut ist und fällt deshalb unter das Gericht Gottes. Dabei muß deutlich gesagt werden, dass nicht die Muslime von Paulus verflucht worden sind, sondern der Geist, der den Islam offenbart hat.

2. Wie können wir heute Muslime missionieren?

• Wer erkannt hat, dass der Islam eine okkulte Großmacht ist, wird als erstes sich, seine Familie und sein Team unter die Bedeckung des Blutes Jesu Christi stellen.

Das bedeutet, dass keiner würdig oder fähig ist, von sich aus die Muslime zu missionieren. Wir sind nicht besser als sie, wenn wir auf unsere eigene Natur blicken. Wir sollten uns mit den Muslimen auf eine Ebene stellen und sie nicht von oben herab missionieren wollen. Was wir haben, ist nicht unsere Leistung, sondern allein Gottes Gnade. Nur aus der Beugung und Buße heraus empfangen wir das Recht und die Kraft zur Mission.

Männer wie Johannes Seitz, Johannes Busch und Billy Graham sagten, wenn sie vor einer unüberwindlichen Herausforderung standen: Brüder, laßt uns zuerst Buße tun und alle uns bewußten Sünden und Fehler dem Herrn bekennen und wiedergutmachen, soweit dies möglich ist. Dann kommen wir täglich – oder sooft wie möglich – zum gemeinsamen Gebet zusammen und bitten im Namen Jesu um Sieg und Kraft und Frucht. Zu dieser Beugung der Verantwortlichen gehört auch die Vergebung unter Brüdern, dass wir zuerst um Vergebung bitten, wenn in einer Mission oder Gemeinschaft Streit und Haß herrschen, und wir alles uns Mögliche mit Jesu Hilfe tun, um Frieden im Team, in der Familie und in der Mission zu schaffen. Wenn wir nicht darum ringen, dass der Geist Gottes uns zerbrechen, reinigen und heiligen kann, sollten wir nicht anfangen, unter Muslimen zu missionieren. Die These Martin Luthers, dass das Leben eines Christen eine fortgesetzte Buße sein soll, kommt besonders in der Mission unter Muslimen zum Tragen. Nur nach unserem Zerbruch kann der Herr wirken.

• Wenn wir zum anhaltenden Gebet zusammenkommen, haben wir das Vorrecht, um die Leitung des Heiligen Geistes für unsere Gedanken, Pläne und Taten zu bitten (Röm 8,14-15). Die Bitte um Geistesleitung in jedem Detail ist wichtiger als alles Planen, Ausstellen von Bankschecks oder das Schreiben von Büchern. Mission kann nicht unsere Leistung sein, sondern bleibt des Herrn Werk. Wir sind im besten Fall seine Lehrlinge und Gehilfen.

• Wir fanden es hilfreich, um Kontakte mit Muslimen zu bitten, deren Herz fürs Evangelium offen ist. Etwa fünf Prozent aller Muslime sind vom Islam frustriert, weil sie die Kluft zwischen Wort und Tat in ihrer Kultur sehen. Manche haben den Qur’an mit seinen Widersprüchen und Unmenschlichkeiten studiert und haben begonnen, sich von diesem Geist zu lösen. Zahlreiche Muslime sagten: „Wenn der Islam so aussieht, wie ihn Khomeini propagiert, wollen wir keine Muslime mehr sein!”
Dabei war Khomeini vielleicht der Ehrlichste von allen Muslimen, denn er lebte, was der Qur’an wörtlich lehrt. In und außerhalb des Irans sind tausende Muslime als Reaktion auf den Fundamentalismus Khomeinis Christen geworden. Bittet deshalb um offene Augen, dass ihr solche Muslime erkennt, die suchend und fragend geworden sind.

• Es ist selbstverständlich, dass wir nicht wie ein Wasserfall auf die Interessierten einreden. Wir sollten nicht versuchen, sie schnell zu bekehren. Wir müssen zuhören lernen und unsere Freunde fragen, woher sie kommen und was sie denken und fühlen. Es ist nicht schwierig, mit ihnen über Himmel und Hölle, Abraham und Mose, Gott und Christus zu reden, solange wir ihnen nicht die Gottheit Christi und seine Kreuzigung beweisen wollen. Wir müssen zuerst ihre Gedanken und das Niveau ihrer geistlichen Erkenntnis ausloten. Wir sollten unser Ohr ans Herz der Muslime drücken, um ihren Herzschlag zu hören.

• Wenn wir den inneren Standort der einzelnen Muslime etwas erkannt haben, sollten wir nicht anfangen, ihnen unsere vorgefertigten Glaubensschablonen überzustülpen, sondern Gott um das rechte Wort für den Einzelnen bitten. Das innere Hören auf den Vater Jesu Christi ist in seelsorgerlichen Gesprächen entscheidend, und das Gebet um das rechte Wort gibt Vollmacht, Kraft und Weisheit.

Oft ist ein sachliches Zeugnis von dem, was Jesus an uns tat, die Basis für weitere Gespräche. Manchmal kann auch Psalm 51 zur Erkenntnis der Sünde im Leben eines Muslims führen.
Jesaja 53,4-12 hilft die Möglichkeit der Stellvertretung Christi zu erhellen, ohne dass vom Gottessohn und vom Kreuz schon bei Beginn des Gesprächs die Rede ist.
Johannes 1,29 kann das Lamm Gottes vor Augen stellen, das in Sure 37,103-107 in der Opfervereitelung des Sohnes Abrahams als Ersatzopfer vorgeschattet ist.
Joh 17,3 ermöglicht eine Annäherung der Muslime an das Geheimnis des ewigen Lebens, während die Erscheinung auf Patmos die Herrlichkeit des Auferstandenen bezeugt (Offb 1,12- 18). Da der Muslim häufig in den Bahnen des Gesetzes denkt, ist die Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin (Joh 8,1-11) für manchen schon ein Anstoß zur Umkehr geworden. Feindesliebe statt Rache sprengt das Rechtsdenken der Muslime (Mt 5,44), während die Seligpreisungen Hoffnung in ihnen aufkeimen lassen (Mt 5,3-12).

Wichtig ist, dass diese Versblöcke auswendig gelernt werden, denn bei vielen Muslimen geht das Denken vom Herzen in den Kopf, und nicht umgekehrt.

• Martin Luther hat mit seiner Erklärung zum dritten Glaubensartikel gleichzeitig auch den Schlüssel zur Mission unter Muslimen geliefert. Wir sehen die Realität des göttlichen Durchbruchs in seinen Worten:
„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten…”

Alles Drängen hilft nichts! Wie jedoch der Geist Gottes am Anfang der Schöpfung über dem Tohuwabohu brütete, bis Gott: Es werde Licht! sagen konnte, so müssen wir um die vorbereitende embryonale Wirkung des Heiligen Geistes bei den einzelnen Muslimen bitten, bis der Herr Jesus sagen kann: Es werde Licht! Und es ward Licht (1. Mose 1,2+3; Joh 1,12; 8,34+36; 10,27-30).

• Es ist ein alter Erfahrungswert, dass jeder Missionar unter Muslimen lernen muß, drei Hauptprobleme seelsorgerlich zu beantworten:

1. Die Ablehnung der Heiligen Dreieinigkeit mit dem Ärgernis, dass Gott ein Vater sein soll und einen Sohn habe.
2. Die Kreuzigung Christi wird im Qur’an als historische Tatsache geleugnet. Jeder Evangelist unter Muslimen muß um Wege beten, dieses zentrale Thema aus den Büchern des Alten Testaments oder säkularen Quellen zu erhellen.
3. Der Vorwurf der gefälschten Bibel raubt den Muslimen das Vertrauen in alles, was Christen vom Evangelium her sagen. Wir müssen ihr Vertrauen in die Bücher der Bibel wecken, wenn wir wollen, dass sie uns Glauben schenken.
4. Im Grunde genommen geht es nicht nur um Dreieinigkeit, Kreuz und Bibelfälschung, sondern um die Änderung des Gottesbildes. Ein Muslim muß begreifen: Gott ist Liebe, der Allmächtige liebt mich, er kennt mich. Gott ist mein Vater. Er will mich von dem Gericht und der Hölle retten. Er ist kein Despot, sondern kümmert sich um mich persönlich. Ein neues Gottesverständnis muß seinen Sinn umformen.

• Wer mit Muslimen ins Gespräch kommt, erkennt schnell unseren eigenen Nachholbedarf an Verständnis und Wissen über ihre Kultur und Religion. Es wäre falsch, einen Muslim wie einen Atheisten oder Namenschristen zu evangelisieren. Er hat andere Denkschablonen, andere Wertmaßstäbe und andere Glaubensbrücken. Bei ihm heißt es oft: “Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!” (Psalm 34,9), was soviel heißt wie Gastfreundschaft, Einladung zu Mahlzeiten und Gemeinschaft mit ihnen zu pflegen. Wer auf die Dauer als Einzelner oder als Gemeinde Muslime mit dem Evangelium bekannt machen will, sollte sich eine Auswahl an Büchern, Kassetten und Video-Kassetten anlegen, möglichst in verschiedenen Sprachen, so dass die Muslime in ihrer Muttersprache das Evangelium und hilfreiche Bücher lesen können. Das Angebot dazu ist groß und gut.

• Wo ein Gemeinschaftsverband oder ein Kirchenbezirk den Ruf Jesu zur Mission unter Muslimen gehört hat und befolgen will, sollten sie einen erfahrenen Konvertiten als Evangelisten, als Seelsorge- und Gemeindeberater vollzeitlich oder teilzeitlich anstellen, oder auf die Bibelschule zur Ausbildung schicken. Wir Europäer werden die Muslime nie ganz verstehen, auch wenn wir jahrelang mit ihnen zusammenleben, sie achten und lieben.
Gemeindeverbände sollten ein Budget für Mission unter Muslimen in der eigenen Umgebung einrichten. Dieses Geld zahlt sich durch eine geistliche Belebung der Gemeinden bald wieder aus. Eine Gemeinde in Süddeutschland gibt 60 Prozent ihrer Einnahmen für Mission aus, nicht für Missionsgesellschaften, sondern für eigene Missionare, die sie aussendet, trägt und umbetet. Diese Gemeinde ist voller Leben und Bewegung. Vielleicht müssen wir auch an diesem Punkt umkehren.

3. Wollen wir Muslime wirklich missionieren?
Emotionen kühlen schnell ab; Begeisterung hilft nicht lange. Wo eine Berufung durch Jesus da ist, beginnt der Heilige Geist, Herz und Willen zu mobilisieren. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Deshalb fragen wir nochmals: Wollen wir wirklich Muslime missionieren? Legen sie diesen Entschluß in Jesu Hände, dass er Frucht daraus wirkt, dass er sie von Anfang bis Ende leitet, so dass Rückschläge, Enttäuschungen, Fehler und Widerstände zweitrangig erscheinen. Allein der Befehl Jesu gilt: Gehe zu deinem muslimischen Nachbarn, Kollegen oder Schulfreund, bete für ihn, grüße ihn, bitte Jesus um Kontakte und um Weisheit. Tausche dich mit Gleichgesinnten aus und erbitte dir von Jesus vor allem eine Gebetsgruppe, die dir den Rücken stärkt. Derjenige Missionar im In- oder Ausland, dem der Herr treue Beter schenkt, hat die längste Ausdauer, die meiste Frucht und die so dringend nötige Weisheit und Phantasie.

Wenn wir die Muslime nicht missionieren, werden sie uns missionieren! Längst haben die Verantwortlichen in den islamischen Zentren der Bundesrepublik erkannt, dass die vielen muslimischen Gastarbeiter und Studenten ein Potential zur islamischen Missionierung von liberalen und evangelikalen Christen darstellt. Schriftliche Anleitungen in deutscher Sprache, wie man am besten Christen knacken kann, werden von München, Köln und Hamburg aus versandt. Die Mischehe hat sich dabei als wirksamste isla- mische Missionsmethode erwiesen. Über zwei Drittel der deutschen Konvertiten zum Islam sind ehemalige christliche Ehepartner, die aus Liebe zu ihrem Partner den Islam angenommen haben. Insgesamt rechnet man mit mindestens 100.000 Deutschen, die Muslime geworden sind. Die Zahl der Muslime, die in der Bundesrepublik Christen geworden sind, beläuft sich nicht einmal auf zehn Prozent dieser Zahl. Stellt das keinen Bußruf für uns, die Verantwortlichen in den Gemeinden, dar?

Das Wachstum des Islams in aller Welt vollzieht sich in erster Linie durch Geburtenüberschuß. Nachdem Muhammad in der Schlacht bei Uhud 70 Muslime verloren hatte, mußte er einen Weg finden, die Witwen und Waisen zu versorgen. So sagte er zu seinen Kriegern: “Heiratet zwei, drei oder vier Frauen. Falls ihr jedoch fürchtet, dass ihr sie nicht gerecht behandeln könnt, dann nur eine” (Sure 4,3). Die Muslime gingen begeistert auf seine „Offenbarung” ein und halten an ihrem Vorrecht zäh fest.

Da Hygiene und medizinische Versorgung seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts auch in die islamischen Länder eingedrungen sind, wuchs der Geburtenüberschuß proportional, so dass sich die Muslime heute in 27 Jahren verdoppeln. Die Christen dagegen verdoppeln sich trotz beachtlicher missionarischer Erweckungen in China, Indonesien, Ost- und Westafrika nur in 54 Jahren, weil sie nur wenige Kinder pro Familie haben.
Die Türkei wird laut Fischers Welt-Almanach 1997 im Jahre 2000 etwa 68 Millionen Einwohner haben, im Jahre 2025 sollen es bereits 90 Millionen Einwohner sein, während die Bundes republik stagniert und im gleichen Jahr auf unter 76 Millionen absinken soll.

Heute gibt es weltweit 1,3 Milliarden Muslime. Wenn Jesus nicht vorher kommt, wird sich diese Zahl in 27 Jahren verdoppeln. Jährlich werden 30 Millionen Muslime oder mehr dazugehören. Die Probleme mit Gastarbeitern und Ausländern in Europa sind nur Vorboten einer wachsenden Welle von Einwanderern, die auf uns zurollt. Es ist eine Frage der Weisheit und des Selbstschutzes, dass sich die Gemeinden der Bundesrepublik auf die theologische, gesellschaftliche und missionarische Auseinandersetzung mit dem Islam vorbereiten. Die Zeit drängt. Pfarrer Otto Riecker von Adelshofen schrieb ein Buch mit dem Titel: „Mission oder Tod”. Der Titel erscheint radikal, enthält aber eine tiefe Weisheit und Wahrheit.

Im Braunschweiger Dom steht im Altarraum ein überdimensionaler siebenarmiger eiserner Leuchter aus der Zeit der ersten deutschen Kaiser vor über 1000 Jahren. Dieser Leuchter hat viele Kriege, Segenszeiten, Gottlosigkeiten und Erweckungen überdauert. Die Reformation und der Pietismus sind unter seinen dicken Kerzen hindurchgegangen. Dieser Leuchter ist ein Zeichen der Geduld Jesu Christi mit dem deutschen Volk. Er hat uns den Leuchter noch nicht weggestoßen (Offb 2,4+5). Der Herr aber hatte der aktiven Gemeinde in Ephesus gedroht, dass er ihren Leuchter wegstoßen werde, falls sie nicht Buße täten und zu den Werken der ersten Liebe zurückkehrten.

Das Missionsfeld ist in unsere Heimat gekommen. Die Muslime leben vor unserer Haustür. Hören wir den Ruf Jesu Christi zur Umkehr oder leben wir in unserem Gemeindekarussell weiter?

Bereitet den Weg des Herrn – auch unter den Muslimen in Europa.

Mehr zu Thema Islam auf meiner Webseite:

www.horst-koch.de

info@horst-koch.de




Das Jenseits

Dr. René Pache

DAS JENSEITS

– Leicht gekürzt für meine Webseite. Auch die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, im Herbst 2023 –

 

I N H A L T S VE R Z E I C H N I S
(Gekürzt)

Erster Teil: Einführung

Kapitel I: Die Bedeutung des Jenseits
1. Das Leben ist viel zu kurz, um uns zu genügen

2. Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt

3. Wenn es kein Jenseits gibt, ist unser Diesseits ohne Sinn
5. Endlich, nachdem wir Trauer und Trennung auf Erden erfahren haben, brauchen wir die tröstliche Gewißheit, unsere im Glauben verstorbenen Lieben wiederzusehen

Kapitel II: Der Mensch und seine Bestimmung
1. Der Mensch ist zum Bilde Gottes geschaffen

2. Der Mensch ist eine lebendige Seele

3. Leib, Seele und Geist

4. Ist die Seele unsterblich?

Zweiter Teil: Der Tod und die Toten

Kapitel I: Der Tod


1. Der ursprüngliche Plan Gottes

2. Warum ist der Tod zu uns gekommen?

5. Vom Tode zum Leben
b) der Selbstmord
d) die Todesstrafe

11. Der Sieg über den Tod
12. Bereiten wir uns auf ein seliges Sterben vor


Kapitel II: Der Aufenthalt der Toten
1. Wo sind die Toten?

4. Sehen uns die Verstorbenen?

5. Sind die Verstorbenen um uns?

6. Was sollen wir vom Spiritismus denken?

7. Was sagt die Bibel zu der Anrufung der Heiligen und der Mutter Gottes?

9. Sollen wir für die Verstorbenen beten

Dritter Teil : Die Welt der Geister

Kapitel I: Die Engel
1. Was sind die Engel?

Kapitel II: Satan

1. Wer ist Satan?
5. Aus der Gewalt des Satans erlöst

Kapitel III: Die Dämonen

1. Ursprung und Sturz der Dämonen

3. Das Reich der Finsternis

4. Der Kampf der Dämonen gegen Gott

5. Der Kampf der Dämonen gegen die Menschen

7. Der Sieg der Gläubigen über die Dämonen

Vierter Teil: Die Auferstehung

Kapitel I: Die Auferstehung Jesu Christi
2. Die Auferstehung Christi wird im Alten Testament angekündigt

5. Die Zeugen der Auferstehung Christi

6. Andere Tatsachen, die die Auferstehung begleiteten und bestätigten


Kapitel II: Die Auferstehung der Gläubigen
1. Gott hat uns für das Leben und nicht für den Tod bestimmt

2. Die Auferstehung nach dem Alten Testament
3. Die Auferweckungen In den Evangelien und in der Apostelgeschichte

4. Auch die Natur lehrt uns die Auferstehung

5. Wie wird der Auferstehungsleib sein?

6. Wann wird die Auferstehung der Gläubigen stattfinden?

Fünfter Teil : Die ewige Verdammnis

Kapitel I: Die Auferstehung der Ungläubigen
1. Die Heilige Schrift lehrt klar, daß es zwei Auferstehungen gibt.

Kapitel II : Das Jüngste Gericht
1. Was ist das Jüngste Gericht?

3. Die Zerstörung der Erde und des Himmels

5. Jeder wird nach seinen Werken gerichtet
6. Wie werden diejenigen gerichtet, die das Evangelium nicht gehört haben?

7. Das Buch des Lebens


Kapitel III: Die Hölle
1. Welche biblischen Bezeichnungen schildern die Hölle?

2. Worin besteht die Hölle?

3. Die Leiden der Hölle
4. Verträgt sich die ewige Hölle mit der Liebe Gottes?

Sechster Teil: Der Himmel

1. Wie wird der Himmel beschrieben

3. Charakteristik des Himmels

4. Das Wiedersehn im Himmel

5. Was wird aus den Familienbanden?

6. Was werden wir im Himmel tun? 

9. Wem steht der Himmel offen?

10. Welche Wirkung wird die Aussicht auf den Himmel in uns haben?

(Aus dem Französischen. Übersetzt von Anny Wienbruch. 1957)

 

VORWORT
Wir freuen uns, dieses Buch veröffentlichen zu können. Es ist die Fortsetzung unseres Buches – Die Wiederkunft Jesu Christi –, das die Prophetie bis zum Ende des Tausendjährigen Reiches zum Gegenstand hat.
Eine Vorschau auf die Zukunft hätte nur geringen Wert, wenn sie sich auf das – wenn auch herrliche – Ende des irdischen Geschehens beschränkte. Gott hat in unsere Herzen die Sehnsucht nach der Ewigkeit gegeben, die allein durch Seine unmittelbare und ewige Gegenwart befriedigt werden kann.
In dem vorliegenden Buch wird versucht, die zahlreichen biblischen Texte, die über die zukünftige Welt aussagen, zusammenzustellen und soweit wie möglich zu erklären. Sie sind wunderbar und furchtbar zugleich. Wenn wir auf ewig in der jenseitigen Welt leben sollen, wäre es mehr als unvernünftig, wenn wir die biblischen Offenbarungen über dieses wichtige Gebiet vernachläßigten.  . . .
René Pache


 – Für meine Webseite gekürzt. Auch die Hervorhebungen sind von mir. Im Herbst 2023. Horst Koch, Herborn –

ERSTER TEIL 


Kapitel 1 DIE BEDEUTUNG DES JENSEITS

Ein Buch über das Jenseits! Ist es nicht gefährlich, sich mit der an deren Welt zu beschäftigen? warnen die einen. Können wir überhaupt etwas Genaues über dieses geheimnisvolle Gebiet wissen? fragen die anderen. Genügt uns die Erde nicht? Solche Redensarten verraten, wie erschreckend unwissend der Mensch über die Bedeutung der Ewigkeit ist, über die Weite der biblischen Offenbarungen und über die Gefahr, in welcher sich die Seelen befinden, die sich nicht darum kümmern.


1. Das Leben ist viel zu kurz, um uns zu genügen.

Was bedeutet schon ein Menschenalter! Die äußerste Frist, die Gott ihm setzt, sind hundertundzwanzig Jahre. 1. Mose 6, 3. Aber wie wenige von uns werden hundert Jahre alt! Wir müssen mit dem Psalmisten sprechen: „Herr, lehre doch mich, daß es ein Ende mit mir haben muß…“ (Ps.39,5)
 
“Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährst schnell dahin, als flögen wir davon . . . Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden!” Psalm 90, 9-10. 12.

„Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, denn des Herrn Geist bläst darein . . . aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ Jes. 40, 6-8.
Nicht allein unser eigenes Leben ist ein Nichts. Was sind die paar Jahrtausende der menschlichen Geschichte? Wo waren wir vor wenigen Jahrzehnten? Und wo werden wir nach einigen Jahrzehnten sein? Drängt sich uns da nicht die Frage auf, ob uns nach dem Tode noch etwas erwartet? Wenn wir nahezu unsere gesamte Existenz anderswo verbringen sollten, ist es da nicht dringend nötig, daß wir uns mit dieser anderen Welt befassen? Denn was sind siebzig oder achtzig Jahre im Vergleich zur Ewigkeit?


2. Gott hat die Ewigkeit in unser Herz gelegt (Prediger 3,11).

Nach Seinem Bilde hat Er uns geschaffen, Er hat uns den Sinn für das gegeben, was ewig und vollkommen ist. Nichts Vergängliches, nichts Unvollkommenes kann uns befriedigen. Wir möchten ohne Vorbehalt lieben und geliebt werden. … Die Jugend wähnt, noch eine unendliche Lebenszeit vor sich zu haben. Kaum zu überschauen dünkt sie ein einziges Jahr. Die Alten hingegen sehen die Zeit dahineilen. Sie klammern sich um so mehr an das irdische Leben, je rascher es ihnen entschwindet.  . . .

 Das menschliche Herz ist unersättlich – das ist seine Tragik. Der Lebemann rast von einem Vergnügen zum anderen, der Geschäftsmann trachtet Tag und Nacht danach, immer mehr zu gewinnen. . . . Gott hat uns bestimmt für die ganze Herrlichkeit des ewigen Lebens. Darum wird das Irdische unser Herz niemals ausfüllen können.

Jesus sagte zu der Samariterin, die wahrlich viel erlebt hatte: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinken wird, daß Ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten, sondern das Wasser, das Ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Joh. 4, 13-14.
Wie wahr ist das Wort des heiligen Augustin: „Unser Herz ist unruhig, bis es ruht in Gott.“

3. Wenn es kein Jenseits gibt, ist das Diesseits ohne Sinn.

Nur von der Ewigkeit her erhält unser Dasein seine Bedeutung. Wenn alles im Grabe endete, was hätten dann alle Anstrengungen, alle Bemühungen für einen Sinn?

Der Prediger sagt das in tiefer Enttäuschung: „Es ist alles ganz eitel. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt . . . Ich sah alles Tun, das unter der Sonne geschieht. Und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind.“ Pred. 1,3-4.14.
Mehr als irgendein anderer hat dieser Mann aus allen Bechern getrunken: Vergnügungen, Gelage, Häuser, Länder, Reichtümer, Liebe, Ruhm, Wissenschaft. Und das Endergebnis ist, daß kein Gewinn ist unter der Sonne.  . . . Da nichts von Dauer ist und wir doch bald alles verlassen müssen, „laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!“ 1. Kor. 15, 32.

So denken die Materialisten. Diese Philosophie der Existentialisten ist der Ausdruck großer Empörung und Verzweiflung. Es ist leicht, zu essen und zu trinken, so lange man jung ist . . . Aber was macht man, wenn die Gebrechen des Alters einen zu einer elenden Jammergestalt gemacht haben? Wenn dann der Glaube an ein besseres Jenseits fehlt, bleibt nur der gähnende Abgrund . . . 


4. Die Gerechtigkeit dieser Erde befriedigt uns nicht!
Sie stillt unseren Durst nach vollkommener Gerechtigkeit nicht. Wieviel Ungerechtigkeit wird hier auf Erden niemals ausgeglichen! Dieses Problem hat schon den Psalmisten beunruhigt: „Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen . . . da ich sah, daß es den Gottlosen so gut ging. . . .  bis . . . ich merkte auf ihr Ende. . . . Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken“. Psalm 73, 2-4.
Manche Sünden werden sogleich bestraft, aber die große Abrechnung wird erst in der anderen Welt stattfinden. Gott läßt dem Menschen die Freiheit, seinen eigenen Weg zu gehen. Er schiebt Sein Gericht auch noch auf, damit der Sünder Raum zur Buße finde. Aber es wäre unmoralisch und höchst ungerecht, wenn nicht einmal der Tag der großen Vergeltung käme.
Auch die Gerechten finden hier auf Erden nicht immer schon den Lohn ihrer Taten. Prüfungen und Verfolgungen bleiben ihnen nicht erspart. Nicht zu zählen sind die Märtyrer und die unschuldigen Opfer. Sollte es für sie niemals eine gerechte Wiedergutmachung geben?

Die Bibel sagt, daß Gott diese Prüfungen zuläßt, um die Leidenden zu läutern und zu heiligen. Aber das hätte ja gar keinen Sinn, wenn mit dem Tode alles aus wäre. Dann wären die Gläubigen die elendesten unter allen Menschen . . .


5. Endlich, nachdem wir Trauer und Trennung auf Erden erfahren haben, brauchen wir die tröstliche Gewißheit, unsere im Glauben verstorbenen Lieben wiederzusehen.

An einem offenen Grabe brauchen wir die Gewißheit, daß wir den wiedersehen werden, der uns verlassen hat. Allezeit und unter allen Himmeln ist die Menschheit von einer wunderbaren Hoffnung aufgerichtet worden, hat sie in sich den Gedanken an ein Weiterleben, ein Wiedersehen gehegt. Welches Glück, daß die Bibel uns hierüber solche Gewißheit gibt, wie sie das Wort der Wahrheit nur geben kann.


6. Gott hat den Menschen ausersehen, Ihn von Angesicht zu Angesicht zu schauen und Ihm gleich zu sein.

Gott hat uns nicht nur für das Ewige geschaffen, für die Gerechtigkeit und für die Vollkommenheit: Er hat uns für sich selbst geschaffen. Auf der Erde sind wir durch die Wand der Materie und die Ketten der Sünde von Ihm getrennt.
Wie wäre unser Gesichtskreis begrenzt, wenn wir nicht die herrliche Gewißheit hätten, die Ewigkeit in der Gegenwart des Schöpfers aller Dinge verbringen zu dürfen!
Es genügt aber nicht, daß wir die Notwendigkeit des Jenseits bejahen. Das Jenseits existiert wirklich! Gott selber spricht davon, und wir müssen mit Eifer Seinen Offenbarungen nachforschen.
Wenn wir die verschiedenen Religionen betrachten, stellen wir fest, daß die sich selbst überlassene Menschheit angesichts dieser Frage im dunkeln tappt.
Wieviel Unsinniges, Gefährliches ist gerade über dieses Gebiet schon gesagt worden! Heute ist die Verwirrung größer als jemals, selbst in den sogenannten christlichen Kreisen. Wenn man sich von der klaren Botschaft der Heiligen Schrift entfernt, kann man nur ein irriges Bild von der anderen Welt geben, auch von unserer Verbindung mit den Verstorbenen und den Möglichkeiten nach diesem Leben. Man nimmt die feierlichen Erklärungen der Bibel nicht mehr ernst, man leugnet die Verdammnis und fälscht so den klaren Blick für die Ewigkeit.
Überspannte Sekten machen sich diese Verwirrung zunutze. Sie verführen unsichere Menschen, die unwahrscheinlichsten, der Heiligen Schrift widersprechenden Dinge zu glauben.
Darum möchten wir uns in Demut unter die alleinige Wahrheit der Schrift beugen. Mit Petrus wollen wir sprechen:
„Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Joh. 6, 68.

Wir werden uns bemühen alle biblischen Texte zu sammeln, die sich mit diesen großen Dingen befassen. Mit Hilfe zahlreicher klarer Schriftstellen werden wir versuchen, auch die weniger klaren Schriftworte zu verstehen. Wir wollen uns dabei erinnern, daß „das Geheimnis ist des Herrn, unseres Gottes, was aber offenbar ist, das ist unser und unserer Kinder ewiglich“. 5. Mose 29, 29.

Kapitel II

DER MENSCH UND SEINE BESTIMMUNG

Um zu verstehen, was den Menschen im Jenseits erwartet, müssen wir erst seine Beschaffenheit und seine ewige Bestimmung kennen.

1. Der Mensch ist zum Bilde Gottes geschaffen.
„Gott sprach: Lasset Uns Menschen machen, ein Bild, das Uns gleich sei . . . Und Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn, und schuf sie, einen Mann und ein Weib.“ 1. Mose 1, 26-27.
In diesen beiden Versen versichert Gott viermal, daß Er als Schöpfer den Menschen ins Leben gerufen hat, und Er wiederholt auch viermal, daß Er ihn nach Seinem Bilde geschaffen hat. Wenn auch die körperliche Beschaffenheit des Menschen in mancher Beziehung der der Tiere gleichen mag, so ist seine Persönlichkeit selbst doch von ganz anderer Art.
Gott gab ihm: 

einen Geist, der mit Ihm in Verbindung treten kann,

einen Verstand, der Seine Werke und Seine Offenbarungen verstehen kann,

ein Gewissen, das ihn auf den Weg des Heils führt,

einen Willen, der ihm erlaubt, sich frei zu entscheiden,

einen künstlerischen Sinn, die wahre Schönheit zu würdigen, und endlich

ein Herz, das fähig ist, seinen Schöpfer zu lieben.

Auf die Frage: Warum hat Gott den Menschen geschaffen? könnten wir so antworten: Gott, der die Liebe ist, wollte einen Widerschein Seiner selbst, ein Wesen, das Ihm gleich sei, um Seine Liebe zu empfangen und Ihm zurückgeben.
 Der Herr setzte Sein Geschöpf in das Paradies, um mit ihm die engste Verbindung zu pflegen. Als der Sündenfall diese Verbindung zerrissen hatte, zielten alle Bemühungen des göttlichen Erlösers darauf hin, sie durch das Kreuz wiederherzustellen, auf daß sie im Himmel endgültig und auf ewig bestehe.

Das Jenseits ist also nicht eine Art Anhängsel, das an das irdische Leben angefügt wird, um es fortzusetzen oder zu vervollständigen. Es ist im Gegenteil das Ziel, das unser ganzes Dasein bestimmt. Ein Wesen, das aus der Hand Gottes hervorgegangen und nach Seinem Bilde geschaffen worden ist, kann nur zu Ihm zurückkehren.
„Der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.“ Pred. 12, 7.


2. Der Mensch ist eine lebendige Seele.
Der Mensch ist vor allem zum Leben bestimmt: Nachdem Gott ihn aus dem Staub der Erde gebildet hat, „blies Er ihm den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele“ (oder: ein lebendiges Wesen). Dann pflanzte Gott in die Mitte des Gartens Eden den Baum des Lebens, durch den der Mensch eines Tages das ewige Leben erhalten sollte. 1. Mose 2, 7.9; 3, 22.

Tod und Verdammnis waren also nicht für Adam bestimmt. Erst als Folge seines Sündenfalles ist er davon betroffen worden. Wäre er nicht der Sünde verfallen, so hätte er wahrscheinlich, nachdem er eine Zeitlang im Garten verbracht hätte, vom Baume des Lebens essen dürfen und wäre dann der unmittelbaren Gegenwart Gottes teilhaftig geworden. Das Beispiel Henochs, der nach einem Leben in der Verbindung mit Gott hinweggenommen wurde, ohne den Tod zu schmecken, zeigt uns, wie die Menschen eigentlich hätten in den Himmel versetzt werden sollen. 1. Mose 5, 24; Hebr. 11, 5.


3. Leib, Seele und Geist.

Der Text 1. Mose 2, 7 unterscheidet beim Menschen:
den Leib, der aus dem Erdenstaub geschaffen wurde,

den Atem (oder Geist) des Lebens, den Gott ihm gab,
die lebendige Seele, die er dann wurde.

Zwei andere Bibelstellen unterscheiden zwei bzw. drei dieser Grundstoffe des Menschen:

„Euer Geist ganz samt Seele und Leib müsse bewahrt werden unsträflich auf die Zukunft unseres Herrn Jesu Christi.“ 1. Thess. 5, 23. 

„Das Wort Gottes . . . dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist . . . und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“ Hebr. 4, 12.

Es ist leicht, die Rolle zu verstehen, die unser Leib in unserem gegenwärtigen Leben spielt. Als Werkzeug unseres Willens dient er mehr dem Bösen als dem Guten. Wenn wir wiedergeboren sind, sollen wir ihn Gott als Opfer darbringen, da er der Tempel Seines Geistes ist. Röm. 12,1; 1. Kor. 6,9.

Paulus sagt, daß unser gegenwärtiger Leib „seelisch“ ist (im Griechischen psychisch), das heißt: belebt durch die Seele, die Psyche. . . . Durch die Auferstehung werden wir einen „geistlichen Leib“ erhalten. Was die Bezeichnung „Seele“ und „Geist“ betrifft, so ist es nicht immer leicht, sie in der Heiligen Schrift zu unterscheiden. Betrachten wir zuerst einmal, welche verschiedenen Bedeutungen das Wort „Seele“ hat! (Im Hebräischen: nephesh, im Griechischen: psyche.)


 a) Die Seele ist der lebendige Odem, der Ursprung des Lebens.
1. Mose 2, 7: „Er blies ihm ein den lebendigen Odem, und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“


1. Mose 9, 4-5: „Esset das Fleisch nicht, das noch lebt mit seiner Seele, mit seinem Blut! Auch will Ich eures Leibes Blut rächen … und will’s an allen Tieren rächen.“ (Hiernach haben auch die Tiere eine Seele, d.h. sie sind lebendig und nicht leblos wie tote Gegenstände.)


3. Mose 17,11: „Des Leibes Leben (Seele) ist im Blut . . . das Blut ist die Versöhnung, weil das Leben (die Seele) in ihm ist.“ (Das heißt: Das Blut ist der Grundstoff alles Lebens; wer eines Menschen Blut vergießt, nimmt ihm das Leben. Es genügt, wenn das Blut in das Heiligtum gebracht wird, um zu bezeugen, daß das Leben des Opfertieres dargebracht worden ist.)
Apg. 20, 10): Paulus aber ging hinunter, warf sich über ihn . . . und sagte: „Beunruhigt euch nicht! seine Seele ist (wieder) in ihm.“ 


b) „Seele“ in der Bedeutung „Person“, „Mensch“.
Dieser Sinn erscheint klar im Urtext:


2. Mose 1, 5: „Aller Seelen, die aus den Lenden Jakobs gekommen waren, deren waren siebzig.“

2. Mose 12, 4: Das Osterlamm sollte nach der Zahl der Seelen (das heißt der Personen) genommen werden.

3. Mose 4, 2: „Wenn eine Seele sündigen würde aus Versehen . . .“

3. Mose 21,11 ist noch charakteristischer: Der Hohepriester „soll zu keinem Toten kommen“. Wörtlich übersetzt heißt es: „zu keiner toten Seele“, obwohl er doch nur den unbeseelten Körper berühren könnte.

Im gleichen Sinne sagen wir selbst: eine Stadt von zehntausend Seelen.


 c) Die Seele ist der Träger des Gefühls.
1. Mose 34, 3: Seine Seele (Luther übersetzt: sein Herz) hing an ihr, und er hatte die Dirne lieb, und er wußte zu ihrem Herzen zu sprechen. (Luther übersetzt: er redete freundlich mit ihr; hier werden die beiden Worte „Seele“ und „Herz“ füreinander gebraucht.)

Psalm 42, 3, 6: „Meine Seele dürstet nach Gott . … Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“

Luk. 2, 35: „Es wird ein Schwert durch deine Seele dringen.“

Matth. 26, 38: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“


 d) Die Seele wird – nach einigen Bibelstellen – dem Geist gleichgesetzt. Verschiedene Schriftsteller haben versucht, den Unterschied zwischen Seele und Geist folgendermaßen darzulegen:


Die Seele ist der Träger des Lebens. Sie belebt unseren Leib. Auch der nicht wiedergeborene Mensch hat eine Seele. Sie ist außerdem der Sitz der Gefühle, des Verstandes, des Willens und der menschlichen Wünsche.

Der Geist hingegen ist der Teil unseres Wesens, der am höchsten, Gott am nächsten ist und mit Ihm in Verbindung treten kann. Beim unbekehrten Sünder ist dieser Geist „tot“. Bei der Wiedergeburt wird er durch den Einbruch des Geistes Gottes wieder erweckt und erhält die Fähigkeit, mit dem Göttlichen in Verbindung zu treten.

Der Geist des Menschen wird so das Gefäß des übernatürlichen Lebens und der Gegenwart des Herrn. 
Der Geist überlebt den Tod des Leibes und geht zu Gott. Er wird den „geistlichen Leib“, den Auferstehungsleib bewohnen.
Bei unserer Frömmigkeit ist das Seelische menschlich und fleischlich: zum Beispiel die sentimentalen religiösen Gefühle, persönliche Wünsche, ein nur verstandesmäßiges Erfassen der ewigen Wahrheit, ein noch nicht ausgelieferter Wille. Alles das kommt noch aus unserer eigenen Natur.
Die Frömmigkeit hingegen, die vor Gott gilt, hat ihren Sitz in unserer neuen Natur, unserem wiedergeborenen Geist, der vom Heiligen Geist erfüllt und fähig ist, in einem neuen Leben zu wandeln.
Diese Unterscheidung von „Seele“ und „Geist“ ist interessant, und wir glauben, daß sie in manchem der Wirklichkeit entspricht. Aber wir müssen auch feststellen, daß die Heilige Schrift, sowohl im Alten wie im Neuen Testament, häufig diese beiden Worte füreinander gebraucht:


Pred. 12, 7: „Der Staub (Leib) muß wieder zu der Erde kommen . . . und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.“ (Hier ist es der Geist, der in die andere Welt geht und zu Gott zurückkehrt.)


Psalm 16, 10: „Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und nicht zugeben, daß Dein Heiliger verwese.“

Petrus erklärt, daß es sich hierum ein prophetisches Wort handelt, das sich auf Jesus Christus bezieht, dessen Seele nicht im Totenreich bleiben sollte und dessen Leib auferstände. Apg. 2, 24-31. Der Psalmist und der Apostel hätten ebensogut von dem Geist reden können, den Jesus am Kreuz in Seines Vaters Hände gab. Matth. 27, 50; Luk. 23, 46; „Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes . . .“ – Es ist schwierig, hier einen Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen zu erkennen.
Matth. 10, 28: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht töten können.“ Die Seele ist hier nicht der einfache lebendige Odem, der mit dem Leib stirbt. Es handelt sich hier vielmehr um das, was man sonst „Geist“ nennt, den nicht materiellen Teil unseres Wesens, der in die andere Welt hinübergeht.
Apg. 7, 58: Stephanus rief und sprach: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“
Hebr. 12, 23. Im himmlischen Jerusalem befinden sich „die Geister der vollendeten Gerechten“.
Offb. 6, 9-10. Das hindert Johannes nicht, in der anderen Welt die „Seelen derer“ zu sehen, „die erwürgt waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. Und sie schrieen mit großer Stimme . . .“ Diese Seelen werden zu Beginn des Tausendjährigen Reiches wieder auferstehen!
Offb. 20, 4: „Die Seelen derer, die enthauptet sind um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen.“ 

Endlich spricht Petrus von der Seele als dem geistlichen Teil unseres Wesens, den Gott heiligt und für die Ewigkeit errettet: „Ihr werdet das Ende eures Glaubens davonbringen, nämlich der Seelen Seligkeit . . . und machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit . . . .enthaltet euch von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten . . . Welche da leiden nach Gottes Willen, die sollen Ihm ihre Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken.“ 1. Petr. 1, 9. 22; 2,11; 4,19.
Derselbe Apostel sagt auch, daß die Geister der Gottlosen im Gefängnis sind. 1. Petr. 3, 19.
Kurzum, es scheint uns schwierig, diese Unterscheidung zwischen Seele und Geist streng durchzuführen. Die Hauptsache ist, daß wir die wichtige und vollkommen klare Lehre der Heiligen Schrift festhalten: Ein Teil unseres Wesens ist geistlich, ist bestimmt, Gott zu erkennen und den Tod des Leibes zu überleben.


4. Ist die Seele unsterblich?
Wenn man auf gewissen Bibelstellen fußt, erhebt sich einem die Frage, ob die Seele nicht schließlich doch sterblich sei. Nach Paulus hat „Gott allein Unsterblichkeit“ 1.Tim. 6,16. Der Mensch hätte demnach kein Recht auf Unsterblichkeit. An anderer Stelle sagt die Heilige Schrift: „Welche Seele sündigt, die soll sterben.“ Hes.18,4. „Der Tod ist der Sünde Sold.“ Röm. 6,23.
Gleichwie der Leib stirbt – so denken manche -, wird auch die Seele durch den Tod vernichtet. Sie wäre also nicht unsterblich. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, weit davon entfernt, biblisch zu sein, sei heidnischen, vor allem griechischen Einflüssen zuzuschreiben. Nach der Lehre der Konditionalisten hinge unsere Unsterblichkeit ganz und gar von unserem Glauben ab: Der sterbliche Mensch wäre nur ein Anwärter auf die Unsterblichkeit und seine „Unsterblichwerden“ wäre sogar das Ziel der Erlösung. Das Leben der Gottlosen würde zwar über das Grab hinausreichen, aber doch nur vergänglich sein und endlich völlig auslöschen. . . .


Zuvor wollen wir einige erklärende Worte zu den Lehren der Griechen, vor allem Platos geben.
Die Griechen (und viele andere heidnische Völker) glaubten an das Weiterleben der Seele, aber nicht im gleichen Sinn wie die Heilige Schrift.
 Plato sieht die Materie als ein Übel an. Die Seele besteht vor dem Leib, da sie von Natur göttlich und unsterblich ist. Sie ist in dem sinnlichen Leib eine Gefangene, eine Fremde. Ihr Heil besteht in ihrer Erlösung aus dieser Leiblichkeit. Wenn die Seele völlig gereinigt worden ist, lebt sie in Ewigkeit ohne Leib.

Solche Lehren sind augenscheinlich eine Verneinung des biblischen Begriffes von der Auferstehung des Leibes, die mit der Wiedergeburt der Seele verbunden ist. Andererseits verachtet die Bibel die Materie nicht. Sie sagt nicht, daß der Leib an sich schlecht sei. Ist er doch von Gott vollkommen geschaffen und kann durch den Heiligen Geist, der in ihm wohnt, geheiligt werden. Außerdem besteht die Seele nicht vor der Geburt des Menschen, noch ist sie selber göttlich. Daß diese Lehren Platos gewisse Theologen und Kirchenväter beeinflußt haben, beweist die Geschichte. Aber sie sind nicht in das Neue Testament eingedrungen. Indem wir diese Lehren verwerfen, bekennen wir uns zu dem völlig anderen Zeugnis der Offenbarung.

Kehren wir zu unserer Frage zurück: Lehrt die Bibel die Unsterblichkeit der Seele? Wir haben gesehen, daß Gott allein „Unsterblichkeit hat“, denn Er ist die Quelle des Lebens, Er ist Seinem Wesen nach das Leben selbst und allein. Er ist ewig. Joh. 1,4; 14,6; Psalm 90,2. Paulus aber sagt nicht nur, daß Gott allein unsterblich ist. Er besitzt die Unsterblichkeit und Er verfügt darüber als einer Gabe, die Er als Schöpfer Seinen Geschöpfen gewährt. Die biblischen Texte scheinen dies in der Tat klar zu bestätigen:

1. Es gibt ein Weiterleben in der anderen Welt für die Gerechten wie für die Ungerechten. Was die Gerechten betrifft, so brauchen wir uns nur auf das Wort Christi zu berufen, wonach die Patriarchen alle leben, obwohl sie vor Hunderten oder Tausenden von Jahren die Erde verlassen haben. Luk. 20, 37-38.
Was die Ungerechten betrifft, so leben sie weiter im Totenreich nach Jes. 14, 9.10 und Hes. 32, 21-32. Jesus lehrt uns, daß sie dort seit ihrem Abscheiden in voller Bewußtheit leiden. Luk. 16, 19-31. Alle Gottlosen werden aus dem Totenreich hervorkommen, um das letzte Gericht und die Pein der Hölle zu erdulden. Offb. 20,12-15.
2. Dieses Weiterleben wird für die einen wie für die anderen kein Ende haben. Es ist selbstverständlich, daß das ewige Leben der Auserwählten allezeit dauern wird. Wir werden weiter sehen, daß die Qual und die Verdammnis die gleiche Dauer haben werden, denn die einen werden in das ewige Leben gehen und die anderen in die ewige Pein. Matth. 25,46. In dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, werden die Gottlosen Tag und Nacht gequält werden von Ewigkeit zu Ewigkeit. Offb. 14,10-11; 20,10; 21,8.
3. Die Bezeichnung „Unsterblichkeit“ wird von der Heiligen Schrift nur auf den auferstandenen Leib angewendet und nicht auf die Seele.
Der verwesliche Körper wird zerstört und vergeht. Er hat es nötig, unverweslich und unsterblich zu werden. Wenn auch die Seele den „geistlichen Tod“ kennt, so hört sie doch niemals auf, zu bestehen, weder in dieser noch in der anderen Welt. Wir werden reichlich Gelegenheit haben, dies umfassend zu beweisen.
Als Anregung könnte man folgende Übersicht geben:


Der Mensch empfängt:
bei seiner Geburt – mit seiner Seele – die Existenz ohne Ende,

bei seiner Wiedergeburt – mit seinem Geist – das ewige Leben

bei seiner Auferstehung – mit seinem Leib – die Unsterblichkeit.

4. Bemerkenswert ist auch, daß niemals von der Unsterblichkeit der Engel gesprochen wird. Es sind Geister, die ohne Zweifel für eine ewige Existenz geschaffen und bestimmt sind. Die Tatsache, daß die Bibel sie nicht „unsterbliche Engel“ nennt, bedeutet nicht, daß sie nicht ewig in der anderen Welt leben werden.
5. Obwohl sie für eine ewige Existenz bestimmt sind, haben die unbußfertigen Sünder doch nicht das wahre Leben, das in einer lebendigen Gemeinschaft mit Gott besteht. „Das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“ Joh.17,3. „Dieser (Jesus Christus) ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“ 1.Joh.5,20. Schon auf Erden ist der Gottlose im geistlichen Tod. Er ist getrennt von Gott, tot in seinen Übertretungen und Sünden nach Eph. 2,1; „lebendig tot“ nach 1.Tim. 5,6. Zusammenfassend bedeutet in der Sprache der Bibel
das Leben – die Existenz mit Gott,

der Tod – die Existenz ohne Gott.
Das Leben empfängt seinen Wert und sein Glück von Gott, dem Brunnquell aller Güter. Der „Tod“ besteht in dem Verlust der Liebe, der Freude und des Friedens, die Gott allein gibt. Wir können mit der Heiligen Schrift sagen, daß der Gläubige schon hier auf Erden das ewige Leben hat. Er genießt den Himmel schon auf Erden. Er hat Gott in seinem Herzen, bevor er mit Ihm für immer dort oben vereint wird. Dagegen ist der Gottlose schon jetzt im Tode. Er weiß schon etwas von der Hölle auf der Erde, von der der Herr mehr und mehr vertrieben wird. Im Jenseits wird dieser Gottlose den ganzen Schmerz erdulden, den die ewige Trennung von Gott in sich schließt.

6. Da die Bibel die Bezeichnung „Unsterblichkeit der Seele“ nicht anwendet, wollen wir sie auch nicht gebrauchen. Aber wie sie wollen wir mit aller Kraft das ewige Leben bezeugen, zu dem der Mensch, das Ebenbild Gottes, berufen ist. Vinet hat geschrieben: „Ich glaube nicht an die Unsterblichkeit der Seele, aber an die Unsterblichkeit des Menschen, der Leib und Seele ist.“ Dies gilt sowohl für die Gerechten wie für die Ungerechten, da es eine Auferstehung des Leibes für die einen wie für die anderen geben wird. Joh. 5, 28-29.

ZWEITER TEIL

Der Tod und die Toten

Kapitel I   DER TOD

1. Der ursprüngliche Plan Gottes.
Der Herr ist ein Gott der Liebe und des Lebens. Er bestimmte für die Menschheit – wie für alle Seine Geschöpfe – ein herrliches Los, ein Los voller Glück und in der beständigen Gemeinschaft mit Ihm.
Der Mensch, „zu Seinem Bilde geschaffen“ und „eine lebendige Seele“, war nicht zum Tode und zur Verdammnis bestimmt. Wir haben gesehen, daß er eines Tages von dem Baum des Lebens hätte essen dürfen und dann das ewige Leben erlangt hätte. und wie Henoch in den Himmel versetzt worden wäre, ohne den Tod gesehen zu haben. 1. Mose 3,22; Hebr. 11,5.
Selbst nach dem Sündenfall bezeugt Gott, daß Er vor allem und immer noch die Rettung aller Menschen will: „So wahr Ich lebe, spricht der Herr Herr, Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. So bekehret euch doch nun von eurem bösen Wesen.“
 „Gott, unser Heiland, will, daß allen Menschen geholfen werde.“ 1. Tim. 2, 3-4.
Wenn wir also soweit gekommen sind, daß wir von Tod und ewiger Verdammnis sprechen, so deswegen, weil ein furchtbares Ereignis Gottes ursprünglichen Plan erschüttert hat.



2. Warum ist der Tod zu uns gekommen?
Da er als Ebenbild Gottes geschaffen worden war, hatte der Mensch auch einen Willen und die Freiheit, danach zu handeln. Der Gott der Liebe will, daß Seine Geschöpfe Ihn mit Freuden lieben und Ihm freiwillig dienen. Er zwingt sie nicht, Seine Sklaven zu werden. Er stellt ihnen frei, auch einen anderen Weg zu wählen. Die Engel. Adam und Eva, Jesus selber sind versucht worden. Gott wollte den Garten Eden nicht zu einem goldenen Käfig machen, aus dem niemand hätte entweichen können. Er ließ das Tor halb offenstehen, aber Er hoffte, der Mensch wäre gebührend gewarnt und durch soviel Wohltat gewonnen, daß er sich freiwillig für den Gehorsam und die Gemeinschaft mit seinem Herrn entscheiden würde. Adam und Eva haben in völliger Freiheit des Willens gesündigt und erlebten dann, wie sich die furchtbare Drohung an ihnen erfüllte: „Von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.“ 1 . Mose 2, 17.

3. Der leibliche Tod.
Am Tage des Sündenfalls sagt Gott zu dem Menschen: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ 1. Mose 3, 19.
Paulus bekräftigt diese Worte, indem er schreibt: „Wie durch einen Menschen die Sünde ist gekommen in die Welt und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben.“ Röm. 5, 12.
Das Gesetz des Todes ist nunmehr unabweislich: Alle Menschen sind Sünder, und alle wandern dem Grabe zu. Und über der schönsten Erdenlaufbahn ertönt wie eine Totenglocke als letztes Wort: „ . . . und er starb.“ 1.Mose 5, 5.8.11 usw. Der Tod wird uns alle eines Tages treffen, und unsere größte Sorge sollte sein, uns auf ein seliges Sterben vorzubereiten, denn „es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“. Hebr. 9, 27.
Aber der leibliche Tod ist nicht endgültig. Für die Gläubigen wird es die herrliche Auferstehung nach dem Erstling Jesus Christus geben und für die Gottlosen die Auferstehung zum Gericht.



4. Der geistliche Tod.
Adam (wie auch wir) ist nicht am Tage seiner ersten Sünde vom Tod ereilt worden. Aber an demselben Tage wurde er vom geistlichen Tod ereilt, d.h., er wurde aus der Gegenwart Gottes, aus dem Garten Eden vertrieben. (1. Mose 3, 22-24.) Denn der geistliche Tod, der die Seele trifft, ist nicht die Vernichtung, sondern die Trennung von Gott. („Denn das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“. Joh. 17,3) Darum sehen wir seit dem Sündenfall, daß die Sünder leben, handeln, das Dasein genießen, ja sogar eine Religion haben und trotzdem im geistlichen Tode sind. Paulus schreibt an die Epheser: „Ihr waret tot durch Übertretungen und Sünden . . . gedenket daran, daß ihr zu derselben Zeit ohne Christum waret, daher ihr keine Hoffnung hattet und waret ohne Gott in der Welt.“ Eph. 2, 1.12.
Als er Timotheus von den Witwen schreibt, deren Lebenswandel tadelnswert war, erklärt derselbe Apostel: „Welche aber in Wollüsten lebt, die ist lebendig tot.“ 1. Tim. 5, 6.
Derart ist der furchtbare Zustand aller Menschen, die nicht wieder geboren sind: Sie sind lebendig tot! Tot, was ihren Geist betrifft; und was ihren Leib betrifft, so sind sie Anwärter des Todes. Ist das auch noch unser Zustand?
Auf alle Fälle war es der Zustand des verlorenen Sohnes, als er sein Geld verpraßte. Der Vater ruft bei seiner Rückkehr aus: „Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden.“ Luk. 15, 24. Tot bedeutet bei ihm: leben, aber im Elend, fern dem Vaterhause.



5. Vom Tode zum Leben
Alle Sünder sind dem geistlichen und leiblichen Tode verfallen. Sie alle bedürfen der Wiedergeburt der Seele und der Auferstehung des Leibes.
Die Heilige Schrift betont immer wieder die Notwendigkeit der neuen Geburt, das heißt der geistlichen Wiedergeburt des Sünders, der in den Augen Gottes tot ist. Jesus sagt zu Nikodemus, der ein frommer und gelehrter Mann, aber noch nicht wiedergeboren war: „Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.“ Joh. 3, 3-8.

Später erklärt der Herr, wie allein durch den Glauben und das Wirken des Geistes diese Wiedergeburt möglich ist: „Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“
Johannes hebt immer wieder diese herrliche Erfahrung hervor, die uns das ewige Leben gibt und uns zu Kindern Gottes macht:
„Wie viele Ihn aber aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben.“ Joh. 1,12.
Paulus verbreitete sich auch über das Thema der geistlichen Auferstehung der Gläubigen: „Ihr waret tot durch Übertretungen und Sünden . . . aber Gott . . . durch Seine große Liebe, damit Er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Sünden, hat uns samt Christo lebendig gemacht . . . und hat uns samt Ihm auferweckt.“ Eph. 2, 1. 4-6.
„Indem ihr mit Ihm begraben seid durch die Taufe, in welchem ihr auch auferstanden seid durch den Glauben, den Gott wirkt, welcher Ihn auferweckt hat von den Toten. Und Er hat euch mit Ihm lebendig gemacht, die ihr tot waret in den Sünden und in eurem unbeschnittenen Fleische, und hat uns geschenkt alle Sünden.“ Kol. 2, 12-13.

Die Taufe, von der hier die Rede ist, ist in erster Linie die Taufe des Geistes, die durch den Glauben empfangen wird und von der die Wassertaufe nur Sinnbild und Zeichen ist. Wer also von Herzen glaubt, der wird aus dem geistlichen Tod errettet, in Christus „eingetaucht“ und mit Ihm auferstehen.
„So sind wir ja mit Ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln . . . Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden . . . Begebet euch selbst Gott als die da aus den Toten lebendig sind.“ Röm. 6. 4. 8. 13.
Erwähnen wir auch noch die Worte Petri, nach welchen wir wiedergeboren sind durch das lebendige und ewige Wort Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig geworden sind. 1. Petr. 1,23 und 2. Petr. 1,4.
Die Botschaft all dieser Bibeltexte ist klar: Die Wiedergeburt ist das einzige Mittel gegen den geistlichen Tod, dem jeder Sünder verfallen ist. Diese Wiedergeburt wird im gleichen Augenblick vollzogen, in dem wir durch den Glauben Jesus Christus als unseren persönlichen Erlöser annehmen.  . . .

6. Der Tod des Gottlosen.
Alle Menschen, gläubige und ungläubige, wandern dem Ziel ihres Erdenlebens zu. Aber welch eine Kluft ist zwischen dem Tod eines Gotteskindes, das zu seinem Vater geht, und dem Tod des Sünders, der plötzlich vor seinem Richter erscheinen muß!
Das unendlich Tragische hierbei ist auch noch, daß der Ungläubige vom Tod ereilt wird, ohne darauf vorbereitet zu sein. Er sieht sich jäh in die eine oder andere Lage versetzt, die wir folgendermaßen beschreiben können:
In seinem Erdenleben hat er soviel Schätze wie möglich zusammen gerafft. Und Gott sagt ihm: „Du Narr! Wes wird’s sein, das du bereitet hast?“ Luk. 12, 20. . . .
Der Weltmensch stirbt, wie er gelebt hat. Isebel hat ein Leben der Zügellosigkeit und des wilden Egoismus geführt. . . . Sie, die Naboth kaltblütig ermorden ließ, wird zum Fenster hinausgeworfen, und die Hunde fressen sie auf dem Acker ihres Opfers. (2. Könige 9, 30-37.)
Die Aufrührer, in ihrem Gewissen beunruhigt, sehen mit Entsetzen die Stunde nahen, da sie Rechenschaft ablegen müssen. Als Saul von Samuel erfährt, daß er in der Schlacht sterben wird, fällt er vor Schrecken der Länge nach zu Boden. (1.Sam. 28, 20.) Als Belsazar die Hand sieht, die an die Wand schreibt: „Gezählt, gewogen, zerteilt!“, verfärbt er sich, „seine Gedanken erschreckten ihn, daß ihm die Lenden schütterten und die Beine zitterten“, er wird in derselben Nacht getötet. Dan. 5,6. 25. 30. . . .
Die tragischste Situation ist unstreitig die des scheinbar Gläubigen, des sogenannten „ehrenhaften Mannes“, desjenigen, der „recht tut und niemand scheut“, wie er sagt, der in einer falschen Sicherheit lebt und sich einbildet, vor seinem Gott vollkommen dazustehen. Wie zahlreich sind diese sogenannten „religiösen“ Menschen, . . .
An alle diese, die sich weigern, an Ihn zu glauben, richtet der Herr die furchtbaren Worte:
„Ihr werdet in euren Sünden sterben!“ Joh. 8, 24.
Diese Drohung wird auf ergreifende Art durch die bekannte Erzählung von Lazarus und dem reichen Manne veranschaulicht. Luk.16, 19-31.
Man hat schon angenommen, daß es sich hier um eine wahre Geschichte handele, da Jesus den Namen des Armen nennt, was Er in anderen Gleichnissen nie getan hat. Wie auch die Meinung hierüber sein mag, das eine steht fest: Jesus selbst gibt uns hier sehr genaue Einzelheiten über den Zustand der Seelen unmittelbar nach dem Tode. Es geht klar aus diesem Bibeltext hervor, daß, sobald sie diese Welt verlassen haben: die Gottlosen leiden, sie bei vollem Bewußtsein sind (Vers 23-24), sie ihr volles Erinnerungsvermögen haben (Vers 2), sie von niemand erquickt werden können (26), es ihnen unmöglich ist, den Ort der Qual zu verlassen (V. 26) sie vollkommen verantwortlich sind, wenn sie nicht zur rechten Zeit auf die Warnungen der Schrift gehört haben (Vers 27-31)
Wer erzittert nicht angesichts solch eines schrecklichen Loses? 


7. Der Tod des Gerechten
Es ist unmöglich, sich einen größeren Gegensatz vorzustellen. Der Gläubige hat dieselbe Verdammnis verdient. Aber er hat sich vor Gott gedemütigt. Er hat sein Vertrauen in Den gesetzt, dessen Tod ihn von den Folgen der Sünde erlöst. Von nun an ist der Tod für ihn nicht mehr der König der Schrecken. Er ist am Tage seiner Wiedergeburt der Macht des Todes entronnen.
„Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ Joh. 5, 24.
„So jemand Mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich . .  .” Joh. 8, 51.
Der Gläubige kann die Erde verlassen, das hat keine Bedeutung. Er hat das ewige Leben, und wenn er diese Erde verläßt, nimmt er noch mehr Besitz davon. Für ihn gibt es keinen Tod. Auch sein Leib wird am Jüngsten Tage auferstehen.
Der arme Lazarus stirbt und „ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß“, d.h. an den Ort der seligen Toten. Luk. 16, 22. 25.
Warum sollten wir denn einen Übergang fürchten, der uns unserem göttlichen Meister nur noch näher bringt?


Stephanus, der von zähneknirschenden Feinden umringt war, hatte nicht die geringste Furcht vor dem Tode. Sein Angesicht war wie eines Engels Angesicht. Er sah die Herrlichkeit Gottes und betete: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ Apg. 6,15; 7,54-60.
Wie fern sind uns die düsteren Gedanken und der wahnsinnige Schrecken, den der Tod im allgemeinen hervorruft. Aber das ist nicht alles:
Paulus erklärt den Korinthern, daß der Leib uns für diese Zeit als Hütte dient, die wir mit einer ewigen Wohnung vertauschen werden.

„Wir wissen aber, so unser irdisch Haus dieser Hütte zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von Gott erbauet“. . . 2. Kor. 5,1-5.


Das ist wahrlich klar und wunderbar. Seit durch Seine Auferstehung und Himmelfahrt Jesus die Gläubigen, die bis dahin im Totenreich gefangen waren, mit sich in den Himmel gezogen hat, werden die Gotteskinder im Augenblick ihres Todes in die Gegenwart des Herrn versetzt. Wie Paulus betrachten sie ihr Scheiden als einen Gewinn, denn „abscheiden und bei Christus sein ist viel besser“. Sie möchten lieber diesen Leib des Leidens verlassen und beim Herrn weilen, nicht mehr im Glauben, sondern im Schauen wandeln.
Hinfort geht derselbe Apostel seinen Weg, ohne im geringsten von dem Gedanken an den Tod beunruhigt zu sein. Er erklärt: „Ich halte mein Leben auch nicht selbst teuer, auf daß ich vollende meinen Lauf mit Freuden, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes . . . Ich bin bereit … auch zu sterben zu Jerusalem um des Namens willen des Herrn Jesu.“ Apg. 20, 24.

Und als seine Stunde schlägt, erscheint Paulus womöglich noch ungetrübter:
„Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit.“ 2. Tim. 4, 6-8.
Wenn ein Kind zur Welt kommt, liegt vor ihm ein Leben voll schöner Hoffnungen, aber auch voller Unsicherheit, Gefahr, Versuchung zur Sünde, Unglück, ja vielleicht sogar ewiges Verderben. Für den Gläubigen hingegen, der siegreich im Hafen landet, gibt es keine Unruhe mehr, die Schlacht ist gewonnen. Nun geht er ein in die Herrlichkeit. Welcher Christ, der im Begriff ist, zu seinem Gott zurückzukehren, möchte noch einmal seinen Lauf hier unten beginnen? Und wer möchte den geliebten Menschen zurückrufen, der ihn verlassen hat und in die Gegenwart des Herrn versetzt wurde?

Du, der du einst warst meines Erdenlebens Glück,

o kehre wieder! Komm zu mir zurück!

Was sagte ich? Zurück zur dunklen Erde aus des Himmels Licht?

Zurück in Schmerz und Not? Nein, das erfleh ich nicht!

Zurück auf unsere Dornenwege, unsere stein’gen Pfade,

da du schon trägst das weiße Kleid der Gnade?

Da dich schon Jesus führt auf grünen Auen,

zum frischen Quell, Sein Angesicht zu schauen?

Nein, nein! Kehr nicht zurück! Ich harre auf die Zeit,

da glaubend uns vereint die Ewigkeit.
(Nach Theodore Monod)

Wer sich Christus ganz übergeben hat, der hat sein eigenes Leben aufgegeben – er hat mit seinem Herrn den Tod erlitten, aber zu gleicher Zeit hat er das ewige Leben erlangt. Weder der Tod selbst noch die Art des Todes können ihn noch schrecken. Er gehört zu denen, die „ihr Leben nicht geliebt haben bis an den Tod.“ Offb. 12,11. Er fürchtet sich vor Dem, „der Leib und Seele verderben kann in die Hölle“, aber er fürchtet sich nicht vor denen, „die den Leib töten und die Seele nicht können töten“. Matth.10,28.
Wie es auch kommen mag, wer getreu ist bis zum Tode, wird niemals allein den letzten Weg gehen müssen. 
„Ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir, Dein Stecken und Stab trösten mich.“ Psalm 23.


8. Welchen Tod möchten wir sterben?
Wir wollen, um ganz klar zu sehen, noch einmal gegenüberstellen, was beide, den Gerechten und den Ungerechten, nach dem Tode erwartet.

Was den Gerechten erwartet:

1. Das Blut Jesu Christi macht uns rein von allen Sünde. 1.Joh. 1,7.9.

2. Er kommt nicht ins Gericht. Joh. 5,24.

3. Er kommt zum Frieden und ruht. Jes. 57, 2.

4. Er wird von den Engeln in Abrahams Schoß getragen… Luk. 16, 22 und 25.

5. Kommt her, ihr gesegneten Meines Vaters! Matth. 25, 34

6. Ihr werdet die unverwelkliche Krone der Ehren empfangen. 1. Petr. 5, 4.

11. Wer auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Gal. 6.

12. Bei Christo sein ist viel besser. Phil. 1, 23.

13. Für Paulus ist Sterben ein Gewinn. Er hat Lust, abzuscheiden. Phil. 1, 21.

Was den Gottlosen erwartet:
Eure Sünde wird euch finden. 4. Mose 32, 23.

Das Gericht wartet seiner. 2. Petr. 2, 9.

Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun. Röm. 2, 9.

Als er im Totenreich und in der Qual war, rief er: „Ich leide Pein in dieser Flamme.“ Luk.16,23-29.

Sie werden aufwachen zu ewiger Schmach und Schande. Dan. 12, 2.


Das sollt ihr wissen, daß kein . . .Unreiner oder Geiziger, welcher ist ein Götzendiener, Erbe hat in dem Reich Christi und Gottes. Eph. 5, 5.

Wer auf das Fleisch sät, wird von dem Fleisch das Verderben ernten. Gal. 6, 8.

Sie sitzen in der Finsternis und Schatten des Todes. Luk. 1, 7 9.

Der Teufel hat die Gewalt des Todes. Er unterdrückt alle diejenigen, die durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten. Hebr. 2, 14-15.

Der Gottlose ruft: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Hebr. 10, 31.


9. Der Trost im Sterben.
Mag sein Glaube auch noch so triumphierend gewesen sein, mag der Gläubige auch voller Heilsgewißheit zu seinem Herrn gegangen sein, für seine Angehörigen bedeutet sein Tod doch einen herben Verlust.

Wohl glauben wir an ein Wiedersehen,
aber unser „Fleisch ist schwach“, und wir sind oftmals wie zerschmettert von dem Schmerz der Trennung. Gott ist nicht unempfindlich für unser Leid. Als Jesus Marias Tränen sieht, „ergrimmt Er im Geist und betrübt sich selbst, und die Augen gehen Ihm über“, obwohl Er einige Augenblicke später Lazarus auferwecken wird. Joh. 11, 33-35.

ER selbst hat den Schmerz gekannt, die Sterbensnot, den Tod. Mehr als wir hat Er unter dieser grausamen Macht gelitten, „denn worin Er gelitten hat und versucht ist, kann Er helfen denen, die versucht werden“. Hebr. 2, 18.
Er sendet uns den Heiligen Geist, dem Jesus den schönen Namen „Tröster“ gibt. Joh.14,16.
So können wir mitten im Leid die übernatürliche Hilfe Dessen erfahren, der „dem Tode die Macht hat genommen und das Leben und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium“ 2.Tim.1,10.

Dieser Trost möge uns helfen, das Leid der anderen zu verstehen und sie zu der einzigen Quelle des Sieges und des Friedens zu führen. Wir werden samt ihnen die Erfahrung machen, daß die Prüfung niemals über unsere Kräfte geht, und die Hoffnung auf das ewige Heil wird uns aufrecht halten, bis Gott abwischen wird alle Tränen.

10. Die Todesstunde.
a) Gott hat unserem Leben eine Zeit gesetzt.
Niemand kennt seine Sterbestunde. Das ist ein Geheimnis, das Gott allein weiß.
„Ein jegliches hat seine Zeit . . . geboren werden und sterben . . . Ein Mensch hat nicht Macht über den Geist, den Geist zurückzuhalten, und hat nicht Macht über den Tag des Todes . . . .“ Pred. 3, 1-2.
„Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht . . . Er hat seine bestimmte Zeit, Du hast ein Ziel gesetzt, das wird er nicht überschreiten.“ Siehe Hiob 14, 1-6; 16,22.
Und der Psalmist sagt: „Meine Zeit steht in Deinen Händen.“ Psalm 31,16.
Für jeden von uns, er sei weise oder töricht, kommt die Stunde, da Gott zu ihm spricht: „Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern!“ Luk. 12, 20. . . . 


b) Was denken wir vom Selbstmord?
Die Heilige Schrift verurteilt es, daß ein Mensch der Stunde Gottes zuvorkommt und sich selber das Leben nimmt. Die Beispiele von Saul 1. Sam. 31, 4, Ahitophel. 2. Sam. 17, 23, und von Judas Matth. 27, 5, zeigen uns das. „Die Traurigkeit der Welt wirkt den Tod, die göttliche Traurigkeit wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereut.“ 2. Kor.7, 10. Der Herr gebietet uns: „Du sollst nicht töten!“ 2. Mose 20, 13.
Der Selbstmörder setzt seinem Leben in einem Augenblick der Auflehnung oder der Verzweiflung ein Ende. Er nimmt sich selber die Gelegenheit, von Gott die Erlösung aus aller seiner Not zu erlangen. Vor allem verscherzt er durch seine eigene Schuld die Gnade der Buße und des Glaubens. Welch eine Torheit, sich freiwillig in einen Abgrund zu stürzen, den Gott uns ersparen wollte!
Manche Menschen, auch sogar Gläubige, werden von Selbstmordgedanken gequält. Sie dürfen gewiß sein, daß dies eine besondere Art der Versuchung ist. Der Teufel, unser geschworener Feind, ist „ein Mörder von Anfang“. Joh. 8, 44. Er ist niemals glücklicher, als wenn er ein Geschöpf Gottes verderben kann. Wir müssen ihm fest im Glauben widerstehen, 1. Petr. 5, 8-9, und uns im Gebet Dem anbefehlen, der „unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu bewahren kann.“ Phil. 4, 6-7.
Mörder wie der Schächer am Kreuz haben Gnade gefunden. Luk.23, 41-43.
Durch die wunderbare Gnade Gottes sind sogar Selbstmörder mit dem Leben davongekommen und haben sich noch von ganzem Herzen bekehrt. Andere haben vor dem Sterben noch einige lichte Augenblicke gehabt und konnten zu Gott schreien und durch den Glauben Seine Vergebung erlangen.
Darum wollen wir nicht richten! Der Herr allein weiß, was im letzten Augenblick zwischen Ihm und einer Seele vorgeht. Wir wollen jedoch mit allem Nachdruck wiederholen, daß nach der Bibel der Selbstmord ein Verbrechen ist und daß es töricht ist, sein Leben mit einer Herausforderung Gottes zu beenden.

c) Ist es erlaubt, aus Mitleid den Tod eines Menschen zu beschleunigen?
Wir befassen uns hierbei nicht mit einem offenbaren Mord, der von der Bibel klar verdammt wird. Aber in unseren Tagen verbreitet sich die Ansicht immer mehr, daß es erlaubt und richtig sei, das Ende einer Krankheit durch „Euthanasie“ zu beschleunigen, das heißt durch einen sanften Tod, der große Schmerzen erspart. Was sollen wir hierzu sagen?
Zuerst einmal, daß einen Menschen töten immer ein Mord ist, und wenn man ihn auch mit einem schönen griechischen Namen schmückt. Gott erlaubt niemandem, willkürlich in das Leben seines Nächsten einzugreifen. „Du sollst nicht töten!“ Dieses Gebot hat ewige Gültigkeit.
„Ich will eures Leibes Blut rächen an einem jeglichen Menschen als dem, der sein Bruder ist . . . denn Gott hat den Menschen zu Seinem Bilde gemacht.“ 1. Mose 9, 5-6.
Die Totschläger sind bei denen, „deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt“. Offb. 21,8; 22,15.
Könnte man außerdem nicht auch dadurch, daß man eines Menschen Leben verkürzt, ihm die letzte Gelegenheit nehmen, sich zu bekehren und für die Ewigkeit errettet zu werden?
Und wer weiß schließlich mit Bestimmtheit, ob der Kranke nicht doch noch würde geheilt werden können? Ärzte können sich täuschen und jemanden als unheilbar bezeichnen, der es gar nicht ist. Und wenn er es auch nach menschlichem Ermessen und wissenschaftlicher Erkenntnis wäre, könnte ihn nicht doch noch ein Wunder Gottes retten? „Wo noch Leben ist, ist auch noch Hoffnung“, sagt der Volksmund. – Aber wenn es auch verboten ist, das Leben unseres Nächsten anzutasten, dürften wir es dann nicht doch auf seine ausdrückliche Bitte tun?
Es gibt in der Tat Kranke und Verletzte, die inständig flehen, ihrem Leid ein Ende zu machen.
Wir glauben, daß auch hierfür dieselben Gründe gelten, die wir soeben angeführt haben, und daß dies nicht weniger untersagt ist. Wir würden ja auch niemandem bei einem Diebstahl Beistand leisten, wenn er uns anflehte, ihm dadurch aus der Not zu helfen.
Aber wir wollen eine zweifache Antwort geben: Wir werden alles, was in unseren Kräften steht, tun, um die Leiden des Kranken zu lindern – und zu gleicher Zeit werden wir uns bemühen, ihm mit Gottes Hilfe all den geistlichen Trost zu vermitteln, dessen er bedarf. Wer weiß – das sei nochmals betont -, ob der Herr nicht in Seiner Allmacht wunderbar eingreifen und ob das Gebet des Glaubens den Kranken nicht erretten wird? Jak. 5, 15. In jedem Falle hat die Prüfung einen geistlichen Sinn, Hebr. 12, 5-11, und Gott hat in Seiner Güte feierlich versprochen, daß sie unsere Kräfte nicht übersteigen wird, 1. Kor. 10,13, selbst wenn im gegebenen Augenblick diese Kräfte auf übernatürliche Weise vermehrt werden müßten.


d) Was denken wir von der Todesstrafe?
Wenn es dem einzelnen nicht erlaubt ist, seinem Leben ein Ende zu machen, darf dann die menschliche Gesellschaft einen Verbrecher zum Tode verurteilen?
Stellen wir zuerst einmal fest, daß die Todesstrafe im Alten Testament gebräuchlich war. Gott erklärt Noah schon: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu Seinem Bilde gemacht.“ 1. Mose 9, 6.
Im Gesetz Moses war die Todesstrafe für zahlreiche Vergehen vorgesehen, zum Beispiel für

den Mord, 3. Mose 24, 17;

den Ehebruch, 3. Mose 20, 10;
die Zauberei und Wahrsagerei, 2. Mose 22, 18; 3. Mose 20, 27;

die Gotteslästerung, 3. Mose 24,16;

den Ungehorsam gegen die Eltern, 3. Mose 20, 9; 5. Mose 21, 21;

die Sabbatschändung, 2. Mose 35,2

den Götzendienst, 5. Mose 17, 2-6 usw.

So wurde „das Böse aus Israel getan“, 5. Mose 17,12, und im Brief an die Hebräer wird zusammenfassend erklärt: „Wenn jemand das Gesetz Moses bricht, der muß sterben ohne Barmherzigkeit durch zwei oder drei Zeugen.“ Hebr. 10,28.
Im Neuen Testament sind die vorgesehenen Strafen nicht mehr in erster Linie leiblich und zeitlich, sondern geistlich und ewig, also unendlich ernster. (Siehe dieselbe Stelle Hebr. 10, 28-31.)
Jedoch, wenn das göttliche Gericht – das ja allein gerecht und vollkommen ist – auch zur anderen Welt gehört, so schließt das nicht aus, daß Gott einen Vermessenen hier unmittelbar schlägt wie Herodes, Apg. 12, 3, oder auch daß Er irdischen Richtern Gewalt gibt, die Todesstrafe zu vollziehen.

„Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst, sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut.“ Röm. 13, 4.
Hier handelt es sich offenbar nicht um die Gemeinde, die von der Liebe Christi erfüllt sein soll und die da handeln soll gemäß Matth. 3, 8-48: dem Übel nicht widerstreben, ihre Feinde lieben und denen wohltun, die sie verfolgen (was nicht der Geist der Inquisition ist).
Der Text Röm. 13, 4 bezieht sich ohne Zweifel auf die Welt und auf den Staat, die nicht christlich sind. Trotzdem sind sie verpflichtet, soweit es möglich ist, dem Gesetz und dem Guten Achtung zu verschaffen und Verbrechen zu ahnden. Sonst wäre ein Leben in unserer zerrütteten Gesellschaft überhaupt nicht mehr möglich.
Selbstverständlich wäre es besser, wenn der Staat die Ordnung aufrechterhalten könnte, ohne auf die Todesstrafe zurückzugreifen. Dies wäre aber nur möglich bei Ländern, die noch mehr vom Geist des Evangeliums durchdrungen sind.
Was den Christen an der Todesstrafe mißfällt, ist nicht allein das Blutvergießen. Ihn bewegt auch der Gedanke, daß man das Leben des Schuldigen nicht abkürzen soll, um ihm nicht die Zeit zur Buße und zur Rettung seiner Seele zu nehmen. Unter dem Einfluß der christlichen Ideen hat sich der Begriff der Strafe in neuerer Zeit immer mehr gewandelt. Sie soll, wenn möglich, nicht Strafe allein, sondern Erziehungsmaßnahme sein. Der schlimmste Verbrecher kann sich bessern und durch die Wiedergeburt ein neuer Mensch werden. Der Schächer am Kreuz ist ein klarer Beweis dafür. Luk. 23, 42-43 .
Dann aber müßten sich die Christen ihrer Verantwortung auf diesem Gebiet mehr bewußt werden. Sie müßten die Verurteilten mit dem Evangelium viel mehr vertraut machen. Ein ernster Einwand gegen die Todesstrafe ist auch noch die Tatsache, daß ein Justizirrtum nicht wieder gutgemacht werden kann, wenn der Unschuldige hingerichtet worden ist.

e) Kann ein Mensch seine Todesstunde gegen seinen Willen beschleunigen?
Selbstverständlich. Ein Wüstling, der seine Gesundheit ruiniert, ein Sportsmann, der Gott versucht, indem er sinnlos sein Leben aufs Spiel setzt, können durch eigene Schuld einen verfrühten Tod herbeiführen. Aber auch geistliche Ursachen können dieselben Folgen zeitigen. Hier zu bietet die Bibel zahlreiche Beispiele:
„Ger (der Erstgeborene Judas) war böse vor dem Herrn, darum tötete ihn der Herr . . .da gefiel dem Herrn übel, was er (sein Bruder Onan) tat, und Er tötete ihn auch.“ 1.Mose 3 8, 7-10.
Die Söhne Elis hatten schwer gesündigt und „gehorchten ihres Vaters Stimme nicht, denn der Herr war willens, sie zu töten.“ Und der Herr sprach zu Eli: „Alle Menge deines Hauses sollen sterben, wenn sie Männer geworden sind. Und das soll dir ein Zeichen sein, das über deine zwei Söhne Hophni und Pinehas kommen wird: auf einen Tag werden sie beide sterben.“ 1. Sam. 2, 25. 33.  . . .

Schrecklich ist es, daß auch Christen ihr Leben verkürzen können. Paulus schreibt vom Abendmahl: „Welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket sich selber zum Gericht, damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn. Darum sind auch viele Schwache und Kranke unter euch, und ein gut Teil entschlafen. Denn so wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, auf daß wir nicht samt der Welt verdammt werden.“ 1. Kor.11, 29-32.
Wenn der Apostel einer der urchristlichen Gemeinden, die voller Leben und Glauben waren, so schreibt, was würde er dann in unseren Tagen sagen?
Noch strenger äußert er sich über ein Ärgernis, das eines der Glieder derselben Gemeinde verursacht hat: „Ein solcher sei übergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf daß der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu.“ 1.Kor. 5,5. Wenn ein Gläubiger es ablehnt, sich zu bessern, kann ihn der Herr an seinem Leibe schlagen, ja sogar sein Leben verkürzen, um ihn auf dem Wege des Verderbens aufzuhalten und wenigstens seine Seele zu retten.

f) Kann man auch sein Leben verlängern?
Ja, auch das sagt die Bibel. Nicht allein dadurch, daß man seinen Leib, den Tempel des Heiligen Geistes, pflegt, sondern auch indem man gewisse geistliche Regeln beachtet.
„Halte Seine Rechte und Seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dir’s und deinen Kindern nach dir wohlgehen, daß dein Leben lang währe in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt ewiglich.“ 5. Mose 4, 40.
Und das Wort 5. Mose 16 wird Eph. 6, 2-3 wiederholt:
„Ehre Vater und Mutter (das ist das erste Gebot, das Verheißung hat), auf daß dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden.“
„Die Furcht des Herrn mehrt die Tage, aber die Jahre der Gottlosen werden verkürzt.“ Spr. 10, 2 7 .
Gott kann auch ein Gebet erhören und einen Totkranken heilen und sein Leben verlängern. Das typische Beispiel hierfür ist Hiskia, dessen Leben der Herr auf seine Tränen und auf sein Flehen hin fünfzehn Jahre zusetzt. 2. Kön. 20, 1-6. Leider macht der König von dieser neuen Lebensspanne keinen guten Gebrauch. Er läßt sich vor den Gesandten des Königs zu Babel zum Hochmut verleiten. 2. Kön. 20, 12-19. Vor allem wird ihm in diesen fünfzehn Jahren der Sohn geboren, der ihm auf den Thron folgt. Dieser Manasse ist so gottlos, daß um seinetwillen Gott Jerusalem nicht fernerhin verzeiht, sondern es zerstören läßt. 2. Kön. 21, 1; 24, 3-4.
Ist man da nicht versucht zu denken, daß es für Hiskia und sein Volk besser gewesen wäre, wenn Gott ihn zu dem Zeitpunkt abgerufen hätte, den Er ihm bestimmt hatte?
Bemerkenswert ist auch noch der Fall von Epaphroditus, von dem Paulus schreibt: „Er war todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht allein über ihn, sondern auch über mich, auf daß ich nicht eine Traurigkeit über die andere hätte.“ Phil. 2, 27.
Dies ermutigt uns, gläubig zu bitten, uns aber auch demütig unter den vollkommenen Willen Gottes zu beugen.

11. Der Sieg über den Tod.
„Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod.“ 1. Kor. 15,26. Die Herrschaft des Todes währt nicht ewig. Wir sehen schon ihr Ende nahen.
Jesus Christus hat den Tod schon bei Seinem ersten Erscheinen besiegt.
Die Gnade Gottes ist jetzt schon offenbart worden durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesu Christi, „der dem Tode die Macht hat genommen und das Leben und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium“. 2.Tim. 1,10.
Jesus ist Mensch geworden, „auf daß Er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und erlöset die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten“. Hebr. 2, 14-15.
Die Auferstehung wird die Gläubigen von den letzten Fesseln des Todes befreien.
Wenn sie bei der Wiederkunft Christi mit dem neuen herrlichen Leib bekleidet werden, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ 1. Kor. 15, 54-55.
Während des Tausendjährigen Reiches wird der leibliche Tod weniger Macht haben.
Wir haben gesehen, daß Gott der Sünde wegen nicht allein dem Tode Macht gegeben hat, sondern auch das Leben des Menschen auf hundertundzwanzig Jahre beschränkt hat, 1. Mose 6, 3, ja sogar im allgemeinen nur auf siebzig oder achtzig Jahre. Psalm 90, 10.
Während der glorreichen Herrschaft Christi hier auf Erden wird der Satan gebunden sein und das menschliche Leben wieder beträchtlich verlängert werden. Es wird keinen frühzeitigen Tod mehr geben, und ein Mensch von hundert Jahren wird jung sein: „Es sollen nicht mehr da sein Kinder, die nur etliche Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern die Knaben sollen hundert Jahre alt sterben . . . die Tage Meines Volkes werden sein wie die Tage eines Baumes.“ Jes. 65, 20-22.
Aber dies wird nur die letzte Etappe vor dem endgültigen Triumph sein.
Endlich wird der erste Tod aufhören zu sein.
Nach den beiden Auferstehungen und der Vernichtung der Erde wird keiner mehr da sein, der den leiblichen Tod erfahren könnte. Darum schreibt Johannes, nachdem er das jüngste Gericht geschildert hat: „Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl.“ Offb. 20, 14.
„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn das erste ist vergangen.“ Offb. 21, 4. Der Leib der Auserwählten wird mit Unsterblichkeit überkleidet werden. 1. Kor. 15, 53. Welch glorreicher Triumph wird das sein!
Leider wird für die Verdammten anstelle des leiblichen Todes, der nun nicht mehr ist, der Pfuhl treten, der mit Feuer und Schwefel brennt, der „andere Tod“. Offb. 20, 14; 21,8. Herrliche Wahrheit ist es für uns, daß wir aus der Gewalt des Todes befreit sind, jetzt und immerdar, durch Jesus Christus, der das ewige Leben ist!


12. Bereiten wir uns auf ein seliges Sterben vor.
Besser: Wir wollen so leben, daß wir dem Tod ohne Furcht entgegensehen können. Das Schicksal des Menschen entscheidet sich hier auf Erden. Es ist daher überaus wichtig, daß wir uns heute noch entscheiden, auf welche Weise wir der Ewigkeit begegnen wollen. „Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden!“ Ps. 90.
Wir wollen allezeit Dessen gewärtig sein, der dem Tode die Macht genommen hat, und jeden Tag von Seinem ewigen Leben zehren. Wenn wir dann einmal von hier scheiden müssen, wird es kein Tod für uns sein.
Sagte Adele Kamm nicht: „Ich liebe das Leben. Ich genieße es vollbewußt. Aber ebenso liebe ich den Tod, den Heimgang zu Gott. Für mich bedeutet Leben und Sterben dieselbe Freude.“

Kapitel II   DER AUFENTHALT DER TOTEN

1. Der Aufenthalt der Toten vor dem ersten Erscheinen Christi.
Wohin sind die Seelen der Verstorbenen vor dem ersten Erscheinen Christi gekommen, und wohin kommen sie dann, um Seine herrliche Wiederkunft oder das Jüngste Gericht zu erwarten?
Wir wollen versuchen, diese Fragen eine nach der anderen zu untersuchen.

a) Die Juden nannten den Ort, wohin sich alle Verstorbenen, die Seligen und die Unseligen, begaben, Scheol. (Das entsprechende Wort heißt im griechischen Neuen Testament „Hades“.)
Wenn ein Patriarch starb, sagte man, daß er „zu seinem Volk gesammelt wurde“, 1. Mo. 25, 8.17; 35,29; 49,33.
David beweint sein Kind und sagt: „Nun es aber tot ist . . . kann ich es auch wiederum holen? Ich werde wohl zu ihm fahren, es kommt aber nicht wieder zu mir.“ 2. Sam. 12,23.
Am Ende seines Lebens „entschlief der König mit seinen Vätern“, wie es der übliche Ausdruck im Buch der Könige ist. (1. Kön. 2,10; 11, 43; 14,20 usw.)

b) Das Alte Testament betrachtet den Aufenthalt der Toten als Stätte des Vergessens und der Ruhe – vor allem für den Gläubigen. Hiob wünscht sich seinen Tod mit folgenden Worten: „So läge ich doch nun und wäre still, schliefe und hätte Ruhe, mit den Königen und Ratsherren auf Erden . . . Hiob 3,13.
Dies spricht der Prediger voll irdischer Hoffnungslosigkeit aus. Für ihn wird alles wieder zu Staub, der Mensch wie das Vieh. Pred. 3, 19-21. Die Toten wissen nichts, sie sind vergessen, sie haben kein Teil mehr an dem, was unter der Sonne geschieht . . .

c) Dennoch ist es nach anderen Bibelstellen augenscheinlich, daß die Toten im Reich der Toten weiterleben. 

Samuel, den wir schon erwähnten, kommt herauf und spricht mit Saul. 1. Sam. 28. 
Mose und Elia, die vor langer Zeit die Erde verlassen haben, erscheinen mit Jesus auf dem Berge der Verklärung. (Matth. 17, 3.)

Gott sagt zu Mose: „Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“
Jesus stützt sich in Seiner Beweisführung auf die Zeitform des Wortes: Gott hätte „Ich war“, gesagt, wenn die Patriarchen nicht mehr lebten. Aber, fügt der Herr hinzu, „Gott ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott, denn sie leben Ihm alle.“ Luk. 20, 38.
Auch die Gottlosen behalten am Ort der Toten ihre Persönlichkeit. Jes. 14, 9-10 und Hesek. 32, 21- 31 berichten uns, wie die Verstorbenen einander empfangen und miteinander reden. Wir haben schon durch den Bericht Luk. 16, 19-31 erfahren, daß die seligen und unseligen Toten in der andern Welt ihre Persönlichkeit, ihre Erinnerung und das Bewußtsein ihres Zustandes bewahren. Lazarus wird getröstet, der schlechte Reiche leidet, und Abraham ermahnt ihn in voller Geistesklarheit.

d) In dem Zeitalter, das dem Erscheinen Christi vorausging, unterschieden die Juden zwei Teile des Totenreiches: in dem einen wurden die Gottlosen nach ihrem Tode gequält, der andere war für die Seligen bestimmt. Man nannte ihn „Paradies“ oder „Abrahams Schoß“.
Jesus selbst gebraucht diese beiden Bezeichnungen und bestätigt diese Lehre damit. Er zeigt uns Lazarus und den reichen Mann an grundverschiedenen Orten und getrennt durch eine unüberschreitbare Kluft. Luk. 16, 22-23. Andererseits verspricht Er dem Schächer am Kreuz, daß dieser mit Ihm am selben Tage im Paradies sein werde. Luk. 23, 43.

2. Die Veränderung, die Christi Niederfahrt zum Totenreich hervorrief.
Christus, der sündlose Sohn Gottes, ist gewiß nicht in den Teil des „Scheol“ hinabgestiegen, wo die Gottlosen gequält werden. Dort hat sich nichts geändert, und die Bibelstellen, die davon handeln, vor allem Luk. 16, 19-31, schildern das Los aller unbußfertigen Toten, wie es heute noch ist.
Hingegen ist Christus zu den seligen Toten hinabgestiegen, zugleich mit dem Schächer am Kreuz, dem Er dies herrliche Wiedersehen zugesagt hatte: „Heute noch wirst du mit Mir im Paradiese sein!“ Luk. 23, 43.
Nach drei Tagen „hat Gott Den auferweckt und aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, daß Er sollte von ihm gehalten werden.“ Apg. 2, 24.


Der Siegesheld hat den größten Feind bezwungen und die Pforten des Grabes zerbrochen.
„Er ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängnis gefangengeführt und hat den Menschen Gaben gegeben.“ Eph. 4, 8-10. Seit langem nehmen die Bibelausleger an, daß Christus nach Seiner Verklärung die gläubigen Toten aus dem Scheol befreit und mit sich in den Himmel geführt hat. Von nun an werden alle, die im Glauben sterben, nicht mehr ins Totenreich hinabsteigen, sondern sofort zum Herrn gehen. Wir haben das bereits festgestellt: Paulus schreibt: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn . . . Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, was auch viel besser wäre.“ Phil. 1, 21.  . . .
Wissen wir, wohin wir nach unserem Tode gehen werden?

Kapitel III   WAS TUN DIE TOTEN?

Wenn sie die Erde verlassen, werden die Toten nicht vernichtet. Aber wissen wir mehr von ihnen? Die Art, wie uns unsere Lieben entrissen werden, ist so bitter. Darum überrascht es nicht, wenn an allen Orten die Völker und die Religionen angstvoll an die eherne Pforte der anderen Welt klopfen, um mit den Entschlafenen in Verbindung zu bleiben oder wenigstens zu erfahren, was aus ihnen geworden ist. Wie viele trauernde Herzen sind voller Bitterkeit und voller Auflehnung!
Viele klagen wie David: „Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!“ 2. Sam. 18, 33; 19,1.  . . .
In solch einer Betrübnis scheint es zu hart, nur auf ein Wiedersehen zu hoffen, das einmal in einer fernen Zukunft sein wird. Man ersehnt um jeden Preis, daß die Verbindung nicht unterbrochen werde und daß die Vereinigung sogleich geschehe. Gott in Seiner Liebe weiß um dieses Sehnen unseres Herzens. Er weiß auch, was am besten für uns und unsere Lieben ist, und Er hat nicht versäumt, es uns zu offenbaren.
Wir wollen wieder einmal nachforschen, was uns die Schrift sagt, die von Seinem Heiligen Geist eingegeben wurde. Aber wir wollen auch in Ehrfurcht verharren, wenn sie schweigt.

1. Wo sind die Toten?
Die Antwort der Heiligen Schrift ist klar: Die Gottlosen sind am Ort der Unseligen und warten auf das Jüngste Gericht und die Hölle. Die Gläubigen sind beim Herrn und warten auf die herrliche Auferstehung.
Wir wollen jedoch auch die Lehre prüfen, die zum Beispiel von den Adventisten verbreitet wird, nach welcher der ganze Mensch, Leib und Geist, im Grabe ist und bis zur Auferstehung schläft.
Es ist gewiß, daß der Leib im Grabe oder in der Erde ist. Joh. 5,28; Dan. 12,2. Aber der Geist ist nicht darin, und er ist weit davon entfernt, zu schlafen. Nach Luk. 16, 22-23 wird Lazarus von den Engeln in Abrahams Schoß getragen, indessen der reiche Mann an einem Ort der Qual ist.
Der bekehrte Schächer wird Jesus sofort im Paradies wiedersehen, das bestimmt nicht das Grab ist. Nach dem großen Ostersieg möchte Paulus lieber abscheiden, um bei Christus zu sein, und bei dem Herrn bleiben. Phil.1, 23; 2.Kor. 5, 8. Gewiß ist Christus nicht unter der Erde, sondern zur Rechten Gottes in der Herrlichkeit des Himmels.
Es ist andererseits klar, daß der leibliche Tod darin besteht, daß die Seele vom Leib getrennt wird. Nach dem Prediger kehrt der Leib wieder zur Erde zurück und der Geist zu Gott, der ihn gegeben hat. Pred. 12, 7.
Wir lesen, daß die Seele des Kindes, das Elia auferweckte, „wieder zu ihm kam, und es ward lebendig“. 1.Kön.17, 22. Auch von Jairi Töchterlein heißt es: „Ihr Geist kam wieder.“ Luk. 8, 55. Jesus selbst befiehlt Seinen Geist in Seines Vaters Hände und hält sich kurze Zeit im Reich der Toten auf, während Sein Leib im Grabe ruht. Luk. 23, 46; Joh. 19, 30; Apg. 2, 27.
Stephanus ruft sterbend: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf“. Apg.7, 58.
Wieviel tröstlicher ist dieser Gedanke als die Aussicht, bis zum Ende der Zeiten in Verwesung und Bewußtlosigkeit zu versinken!

2. Schlafen die Toten?
Wir wollen die Bibeltexte näher betrachten, die vom Todesschlaf und von denen, die schlafen, sprechen. Psalm 13,4; 1. Thess. 4,13 usw.
Wir glauben, daß sie sich auf den Leib beziehen, dessen Augen für das irdische Licht geschlossen sind und der bis zu seiner Auferstehung im Grabe schläft. So heißt es von Stephanus, daß er, nachdem er seinen Geist dem Herrn Jesus übergeben hatte, „entschlief“, Apg. 7,59.
Dan. 12,2 spricht von der Auferstehung derer, so unter der Erde schlafen liegen.
Wir sagten schon, daß es der Leib ist, der zur Erde zurückkehrt, indessen der Geist zu Gott zurückkehrt. Pred. 12,7.
Die Männer des Alten Testaments stellen sich zuweilen auf den irdischen Standpunkt und nennen den Ort der Toten „das Land, da man nichts gedenkt“, Psalm 88,13, „den Ort der Stille“, Psalm 115, 17.
Der Prediger sagt: ,,Die Toten aber wissen nichts . . . ihr Gedächtnis ist vergessen . . . und haben keinen Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht . . .“ Pred. 9, 5-6. 10. . . .
Vom irdischen Standpunkt aus wird das Los derer, die der Gemeinschaft der Lebenden entrissen worden sind, so betrachtet: Sie haben keinen Teil mehr am Gottesdienst und am Opfer des Volkes, sie sind für immer vom irdischen Geschehen abgeschnitten.
Aber wir wollen die anderen Bibeltexte nicht vergessen, wonach die Seelen in der anderen Welt weit davon entfernt sind, zu schlafen:
Samuel
ist bei vollem Bewußtsein, als er zurückkehrt und mit Saul redet. 1. Sam. 28, 12-19.
Mose und Elia kommen aus dem Jenseits und unterhalten sich mit Jesus auf dem Berge der Verklärung. Luk. 9,30.
Der reiche Mann erleidet die Qual in vollem Besitz seiner Geistesklarheit und seiner Erinnerung, während Abraham ihm antwortet und Lazarus getröstet wird. Luk. 16, 23-31.
Dem reuigen Schächer wird versprochen, daß er sogleich ins „Paradies“ eingeht. Sollte dies „Paradies“ denn der Name für die Bewußtlosigkeit des Schlafes und der Verwesung sein? Luk. 23, 43.

Paulus betrachtet den Tod als einen Gewinn. Sollte damit der Schlaf im Grabe von ihm gemeint sein? , “Abscheiden und bei Christus sein“, „außer dem Leibe wallen und daheim sein bei dem Herrn“, damit kann doch keinesfalls der Schlaf bezeichnet werden! Phil. 1, 21-23; 2. Kor. 5, 6-8.
Wäre man denn wirklich bei Christus, daheim bei dem Herrn, wenn man – vielleicht für Tausende von Jahren – in vollkommene Bewußtlosigkeit versunken wäre? Und was wäre ein ewiges Leben, wenn es von Jahrhunderten des Nicht-Daseins unterbrochen wäre?
Johannes sieht auch die Seelen der Märtyrer vor Gott: „Sie schrieen mit großer Stimme: Herr, Du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest Du nicht und rächest unser Blut an denen, die auf Erden wohnen? . . . und ward zu ihnen gesagt, daß sie noch ruhten eine kleine Zeit, bis daß vollends dazukämen ihre Mitknechte und Brüder.“ Offb. 6, 10-11.
Es kommt demnach nicht in Frage, daß – wie einige lehren – die Seele des Gläubigen mit seinem Leib bis zum Tage der Auferstehung im Grabe schläft. Übrigens hat diese Lehre niemals in weiten Kreisen der Gemeinde Fuß gefaßt. Sie steht im Gegensatz zu den katholischen Vorstellungen, und sie wurde von Calvin kräftig in seiner Abhandlung „De Psychopannychia“ bekämpft.
Für die Männer der Reformation wie für uns steht fest, daß die Seele unverzüglich nach dem Tode die Gnade oder die Verdammnis erfahren wird. Die Auferstehung am Jüngsten Tage wird die Herrlichkeit oder die Qual nur noch endgültig bestätigen.


3. Die Ruhe der seligen Toten.
Die verstorbenen Gläubigen wissen noch nichts von dem Wirken und der Herrschaft, die der Auferstehung folgen werden. Sie genießen hingegen seit ihrer Ankunft in der andern Welt die Ruhe nach den Leiden und dem Kampf hienieden.
Samuel, den Saul zurückgerufen hat, macht ihm den Vorwurf: „Warum hast du mich unruhig gemacht, daß du mich heraufbringen lässest?“ 1.Sam. 28, 15.
Der arme Lazarus wird sogleich nach seinem Verscheiden von den Engeln in Abrahams Schoß getragen, was für die Juden den Gipfel der Seligkeit bedeutete. Abraham erklärt, daß Lazarus nun getröstet wird, nachdem er in seinem Leben soviel Böses empfangen hat. Luk. 16, 22. 25.
Der bekehrte Schächer am Kreuz wird am gleichen Tag in das Paradies (den Ort der Seligen) aufgenommen, um dort Ruhe und Seligkeit zu genießen.
Die Offenbarung berichtet, daß den Märtyrern gesagt wird, „daß sie ruhten eine kleine Zeit“ bis zum Tage des Gerichts und dem Ende der Verfolgungen. Offb. 6, 10-11. Und dann lesen wir das trostreiche Wort: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Offb.14, 13.
Diese Ruhe wird durch die reine Gnade Gottes denen gewährt, die das Heil empfangen haben. Wir freuen uns in der Gewißheit, daß unsere Toten, die im Glauben starben, die Gegenwart des Herrn genießen.


4. Sehen uns die Verstorbenen?
Viele Menschen finden einen großen Trost in dem Gedanken, daß ihre Verstorbenen sie auch fernerhin sehen und die innige Verbindung, die so rauh unterbrochen wurde, im Grunde doch nicht zerstört ist. Dieser Gedanke ist zwar rührend, aber wie verhält es sich damit in Wirklichkeit?
Wir müssen feststellen, daß die Bibel darüber vollkommen schweigt.
Sie wird dafür gute Gründe haben.
Wir sprachen von der Ruhe der gläubigen Verstorbenen. Es scheint wohl sicher, daß sie keine Ruhe fänden, wenn sie alles sähen, was wir machen. Samuel hat Saul sehr geliebt. Trotzdem macht er ihm Vorwürfe, daß er ihn beunruhigt hat, als er ihn zur Hilfe rief. Welche Enttäuschung würde es für manche Verstorbenen bedeuten, wenn sie sehen müßten, wie sich ihre Angehörigen betragen, die kurz zuvor noch so laut ihren Tod beklagt haben! Welche Unruhe empfänden sie, wenn sie sähen, wie ihre Lieben in Gefahren und Versuchungen sind.
Andererseits können unsere Verstorbenen auch gar nicht alles sehen: alles, was im Himmel geschieht, alles, was an soviel verschiedenen Orten der Erde in den Herzen und in dem Leben derer, die sie verlassen haben, vor sich geht.
Nichts in der Geschichte von Lazarus und dem reichen Mann läßt darauf schließen, daß die abgeschiedenen Seelen sehen, was auf Erden geschieht.
Wenn die Toten uns auch nicht sehen, so bedeutet das doch nicht, daß sie uns vergessen haben. Wir erwähnten gerade den reichen Mann, der sich um die Gleichgültigkeit seiner Brüder Sorgen macht, aber doch nicht eingreifen kann. Luk. 16, 27-3 1.
Auch die Seligen haben ihr Erinnerungsvermögen in völliger Klarheit behalten.


5. Sind die Verstorbenen um uns?
Ohne dabei an Spiritismus zu denken (ein Thema, das wir später behandeln werden), drücken manche Trauernden folgenden Gedanken aus: „Ich bin überzeugt, daß meine Mutter (zum Beispiel) mich nicht wirklich verlassen hat. Sie ist immer um mich.“ Wenn wir auch verstehen, wieviel menschlichen Trost dieser Gedanke gibt, so müssen wir doch wiederum feststellen, daß die Heilige Schrift etwas Derartiges nicht bestätigt. Wir haben schon gesagt, daß unsere Verstorbenen keine wahre Ruhe hätten, wenn es so wäre. Wir müssen zudem noch die Tatsache betonen, daß sie nicht allgegenwärtig sind. Die Bibeltexte erklären ausdrücklich, daß die Toten entweder beim Herrn sind oder am Ort der Qual, aus dem sie nicht entweichen können. Wie könnten sie zu gleicher Zeit auf der Erde sein und dort auch noch gleichzeitig überall, wo ihre Angehörigen verstreut sind?
Wie läßt sich dann aber das Wort erklären: „Darum auch wir, dieweil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, . . . lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.“ Hebr. 12,1. Will es doch sagen, daß die gläubigen Verstorbenen uns umgeben und sehen? Wenn wir den übrigen Text und das ganze Kapitel 11 durchlesen, glauben wir es nicht. Der Verfasser hat von all den Helden des Alten Testaments gesprochen, die uns auf dem Weg des Glaubens vorangegangen sind. Wir sollen durch ihr Beispiel und ihre Erfahrung angespornt und gestärkt werden. Wir sollen, wie sie, den Weg des Sieges beschreiten und „aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens“. Hebr.12,2. Dieser Bibeltext sagt durchaus nicht, daß unsere eigenen Verstorbenen weiterhin ihr Leben mit uns teilen.
Bei diesem Thema – die Verbindung mit den Verstorbenen und den Geistern – sind wir der Wahrheit schuldig, zu sagen, daß Sadhu Sundar Singh in einigen seiner Bücher Behauptungen aufgestellt hat, die vom biblischen Gesichtspunkt aus wirklich unhaltbar sind. Das überrascht bei einem Manne, der im übrigen so tief gläubig im evangelischen Geiste ist.

6. Was sollen wir vom Spiritismus denken?
Es ist in den heidnischen Religionen sehr gebräuchlich, Verbindung mit den Abgeschiedenen zu suchen, um von ihnen Offenbarungen, Hilfe und Trost zu erlangen. In unseren Tagen beschwört eine erschreckend große Zahl von Christen die Geister, sei es, weil sie um jeden Preis Verbindung mit ihren Verstorbenen behalten wollen, sei es, weil sie durchaus erfahren wollen, was die Bibel ihnen verschweigt.
Sie möchten insbesondere Erleuchtungen empfangen, Erleuchtungen über die Zukunft, die Entscheidungen, die sie zu treffen haben, ihre Liebesgeschichten und Geldangelegenheiten, Geheimnisse jenseits des Grabes usw. Ist es wirklich möglich, durch Medien, Tischrücken, die sogenannte Planchette, das Pendel, Klopfzeichen usw. mit den Geistern in Verbindung zu treten? Und vor allem: Was lehrt die Bibel darüber? 


a) Wir wollen zuerst einmal feststellen, daß sich mit dem Spiritismus viel Betrug vermischt.
Wie bei jedem Okkultismus ist die Versuchung für die Scharlatane groß, die unermeßliche Leichtgläubigkeit des guten Publikums zu mißbrauchen.
Wie leicht kann man aus der Verwirrung, die das Geheimnisvolle hervorruft, Nutzen ziehen und die Geister das sagen lassen, was man gesagt haben möchte! . . . 

b) Die Spiritisten,
Allan Kardec zum Beispiel, geben zu, daß sie manchmal von boshaften Geistern genarrt werden, die anstelle der gerufenen Seelen sprechen und sich zuweilen auch auf seltsame und gefährliche Art offenbaren.
Wie viele Menschen haben sogar ihren Verstand durch diese gefährliche Verbindung verloren.
Camille Flammarion schreibt in seinem Buche „Apres Ja mort“: „Die bei allen Okkultisten wohlbekannte Herzogin von Pomar ist durch ihre Studien derart verwirrt worden, daß sie sich selber für Maria Stuart hielt, aber trotzdem den Geist dieser unglücklichen Königin weiterhin beschwor.“ Flammarion berichtet auch von Verstorbenen, die durch Klopfzeichen um Messen und Rosenkranzgebete baten, aber nur in katholischen Familien.
Wer mag ihnen wohl diese Forderungen eingegeben haben?

c) Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß im Spiritismus eine unbestreitbare Wirklichkeit ist.
Die Bibel spricht in unmißverständlichen Worten von den „Totenbeschwörern“ (3. Mo. 20,6) und von denen, „die die Toten befragen“. 5. Mose 18, 11.
Sie spricht von Männern und Frauen, die „einen Geist der Totenbeschwörung oder einen Wahrsagergeist in sich“ haben. 3. Mose 20, 27. Dies bedeutet, daß sie Medien sind, die die Zukunft erforschen, indem sie die Toten beschwören, ähnlich wie das Weib, das Saul befragen wollte. Sogar in der Apostelgeschichte wird von einem Medium erzählt, von einer „Magd, die hatte einen Wahrsagergeist und trug ihren Herren viel Gewinst zu mit Wahrsagen.“ Apg. 16,16.
Diese Frau war das, was man heutzutage eine Hellseherin nennt, und ihre Tätigkeit ist auch noch in unseren Tagen sehr einträglich.

d) Das Alte Testament verbietet Okkultismus und Spiritismus bei Todesstrafe.
Jedes Mal, wenn die Heilige Schrift davon spricht, spricht sie von tödlicher Gefahr.
Die Totenbeschwörung war bei den Kanaanitern gang und gäbe, und Israel wurde feierlich ermahnt, sich von ihnen vollkommen fernzuhalten. . . .  „Wenn du in das Land kommst, das der Herr, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dich nicht daran gewöhnen, die Greuel der betreffenden Völkerschaften nachzuahmen. Es soll sich niemand unter dir finden, der Wahrsagerei, Zeichendeuterei oder Zauberei treibt, niemand, der Geister bannt und einen Wahrsagergeist befragt oder sich an die Toten wendet. Denn ein jeder, der sich mit solchen Dingen befaßt, ist für den Herrn ein Greuel . . .“ 5. Mose 18, 9-13.
Es ergibt sich aus diesen Bibeltexten:
1 . Der Spiritismus ist eine Verunreinigung, eine Befleckung, ein Greuel vor Gott.

2. Darum und ihres Okkultismus wegen sind die Kanaaniter ausgerottet worden.

3. Die Beschwörung der Toten und Geister wurde in Israel mit dem Tode bestraft.

4. Es ist ebenso verboten, Spiritisten und Medien zu befragen wie selber solche zu sein.
5. Der Gläubige gehört völlig Gott. Für ihn ist der Spiritismus eine Untreue und ein Götzendienst.

6. Der Okkultismus, das Hellsehen, die Astrologie sind ebenso gefährlich wie der Spiritismus, denn sie stehen in Verbindung mit der Versuchung des Feindes.

e) Wie sollen wir 1. Samuel 28 verstehen?
Die Spiritisten führen oft die Geschichte von Saul an, der den verstorbenen Samuel befragt. Sie wollen damit beweisen, wie berechtigt und wohlbegründet ihre Handlungen sind. In Wirklichkeit verdammt dieses Beispiel sie ganz und gar, wie wir nun zeigen wollen:
1. Zuerst einmal wäre zu fragen, ob es auch wirklich Samuel war, der aus dem Grab zurückkehrt und mit Saul redet. Das glauben wir allerdings auf Grund der unmißverständlichen Worte des Textes: Der König sagte: „Bringe mir Samuel herauf! . . . Da nun das Weib Samuel sah, schrie sie laut . . . Saul erkannte, daß es Samuel war, und neigte sich zur Erde und fiel nieder. Samuel aber sprach zu Saul: Warum hast du mich unruhig gemacht, daß du mich heraufbringen lässest? . . . Morgen wirst du und deine Söhne mit mir sein. Da fiel Saul zur Erde, so lang er war, und erschrak sehr vor den Worten Samuels.“ 1. Sam. 28, 11-20.
Kein Vorbehalt in diesem Text läßt die Vermutung zu, daß eine andere Persönlichkeit – ein Dämon zum Beispiel – die Gestalt Samuels angenommen hätte, um Saul zu täuschen.
Das Weib ist vollkommen fassungslos, als sie Samuel sieht. Sie erkennt sofort, daß sich etwas Ungewöhnliches ereignet und daß der König sie betrogen hat. Dann beschreibt sie die Erscheinung des alten Mannes, der mit einem Priesterrock bekleidet ist. Vers 12-14. Sie gibt dann sofort ihre gewöhnliche Rolle als Medium auf und Saul spricht unmittelbar mit Samuel.
Wir müssen hierbei auf alle Fälle anerkennen, daß dies in der ganzen Bibel das einzige Beispiel ist, daß ein Toter derart zurückkehrt und mit einem Lebenden spricht. Es scheint uns, daß Gott dieses einmalige Wunder zugelassen hat, um durch eine Ausnahme die Regel zu bestätigen und uns zu zeigen, welch tragische Folgen solch ein Versuch hat.
2. Saul und das Weib wußten sehr gut, daß sie wider Gott sündigten und ungehorsam waren. In der Zeit, da er Gott noch treu und gehorsam war, hatte Saul „die Totenbeschwörer und Wahrsager im Lande ausgerottet“ und damit das Gesetz Mose befolgt. 3. Mose 20, 27. Das Weib wußte auch, daß sie selber ihr Leben damit aufs Spiel setzte. Welches Gute oder welche Erleuchtung konnte aus solch offenbarem Ungehorsam kommen?
3. Saul wendet sich an die Toten, weil er weiß, daß er von Gott verstoßen ist. Schon zu Samuels Lebzeiten war er als König verworfen worden und hatte niemals wahre Reue und Buße gezeigt noch sein Leben geändert. 1. Sam. 15, 11. 22-23. Jetzt, „da aber Saul der Philister Heer sah, fürchtete er sich, und sein Herz verzagte sehr. Und er ratfragte den Herrn, aber der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durchs Licht noch durch Propheten. Da sprach Saul zu seinen Knechten: „Sucht mir ein Weib, die einen Wahrsagergeist hat.“ 1. Sam. 28, 5-7.
Dann erklärt er Samuel: „Gott ist von mir gewichen . . . darum habe ich dich rufen lassen, daß du mir weisest, was ich tun soll. Samuel sprach: Was willst du mich fragen, weil der Herr von dir gewichen und dein Feind geworden ist?” Vers 15-16.
Es ist durchaus bezeichnend, daß man an anderer Stelle Hilfe und Erleuchtung sucht, weil man fühlt, daß man mit Gott nicht in Ordnung ist, oder weil Seine Offenbarungen einen nicht befriedigen. Saul hätte sich von ganzem Herzen bekehren und die Vergebung des Herrn suchen sollen. Weil er das nicht gewollt hat (wie sein Leben zeigt), hatte Gott keine andere Botschaft mehr für ihn. Wenn man um jeden Preis eine andere Offenbarung erzwingen will, so bedeutet das heute wie damals, daß man sich immer mehr vom Worte Gottes abwendet.

4. Die Totenbeschwörung war vollkommen erfolglos.
Samuel weigert sich, etwas anderes zu sagen, als was er schon früher dem König im Auftrage Gottes verkündigt hatte. „Der Herr wird dir tun, wie Er durch mich geredet hat . . . darum, daß du Seiner Stimme nicht gehorcht hast . . . darum hat dir der Herr solches jetzt getan.“ Vers 17-18. Es war durchaus nicht nötig, sein Leben und sein ewiges Heil aufs Spiel zu setzen, um etwas zu erfahren, was ihm längst schon gesagt worden war.

5. Noch etwas Schlimmeres ist dabei: Das einzige, was Saul noch nicht wußte und was ihm Samuel verkündigt, ist, daß er und seine Söhne ins Totenreich hinabsteigen werden. Vers 19. Wir lesen darüber im ersten Buch der Chronik 10, 13-14 : „Also starb Saul in seiner Missetat, die er wider den Herrn getan hatte an dem Wort des Herrn, das er nicht hielt, auch daß er die Wahrsagerin fragte und fragte den Herrn nicht, darum tötete Er ihn und wandte das Königreich zu David, dem Sohne Isais.“
Dieser Bibeltext sagt ausdrücklich, daß Gott Saul schlug, weil er die Toten beschworen hatte. Wenn er das nicht getan hätte, wäre er vielleicht in der Schlacht verschont worden. Das einzige, was ihm seine Unterhaltung mit Samuel einbrachte, war sein Todesurteil. Welche Warnung für uns!

6. Samuel sprach zu Saul: „Warum hast du mich unruhig gemacht?“ (In der französischen Übersetzung von Darby steht: Warum störst du mich in meiner Ruhe?) . . .
Die Zuflucht zu den Toten (wie zu der heiligen Jungfrau und den Heiligen, worüber wir noch später sprechen werden) birgt außerdem die ungeheure Gefahr des Götzendienstes in sich. Der Herr wiederholt immer wieder: Du sollst Gott von ganzem Herzen lieben, du sollst Ihn suchen, du sollst Ihm allein dienen, du sollst keine anderen Götter haben neben Ihm. Sich den Geschöpfen zuwenden bedeutet einen Schimpf, den wir dem einzigen Herrn und Gott antun.

f) Warum bestraft Gott die Beschwörung der Toten und Geister so streng ?
Zu allem, was wir bisher angeführt haben, müssen wir noch folgendes hinzufügen: Wir glauben, daß im Spiritismus mehr Dämonen als Verstorbene ihr Wesen treiben. Nach Lukas 16, 26 befinden sich die gottlosen Verstorbenen schon an einem Ort der Qual, aus dem man nicht entweichen kann. Die Toten aber, die schon beim Herrn sind, werden sich nicht zu einer Verbindung mit den Lebenden hergeben, die von der Heiligen Schrift so ausdrücklich verboten ist. Wenn man also glaubt, diesen oder jenen Verstorbenen reden zu hören, so ist es ein böser Geist, welcher antwortet und mehr oder weniger leichtgläubige Seelen verführt. Ein Medium, wie die Frau in Apostelgeschichte 16 war unzweifelhaft von einem Dämon besessen. Darum wird eine solche Verbindung ein Greuel, eine Verunreinigung, genannt. Wer die Toten und die Geister beschwört, liefert sich in der Tat Satan, dem Fürsten der bösen Geister aus, er setzt sein ewiges Heil aufs Spiel – und auch seinen Verstand sowie die Gesundheit seiner Nerven. Wie viele Menschen sind uns selber bekannt, die der Spiritismus vom rechten Wege gebracht hat und die völlig gleichgültig gegenüber dem Evangelium wurden. Wir wollen auch dies nicht vergessen: Wenn Gott einst diejenigen aus Seinem Volke ausmerzte, die sich an die Toten und Geister wandten, 3. Mose 20, 6, was wird Er heute tun?

g) Was versteht man unter dem „Astralleib“, von dem die Spiritisten sprechen ?
In unserm äußerlichen grobstofflichen Leib soll eine Art zweiter feinerer Leib, der Fluidal- oder Ätherleib, verborgen sein, der auch als Astralleib oder metaphysischer Leib bezeichnet wird. Dieser zweite Leib soll fähig sein, sich von dem ersten Leib zu lösen und sich mehr oder weniger weit und mehr oder weniger lange Zeit zu entfernen. In einem Zustand der Ekstase oder des Halbwachens soll sich die Persönlichkeit des Eingeweihten dergestalt teilen und dann die seltsamen Erlebnisse haben, deren sich gewisse indische „Weisen“ rühmen. Dieser Art wären auch die „Erscheinungen“ in den spiritistischen Sitzungen (Seancen), und eine Anzahl Spiritisten behaupten, manchmal Hände oder Körperteile dieses „Astralleibes“ berührt zu haben, dessen sich die herbeigerufenen Geister zu ihrer Erscheinung bedienen.
Wir entgegnen hierauf, daß nach der Heiligen Schrift der Teufel und die Dämonen wohl fähig sind, Wunder zu tun, um die Freunde des verbotenen Spiritismus zu verführen und in das Verderben zu locken. Matth.24, 24; 2. Thess. 2, 9-10 usw.
Diese angeblichen „Materialisierungen“ beweisen die Wahrheit der spiritistischen Lehre nicht.
Es ist auch leicht zu erkennen, daß die Bibelstelle 2. Kor. 12, 1-4, die hierzu häufig angeführt wird, nichts mit einem sogenannten „Astralleib“ zu tun hat, worin Paulus bis in den dritten Himmel gestiegen sein soll. Der Apostel schreibt, daß er „entzückt ward in das Paradies“ und nicht weiß, „ist er in dem Leibe oder außer dem Leibe gewesen“. Das heißt: er wußte nichts mehr von seinem Leibe. In dieser Ekstase hat er angesichts Gottes „unaussprechliche Worte“ gehört. Nach dieser Bibelstelle (und auch noch anderen wie Apg. 10, 10 und 22, 17 zum Beispiel) ist eine Ekstase wohl möglich, und Gott bedient sich zuweilen ihrer, um sich Seinen Dienern zu offenbaren. Aber wir müssen betonen, daß ein Abgrund zwischen solch einer Begegnung mit dem Herrn und der seltsamen Lehre der Spiritisten ist.
Außerdem nennt Paulus als Grundbestandteile unserer Persönlichkeit „Leib, Seele und Geist“. 1. Thess. 5, 23. Er spricht nicht wie die Okkultisten, die in dem Menschen eine Dreiheit sehen, 1. von dem physischen Leib, 2. der Geist-Seele, 3. dem metaphysischen Leib, der aus 60 einem Stoff ohne Gewicht und Maß, vielleicht aus Äther oder etwas Ähnlichem gebildet ist.
Man fragt sich wirklich, woher sie solche Offenbarungen haben!

h) Die außerordentliche Plattheit der spiritistischen „Offenbarungen“.
Die Lektüre der spiritistischen Bücher hinterläßt einen verwirrenden Eindruck. Man braucht dicke Bände, um die wirkliche Gegenwart der Geister „wissenschaftlich“ zu beweisen. Man zählt eintönig und unendlich ausführlich immer wieder dieselben Tatsachen auf: Klopfzeichen, mehr oder weniger bewiesene Erscheinungen, warnende Träume, Botschaften, die auf verschiedene Art übermittelt worden sind. Für Christen, die sowieso an das Jenseits und das Übernatürliche glauben, ergibt sich daraus höchstens, daß diese Geister wirklich da sind und sich offenbaren können, vor allem dann, wenn man sich ihnen aus liefert.
Der Inhalt der angeblichen „Offenbarungen“ ist von einer bemerkenswerten Plattheit. In einem seiner Bücher versucht der spiritistische Meister, Allan Kardec, einen Grundriß der angeblich von den Geistern gelehrten Religion zu geben. Es ist dabei merkwürdig, daß diese Lehre genau die Ideen enthält, die vor etwa fünfzig Jahren ein deistischer französischer Bürger hätte haben können, der von der menschlichen Fortentwicklung und den menschlichen Erfolgen überzeugt war. (Deismus = Glaube an einen nicht offenbarten Gott.) Hundert Seiten dieses Buches lehren uns viel weniger von Gott, Jesus Christus, der Verdammnis und dem Heil des Menschen als einige Zeilen aus dem Evangelium. Wir müssen noch hinzufügen, daß die Spiritisten häufig – nach ihrem eigenen Geständnis – von boshaften Geistern gefoppt werden. Man muß den Sinn für die Vollkommenheit und den Reichtum der biblischen Offenbarung verloren haben, um aus diesem Abgrund Erleuchtung holen zu wollen. Wer kein Vertrauen mehr in den Heiligen Geist hat, der begibt sich in die Schule der Geister.

i) Breitet sich der Spiritismus wirklich wieder mehr aus?
Wir müssen das leider bejahen. Unser alter Feind bleibt seiner bewährten Taktik treu. Er verstellt sich einmal wieder zum Engel des Lichts. 2. Kor. 11,13-15. Unter wunderbar evangelischem Äußeren bietet er uns eine wachsende Menge von „Botschaften“ aus dem Jenseits, die nichts mit Spiritismus zu tun haben scheinen. . . . Man ist erschüttert, wenn man sieht, welchen Einfluß diese Werke der Finsternis haben. . . .
Spricht die Heilige Schrift nicht von einem Großangriff der Geister der Verführung in der Letzten Zeit? 1.Tim. 4,1; 2.Thess. 2, 9-10 ; Offb. 16,14. 


7. Was sagt die Bibel zu der Anrufung der Heiligen und der Mutter Gottes?
In der römisch-katholischen und in der orthodoxen Kirche nimmt die Verehrung der Heiligen und Marias einen großen Raum ein. Wie steht die Bibel dazu?

a) Die „Heiligen“ sind tot.
Keiner von ihnen ist schon wieder auferstanden. Darum fallen alle Bemühungen, mit ihnen in Verbindung zu treten, unter das Verbot 3. Mose 20, 6 und 5. Mose 18, 11-12. Für Saul und Israel war Samuel unbestreitbar ein „Heiliger“. Trotzdem wird Saul von Gott mit dem Tode bestraft, weil er Samuels und nicht die Hilfe des Herrn selber gesucht hat.

b) Die Heilige Jungfrau selber ist noch bei den Toten.
Wir glauben von ganzem Herzen, daß Jesus „empfangen ist vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“. Wir haben eine tiefe Ehrfurcht vor Maria. Aber wir stellen im Evangelium fest, daß sie nicht ohne Sünde ist. Sie selber nennt Gott ihren Heiland, Luk. 1,47, was Jesus niemals getan hat. Nach der Geburt Christi ist sie wirklich die Frau Josephs geworden und hat ihm noch andere Kinder geboren. Matth. 1,25; 13,55-56. Sie wird zum letzten Mal als ein Glied der ersten Christengemeinde erwähnt, und zwar vor Pfingsten. Apg. 1,14. Sie hat also nicht die Rolle gespielt, die man ihr zuschreibt. Sie verleiht weder den Heiligen Geist noch andere göttliche Gnaden. Die Heilige Schrift erzählt nichts von ihrem Tode und erst recht nichts von ihrer „Himmelfahrt“ , durch welche sie sofort nach ihrem Tode als Auferstandene in den Himmel versetzt worden sein soll. Im Gegenteil, Paulus erklärt ausdrücklich, daß vorläufig nur Christus auferstanden ist „als Erstling derer, die schlafen“. Diejenigen, die Ihm angehören – Seine Mutter inbegriffen -, werden erst bei Seiner herrlichen Wiederkunft auferstehen. 1. Kor. 15,20.23.
Maria ist also noch bei den Toten, deren Geist beim Herrn ist, deren Leib aber noch in der Erde schlummert.


c) Die Heiligen sind wie alle andern Toten weder allwissend noch allgegenwärtig.
Wie könnten sie an so vielen verschiedenen Orten die Gebete hören und erhören, die angeblich zu ihnen emporsteigen? Nur Gott allein kann es, denn Er allein ist allwissend, allgegenwärtig und allmächtig.


d) Die Tatsache, daß die Anrufung der Heiligen und der Mutter Gottes ständig mit der Verehrung der Bildwerke verbunden ist, verschärft das Problem.
Es ist nicht allein verboten, sich an die Toten zu wenden, sondern auch – durch die Zehn Gebote -, sich irgendein Bildnis oder ein Gleichnis zu machen, das irgendwelcher Verehrung dient. „Du sollst dir kein Bildnis machen, keinerlei Gleichnis, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden ist. Du sollst sie nicht anbeten, noch ihnen dienen. Denn Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott . . . 5. Mose, 8-9.

Ein ausdrückliches Verbot ist mit dem ersten Gebot verbunden: „Du sollst keine andern Götter neben Mir haben.“ 5. Mose 5, 7. Der Herr verlangt eifersüchtig unsere völlige Anbetung. Er will, daß unser Gottesdienst nur Ihm allein geweiht ist. . . .

Außerdem steht geschrieben: ,,Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, die müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Joh. 4, 24. Er will nicht, daß wir unseren Gottesdienst materialisieren, mit Bildwerken oder Bildern in Verbindung bringen.
Er verbietet uns, dafür ein Bildnis oder Gleichnis des, das oben im Himmel ist, eines Mannes oder einer Frau zu machen. Das bedeutet, daß die Bildwerke Christi, des Heiligen Herzens, der Heiligen Jungfrau, der Heiligen, des Kreuzes, wie auch die Medaillen verboten sind. Sie werden notgedrungen zu Götzenbildern, denen man eine magische Macht zuschreibt. Wie könnte man sich sonst erklären, daß die Schwarze Muttergottes von Chartres Wunder tut, daß die Muttergottes von Boulogne angeblich den Frieden bringen soll und daß das Bildwerk des einen Heiligen an diesem Ort mächtiger ist als an einem anderen?
Die römisch-katholische Kirche entschuldigt sich damit, daß sie vorgibt, daß sie allein Gott anbete und die Jungfrau samt den Heiligen nur verehre (was durchaus noch zu beweisen wäre). Aber die Zehn Gebote verbieten nicht allein die Bildwerke anzubeten, sondern auch, sie zu verehren und ihnen zu dienen. Es ist also völlig verboten, sie auf die Altäre zu erheben, ihnen Kerzen anzuzünden und Gebete an sie zu richten. Der römisch-katholische Katechismus geht mit Stillschweigen über das zweite Gebot hinweg zum dritten über (das folglich das „zweite“ genannt wird) zu dem Verbot, den Namen des Herrn zu mißbrauchen. Das zehnte Gebot über die Begehrlichkeit wird darum in zwei aufgeteilt. 2. Mose 20, 17; 5.Mose 5, 21.

e) Welches ist die größte Gefahr, die mit der Verehrung der Bildwerke verbunden ist?
Zur Zeit der Apostel opferten die Griechen den Götzenbildern und gaben vor, daß diese Bildwerke die großen Götter des Olymps darstellten.
Für die Christen gab es diese Götter nicht, und diese Bildwerke bedeuteten ihnen nur ein wenig Stein, Marmor oder Metall.
Aber was sagt Paulus dazu?
„Was soll ich denn nun sagen? Soll ich sagen, daß der Götze etwas sei oder daß das Götzenopfer etwas sei? Aber ich sage: Was die Heiden opfern, das opfern sie den Teufeln (Schlachter: den Dämonen) und nicht Gott. Nun will ich nicht, daß ihr in der Teufel Gemeinschaft sein sollt. Ihr könnt nicht zugleich trinken des Herrn Kelch und der Teufel (Dämonen) Kelch. Ihr könnt nicht zugleich teilhaftig sein des Tisches des Herrn und des Tisches der Teufel.“ 1. Kor. 10, 19-22.

Die verbotene Verehrung der Götzenbilder gilt in Wirklichkeit nicht diesen Göttern, die ja gar nicht vorhanden sind, sondern den Dämonen. Dieser Gedanke ist furchtbar im Hinblick auf den Irrglauben unserer Tage.

Die Verehrung der Heiligenbilder ist zwiefach untersagt: Die Heiligen sind Tote, und ihre Bildwerke sind verboten. Die Verehrung, die man ihnen erweist, kann weder Gott gefallen noch sich mittelbar oder unmittelbar an Ihn wenden. An wen wendet sie sich denn?
Wir wagen es von uns aus nicht zu sagen, aber unser Bibeltext tut es an unserer Statt. Diese Bildwerke sind an sich nichts, aber man macht sie zu Gegenständen der Verehrung, das heißt zu Götzenbildern, und diese Verehrung bedeutet daher sowohl Götzendienst wie Spiritismus. Viele treuherzige, aufrichtige Menschen, die man diesen Glauben gelehrt hat, sind sich dessen garnicht bewußt. Ohne Zweifel kann Gott sogar solche Gebete erhören, obwohl ihre Form – ohne daß die Beter es ahnen und wollen – abergläubisch ist. Nichtsdestoweniger halten wir daran fest, daß solch eine Verehrung ein ungeheures Hindernis ist, den Herrn persönlich kennenzulernen.

f) Die Anrufung anderer Mittler ruft die Eifersucht des Herrn hervor.
Als Er verbietet, andere Götter zu haben und ihren Bildwerken Verehrung zu erweisen, fügt der Herr hinzu: „Denn Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott!“ 2. Mose 20, 5. Er eifert auch für Seinen Sohn, den einzigen Mann, dem die Gemeinde vertraut worden ist. „Der Geist, der in euch wohnt, begehret und eifert.“ Jak. 4, 5. Er gibt weder Seinen Ruhm noch Seinen Platz einem andern.
Wir haben dafür eine Veranschaulichung in der Art, wie Gott ein greift, um das Hohepriestertum Aarons zu verteidigen. 4. Mose 16.
Korah und zweihundertfünfzig Vornehme in der Gemeinde murren wider Aaron, sie erklären sich selber als ebenso heilig und verlangen ihr Teil am Priestertum. Vers 3. 10-11. Mose antwortet: „Welchen der Herr erwählt, der sei heilig.“ Vers 7. „Korah und seine Rotte stellen sich vor die Tür der Hütte des Stifts“, um dem Herrn den „süßen Geruch“ zu opfern (Sinnbild der Fürbitte, die Jesus, unser Hoherpriester, unaufhörlich für uns darbringt). Sie werden sofort für ihre Vermessenheit bestraft: Die Erde verschlingt die einen, und ein Feuer verzehrt die anderen. 4. Mose 16, 18. 32-35.  . . .
„Es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus. “ 1. Tim. 2, 5.

8. Bitten die Verstorbenen für uns?
Die Anrufung der Mutter Gottes und der Heiligen gründet sich auf den Glauben, daß diese ihrerseits bei Gott eine wirksame Fürbitte für ihre Getreuen einlegen. Man stellt sich den Herrn als übermäßig heilig, streng und furchtbar vor. Wenn man sich an Seine Mutter, die Vermittlerin aller Gnaden, wendet, werde man besser verstanden und angenommen. Der Herr kann doch ihr, deren mütterliches Herz so voller Liebe ist, nichts verweigern.
Oder auch Gott erscheint einem so weit, so sehr in Anspruch genommen, daß Er sich für all unsere kleinen Nöte garnicht interessieren kann. Es sei daher gut, verschiedene Heilige zu haben, zu denen man mit diesen unbedeutenden Anliegen kommen darf.

So gibt es zum Beispiel in Belgien besondere Heilige (mit einem bevorzugten Standbild und einem eigenen Wallfahrtsort) für alle Lebenslagen. Die Heilige Anna sorgt für Kindersegen, die Heilige Maria von Augnies für eine glückliche Entbindung, der Heilige Claudius heilt die Blutgeschwüre und Furunkel, die Heilige Klara Augenleiden, der Heilige Blasius Hitzblattern, der Heilige Lambertus Lähmungen, die Heilige Appollonia Zahnschmerzen, der Heilige Hiob Geschwüre, der Heilige Laurentius Brandwunden, der Heilige Erasmus Leibschmerzen und die Heilige Rita nimmt sich noch ganz verzweifelterer Fälle an. Die Muttergottes von Blois hilft in Examensnöten. Der Heilige Eligius beschützt die Hüttenmänner, der Heilige Joseph die Zimmerleute, die Heilige Cäcilia die Musiker, die Heilige Barbara die Bergleute, der Heilige Christoph die Reisenden, der Heilige Hubertus die Jäger usw. So ist es in Italien, in Spanien, in Südamerika und in allen stark katholischen Ländern. Sehr beunruhigend ist, daß im großen Kongo-Museum in Tervueren bei Brüssel riesengroße Säle voller Fetische der Eingeborenen sind, die genau denselben Zwecken dienen.
Was sagt die Bibel zu dieser Fürbitte der Heiligen und der Mutter Gottes, das heißt: der Toten? Die Wahrheit ist, daß sie davon überhaupt nicht spricht. Der reiche Mann versucht zwar, Abraham um seine Vermittlung zugunsten seiner Brüder zu bitten, aber er erhält eine abweisende Antwort. „Sie haben Mose und die Propheten, laß sie die selben hören.“ Luk. 16,29. Wenn Gott den Menschen Christus und die Heilige Schrift gibt, braucht Er ihnen nicht noch mehr zu gewähren.  . . .
In der Heiligen Schrift gibt es kein Beispiel, daß ein Gläubiger, der schon im Himmel ist, bei Gott für die Menschen auf Erden eintritt.
Als die Reformatoren dringlich danach fragten, wo in der Bibel etwas von einer Fürbitte der Heiligen stünde, geriet die katholische Kirche in außerordentliche Verlegenheit. Auf dem Konzil in Trient im Jahre 1546 sah sie sich gezwungen, die Apokryphen des Alten Testaments in die Reihe der kanonischen Bücher aufzunehmen. Diese Apokryphen sind bis dahin weder von den Juden noch von der christlichen Gemeinde jemals als von Gott eingegeben betrachtet worden. Die katholische Kirche glaubte in 2. Makkabäer 15, 11-16 einen Beweis für ihre Lehre zu haben. Dort bitten Jeremias und der Hohepriester Onias im Himmel für das verfolgte jüdische Volk. Es erübrigt sich, zu sagen, daß diese Bücher der Apokryphen, die nur aus dieser Notwendigkeit heraus den kanonischen Büchern eingereiht wurden und von geringerem Wert sind, für uns nicht maßgebend sind.
Die Heilige Schrift selbst sagt nichts über die Fürbitte der Heiligen, aber sie wiederholt unaufhörlich, daß wir einen Mittler haben, einen einzigen und vollkommenen Fürsprecher „Es ist e i n Gott und e i n Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“ 1. Tim. 2, 5-6. Er ist der alleinige Heiland. Die Liebe und das Mitleid, die Er für uns empfindet, kann kein Geschöpf für uns empfinden. Er erklärt selber: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch Mich . . . Ich bin die Tür, so jemand durch Mich eingeht, der wird selig werden . . .“ Joh.14,6;
1. Petrus, voll des Heiligen Geistes, verkündet:

„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden.“ Apg. 4, 12.
Wenn wir sagen, wir brauchten andere Mittler, um zu Gott zu kommen, so mißachten wir die vollkommene Fürsprache unseres Herrn Jesu Christi. . . .

9. Sollen wir für die Verstorbenen beten?
Wir werden die Antwort der Bibel auf diese Frage besser verstehen, wenn wir die Themen „Fegfeuer“ und „Hölle“ behandelt haben. Trotzdem müssen wir auch hier schon einige Worte darüber sagen. Wir haben gesehen, was sich beim Tode des Gerechten und des Ungerechten ereignet. Für die gläubigen Verstorbenen brauchen wir nichts zu bitten, denn sie sind schon in der Seligkeit beim Herrn. Sie sind bei Christus, und „das ist viel besser“ als dies irdische Leben. Sie ruhen und harren der herrlichen Auferstehung. Es ist durchaus nicht nötig, Gott in langen Litaneien anzuflehen, ihnen „die ewige Ruhe zu geben“. Sie sind sogar schon zu dieser Ruhe gekommen, als sie hier auf Erden ihr Vertrauen in Jesus Christus gesetzt haben, der sie von allen Sünden reinigte.
Die gottlosen Verstorbenen dagegen sind schon in der Qual. Jesus berichtet uns, daß der reiche Mann vergebens darum bittet, daß jemand seine Leiden lindere. Es ist unmöglich, daß einer zu ihnen vom Himmel herniederkommt, und ebenso unmöglich ist es, daß ein Verdammter aus dem Ort der Qual entweicht. Luk. 16, 23-26.

Wir werden später sehen, daß es ein Fegfeuer überhaupt nicht gibt, daß die Bibel nirgends davon spricht. Es bleibt für die unbußfertigen Sünder also nur die Aussicht auf die ewige Hölle. Was nützt es darum, für sie zu beten? Das einzige, was wir tun können, ist, sie der vollkommenen Gerechtigkeit Gottes anzuempfehlen. Der Herr hat Seine Liebe zu allen Seinen Geschöpfen bewiesen. Er wird nichts tun, was Seiner göttlichen Vollkommenheit widerspricht. 

Womit begründet die katholische Kirche ihre Gebete für die Verstorbenen, die einen so großen Raum in ihrer Frömmigkeit einnehmen? Sie nimmt wieder einmal – in Ermangelung von etwas Besserem – einen Text aus den Apokryphen, die erst nach der Reformation den kanonischen Büchern angereiht wurden. Nach den Makkabäern bitten die Juden für die in einer Schlacht Gefallenen und bringen ein Sühnopfer dar, auf daß ihre Sünden vergeben werden. 2. Makkb. 12, 39-46. Wenn also dieses Gebet erlaubt und dienlich ist – so erklärt man -, so kann auch das Sühnopfer der Messe für die Verstorbenen dargebracht werden, und es muß einen Ort geben – das Fegfeuer -, wo die Seelen sich völlig reinigen können. Es ist seltsam, daß diese so wenig biblischen Ideen nach und nach in gewisse protestantische Kreise eingedrungen sind.
Das beweist, bis zu welchem Punkte schon für viele die von Gott eingegebene Heilige Schrift aufgehört hat, einzige und höchste Autorität zu sein.

11. Gibt es eine Reinkarnation?
Von Indien aus ist die Lehre von der Reinkarnation (Rückkehr ins Fleisch) wieder in unser Abendland eingedrungen. Alle Arten von Philosophien und Sekten sind davon begeistert, und wir müssen erfahren, was die Bibel davon sagt.
Es ist klar, daß nach der Heiligen Schrift der Mensch nur einmal hier auf Erden lebt. „Es ist den Menschen gesetzt, einmal (und nicht hundertmal) zu sterben, danach aber das Gericht.“ Hebr.. 9, 27. „Der Tod ist der Sünde Sold“, und nicht unzählige Tode. Es gibt unzweifelhaft nur einen leiblichen Tod, dem in der anderen Welt der zweite Tod, die ewige Verdammnis, folgt. Jesus selber lehrt uns, daß der Gottlose sogleich nach seinem Tode an einen Ort des Gerichts versetzt wird und daß ihn eine unübersteigbare Kluft umschließt. Die Gerechten erwarten beim Herrn in Ruhe den herrlichen Tag ihrer Auferstehung.
Die ganze Lehre von der Reinkarnation gründet sich auf den heidnischen Begriff von der langsamen Vervollkommnung des Menschen, der sich durch eigenes Bemühen und durch sühnendes Leiden immer weiter entwickelt. Von einem Dasein zum andern reinigt sich der Mensch immer mehr und wird sich zuletzt selber erlösen. Ganz widersinnig ist jedoch hierbei, daß er gar keine Erinnerung an seine früheren Leben hat, also büßt, ohne zu wissen, wofür. Andererseits tröstet er sich bei Verfehlungen damit, daß er sie in einem zukünftigen Leben ja wiedergutmachen kann. Die einen lehren, daß ein Mensch nur als Mensch wiedergeboren werden kann, die andern, daß er in allen möglichen Tieren wieder erscheinen kann.
Diese beinahe unendliche Kette von Reinkarnation bringt den Menschen zur Mutlosigkeit und Verzweiflung. Er verlangt nur noch danach, davon befreit zu werden. Er sehnt sich nach dem Nirwana, der Wunschlosigkeit, Empfindungslosigkeit, kurzum dem Ende aller Leiden, dem Versinken in das große All. Es gibt wohl kaum noch eine Lehre, die sinnloser, lebensfeindlicher ist und die der biblischen Lehre derart widerspricht. Die gute Aufnahme, die sie und ihr Gefolge von indischen Lehren und Unterweisungen bei uns finden, beweist die Abtrünnigkeit unserer einst „christlichen“ Welt.
Alles das ist recht gut, mögen einige sagen, aber steht nicht in der Bibel wenigstens ein Beispiel von Reinkarnation? War Johannes der Täufer nicht der wiedererschienene Elia? Wir wollen uns die betreffen den Bibeltexte näher ansehen!
Die letzten Verse des Alten Testaments künden an, daß der Prophet Elia vor dem Tag des Herrn wiederkommen werde, um die Herzen der Väter und der Kinder zu bekehren. Mal.3, 23-24. Der Engel, der die Geburt des Johannes ankündigt, sagt: „Er wird vor Ihm hergehen im Geist und Kraft Elias, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern . . . zuzurichten dem Herrn ein bereitet Volk.“ Luk. 1, 17. Als man jedoch Johannes den Täufer zu Beginn seiner Wirksamkeit fragt: „Bist du Elia?“, antwortet er ausdrücklich: „Ich bin es nicht!“ Joh.1, 21.
Was bedeuten dann aber die Worte Jesu: „Und so ihr’s wollt annehmen, er (Johannes der Täufer) ist Elia, der da soll zukünftig sein“, Matth.11,14 ?

Und vor allem folgende Stelle: „Und Seine Jünger fragten Ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, Elia müsse zuvor kommen? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Elia soll ja zuvor kommen und alles zurechtbringen. Doch Ich sage euch – es ist Elia schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben an ihm getan, was sie wollten . . . Da verstanden die Jünger, daß Er von Johannes dem Täufer zu ihnen geredet hatte.“ Matth. 17, 10-13. Jesus sagt hier zweierlei:

a) Elia ist schon gekommen.
Jesus Christus hatte bei Seinem ersten Erscheinen Johannes den Täufer als Vorläufer, der erschienen ist „mit dem Geist und der Kraft des Elia“. In diesem Sinne war Johannes wie Elia.

b) Elia soll kommen.
Die wirkliche Wiederkehr des Elia wird in der Tat in der Zukunft sein und der Wiederkehr des Herrn vorausgehen. Johannes der Täufer hat selber geantwortet, daß er nicht Elia in Person wäre. Joh. 1,21. Und Jesus hat deutlich ausgesprochen: „Elia soll ja zuvor kommen und alles zurechtbringen.“ Es ist klar, daß dieser Teil der Prophetie noch nicht eingetroffen ist. Er wird sich unmittelbar vor dem großen Tag des Herrn erfüllen, nach Mal. 3. Wir glauben, daß Elia eine besondere Aufgabe bei der Bekehrung der Juden haben wird. Er wird in dem Augenblick sein Amt antreten, in dem die „Wiederherstellung aller Dinge“ beginnen wird, daß heißt also bei der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches. (Siehe Apg. 3, 19 und Röm. 11, 12. 15.) Wir denken auch, daß Elia einer der Zeugen von Offb. 11, 1-12 sein wird. Seine Aufgabe wird dann sein, zur Zeit der großen Drangsal in Jerusalem ( der Heiligen Stadt, da auch ihr Herr gekreuzigt ist, Vers 8) mit großer Macht Zeugnis abzulegen. Nach unserer Ansicht würde der zweite dieser Zeugen Henoch sein, und zwar aus folgendem Grunde: Henoch und Elia sind die einzigen Menschen, die den Tod nicht erlitten haben, obgleich auch sie Sünder waren. Sie sind für ihre besondere Aufgabe am Ende der Zeiten aufbewahrt worden und werden dann auch sterben müssen. Vers 7.
Zum Abschluß möchten wir feststellen, daß die ganze Geschichte von Elia keinen einzigen Beweis für die Reinkarnation erbringt. Die Reinkarnation ist dem Buchstaben und dem Geist der Heiligen Schrift durchaus fremd.

12. Das Gedächtnis der Gerechten bleibt im Segen.
Das Kapitel, das wir nun beenden, hat vielleicht einige Leser enttäuscht. Die Bibel erscheint ihnen zu schweigsam, was die Verbindung mit unseren Toten betrifft. Mögen wir auch diesen Eindruck haben, wir dürfen darum doch nicht an der Weisheit und der Wahrheit der Heiligen Schrift zweifeln. Aber steht denn geschrieben, daß wir bei ihrem Tode unsere Verstorbenen ganz und gar verlieren und daß wir sie und sogar das Gedenken an sie vollständig verbannen sollen?
Durchaus nicht!
Die Bibel sagt zuerst einmal: „Das Gedächtnis der Gerechten bleibt im Segen“, Spr. 10,7, und sogar: „Des Gerechten wird nimmermehr vergessen.“ Psalm 112, 6. Sie fügt hinzu: „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, ihr Ende schauet an, und folget ihrem Wandel nach.“ Hebr. 13, 7. Welchen Trost und welche Stärkung schöpfen wir aus der Erinnerung an geliebte Menschen, deren Beispiel und deren Zeugnis uns soviel auf dem Wege geholfen haben!
Wir werden bis an das Ende unserer Tage nicht aufhören, Gott dafür zu danken. Dieweil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, wollen wir wie sie treu und tapfer in den Fußstapfen unseres Herrn wandeln. Hebr. 12, 1-2.
Auch sind die Toten, deren wir uns erinnern, in Christo, wie auch wir es durch den Glauben sind. Sie sind ebenso wie wir Glieder am Leibe des Herrn, in welchem eine ewige Einheit herrscht, die durch nichts zerstört werden kann.
Wir möchten jedoch nicht mißverstanden werden: Nach allem, was wir zuvor gesagt haben, ist es klar, daß die Toten in einer anderen Welt sind und keine unmittelbare Verbindung mit uns haben. Aber wir geben sie in völligem Vertrauen Gott zurück und wissen, daß sie in Seinen Armen herrlich bewahrt und getröstet sind. Ihm allein können wir allezeit unsere Nöte, unsere Wünsche, unser Bedürfnis nach Gemeinschaft und nach Trost anvertrauen. Es ist uns nicht gesagt, was der Herr diejenigen wissen läßt, die bei Ihm auf ein Wiedersehen und auf ihre Auferstehung warten. Aber es genügt uns, zu wissen, daß wir alle von der mächtigen Hand Dessen behütet und vereint werden, Der alles in allem ist.
In diesem Sinne verstehen wir Hebr. 12, 22-24. Wir sind durch den Glauben nicht zu dem Berge Sinai gekommen, der im Feuer der göttlichen Gerechtigkeit brannte, sondern zu dem Berge Zion, zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, das uns durch das Blut der Besprengung zugänglich geworden ist. Dort finden wir mit der Menge vieler tausend Engel die Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, . . . und die Geister der vollendeten Gerechten. Es ist für uns ein großer Trost, zu wissen, daß unsere gläubigen Verstorbenen schon in der Herrlichkeit sind, wohin wir selber heute schon im Geist und durch den Glauben gesetzt sind in Christo Jesu. Und wir freuen uns in dem Gedanken, daß die gegenwärtige Zeit der Trennung und des Schweigens nicht lange dauern wird. Bald werden wir uns alle in himmlischer Vollkommenheit und Unvergänglichkeit wiederfinden.

DRITTER TEIL

Die Welt der Geister


Kapitel I   DIE ENGEL

1. Was sind die Engel?
Die Engel werden hundertachtmal im Alten Testament und hundertfünfundsechzigmal im Neuen Testament genannt. Ihr Dasein kann also nicht in Zweifel gezogen werden, obwohl es auch heute noch von gewissen Kreisen geleugnet wird, so wie es einst die Sadduzäer abstritten. Wenn es aber eine Welt der irdischen Körper – der Pflanzen, Tiere, Menschen – gibt, warum sollte es dann nicht auch eine Welt der himmlischen Geister geben? Nach der Erklärung Hebräer 1, 14 sind die Engel „dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit“.

2. Das Wesen der Engel.

a) Ihre Macht. Sie haben größere Stärke und Macht als die Menschen. 2. Petr. 2,11. Sie sind „starke Helden“. Psalm 103,20. In bezug auf Christus werden sie die „Engel Seiner Kraft“ genannt. 2. Thess. 1,7.

b) Ihre Weisheit. Sie sind sehr weise. Man sagt: „Weise wie die Weisheit eines Engels Gottes.“ 2. Sam. 14, 20. Aber sie sind nicht allwissend. Sie wissen zum Beispiel nicht den Tag der Wiederkunft Christi. Mark. 13,32. Sie lernen „an der Gemeinde die mannigfache Weisheit Gottes“ noch besser kennen. Eph. 3,10. Es gelüstet sie, die Wunder zu schauen, wovon die Propheten geweissagt haben und die von den Aposteln verkündigt worden sind. 1.Petr.1,10-12.

c) Ihre Heiligkeit. Die Engel sind heilig. Apg. 10, 22. Sonst könnten sie ohne Zweifel nicht vor Gott stehen. Ihre weißen Kleider sind das Sinnbild ihrer Heiligkeit.
d) Ihre Herrlichkeit. Sie sind von leuchtender Herrlichkeit umgeben. Daniel beschreibt die Erscheinung eines Engels: „Sein Leib war wie ein Türkis, sein Antlitz sah aus wie ein Blitz, seine Augen wie feurige Fackeln, seine Arme und Füße wie helles, glattes Erz, und seine Rede war wie ein großes Getönt.“ Dan. 10,6. Vor dieser blendenden Lichtgestalt ergreifen die Gefährten des Propheten voller Schrecken die Flucht. . . .

e) Ihre Erwählung. Sie sind auserwählt worden. 1. Tim. 5,21. Alle Engel sind versucht worden. Einige von ihnen haben sich empört und sind Satan gefolgt.
Es ist wohl anzunehmen, daß die anderen nach dem vollkommenen Vorherwissen Gottes auserwählt worden sind. Diese Erwählung der Engel steht in Beziehung zu Christus, denn Paulus sagt uns: „Auf daß alle Dinge zusammengefaßt würden in Christo, beides, das im Himmel und auf Erden ist, durch Ihn.“ Eph. 1,10. „Es ist das Wohlgefallen gewesen, daß . . . alles durch Ihn versöhnt würde zu Ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit Er Frieden machte durch das Blut an Seinem Kreuz, durch sich selbst.“ Kol. 1,19-20. Das Heil, das Christus so teuer erkauft hat, erstreckt sich nicht auf die Dämonen. Wir werden noch feststellen, daß es für sie weder Erlösung noch Bekehrung gibt.
Was wollen also die obigen Verse sagen? Wir glauben, daß die Erlösungstat Christi eine ungeheure Rückwirkung im Himmel hatte: Dort hat sie der Empörung der Engel Einhalt geboten und die Treue und die Ergebenheit der auserwählten Engel bestätigt. In diesem Sinne betont das Neue Testament die besondere Herrschaft Christi, die Er durch das Kreuz über die Engel erhalten hat. Eph. 1, 20-21; Hebr. 1, 3-4 ; 1. Petr. 3, 22.
„Auf daß alle Dinge zusammengefaßt würden in Christo, beides, das im Himmel oder auf Erden ist“ (Eph. 1,10 und Kol. 1,20), scheint uns auch noch dies sagen zu wollen: Durch die Sünde ist die ganze Welt zerrissen. Der Krieg wütet im Himmel und auf der Erde. Die Menschen haben sich gegen ihren Schöpfer empört. Sie haben den Zugang zum Paradies verloren. Das Kreuz nimmt die Sünde hinweg, es stellt den Frieden und die Einheit wieder her. . . .

f) Ihre Demut. Die treuen Engel sind demütig. Sie bedecken vor Gott ihr Antlitz und ihre Füße. Jes. 6, 2. Von den Menschen lehnen sie alle Huldigung ab, die allein dem Herrn gebührt. Offb. 22, 8-9. Satan und seine Engel dagegen haben nur den einen Wunsch: Sie wollen angebetet und an Gottes Stelle gesetzt werden. Jes. 14, 12-14.

g) Ihr Gehorsam. Wenn der Herr sagt: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“, Matth. 6,10, von welchem Gehorsam spricht Er denn, wenn nicht von dem der Engel? . . .

h) Ihre Rangordnung und ihre Gliederung. Die Bibel nennt verschiedene Klassen von himmlischen Geistern. „Throne, Herrschaften, Fürstentümer, Obrigkeiten“ Kol. 1, 16. Paulus bezieht die beiden Bezeichnungen „Fürstentümer, Obrigkeiten“ auf satanische Mächte, über die Christus am Kreuz triumphiert hat, Kol.2,15, und welche heute noch gegen uns an himmlischen Orten kämpfen. Eph. 6,12. Petrus und Judas sprechen von „Majestäten“, die zu lästern anmaßend sei, obwohl sie gestürzt sind und viel von ihrer Macht verloren haben. 2. Petr. 2, 10 und Jud. 8-9.
Michael trägt den Titel Erzengel. Er wird „der vornehmsten der Fürsten einer“, der „große Fürst“ genannt. Judas 9 und Daniel 10,13; 12,1. Die Offenbarung zeigt uns Michael, wie er mit seinen Engeln gegen den Drachen und seine Engel streitet. Offb. 12, 7-9.
Es wird auch von der „Menge vieler tausend Engel“ gesprochen, die den Chor der Engel bilden, Hebr.12,22; von „Legionen Engel“, Matth. 26, 53 ; von der „Menge der himmlischen Heerscharen“. (Luk. 2,13. 1.Kön. 22,19).
Wir wollen uns noch über zwei Gruppen von Engeln näher unter halten. Die Cherubim werden mehrmals genannt, sie „bewahren mit dem bloßen hauenden Schwert ” den Weg zum verlorenen Paradies. 1. Mose 3, 22-24. Sie sind auf dem Vorhang dargestellt, der den Eintritt zum Allerheiligsten versperrt, und sie sind auf der Bundeslade, wo ihre Flügel den Gnadenstuhl bedecken und „ihre Antlitze auf den Gnadenstuhl sehn“, wo das sühnende Blut den Weg wieder frei macht und ihnen die Waffen aus der Hand nimmt. 2. Mose 26,31; 25,17-20.
Wir finden sie wieder in dem Gesicht Hesekiels, wo die „Tiere“ (lebendige Wesen) ausdrücklich Cherubim genannt werden. Hes. 1; 10,18-20. Sie scheinen dort bereit zu sein, auf einer Art feurigem Wagen die durch die Sünde beschimpfte Herrlichkeit des Herrn davonzutragen. Die vier „Tiere“ der Offenbarung 4, 6-8, ähneln sehr denen Hesekiels. Sie beten ohne Unterlaß den Herrn an und verkündigen Seine Heiligkeit. Sie nehmen auch an der Erfüllung Seiner Gerichte teil. Man fragt sich, ob Daniel in seinem vierten Kapitel mit den „heiligen Wächtern“ nicht himmlische Wesen ähnlich den Cherubim meint.
Nebukadnezar erzählt seinen Traum von dem großen Baum und berichtet: Und ich sah einen Geist auf meinem Bett, und siehe, ein heiliger Wächter fuhr vom Himmel herab . . . Solches (nämlich den Baum abzuhauen) ist im Rat der Wächter beschlossen und im Gespräch der Heiligen beratschlagt, auf daß die Lebendigen erkennen, daß der Höchste Gewalt hat über der Menschen Königreiche.“ Dan. 4,10.14. Weiter fügt der Prophet hinzu: „Ich hörte aber einen Heiligen reden, und ein Heiliger sprach zu dem, der da redete: Wie lange soll doch währen solch Gesicht?“ Dan. 8,13.
Die Engel können sich also Fragen über die Prophetie stellen, im Sinne von 1. Petr.1,12. Sie können auch wachen und einschreiten, wenn es die erhabene Majestät Gottes verlangt.
Die Seraphim (das heißt die Brennenden) werden nur Jes. 6, 1-7 genannt. Als „Tiere“ der Offenbarung 4 haben sie sechs Flügel und verkündigen in Anbetung und Beugung die Heiligkeit des Herrn.


i) Ihre Persönlichkeit. Die Engel sind alle bestimmte Persönlichkeiten. Wir wissen den Namen von wenigstens drei von ihnen: Michael, den wir schon erwähnten, der „Wer ist wie Gott?“ bedeutet, Gabriel, „Der Herr ist mächtig“ steht vor dem Herrn, Luk. 1,19.26; Dan. 8, 16; 9,21 und endlich Satan. Die Art, wie die Engel handeln, gehorchen, sich empören, gerichtet werden, zeigt hinreichend, was für Persönlichkeiten sie sind. 


k) Ihre Individualität. Zum Schluß wollen noch folgende interessanten Vergleiche geben:
Die Pflanze richtet sich ganz nach ihrer Art, wovon die einzelne Pflanze nur ein Teil ist.
Das Tier ist zwar schon mehr als Einzelwesen zu betrachten, wird aber von dem Instinkt und den Gesetzen seiner Art gelenkt.
Der Mensch ist eine Persönlichkeit, die den Gesetzen ihrer Rasse nicht mehr willenlos unterworfen ist.
Der Engel ist nur ein Einzelwesen und gehört keiner Rasse an. Die himmlischen Geister werden zuweilen „Söhne Gottes“ genannt, aber niemals „Söhne der Engel“. Sie sind keiner Vererbung unterworfen und sind daher für ihre Handlungen voll verantwortlich – und kennen keine Erlösung.


3. Die Aufgabe der Engel.

a) Im Dienste Gottes.
,,Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, zum Dienst ausgesandt?“ Hebr. 1,14. Wir sehen, wie sie beständig den Herrn umgeben, Seinen Willen ausführen und an Seinem Werk mitarbeiten.
Sie wohnen jauchzend der Schöpfung der Welt bei. Hiob 38,4-7. Sie übergeben Mose auf dem Sinai das Gesetz. Gal. 3,19; Apg. 7,53. Sie führen die Errettungen und die Gerichte aus, die der Herr befiehlt. 1. Mose 10,15-22; 2. Samuel 24,16. Sie führen die Befehle Gottes aus. Psalm 103, 20.
Sie nehmen an der Regierung der Nationen teil. Engel unterstützen verschiedene Völker wie Israel, Dan.12,1, die Perser, die Meder, die Griechen, Dan. 10,13. 20-21. Sie kämpfen gegen böse Geistesmächte, die versuchen, die Nation zu verderben.
Die Engel kämpfen auch gegen Satan und sein Heer bis zum Endsieg. Offb. 12,7-9. Ein Engel bindet den Teufel und wirft ihn in den Abgrund. Offb. 20,1-3.
Vor Gottes Thron sind die Engel vereint und beten und loben ohne Unterlaß. Offb. 5, 11; Dan. 7,10 usw.

b) Im Dienste Jesu Christi.
Wir sehen, wie die Engel unseren Herrn vom Anfang bis zum Ende Seiner Laufbahn begleiten.
Der Engel Gabriel verkündigt Maria die Geburt des Heilands, wie er schon die Geburt Seines Vorläufers Johannes verkündigt hat. Luk. 1,11-20; 26-38.
Joseph wird gleichfalls durch einen Boten benachrichtigt. Matth. 1, 20-21.
Ein Engel erscheint den Hirten in der Weihnachtsnacht, und die Menge der himmlischen Heerscharen stimmt das Lob Gottes an. Luk. 2, 9-15.
Die Flucht aus Ägypten und die Rückkehr aus diesem Land geschieht auch auf Befehl eines Engels. Matth. 2,13.19-20. Als Jesus siegreich die Versuchung bestanden hat, treten die Engel zu Ihm und dienen Ihm. Matth. 4, 11.
Während Seines Todeskampfes im Garten Gethsemane erscheint ein Engel vom Himmel und stärkt Ihn. Luk. 22,43.
Bei der Auferstehung steigt ein Engel des Herrn vom Himmel und wälzt den Stein von des Grabes Tür. Matth. 28, 2. Zwei Engel erscheinen den Frauen und verkündigen die herrliche Auferstehungsbotschaft. Luk. 24,4-7.
Bei der Himmelfahrt künden die Engel an, daß Er wiederkommen wird, wie Er gen Himmel gefahren ist. Apg.1,11.
Der Herr wird vom Himmel her wiederkommen, um Seine Gemeinde „mit der Stimme des Erzengels“ zu holen. 1.Thess. 4,16.
Er wird Seine Engel senden, und sie werden Seine Auserwählten sammeln von den vier Winden. Matth. 24,31.
Er wird offenbart werden vom Himmel „samt den Engeln Seiner Kraft“, um die Gottlosen zu richten. 2. Thess. 1,7-8. Er wird kommen in Seiner Herrlichkeit „und alle heiligen Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Stuhle der Herrlichkeit.“ Matth. 25,31.
Das Jüngste Gericht wird in Gegenwart der Engel von Christus gehalten werden: Wer Christus verleugnet hat, der wird dann verleugnet werden vor den Engeln Gottes. Luk. 12,9; 9,26.
Endlich wird Jesus im Himmel vor Seinem Vater und vor Seinen Engeln die Namen der Überwinder verkündigen. Offb. 3,5.
Sehen wir nicht voller Ehrfurcht und Staunen, mit welcher Treue und Verehrung die Engel auf Schritt und Tritt den Weg ihres und unseres Meisters begleiten? . . .
Nachdem Jesus in den Himmel zurückgekehrt ist, sind Ihm in unmittelbarer Weise „die Engel und die Gewaltigen und die Kräfte“ untertan. 1. Petr. 3,22; Eph. 1,21. . . .


c) Im Dienste der Gläubigen.
Nach Hebräer 1,14 sind die Engel „dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit“. Die Engel, die in Jakobs Traum die Leiter auf- und niedersteigen, geben ein schönes Bild ihrer unermüdlichen Tätigkeit im Dienste der Gläubigen. 1. Mose 28,12. Beispiele hierfür sind reichlich in der Bibel vorhanden:
Sie sorgen für die körperlichen Bedürfnisse der Gläubigen wie im Falle der Hagar, 1. Mose 21, 15-19, und des Elias unter dem Wacholder. 1. Kön. 19, 5-7.
Sie bewahren in Gefahr wie bei Lot, den sie aus Sodom hinausführen, 1. Mose 19, 15-16, oder bei den Männern im Feuerofen, bei Daniel in der Löwengrube. Dan. 3, 24-2’5; 6, 23.
Sie befreien Petrus aus dem Gefängnis und aus der Gewalt des Hero des. Apg. 12, 7-10. Siehe auch Apg. 5, 19 1 Sie führen die Diener Gottes, zum Beispiel Philippus, damit er mit dem Kämmerer aus dem Mohrenland rede. Apg. 8, 26. Sie offenbaren die Pläne Gottes dem Propheten Daniel, Dan. 9, 21-27, dem Kornelius, Apg. 10, 3-6, und auch dem Johannes, Offb.1,1.
Sie verkündigen glückliche Ereignisse wie die Geburt des Johannes und des Heilands. Luk. 1,11-20; 2,10-12. Sie ermutigen Paulus inmitten der Ängste des Schiffbruches. Apg. 27, 23-24. Sie nehmen die Seele des armen Lazarus und tragen sie in Abrahams Schoß. Luk. 16, 22.
Sie sammeln die Auserwählten bei der Wiederkunft des Herrn. Matth. 24, 31.
Wir können zusammenfassend feststellen, daß der Herr durch Seine Diener unablässig über Seinen Geliebten wacht: „Er hat Seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Psalm 91,11. „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten, und hilft ihnen aus.“ Psalm 34, 8. Man kann sich fragen, ob nach Matth. 18,10 nicht jedes Kind – jeder der „Kleinen“ vor Gott – einen Engel hat, der „allzeit das Angesicht unseres Vaters im Himmel“ sieht. Aber die Bibel sagt nicht noch mehr, das uns erlauben könnte, den Gedanken an einen „Schutzengel“ weiterauszuspinnen.
Ein Bibeltext spricht allerdings davon, daß ein himmlischer Geist für einen Menschen in Todesnot als Fürsprecher eintreten kann: „So dann ein Engel für ihn als Mittler eintritt, einer aus tausend, zu verkündigen dem Menschen, wie er solle recht tun, so wird Er ihm gnädig sein und sagen: Erlöse ihn, daß er nicht hinunterfahre ins Verderben, denn Ich habe eine Versöhnung gefunden.“ Hiob 33, 23-24.


4. Die Zahl der Engel.
Um so viele Aufgaben zu erfüllen, müssen die Engel sehr zahlreich sein. Als Daniel den Herrn auf Seinem Thron sieht, dienten Ihm „tausendmal tausend, und zehntausendmal zehntausend standen vor Ihm“ Dan. 7,10. Johannes schreibt: „Und ich sah und hörte die Stimme vieler Engel um den Stuhl, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend.“ Offb. 5,11. Wir haben schon von der Menge der himmlischen Heerscharen gesprochen, die in der Heiligen Nacht den Hirten sangen. Luk. 2,13. Elisa sagt zu seinem Diener, der über die Menge der Feinde tief erschrocken ist: „Fürchte dich nicht! denn derer ist mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind . . . Da öffnete der Herr dem Diener die Augen, daß er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her.“ 2. Kön.6, 16-17. . . .

5. Haben die Engel ein Geschlecht?
Sie pflanzen sich nicht fort und bilden keine Rasse. Die Erscheinungen der Engel in der Bibel sind niemals weiblich. Jesus selber sagt klar und unmißverständlich: „In der Auferstehung werden sie (die Menschen) weder freien noch sich freien lassen, sondern sie sind gleich wie die Engel Gottes im Himmel.“ Matth. 22, 30. Sie „werden weder freien noch sich freien lassen, . . . denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, dieweil sie Kinder sind der Auferstehung“. Luk. 20,35-36.
Was sollen wir dann aber von der Stelle 1. Mose 6, 1-4 denken, wonach unmittelbar vor der Sintflut die „Söhne Gottes“ die „Töchter der Menschen“ zu Weibern nahmen und Riesen zeugten? Man hat schon angenommen, daß es sich hierbei um die abgefallenen Engel handelte, die nach Judas 6 „ihr Fürstentum nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen“. Wir sind nicht sicher, daß sich dieser Vers des Judas auf etwas anderes bezieht als auf den Sündenfall der Engel im Himmel. Andererseits hätten diese Engel auch Fleisch und Blut annehmen müssen, um auf Erden Kinder zeugen zu können. Es ist wohl möglich, daß Menschen von bösen Geistern besessen sind. Aber niemals ist dabei von einer wirklichen Fleischwerdung die Rede. Das Wunder, außerhalb des natürlichen Weges einen Körper zu schaffen, ist nur dem Schöpfer selber möglich, und es ist nur in Jesus Christus vollbracht worden.
Die „Söhne Gottes“, von denen 1. Mose 6 die Rede ist, scheinen uns vielmehr die frommen und treuen Nachkommen des Seth zu sein, die im fünften Kapitel erwähnt werden. Als sich sogar diese bessere Menschheitslinie von der Schönheit und Verderbtheit der „Töchter der Menschen“, der Nachkommen Kains, verführen ließ, wurde die ganze Menschheit befleckt, und das Gericht der Sintflut wurde unvermeidlich. Vers 5-7. Man könnte vielleicht einwenden, daß diese Auslegung nicht erklärt, warum aus dieser Vereinigung Riesen geboren wurden. Stellen wir zuerst einmal fest, daß Vers 4 nur sagt: „Zu jener Zeit waren die Riesen auf der Erde und auch später noch, solange die Gottessöhne mit den Menschentöchtern verkehrten und diese ihnen Kinder gebaren.“ Es war also zur Zeit solcher Ehen, daß Riesen auftauchten. Warum diese Riesen geboren wurden, „die Helden, die in der Vorzeit lebten, die hochberühmten Männer“, können wir nicht erklären.
Aber wir stellen nach verschiedenen Bibel stellen fest, daß sie wirklich gelebt haben. Auch nach der Sintflut gab es noch Riesen in Palästina. 4. Mose 13, 33; Mose 2, 10 usw. Man hat in diesem Lande Überreste von wahrhaft riesenhaften Bauten gefunden. Mehrere andere Völker, die Griechen zum Beispiel, haben gleichfalls die Erinnerung an besonders große und besonders gottlose Menschen bewahrt. So erzählen sie, daß die Titanen versuchten, den Himmel zu stürmen und dem höchsten Gott den Blitzstrahl zu rauben. Heute noch gibt es die Pygmäen, anomal kleine Menschen. Wir können diese Veränderung der üblichen menschlichen Maße auch nicht mit dem Eingreifen teuflischer Gewalten erklären.

6. Die Wohnung der Engel.
Eine sehr große Anzahl von Bibelstellen nennt als Wohnung der Engel den Himmel. Bei der Geburt Christi erscheint den Hirten die Menge der himmlischen Heerscharen. Dann fahren die Engel wieder gen Himmel. Luk. 2,13-15. Am Ostermorgen kam der Engel des Herrn vom Himmel herab und wälzte den Stein von der Tür des Grabes. Matth. 28, 2. Paulus gebraucht die Bezeichnung „Engel vom Himmel“. Gal. 1,8. Er sieht im Himmel die Fürstentümer und geistlichen Herrschaften, denen an der Gemeinde die mannigfache Weisheit Gottes kund wird, Eph. 3,10. Im Buch Hiob treten zweimal die „Kinder Gottes“ vor den Herrn. Hiob 1,6; 2,1. Der Prophet Micha sieht den Herrn „sitzen auf Seinem Stuhl und alles himmlische Heer neben Ihm stehen zu Seiner Rechten und Linken“. 1. Kön. 22, 9. Jesus selber sagt, daß im Himmel die Engel der Kleinen allezeit das Angesicht Seines Vaters im Himmel sehen.Matth.18,10. Er fügt hinzu, daß wir bald auch wie die Engel Gottes im Himmel sein werden. Matth. 22,30. Die Engel haben demnach eine solch außerordentlich hohe Stellung, daß Gott diejenigen sehr hart bestrafen wird, „die ihre Fürstentümer nicht bewahrten, sondern verließen ihre Behausung“. Judas 6.

7. Die Erscheinungen der Engel.
Sie sind in der Bibel sehr häufig. Die Engel sind Geister, aber um mit den Menschen in Verbindung zu treten, nehmen sie menschliche Gestalt an. Manchmal hält man sie sogar zuerst für Menschen. Wenn sie dann aber ihre Aufgabe erfüllen, enthüllen sie ihr wahres Wesen. So haben schon Gläubige „ohne ihr Wissen Engel beherbergt“, Hebr. 13,2, wie zum Beispiel auch Abraham, als er die „drei Männer” bewirtete“, oder Lot, der die beiden aufnahm. 1. Mose 18,2; 19,1-3.
Manchmal ist ihre Erscheinung trotz der menschlichen Gestalt himmlisch und herrlich. Wer sie wahrnimmt, erschrickt und erbebt. Dan. 10, 5-9. Als der Engel des Herrn Bileam in den Weg tritt, sieht ihn zuerst nur die Eselin mit dem bloßen Schwert in der Hand. Der Herr muß erst Bileam die Augen öffnen, daß er den Engel des Herrn sieht. 4. Mose 22, 23.
Elisa sieht auch zuerst nur allein das himmlische Heer, das zu seiner Hilfe gekommen ist. Er muß Gott bitten, daß sein erschreckter Diener es gleichfalls sehe. 2. Kön. 6,16-17. Wie oft umgeben uns himmlische Geister zu unserer Hilfe und wir ahnen es nicht.
Sehr viele glaubwürdige Diener Gottes haben erzählt, wie sie aus großen Gefahren durch ihr unerwartetes Eingreifen errettet worden sind. Eines Tages werden wir gewiß erfahren, was wir solch einem gütigen Helfer zu verdanken haben.
Aber wie kommt es eigentlich, daß Erscheinungen der Engel – wie überhaupt alles übernatürliche – in unserer Gemeinde so selten geworden sind? Es gibt dafür wohl verschiedene Gründe. Gott hat den Alten wie den Neuen Bund anfänglich durch zahlreiche Wunder beglaubigt, die sich späterhin nicht dauernd wiederholt haben. Andererseits war im Alten Testament der Herr selber den Menschen noch fern und sandte ihnen Seine Boten auf sichtbare Weise. Seit Christi Fleischwerdung und besonders seit Pfingsten wohnt der Heilige Geist in der Gemeinde und im Herzen eines jeden Gläubigen. Er führt, überzeugt, beschützt, erleuchtet. Kein Bibeltext erwähnt die Aufgabe der Engel während des Tausendjährigen Reiches, denn dann wird sich der Herr uns unmittelbar offenbaren.
Zum Schluß noch eine allerdings ziemlich nebensächliche Frage: Haben die Engel bei ihrem Erscheinen Flügel? Die Maler stellen sie immer mit Flügeln dar. Was sagt die Bibel dazu? Zweimal wenigstens redet sie vom Flug eines himmlischen Boten: „Da ich so redete in meinem Gebet, flog daher der Mann Gabriel.“ Dan. 9,21. „Ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel.“ Offb. 14, 6.
Sie spricht von den sechs Flügeln der Cherubim und der „Tiere“. Jes. 6,2 und Offb. 4,8. Sie erwähnt auch die vier Flügel der Tiere, die Hesekiel Cherubim nennt, Hes. 1, 6; 10, 19-20. Die beiden Cherubim, die an der Bundeslade in der Stiftshütte und später im Tempel Salomos waren, hatten zwei Flügel. 2. Mose 25, 18-20; 2. Chron. 3, 10-12.
Was sollen diese Flügel darstellen? Nichts Stoffliches, denn die Engel sind Geister und bedürfen keiner Flügel, um sich fortzubewegen. Aber sie sind ohne Zweifel die Sinnbilder der Schnelligkeit und Sicherheit, mit der die Engel eingreifen. In Jesaja 6, 2 dienen die Flügel außerdem noch dazu, die Füße und das Antlitz des Seraphims zu bedecken, da sie unwürdig sind, unbedeckt vor der erhabenen Heiligkeit Gottes zu erscheinen.

8. Der Engel des Herrn.
Eine der auffallendsten Erscheinungen im Alten Testament ist der Engel des Herrn. Es scheint, daß dieser Engel in Wirklichkeit der Herr selber ist, der sich den Menschen offenbart. Er spricht zu Hagar in der ersten Person Einzahl, als er ihr sagt: „Ich will deinen Samen also mehren, daß er vor großer Menge nicht soll gezählt werden.“ 1.Mo.16,7.10. Einer der drei Engel, die Abraham bewirtet hat, verspricht ihm einen Sohn mit folgenden Worten: „Ich will wieder zu dir kommen über ein Jahr, siehe, so soll Sara, dein Weib, einen Sohn haben. . . Sara lachte . . Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara? . . . Um diese Zeit will Ich wieder zu dir kommen.“ 1. Mose 18,10. Die beiden anderen Engel gehen fort. 19,1. Der dritte, der der Herr selber ist, bleibt bei Abraham und hört seine Fürbitte für Sodom an. 18,22.

Der Engel des Herrn hält den Arm Abrahams in dem Augenblick zurück, als er seinen Sohn Isaak schlachten will. Dann ruft er: „Du hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um Meinetwillen . . . Ich habe bei Mir selbst geschworen . . . daß Ich deinen Samen segnen und mehren will . . . darum, daß du Meiner Stimme gehorcht hast.“ 22, 11-18.

Der Engel, mit welchem Jakob gekämpft hat, sagt: „Du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft.“ Und Jakob spricht: „Ich habe Gott von Angesicht gesehen.“ 32, 29-31.

Als Jakob Joseph segnet, nennt er Gott und den Engel, der ihn erlöst hat von allem Übel, als einen und denselben.
Der Engel des Herrn erscheint Mose in einer feurigen Flamme aus dem Busch. 2. Mose 3. Er offenbart sich ihm als Gott selber. Vers 4-6.

Auch im Buch der Richter sind zwei auffallende Beispiele: Der Engel des Herrn erscheint Gideon. Aber Gideon antwortet mutlos. Dann fährt der Text fort: „Der Herr aber wandte sich zu ihm und sprach: Gehe hin in dieser deiner Kraft!“ . . . Gideon aber sprach: „ . . . Mache mir doch ein Zeichen, daß Du es seiest, der mit mir redet, weiche nicht, bis ich zu Dir komme“. Er sprach: ,,Ich will bleiben, bis daß du wiederkommst“ . . . Richter 6, 12-22.
Nachdem die Eltern Simsons den Engel des Herrn gesehen haben, sprechen sie: „Wir müssen des Todes sterben, daß wir Gott gesehen haben.“ Richter 13, 3-22.

Aus diesem allen geht hervor, daß man diese Erscheinungen wohl Gotteserscheinungen nennen darf.
Man fragt sich, ob in diesen Fällen der Herr die Gestalt eines Engels oder eines Menschen annahm, damit Ihn das menschliche Auge sehen konnte, oder ob es sich schon um zeitweilige Erscheinungen Dessen handelte, der dann eines Tages um unserer Seelen Seligkeit willen völlig ins Fleisch kam. Ohne Zweifel greift Christus im ganzen Alten Testament handelnd ein. Er nimmt an der Schöpfung teil. Hebr. 1,2. Paulus bezeichnete Ihn als den „geistlichen Felsen“, der mit den Israeliten zog und sie tränkte. 1. Kor.10,4. . . .
Eine herrliche Stelle, die von dem Engel des Herrn spricht, finden wir Sacharja 3, 1-5. Hier tritt der Engel des Herrn, Jesus, unser Fürsprecher, vor Gott für Josua ein, der vom Satan verklagt wird. (Vergleiche auch Sach. 3, 1-5 mit Offb. 12, 10 und 1. Joh. 2, 1-2.)

9. Die Stellung der Engel.
Nach dieser kurzen Studie über die Erscheinungen Gottes als Engel kehren wir zu den Engeln selbst zurück. Welches ist ihre Stellung in bezug auf Christus und auf die Gläubigen?

a) In bezug auf Christus.
Es ist klar, daß der Herr ihr Schöpfer ist und daß sie Ihn im Himmel als ihren Schöpfer anbeten. Kol.1,16. Im Fleisch ist Christus uns ähnlich geworden und darum eine kleine Zeit niedriger gewesen als die Engel. Hebr. 2, 6-7.9. Wir haben jedoch gesehen, mit welcher Ehrfurcht die Engel Ihn auf Seiner Erdenbahn begleitet haben. Nach Seinem Kreuzestod ist Jesus über alles erhöht worden und „ist so viel besser geworden denn die Engel. so viel höher der Name ist, den Er vor ihnen ererbt hat“. Hebr. 1,4. Als der Vater nach der Auferstehung und der Verherrlichung wieder den Erstgeborenen in die Welt einführt, spricht Er: „Und es sollen Ihn alle Engel Gottes anbeten.“ Hebr. 1,6. Das werden sie ohne Unterlaß tun von Ewigkeit zu Ewigkeit.

b) In bezug auf die Gläubigen.
Aus dem, was wir angeführt haben, ergibt sich, daß uns die Engel gegenwärtig nach vielen Gesichtspunkten an Heiligkeit, Macht, Weisheit und Herrlichkeit überlegen sind. Hebr. 2, 6-7. Der Herr hat jedoch den Menschen einen einzigartigen Adel und eine besondere Stellung verliehen. Sie haben den Vorzug der Erlösung, wie Hebräer 2,16 von Christus geschrieben steht: „Denn Er nimmt sich ja nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt Er sich an.“ Im Alten Testament werden die Engel wiederholt „Söhne“ oder „Kinder Gottes“ genannt. (Hiob 1,6; 2,1; 38,7.) Im Neuen Testament versteht man unter ihnen vor allem die Diener, „ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit“. Hebr. 1,14. Ja, es geht noch weiter: Nach Paulus „werden wir über die Engel richten“. 1. Kor. 6,3. Wir können kaum fassen, daß uns Sündern eine solche Rolle zugedacht ist. Das ist die Folge davon, daß uns der Herr auf unbegreifliche Weise wiedergeboren hat, daß Er uns der göttlichen Natur teilhaftig werden ließ und uns in Sein Bild umgestaltete. 2. Petr. 1,4; Röm. 8, 29. Er macht uns zu Seiner Braut, die mit Ihm auf Seinem Stuhl sitzt und mit Ihm regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Eph. 5, 25-26.
Angesichts solcher Verheißungen ist es zu verstehen, daß Hebräer 2,5 hinzufügt: „Denn Er hat nicht den Engeln untergetan die zukünftige Welt.“ Wir können wohl sagen: Wenn wir uns auch augenblicklich unter den Engeln befinden, so werden wir doch bald weit über sie erhöht werden.
Paulus ist sich derart des Wertes seines Evangeliums bewußt, daß er schreibt: „Aber wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch würden das Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht!“ Gal. 1,8. 
Die Offenbarungen des Heiligen Geistes, die uns durch den treuen geisterfüllten Apostel übermittelt worden sind, sind also mehr wert als alles, was uns ein Engel lehren könnte. . . .

10. Die Verehrung der Engel.
Es ist nicht erstaunlich, daß der Mensch versucht ist, solche mächtigen und herrlichen himmlischen Wesen zu verehren. Der Apostel Johannes fällt – obwohl er so geisterfüllt ist – zweimal dem Engel, der ihn führt, zu Füßen, um ihn anzubeten. Offb. 19,10; 22,8-9. Aber jedesmal wehrt der Engel ab: „Siehe zu, tu es nicht! Ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an!“
Wenn die Engel unsere Mitknechte sind und einen Dienst um unsertwillen ausüben, wie sollten wir sie dann anbeten? Ausdrücklich warnt Paulus: „Niemand soll euch verurteilen, indem er sich in Verehrung der Engel gefällt . . . und sich nicht an das Haupt hält.“ Kol. 2,18-19. Diese Anbetung der Engel ist also durchaus verboten. Die einfache Tatsache, daß sie Geschöpfe sind, müßte genügen, um uns an die Zehn Gebote zu erinnern, wonach sich unsere Anbetung nur auf Gott allein richten soll.
Trotz dieser klaren Richtlinien hat die katholische Kirche die Verehrung der Engel in gleicher Weise wie die der Heiligen eingeführt. Sie betont vor allem die Lehre von dem Schutzengel. Der Gläubige hat nach dem Katechismus „seine Gegenwart zu achten, vertrauensvoll in allen Versuchungen und Gefahren zu ihm zu beten, ihn um Rat zu fragen, seinen Eingebungen zu folgen und seine höhere Klugheit und seine Barmherzigkeit dankbar zu genießen“.
Im „Confiteor“, der Bekenntnisformel, bekennt der Gläubige seine Sünden Gott, der Heiligen Jungfrau, dem Heiligen Erzengel Michael, Johannes dem Täufer, den Aposteln Peter und Paul und allen Heiligen. Dann bittet er all diese letzteren Persönlichkeiten, für ihn Gott anzuflehen. (Catechisme pour Ja Suisse Romande, Cours superieur, Seite 189.)
Man versucht, diese Verehrung der Engel mit der Haltung Daniels zu rechtfertigen: Als ihm ein besonders herrlicher Engel erscheint, sinkt er ohnmächtig auf sein Angesicht zur Erde. Dan. 10, 5-9. Wir sollten seinem Beispiel folgen und uns vor den Engeln beugen. Wir haben jedoch schon festgestellt, daß zwei Stellen in der Offenbarung diesen Gedanken klar widerlegen. Offb. 19,10 und 22,8. Denn wenn man schon die Engel verehrt, wer kann dann sagen, wo die Anbetung der Engel beginnt? Man führt auch Offenbarung 8, 3-4 an, wo ein Engel an den himmlischen Altar tritt: „Ihm ward viel Räuchwerk gegeben, daß er es gäbe zum Gebet aller Heiligen auf den goldenen Altar vor dem Stuhl. Und der Rauch des Räuchwerks vom Gebet der Heiligen ging auf von der Hand des Engels vor Gott.“ Diese Bibelstelle, die wir schon einmal erwähnt haben, steht einmalig in der Bibel. Sie bedeutet durch aus nicht, daß diese Heiligen (die Gläubigen, die noch auf Erden leben), ihre Gebete an den Engel oder an die Engel gerichtet haben. Dafür haben wir kein Beispiel. Sie haben zu Gott selbst gebetet, und das sollen wir auch tun, welche Rolle auch die Engel in der unsichtbaren Welt spielen mögen. Wir wollen noch hinzufügen, daß die katholische Kirche einen großen Teil ihrer Lehren über dieses Gebiet auf die Apokryphen gründet, vor allem auf das Buch Tobias, worin die Engel eine besondere Rolle spielen.
Zum Abschluß möchten wir noch folgendes sagen: Wir glauben, daß die Engel hauptsächlich darum unsichtbar bleiben, weil sie die Aufmerksamkeit der Gläubigen nicht auf sich ziehen wollen. Es könnte sein, warnt Paulus, sie könnten uns dadurch das Ziel verrücken, die Krone rauben und uns Gesichten und eitlen fleischlichen Gedanken hingeben. Unser Glaube und unsere Verehrung soll jedoch immer und allein Dem dargebracht werden, der unser Haupt ist, Christus. Kol. 2,18-19.

Kapitel II   SATAN

I. Wer ist Satan?
Die Heilige Schrift hat für den Feind Gottes und der Menschen wenigstens vierzig verschiedene Namen. Wir bringen hier einige der treffendsten, die zugleich viel über diese furchtbare Persönlichkeit lehren.wir schon recht ausführlich von Satan, dem Fürsten dieser Welt, gesprochen, und wir raten unseren Lesern, noch einmal darin die Seiten 118 bis 126 durchzulesen. Wir haben hier einige Hauptpunkte wiederholt, um das erste Bild noch zu vervollständigen).

1. Satan (nach einem hebräischen Wort, das „Feind ” bedeutet): derjenige, der haßt, der widersteht, der Gegner.

2. der Versucher, Matth. 4, 3.

3. der Teufel, Matth. 4, 5: der Verleumder.

4. der Feind, Matth.13, 25. 39.

5. der Bösewicht, Matth.13, 38; Eph.6, 16: der Böse.

6. der Drache, Offb. 12, 9.

7. die alte Schlange, Offb. 12, 9 (im Hebräischen nahasch, das heißt „der Glänzende”) die flüchtige und gewundene Schlange, Jes. 27, 1.

8. der Verkläger, Offb. 12, 10.
9. der Verführer, Offb. 12, 9.

12. der Vater der Lüge, Joh. 8, 44.

16. der Sohn der Morgenröte, Jes. 14, 12.

20. Beelzebub, Matth. 12, 24.

25. der Fürst dieser Welt, Joh. 14, 3 0.

28. der Gott dieser Welt, 2. Kor. 4, 4.

29. der Engel des Lichts, 2. Kor. 11, 14. 

33. der brüllende Löwe, 1 . Petr. 5, 8, usw.

Satan wird in der Bibel so oft genannt wie alle Engel zusammen. Wir finden ihn von der ersten bis zur letzten Seite der Geschichte der Menschheit und des Weltalls. Er besitzt in auffallender Weise die Eigenschaften einer Persönlichkeit. Die angeführten Stellen zeigen es uns, und die Handlungen, die ihm zugeschrieben werden, beweisen es noch viel klarer. Die Rationalisten behaupten, der Teufel wäre nur ein bildlicher Ausdruck, eine erdachte Verkörperung (Personifikation) der Idee des Bösen.
Aber wie könnte dieses Sinnbild des Bösen denn sprechen, handeln, Christus, die Engel und die Menschen versuchen, mit unerhörter List und Macht gegen Gott kämpfen und endlich von Ewigkeit zu Ewigkeit gequält werden?
Wir müssen feststellen, daß die Bibel nicht eine der grotesken Darstellungen des Teufels und der Hölle kennt, wie sie im Mittelalter gebräuchlich waren. Der große Verführer wendet abwechselnd zwei Methoden an, um die Seelen über sich zu täuschen: entweder macht er sich in ihren Augen so lächerlich, daß die Menschen ihn nicht fürchten, oder er überzeugt sie davon, daß es überhaupt keinen Teufel gibt. Dadurch werden sie dann unfähig, seinen Angriffen zu widerstehen.
Wer sich über den Teufel lustig macht, braucht nur noch einen Schritt weiter zu gehen, um auch unseren Herrn und Sein Wort zu verachten, denn beide warnen beständig vor ihm. Nach Judas 9 wagt sogar der Erzengel Michael nicht, über Satan „das Urteil der Lästerung zu fällen“. Wir wollen um unseres ewigen Heils willen klug sein und aufmerksam sehen, daß wir einen gefährlichen Feind haben, aber auch, daß Gott uns den Sieg über ihn gegeben hat.


2. Die Laufbahn des Satans.
Es ist eine einzigartige Tatsache, daß uns die Heilige Schrift die Laufbahn Satans von seiner Erschaffung bis in die Ewigkeit zeigt.
Was wissen wir von seinem Ursprung?
Er ist ein Geschöpf. Hes. 28, 15.
Er war ursprünglich vollkommen. Hes. 28, 12b.15.
Er bekleidete eine überaus hohe Stellung.
Er war ein (oder der) Cherub, der den Garten Eden behütete auf dem heiligen Berge Gottes. Hes. 28, 13-14.
Jesus nennt ihn den Fürsten dieser Welt, Joh. 14, 30, und die Heilige Schrift bestätigt, daß ihm alle Macht und alle Herrlichkeit der Reiche der ganzen Welt übergeben worden sind. Luk. 4, 6.
Durch seinen Hochmut ist er zu Fall gekommen. Er wollte in seiner Vermessenheit Gott gleich sein, ja Ihn verdrängen. Jes. 14,13-14.
Das erste Urteil hat ihn gestürzt.
Gott sprach zu ihm: „Du hast dich versündigt. Darum will Ich dich entheiligen von dem Berge Gottes und will dich ausgebreiteten Cherub aus den feurigen Steinen verstoßen.“ Hes. 28,16. Satan wird als der Aufwiegler, der Anführer der Empörer bezeichnet, als der Oberste der Fürsten, die in der Finsternis dieser Welt herrschen. Eph. 2,2; 6,12. Er ist also schon der herrlichen Stellung verlustig, die er im Licht und in der Gegenwart Gottes innehatte.
Ein zweites, noch viel schrecklicheres Gericht erleidet er bei Christi Kreuzestod.
Christus hat wahrlich „ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen und sie schaugetragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst“. Kol. 2,15. Jesus sagt: „Jetzt geht das Gericht über die Welt, nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.“ Joh. 12,31. Der Herr hat Fleisch und Blut angenommen, „auf daß Er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel“. Hebr. 2,14. So zertritt Er den Kopf der Schlange in dem Augenblick, da sie Ihn in die Ferse sticht. 1. Mose 3,15. Satan ist also im Grunde schon ein besiegter Feind, und alle seine Opfer, die im Blute des Lammes gewaschen sind, sind seiner Macht entronnen.
Während unserer Prüfungszeit kann er uns noch versuchen. Er kann auch diejenigen in seiner Sklaverei festhalten, die ungläubig bleiben. Er hat sogar noch Zutritt zum Himmel bis vor das Angesicht Gottes und verklagt uns dort. Eph. 6,12; Hiob 1,6-12 ; Offb. 12,10. Aber diese unbegreifliche Langmut des Herrn wird bald ein Ende haben.
Ein drittes Gericht wirft ihn zur Zeit der großen Trübsal vom Himmel herab auf die Erde. „Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen, und der Drache stritt und seine Engel im Himmel, und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen . . . Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht Seines Christus, weil der Verkläger unsrer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor Gott . . . Wehe denen, die auf der Erde wohnen und auf dem Meer, denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat.“ Offb. 12, 7-12.

Die furchtbarsten Schrecken der dreieinhalbjährigen Regierung des Antichrists sind also den letzten Zuckungen des ohnmächtigen Zorns unseres Feindes zuzuschreiben.
Durch ein viertes Gericht wird der Satan für tausend Jahre gefesselt und im Abgrund verschlossen. Offb. 20,1-3. Während der herrlichen Regierung des Herrn hier auf Erden verführt der Satan die Nationen nicht mehr. Nach diesen tausend Jahren wird er jedoch noch einmal losgelassen, um die Menschen zu versuchen, die noch nicht frei zwischen Gott und ihm wählen konnten. Tausend Jahre Gefängnis haben ihn nicht geändert. Ebensowenig haben tausend Jahre Glückseligkeit die menschliche Natur geändert, die jetzt wieder sich selbst überlassen wird. Das Ergebnis dieser letzten Versuchung ist noch ungeheurer und verwirrend. Aber das ist das Ende. Offb. 20, 7-9.
Ein fünftes und letztes Gericht bricht über den Teufel herein. Er wird in den feurigen Pfuhl geworfen und „wird dort gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Offb. 20, 10. Dieses Los ist ihm seit langer Zeit bestimmt. Das ewige Feuer ist ausdrücklich „für ihn und seine Engel bereitet worden“. Matth. 25, 41. 


3. Die Kampfweise unseres Widersachers.
Solange der Feind nicht endgültig außerstande ist, uns zu schaden, warnt uns die Heilige Schrift unaufhörlich vor ihm. Es ist daher unerläßlich, daß wir seine Kampfweise kennenlernen.

a) Der Versucher.
Seit Satan gefallen ist, kennt er keine größere Freude, als auch andere zu Fall zu bringen. Er war ohne Zweifel der oberste Engel (der „ausgebreitete Cherub“ Hes. 28.14; der „schirmende Cherub“ Hes. 28,16;. Er hat die anderen himmlischen Geister versucht. So ist er der Fürst der Dämonen geworden, die auch „seine Engel“ genannt werden. Matth. 25,41 ; Offb.12,7.
Der oberste Engel hat auch die ersten Menschen versucht und zu Fall gebracht. 1. Mose 3. Welch ein Triumph war es für ihn, der Schöpfung ihre Krone zu rauben, nachdem sie der Herr so vollkommen erschaffen hatte! Danach hat Satan erbittert versucht, den Sohn Gottes ins Verderben zu stoßen. Nachdem er Ihn dreimal in der Wüste versucht hatte, „wich er von Ihm eine Zeitlang“. Luk. 4,1-13. Wenn Jesus „allenthalben gleichwie wir“ versucht worden ist, wenn „Er gelitten hat und versucht ist“ (unendlich mehr als wir, Hebr. 4,15; 2,8), so können wir uns wohl denken, daß der Feind auch uns die Versuchung nicht ersparen wird.
Petrus schreibt den Gläubigen : „Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge.“ 1. Petr. 5, 8.
Der Versucher greift vor allem die Diener Gottes und die Gläubigen an, die ihm besonders gefährlich sind. Er wird das bis an ihr Lebensende tun, denn es wäre für ihn ein schöner Sieg, eine bis dahin treue und machtvolle Zeugenschaft zu vernichten.
Die Ungläubigen sind auf jeden Fall die Opfer Satans. Sie werden schon „Kinder des Teufels“ genannt. 1.Joh. 3 8-10. Er hat ihren Sinn verblendet, „daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Klarheit Christi“. 2.Kor.4,4. Er verführt die Nationen und führt die Welt in das Verderben. Offb. 20, 3. Kein Geschöpf ist vor seinen Angriffen sicher, aber wir können nicht sagen, daß wir nicht gewarnt sind.

b) Der Böse.
1. „Erlöse uns von dem Bösen!“ Matth. 6,13 . Obwohl Satans Macht ungeheuer groß ist, ist sie doch für den gebrochen, der sein Vertrauen in Christus setzt. Wir müssen darum vor allem seine List fürchten, die uns überraschen und von unserem Herrn trennen will. „Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels!“ Eph. 6,11. Das zeigt sich vor allem in den bekanntesten Versuchungsgeschichten:
Eva wird versucht, als sie allein ist. Die Schlange weckt ihre leiblichen Gelüste, ihren Geschmacks- und Schönheitssinn. Sie beginnt mit einer anscheinend harmlosen Frage über Gott und Sein Wort. Dann, als sie sieht, daß das Weib an dieser gefährlichen Unterhaltung Interesse bekommt, fügt sie zum Zweifel die Verneinung, die Verleumdung und endlich die unverschleierte Aufforderung zum Hochmut, zur Auflehnung. 1. Mose 3, 1-5 .
Hiob wird vom Feind versucht, an der Liebe Gottes zu zweifeln. Der Satan hat geschworen, ihn so weit zu bringen, daß er Gott „ins Angesicht absagt“. Hiob 1,11. Er nimmt ihm seine Kinder, sein Hab und Gut, seine Diener, seine Gesundheit. Er zerstört sein Heim, nimmt ihm sein Wohlbefinden und seinen Frieden. Er bedient sich sogar Hiobs Weibes, um ihn dahin zu bringen, daß er Gott fluchen und sein Leben aufgeben soll. Hiob 1 und 2. Wie viele haben in ähnlichen Lagen nicht erkennen können, woher diese Schläge kamen, und haben nicht im Glauben widerstehen können!
Jesus Christus besteht Versuchungen, die zuerst ganz natürlich erscheinen: Er soll die leiblichen Bedürfnisse nach einer sehr ausgedehnten Fastenzeit befriedigen, Er soll Seine Gottheit durch ein auffallendes Wunder bezeugen, um sich von vornherein den Erfolg zu sichern, Er soll zu der gewünschten Herrschaft gelangen, ohne den Kreuzestod erleiden zu müssen. Luk. 4, 1-7.
Als Jesus eben von den Leiden spricht, die Seiner warten, wird Petrus von Satan getrieben auszurufen: „Das widerfahre Dir ja nicht!“ Matth. 16, 23. Wie könnte auch ein Gott der Liebe Seinen einzigen Sohn solchen Qualen ausliefern! Die Versuchung besteht im Grunde also darin, daß wir nicht Gottes Gedanken folgen, sondern den Gedanken der Menschen und letztens denen Satans.

2. Die menschliche Werkzeuge des Widersachers.
Eine der schrecklichsten Listen Satans ist, daß er sich zu unserer Versuchung der Personen bedient, die wir zuallerletzt als seine Werkzeuge verdächtigen würden. Es ist eine uralte Kriegslist, die Verräter und die fünfte Kolonne so gut wie nur möglich zu tarnen.
Eva, die Adam als Gehilfin zur Seite gestellt worden war, wird in der Hand des Versuchers zum Werkzeug seines Falles. 1. Mose 2,18; 3,6.
Die Frau Hiobs, die ihn in seiner Prüfung ermutigen sollte, versucht statt dessen, ihn von Gott abzubringen. Hiob 2, 9-10.
Die Propheten, denen ein falscher Geist in ihren Mund gegeben worden ist, überreden und verführen den König Ahab. 1. Kön. 22, 22.
Die Verwandten Jesu kamen, um Ihn zu halten und Seinem Amt ein Ende zu machen, denn sie sprachen: „Er ist von Sinnen.“ Mark. 3, 21.
Die Volksmenge, die durch das Brotwunder gespeist worden war, wollte Jesus „haschen, daß sie Ihn zum König machten“. Diese Menschen handelten ohne Zweifel in Übereinstimmung mit den Jüngern, denn „alsbald trieb Jesus Seine Jünger, daß sie vor Ihm hinüberfuhren, bis Er das Volk von sich ließe“. Joh. 6,15 und Matth. 14, 22. Viele christlichen Führer sind der Versuchung erlegen, die Jesus hier überwunden hat: dem Erfolg ohne Kreuz.
Petrus, der gerade so herrlich seinen Glauben bekannt hat, will Ihn überreden, gerade diesem blutigen Tod auszuweichen, der allein unser Heil bewirkt. Und er erhält die Antwort: „Hebe dich, Satan, von Mir!“ Matth. 16,15-23 .
Die Griechen, die so dringend gebeten haben, Jesus zu sehen, erhalten nur diese Antwort:
„Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s allein . . . Jetzt ist Meine Seele betrübt. Und was soll Ich sagen? Vater, hilf Mir aus dieser Stundel Doch darum bin Ich in diese Stunde gekommen . . . Jetzt geht das Gericht über die Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und Ich, wenn Ich erhöht werde von der Erde, so will Ich sie alle zu Mir ziehen. Das sagte Er aber, zu deuten, welches Todes Er sterben würde.“ Joh. 12, 20-33. Christus war für das Heil der Menge der Heiden wie der Juden gekommen. Als die Griechen Ihn vor Seinem Kreuzestod aufnehmen wollten, wiederholten sie für Ihn die Versuchung, ohne das Kreuz über die Nationen zu herrschen. Deshalb war Seine Seele so betrübt. Deshalb bezeugte Er noch einmal mit aller Kraft, daß Sein Tod unvermeidlich war und der Sieg über den Fürsten dieser Welt dicht bevorstand.

c) Der Lügner.
„Er ist nicht bestanden in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben.“ Joh. 8,44. . . .
Der Teufel ist einst das „Glanzgestirn, der Sohn der Morgenröte“ gewesen. Jes. 14, 12.
Er ist gefallen, weil er Gottes Platz einnehmen wollte. Heute noch ist er davon besessen, Ihn nachzuahmen, für Gott gehalten zu werden. Zu diesem Zweck schmückt sich der gefallene Engel mit dem Gewande seiner verlorenen Unschuld. Als Vater der Lüge blendet er durch beständige Täuschung. Joh. 8,44.
Er hat unaufhörlich das Wort Gottes im Munde. Es ist sein erster Gesprächsstoff mit Eva. Er führt es arglistig bei Jesus in der Wüste an, als wolle er Ihm den Glauben an Gott predigen: Vertraue Ihm! Wirf Dich von den Zinnen des Tempels hinab, denn es ist so von Dir geweissagt worden! Matth. 4, 5-6.  . . .
Wie oft ist es auch Satan gelungen, daß wir unseren eigenen Willen für Gottes Willen gehalten haben! Es ist übrigens der Gipfel der Anmaßung, wenn wir überzeugt sind, daß unsere eigenen Wünsche der Ausdruck der höchsten Weisheit und Wahrheit sind. Hierbei können wir uns die Worte vor Augen stellen, die an den König von Tyrus, ein Abbild des Satans, gerichtet sind: „Darum, daß sich dein Herz erhebt und spricht: Ich bin Gott, ich sitze auf dem Thron Gottes, . . . so du doch ein Mensch und nicht Gott bist -, doch erhebt sich dein Herz, als wäre es eines Gottes Herz . . .“ Hes. 28, 2.
Der Feind wagt es sogar, in verblendeten Menschen den Eifer für Gott zu erregen, einen Eifer, der unfruchtbar und unklug ist. Er treibt sie sogar, recht viele gute Werke zu tun, aber diese Werke der nicht wiedergeborenen Seelen sind tot. (Hebr. 9,14.) Er gibt ihnen eine ungeheure Liebe zu den Enterbten ins Herz und läßt sie dabei nur an den Leib und nicht an das ewige Heil denken. Er sagt ihnen: „Hier ist die Wahrheit!“ und treibt sie in schädliche und fanatische Sekten.
Er fügt dem Evangelium eine Kleinigkeit hinzu, „um das Gesetz besser zu erfüllen“ und trennt dadurch die Seelen von Christus und läßt sie von der Gnade abfallen. Gal. 5,2-4.
Unter dem Vorwand, die Liebe Gottes noch höher zu setzen, will er davon überzeugen, daß es keine Verdammnis gibt: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon essen werdet, . . . so werden eure Augen aufgetan und ihr werdet sein wie Gott.“ 1. Mose 3, 4-5.
Auf ähnliche Weise sucht er heute zu beweisen, daß es keine Hölle gibt und daß alle Gottlosen – er selber inbegriffen – gerettet werden, auf daß der Triumph Gottes wahrhaft vollkommen sei. Unsere dem Satan ausgelieferte Welt entwickelt sich sichtbar im Zeichen der Lüge. Die moderne Propaganda weiß immer besser die Massen mit den kunstvollsten und wirksamsten Mitteln zu täuschen . . .
Der Gipfel der Lüge und der Tarnung wird die Erscheinung des Antichrists mit dem falschen Propheten sein. Dieser Antichrist wird durch die Macht Satans große Wunder vollbringen und viele Menschen – Juden und Heiden – davon überzeugen, daß er der wahre Christus ist. Er wird göttliche Verehrung für sich fordern und die Menschen dahin bringen, daß sie den Teufel selber anbeten. 2. Thess. 2, 3-4; Offb. 13,4.8.
Wir finden hier die höchste Ehrsucht, die der Feind von Anfang an gehabt hat: er will nicht nur als Engel des Lichts aufgenommen werden, sondern als der Herr selbst, er will dem Höchsten gleich sein. Jes. 14,14. Ein einziges Mal und für eine kurze Zeit wird es dem Gott dieser Welt (2. Kor. 4,4) gelingen, die verblendeten Menschen davon zu überzeugen, daß er der wahre Gott wäre. . . .


d) Der Verkläger.
Als Johannes den Endsieg voraussieht, ruft er aus: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht Seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor Gott.“ Offb. 12,10. . . .
Und wenn wir auf Ansuchen des Widersachers auf die Probe gestellt werden, so sagt uns der Herr: „Der Satanas hat euer begehrt, daß er euch möchte sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.“ Luk. 22, 31-32. . . .

e) Der Mörder.
Jesus sagt zu den Juden: „Ihr sucht Mich zu töten . . . Ihr seid von dem Vater, dem Teufel . . . Der ist ein Mörder von Anfang.“ Joh. 8,37.44.
Gott, der Schöpfer und gute Hirte, verleiht das Leben. Satan hat nur ein Verlangen: zu würgen und umzubringen. Joh. 10,10. Diese blut dürstige Wut zeigt er von Anfang an.
Abel war unschuldig. Kain war vom Bösen und tötete ihn. Der Sündenfall Adams und Evas war demnach nicht so harmlos. Seine erste Folge war ein Brudermord. Von da an ist der Haß die Wurzel allen Mordens und aller Kriege. 1.Joh. 3,12.15. Satan wußte, daß das Weib den gebären sollte, der ihm den Kopf zertreten würde. In Abel versuchte er, wenn nicht den Messias selber, so doch das erste Glied der Kette zu vernichten, die zu unserem Erlöser führen konnte. . . .
Kaum ist Jesus geboren, als Herodes schon, um Ihn zu vernichten, alle kleinen Kinder in Bethlehem töten läßt. Matth.2,16. Als der Herr Seinen Dienst in Nazareth beginnen will, wollen Ihn Seine Landsleute von einem Felsen hinabstürzen. Luk. 4,29. Und Johannes berichtet uns, wie oft die Juden danach trachteten, Ihn zu töten, weil sie nicht hören wollten, daß Er Seine Gottheit verkündete. Joh.5,18. Die Auferweckung des Lazarus reizt sie zum äußersten und bringt sie so weit, daß sie nicht nur Christus, sondern auch Lazarus selber töten wollen. Joh. 11,53.
Endlich erreicht Satan sein Ziel, als sich die Römer mit den Feinden Jesu vereinen, um Ihn ans Kreuz zu schlagen. Joh.19,15. Der Herr hat wahrlich recht gehabt, als Er den Feind als den Mörder von Anfang bezeichnete.


4. Dem Satan übergeben.
Was bedeutet diese beunruhigende Bezeichnung, die Paulus zweimal gebraucht? „Ich habe beschlossen, ihn (den Blutschänder von Korinth) zu übergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches, auf daß der Geist selig werde am Tage des Herrn Jesu.“ 1. Kor.5,5.
„Sie haben am Glauben Schiffbruch erlitten, welche ich. habe dem Satan übergeben, daß sie gezüchtigt werden, nicht mehr zu lästern.“ 1.Tim. 1,19-20.
Im ersten Falle handelt es sich um einen verirrten Christen. Paulus hat genügend Vollmacht und Urteilsfähigkeit, um diesen Menschen dem Satan übergeben zu können, wie es einst Hiob geschehen ist. Der Feind wird seinen Leib antasten, ja ihm sogar das Leben nehmen dürfen, auf daß sein Geist für die Ewigkeit gerettet werde.
Es ist schrecklich, daß Gott es oft so weit kommen lassen muß, weil sich die Christen nicht selber richten wollen. 1.Kor. 11, 30.
Im zweiten Falle handelt es sich um Menschen, die am Glauben Schiffbruch. erlitten haben. Sie sind also keine Gläubigen, und Paulus übergibt sie dem Satan, „daß sie gezüchtigt werden, nicht mehr zu lästern“. Man denkt dabei unwillkürlich an den Zauberer Elymas, den Paulus Kind des Teufels nennt und erblinden läßt, auf daß er dem Evangelium nicht mehr widerstehen kann. Apg. 13, 8-11.
Satan kann also zum Werkzeug des Gerichts werden, das einen Gläubigen auf den rechten Weg zurückführt oder die Lästerungen eines Gottlosen zum Schweigen bringt. So kann sogar die Wut des Feindes dazu dienen, den Herrn zu verherrlichen. Aber schrecklich ist es, in die Hände eines solchen Henkers zu fallen. Wir wollen in jedem Falle mit diesen Opfern Mitleid haben und sie mit Güte wieder aufrichten in der Hoffnung, „daß ihnen Gott dermaleinst Buße gebe, die Wahrheit zu erkennen, und sie wieder nüchtern würden aus des Teufels Strick, von dem sie gefangen sind zu seinem Willen“. 2. Tim. 2, 2,-26.
Ständig streicht der Widersacher um uns herum, um uns zu versuchen. Er ist darauf bedacht, bei uns Einlaß zu finden. Dafür genügt ein sündiger Gedanke, an dem wir Gefallen finden, ein schlechtes Gefühl. das wir nicht verurteilen und aufgeben, eine Gewohnheit, die ein Bann in unserem Leben wird. Am liebsten treibt uns Satan in die vornehmste Sünde, die ihn selber zu Fall gebracht hat – in den Hochmut und das 109 Gefühl der Unabhängigkeit von Gott. Paulus schreibt darüber in bezug auf die Wahl eines Dieners Gottes: ,,Er sei nicht ein Neuling, auf daß er sich nicht aufblase und ins Urteil des Lästerers falle (das heißt: das Urteil, das den Feind selber und seinen Hochmut treffen wird). Er muß aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen, die draußen sind, auf daß er nicht falle dem Lästerer in Schmach und Strick ” 1. Tim. 3, 6-7.
Wir sind genügend gewarnt. Wir müssen nur noch lernen, wie wir den Netzen eines so gefährlichen Widersachers entgehen können.

5. Aus der Gewalt des Satans erlöst.
Wir haben erkannt, daß seit dem Kreuz Satan ein besiegter Feind ist. Durch die Fleischwerdung Christi und Seinen Opfertod ist die Macht des Feindes zerbrochen worden. Er hat Fleisch und Blut angenommen, „auf daß Er durch den Tod die Macht nähme (oder wirkungslos machte) dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel…“ Hebr.2,14. „Danksaget dem Vater . . . , welcher uns errrettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich Seines lieben Sohnes.“ Kol. 1,12. Der Weg der täglichen Erlösung ist der des Gehorsams und des Glaubens: „So seid nun Gott untertänig. Widerstehet dem Teufel, so flieht er von euch.“ Jak. 4,7.
„Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge. Dem widerstehet fest im Glauben, und wisset, daß eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.“ 1. Petr. 5, 8-9.
Da Luzifer selber dadurch gefallen ist, daß er seinen Willen vermessen gegen Gottes Willen setzte, ist das beste Mittel, um allen seinen Fallstricken zu entgehen, sich entschlossen auf den Boden der völligen Unterwerfung unter den Herrn zu stellen. Wir wollen Jesus nachfolgen und wiederholen, was Er in Seiner schlimmsten Versuchung gesagt hat: „Nicht wie Ich will, sondern wie Du willst!“ Matth. 26, 39.
Andererseits wollen wir allezeit der Macht und der Gegenwart des Heiligen Geistes gewiß sein, der jeden Kampf siegreich bestehen kann. „Kindlein, ihr seid von Gott und habt jene überwunden, denn der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist, . . . der Teufel sündigt von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre.“ 1. Joh. 4,4; 3,8.


Wir wollen noch weniger vergessen, daß der Teufel ein Geschöpf ist. Er ist nicht allgegenwärtig, nicht allwissend, nicht allmächtig, so groß auch seine Macht ist. Gott bleibt sein Meister und setzt ihm die Grenzen, die er nicht überschreiten darf. Zweimal bestimmt der Herr genau, bis zu welchem Punkt er eingreifen darf. (Hiob 1,12; 2,6.) Satan kann nichts gegen Jesus selber tun, solange Seine Stunde noch nicht gekommen ist. Auch kann kein Haar von unserem Haupte fallen, ohne Gottes Willen. Wir dürfen mit Paulus die Gewißheit haben, daß „weder Engel noch Fürstentümer (teuflische Mächte) noch Gewalten,. . . noch keine andere Kreatur (also der Teufel auch nicht) mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn“. Röm. 8, 38-39.
Deshalb dürfen wir kühn den Feind mit den Waffen zurückschlagen, die uns gegeben sind: „Sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und das Wort ihres Zeugnisses“. Offb. 12, 11.
„Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels . . . So stehet nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts, und nehmet den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.” Eph.6,11-19.
Wie unser Herr wollen wir die Einflüsterungen des Widersachers kurz abschneiden und ihm antworten : „Es steht geschrieben . .. wiederum steht auch geschrieben …“ Matth. 4,4; 7,10. Wir wollen uns allezeit Jesus Christus als Vorbild nehmen, der in besonderen Versuchungen Stunden und Tage lang betete und fastete und der den Jüngern, die erstaunt waren, daß sie einen Teufel nicht austreiben konnten, antwortete: „Um eures Unglaubens willen. Diese Art fährt nicht aus denn durch Beten und Fasten.“ Matth. 17,19-21.
Wir können heute schon durch den Glauben des Endsieges gewiß sein. Er ist schon nahe: „Der Gott des Friedens zertrete den Satan unter eure Füße in kurzem.“ Röm. 16, 20.

Kapitel III  DIE DÄMONEN


1. Ursprung und Sturz der Dämonen.
Was wir vom Ursprung Satans gesagt haben, bezieht sich gleicherweise auf die Dämonen. Sie waren zuerst himmlische Geister, die zum Dienst Gottes vollkommen erschaffen worden waren. Dann hat sie die Empörung Luzifers, des obersten Cherubims, angezogen und mitgezogen. Sie sind jene Engel geworden, von denen Judas sagt: „ . . . die Engel, die ihre Fürstentümer nicht bewahren, sondern verließen ihre Behausung.“ Judas 6. Petrus nennt sie auch „die Engel, die gesündigt haben“. 2. Petr.2,4.
Es ist schwierig zu sagen, wann dieser Sturz der Engel stattgefunden hat, auf jeden Fall jedoch zwischen dem Sturz Satans und der Erschaffung des Menschen. Mehrere Bibelausleger verlegen ihn zwischen Vers 1 und 2 des ersten Buches Mose. Gott hätte danach alles zuerst vollkommen erschaffen. Nach dem Sturz der Engel und dem ersten Gericht über Satan, den Fürst dieser Welt, wäre die Erde „wüst und leer“ geworden. In den sechs Tagen 1. Mose 1 hätte Gott unseren Planeten im Hinblick auf die Erscheinung des Menschen neu geordnet. Diese Auslegung würde auch erklären, warum unter den Tieren schon vor Adams und Evas Sündenfall Kampf, Leiden und Tod, die Zeichen einer schon bestehenden Unordnung, geherrscht hätten. Man hat auch fest gestellt, daß die einzige andere Bibelstelle, die gleichfalls Ausdrücke „wüst und leer“ enthält, auch von Verwüstungen spricht, die durch ein Gericht hervorgerufen wurden. (Jer. 4, 23-26.)
So könnte auch das Chaos, von dem 1. Mose 1, 2 spricht, nicht das Ergebnis einer natürlichen Fortentwicklung gewesen sein.
Wie dem auch sei, der Sturz der Dämonen hat gezeigt, daß der Herr sich nicht auf die himmlischen Geister verlassen konnte. So sind die Worte des Buches Hiob zu verstehen: „Siehe, unter Seinen Knechten ist keiner ohne Tadel, und Seine Boten (die himmlischen Geister) zeiht Er der Torheit . . . Siehe, unter Seinen Heiligen ist keiner ohne Tadel, und die Himmel sind nicht rein vor Ihm. Wieviel weniger ein Mensch, der ein Greuel und schnöde ist, der Unrecht säuft wie Wasser.“ Hiob 4,18; 15,15-16.

2. Sind die Dämonen zahlreich?
Wie die treuen Engel nach Myriaden zählen, so scheinen auch die Dämonen sehr zahlreich zu sein. Ein einziger Mensch war von einer Legion böser Geister besessen. Mark. 5,9. Johannes zeigt uns, daß sich Satan und seine Engel für stark genug hielten, um offen gegen Michael und seine Engel zu kämpfen. Offb. 12,7. Nach derselben Stelle zog der Schwanz des großen Drachen – Bild des Teufels – den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Vers 4. Man fragt sich, ob das nicht bedeutet, daß ein Drittel der Engel sich mit Satan empört habe. Eines ist gewiß: Die Bibel betont häufig nicht allein das Vorhandensein, sondern auch die Macht und das unaufhörliche Wirken der Dämonen. Wir wären unklug, wenn wir diesen Warnungen nicht Rechnung trügen.

3. Das Reich der Finsternis.
Wie die Engel haben auch die Dämonen ihre Rangordnung und ihre Gliederungen. Die Bibel spricht von Satan und „seinen Engeln“, Offb. 12,9 ; Matth. 25, 41, ebenso wie von Michael, der die himmlischen Heerscharen befehligt. Offb. 12, 7. Es ist gleichfalls die Rede von „der Teufel Obersten“, Matth. 9,34. Paulus unterscheidet bei den abgefallenen Engeln „Fürsten und Gewaltige, die Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, die bösen Geister unter dem Himmel“ , Eph. 6,12. Diese „Majestäten“ sind jetzt zwar gestürzt, aber es wäre töricht, sie zu verachten.
Selbst die an Macht und Stärke überlegenen treuen Engel wagen nicht über sie das Urteil der Lästerung zu fällen. Judas 9; 2. Petr. 2,11. Das steht allein Gott zu. So wie es eine Rangordnung unter den gefallenen Engeln gibt, so gibt es auch verschiedene Grade ihrer Bosheit. Der Geist, der aus seinem Haus verjagt worden ist, nimmt sieben andere schlimmere Geister mit, um es wieder einzunehmen, und Jesus spricht von einer Art, die nur durch Fasten und Beten ausfährt. Matth. 17, 21; Luk. 11,24-26. Alle teuflischen Geister zusammen bilden das Reich des „Fürsten, der in der Luft herrscht“, und der „Obrigkeit der Finsternis“. Eph. 2,2 und Kol.1,13.
Dieses Reich Satans, das dem Reiche Gottes gegenübersteht, ist nicht mit sich selbst uneins, und daher ist seine Macht so gefährlich. Um es zu besiegen, mußte Jesus zuerst durch die Kraft des Heiligen Geistes und durch Seinen eigenen Tod am Kreuz sein Oberhaupt, den „Starken“, binden. Matth. 12,24-29 ; Hebr. 2,14.

4. Der Kampf der Dämonen gegen Gott.
Seit Satan das Banner der Empörung aufgerichtet hat, führen seine Engel mit ihm einen erbitterten Kampf gegen den Herrn. Daniel enthüllt uns, wie furchtbare Gewalten versuchen, das Werk auch der herrlichsten Engel zu hindern. Ein himmlischer Bote sagt dem Propheten: „Der (satanische) Fürst des Königreichs im Perserland hat mir einundzwanzig Tage widerstanden, und siehe, Michael, der vornehmsten Fürsten einer, kam mir zu Hilfe . . . Nun aber komme ich, daß ich dich unterrichte, wie es deinem Volke hernach gehen wird . . . Jetzt will ich wieder hin und mit dem Fürsten im Perserland streiten, aber wenn ich wegziehe, so wird der Fürst von Griechenland kommen. . . Und es ist keiner, der mir hilft wider jene, denn euer Fürst Michael.“ Dan. 10,13-14. 20-21.
Der wahre Kampf wird also vor allem auf geistlichem Gebiet ausgefochten, in der unsichtbaren Sphäre, die Paulus „Himmelswelt“ nennt. Eph. 6,12. Was sich in dieser höheren Sphäre ereignet, hat Rückwirkung hier auf Erden, und umgekehrt. Da sie den verklärten Herrn nicht mehr angreifen können, kämpfen die Dämonen mit aller Wut gegen Seinen Leib, die Gemeinde.
Wenn die Gläubigen hier einen Sieg davontragen, so wirkt das bis „unter den Himmel“ und treibt den Gegner zurück.
Das erste Kommen Christi auf die Erde war das Zeichen zu einem großen Gegenangriff aller Mächte der Hölle. Nach den Evangelien hat man den Eindruck, als wenn sich eine Unmenge böser Geister in Palästina eingefunden hätte, um dem Wirken des Herrn zu widerstehen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Einsatz war wirklich ganz groß. Als die Versuchung Jesu in der Wüste ihm mißglückt war, wollte Satan vor Ihm eine Sperre aufrichten, zu der er alle seine Verbündeten herbeiholte. Dieses teuflische Aufbrausen setzt sich bis in die Apostelgeschichte und wohl auch noch weiterhin fort.
Die Propheten künden für die Endzeit ebenfalls einen verstärkten Angriff der höllischen Gewalten an: Satan und seine Engel werden ein letztes Mal im Himmel gegen Michael und seine Engel kämpfen und dann auf die Erde herabgeworfen werden. Johannes schreibt darüber: „Wehe denen, die auf Erden wohnen und auf dem Meer, denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat.“ Offb. 12,7-9.12. Paulus fügt hinzu:
„Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel durch die, so in Gleisnerei Lügen reden.“ 1. Tim. 4,1-2. Durch die Hand des Antichrists und des falschen Propheten werden „nach der Wirkung Satans“ allerlei Wunder geschehen „mit allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit“. 2. Thess. 2, 9-10. (Siehe hierzu auch Offb. 13,2. 14-15.)

Bei ihrem Fall wird die große Babylon „eine Behausung der Teufel . . . und ein Behältnis aller unreinen und verhaßten Vögel“ sein. Offb. 18,2. Wenn sich die herrliche Erscheinung Jesu Christi naht, werden sich die Boten der Hölle bemühen, die Heere der ganzen Erde in Palästina zu vereinen, dort, wo der Herr dann den Sieg davontragen wird: „Es sind Geister der Teufel, die tun Zeichen und gehen aus zu den Königen auf dem ganzen Kreis der Welt, sie zu versammeln in den Streit auf jenen großen Tag des Allmächtigen . . . Und er hat sie versammelt an einen Ort, der da heißt auf Hebräisch Harmagedon.“ Offb. 16,14.16. Aber der Endsieg des Herrn über alle Seine vereinigten Feinde wird um so größer sein.
Man fragt sich, warum der Herr mit den Dämonen – und mit Satan – solange Geduld hat. Er zeigt sich ihnen gegenüber, wie Er auch an uns handelt. Als die Vernichtung der Amoriter im Lande Kanaan schon beschlossen war, gewährte ihnen Gott noch eine Frist von vierhundert Jahren (von Abraham bis Josua), denn „ihre Missetat war noch nicht voll“. 1. Mose 15,16. Das Unkraut darf mit dem Weizen bis zur Ernte wachsen. Matth. 13,30.

Der Antichrist wird erst „zu seiner Zeit“ erscheinen, wenn die vollkommene Verderbtheit des Menschengeschlechtes das Gericht auslösen wird, 2. Thess. 2,6. Satan und seine Engel haben gleichfalls einen Zeitraum vor sich, der vor Gott kurz, vor den Menschen lang erscheint und der ihnen erlaubt, all ihre Sündhaftigkeit zu entfalten und dadurch die unabweisliche Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit hervorzurufen. Selbstverständlich hätte Gott sofort Seine Gegner zermalmen können. Aber Seine Herrlichkeit hätte sich dann nicht so offenbaren können. Satan beschuldigt den Herrn, daß Er ein Tyrann sei und Ihm Seine Geschöpfe nur aus Furcht oder Gewinnsucht dienen. Hiob.1,9. Darauf antwortet der Herr mit der Fleischwerdung, dem Leiden Seines einzigen Sohnes und mit dem Wunder, daß aus Sündern und Empörern Glieder Seiner Gemeinde werden. Nachdem Er derart Seine Liebe und Heiligkeit bewiesen hat, kann der Herr auch in einer Ihm würdigen Weise Seine Macht offenbaren. und Satan und die Dämonen in den feurigen Pfuhl werfen.

5. Der Kampf der Dämonen gegen die Menschen.
Da sie nicht mehr gegen den Herrn der Herrlichkeit kämpfen können, machen die bösen Geister die Menschen zu ihrer Zielscheibe. Sie kämpfen gegen sie auf die verschiedensten Weisen und unterstützen mit allen Kräften das Werk des großen Versuchers.
a) Der dämonische Einfluß.
Es ist sicher, daß jeder Sünder unter dämonischem Einfluß steht; denn alle Menschen, die nicht wiedergeboren sind, sind „Söhne des Teufels“. Joh. 8,44; 1.Joh.3,8.10. Wenn sie sich von Gott nicht durch Buße und Glauben ihrem Henker entreißen lassen, gehören sie diesem immer mehr. Deshalb hofft Paulus, daß „ihnen Gott dermaleinst Buße gebe, die Wahrheit zu erkennen, und sie wieder nüchtern würden aus des Teufels Strick, von dem sie gefangen sind zu seinem Willen“. 2.Tim. 2, 25-26.
Unbestreitbar ist es der Geist des Bösen, der „sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens“. Eph. 2,2. Um diesen bösen Geist auszutreiben, genügt es nicht, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten zu handeln, an die sich Jesus, Matth.12,38. 43-45, wendet. Sie wollten den unreinen Geist durch ihre eigenen Anstrengungen, durch ihre Religion und ihre religiösen Gebräuche aus ihrem Herzen jagen und bemühten sich, ihr Haus zu „kehren und zu schmücken“. Aber dieses Haus war leer geblieben, da sie Jesus beiseite gelassen hatten. Da sie nicht alleine der bösen Macht Herr werden konnten, hatten siebenmal mehr Dämonen ihre Seele eingenommen und hatten sie sündiger und unglücklicher gemacht denn zuvor. Diese Juden, die zunächst selbstgerechte und strenge Befolgter des Gesetzes gewesen waren, sind schnell und eigentlich gegen ihren Willen hochmütig, heuchlerisch, hartherzig und schließlich zu Mördern des Gottessohnes geworden
So geschieht es jedem Sünder, der trotz aller eigenen Anstrengungen sein leeres Haus nicht bewahren kann: Wird sein Herz nicht von dem Herrn bewohnt, der daraus Seinen Tempel machen will, dann wird es immer mehr das Spielzeug des Satans.
b) Die Besessenen.
An vielen Beispielen zeigt uns die Bibel, daß die bösen Geister fähig sind, im wahren Sinne des Wortes von einem Sünder, der sich ihnen ausliefert, Besitz zu ergreifen. Die Erfahrung mit Judas zeigt, wie eine solche „Besessenheit“ stufenweise vorwärtsschreitet.
Dieser Mensch war einer der Zwölf. Er war gewiß wie seine Mitjünger vom Herrn wegen seiner Frömmigkeit und seines ernsten Strebens erwählt worden. Die gemeinsame Kasse war ihm anvertraut worden, was wohl ein Zeichen des Vertrauens war. Joh. 13,29.
Da er zur Habsucht, ja sogar zum Diebstahl neigte, war er dazu gekommen, für sich zu nehmen, was hineingetan wurde. Darum bedauerte er so sehr den Verlust der dreihundert Dinare, die Maria für die Salbung des Herrn ausgegeben hatte. Joh. 12,5.
Dann flüsterte ihm der Satan den Plan ein, Jesus für eine elende Summe Geldes zu verraten. Joh. 13,2. Der unglückselige Jünger widersteht während des letzten Mahles allen Warnungen des Herrn, und wir lesen über ihn die furchtbaren Worte: „Nach dem Bissen (der ihn als Verräter entlarvte) fuhr der Satan in ihn.“ Joh. 13,27; Luk. 22,3-6. Von nun an ist er zu allem fähig: Er liefert nicht nur den Herrn dem Tode aus, er wagt es auch, Ihn in der Dunkelheit des Gartens durch einen Kuß zu verraten. Matth. 26, 48-49.
Danach, als seine verspätete Reue ihn in die Verzweiflung getrieben hat, nimmt er sich das Leben. Matth. 27, 3 -5. So werden seine Opfer von dem behandelt, der ein Lügner und Mörder von Anfang ist. Das tragischste Wort über Judas ist von Jesus ausgesprochen worden: „Habe Ich nicht euch Zwölf erwählt, und euer einer ist ein Teufel!“ Joh. 6, 70
Hier erkennen wir den furchtbaren Ausgang der Besessenheit: Der Mensch hat nicht nur einen Teufel, er ist ein Teufel. Wer an Jesus glaubt, wird der göttlichen Natur teilhaftig und dem Herrn gleich. 2. Petr. 1,4; 1. Joh.3,2. Für den Gottlosen gibt es die gegenteilige Umwandlung, die ihn seinem Vater, dem Teufel, gleichmacht. Die Böcke und die Schafe, die das Jüngste Gericht scheidet, sind nicht von der gleichen Art (sonst müßte es Schafe und Widder oder Ziegen und Böcke heißen). Und der Herr wird zu denen zur Linken sagen: „Gehet hin von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ Matth. 25,41.
Der Gottlose geht in die Verdammnis, weil er es vorgezogen hat, sich dem Satan auszuliefern und völlig einer der Seinen zu werden.
Was die Besessenheit betrifft, so scheint es, als ob die Dämonen, die ohne Leib sind, ein wildes Verlangen haben, sich eines Wesens zu bemächtigen, durch welches sie ein neues Mittel finden, ihre Leidenschaften zu befriedigen. Diese Geister werden oft als „unsauber“ bezeichnet. Mark. 1, 23; 3,11; 5,2; 7,25 usw.
Eine eigenartige Stelle Judas 6-7 spricht von „Engeln, die ihr Fürstentum nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verlassen haben“ und von „Sodom und Gomorra, die gleicherweise wie diese Unzucht getrieben haben und nach einem andern Fleisch gegangen sind“. Man fragt sich, ob dieser Text nicht mit der bereits angeführten Stelle 1.Mose 6, 1-4 in Beziehung zu bringen ist, die von der Vereinigung der „Söhne Gottes“ mit den „Töchtern der Menschen“ spricht. Selbst wenn wir glauben, daß hier die Nachkommen Seths die Töchter der Kainiter heirateten, können wir doch annehmen, daß hierbei die Dämonen im Spiel waren. Es ist sehr wohl möglich, daß die bösen Geister, die nicht Fleisch und Blut annehmen können, aber gierig danach sind, leibliche Wesen zu besitzen, die Menschen der Sintflut und später die Sodomiter in Unzucht und widernatürliche Laster getrieben haben.
Die Bezeichnung „unsauber“ kann aber auch eine mehr allgemeine Bedeutung haben und sich auf ihre von Grund aus sündhafte Natur beziehen.
Das rasende Verlangen, von einem Körper Besitz zu ergreifen, zeigt sich auch bei der Legion von Dämonen, die aus dem besessenen Gadarener ausgefahren waren. Sie flehten Jesus an, daß Er sie nicht hieße in die Tiefe fahren, sondern ihnen erlaubte, in die Säue zu fahren, wozu sie der Herr auch ermächtigte. Luk. 8, 31-32.
Die Heilige Schrift sagt, daß die Gottlosen keinen Frieden haben. Jes. 57,21. Noch weniger Frieden haben die Dämonen, das beweist ihre fieberhafte Tätigkeit. „Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausgefahren ist, durchwandelt er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet sie nicht. Da spricht er denn: Ich will wieder umkehren in mein Haus.“ Matth. 12, 43-44.
Alles das erklärt, daß die Geisterbeschwörungen der Spiritisten sooft und so leicht wahre Besessenheiten zur Folge haben. Die Dämonen sind auf der Lauer nach Herzen und Körpern, die sich ihnen ausliefern. Nichts ist demnach gefährlicher als der Zustand der Passivität und der Erwartung derjenigen, die unklugerweise diese Verbindung suchen.
Man verzeihe uns, wenn wir hier eine Warnung hinzufügen, die wir nicht mißverstanden wissen möchten. Es ist nicht abzustreiten, daß in gewissen Versammlungen, die sichtbare Offenbarungen des Heiligen Geistes anstreben, Störungen auftreten, die nicht von Gott kommen. Sind diese Störungen nicht darauf zurückzuführen, daß man den Neulingen befahl: „Schafft eine Leere in euch! Liefert euch ganz aus! Laßt eure Zunge sich frei bewegen! Ihr müßt um jeden Preis in Zungen reden!“
Diese Art, seinen Willen, seine Urteilskraft auszuschalten, ist fleischlich und ist grundverschieden von der bewußten völligen Hingabe an Gottes Willen, die geistlich ist. In gewissen Fällen kann dadurch der Einbruch böser Geister erleichtert werden. Nicht nur Störungen werden dadurch herbeigeführt, sondern auch wahre Belästigungen durch böse Geister, ja sogar regelrechte Besessenheit. Und das geschieht dann bei Menschen, die harmlos treuherzig geglaubt haben, nichts anderes als den Heiligen Geist zu suchen. Dies soll uns natürlich nicht aufhalten, nach den Gaben des Heiligen Geistes zu streben, soweit sie nach dem Willen Gottes verliehen werden. Diese Gabe des Heiligen Geistes kann für jeden von uns eine andere Auswirkung haben, aber immer wirkt Er in Ordnung, Frieden und Schicklichkeit. 1. Kor. 12,7-11; 14,33. 40.
Das Ganze ist ein wenig unheimlich, und man fragt sich, ob es für die dämonische Besessenheit eine Grenze gibt. Die Heilige Schrift berichtet, daß Jesus aus Maria Magdalena sieben Teufel ausgetrieben hat. Luk. 8,2. Der besessene Gadarener beherbergt noch mehr, sogar eine Legion. Luk. 8,30. Wir haben schon jenen Menschen erwähnt, dessen Haus gekehrt, aber leer war und dann von acht bösen Geistern eingenommen wurde. Matth. 12, 43-45. Petrus sagt zu Ananias: „Warum hat der Satan dein Herz erfüllt, daß du dem Heiligen Geiste lögest?“ Apostelg. 5, 3.
Der Antichrist wird das hervorragendste Beispiel eines Menschen sein, der sich dem Satan vollkommen übergeben hat. Der Teufel wird ihm dafür „seine Kraft und seinen Stuhl und große Macht geben“. Offb. 13,2. Dieser Mensch wird für einen solchen Preis die Herrschaft über alle Reiche der Welt annehmen, die Jesus bei Seiner Versuchung in der Wüste zurückgewiesen hat. Voll satanischer Kraft wird der Antichrist eine Menge lügenhafter Zeichen und Wunder tun und diejenigen verführen, die verloren werden, „dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben“. 2. Thess. 2, 9-10. Vertraute Hitlers haben oft von ihm erzählt, daß er den Eindruck eines Besessenen machte. Der große Gewaltherrscher, der in nicht ferner Zeit das Erdreich regieren wird, wird es noch mehr sein. Wir wollen uns noch einmal vor Augen halten, daß uns der Schlüssel zu der ernsten Frage der Besessenheit mit den beiden einfachen und klaren Worten gegeben ist:
„Gebet nicht Raum dem Lästerer!“ Eph.4, 27.
„Werdet voll Heiligen Geistes!“ Eph. 5, 18.

c) Gewisse Krankheiten.
Nicht alle Krankheiten sind unmittelbare Folgen der Sünde (zum Beispiel diejenige des Blindgeborenen, Joh. 9, 2-3) und können auf satanische Einwirkungen zurückgeführt werden. Nur einige Male stellt die Heilige Schrift eine Beziehung zwischen einer Krankheit oder einem körperlichen Gebrechen und dämonischen Einflüssen fest.
Die bösen Geschwüre Hiobs waren mit Erlaubnis Gottes vom Teufel hervorgerufen worden. Hiob 2, 6-7. Denen, die Ihm die Heilung am Sabbat zum Vorwurf machen, antwortet Jesus: „Sollte nicht gelöst werden am Sabbat diese, die doch Abrahams Tochter ist, von diesem Bande, welche Satanas gebunden hatte nun wohl achtzehn Jahre?“ Luk.13,16. Petrus predigt den Heiden, die bei Kornelius versammelt sind, von „Jesus von Nazareth …, der umhergezogen ist . . . und hat gesund gemacht alle, die vom Teufel überwältigt waren“. Apg. 10, 38. Paulus nennt seinen „Pfahl im Fleisch“ des „Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe“. 2.Kor.12,7.
Nach den Evangelien zogen gewisse Besessenheiten besondere Krankheiten nach sich. So war ein Besessener stumm und konnte reden, nachdem der Teufel ausgetrieben war. Matth. 9, 32-33. Ein anderer war blind und stumm. Matth. 12,22. Die Tochter der Kanaaniterin wurde „vom Teufel übel geplagt“, aber es wird nicht gesagt, welcher Art diese Plagen waren. Matth. 15,22. Das Kind, das Jesus nach der Verklärung heilte, war mondsüchtig und hatte einen sprachlosen Geist. Während seiner plötzlich auftretenden Anfälle (ähnlich der Epilepsie) fiel es ins Feuer und Wasser, wälzte sich auf der Erde, schäumte, schrie, knirschte mit den Zähnen, wurde ganz steif und blieb zuletzt leblos liegen. (Siehe die drei Berichte Matth. 17,15; Mark. 9,17-26; Luk. 9,39.42.)
In anderen Fällen handelt es sich um ausgesprochenen Wahnsinn. Die beiden Besessenen Matth. 8, 28 „kamen aus den Totengräbern und waren so grimmig, daß niemand diese Straße wandeln konnte“. Derjenige, von dem Markus besonders ausführlich erzählt, konnte nicht gebunden werden, auch nicht mit Ketten. „Er war oft mit Fesseln und Ketten gebunden gewesen und hatte die Ketten abgerissen und die Fesseln zerrieben, und niemand konnte ihn zähmen. Und er war allezeit Tag und Nacht auf den Bergen und in den Gräbern, schrie und schlug sich mit Steinen.“ Mark.5,3-5.
Unsere Irrenanstalten kennen ganz ähnliche Fälle, wobei man Zwangsjacken und Gummizellen anwenden muß. Ich bin hierin Laie und kann über die Geisteskranken nicht als Wissenschaftler sprechen. Aber ich werde nie vergessen, was ich auf einer Ausstellung von Gemälden Geisteskranker gesehen habe. Die meisten hatten religiöse Stoffe gewählt, die sie in verwirrter und erschreckender Weise behandelt hatten. Ohne Zweifel gibt es eine Art der Geisteskrankheit, die man als religiösen Wahnsinn bezeichnet. – Welch ein Gegenstand für das Studium eines christlichen Psychiaters!

d) Die Verführung.
Eine eigenartige Bibelstelle finden wir 1. Kön. 22,19-23. Der König Ahab, der durch die Sünde verhärtet ist, will sich nicht vom Propheten Micha warnen lassen und hört lieber auf die schmeichlerischen Worte der falschen Propheten. Woher haben sie ihre Einstimmigkeit und ihre Sicherheit? Durch ein unmittelbares Einwirken böser Geister. Micha sagt: „Ich sah den Herrn sitzen auf Seinem Stuhl und alles himmlische Heer neben Ihm stehen zu Seiner Rechten und Linken. Und der Herr sprach: Wer will Ahab überreden, daß er hinaufziehe und falle zu Ramoth in Gilead? – Und einer sagte dies, der andere das. Da ging ein Geist heraus und trat vor den Herrn und sprach: Ich will ihn überreden. – Der Herr sprach: Womit? – Er sprach: Ich will ausgehen und will ein falscher Geist sein in aller seiner Propheten Munde. – Er sprach: Du sollst ihn überreden und sollst’s ausrichten, gehe aus und tue also!”
Die Tatsache, daß Gott eine solche Macht der Lüge handeln läßt, beunruhigt zuerst. Aber im Falle Ahabs erkennen wir, daß der Herr ihn gleichzeitig feierlich warnte. Der König wußte also genau, was er wählte.
Paulus kündet in der schon erwähnten Stelle ungefähr dasselbe vom Antichristen an: Seine Zukunft geschieht „nach der Wirkung Satans mit allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, auf daß sie selig würden. Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben der Lüge, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit.“ 2. Thess. 2, 9-12.
Die Verführung der bösen Geister treibt die Menschen nicht allein zur Unreinheit und zu verbrecherischen Handlungen. Sie löst eine furchtbare Macht der Verwirrung und der Lüge aus. Nach Paulus werden die Menschen der letzten Zeiten „von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel durch die, so in Gleisnerei Lügen reden . . .“. 1. Tim.4,1-3. Der Mensch kann ohne die göttliche Wahrheit weder gerettet noch befreit werden. Die Dämonen versuchen daher mit aller Gewalt, ihn um jeden Preis von der göttlichen Offenbarung abzuwenden und ihn falschen Lehren zuzuwenden, die das ewige Heil unmöglich machen. Der Herr wendet sich an die von Thyatira, die „nicht haben solche Lehre und die nicht erkannt haben die Tiefen des Satans“. . . .
Die bösen Geister vollbringen damit ein Meisterwerk der Verführung und gewinnen harmlose Seelen zum Raube, die ihnen der Aberglaube und der Irrtum wehrlos ausliefern.
Wie viele werden auch durch die Wahrsagerei und alle Mittel des Okkultismus getäuscht! Die Menschen fiebern danach, um jeden Preis den Schleier der Zukunft zu heben. . . .

e) Die unmittelbaren Angriffe.
Wenn es Satan und seinen Engeln nicht gelingt, die Christen mit listigen Anschlägen zu Fall zu bringen, gehen sie zur offenen Gewalt über. „Fürchte dich nicht vor der keinem, das du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr versucht werdet . . . Sei getreu bis an den Tod!“ Offb.2,10.
Ein anderes Mal erregt der Feind Unruhen und hindert dadurch die Diener Gottes an der Verkündigung des Evangeliums: „Als die Juden von Thessalonich erfuhren, daß auch zu Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt würde, kamen sie und bewegten auch allda das Volk. Aber da fertigten die Brüder Paulus alsobald ab, daß er ginge bis an das Meer.“ Apg. 17,13. Wahrscheinlich berichtet Paulus aus ähnlichen Gründen an die Thessalonicher: „Darum haben wir wollen zu euch kommen zweimal. und Satan hat uns verhindert.“ 1.Thess.2,18.

6. Das Gericht über die Dämonen.

1. Der Sturz der Engel und der Sündenfall der Menschen haben ähnliche Folgen gehabt: Adam und Eva wurden sofort aus dem Paradies gewiesen, aber sie lebten weiterhin auf der Erde, die für sie geschaffen, aber von da an verflucht war. Die gestürzten Engel wurden sofort aus der Gemeinschaft mit dem dreimal heiligen Gott ausgeschlossen, sie können jedoch aus ihrem Reich der Finsternis noch kommen und vor Gott im Himmel erscheinen. Hiob.1,6; 1.Kön. 22,19-22; Eph.6,12. . . . „Die Engel, die ihr Fürstentum nicht bewahrten . . . hat Er behalten zum Gerichte des großen Tages mit ewigen Banden in der Finsternis.” Judas 6.

2. Die Bezeichnung „Abgrund“ bedeutet zuweilen den Ort, wohin die Dämonen verbannt sind und den sie ohne Gottes Erlaubnis nicht verlassen dürfen. Ihr Schrecken ist es, dort für immer eingeschlossen zu sein. . . .
. . . „und hatten über sich den Engel des Abgrunds, des Name heißt auf Hebräisch Abaddon und auf Griechisch hat er den Namen Apollyon (Zerstörung) Offb. 9,1. Dieser Engel kann kein anderer als Satan selbst sein. Um den höllischen Ursprung des Tieres, des Antichrists, zu kennzeichnen, ist von ihm gesagt, daß er „wird wiederkommen aus dem Abgrund und fahren in die Verdammnis“. Offb. 17,8. . . .

3. Seit der Erscheinung Christi zu Beginn der Evangelien wissen die Dämonen, daß die Stunde ihres Gerichtes schlägt. Besser als die Menschen wissen sie, wer der Herr ist. Sie zittern und können nicht verhindern, daß sie Seinen Namen ausrufen. Der Mensch, der einen unsauberen Geist hatte, schrie: „Halt, was haben wir mit Dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu verderben. Ich weiß, wer Du bist: der Heilige Gottes . . . Es fuhren auch die Teufel aus von ihnen, schrien und sprachen: Du bist Christus, der Sohn Gottes. Und Er bedrohte sie. . .” Luk. 4, 33. Die besessenen Gadarener schrien: „Ach Jesus, Du Sohn Gottes, was haben wir mit Dir zu tun? Bist du hergekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist?“ Matth. 8,29.
Dieses Wissen der Dämonen führt sie weder zur Buße noch zur Heiligung. Jakobus schreibt hierzu: „Du glaubst, daß ein einiger Gott ist? Du tust wohl daran, die Teufel glauben’s auch und – zittern. 2,19. Viele Menschen, die sich damit begnügen, an das Dasein Gottes zu glauben, haben also keinen anderen Glauben als die Dämonen. Dieser Glaube ändert in keiner Weise ihr Leben. Wenn sie sich nur einen Augenblick Zeit nähmen und nachdächten, würden sie schon bei dem Gedanken an das unausweichbare Gericht zittern. Wir müssen noch feststellen, daß der Kampf gegen die bösen Geister in Jesu Wirken einen großen Raum einnimmt.

Wenn wir nur in Matthäus nachlesen, so finden wir,
daß Er Besessene und Mondsüchtige heilt; 4,24;
Er treibt durch Sein Wort Geister aus; 8,16;
Er befreit die beiden unglücklichen Gadarener. 8, 28-32; den stummen Besessenen; 9, 32-33;
dann einen anderen blinden und stummen Besessenen; 12,22;
die Tochter des kanaanäischen Weibes; 15, 22-28; das mondsüchtige Kind; 17, 15-18.
Wie Petrus berichtet, so ist Er wirklich umhergezogen „und hat wohlgetan und gesund gemacht alle, die vom Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit Ihm“. Apg.10,38. „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre.“ 1.Joh.3,8.

4. Das Kreuz zerstört das Reich der Finsternis. Christus „hat ausgezogen die Fürstentümer und Gewaltigen und hat sie schaugetragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst“. Kol. 2, 15. Von nun an können die bösen Geister nur noch dem Endgericht entgegengehen. Wenn sie zu Christus sagen: „Bist Du hergekommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist“, so zeigen die Dämonen, daß sie in der ständigen Angst vor jenem verhängnisvollen Augenblick leben.

5. Die herrliche Wiederkunft unseres Herrn wird die große Abrechnung herbeiführen. Satan und seine Engel werden dann zum letzten Mal im Himmel kämpfen und von Michael und seinen himmlischen Heerscharen ausgestoßen werden. Offb. 12, 7-9. Noch einmal werden sie während der Herrschaft des Antichrists und der Schlacht von Harmagedon freies Feld für ihre Wut haben. Offb. 12,12; 16,14. Doch zu Beginn des Tausendjährigen Reiches werden sie von der Erde verjagt werden. „Zu der Zeit wird der Herr heimsuchen das hohe Heer, das in der Höhe ist, und die Könige der Erde, die auf Erden sind, daß sie versammelt werden als Gefangene in der Grube und verschlossen werden im Kerker und nach langer Zeit wieder heimgesucht werden . . . Der Herr Zebaoth wird König sein auf dem Berge Zion und zu Jerusalem.“ Jes. 24, 21-23. Nach diesem Bibeltext werden die Dämonen mit ihrem Oberhaupt eingeschlossen werden. Mit ihm werden sie auch am Ende der tausend Jahre „in den feurigen Pfuhl geworfen werden, . . . von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Offb. 20, 10.
Sie werden nach den eigenen Worten Christi „in das ewige Feuer gehen, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln“ Matth. 25,41. . . Schon auf Erden bekennen die Dämonen mit Zittern die Herrschaft Christi. In der anderen Welt wird das Wort Philipper 2,10-11 vollkommen erfüllt werden: Bis in die Hölle hinab werden alle Knie sich beugen und alle Zungen bekennen, „daß Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters“.

7. Der Sieg der Gläubigen über die Dämonen. Unsere Befreiung aus dem Reich der Finsternis ist eine vollendete Tatsache. „Danksaget dem Vater . . . welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich Seines lieben Sohnes.“ Kol. 1,12-13. Aber es handelt sich um mehr als nur darum, daß wir ohne unser eigenes Dazutun befreit wurden: die Gläubigen sind aufgerufen, durch den Glauben am Siege des Herrn teilzunehmen und entschlossen zum Angriff überzugehen. Jesus wiederholt es immer wieder den Seinen: „Er rief Seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unsaubern Geister.“ Matth. 10,1. „ . . . Und sie gingen aus . . . und trieben viele Teufel aus.“ Mark. 3,14; 6,7. 12-13. Der Herr erklärt nach Seiner Auferstehung: ,,Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in Meinem Namen werden sie Teufel aus treiben … ” Mark. 16, 17. . . doch darin freuet euch nicht, daß euch die Geister untertan sind. Freuet euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Luk. 10,17-20.
Immerhin bleibt es ein gefährliches Unterfangen, die bösen Geister anzugreifen. Die Jünger erlebten bei dem mondsüchtigen Knaben eine Niederlage und fragten Jesus nach dem Grunde. Er antwortete ihnen: „Um eures Unglaubens willen . . . Diese Art fährt nicht aus denn durch Fasten und Beten.“ Matth. 17, 14-21. . . .
Um höllische Mächte angreifen zu können, muß man ganz und gar dem großen Sieger angehören und wie Paulus Sein gereinigtes Werkzeug sein. Sonst ist es sehr gefährlich, dies zu tun.
Die ersten Christen haben übrigens nicht gezögert, die Kraft zur Hilfe zu nehmen, mit der sie der Herr bekleidet hatte. Wir lesen in der Apostelgeschichte: „Es geschahen aber viele Zeichen und Wunder im Volk durch der Apostel Hände . . . Es kamen auch herzu viele von den umliegenden Städten gen Jerusalem und brachten die Kranken und die von unsaubern Geistern gepeinigt waren, und wurden alle gesund . . . ” Apg. 5,12.16. . . .
Wir möchten hier eine Frage stellen, die uns selber bewegt:

Ist die Gabe, Geister auszutreiben, eine der Ausnahmeerscheinungen, die den Beginn der neuen Gnadenzeit kennzeichnen (wie gewisse Wunder Jesu, verschiedene Erdbeben, einige Totenerweckungen, der Wind und die Feuerzungen am Pfingsttage usw.)?
Oder wird diese Gabe auch fernerhin in der Gemeinde Christi bleiben? Wir müssen feststellen, daß sie niemals in den Briefen erwähnt wird. Paulus spricht wohl von der Gabe, Geister zu unterscheiden, aber nicht von der, sie auszutreiben, 1. Kor. 12,10
Johannes sagt: „Prüfet die Geister!”, aber er spricht auch nicht davon, sie auszutreiben. 1. Joh. 4,1. Dieses Schweigen darüber im ganzen letzten Teil des Neuen Testamentes (der besonders für die Gemeinde geschrieben wurde) soll uns zweifellos auf diesem heiklen Gebiet vorsichtig machen. Wir glauben jedoch, daß alle die angeführten Stellen kräftig genug betonen, daß glaubensstarke und berufene Christen den Fall der Besessenheit entschlossen vor Gott bringen können. Im vorigen Jahrhundert haben uns die beiden Blumhardt nicht nur gezeigt, daß es Fälle von Besessenheit noch heute gibt, sondern auch, daß sie wirklich durch den Glauben, durch Fasten und Beten geheilt werden können.
Selbst angesichts aller Macht der Finsternis dürfen wir in unbeirrbarer Sicherheit und vollkommener Unterwerfung unter Gottes Willen ausharren. Er allein ist Herr über alle Geschöpfe, und Er wird Seine Versprechen treu halten. Wohl ist Paulus von dem Engel des Satans, der ihn mit Fäusten schlug, nicht erlöst worden, aber er ist in dieser Prüfung wunderbar unterstützt und gestärkt worden, so daß sich der Sieg des Herrn in ihm wunderbar bezeugt hat. 2. Kor. 12, 7-10.

VIERTER TEIL  Die Auferstehung

Kapitel I DIE AUFERSTEHUNG JESU CHRISTI.

1. Ihre Bedeutung.
Die Auferstehung Jesu Christi ist der Eckstein der ganzen christlichen Lehre über das Jenseits. Wenn Jesus auferstanden ist und sich nach Seinem Tode den Seinen lebend gezeigt hat, gibt es wirklich etwas jenseits des Grabes. Als Gegenbeweis führen die Ungläubigen vor allem an, daß „noch keiner aus dem Grabe zurückgekehrt ist“, und daß folglich auch eine jenseitige Welt gar nicht vorhanden sei. „Wenn man tot ist“, so sagen sie, „dann ist man tot. Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!“ 1. Kor. 15, 32.
Das Ostergeschehen macht diese Folgerungen zunichte und gibt uns den unwiderlegbaren Beweis eines ewigen Lebens.
Darum faßt Paulus das Wesentliche des christlichen Glaubens im Kreuz und in der Auferstehung des Heilands zusammen: „Ich habe euch zuvörderst gegeben, was ich auch empfangen habe: daß Christus gestorben sei für unsere Sünden nach der Schrift, und daß Er begraben sei und daß Er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift. …Also predigen wir, und also habt ihr geglaubt.“ 1. Kor. 15, 3. „Wir glauben an Den, der unsern Herrn Jesus auferweckt hat von den Toten, welcher ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.“ Röm. 4, 24-25 . (Siehe auch 2. Kor. 5,15.)

Petrus geht sogar so weit zu sagen, daß Gott uns durch die Auferstehung Jesu Christi rettet. 1. Petr. 3, 21. Wir wollen sehen, warum diese Auferstehung so gewiß und so wesentlich ist

2. Die Auferstehung Christi wird im Alten Testament angekündigt.
Nach Paulus ist Christus auferstanden „nach der Schrift“. 1. Kor. 15, 4. Am Ostertag sagt Jesus zu den Jüngern, als Er ihnen das Verständnis öffnet, damit sie die Schrift verstehen: „ . . . Es muß alles erfüllt werden, was von Mir geschrieben ist im Gesetze Mose, in den Propheten und in den Psalmen . . . Also ist’s geschrieben und also mußte Christus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage. Luk. 24, 44.
Das Gesetz Mose, wie bei den Juden die fünf Bücher Mose hießen, enthält zwei treffende Bilder der Auferstehung Jesu:

a) Isaak auf dem Berge Morija.
Gott verspricht Abraham, daß der Bund und das verheißene Heil durch seinen Sohn Isaak gewährleistet sein wird, 1. Mose 17,19, andererseits verlangt er diesen Sohn als Opfer. 1. Mose 22, 2. Als er seine Knechte am Fuße des Berges zurückläßt, sagt ihnen Abraham: „Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen w i r wieder zu euch kommen.“ Vers 5. Er glaubte demnach, daß Gott ihm auf irgendeine Weise Isaak wieder zurückgeben würde. Hebr. 11,19 erklärt: „Er dachte, Gott kann auch wohl von den Toten erwecken, daher er ihn auch zum Vorbilde wiederbekam.“ Abraham hatte den Befehl erhalten, sich auf einen der Berge des Landes Morita zu begeben. Der Tempel Salomos wurde gleichfalls auf dem Berge Morija erbaut. 2. Chron. 3,1. Da es dort mehrere Hügel gibt, fragt man sich, ob der Hügel Golgatha nicht sogar die Stätte der Opferung Isaaks ist. Auf jeden Fall hat der ewige Vater Seinen Sohn als vollkommenes Opfer am Kreuz dargebracht. Durch die wahrhaftige Auferstehung hat Er Ihn zurückbekommen.

b) Der Stab Aarons.
Nach dem Hebräerbrief war Aaron ein Vorbild auf unseren Hohenpriester Jesus. Aber verschiedene Leviten und Vornehmste des Volkes wurden von Korah, Dathan und Abiram verführt, daß sie ihm sein Priesteramt neideten und sich gegen die göttliche Wahl empörten. 4. Mose 16,1-3. 8-11. Um diese Wahl zu bestätigen, ließ der Herr einen Stab für jeden Stamm und einen für Aaron in das Heiligtum bringen. „Des Morgens aber, da Mose in die Hütte des Zeugnisses ging, fand er den Stecken Aarons, des Hauses Levi (einen einfachen trockenen toten Stab), grünen, und die Blüten aufgegangen und Mandeln tragen.“ 4. Mose 17, 16-23.
Die Wahl Jesu als Messias und Hoherpriester ist von den Obersten der Juden heftig bestritten worden. Aber Gott hat sie herrlich bestätigt, indem Er Seinen toten Leib aus dem Grabe wieder auferweckte. Christus „ist kräftig erwiesen . . . ein Sohn Gottes . . . da Er auferstanden ist von den Toten“. Röm. 1,4. . . .
Jona ist sogar nach den eigenen Worten Jesu ein Vorbild auf diese Auferstehung: „Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen, und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein.“ Matth. 12, 39-40.
Die Psalmen lehren dasselbe. David schreibt: „Darum freut sich mein Herz, auch mein Fleisch wird sicher liegen, denn Du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und nicht zugeben, daß Dein Heiliger verwese.“ Psalm 16,10.
Petrus erklärt diese Stelle am Pfingsttage. Er erinnert daran, daß David in seinem Grab geblieben ist und daher nicht von sich selbst gesprochen haben kann. „Da er nun ein Prophet war und wußte, daß ihm Gott verheißen hatte, daß die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhl sitzen, hat er’s zuvor gesehen und geredet von der Auferstehung Christi, daß Seine Seele nicht dem Tode gelassen ist und Sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat.“ Apg. 2, 29.
Paulus sieht in Psalm 2, Vers 7 eine Anspielung auf die Tatsache, daß der Vater den Sohn gezeugt hat, um Ihn zum Erstgeborenen unter den Toten zu machen. – „Wir verkünden euch die Verheißung, die zu unsern Vätern geschehen ist, daß sie Gott uns, ihren Kindern, erfüllt hat indem, daß Er Jesus auferweckte, wie denn im zweiten Psalm geschrieben steht: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeuget.“ Apg. 13,32. . . .
Das Alte Testament bestätigt also, daß die Auferstehung Christi weit davon entfernt ist, eine Erfindung oder eine Sinnestäuschung verstörter Jünger zu sein, sondern daß sie von Anfang an im Heilsplan Gottes vorgesehen war. Für uns, die wir an die Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift glauben, ist dies Zeugnis von größter Bedeutung. . . .

3. Jesus kündet selber Seine Auferstehung an.
Jesus war sich des Endes Seiner Erdenlaufbahn voll bewußt. Er kündete immer wieder sowohl Seinen Tod wie auch Seine Auferstehung an, die drei Tage darauf folgen würde. (Siehe z. B. Matth. 16, 21; 17, 22-23 ; 20, 19 usw.)
Am Ostermorgen erinnern die Engel die Frauen an die Worte des Herrn. Luk. 24, 6-8. . . .
Bei der Verklärung, die Seine Herrlichkeit bezeugte, unterhielten sich Mose und Elia mit Christus „von dem Ausgang, welchen Er sollte er• füllen zu Jerusalem”. Luk. 9, 31.
Schließlich hat Jesus auch immer wieder die Wirksamkeit erwähnt, die Er nach dem Kreuzestode ausüben würde: Seine Wiederkehr, Seine Gerichte, Seine Herrschaft, Seine Herrlichkeit. Matth. 16, 27; 24,30; 25, 31; usw. Er hat also beständig verkündet, daß Er auferstehen werde. Und wenn sich dies nicht erfüllt hätte, wie könnten wir dann noch an Ihn glauben?

4. Der Auferstehung ist ein gebührend und öffentlich festgestellter Tod voraufgegangen.
Viele Ungläubige vermuten, daß Jesus, als Er vom Kreuz abgenommen wurde, nur ohnmächtig war. Er wäre durch die Ruhe und Kühle im Grabe wieder belebt worden und aufgewacht. Somit hätte Er dann aus eigener Kraft verschwinden können. Der Tod des Herrn ist jedoch durch zahlreiche Zeugen und vielfache Beweise bestätigt worden:
1. Der Hauptmann und die Kriegsknechte „erschraken sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ Matth.27,54.
2. Die Frauen mit den beiden Marien waren da und sahen zu. Luk. 23, 49.
3. „Alle Seine Bekannten standen auch da.“ Luk. 23, 48 .
4. „Alles Volk, das dabei war und zusah, schlugen sich an ihre Brust und wandten wieder um.“ Luk. 23, 48.
5. Um ein Ende zu machen, brechen die Kriegsknechte den Schächern die Beine, aber als sie zu Jesus kommen und sehen, daß Er schon gestorben ist, öffnen sie Seine Seite mit einem Speer. Joh. 19, 32.
7. Pilatus will der Bitte Josephs entsprechen, er verwundert sich, daß Jesus schon tot ist und läßt es sich von dem Hauptmann bestätigen. Mark.15, 44-45;
8. Joseph von Arimathia, ein ehrbarer Ratsherr, nimmt Jesus vom Kreuz. Er wickelt Ihn in ein Leintuch und legt Ihn in das Grab. Mark. 1, 43-46.
9. Er wird von einer anderen angesehenen Persönlichkeit dabei unterstützt, nämlich von Nikodemus. Joh.19,39
12. Ein großer Stein wird vor die Tür des Grabes gewälzt. Matth. 27,60.
14. Die Hohenpriester und Pharisäer sind völlig überzeugt, daß Jesus tot ist, und fürchten, daß Seine Jünger kommen könnten und den Leichnam stehlen, um eine Auferstehung vorzutäuschen. Matth. 27, 62-64.
15. Pilatus erlaubt ihnen, eine Wache vor das Grab zu stellen. Matth. 27, 65-66.
17. Besondere Wunder ziehen die Aufmerksamkeit auf Jesu Tod, der nicht unbemerkt geschehen kann: Der Vorhang des Tempels zerreißt, die Erde bebt, „viele Leiber der Heiligen standen auf und gingen aus den Gräbern und kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen“. Matth. 27,51-53 .
Diese Tatsache ist also unwiderlegbar. Wir wollen sehen, ob das mit der Auferstehung auch der Fall ist.

5. Die Zeugen der Auferstehung Christi.
Petrus erklärt: „Den hat Gott auferweckt am dritten Tage und Ihn lassen offenbar werden den vorerwählten Zeugen vor Gott, die wir mit Ihm gegessen haben, nach dem Er auferstanden war von den Toten.“ Apg. 10, 40-41.
Wer sind diese Zeugen und welche Gewähr bieten sie?
1. Die Frauen sehen gemeinsam das leere Grab. Mark. 16, 1-8.

2. Maria Magdalena begegnet als erste dem lebendigen Jesus und spricht mit Ihm. Mark. 16, 9-10; Joh. 20, 11-18.
3. Petrus läuft zum Grabe, wo er als erster eintritt. Luk. 24, 12. Kurz danach erscheint ihm Jesus selber. Luk. 24,34.

4. Johannes, der mit Petrus zum Grabe gelaufen ist, tritt ebenfalls ein. Er ist sofort überzeugt, denn der Text fügt hinzu: „Er sah und glaubte es.“ Joh. 20, 8.

5. Die Hüter „erschraken und wurden, als wären sie tot“. Dann gehen sie zu den Hohenpriestern und verkündigen, was geschehen ist. Matth. 28,4.
6.
Die Hohenpriester und Ältesten geben den Kriegsknechten eine große Summe, damit sie ein falsches Gerücht verbreiten, und sie versprechen ihnen, den Landpfleger zu beruhigen. Matth. 28,12-15. Wenn die Ältesten nicht davon überzeugt gewesen wären, daß die Kriegsknechte die Wahrheit sagten, so hätten sie weder diese Summe geopfert, noch sich in diese Gefahr gewagt.

7. Die beiden Emmaus-Jünger. Luk. 24, 13-33.

8. Die Elf und die mit ihnen versammelt waren. Mark. 16, 14-19; Luk. 24, 36-51.

9. Die Jünger mit Thomas acht Tage später.

10. Die Elf in Galiläa. Matth. 28, 16-20.

11. Mehr denn fünfhundert Brüder auf einmal, von denen Paulus sagt, daß „deren noch viele leben“. 1. Kor. 15,6. Es ist also noch lange möglich gewesen, ihr Zeugnis zu prüfen. Wahrscheinlich hat diese Begegnung gleichfalls in Galiläa stattgefunden, wohin Jesus und Seine Engel die Jünger und Brüder ausdrücklich bestellt hatten. Matth. 28, 7. In Anbetracht der schrecklichen Verfolgung, die in Jerusalem wütete, und des Zustandes der Jünger vor dem Pfingstwunder könnte man sich eine solch große und daher auch öffentliche Versammlung in der Hauptstadt kaum vorstellen. Es wird auch häufig angenommen, daß diese Erscheinung, die die fünfhundert Brüder erlebten, mit der Begegnung mit den Elfen, die wir schon erwähnten, zusammenfiel. Matth. 28,16.
12. Die elf Jünger am See Tiberias. Joh. 21, 1-23.
13. Jakobus. 1. Kor.15, 7.

14. Die Apostel, von denen mehrfach berichtet wird, daß sie den auferstandenen Herrn vierzig Tage lang sahen und bis zu Seiner Himmelfahrt auf dem Ölberg bei Ihm waren. 1. Kor. 15,7 ; Apg. 1,3-12.
15. Saulus von Tarsus auf dem Wege nach Damaskus. 1. Kor.15,8.

Diese Menge von mehreren hundert Zeugen, die Gott zuvor erwählt hatte, ist äußerst eindrucksvoll, und es ist unmöglich zu widerlegen, was sie uns zu sagen hat. Ihr Zeugnis wiegt um so schwerer, als die Jünger selber die allergrößte Mühe hatten, es zu glauben, und schließlich – sozusagen gegen ihren Willen – sich der unbestreitbaren augenscheinlichen Wahrheit fügen mußten. Dies geht aus zahlreichen Stellen her vor:

Ehe Jesus zu ihnen trat zweifelten etliche. Mark. 16,8: Die Frauen „gingen schnell heraus und flohen von dem Grabe, denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen und sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich“. Mark. 16,10;
Maria Magdalena „ging hin und verkündigte es denen, die mit Ihm gewesen waren, die da Leid trugen und weinten, und diese, da sie hörten, daß Er lebte und wäre ihr erschienen, glaubten sie nicht“.
Mark. 16, 13: Die Emmaus-Jünger „gingen auch hin und verkündigten das den andern, denen glaubten sie auch nicht. Zuletzt, da die Elf zu Tische saßen, offenbarte Er sich und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die Ihn gesehen hatten auferstanden“.
Luk. 24, 3-5: Die Frauen „fanden den Leib des Herrn Jesu nicht . . . und da sie darum bekümmert waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Engel . . . und sie erschraken und schlugen ihre Angesichter nieder zur Erde“.
Luk. 24, 11: Als endlich die Frauen – anscheinend von Maria Magdalena ermutigt – davon sprechen, deuchten den Jüngern „ihre Worte eben, als wären es Märlein, und sie glaubten ihnen nicht“.
Luk. 24, 22-25: Die beiden Emmaus-Jünger wissen um das Zeugnis der Frauen und derer, die das leere Grab gesehen haben, aber sie glauben es nicht. Jesus sagte ihnen darauf: „O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben . . .“ Und erst bei ihrer Rückkehr nach Jerusalem hören sie zum ersten Mal die Jünger sprechen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“ Luk. 24, 34.
Luk. 24, 36-41: Als endlich Jesus mitten unter sie tritt, „erschraken sie und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist“. Wenn es auch eine Freude für sie bedeutete, so glaubten sie doch nicht und staunten nur. Er legte Wert darauf. vor ihnen zu essen.
Joh. 20, 6-9: Voller Unruhe treten Petrus und Johannes in das Grab. Johannes „sah und glaubte es. Denn sie wußten die Schrift noch nicht, daß Er von den Toten auferstehen müßte”.
Joh. 20, 11-18: Maria Magdalena ist in ihrer Verwirrung wohl kaum imstande, die Auferstehung zu begreifen. Sie weint und ist davon überzeugt, daß Feinde den Herrn weggetragen haben. Ihre Augen sind so voller Tränen, daß sie Jesus zuerst für den Gärtner hält, bis sie Ihn dann plötzlich am Klang Seiner Stimme erkennt.
Joh. 20,19: Die Jünger hatten am Osterabend die Türen verschlossen „aus Furcht vor den Juden ” . Sie glaubten also auch dann noch nicht an die Auferstehung des Herrn.
Joh. 20, 24-29: Thomas erklärt deutlich: „Es sei denn, daß ich in Seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meine Hand in Seine Seite, will ich’s nicht glauben.“ Und Jesus antwortet darauf : „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“
Eine solche Aufzählung von Bibeltexten macht die Einwendung zunichte, wonach die Jünger derart danach verlangt hätten, um jeden Preis den lebendigen Jesus wiederzusehen, daß sie Sinnestäuschungen für Wirklichkeit gehalten hätten; wie man in der Dunkelheit mit einem unbekannten Wanderer spricht, wie man in der Dämmerung von fern eine Weide ihre Zweige bewegen sieht, so hätten sie sich vorgestellt, den zu sprechen und zu sehen, den sie durchaus nicht verloren haben wollten. – Die Bibeltexte haben uns nun aber gerade das Gegenteil bewiesen. Die Jünger rechneten so wenig mit einer Auferstehung, sie glaubten den Versprechen Jesu so wenig, daß sie sich nur mit Mühe überzeugen ließen. Erst durch die Fülle der Beweise wurde endlich ihr Glaube an die Auferstehung Jesu unerschütterlich und einmütig.
Nicht allein der Unglaube der Jünger fällt auf, sondern auch ihr Schrecken, ihre grenzenlose Verwirrung bei diesem Ereignis, das sie ganz und gar aus der Fassung bringt. Darum müssen die Engel und Jesus selber sie immer wieder beruhigen:
Der Engel sagt zu den Frauen: „Fürchtet euch nicht! Entsetzet euch nicht!“ Matth. 28, 5; Mark. 16,6.
Jesus selber betont noch eindringlicher: „Fürchtet euch nicht! . . . Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? . . . Friede sei mit euch!“ Joh. 20,19.
Die seelische Haltung der Zeugen der Auferstehung ist also nicht die von Menschen, die wünschen, warten und schließlich mit aller Gewalt ein eingebildetes Ereignis zurechtzimmern.
Brauchen wir noch zu betonen, daß Zeugen, die Gott selber auserwählt, durch Ernst und Besonnenheit gekennzeichnet sind? Diese gesunden Fischer aus Galiäa waren gewiß nicht überspannt. Die Apostel und Saulus von Tarsus haben während ihres ganzen Lebens ihre gesunden Sinne und ihre Aufrichtigkeit bewiesen. Die Frauen haben Selbstverleugnung und Mut gezeigt. Selbst die Wachen und die Priester sprechen trotz allem gegen ihr eigenes Interesse. Wenn irgendein Ereignis vor einem gewöhnlichen Gericht von so vielen und beachtenswerten Zeugen bezeugt würde, erklärte man es ohne Zögern und Zweifel für wahr. Was die Auferstehung betrifft, so liegt hier noch mehr vor.

6. Andere Tatsachen, die die Auferstehung Christi begleiteten und bestätigten.
1. Der abgewälzte Stein. Dieser Stein war sehr groß, und die Frauen sprachen untereinander: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ Als sie aber ankamen, „wurden sie gewahr, daß der Stein abgewälzt war“. Mark. 16, 3-4.
2. Das Zeugnis der Engel. Alle Berichte sagen ausdrücklich: Engel haben zu den Jüngern gesprochen, in oder vor dem Grabe, um sie in ihrem Schrecken zu beruhigen und ihnen die Auferstehung des Herrn zu verkündigen. Es waren ein oder zwei Engel zugleich – worin aber kein Widerspruch liegt. Nach Matthäus hat einer von ihnen den Stein von des Grabes Tür gewälzt und die Wachen so erschreckt, daß sie wie tot wurden. Matth. 28, 2-4. Nach Lukas sprechen die Engel dies schöne Wort : „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ Luk. 24, 5.
3. Ein Erdbeben begleitet das Abwälzen des Steins, Matth. 28, 2, so daß das Ereignis nicht unbemerkt bleiben kann.
4. Das leere Grab ist wohl das stärkste Beweismittel. Wie könnte man dies leere Grab erklären, nachdem die Juden das größte Interesse daran hatten, die Auferstehung abzuleugnen und daher derartige Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatten? Warum haben sie niemals den Leichnam Jesu herbeibringen können, was alle Erörterungen sogleich abgeschlossen hätte? . . .
5. Die Leinen lagen samt den Binden am Boden, und „das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht zu den Leinen gelegt, sondern beiseite, zusammengewickelt an einem besonderen Ort“. Joh. 20, 5-7. Diese Einzelheiten sind von Augenzeugen festgehalten worden. . . .
6. Die Stimme Jesu und die Art, wie Er den Namen Maria Magdalenas ausspricht, läßt sie Ihn erkennen. Joh. 20,16. Die Stimme ist eines der sichersten Mittel, jemanden ohne Zögern zu erkennen.
7. Die ihnen vertraute Art, wie der Herr das Brot bricht und dankt, öffnet den Emmaus-Jüngern plötzlich die Augen. Luk. 24, 30-31.
8. Um ihnen zu beweisen, daß Er nicht nur eine Erscheinung ist, läßt Jesus die Jünger Seinen Leib und die Wundmale berühren. „Sehet Meine Hände und Meine Füße, Ich bin’s selber. Fühlet Mich an und sehet . . .” Luk. 24, 39.
9. Um Seine Jünger völlig zu überzeugen, läßt sich Jesus „ein Stück von gebratenem Fisch und Honigseim“ von Seinen Jüngern vorlegen, und „Er nahm’s und aß vor ihnen“. Luk. 24, 41-49. Diese Tatsache hat auf Petrus solchen Eindruck gemacht, daß er sie im Hause des Kornelius wiedererzählt. Apg. 10, 41.
10. Nach Seiner Auferstehung vollbringt der Heiland das berühmte Wunder des wunderbaren Fischzuges, das Johannes sofort ausrufen läßt: „Es ist der Herr !“ Joh. 21, 6-8,11. Es wird uns sogar genau angegeben, daß in dem Netz hundertunddreiundfünfzig große Fische waren.
11. Wie allezeit, ist Er auch jetzt voller Fürsorge für die Seinen. Er hat für Seine hungrigen Jünger „Kohlen gelegt und Fische darauf und Brot . . . Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl ! Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische“. Joh. 21, 5. 9-13.
12. Die Unterhaltung, in deren Verlauf Jesus Petrus wieder in Ehren einsetzt, läßt keinen Zweifel an der Wirklichkeit des Auferstandenen. Joh. 21, 15-24. Der Apostel erwähnt sie noch in seinem zweiten Brief. 1, 14.
13. Vierzig Tage lang erscheint der lebendige Herr Seinen Jüngern, gibt ihnen verschiedene Beweise, „erzeigt sich ihnen lebendig, . . . und redete mit ihnen vom Reiche Gottes“. Apg. 1, 3. . . . 


14. Das Wunder der Himmelfahrt vertieft noch – wenn es überhaupt möglich ist – ihre Überzeugung. Mit ihren eigenen Augen sehen die Jünger gemeinsam, wie der lebendige Herr in die Herrlichkeit emporgehoben wird, und sie hören dazu noch einmal das Zeugnis der Engel. Luk. 24, 50-52; Apg. 1, 9-11 .
Sie haben also den Beweis, daß der Herr endgültig auferstanden ist und daß Er, wie Er verkündigt hat, von nun an mit Seinem verklärten Leibe zur Rechten Gottes sitzen wird.
15. Endlich ist für den Gläubigen das Pfingstwunder nicht ohne die Auferstehung möglich, deren Krönung es ist. Petrus sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen. Nun Er durch die Rechte Gottes erhöht ist und empfangen hat die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater, hat Er ausgegossen dies, das ihr sehet und höret . . . So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christus gemacht hat.“ Apg. 2, 32-36. . . .
Das große Beweismittel für diejenigen, die zweifeln, ist dies: Kommt her und seht! Die Engel haben es angewandt, als sie den Frauen das leere Grab zeigten. Jesus hat zu Seinen Jüngern gesagt: „Sehet . . . Ich bin’s selber, fühlet Mich an und sehet Mich!”. . . .
Und was tun wir? 


7. Wie wird uns der Leib des Auferstandenen geschildert?
Diese Frage ist in zweifacher Hinsicht sehr wichtig:
a) Hatte Jesus bei Seinen Erscheinungen wirklich einen Leib oder kehrte Er nur „geistlich“ zurück?
b) Wenn unser Leib dem verklärten Leib des Auferstandenen ähnlich werden soll, wie wird er dann gestaltet sein? Phil. 3, 20-21.
1. Als Jesus aus dem Grabe auferstanden war, hatte Er wirklich einen Leib, den Er berühren ließ: „Sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist. Und Er sprach zu ihnen: . . . Sehet Meine Hände und Meine Füße, Ich bin’s selber. Fühlet Mich an und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, daß Ich habe“
2. In diesem Leib war etwas Neues, anderes, und darum haben die Jünger zuerst gezögert, Ihn zu erkennen:
„Etliche aber zweifelten, und Jesus trat zu ihnen und redete mit ihnen.” Matth. 28, 17-18. ,,Danach, da zwei aus ihnen wandelten, offenbarte Er sich unter einer andern Gestalt, da sie aufs Feld gingen . . . Und es geschah, da sie so redeten . . . . nahte Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie Ihn nicht kannten.“ Mark. 16, 12. Maria Magdalena „wandte sich zurück und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist . . .“ Ihr erster Gedanke war sogar, daß es er Gärtner wäre.
Jesus stand am Ufer, „aber die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war“. Joh. 21, 4.
Diese Texte sagen uns, daß etwas an Ihm verändert war. Aber es ist wohl zu verstehen, daß die Auferstehung Seinem Leib ein anderes Aussehen gegeben hatte.
3. Ohne Zweifel war da aber auch zu gleicher Zeit noch etwas von dem alten Leib, so daß die Jünger nach einem Augenblick des Zögerns davon überzeugt waren, daß Er es war. Jesus konnte ihnen sagen: „Ich bin’s. Fühlet Mich an und sehet.“ Die Emmaus Jünger, deren Herz schon in ihnen brannte, da Er mit ihnen redete, erkannten Ihn unzweifelhaft an der vertrauten Art, mit der Er das Brot brach und dankte. Luk. 24, 30-35.
Maria Magdalena war verzweifelt, sie erkannte Ihn nicht, sah Ihn wahrscheinlich auch kaum an. Als Er das einzige Wort: „Maria!“ sagte, wußte sie sofort, daß Er es war, wandte sich um und sagte zu Ihm: „Meister!“ Irgend etwas im Klang der Stimme war ihr ein unwiderlegbarer Beweis.
4. Jesus trug die Wundmale Seines Todes. Er hatte Seinen Jüngern „Seine Hände und Seine Füße“ gezeigt. . . .
5. Hatte der auferstandene Christus wirklich das Bedürfnis, zu essen, wie Er es vor Seinen Jüngern tat? Diese Stelle sagt uns nicht, daß Er Hunger hatte, sondern daß Er auf eine faßbare Art und Weise die wirkliche Gegenwart Seines Leibes beweisen wollte. Er hat gegessen, um Seine Jünger zu überzeugen. Angesichts anderer Bibelstellen, die vom geistlichen Auferstehungsleib handeln, können wir uns kaum vorstellen, daß der Herr und Seine Auserwählten in der anderen Welt materieller Nahrung bedürfen.
6. Wenn auch der Leib Jesu greifbare Wirklichkeit war, so hatte er doch neue, für uns unerklärbare Eigenschaften. Als die Emmaus Jünger Ihn erkannten, verschwand Er vor ihnen. Luk. 24, 31 . Zweimal trat Er unter Seine Jünger, obwohl die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden. Am Himmelfahrtstage steigt Er sogar vor den Augen der Apostel gen Himmel. Die Gesetze der Schwerkraft bestehen für Ihn nicht mehr. Gott, der Schöpfer der Welten, kann nach Seinem Wohlgefallen Seinem Sohn einen neuen Leib geben, der von dem unseren verschieden ist. Die neuesten Entdeckungen über die Kraft, welche die Materie zusammenhält, lassen unerhörte Möglichkeiten der Entwicklung gerade dieser Kraft voraussehen.
7. Wenn Jesus Seine Jünger auffordert, Ihn zu berühren, auf daß sie nicht mehr zweifeln, warum sagt Er dann ganz klar zu Maria: „Rühre Mich nicht an?“ Der Herr läßt sich, wie gesagt, von den Jüngern anrühren, um sie von der wirklichen Gegenwart Seines Leibes zu überzeugen. Andererseits aber gibt Er Maria zu verstehen, daß Er tatsächlich diese Welt verlassen hat. Er will nicht, daß sie Ihn in der Aufwallung eines irdischen Gefühls berührt. Bald wird Er wieder zum Vater zurückgekehrt sein, um sich zur Rechten der göttlichen Majestät zu setzen, bald wird Johannes, der Lieblingsjünger, als er des Menschen Sohn in Seiner Herrlichkeit wiedersieht, zu Seinen Füßen fallen wie ein Toter. Offb. 1, 17. In diesem Sinne schreibt Paulus: „ Ob wir auch Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir Ihn doch jetzt nicht mehr.“ 2. Kor. 5, 16.
8. Hat Jesus Christus nach der Himmelfahrt Seinen auferstandenen Leib behalten?
Gewiß! Die Heilige Schrift bezeugt es. Als Hesekiel im Himmel den Thron des Ewigen sieht, erblickt er „Einen, gleichwie ein Mensch gestaltet“, ringsum von strahlendem Licht umgeben, „dies war das Ansehen der Herrlichkeit des Herrn“. Hes. 1, 26-28 .
Daniel schreibt: „Siehe, es kam Einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn bis zu dem Alten (Gott-Vater) . . . Der gab Ihm Gewalt, Ehre und Reich.“ Dan. 7, 13-14.
Johannes sieht auf Patmos den auferstandenen Christus: „Ich sah Einen, Der war eines Menschen Sohn gleich.“ Dann gibt uns der Apostel eine ausführliche Beschreibung des verklärten Leibes des Herrn. Er spricht von Seinem Haupte, Seinen Augen, Seinen Füßen, Seiner Stimme, Seiner Hand, Seinem Mund, Seinem Angesicht. Er sagt, daß Ihn bald alle Augen sehen werden. Jesus selbst behält den Namen „Menschen Sohn“ bei, wenn Er von Seiner herrlichen Wiederkehr spricht: „Es wird geschehen, daß des Menschen Sohn komme in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln . . .
Wie glücklich macht uns die Gewißheit, daß wir im Himmel nicht allein von der erhabenen göttlichen Majestät empfangen werden, sondern von einem von uns, dem auferstandenen Menschensohn. Jesus ist wahrlich nicht nur hier auf Erden Mensch geworden, Er hat auch bis in die Ewigkeit die Züge unseres verklärten Menschentums bewahrt.
9. Von wem ist Jesus auferweckt worden? Jesus ist „die Auferstehung und das Leben“. Joh. 11, 25. . . .
Er sagt: ,,Ich lasse Mein Leben, auf daß Ich’s wiedernehme. . . . Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Solch Gebot habe Ich empfangen von Meinem Vater.“ Joh. 10, 17-18.
„Den hat Gott auferweckt und aufgelöst die Schmerzen des Todes . . . Diesen Jesus hat Gott auferweckt“, Apg. 2, 24. 32 usw. . . . „Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters.“ Röm. 6, 4.
Endlich sagt die Heilige Schrift: Durch den Geist geschieht die Auferstehung. „So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß Sein Geist in euch wohnt. Röm. 8,11. „Der Geist ist’s, der da lebendig macht.“ Joh. 6, 63.
Die Bibel schreibt demnach die Auferweckung allen drei Personen der Dreieinigkeit zugleich zu. Sie sind unzertrennlich und wirken nur gemeinsam.
Die Erschaffung der Welt wird dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geist zugeschrieben. 1. Mose 1,1. 2; Hebr. 1, 2. 10.
Das Erlösungswerk wird ebenfalls allen drei göttlichen Personen zugeschrieben: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab.“ Joh. 3,16.
„Es ist in keinem anderen Heil (Jesus).“ Apg. 4, 12 .
„Der Geist ist’s, der lebendig macht . . . Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Joh. 6,63; 3,5.
Es ist daher nicht verwunderlich, daß es auch der Zusammenarbeit der ganzen Dreieinigkeit bedurfte, um das große Osterwunder zu vollbringen. 


10. Welche Folgen haben sich für Jesus Christus aus Seiner Auferstehung ergeben?
1. „Er ist kräftig erwiesen als ein Sohn Gottes . . . , der da heiligt seit der Zeit, da Er auferstanden ist von den Toten.“ Röm. 1, 4.
Gewiß, die Gottessohnschaft Jesu Christi war bis dahin schon immer von der Heiligen Schrift, von Gott-Vater und vom Heiland bezeugt worden. Aber solche Erklärungen wären vollkommen nichtig, wenn Jesus im Grabe geblieben wäre. 
Wenn Er nicht auferstanden wäre, so hätte Er bewiesen, daß die Heilige Schrift sich getäuscht hätte und daß Er selber nur ein machtloser Mensch gewesen wäre. Aber als Er Ihn aus dem Grabe zog, hat Gott bewiesen, daß Sein Wort wahr ist und daß Er die Person und das Werk Seines Sohnes vollkommen bejahte. . . .
2. Alle Gewalt ist dem auferstandenen Herrn gegeben worden. Jesus sagt Seinen Jüngern: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden . . . Und siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ Matth. 28, 18.
Von nun an sitzt Jesus zur Rechten Gottes. . . .
3. „Christus, von den Toten erweckt, stirbt hinfort nicht, der Tod wird hinfort nicht über Ihn herrschen.“ Röm. 6, 9. . . .
Ohne die Auferstehung gäbe es für uns heute weder Gegenwärtigsein noch Jesu Christi Wirksamkeit.

4. Der Herr ist dank Seiner Auferstehung tätiger und gegenwärtiger denn je. Die Apostelgeschichte ist im Grunde nicht richtig benannt. Der Titel dieses Buches müßte heißen: „Die Geschichte des lebendigen Christus, der kraft des Heiligen Geistes durch Seine Jünger wirkt.“
Der Herr wirkt in der Tat mit Seinen Jüngern.
Er gibt Seinen Zeugen Seine Befehle und sendet sie aus.
Er nimmt den Geist Stephanus’, des ersten Blutzeugen, auf.
Er bekehrt und ruft Saulus von Tarsus.
Er ermutigt Seinen Apostel zu Korinth.
Dann sendet Er ihn bis nach Rom.
Diese „Geschichte des Herrn“ wird erst bei Seiner Wiederkunft enden, denn Er lebt in dem Herzen eines jeden Seiner Jünger: „Christus lebt in mir.“ Gal. 2,20. „Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Kol. 1,27.
Alle diese Zeugnisse, alle diese Bibeltexte wären sinnlos, wenn Christus nicht auferstanden wäre.


11. Welche Folgen ergeben sich für die Gläubigen aus der Auferstehung Christi?
Um uns im nächsten Kapitel nicht zu wiederholen, erwähnen wir hier nur drei Punkte:
a) Die Auferstehung Christi schafft unser Heil und unsere eigene Auferstehung.
Jesus „ist um unserer Sünde willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferweckt“. Röm. 4, 25. Die Auferstehung hat bewiesen, daß Gott die Opfertat am Kreuz angenommen hat. Sonst hätten wir keinen Heiland, der uns rechtfertigt.
„Denn so wir Gott versöhnt sind durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, viel mehr werden wir selig werden durch Sein Leben, so wir nun versöhnt sind.“ Röm. 5,10. Das Kreuz nimmt unsere Sünden hinweg und versöhnt uns mit Gott. Die Auferstehung vollendet in uns das gute Werk und läßt uns vor Gott leben. . . .
„Der, so den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken durch Jesum und wird uns darstellen samt euch.“ 2. Kor. 4,14.
Man versteht nunmehr die kräftigen Zeugnisse der Apostel. Petrus erklärt, daß wir durch die Auferstehung Jesu Christi die Seligkeit er langt haben. 1. Petr. 3, 21. Und Paulus wiederholt eindringlich, daß, wenn Christus nicht auferstanden wäre, unser Glaube vergeblich wäre und daß wir die elendesten unter allen Menschen wären. 1. Kor. 15,14…
b) Christus, der letzte Adam, schafft eine neue Menschheit.
Paulus vergleicht in Römer 5, 12-21 Adam mit Jesus Christus. Der erste Mensch hat durch eine Übertretung alle Menschen in die Verdammnis gezogen, Christus durch eine Gerechtigkeit – Seinen Kreuzestod – allen Menschen die Rechtfertigung gebracht.
1. Korinther 15 geht der Apostel noch weiter. Er unterstreicht noch mehr die Wirkung der Auferstehung Jesu Christi auf die ganze Menschheit: „Sintemal durch einen Menschen der Tod und durch einen Menschen die Auferstehung der Toten kommt, denn gleichwie in Adam alle sterben, also werden in Christo alle lebendig gemacht werden.“ 1. Kor. 15, 21-22.
Adam, der erste Mensch, wurde eine lebendige Seele.
Christus, der letzte Adam, wurde ein Geist, der da lebendig macht.
Adam ist irdisch, .,natürlich”, und seine Söhne sind nach seinem Bilde irdisch.
Christus, der zweite Mensch, ist vom Himmel. Diejenigen, die Er zeugt, werden nach Seinem Bilde auch himmlisch sein. 1. Kor.15, 45-49.
c) Christus ist der Erstling unter denen, die da schlafen. 1.Kor. 15,20 und Apg. 26,23.
Es hat vor und nach Jesus Christus mehrere Auferstandene gegeben, aber alle ohne Ausnahme mußten ins Grab zurückkehren. Christus allein, „von den Toten erweckt, stirbt hinfort nicht“, Röm. 6, 9.

Er allein ist als Siegesheld in das Jenseits eingegangen. Alle entschlafenen Gläubigen, selbst die allerheiligsten, sind im Augenblick noch – was ihren Leib betrifft – unter der Herrschaft des Todes.
Gewiß, ihre Seele ist gerettet und beim Herrn, aber ihr Leib ist im Grabe, und sie warten auf ihres „Leibes Erlösung“. Röm. 8, 23. Am Ende der Zeiten wird sich das ändern. „Sie werden in Christo alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling Christus, danach die Christo angehören, wenn Er kommen wird.“ 1. Kor. 15, 22-23.
Eines wollen wir zum Schluß noch festhalten: Wenn Christus der Erstling ist unter denen, die da schlafen, so ist das eine feierliche Gewähr für die Auferstehung dieser Entschlafenen. Wenn die Erstlingsfrüchte eingebracht sind, wird die Ernte nicht säumen.

12. Welche Wirkung hatte die Auferstehung Christi auf die ersten Jünger?
Wir haben die Traurigkeit, das Entsetzen, den Unglauben gesehen, womit die Jünger zuerst die Auferstehung aufnahmen. Aber als sie von der unwiderleglichen Tatsache überzeugt werden, vollzieht sich in ihnen eine außerordentliche Veränderung: Die Frauen werden von unsagbarer Freude erfüllt. Als sie den Auferstandenen erblicken, fallen sie vor Ihm nieder, desgleichen die Jünger. Die Emmaus-Jünger fühlen ihr Herz in sich brennen, sie kehren zu derselben Stunde wieder nach Jerusalem zurück, um von Ihm zu zeugen. Luk. 24. Thomas ruft: ,,Mein Herr und mein Gott!“. Nachdem sie den scheidenden Christus angebetet haben, kehren die Brüder wieder nach Jerusalem zurück mit großer Freude, und sind allewege im Tempel, preisen und loben Gott. Dann verkündigen sie allenthalben die gute Botschaft. Von nun an ist Jesus für Seine treue Gemeinde nicht mehr der Zimmermann, der bescheidene Prophet von Nazareth. Er ist der, dessen vollkommene Gottheit für uns den Tod besiegt hat.
Man kann sagen, daß die Jünger in einem besonderen Sinne die Zeugen der Auferstehung werden. Zuerst und vor allem sind diejenigen, die am Ostertag das leere Grab und den lebendigen Herrn gesehen haben, damit beauftragt, die Botschaft überall zu verkündigen:
Matth. 28, 7-8: Gehet eilend hin und sagt es Seinen Jüngern, daß Er auferstanden sei von den Toten . . . und sie gingen eilend . . . daß sie es Seinen Jüngern verkündigten.

Mark. 16, 7: Gehet hin und sagt es Seinen Jüngern und Petrus!

Luk. 24, 9: Sie verkündigten das alles den Elfen.

Luk. 24, 3 5: Sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war, und wie Er von ihnen erkannt wäre.
Als die Gemeinde entsteht und sich entfaltet, sind die Jünger die „Zeugen der Auferstehung“.
Apg. 2, 32: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen.“

Apg. 4, 33: Mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus.
Darum ist es leicht zu erkennen, wie diese Osterbotschaft – neben dem Kreuz – den Mittelpunkt in den Predigten der Apostelgeschichte bildet. Siehe zum Beispiel die des Petrus (Apg. 2, 24-36) und die des Paulus (Apg. 13, 32-37). . . . Messen wir in unserem Leben und in unserer Zeugenschaft der Auferstehung auch eine solche Bedeutung bei?

13. Die Leugnung der Auferstehung und ihre Folgen.
Der die Macht des Todes hat der Teufel, und er hat vor Wut geschnaubt, als er sah, wie ihm seine Beute entrann. Von da an versucht der große Lügner erbittert, die beiden großen Tatsachen zu leugnen, die sein Reich vernichten: das Kreuz und die Auferstehung.


Zur Zeit der Apostel wie auch heute sind immer wieder viele aufgestanden und haben behauptet, daß die Ostergeschichte nur eine Legende sei. Diese Leugner befinden sich nicht nur unter den Gottesleugnern, sondern selbst unter den Predigern. In einem bekannten Werk schreibt einer der bedeutendsten modernen Theologen, daß die Mythen aus dem Neuen Testament ausgemerzt werden müßten, und nennt als eine der größten die Auferstehung Christi. (Bultmann: Die Entmythologisierung des Neuen Testaments). Jesus – so behauptet man – wäre nur geistlich auferstanden, Sein Leib wäre im Grabe geblieben, da das Wunder einer leiblichen Auferstehung durchaus unmöglich sei. Aber Jesus hätte im Geiste Seiner Jünger weitergelebt, der von der Erinnerung an Ihn, von Seinem Beispiel und Seiner Lehre ganz durchdrungen gewesen wäre. Sie wären derartig von Seiner geistigen Gegenwart erfüllt gewesen, daß die Legende der Evangelien entstanden wäre.
Sagen wir ganz klar: Eine „geistliche“ Auferstehung Jesu ist eine Sinnlosigkeit. Gewiß, die Seele des Herrn ist im Totenreich gewesen, aber ohne jemals tot zu sein. Apg. 2, 27. Der Leib Jesu ist wieder zum Leben erweckt worden – und ohne diese Auferstehung wäre die ganze evangelische Verkündigung nichtig.
So aber Christus gepredigt wird, daß Er sei von den Toten auferstanden, wie sagen denn etliche unter euch, die Auferstehung der Toten sei nichts? Ist aber die Auferstehung der Toten nichts, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist auch unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. ” 1.Kor. 15, 12-14.
In dieser berühmten Stelle steht Paulus gegen die Leugnung der Auferstehung auf und schildert ihre furchtbaren Folgen:
1. Die Auferstehung Christi ist mit der Auferstehung der Toten eng verbunden. Vers 12.

2. Wenn die eine fällt, so gibt es auch die andere nicht. Vers 13. 16.

3. Die Predigt und die Briefe der Apostel wären in diesem Falle nur Lügen falscher Zeugen. Vers 14-15.
Die Heilige Schrift selber hätte sich getäuscht, und wir hätten weder ein Altes noch ein Neues Testament.
4. Unser Glaube wäre vergeblich und das Evangelium ohne Inhalt. Vers 14. 17. Könnten wir an einen Heiland glauben, der noch im Grabe und demnach ein machtloser Sünder ist?

5. Das Erlösungswerk Christi wäre nichtig, wir wären noch in unseren Sünden und die, so in Christo entschlafen sind, wären verloren. Vers 17. 18.

6. Wir Gläubigen wären die elendesten unter allen Menschen. Wir wären in diesem Leben getäuscht und hätten unsere Hoffnung auf einen Wahn gesetzt – und hätten auch in der andern Welt kein Heil zu erwarten. Vers 19.

7. Der Glaube der ersten Gemeinde an die Auferstehung würde dadurch zum Gespött. Vers 29.

8. Die Leiden und die Kämpfe der Diener Gottes (um seines Glaubens willen hat Paulus sogar zu Ephesus mit wilden Tieren gefochten) wären vollkommen zwecklos. Vers 30-32. Und wo bliebe die göttliche Gerechtigkeit?

9. Wenn wirklich die Toten nicht auferständen, so hätten die Weltmenschen recht, wenn sie sagen: ,.Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.” Das Leben hätte keinen Sinn mehr. Nur die irdischen Güter hätten Wert. Aber wir haben gesehen, wie sie – weit davon entfernt, uns zu befriedigen – uns schließlich allein lassen angesichts der Verzweiflung. Wenn sich für die Ungläubigen das „morgen sind wir tot” in „heute ” verwandelt, so bedeutet dies die furchtbare Begegnung mit Gott und die ewige Verdammnis.
10. Diejenigen, die die Auferstehung unseres Herrn leugnen – und damit auch unsere eigene Auferstehung -, sind schlechte Gesellschaft und verderben gute Sitten. Wer sich mit solchen Menschen einläßt, setzt seinen Glauben und endlich auch seinen Lebenswandel aufs Spiel. Haben wir uns durch solch einen Verkehr beeinflussen lassen, so wollen wir uns wieder auf uns selbst besinnen und nicht mehr sündigen. Diejenigen, die Ostern leugnen, kennen Gott nicht, sie sind ohne Christus, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. Eph. 2, 12
Wir wollen für sie beten und versuchen, ihnen unseren Glauben mitzuteilen, wir, die wir aus Erfahrung wissen:


Christus ist wahrhaftig auferstanden!

Kapitel II DIE AUFESTEHUNG DER GLÄUBIGEN

1. Gott hat uns für das Leben und nicht für den Tod bestimmt.
Der Tod, so sagten wir, war nicht im ursprünglichen Plan Gottes. Der Mensch hat ihn als seiner Sünde Sold kennengelernt. Aber der Herr läßt es dabei nicht bewenden. Er versäumt niemals, Seine Pläne auszuführen. Durch die Auferstehung des Leibes und der Seele schafft Er sich Genugtuung und versetzt uns in einen noch höheren Stand als den im Garten Eden. Gott wird ausführen, was Er gesagt hat, Er wird wiederherstellen (Apg. 3, 21) und darüber hinaus noch mehr schaffen:
„So wahr Ich lebe, spricht der Herr, Herr, Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von Seinem Wesen und lebe. So bekehret euch doch nun von eurem bösen Wesen…“ Hesek. 33, 11.

2. Die Auferstehung nach dem Alten Testament.
Man hat oft gesagt, daß das Alte Testament wenig vom Jenseits spricht. Das ist in gewissem Sinne richtig, denn die Offenbarung schreitet allmählich fort, und das meiste Licht über diesen Punkt haben uns Jesus Christus und Seine Apostel gegeben.
Bei den Juden war die unmittelbare Gegenwart des Ewigen solch eine Wirklichkeit, daß sie den Ausblick auf das zukünftige Leben überstrahlte. Das Alte Testament gibt keine bestimmte Lehre über die Unsterblichkeit, aber es stellt den Gläubigen in die Verbindung mit dem lebendigen Gott, der ihn zur Unsterblichkeit führen wird. Man kann von den Männern des Alten Bundes sagen, daß sie hauptsächlich folgendes voraussahen:
– den Ort der Toten – unter der Erde -, aber noch nicht die Hölle, und zu gleicher Zeit

- das messianische Reich – auf der Erde -, aber noch nicht den Himmel.
Wenn man sich jedoch in das Alte Testament vertieft, so ist man erstaunt, wieviel es – immer in bestimmter Form – von der Auferstehung verkündigt.
a) Die Auferweckungen im Alten Testament.
Drei Beispiele von Auferweckungen bezeugen in der Geschichte Israels, daß der Tod – wenn Gott es will – nicht endgültig ist.
– 1. Kön. 17, 20-22: Elia erweckt den Sohn der Witwe zu Zarpath.

– 2. Kön.4, 34-35: Elisa tut das gleiche mit dem Sohn der Sunamitin.

– 2. Kön. 13, 21: Allein die Berührung mit den Gebeinen Elisas erweckt einen Toten, den man in Elisas Grab warf.

b) Die Entrückungen.
Henoch (1. Mose 5, 24) und Elia (2. Kön. 2, 11) werden in den Himmel entrückt, ohne den Tod zu schmecken. (Hebr. 11,5.)
Diese verschiedenen Beispiele von Auferweckungen und Entrückungen künden zugleich prophetisch an, was einst den Gläubigen widerfahren wird: Die Toten in Christo werden auferstehen – die lebenden Gläubigen werden zugleich mit ihnen hingerückt werden in den Wolken, ohne durch den Tod zu gehen.

1. Thess. 4, 16-17.

c) Die Sinnbilder der Auferstehung.
Wir haben schon drei erwähnt, nämlich:
Isaak, 1. Mose 22, 5.

den Stab Aarons, 4. Mose 17, 8.

Jona, Matth. 12, 39-40.

Wir finden auch noch eines in dem Gesicht von den verdorrten Totengebeinen, Hesekiel 37, 1-14. Der Prophet sieht ein weites Feld voller Totengebeine, die das Haus Israel darstellen. „Des Gebeins lag sehr viel auf dem Felde, und sie waren sehr verdorrt.“ Gott fragt ihn: „Meinst du auch, daß diese Gebeine wieder lebendig werden?“ Und Hesekiel antwortet: „Herr HErr, das weißt Du wohl“ (Das bedeutet, daß eine solche Möglichkeit das Fassungsvermögen und die Macht des Menschen übersteigt.) Dann läßt der Herr zweimal Seinen Geist über diese Gebeine wehen. Sie kommen wieder zusammen, Fleisch und Haut wachsen auf ihnen, der Odem tritt in sie ein, sie werden wieder lebendig, sie richten sich auf ihre Füße, und ihrer ist ein sehr großes Heer. Und Gott beschließt dieses Gesicht mit dem herrlichen Versprechen: „Ich will eure Gräber auftun und will euch, Mein Volk, aus denselben herausholen . . . und Ich will Meinen Geist in euch geben, daß ihr wieder leben sollt.“ Vers 12. 14.
Über diese Weissagung von der nationalen Wiedererstehung Israels hinaus enthält diese Stelle eine für das Alte Testament erstaunliche Vorschau auf die Auferstehung. Bald wird der Geist Gottes über alle die Totengebeine wehen, die nicht nur zerstreut, sondern sogar wieder zu Erdenstaub zerfallen sind. Er wird die Toten wieder zum Leben erwecken, und das wird wahrlich ein großes, sehr großes Heer sein. Hes. 37, 15-28.

d) Andere Versprechen und Anspielungen auf die Auferstehung.
Jesus gibt folgende Erläuterungen zu der Geschichte von dem brennenden Busch, 2. Mose 3, 6: „Daß aber die Toten auferstehen, hat auch Mose gedeutet bei dem Busch, da er den Herrn heißt Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs. Gott aber ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott, denn sie leben Ihm alle.“ Luk. 20, 37-38. . . Wenn die Toten für Gott nicht „lebend“ und für die Auferstehung bestimmt wären, so würde Er nicht „Ich bin“, sondern „Ich war der Gott Abrahams“ sagen.
Wahrhaft erhaben ist der Jubelruf Hiobs: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird Er sich über den Staub erheben. Und nach dem diese meine Haut zerschlagen ist, werde ich ohne mein Fleisch Gott sehen. Denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden Ihn schauen und kein Fremder…“ Hiob 19, 25-27.
Jesaja kündet die Auferstehung des Messias an und sagt weiter: „Und Er wird auf diesem Berge die Hülle wegtun, damit alle Völker verhüllt sind . . . und Er wird den Tod verschlingen ewiglich und der Herr HErr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen.“ Jes. 25, 7-8.
Daniel schreibt: „Viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen – etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande . . . Dan. 12, 2.
Hosea 13,14 steht geschrieben: „Ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tod erretten. Tod, Ich will dir ein Gift sein, Hölle, Ich will dir eine Pestilenz sein.“
Dank solcher Offenbarungen des Alten Testamentes glaubten die Juden zur Zeit Jesu Christi an die Auferstehung mit Ausnahme der Sadduzäer, der damaligen Liberalen. . . .
Paulus sagt zu Felix: „Ich diene also dem Gott meiner Väter, daß ich glaube allem, was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten und habe die Hoffnung zu Gott, auf welche auch sie selbst warten, daß zukünftig sei die Auferstehung der Toten, der Gerechten und Ungerechten.“ Apg. 24, 14-15.

3. Die Auferweckungen in den Evangelien und in der Apostelgeschichte.
Zu den drei Auferweckungen im Alten Testament finden wir noch sechs im Neuen Testament:
1. der Sohn der Witwe zu Nain, Luk. 7, 13-15;

2. Jairi Töchterlein, Luk. 8, 54-55 ;

3. Lazarus, Joh. 11, 41-44;

4. die Heiligen, die beim Tode Jesu auferstanden, Matth. 27, 52-53;

5. Tabea, Apg. 9, 40;

6. Eutychus, Apg. 20, 9-12.

Hierzu möchten wir einige Anmerkungen machen:
a) Die Auferweckungen bildeten einen Teil der Wunder, die dazu bestimmt waren, den Auftrag dessen, der die „Auferstehung“ war, und Seiner Apostel zu bestätigen. Joh. 5, 36.
b) Sie waren verhältnismäßig zahlreich und wohl hinreichend, um zu gleicher Zeit die Möglichkeit und die Wirklichkeit eines Lebens nach dem Tode zu beweisen. Sie bereiteten die vollkommeneren Offenbarungen vor, die bald danach gegeben werden sollten.
c) Wie wir schon bemerkten, waren sie alle nur zeitweilig. Alle diese Auferweckten haben noch ein zweites Mal sterben müssen (eine unangenehme Erfahrung, die die Heilige Schrift in keinem Falle schildert). Christus ist und bleibt bis zu Seiner Wiederkehr der einzige wahrhaft Auferstandene, der Erstling unter denen, die da schlafen.
d) Keiner der Auferweckten, weder des Alten noch des Neuen Testamentes, gibt uns irgendwelche Kunde, erzählt irgend etwas von Seinem Todesweg und von dem Ort der Toten. Unsere Neugier hätte sie wohl gerne fragen mögen, aber die Heilige Schrift ist wortkarg über das Gebiet des Jenseits, und was sie sagt, muß uns genügen.
e) So außerordentlich für die Verstorbenen und ihre Familien ihre Auferstehung auch war, uns hat Gott noch unendlich Besseres vorbehalten. Das elfte Kapitel des Hebräerbriefes sagt uns: „Weiber haben ihre Toten durch Auferstehung wiederbekommen, andere aber sind zerschlagen und haben keine Erlösung angenommen, auf daß sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten.“ Vers 35.
Ist es wirklich so wünschenswert, seinen Tod einige Jahre zu verzögern und auf diese Erde zurückzukehren, nachdem man schon Abschied genommen hat? Für Paulus ist abzuscheiden und bei Christus sein viel besser. Wir wollen uns mit ihm darüber freuen, daß uns Gott die bessere Auferstehung vorbehalten hat.

4. Auch die Natur lehrt uns die Auferstehung.
Ein einziger Gott hat die irdische und die geistliche Welt geschaffen. Es ist also nicht erstaunlich, daß diese beiden Sphären oft dieselben Gesetze haben. Nachdem er die Heilige Schrift zum Zeugen angerufen hat, sucht Paulus in der Natur Beweise und Veranschaulichungen für das, was er behauptet. 1. Kor. 15, 4. 35-41.
a) Der Tod erzeugt das Leben. „Möchte aber jemand sagen: Wie werden die Toten auferstehen, und mit welchem Leibe werden sie kommen? Du Narr! Was du säst, wird nicht lebendig, es sterbe denn.“ 1. Kor. 15, 35-36.
„Es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt’s allein, wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.“ Joh. 12, 24.
Zu diesem großen allgemeinen Gesetz wollen wir zwei bestimmte Beispiele anführen:
Das Weizenkorn.
Wir haben auf der Bibelkonferenz zu Morges über diesen Gegenstand zwei Vorträge des hervorragenden Gelehrten Professor Henri Devaux, Bordeaux, gehört. In meisterhafter Weise hat unser Freund uns die vollkommene wissenschaftliche Genauigkeit des Verses Johannes 12,24 bewiesen. Das Weizenkorn stirbt buchstäblich. Sein Tod bedeutet die Geburt der neuen Pflanze, die Frucht bringen wird.
Die Kartoffel.
Wer hat noch nicht bei der Kartoffelernte zugesehen? Manchmal findet man dabei die Knolle wieder, die man im Frühjahr in die Erde gelegt hat. Sie ist braun, hart, sie scheint beinahe unverändert. In diesem Falle hat sie keinen Ertrag gebracht. Die Kartoffel dagegen, die eine reiche Ernte gebracht hat, ist im Grunde gar nicht mehr vorhanden. Sie hat ihre Kraft, ihr Leben für die neue Pflanze dahingegeben. Von ihr ist nur noch ein unkenntliches, verfaultes Überbleibsel vorhanden.
Der Tod erzeugt also Leben. Wenn dieses Gesetz in der irdischen, natürlichen Welt herrscht, warum erscheint es uns dann in der geistlichen Welt sinnlos oder erschreckend?
b) Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Samen und der Pflanze oder dem Leib, den er hervorbringt.
„Was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, etwa Weizen oder der andern eines. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie Er will, und einem jeglichen Samen seinen eigenen Leib.“ 1. Kor. 15, 37-38. Das Senfkorn „ist das kleinste unter allem Samen, wenn es aber erwächst, so ist es größer als der Kohl und wird ein Baum, daß die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen unter seinen Zweigen”. Matth. 13, 31-32. Wenn wir nachdenken, finden wir, daß das Samenkorn uns etwas Besonderes lehrt:
Der Größenunterschied zwischen dem oft kaum wahrnehmbaren Samenkorn und der neuen Pflanze ist ungeheuer. Aus einer Eichel erwächst ein riesengroßer Baum.
So wird auch ein unerhörter Unterschied zwischen dem Leib, den wir in die Erde legen, und dem Auferstehungsleib sein.
Der Samen birgt unter scheinbarem Tod das Leben.
Ein trockenes hartes Korn, ein Samenstaub, Fruchtkerne, alle Arten von Samen scheinen tot und bergen doch in sich das Leben. Um die wirklich toten Samenkörner zu erkennen, gibt es nur ein Mittel: wir müssen sie alle in die Erde legen und abwarten, welche von ihnen noch keimfähig sind.
Wenn dem so ist, warum sollten wir dann staunen, wenn Gott unseren Leib als Samenkorn betrachtet, den Leib, der in die Erde gelegt wird und in sich die außerordentliche Fähigkeit birgt, zu einem künftigen Leben zu erstehen?
Der Samen bewahrt sehr lange seine Keimkraft. . . .

Derselbe Gott, der diese Wunder wirkt, kann auch nach Tausenden von Jahren die schlafenden Leiber wieder zum Leben erwecken.
Wenn auch der Unterschied zwischen dem Samenkorn und der neuen Pflanze so groß ist, so kann derselbe Same doch nur immer dieselbe Pflanze hervorbringen.
Was der Mensch sät, wird er ernten und nichts anderes. Aus einem Karottensamen wird kein Salat und aus einer Bohne keine Erbse. Es überrascht uns daher nicht, wenn Paulus schreibt: „Was der Mensch sät, das wird er ernten . . . Wer auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.“
Das Leben, das wir hier führen, wird in der anderen Welt fortgesetzt werden und dieselben Folgen zeitigen. Die einen haben für Gott gelebt und werden zur herrlichen Ewigkeit auferstehen, die andern haben für sich selbst gelebt und werden zum Gericht auferstehen.
Die Umwandlung des Samenkorns in die neue Pflanze ist für uns ein Geheimnis.
In einem kleinen Samenkorn sind als Keim alle die wesentlichen Bestandteile enthalten, (Information) die das Einzelwesen und die Art bilden: Form, Größenverhältnis, Farbe, unterscheidende Eigenschaften. Das ist für jeden unvoreingenommenen Geist ein wahres, ein unerklärliches Wunder. Wie aus der Hülle, die im Grabe liegt, der Auferstehungsleib wird, können wir nicht erklären. Wie die Grundstoffe des in Staub zerfallenen Leibes sich wieder zusammenfinden, das weiß Gott allein, aber für Ihn wird es keine Schwierigkeit bedeuten.
Alte Kirchenväter und verschiedene katholische Gottesgelehrte sind der Ansicht, daß sich die kleinsten Teilchen (Partikel) unseres gegenwärtigen Leibes wieder zusammenfinden und den Auferstehungsleib bilden werden. Darum sind sie auch so scharfe Gegner der Einäscherung. Der Leib Jesu Christi ist allerdings so schnell wieder auferstanden und verwandelt worden, daß er sich nicht aufgelöst hat. Wie ist es aber zum Beispiel mit dem Leib Adams und der Patriarchen? Was würde aus den Leibern derer, die in Bombennächten verbrannt sind, wenn das Feuer die Auferstehung des Leibes verhinderte? Wenn man sich auf solch ein Gebiet wagt, könnte man schließlich auch fragen, welcher Körper denn nun eigentlich auferstehen sollte, der Leib der Jugend, des hohen Alters oder der Leib, den wir gerade bei unserem Tode haben? Man sagt, daß sich unser Leib abnutzt, daß sich seine Zellen im Zeitraum von sieben Jahren vollkommen erneuern und andere Körper bilden. Welche dieser Zeugen werden an unserer eigenen Auferstehung teilhaben? Es genügt, diese Fragen aufzuwerfen, um zu verstehen, daß hier nur Gott allein zu bestimmen hat.
Er, der soviel für uns Unverständliches erschuf, wird auch erfüllen, was Er uns versprochen hat. Er wird durch Seine Macht einen neuen Leib ins Leben rufen, der die herrliche Fortsetzung unseres gegenwärtigen Leibes sein wird. – Da wir die Einäscherung erwähnt haben, wollen wir noch folgendes hinzufügen: Im Altertum war die Einäscherung mit heidnischen Bräuchen verbunden und daher für die Juden ein Greuel.
Die Kanaaniter verbrannten ihre Kinder lebendig zu Ehren ihres Götzen Moloch. 5. Mose 12, 31. In unseren Tagen haben noch einige heidnische Religionen die Totenverbrennungen beibehalten, und es ist noch nicht lange her, daß die indischen Witwen sich auf den Scheiterhaufen ihres Gatten warfen.
Darum haben manche Christen Bedenken gegen die Einäscherung. Die Beerdigung erscheint ihnen eine natürliche Art, die Worte 1. Mose 3,19 zu erfüllen: „ .. . bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist.“
Wir wollen Achtung vor diesen Bedenken haben, aber auf alle Fälle wissen, daß diese Fragen unsere Seligkeit nicht ausmachen.

c) Die Tierwelt lehrt uns auch die Auferstehung.
Nachdem er von Samen und Pflanzen gesprochen hat, erwähnt Paulus das Fleisch des Menschen, das Vieh, die Vögel, die Fische, 1. Kor. 15,39. Es gibt verschiedene Zeiträume im Leben dieser Wesen: Befruchtung, Schwangerschaft oder Trächtigkeit, Geburt, und dann ein voll entfaltetes Leben.
Wir können den gegenwärtigen Zustand des Menschen mit dem Zustand der Schwangerschaft vergleichen. Das Leben ist ihm zwar gegeben, aber es ist begrenzt. Es verlangt danach, täglich zu wachsen. Bald wird uns die Auferstehung frei machen, und wir werden für immer das voll entfaltete vollkommene himmlische Leben genießen.
Die Insekten haben uns ebenfalls viel zu sagen, vor allem die Raupe, die zum Schmetterling wird. Ihre Entwicklung durchläuft drei Phasen: die Raupe, die oft ein sehr unscheinbares Äußeres hat, schwerfällig ein herkriecht und Blätter frißt, die Puppe, worin das Tier unbeweglich und gleichsam tot wie in einem Sarge liegt, der Schmetterling mit leuchten den Flügeln, der im Sonnenschein daherfliegt und Blütensaft trinkt. Wenn wir es nicht aus Erfahrung wüßten, wie könnten wir dann glauben, daß diese drei Wesen im Grunde ein und dasselbe sind, das verschiedene Entwicklungsstufen durchläuft? So ist auch manchem Menschen ein trübes, trauriges Erdenleben beschieden, er wird ins Grab gelegt, und alles scheint zu Ende zu sein, aber dann folgt die herrliche Auferstehung in der Gegenwart Gottes.
Die Larve der Libelle lebt im Wasser, und das fertige Insekt verläßt das niedere Element und schwingt sich in die Luft. Ist es denn außergewöhnlicher, wenn der Mensch die Erde verläßt und dafür den Himmel eintauscht?

d) Das ganze Weltall ist von unendlich verschiedenen Körpern bevölkert.
Es gibt die Pflanzen, den Menschen, die verschiedenen Tierarten: Vieh, Vögel, Fische usw. 1. Kor. 15, 37-38. Die modernen Gelehrten haben siebenhunderttausend verschiedene Arten festgestellt. Dieselbe Verschiedenheit weisen die unbelebten Körper, die irdischen so wohl wie die himmlischen, auf. Die Sonne, der Mond, die Milliarden Sterne zeigen einen unerschöpflichen Reichtum der Schöpfung. Und der Gott, der das alles geschaffen hat, ist wohl imstande, uns nach dem ersten Leib einen anderen, neuen Leib zu gewähren.
Wenn wir über den Text des Paulus hinausgehen, können wir in der Natur noch andere Gleichnisse der Auferstehung finden, zum Beispiel die Jahreszeiten.
Frühling, Jugend des Jahres – Jugend, Frühling des Lebens!
Sommer, die mit Früchten beladene Reife!
Herbst, die Ernte, der Verlust
Winter, der scheinbare Tod, den der Schnee mit seinem eisigen Leintuch bedeckt.
Dann aber beginnt ein neuer Kreislauf. Wie von einem Zauberstab berührt, springen die Knospen auf, alles grünt und blüht, die Vögel singen, die Blumen duften, und alles ist voller Freude. Der Mensch und die Menschheit selber durchlaufen einen ähnlichen Kreis. Jugend, Reife, Verlust, Tod. Aber dieser Tod ist nur scheinbar und vorübergehend.
Bald folgt die Auferstehung und der ewige Frühling.
Diese große Lehre der Natur ist wunderbar und klar. Selbst die Kinder können sie verstehen, während sich die Erwachsenen die Ohren verstopfen, um nichts davon zu hören.
Demjenigen, welcher fragt: „Wie werden die Toten auferstehen, und mit welcherlei Leib werden sie kommen?“ antwortet Paulus rücksichtslos: „Du Narr!“ 1. Kor. 15, 35. Dann erinnert er an die einfachen Tatsachen, die wir gerade behandelt haben. Werden wir unter den Klugen sein, die sich vor den Gesetzen der geistlichen und der irdischen Welt beugen, oder unter den Narren, die nur annehmen, was ihnen gefällt, und leugnen, was sonnenklar ist


5. Wie wird der Auferstehungsleib sein?
„Möchte aber jemand sagen: Werden die Toten auferstehn, und mit welcherlei Leib werden sie kommen?“
Diese Frage hat uns die Heilige Schrift auf eine Weise beantwortet, daß wir voll befriedigt sein müssen.
Sie betont zuerst einmal, daß die Auferstehung durchaus leiblich sein wird, nachdem die geistliche Auferstehung bei unserer Wiedergeburt stattgefunden hat. Der leibliche Tod ist durch die Sünde gekommen und nicht nach dem ursprünglichen Willen Gottes. Wenn die Erlösung vollkommen sein soll, so muß sie gleicherweise auch den Leib wiederherstellen. Sie ist nicht eine Erlösung „außer dem Leibe“, sondern die Erlösung des Leibes selbst. Röm. 8, 23.
Wir wollen nun zur Beschreibung des Auferstehungsleibes übergehen!

a) Der Leib wird gesät verweslich und wird auferstehn unverweslich.
Unser sterblicher Leib ist aus verweslichem Stoff. Welches Kampfes bedarf es, ihn vor gefährlichen Ansteckungen zu schützen, vor den Bazillen, die ihn unablässig bedrohen! Wenn ihn dann der Geist nicht mehr belebt, wenn das Herz still steht, zersetzt er sich erschreckend schnell. Alles Fleisch ist wie Gras: es welkt und verschwindet. Schönheit, Kraft, Jugend, alles versinkt im Grabe.
Aber „die Toten werden auferstehn unverweslich . . denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit“. 1. Kor. 15, 52. Bald wird es keine Krankheiten, keine eitrigen Wunden, keine Verwesung mehr geben. Das wird die Sicherheit und Unverweslichkeit sein.

b) Es wird gesät in Unehre und wird auferstehn in Herrlichkeit. 1. Kor. 15, 43.
Die Bibel lehrt nicht, daß wir den Leib verachten sollen. Der Leib an sich ist nicht schlecht. Er ist mit all seinen Organen ein Wunderwerk des Schöpfers, der alles gut geschaffen hat. Der Leib des Gläubigen ist überdies auch noch der Tempel des Heiligen Geistes. 1. Kor. 6, 19.
Paulus warnt vor einer gewissen Askese und vor einer Verachtung des Leibes, „welche des Leibes nicht schonen und dem Fleisch nicht seine Ehre tun zu seiner Notdurft“. Kol. 2, 20-23.
Warum sagt dann aber derselbe Apostel an anderer Stelle, daß der Leib in Unehre gesät wird? Weil der Leib, der an sich gut ist, das Werkzeug der Sünde und unseres aufrührerischen Willens geworden ist. Mit ihm befriedigen wir unsere schändlichen Lüste, mit ihm reden und handeln wir, wie es nicht recht ist. Darum müssen wir diesen Leib fest am Zügel halten, daß er den rechten Weg nicht verläßt: ,.Ich betäube meinen Leib und zähme ihn, daß ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde.” 1. Kor. 9, 27. “Wo ihr durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.” Röm. 8, 13. Eines Tages wird dieser Leib in Herrlichkeit auferstehn. Er wird weder Flecken noch Runzeln haben. Er wird den Willen des Herrn vollkommen erfüllen, da er Ihm als lebendiges, heiliges und angenehmes Opfer dargeboten wird.
Die Sünde hat unseren Leib nicht nur beschmutzt, sondern auch häßlich gemacht. Als Adam und Eva aus der Hand des Schöpfers hervor gegangen waren, müssen sie wunderbar schön gewesen sein. Heute ist die Häßlichkeit unter den Menschen verbreiteter als die Schönheit. Das müssen wir wohl zugeben, auch wenn uns persönlich unser Spiegel viel leicht etwas Schmeichelhaftes sagt. Der Herrlichkeitskörper wird zweifellos vollkommen und strahlend schön sein. Hier auf Erden wird die körperliche Schönheit oft mißbraucht, sie ist für viele ein wahrer Fall strick. Dort oben wird sie nur den Herrn verherrlichen und zu unserer Seligkeit beitragen.

c) Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehn in Kraft. 1. Kor. 15, 43.
Unser dem Tode geweihter Leib ist „schwach“, das heißt ohne Kraft. Von Geburt an – so können wir sagen -, verdirbt unser äußerlicher Mensch. 2. Kor. 4, 16.
Die Lebenskraft nimmt ab, Krankheiten stellen sich ein und dann das Alter mit seinen Gebrechen und Schwächen. So sagte einmal ein geistreicher achtzigjähriger Senator: „Ich bin ein junger Mann, der sich in einem alten Leib herumquält.“ Viele Menschen haben sich niemals völliger Gesundheit erfreuen können, sie sind mit irgendeinem Gebrechen behaftet, ein Unglücksfall hat sie für ihr Leben zum Krüppel gemacht, es fehlt ihnen einer der Hauptsinne. Viele sind beständig von körperlichen Schmerzen geplagt und können sich – menschlich gesprochen – niemals ihres Lebens freuen. . . .
Dieser Leib wird in Kraft auferstehen. Er wird weder Krankheit noch Schwachheit mehr kennen. Wir dürfen wohl glauben, daß er für die Auserwählten vollkommen sein wird. Alle, die ganz jung, krank oder verkrüppelt gestorben sind, werden einen vollkommenen Leib empfangen, der dem des Herrn gleich sein wird.

d) Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehn ein geistlicher Leib. 1. Kor. 15, 44.
Die von Paulus gebrauchten Bezeichnungen verlangen eine Erklärung. Der Ausdruck „natürlicher Leib“ heißt eigentlich im griechischen Urtext „psychischer Leib“ – Psyche bedeutet Seele. – Dieser Leib ist also von der Psyche, der Seele, belebt. Auch 1. Kor. 2, 14 spricht Paulus vom „natürlichen Menschen“ (in diesem Falle dem nicht wiedergeborenen) im Gegensatz zu dem „geistlichen Menschen“, der vom Geist Gottes geleitet wird.
Aus diesem „natürlichen Leib“ wird also ein „geistlicher Leib“ werden. Ist nicht ein Widerspruch in diesen beiden letzten Worten?
Was leiblich ist, kann doch nicht auch geistlich sein! Wir wollen uns zuerst vor Augen stellen, daß Gott imstande ist, nach Seinem Wohlgefallen unendlich viele und unendlich verschiedene Körper zu schaffen. In unserem Beispiel von der Raupe und dem Schmetterling könnte der Leib der Raupe als „natürlicher Leib“ bezeichnet werden. Wäre es zu gewagt, wenn wir uns den Leib des Schmetterlings als einem „geistlichen Leib“ vorstellten?

Von diesem Leib, den ein Windhauch gen Himmel trägt? Bei der Entrückung der Gemeinde wird der neue, geistliche Leib der Auferstandenen durch den Hauch des Heiligen Geistes gen Himmel „dem Herrn entgegen getragen werden.“ 1. Thess. 4, 16-18.
Wenn wir auferstanden sind, wird der Geist Gottes nicht nur über unsere Geister und Herzen herrschen, sondern auch über unseren Leib, den Er von den irdischen und fleischlichen Banden befreien wird.
Andererseits hat sich das Wissen um die Zusammensetzung der Körper immer weiter entwickelt. Die Strahlen X, die Radiowellen durchdringen Körper und Mauern, durcheilen unablässig den Weltraum, ohne darum aufzuhören, körperliche Ausstrahlungen zu sein. Die Entdeckungen auf dem Gebiete der Atomwissenschaft führten zu der Behauptung, daß der Stoff (die Materie) aus einer Kraft besteht, die sich in Bewegung befindet, vielleicht aus zusammengeballter Elektrizität.
Es wird für Gott leicht sein, die Kraft, die unseren augenblicklichen Leib bildet, zu dem „geistlichen Leib“ umzugestalten, von dem Paulus schreibt.
Ein moderner Astronom schreibt über diesen Punkt:
„Die Naturwissenschaftler haben bewiesen (oder glauben bewiesen zu haben. R.P.), daß die Materie aus unwägbaren Teilchen von Elektrizität besteht, die eigentlich selber nur Teilchen einer Kraft sind. Aber was ist diese Kraft und woher rührt sie? Das ist ein Geheimnis! . . . So hat in gewissem Sinn die moderne Naturwissenschaft die Materie vergeistigt oder wenigstens entstofflicht. Und die Zeit und der Raum, an denen wir uns wie an starken Seilen hielten, um uns vor dem Schwindel zu bewahren, entweichen, lösen sich in einem metaphysischen Nebel auf.
Man sieht, wie groß der Irrtum derer ist, die die Wissenschaft in Gegensatz zum Mystizismus stellen. Der Mystizismus: das Gefühl, das Erahnen eines Unkennbaren, Unfaßbaren, Unaussprechbaren; er ist das Endziel selbst, der folgerichtige Abschluß der modernen Wissenschaft.“(Charles Nordmann, L’Au-dela, Hachette Paris, 1927)
Hiernach erscheint es uns eigenartig, wie weit Paulus den menschlichen Vorstellungen voraus war. – Ein Vergleich kann uns auch noch helfen, die Bibelstelle vom natürlichen und geistlichen Leib zu verstehen:
Das Wasser zeigt drei verschiedene Formen. Es ist:

Eis – Wasser – Dampf
Fest – flüssig – gasförmig
berührbar – sichtbar – unsichtbar

hart – weich – unfühlbar.
Und trotzdem ist es immer derselbe Körper.

Welcher vernünftige Mensch könnte Gott dem Schöpfer die Macht abstreiten, den Stoffen, die unseren gegenwärtigen natürlichen Leib bilden, eine andere Form zu geben?
Bei dem ersten Leib ist die Betonung auf Seele gelegt. Natürlicher Leib – seelischer Leib – „ … der erste Mensch ward eine lebendige Seele.“

Bei dem neuen Leib ist die Betonung auf Geist gelegt: geistlicher Leib – „der letzte Adam (Jesus) ward zum Geist, der da lebendig macht“. 1. Kor. 15, 45 „ … Aber der geistliche Leib ist nicht der erste, sondern der natürliche, danach der geistliche.“ Vers 46.
Dieser Vers spricht eines der Gesetze aus, die von Gott ständig bei der Ausführung Seines Menschheitsplanes befolgt werden. Er hat Seinen Geschöpfen immer die Gelegenheit gegeben, ihren Willen und ihre Freiheit zu gebrauchen. Aber der Herr behält sich vor, einzugreifen, um wiedergutzumachen, was falsch gemacht worden ist, und um Seinen Plan herrlich hinauszuführen.
Es gibt zuerst:                                      –   Es gibt dann:
den Himmel und die Erde                 –   den neuen Himmel und die neue Erde
das irdische Paradies                         –   das himmlische Paradies
den ersten Adam                                 –  den letzten Adam, Jesus
Hagar, den ersten Bund                     –   Sara, den Neuen Bund, Gal. 4, 24-25
Ismael, den Sohn des Unglaubens   –   Isaak, den Sohn des Glaubens
Esau, den Weltmenschen                   –    Jakob, den von Gott Zerbrochenen
Israel                                                      –    die Gemeinde
Aaron, den Hohenpriester                 –   Jesus, den wahren Hohenpriester
die leibliche Geburt                             –   die Wiedergeburt
den natürlichen Leib                           –   den geistlichen Leib

Ist es notwendig, den Fortschritt zu unterstreichen, der sich von einem Begriff zum anderen vollzieht, und den endgültigen Charakter von alledem, was Gott im Reiche des Geistes vollzieht?
Was die Rolle der Seele in unserem alten und in unserem neuen Leibe betrifft, so schreibt Erich Sauer darüber, nachdem er daran erinnert hat, daß die Atome unseres irdischen Leibes alle sieben Jahre erneuert werden:
„Die Seele baut in der Kraft, die ihr der Schöpfer gibt, aus dem Stoff ihrer Umwelt fort und fort einen neuen Leib, und dennoch ist es derselbe Leib. Die Seele ist gleichsam der »Magnet« des Leibes, der den geheimnisvollen Zusammenschluß seiner Atome bewirkt. Im Tode verliert er seine magnetische Kraft, . . . in der Auferstehung aber empfängt er sie wieder zurück, und zwar in weit höherem, vollendeterem Maße. Der himmlische »Stoff« verhält sich zum irdischen Stoff wie der blitzende Diamant zur Steinkohle.“
(Erich Sauer, Der Triumph des Gekreuzigten.)

Bevor wir diesen Punkt verlassen, möchten wir noch feststellen, daß unserer Ansicht nach das „Glaubensbekenntnis“ zu Unrecht von der „Auferstehung des Fleisches“ spricht. Dieser Ausdruck ist nicht biblisch. Die Bibel spricht von einer Auferstehung des Leibes, aber genauer gesagt, von der Auferstehung des geistlichen, nicht des fleischlichen Leibes. Aus dieser Tatsache ergeben sich ungeheure Folgen, im besonderen:
Die Gläubigen werden von den fleischlichen Versuchungen erlöst sein, die Gottlosen werden der fleischlichen Lüste beraubt sein.

e) Der neue Leib wird dem Leib des auferstandenen Jesus gleich sein.
Der erste Mensch, Adam, der von der Erde genommen war, ist irdisch. Der zweite Mensch, Jesus, ist vom Himmel. „ … und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.“ 1. Kor.15, 48.
„Unser Wandel aber ist im Himmel“, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe nach …“ Phil. 3, 21. Im vorigen Kapitel haben wir gesehn, mit welch verwandeltem und verklärtem Leibe Jesus in den Himmel eingegangen ist. Welche Seligkeit ist es zu wissen, daß unser Leib dem Seinen gleich sein wird!
Welche Demütigung ist es für eine schöne Seele, die ihre Klarheit, für einen edlen Geist, der sein tiefes Wissen bewahrt hat, wenn sie ihren Leib schwach und krank werden sehen, wenn sie zuletzt nur noch eine Ruine sind.
… Gott wird Sein Versprechen halten: „Wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ 1. Joh. 3, 2. Diese Worte bedeuten nicht nur, daß wir mit der geistlichen Vollkommenheit des Herrn überkleidet werden. Gott hat einst den Menschen zu Seinem Bilde geschaffen. Als Jesus ins Fleisch kam, ist Er in allen Dingen uns gleich geworden. Hebr. 2, 17. Er will uns jetzt in unserem Geist und unserem auferstandenen Leib sich selbst gleich machen.

f) Der neue Leib wird mit Unsterblichkeit bekleidet werden.
„Dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit.“ Die Auferstehung wird endgültig sein. Im Himmel wird „der Tod nicht mehr sein“. Offb. 21, 4. Diese Tatsache wird eine schwerwiegende Folge haben: „Welche würdig sein werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder freien noch sich freien lassen. Denn sie können hinfort nicht sterben, denn sie sind den Engeln gleich, dieweil sie Kinder sind der Auferstehung.“ Luk. 20, 36.
Das wird uns nicht hindern, mit Freuden die wiederzufinden, die wir auf Erden geliebt haben. . . .

g) Wir warten noch auf unseres Leibes Erlösung.
„Das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes . . . Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst . . . sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unsres Leibes Erlösung. . ,“ Röm. 8, 19-24. . . .
Man sagt weiter: . . . könne und dürfe der Gläubige nicht mehr krank sein. Gott wolle nichts anderes, als uns heilen, und wir beleidigten Ihn, wenn wir zu Ihm sagen: „Herr, heile mich, wenn es Dein Wille ist!“ – Wenn man hierbei logisch wäre, müßte man noch weiter gehen und behaupten, daß ein treuer Jünger auch nicht altern und sterben kann, wenn er schon die Erlösung seines Leibes besitzt.
Gott behüte uns davor, etwas wider die Glaubensheilungen zu sagen! Wir müßten uns schämen, unsere Zuflucht nicht mehr zu dem großen Arzt zu nehmen und dagegen unser Vertrauen mehr in menschliche Kunst zu setzen – oder durch unseren Unglauben die im Stich zu lassen, die unter ihrem traurigen Los leiden. Wir wollen die Ermahnungen des Apostels Jakobus, über den Kranken zu beten, mehr befolgen (Jak. 5, 14), und die Gabe, gesund zu machen, von der Paulus schreibt (1 . Kor. 12, 9), anerkennen, wenn sie Gott wirklich verliehen hat. Aber wir wollen nicht weitergehen, als die Heilige Schrift sagt. Solange wir noch auf unsere Auferstehung warten, haben wir noch nicht den Herrlichkeitsleib, wie ihn Paulus beschreibt. Wir müssen uns damit abfinden, daß unser äußerer Mensch verdirbt, daß wir altern und daß wir, wenn das Kommen des Herrn sich noch verzögert, eines Tages sterben müssen. Paulus, Timotheus und Trophimus hatten körperliche Leiden (2. Kor. 12, 7-10; 1. Tim. 5, 23; 2. Tim. 4, 20), und Gott hat anscheinend nicht eingegriffen, wie es heutzutage einige möchten. Paulus hat Lukas den „Arzt, den geliebten“, genannt. Kol. 4, 14.
Wir wollen voller Glauben sein, aber zugleich auch voller Ergebung in Gottes Willen und voller Besonnenheit. Wir wollen Gott nicht durch Unglauben hindern, in unserm Leibe zu wirken. Aber wir wollen uns Seinem Willen unterwerfen, der immer gut und heilig ist. Wir wollen eingedenk sein, daß wir mit Freuden auf die Erlösung unseres Leibes warten.
Erich Sauer schreibt hierzu:
„Alles, was wir haben, erwarten wir noch, und was wir erwarten, haben wir schon.“


Wir haben das ewige Leben         – und sollen es ergreifen.

Wir haben die Erlösung                – und wir warten darauf.

Wir sind Kinder                              – und wir warten auf die Kindschaft.

Wir sind im Reich Gottes              – und wir werden es ererben

Wir empfangen dieses Reich       – und wir werden es ererben

Wir sind herrlich gemacht           – und wir sollen es werden.

So haben wir schon alles, aber wir genießen es erst teilweise. Bis zur Erlösung unseres Leibes, unserer „Volljährigkeitserklärung“ wird unser festgelegtes Kapital im Himmel aufbewahrt. (Kol. 1, 5.) Bis dahin genießen wir die Zinsen. Daß wir sie aber schon haben, ist ein Beweis, daß das Gesamtkapital unser ist, und so wird unser gegenwärtiger Besitz eine Garantie des zukünftigen, eine „Erstlingsgabe“ der Vollernte (Röm. 8, 23), ein „Angeld“ des kommenden Gesamten. (Eph. 1, 14)   (Der Triumph des Gekreuzigten, Seite 110.)

h) Wenn wir den Auferstehungsleib empfangen, werden wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden.
2. Kor. 4, 16 bis 5, 4 spricht Paulus von unserem „äußerlichen Menschen“ – dem Leib -, der verdirbt, indes der innerliche von Tag zu Tag erneuert wird. Er vergleicht dann unseren Leib mit einem Zelt, das auch zerstört werden wird. Dagegen haben wir im Himmel „einen Bau, von Gott erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist.“ . . .

6. Wann wird die Auferstehung der Gläubigen stattfinden?
Man muß hier einen Unterschied machen. Die geistliche Auferstehung der Seele findet für den Gläubigen in dem Augenblick seiner Wiedergeburt statt. Er dringt in diesem Augenblick vom Tode zum Leben durch. Er empfängt das ewige Leben. Joh. 5, 24.

Aber wann wird die Auferstehung des Leibes stattfinden? Die Heilige Schrift gibt uns eine klare Antwort.
a) Am Jüngsten Tag.
esus erklärt viermal feierlich, daß Er am Jüngsten Tage alle auferwecken wird, die an Ihn glauben. Joh. 6, 40; 44. 54.
b) Bei Christi Wiederkunft.
„Also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden, ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling Christus, danach die Christo angehören, wenn Er kommen wird.“ 1. Kor. 15, 22.
c) Bei der Entrückung der Gemeinde.
Paulus bestätigt das in den beiden bekannten Stellen 1. Kor. 15, 51-53 und 1. Thess. 4, 13-1 8 . (Wir haben über die Entrückung der Gemeinde ausführlich in unserm Buch Die Wiederkunft Jesu Christi geschrieben.)

Paulus beschreibt dies große Ereignis folgendermaßen:

1. Zu einem von Gott festgesetzten Zeitpunkt, den Er allein kennt,

2. in einem Augenblick,

3. wird Jesus vom Himmel herniederkommen,

4. Er wird die „Toten in Christo“ mit sich führen und wird ihnen den Auferstehungsleib geben.

5. Er wird den Leib der Gläubigen, die zu diesem Zeitpunkt auf der Erde leben, „verwandeln“ , so daß sie nicht durch das Grab zu gehen brauchen. 1. Kor. 15, 51-52.

6. Alle Gläubigen, ob verwandelt oder auferstanden, werden zugleich hingerückt in den Wolken dem Herrn entgegen und werden also bei dem Herrn sein allezeit. 1. Thess. 4, 17. . . .

Wenn es erstaunlich erscheint, daß die erste Auferstehung in zwei durch die Trübsalszeit voneinander getrennten Phasen stattfindet, so können wir dazu folgendes anführen: Jesus spricht von der geistlichen Auferstehung, die allen Sündern, die an den Sohn Gottes glauben, von nun an gewährt wird: „Wer glaubt ist vom Tode zum Leben durchgedrungen. . . .“ Joh. 5, 24-25. Diese „Stunde“ der Gnade, in der die Wiedergeburt möglich ist, hat nun schon mehr als neunzehn Jahrhunderte gedauert.

Dann spricht Jesus weiter von der leiblichen Auferstehung: „Es kommt die Stunde, . . . und werden hervorgehen, zur Auferstehung des Lebens und zur Auferstehung des Gerichts.“ Vers 28 -29.
d) Bei der ersten Auferstehung , Offb. 20, 5-6.
Die Auferstehung der Gläubigen wird die „erste“ genannt im Gegensatz zu der Auferstehung der Verdammten, die tausend Jahre später stattfindet. Die beiden oben angeführten Verse sind die einzigen Bibelstellen, die ihr diesen Namen geben. Aber es ist klar, daß diese „erste Auferstehung“ sowohl für die entrückte Gemeinde wie für die dreieinhalb Jahre später nach der Trübsal auferweckten Blutzeugen gilt – wenn wir recht verstehen. An ihr haben alle die Überwinder teil, die zuerst mit Christus hier auf Erden tausend Jahre regieren werden und dann auf ewig im Himmel. Offb. 2, 27; 3, 21; 22, 5. Über sie alle wird der zweite Tod keine Macht haben. Ihre Namen sind im Buch des Lebens geschrieben. Offb. 2, 11 20, 6. . . .
Welch wunderbare Aussicht Wie sehnen wir diesen Tag herbei!


7. Von wem werden wir auferweckt werden?
Wir haben gesehen, daß die Auferweckung Jesu Christi durch das vereinte Wirken der Dreieinigkeit geschah. So wird es auch bei unserer eigenen Auferstehung sein.

„Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird uns auch auferwecken durch Seine Kraft.“ 1. Kor. 6, 14.
Gott wird auch die da entschlafen sind, durch Jesum mit Ihm führen. „Derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, wird auch eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß Sein Geist in euch wohnet.“ Röm. 8, 11.
Jesus Christus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an Mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe.“ Joh. 11, 25. „Wie der Vater das Leben hat in Ihm selber, also hat Er dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in Ihm selber . . . Joh. 5, 26. Der Herr Jesus Christus „wird unsern nichtigen Leib verklären, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, mit der Er auch kann alle Dinge sich untertänig machen“. Phil. 3, 21.
Der Heilige Geist ist’s, der lebendig macht. Joh. 6, 63. Wenn unsere Seele durch Ihn wiedergeboren wird, so wird Gott durch Ihn auch unseren Leib wieder lebendig machen: „So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch der selbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß Sein Geist in euch wohnt.“ Röm.8, 11.
Es ist durchaus nicht erstaunlich, daß die Heilige Schrift derart von dem Wirken des Heiligen Geistes schreibt. . . .
Alle Werke Gottes sind vollkommen. Sie entstanden alle durch die vereinte Kraft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

8. Wer wird teilhaben an der herrlichen ersten Auferstehung?
Es ist klar, daß nicht alle so auferstehen werden, wie wir es gerade geschildert haben. Wir werden demnächst von der zweiten Auferstehung, der Auferstehung der Ungläubigen, sprechen. Um teilzuhaben an der ersten Auferstehung, muß man:
a) Gutes getan haben.
„Diese werden hervorgehen zur Auferstehung des Lebens.“ Joh. 5, 29. „Preis und Ehre denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben.“ Röm. 2, 7.
b) Jesus Christus angehören.
„Das ist aber der Wille des Vaters, daß Ich nichts verliere von allem, was Er Mir gegeben hat, sondern daß Ich’s auferwecke am Jüngsten Tag . . . Joh. 6, 39. „Also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden . . . die Christo angehören, wenn Er kommen wird.“ 1. Kor. 15, 22.
c) an Jesus Christus und Sein Opfer glauben.
„Wer den Sohn sieht und glaubt an Ihn . . . Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag . . . und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“ Joh. 6, 40. „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an Mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe.“ Joh. 11, 25.
d) bereits sein, sein Leben hier zu verlieren, um es dort oben zu finden. Matth. 10, 39. „Sterben wir mit, so werden wir mitleben.“ 2. Tim. 2, 11.
e) unter den Gerechten sein. Apg. 24, 15.
Wir wissen, was diese Bezeichnung bedeutet. Alle Menschen sind Sünder, da ist nicht einer, der „gerecht“ ist. Röm. 3, 10. Wer aber an Jesus Christus glaubt, wird „gerechtfertigt“ und ohne Verdienst vollkommen gerecht. Röm. 3, 24.
f) den Heiligen Geist empfangen haben, der uns mit Christus vereint und bald unsere sterblichen Leiber lebendig machen wird. Röm. 8, 9.
Erfüllen wir diese Bedingungen? Die Tatsache, daß nicht alle an der ersten Auferstehung teilhaben werden, erklärt, warum die Heilige Schrift diese erste Auferstehung als „Auferstehung von den Toten“ bezeichnet. Dieser Ausdruck kommt neunundvierzigmal in der Bibel vor und immer in bezug auf Christus und die Gläubigen.
Sie stehen von den Toten auf und lassen die Ungläubigen weiter in ihren Gräbern schlafen bis zur Auferstehung der Toten (das heißt aller Toten), zum Jüngsten Gericht. Gott hat „Jesum auferweckt von den Toten“. Röm. 8, 11; 1,4. Als die Jünger zum ersten Mal Jesus sagen hören, daß Er „von den Toten auferstehen“ wird, das heißt „aus der Menge der Toten“, verstehen sie dies nicht. Mark. 9, 9-10. Sie hatten bis dahin ohne Zweifel nur mit einer allgemeinen Auferstehung aller Toten gerechnet, und sie hätten verstanden, wenn Jesus von einer Auferstehung „mit den Toten“ gesprochen hätte. Paulus dagegen begnügt sich nicht mit solch einer Auferstehung. Er will zur Auferstehung von den Toten gelangen, die allein selig und herrlich ist. Er sagt Phil. 3, 11 wörtlich: „ . . . zu der außergewöhnlichen Auferstehung gelangen, welche die von den Toten ist.“

9. In welchem Maße haben wir schon hier auf Erde an der Auferstehung Jesu Christi teil?
Wir haben von der Auferstehung des Herrn und von unserer eigenen Auferstehung gesprochen. Es bleibt uns noch ein wichtiger Punkt zu erörtern: Wir sind berufen, schon jetzt an dem Tode und an der Auferstehung Jesu Christi teilzuhaben, und diese Teilhaftigkeit ist sogar die wichtigste Bedingung zu unserm Siege über den Tod. „So sind wir ja mit Ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber samt Ihm gepflanzt werden zu gleichem Tode, so werden wir auch Seiner Auferstehung gleich sein . . . Sind wir aber mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden . . . Also auch ihr, haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu, unserm Herrn.“ Röm. 6, 4-5. 8.11. „Das ist gewißlich wahr: sterben wir mit, so werden wir mitleben.“ 2. Tim. 2, 11.
Wenn wir bereit sind, durch die völlige Aufopferung unseres Lebens und Willens mit Christo zu sterben, so sind wir im Grunde schon mit Ihm durch den Glauben auferstanden: „Da wir tot waren in den Sünden, hat Er (Gott) uns samt Christo lebendig gemacht . . . und hat uns samt Ihm auferweckt und samt Ihm in das himmlische Wesen gesetzt in Christo Jesu.“ Eph. 2, 5-6.
Unsere Seele ist wiedergeboren, und wir sind von nun an „mit dem Heiligen Geist Gottes versiegelt auf den Tag der Erlösung“. Eph. 4, 30.
„Indem ihr mit Ihm begraben seid durch die Taufe, in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirkt, welcher Ihn auferweckt hat von den Toten. Und Er hat euch mit Ihm lebendig gemacht, da ihr tot waret in den Sünden…“ Kol. 2, 12-13.
Von nun an lebt der lebendige Christus in uns. Wir dürfen mit Paulus sprechen: „Ich bin aber durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich Gott lebe. Ich bin mit Christo gekreuzigt. Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Gal. 2, 19-20.
Diese herrliche Erfahrung kann jeder gewinnen, aber sie ist immer an diese Bedingung geknüpft: ,,Wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesu an unserm Leibe, auf daß auch das Leben des Herrn Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, auf daß auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleisch. Darum ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch. ” 2. Kor. 4, 10-12.
Sobald er diesen Preis bezahlt hat, lebt der Gläubige schon jetzt als ein wahrhaft Auferstandener, der zu der oberen Welt gehört und den herrlichen Tag Jesu Christi erwartet: „Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes . . . Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit Ihm.“ Kol. 3, 1-4.

10. Abschluß.
Nachdem wir über so viele Bibelstellen nachgedacht haben, verstehen wir um so besser die ungeheure Bedeutung der Auferstehung: sie ist eine der Hauptsäulen des christlichen Glaubens. . . .
Gott helfe uns, daß wir auf alles verzichten können, um Christus zu erkennen „und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden, daß wir Seinem Tode ähnlich werden, damit wir entgegenkommen zur Auferstehung von den Toten“. Phil. 3, 8-11.
. . . Wir aber wollen, gestärkt durch den Heiligen Geist, überall wie die ersten Jünger die Zeugen Seiner Auferstehung sein. Dann werden wir bald mit allen Gläubigen den Triumphgesang über den letzten Feind anstimmen:

„Der Tod ist verschlungen in den Sieg.

Tod, wo ist dein Stachel?

Hölle, wo ist dein Sieg? . . . 

Gott aber sei Dank, der uns den Sieg

gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus!“   –   1 . Kor. 15, 54-57.

KAPITEL III
DAS GERICHT CHRISTI UND DER LOHN DES GLÄUBIGEN

1. Die Gläubigen kommen nicht in das Gericht und in die Verdammnis.
Was geschieht in dem Augenblick, da die auferstandenen Gläubigen ihrem Herrn begegnen? Für jeden Sünder ist es furchtbar, vor dem großen Richter zu erscheinen. Aber die Erlösten haben weder den göttlichen Zorn noch die Verdammnis zu fürchten. Christus ist vor allem nicht um zu richten, sondern um zu retten gekommen. „Wer an Ihn glaubt, der wird nicht gerichtet . . . Wer Mein Wort hört und glaubt Dem, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ Joh. 3, 17-18; 5, 24.
Die Gläubigen werden begnadigt, gerechtfertigt, abgewaschen und von aller Sünde durch das Blut des Erlösers gereinigt. „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind.“ Röm. 8, 1. . . .
Mit unendlicher Freude und in der Gewißheit ihres ewigen Heils sehen die wahrhaft Gläubigen der Begegnung mit ihrem Herrn entgegen. . . .


2. Das Gericht Christi.
Wenn wir auch aus reiner Gnade dem Gericht entgehen, so sagt doch die Heilige Schrift mit ebenso großer Klarheit, daß Jesus Christus unsere Werke und unseren Dienst prüfen wird, um festzustellen, ob wir einen Lohn verdienen.
Der Herr selber sagt: ,,Siehe, Ich komme bald und Mein Lohn mit Mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden.“ Offb. 22, 12.
Für die Gottlosen ist der „Lohn” der Sünde Sold: der Tod und die ewige Verdammnis. . . .

„ . . . Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse. ” 2. Kor. 5, 9-10. Beständig lehren uns die Gleichnisse der Evangelien, daß der Herr einst von seinen Dienern Rechenschaft fordern wird: „Darum ist das Himmelreich gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte . . . ” Der Herr dieser Knechte kam zurück und hielt Rechenschaft mit ihnen.“ Matth. 18, 23-35. . . .
„Alles Gericht hat der Vater dem Sohn übergeben . . .“ Joh. 5, 22. 27. . . . Paulus hat sich bis an sein Ende bemüht, ein gutes Gewissen zu bewahren, und trotz seiner Schwächen fürchtet er den großen Richter nicht, der zugleich sein Heiland ist. Er schreibt in ruhiger Sicherheit: „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter geben wird.“ 2. Tim. 4, 8.

Worauf gründet sich das Urteil des Gerichts Christi?
Das Leben und der Dienst eines jeden Gläubigen werden gründlich geprüft werden, denn der Herr ist nicht ungerecht, daß Er eine einzige gute Tat vergesse und ohne die versprochene Belohnung lasse. Hebr. 6, 10. Andererseits aber ist Er zu heilig, daß Er eine Unvollkommenheit an denen duldete, die Seiner Gegenwart teilhaftig werden sollen.

a) Die Werke.
Wir sind aus Gnaden selig geworden, nicht aus den Werken. Aber da wir in Christo wiedergeboren sind, sind wir in Ihm „zu guten Werken geschaffen, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen“. Eph. 2, 8-10. Es ist ganz natürlich, daß der Herr eines jeglichen Werke prüfen wird: „Was ein jeglicher Gutes tun wird, das wird er von dem Herrn empfangen, er sei ein Knecht oder ein Freier.“ Eph. 6, 8. . . . „Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten ohne Aufhören, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.“ Gal. 6, 9-10.
„Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit und ihre Werke folgen ihnen nach.“ Offb. 14, 13 .

b) Die Arbeit.
Gott, der unaufhörlich wirkt, hat uns das Vorrecht gewährt, mit Ihm arbeiten zu dürfen. Unsere Arbeit ist das Maß unseres Eifers und unserer Dankbarkeit. Sie wird nicht unbelohnt bleiben: „Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit, denn wir sind Gottes Mitarbeiter . . . Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unbeweglich, und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn, sintemal ihr wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“ 1 . Kor. 3, 8-9.
„Es soll aber der Ackermann, der den Acker baut, die Früchte am ersten genießen.“ 2. Tim. 2, 6. Der Herr im Gleichnis teilt seine Güter seinen Dienern aus und rechnet mit ihrer fleißigen Arbeit.“ . . .
Paulus, das Vorbild der Gläubigen, kann erklären, daß er „viel mehr gearbeitet hat denn sie alle“. 1. Kor. 15, 10. Werden auch wir dem Herrn eine Arbeit darbringen können?

c) Die Anstrengung des Wettkämpfers.
Paulus vergleicht das Christenleben mit der Anstrengung eines Wettkämpfers, der sich übt und läuft, um den Preis zu gewinnen: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, was da vorne ist, und jage – nach dem vorgesteckten Ziel – nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo.“ Phil. 3, 13-14. Das Gericht Christi wird enthüllen, ob wir nur schwache Anfänger oder ernsthafte Läufer waren.

d) Die Zeugenschaft.
Christus sagt ausdrücklich: „Wer Mich bekennet vor den Menschen, den will Ich bekennen vor Meinem himmlischen Vater.“ Matth. 10, 32. Der Herr wird prüfen, ob wir in Worten und Werken Seinen Namen hier auf Erden verkündigt haben.

e) Das Amt.
Alle Gläubigen sind zur Zeugenschaft und zum Dienst im allgemeinen Sinne berufen. Wem aber Gott ein besonderes Amt anvertraut hat, der hat natürlich auch eine größere Verantwortung:
„Unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein, und wisset, daß wir desto mehr Urteil empfangen werden.“ Jak. 3. 1. „Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen, denn sie wachen über eure Seelen. als die da Rechenschaft dafür geben sollen.“ Hebr. 13, 17. . . .
Der Wert eines Amtes erweist sich auch an den – sichtbaren oder nur Gott bekannten – Früchten und an den gewonnenen Seelen. Paulus schreibt den Philippern: „Ihr scheinet als Lichter in der Welt . . . mir zu einem Ruhme an dem Tage Christi, als der ich nicht vergeblich gearbeitet habe.“ Phil. 2, 15-16.

f) Der Gebrauch der empfangenen Gaben.
Jedem der Glieder am Leibe Christi gewährt der Herr eine Gabe, mit der es durch die Kraft des Heiligen Geistes wirken darf. 1. Kor. 12, 7. 11. 27. Diese Gabe soll verwertet und im Dienste der andern zum allgemeinen Nutzen gebraucht werde. . . .
Gott gewährt uns auch noch andere Gaben: Verstand, künstlerisches, musikalisches Talent, Gesundheit, Schönheit usw.
Das Gleichnis von den an vertrauten Pfunden lehrt uns, daß wir diese Talente eingedenk der großen zukünftigen Abrechnung nicht vergraben sollen. Matth. 25, 15-18.
Wenn man die Armut unserer christlichen Kreise betrachtet, den Mangel an Hingabe, an ernsthaften Mitarbeitern, so sagt man sich, daß unbestreitbar viele der sogenannten Christen ihre Talente verbergen, um sie nicht in den Dienst stellen zu müssen. Man zittert, wenn man an den Tag denkt, da der Herr kommen und Rechenschaft fordern wird über das, was Ihm gehört. . . .
Wie traurig würde es sein, wenn wir vor dem Richterstuhl Christi mit einer verkümmerten Gabe erscheinen müßten, die wenig Frucht getragen hat, während der Herr doch von uns viel Frucht erwartet.

g) Der Gebrauch unserer irdischen Güter.
Die Menschen sind seltsam: entweder machen sie aus dem Geld einen Götzen, oder sie behaupten, es sei zu irdisch, um es mit dem geistlichen Leben in irgendeine Verbindung zu bringen. Das sagen sie, um es weiterhin nach Belieben genießen zu können. . . . Er will, daß Seine Kinder Ihm ihr Hab und Gut zur Verfügung stellen und nach Seinem Willen verwenden. Dieser Gebrauch der zeitlichen Güter wird am Jüngsten Tag belohnt werden. . . .
„Den Reichen von dieser Welt gebiete, . . . daß sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gern geben, behilflich seien, Schätze sammeln, sich selbst einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie ergreifen das wahre Leben.“ 1. Tim. 6, 17-19. . . .
Wir wollen uns noch einen wichtigen Grundsatz, der von der Freigebigkeit handelt, merken: „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten, und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen . . . Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ 2. Kor. 9, 6-7. . . .

h) Die Leiden.
Das Leben des treuen Christen ist immer von Leiden begleitet, in den Fußstapfen seines Herrn hat er teil an Seinem Kreuz, um einst auch an Seiner Herrlichkeit teilzuhaben.
„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um Meinetwillen schmähen und verfolgen . . . Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden.“ „Freut euch, daß ihr mit Christo leidet, auf daß ihr auch zur Zeit der Offenbarung Seiner Herrlichkeit Freude haben möget.” 1. Petr. 4,13.
„Unsere Trübsal, die zeitlich ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit.“ 2. Kor. 4, 17.
Es ist nicht leicht, sich seiner Leiden zu freuen. Wir können es nur mit Gottes Hilfe, wenn wir die Überzeugung haben, daß „dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden“. Röm. 8, 18.

i) Der feste Glaube und die lebendige Hoffnung des Gläubigen.
„Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Hebr. 10, 35. „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten, hinfort ist mir bei gelegt die Krone der Gerechtigkeit, . . .“ 2. Tim. 4, 7-8.

5. Wie groß wird der Lohn sein?
Er wird nach dem Dienst zugemessen werden. Das Heil ist nach dem Gleichnis Matth. 20, 1-16 für alle dasselbe.
Alle Arbeiter erhalten einen Groschen, ob sie nun den ganzen Tag, einige Stunden oder nur die letzte Stunde gearbeitet haben. Es gibt nur ein ewiges Leben und einen Himmel, die sowohl dem Schächer am Kreuz wie dem Apostel Paulus gewährt werden, der „mehr gearbeitet hat denn sie alle“. 1. Kor. 15,10.
Der Lohn aber wird sich nach dem Dienst des Einzelnen richten: „Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit.“ 1. Kor. 3, 8. . . .

6. Wie werden die verschiedenen Löhne sein?
a) D i e K r o n e n.
Der Herr verspricht:
die Krone des Lebens denen, die die Anfechtung erduldet haben und getreu bis an den Tod gewesen sind. Jak. 1, 12; Offb. 2, 10.
die Krone der Gerechtigkeit denen, die Seine Erscheinung liebhaben. 2. Tim. 4, 8.
die unverwelkliche Krone der Ehren denen, die Vorbilder der Herde waren. 1. Petr. 5, 4. Hier auf Erden welken die Lorbeeren und der Ruhm verblaßt bald. Dort oben wird unsere Krone niemals ihren Glanz verlieren, und wir werden nicht um eine vergängliche Krone gelaufen sein. 1. Kor. 9, 25.
Diese Siegerkrone wird durch beständige Bemühungen erworben und bewahrt: „Halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme!“ Offb. 3, 11. . . .
b) Die Herrrschaft  . . .
c) Das Erbe.
„Ihr Knechte, seid gehorsam . . . Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, und wisset, daß ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes.“ Kol. 3, 22-24. . . . Das Siegel des Heiligen Geistes ist das Pfand unseres Erbes. Eph. 1, 14.
„Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi . . . Röm. 8, 17.
Diese Gabe ist so unerhört, daß uns Gott erleuchtete Augen unseres Verständnisses geben muß, daß wir erkennen mögen, „welcher sei der Reichtum Seines herrlichen Erbes bei Seinen Heiligen.“ Eph. 1, 18.
Unendliche Segnungen sind in dies Erbe einbegriffen:
d) Die Ernte.
„Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Alle unsere gegenwärtigen Handlungen werden ihre ewige Vergeltung finden, sei es als Segen oder als Fluch. „Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten, wer aber auf den Geist sät, der wird das ewige Leben ernten. Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten…“ Gal. 6, 7-9.
Jesus sagt, daß die Ernte am Ende der Welt stattfinden wird. Matth. 13, 39. Dann wird uns der Herr unsere guten Taten vergelten. Aber die Ernte wird auch in den Seelen bestehen, die durch unsere Zeugenschaft gewonnen worden sind und die dann in die himmlische Scheuer gesammelt werden. . . .
Die Zeugenschaft des Christen ist oft von Leiden und Schmach begleitet. Aber „die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen . . .” Psalm 126, 5-6. Welche Freude wird es für uns als Eltern, Prediger oder Freunde sein, wenn wir mit denen vor Gott erscheinen können, die wir durch Seine Gnade zum Glauben gebracht haben!
e) Das Lob.   . . .
g) Die Herrlichkeit.
Denen, die Ihm in Leiden und Niedrigkeit dienen, verspricht der Herr einen herrlichen Lohn: „Unsere Trübsal, die zeitlich ist, schafft eine ewige Herrlichkeit . . .“ 2. Kor. 4, 17-18. . . .

7. Wann wird der Lohn verliehen werden?
8. Der Verlust des Lohnes
9. Prüfung verschiedener Fragen über den Lohn.

Zum Schluß möchten wir noch einige Fragen erörtern, die sich bei dem Gedanken an den Lohn erheben.
1. Macht nicht gerade eine solche Lehre die Religion zu dem, was man „Opium fürs Volk“ nennt? Ihr sagt zu den Arbeitern und zu dem Armen: Seid untertänig, leidet in der Stille, indes sich eure Arbeitgeber die Taschen füllen. Und ihr werdet einen herrlichen Lohn im Himmel haben.
Diese Spitzfindigkeit vereint zweierlei, was nichts Gemeinsames hat:
a) Die sozialen Belange der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber werden von der Bibel nach dem Grundsatz strengster Gerechtigkeit beurteilt. Die Herren wie die Knechte werden für ihre unrechten Taten hart bestraft werden. Eph. 6, 5-9; Jak. 5, 1-6 usw. –
b) Der Lohn soll dazu anregen, Gutes zu tun. Sollte das unmoralisch und nicht sozial gedacht sein?
Wer in diesem Punkte den Willen Gottes verstanden hat, wird auf allen Gebieten ein um so sozialeres und vorbildlicheres Betragen zeigen! Er wird das Wohl aller anderen seinem Wohl gleichsetzen.

2. Andere sagen uns dagegen: „Ihr tut das Gute nur aus Selbstsucht, wenn ihr dabei mit dem Lohn rechnet! Wir tun das Gute um des Guten willen, aus reiner Liebe.“ Wir antworten darauf, daß unser Lohn keine Auszeichnung für unsere Selbstsucht ist, denn wenn wir Christus wahrhaft dienen, so müssen wir gerade unser eigenes Ich verleugnen und unser Leben für andere aufopfern. Andererseits ist es nicht zu bestreiten, daß die großen selbstlosen Werke der Nächstenliebe vor allem von überzeugten Christen ins Leben gerufen worden sind: Krankenhäuser, Waisenhäuser, das Rote Kreuz, Gefangenenhilfe, Arbeit unter den gefallenen Mädchen usw. und „Reine Liebe“ , die sich nicht auf Glauben und Gottesfurcht gründet, findet man hier selten auf Erden. . . .
3. Wir empfangen zwar den Lohn hauptsächlich im Jenseits. Aber wird er nicht auch oft schon hier auf Erden gewährt? Gewiß!
Im Neuen Testament wird das Hauptgewicht auf das ewige Leben gelegt. Aber trotzdem werden viele Segnungen dem Gläubigen auch schon hier auf Erden zuteil: es ist niemand, so er verläßt Haus oder Vater oder Mutter… um Meinetwillen . . . der nicht hundertfältig empfange jetzt in dieser Zeit Häuser und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ Mark. 10, 29-30. 
„Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat, auf daß dir’s wohl gehe und du lange lebest auf Erden.“ Eph. 6, 2-3.
Wohl verstanden: der irdische Lohn kann nur das Aufgeld des herrlichen himmlischen Lohnes sein.
4. Manche bescheidenen Christen sagen nun vielleicht seufzend: „Das ist alles sehr schön, aber das gilt nicht für mich. Ich gehöre nicht zu denen, die wie Paulus auf einen großen Lohn warten dürfen.“ Das stimmt nicht. Es kommt vor allem – wie wir schon betont haben – darauf an, daß der Knecht treu erfunden werde und zwar zuerst im Geringen. Wie viele Verheißungen Gottes gelten allen Gotteskindern und vor allem auch den demütigen: „Wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, wird eines Gerechten Lohn empfangen. Und wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränkt in eines Jüngers Namen, wahrlich, Ich sage euch, es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.“ Matth. 10, 41-42. 
Es werden also nicht nur die Gerechten ihren Lohn empfangen, sondern auch diejenigen, die sie aufgenommen haben. Und wer hätte nicht schon tausendmal die Gelegenheit gehabt, ein Glas kalten Wassers zu geben, etwas, was nichts kostet, dessen Wert aber in der Liebe und in dem Lächeln liegt, das diese Gabe begleitet. . . .

10. Abschluß.
Schenken wir der Frage des Lohnes die Aufmerksamkeit, die sie verdient? Wir wollen sie nicht zu leicht nehmen, da ihr das Wort Gottes solch eine Bedeutung beimißt. . . .
Wir wollen bereit sein, dem Herrn überall und bis zum Ziele zu folgen, mit den Füßen auf der Erde, aber die Augen auf die Belohnung gerichtet. Dann wird sich an uns das Wort erfüllen, das einst zu Ruth gesagt worden ist: „Der Herr vergelte dir deine Tat, und dein Lohn müsse vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu welchem du gekommen bist, daß du unter Seinen Flügeln Zuversicht hättest.“ Ruth 2, 12.

KAPITEL IV
DIE HOCHZEIT DES LAMMES

1. Gott wünscht sich mit dem Menschen zu vereinen.
Gott ist Liebe, und man darf wohl annehmen, daß Er den Menschen geschaffen hat, um ihn zu lieben. Nach der Schrift ist es nicht gut, daß der Mensch allein sei“. 1. Mose 2, 18. Aber da der Herr den Menschen zu Seinem Bilde geschaffen hat, darf man wohl annehmen, daß Er auch nicht allein bleiben wollte.
Nach dem Sündenfall stellt das Alte Testament den Herrn ständig als Bräutigam Israels dar, der danach strebt, Sein Volk in eine innige Gemeinschaft mit sich zu ziehen: „Ich habe euch getragen auf Adlerflügeln und habe euch zu Mir gebracht . . . so sollt ihr Mein Eigentum sein vor allen Völkern.“ 2. Mose 19, 4-5.
Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann. Jes. 54, 5.
Die Bücher der Propheten enthalten herrliche Worte der Liebe, die Gott an das Volk Israel gerichtet hat. . . .
Diese Liebe schließt eine andere aus und verlangt danach, erwidert zu werden: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen . . . Du aber sollst rechtschaffen sein mit dem Herrn, deinem Gott . . . Der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifriger Gott.“ 5. Mose 6,5; 18,3.
Israel war leider untreu.
Das Volk hat Ehebruch mit „Stein und Holz“ (das heißt mit Götzenbildern) getrieben. Darum hat Gott es verstoßen und ihm einen Scheidebrief gegeben. Jer. 3, 6-9. Aber Er verspricht, sich am Ende der Zeiten wieder mit ihm zu vereinen: „Alsdann, spricht der Herr, wirst du Mich heißen »mein Mann!« und Mich nicht mehr »mein Baal!« heißen . . . Ich will Mich mit dir verloben in Ewigkeit.“ Hos. 2, 18-21. (Siehe Jes. 54, 5-8.) . . .

2. Jesus Christus, der himmlische Bräutigam.
Der Bräutigam, von dem die Propheten geweissagt haben, kann nur der fleischgewordene Gott Jesus Christus sein. Schon der Psalmist schreibt ein Lied der Liebe zu Ehren dessen, den die Gemeinde erwartet: „Du bist der Schönste unter den Menschenkindern . . . Gott, Dein Stuhl bleibt immer und ewig . . . Darum hat Dich Gott, Dein Gott, gesalbt mit Freudenöl . . . Die Braut steht zu Deiner Rechten in eitel köstlichem Gold.“ Psalm 45, 3. 7-10 . . .
Im Neuen Testament spricht Johannes der Täufer von der großen Freude „über des Bräutigams Stimme“, dem die Braut gehört. Joh. 3, 29.
Jesus nennt sich selber mehrmals in Seinen Gleichnissen den Bräutigam. Matth. 9,15; 22,2; 25,1.

Jesus vereint in Seiner Person alle göttlichen Eigenschaften: Er ist der Schöpfer, der Herr und Meister, das geschlachtete Lamm, der Richter. Aber wie wunderbar ist es für Seine Gemeinde, Ihn als ihren Bräutigam betrachten zu dürfen.

3. Die Gemeinde, die Braut Christi.
Die Braut, von der Johannes der Täufer spricht, ist ohne Zweifel die Gemeinde, der Leib Jesu Christi, der aus allen denen besteht, die Er wiedererkauft hat.


Paulus veranschaulicht im Bilde der Ehe die Beziehungen Christi zu den Seinen: So wie der Mann des Weibes Haupt ist, so ist Christus das Haupt der Gemeinde, die Ihm untertan ist. Er liebt sie bis an den Tod, Er nährt und pflegt sie. Eph. 5, 23-32.
Die Offenbarung spricht von der „Braut des Lammes“. 19, 7.
Das Gebet, das die Bibel beschließt, erfleht mit Inbrunst die Rückkehr des Bräutigams: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! . . . Amen, ja komm, Herr Jesus!“ 22, 17. 20. . . .

5. Die Vorbereitungen zur Hochzeit.
Der Abstand ist kaum auszumessen, der den Herrn der Herrlichkeit von Seiner Braut trennt, die Er sich unter den Sündern auserwählt hat. Diese Kluft kann nur durch die Gnade dessen überbrückt werden, der für uns die Weisheit, die Gerechtigkeit, die Heiligung und Erlösung ist. Der Herr verlangt jedoch, daß Seine Braut gleichfalls alles, was in ihren Kräften steht, tut, um sich auf solche eine herrliche Vereinigung vorzubereiten
a) Die Braut bekleidet sich mit ihrem Festgewand.
„Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und Sein Weib hat sich bereitet, und es ward ihr gegeben, sich anzutun mit reiner und schöner Leinwand.“ (Die köstliche Leinwand aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen.) Offb.19, 7-8.
Der Rock der Gerechtigkeit. Jes. 61, 10. Dieses Kleid ist also im gewissen Sinne reine Gnade, und wir verstehen den Satz, den wir soeben in der Offenbarung gelesen haben: „Und es ward ihr gegeben, sich anzutun mit reiner und schöner Leinwand.“ 19, 8.
Und wenn wir alles getan haben, was in unseren Kräften steht, so sollen wir einesteils eingedenk sein, daß wir nur unnütze Knechte sind, die nur getan haben, was sie zu tun schuldig waren, Luk. 17,10, und andererseits, daß wir unsere unvollkommenen Werke unter das Kreuz Christi stellen müssen. Wir wollen denen nacheifern, die nach den Worten der Offenbarung ihre Kleider gewaschen haben im Blut des Lammes . . . auf daß sie Macht haben an dem Holz des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt“. Offb. 7,14; 22,14. Mit ihnen werden wir selig werden. . . .
b) Ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen.
Dieses Wort, Hebr.12,14, bezieht sich sowohl auf die Gemeinde wie auf den einzelnen Gläubigen. Christus will „eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel, sondern daß sie heilig sei und unsträflich“, nachdem Er selbst sie geheiligt hat. Eph. 5, 26-27. . . .
Wir wollen an unserer Heiligung mit Furcht und Zittern arbeiten und uns gleichwohl erinnern, daß – wenn wir glauben und gehorchen – Jesus uns durch und durch heiligen wird, unseren Geist ganz samt Seele und Leib auf den Tag, da Er Seine Vereinigung mit uns feiern wird.

9. Wann wird die Hochzeit des Lammes stattfinden?
Die angeführten Bibelstellen sagen klar: Sogleich nach ihrer Entrückung wird die Gemeinde durch das Gericht ihrer Werke gehen. Sie wird sich vorbereiten, und sie wird sich mit reiner und köstlicher Leinwand bekleiden. Dann wird die Hochzeit im Himmel gefeiert werden. Während dieser Zeit ist auf Erden die große Trübsal, die Herrschaft des Antichrists, und das Gericht über die große Buhlerin, die große Babylon, und ihr Fall. Dann wird Christus mit Seiner geheiligten Braut vom Himmel herniedersteigen und Sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens herrlich aufrichten. Offb. 19,1 bis 20, 6. . . .
10. Wo wird die Hochzeit gefeiert werden?
Selbstverständlich im Himmel. Die Königin und ihre Gefährtinnen werden mitten in die Freuden hineingeführt: „Sie gehen in des Königs Palast.“ Psalm 45, 14-16. . . .
Zu Beginn von Offenbarung 19 versetzt uns Johannes in den Himmel. Nach der Hochzeit öffnet sich dann der Himmel, und Christus steigt mit den himmlischen Heerscharen zur Schlacht von Harrnagedon hernieder.
Alle weiteren Erläuterungen sind überflüssig. Die ewige Vereinigung Christi und Seiner Gemeinde kann nur in der Herrlichkeit des göttlichen Hauses stattfinden. Jesus ist uns vorangegangen, um uns die Stätte zu bereiten, bald wird Er wiederkommen, um uns für immer zu sich zu nehmen. Joh. 14, 3. . . .
„Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt“, erklärt Jesus am Ende des Gleichnisses von der königlichen Hochzeit. Luk. 14, 24.
Wer ist schuld daran? 
Selig sind, die zur Hochzeit des Lammes berufen sind und demütig und fröhlich diese Einladung annehmen!

F Ü N F T E R   T E I L    Die ewige Verdammnis

KAPITEL I

DIE AUFERSTEHUNG DER UNGLÄUBIGEN

1. Die Heilige Schrift lehrt klar, daß es zwei Auferstehungen gibt.
Im vorhergehenden Teil haben wir von der herrlichen Auferstehung der Gläubigen gesprochen. Leider müssen wir auch noch von der Auferstehung der unbußfertigen Sünder sprechen:
„Viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen: etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande.“ Dan. 12, 2.
„Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden Seine Stimme hören (die Stimme des Menschensohnes) und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übles getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ Joh. 5, 28-29. . . .


2. Wann wird die zweite Auferstehung stattfinden?
In den vorhergehenden Texten künden Daniel, Jesus und Paulus die beiden Auferstehungen an, ohne sie zeitlich voneinander zu unterscheiden.
Johannes, der letzte Seher der Bibel, vervollständigt die Offenbarung und sagt folgendes deutlich und ausdrücklich darüber:
Die erste Auferstehung findet vor dem Tausendjährigen Reich statt, und zwar vor dem Antritt der Herrschaft Jesu.
Die zweite Auferstehung findet tausend Jahre später statt, und zwar vor dem Gericht. Offb. 20, 5.
Man könnte dagegen einwenden, daß ein derart wichtiger Punkt durch mehr als eine einzige Bibelstelle untermauert sein müßte. Darauf erwidern wir folgendes: Im Alten Testament hatten die Juden nur eine einzige Stelle, die die Geburt des Messias in Bethlehem ankündigte. Micha 5, 1. Trotzdem haben sie sie ohne Zögern angeführt. Matth. 2, 5-6. Nur ein einziger Vers sagte voraus, daß Jesus von einer Jungfrau geboren würde. Jes. 7,14; dazu Matth. 1, 22-23.
Wenn der Herr Seine Wiedergutmachung ausgeführt und den Menschen hier auf Erden tausend Jahre des Glückes und der Gerechtigkeit gewährt hat, wird Er die unbußfertigen Sünder aller Zeiten auferwecken. Sie werden vor Ihm zum Jüngsten Gericht erscheinen müssen.

3. Was wissen wir vom Leib der auferstandenen Verdammten?
Es ist vor allem ganz sicher, daß diese Verdammten einen Leib haben werden. Wenn die Heilige Schrift vom Ende der Zeiten spricht, spricht sie von der Auferstehung nur immer im leiblichen Sinne. Außerdem wäre es aus folgenden Gründen sinnlos, von einer geistlichen Auferstehung der Ungläubigen zu sprechen:
1. Die Seele der Gottlosen bedarf keiner Auferstehung, um weiterzubestehn. Am Ort der Toten ist sie vollkommen bewußt und in der Qual. Luk. 16, 19-31.
2. Die geistliche Auferstehung verleiht das ewige Leben. Joh. 5, 24. Dieses ewige Leben ist aber gerade das, was den Ungläubigen fehlen wird. Joh. 3, 36.
Es steht klar geschrieben, daß die Gottlosen und Ungläubigen sich aus der Erde erheben und aus den Gräbern hervorgehen werden. Joh. 5, 28-29.
Wenn wir zwar viel über den neuen Leib der Auserwählten erfahren, so finden wir doch keine Beschreibung des Leibes der auferstandenen Ungläubigen.
Jesus spricht von Dem, „der Leib und Seele verderben kann in die Hölle“. Matth. 10, 28. Es wird demnach einen Leib geben, der fähig ist, die Strafen der Hölle zu erleiden. . . .

4. Für wen ist diese zweite Auferstehung bestimmt?
Die schon erwähnten Bibelstellen sagen es uns:
für die, die Übles getan haben, Joh. 5, 29; 
für die Ungerechten, Apg. 24, 15 ;
für die, die nicht würdig erfunden wurden, teilzuhaben an der ersten Auferstehung, Offb. 20, 5;
für die, die nicht durch den Glauben gerettet werden, sondern nach ihren Werken gerichtet werden, Offb. 20,13.
Nachdem er die herrliche Auferstehung beschrieben hat, fügt Paulus hinzu, daß „Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben, auch wird das Verwesliche nicht erben das Unverwesliche“. 1.Kor. 1 5, 50.
Der Ausdruck „Fleisch und Blut“ bedeutet hier die nicht wiedergeborene menschliche Natur. Diejenigen, die Gottes Kinder durch den Glauben an Jesus werden, sind wiedergeboren, „nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott“. Joh. 1, 12. Der Mensch, der „vom Fleisch geboren“ ist und nicht „vom Geist geboren“ ist, kann nicht in das Reich Gottes kommen. Joh. 3, 5-8. Das will heißen, daß kein Unbekehrter mit Christus auferstehen kann.
Unser Herz ist traurig, wenn wir hierüber nachdenken.
Wenn Johannes als selig und heilig diejenigen bezeichnet, die teilhaben an der ersten Auferstehung, wie unglückselig werden dagegen die Sünder sein, die ihre Verfehlungen nicht abgewaschen haben und zum Gericht auferstehen müssen!

KAPITEL II   DAS JÜNGSTE GERICHT

1. Was ist das Jüngste Gericht?
Es ist die große und letzte Abrechnung am Ende des Tausendjährigen Reiches, der große Gerichtstag, wo sämtliche Gottlosen aller Zeiten er scheinen müssen. Danach wird es nur noch die ewige Hölle und den ewigen Himmel geben.
Die Zeit der göttlichen Geduld hat ein Ende. Seit dem Aufstand der Engel im Himmel und dem Sündenfall der Menschen im Paradiese hat der Herr mit der Offenbarung Seiner Gerechtigkeit verzogen. Er hat lange gewartet, daß die Sünder sich bekehren und Seine Gnade an nehmen. Er hat mit unfaßbarer Langmut die Ungerechten weiterhin ihren bösen Weg gehen und sich immer wieder gegen Ihn erheben lassen. Jetzt ist der Augenblick des Jüngsten Gerichts gekommen. Lange ist die Gerechtigkeit verhöhnt worden, und die Opfer des Bösen haben anscheinend umsonst gen Himmel geschrien. Offb. 6, 10.

2. Wer ist der Richter des Jüngsten Gerichts?
„Und ich sah einen großen weißen Stuhl und Den, der darauf saß.“ Offb. 20, 11. Diese erhabene Persönlichkeit ist niemand anderes als Christus, dessen Herrschaft und Gericht schon so lange von den Propheten angekündigt worden ist.
„Der sich erhöht hat, soll erniedrigt werden, und der sich erniedrigt hat, soll erhöht werden, Ich will die Krone zunichte machen, bis Der komme, der sie haben soll, dem will Ich sie geben.“ Hesek. 21, 31-32.
„Der Vater . . . hat alles Gericht dem Sohn gegeben . . . und hat Ihm Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum daß Er des Menschen Sohn ist.“ Joh. 5, 22. „Gott wird das Verborgene der Menschen durch Jesus Christus richten.“ Röm. 2, 16. . . .

3. Die Zerstörung der Erde und des Himmels.
„Vor des Angesicht floh die Erde und der Himmel, und ihnen ward keine Stätte gefunden.“ „Der erste Himmel und die erste Erde verging.“ Offb. 20, 11; 21,1.
Die Erde hat zu viele Sünden gesehen und zuviel Blut getrunken, sie muß zerstört werden. Desgleichen muß der Himmel, der durch den Aufstand der Engel besudelt worden ist, völlig erneuert werden.
Dies Gericht wird durch Feuer vollzogen werden. So wie die Welt einst durch die Wasser der Sintflut verderbt wurde, „also auch der Himmel der jetzt ist, und die Erde werden durch Sein Wort gespart, daß sie zum Feuer behalten werden auf den Tag des Gerichts . . . Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb in der Nacht, an welchem die Himmel zergehen werden mit großem Krachen, die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden verbrennen. . . . 2. Petr. 3, 7. 10-12.
„Himmel und Erde werden vergehen.“ Matth. 24, 35. 8.
Lehren uns nicht die jüngsten Atomentdeckungen begreifen, wie eines Tages die in Brand geratenen Elemente schmelzen und sich auflösen können? Wenn Gott durch eine furchtbare Explosion alle im Weltall befindliche Energie auflöst, kann Er sie dann nicht auch aufs neue benutzen, um daraus eine neue Welt zu schaffen?
„Das Wesen dieser Welt vergeht“ 1. Kor. 7, 31, das heißt ihre Form, ihr Äußeres. Aber das hat sehr wenig Bedeutung, da der Schöpfer ewig derselbe bleibt.

4. Die gottlosen Toten erscheinen vor Gericht.
„Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott . . . Das Meer gab die Toten, die darin waren, und der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darin waren.“ Offb. 20, 12-13.
So wie alle Gläubigen vor dem Richtstuhl Christi erscheinen, um das Urteil über ihren Dienst zu empfangen, so werden auch alle Ungläubigen sich vor ihrem Richter zu verantworten haben. „Wir werden alle vor den Richterstuhl Christi gestellt werden, denn es steht geschrieben: So wahr als Ich lebe, spricht der Herr, Mir sollen alle Knie gebeugt werden, und alle Zungen sollen Gott bekennen.“ Röm. 14, 10-11. . . .
„So wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir fürder kein anderes Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widersacher verzehren wird . . . Wieviel meinet ihr, ärgere Strafe (als die des Gesetzes Mose) wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Testamentes unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und den Geist der Gnade schmäht? Denn wir kennen Den, der da sagte: Die Rache ist Mein, Ich will vergelten . . .“ Hebr.10, 26-31.
So werden alle, die hier auf Erden Gott geleugnet haben, vor ihrem Richter erscheinen. Eine feierliche Gegenüberstellung, der sich keiner entziehen kann. Luk. 21, 26. . . .
Wie wird es erst beim Jüngsten Gericht sein, wenn das ewige Los eines jeden unveränderbar festgelegt wird?

5. Jeder wird nach seinen Werken gerichtet.
„Bücher wurden aufgetan . . . und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern . . . ein jeglicher nach seinen Werken.“ Offb. 20, 12-13
a) Gott führt genau Buch über unsere Werke.
Diese „Bücher“ sind zweifellos ein Bild, denn Gottes Gedächtnis ist gut genug, um nicht aufschreiben zu brauchen, woran Er sich erinnern will. Aber furchtbar ist es zu denken, daß von dem Sünder nichts, aber auch gar nichts vergessen wird. . . .
Auf schreckliche Weise wird sich das warnende Wort des Propheten erfüllen: „Ihr werdet eurer Sünde innewerden, wenn sie euch finden wird.“ 4. Mose 32, 23.
b) Alle Werke ohne Ausnahme kommen ins Gericht.
Gott richtet:
1. Das Verborgene der Menschen: Röm. 2, 16.
2. Die unnützen Worte: „Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben.“ Matth. 12, 36. . . .
c) Alle, die nicht glauben, sind verloren. „Durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht . . . denn es steht geschrieben: Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in alle dem, das geschrieben steht in dem Buche des Gesetzes, daß er’s tue.“ Gal. 2, 16. . . .
„Du aber nach deinem unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, welcher geben wird einem jeglichen nach seinen Werken . . .“ Röm. 2, 5-8. . . .

6. Wie werden diejenigen gerichtet, die das Evangelium nicht gehört haben?
Man fragt sich in der Tat oft, welches das Schicksal und die Verantwortlichkeit derer sei, die vor Christus gelebt oder das Evangelium nicht gehört haben? Die Heilige Schrift läßt uns darüber nicht ohne Antwort.
a) Jeder wird nach dem Licht gerichtet, das er empfangen hat.
„Welche ohne Gesetz gesündigt haben, die werden auch ohne Gesetz verloren werden, und welche unter dem Gesetz gesündigt haben, die werden durchs Gesetz verurteilt werden.“ Röm. 2, 12. Was Paulus hier vom Gesetz sagt, trifft noch mehr für das Evangelium zu. Wer es gehört hat, ist vor Gott noch unendlich mehr verantwortlich. Das Geschlecht, das die Botschaft und die Wunder Jesu zurückgestoßen hat, wird am Tage des Gerichts von der Königin von Mittag (Saba) und den Leuten von Ninive verdammt werden. Luk. 11, 31-32.
„Wehe dir, Bethsaida! Wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, wie bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der Asche Buße getan. Doch Ich sage euch: Es wird Tyrus und Sidon erträglicher gehen am Jüngsten Gericht als euch!“ Matth. 11, 21.
Und Jesus sagt auch zu Seinen Jüngern: „Wo euch jemand nicht annehmen wird noch eure Rede hören, so geht heraus von demselben Hause oder der Stadt und schüttelt den Staub von den Füßen! Wahrlich, Ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher gehen am Jüngsten Gericht denn solcher Stadt.“ Matth. 10, 14. . . .
b) Die Heiden sind jedoch auch ohne Evangelium verantwortlich.
Nach Paulus hat der Herr den Menschen drei Offenbarungen gewährt:
1. Die Schöpfung, „wo Gottes unsichtbares Wesen, das ist Seine ewige Kraft und Gottheit, ersehen wird“. Röm. 1, 20.
2. Das Gewissen, in das Gott „des Gesetzes Werk“ geschrieben hat, die Begriffe von Gut und Böse. Röm. 2, 14.
3. Die Heilige Schrift, die höchste Offenbarung, worin dem Sünder die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes, Sein Heil und Seine Strafe verkündigt werden. Röm.2, 17.
Die Heiden genießen nun aber die ersten beiden Offenbarungen. Sie sind alle ungehorsam gewesen und haben vor Gott keine Entschuldigung. Röm.1, 20.
c) Gott läßt keines Seiner Geschöpfe, sondern versucht, sie mit allen Mitteln zu gewinnen.
Jesus lehrt uns, daß die Dreieinigkeit mit vereinten Kräften versucht, alle Menschen zum Heil zu leiten.
Der Vater: „Sie werden alle von Gott gelehret sein“. Joh. 6, 4,.
Der Sohn: „Wenn Ich erhöhet werde von der Erde, so will Ich sie alle zu Mir ziehen.“ Joh. 12, 3 2. „Siehe, Ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand Meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde Ich eingehen.“ Offb. 3, 20.
Der Heilige Geist: „Er wird die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht.“ Joh. 16, 8.
Wir sind überzeugt, daß es in eines jeden Menschen Leben einen Augenblick gibt, wo er, wenn er aufrichtig ist, wie die Zauberer Ägyptenlands ausrufen muß: „Das ist Gottes Finger!“ 2. Mose 8, 15.

Die Natur hat zu ihm gesprochen, sein Gewissen hat ihn von seinen Sünden überzeugt und der Heilige Geist klopft an seine Tür, um in ihm das Sehnen nach dem ewigen Leben zu wecken. Leider bleiben dann die meisten Menschen lieber in der Finsternis, weil sie nicht von ihren Sünden lassen wollen. Joh.3, 19.
Für die aufrichtigen Seelen aber (von denen es glücklicherweise allezeit noch welche gibt) wird das herrliche Versprechen sich bewahrheiten: „Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis.“ Psalm 112, 4. Auf wunderbare Weise wird sich ihnen Gott besonders offenbaren oder Er wird ihnen einen Boten schicken, wie Er es bei Kornelius und dem Kämmerer aus dem Mohrenland getan hat. Apg. 10, 10-20.
Wenn seine Stunde schlägt, hat jeder Mensch genügend Licht empfangen, um Gott anzunehmen oder abzulehnen, so daß er auch die volle Verantwortung trägt.

d) Kann ein unwissender, aber aufrichtiger Heide gerettet werden?
Was geschieht mit einem Heiden, der von seinen Sünden überzeugt ist und aufrichtig bereut, aber nie die Gelegenheit gehabt hat, eine klare Verkündigung des Evangeliums zu hören? Wir glauben, daß der allwissende Gott weiß, ob dieser Mensch, wenn ihm die Wahrheit kundgeworden wäre, sie angenommen hätte oder nicht. Zudem wissen wir nicht, was Gott alles vor dem Tode dieses Sünders tun wird, um an ihm das Versprechen Joh. 6, 45 und 12, 32 zu erfüllen. Wenn Er diesem Menschen vergibt, so wird Er das aber auf keinen Fall um seiner Aufrichtigkeit willen tun, sondern um des Opfertodes Jesu Christi willen, der für die Sünden der ganzen Welt gebüßt hat. 1. Joh. 2, 2.
In ähnlicher Weise werden die bußfertigen Sünder des Alten Testamentes Vergebung erlangen um des Messias willen, der eines Tages kommen sollte, um an ihrer Stelle den Tod zu erleiden. Der ehebrecherische und sündige David hat gewußt, daß ihm seine Übertretungen vergeben waren. Psalm 32, 1-5. Nach dem Gesetz wäre das ungerecht, und man könnte fragen, ob sich Gott damit nicht zum Genossen des Bösen machte. Aber als Er später Seinen eigenen Sohn für uns alle am Kreuz sterben ließ, zeigte Gott Seine volle Gerechtigkeit, nachdem bisher die Sünde „geblieben war unter göttlicher Geduld“. Röm. 3, 25.
Wenn Christi Opfer die wenig erleuchteten Menschen des Alten Testamentes retten konnte, wird es dann nicht auch den unwissenden Heiden, die von ganzem Herzen gemäß der Erleuchtung, die ihnen wurde, gehorchen, etwas sein können?
Man könnte vielleicht sagen: „Wenn dem so ist, warum evangelisiert man dann unter den Heiden? Die Aufrichtigen unter ihnen werden ja doch selig werden.“ Wer so spricht, verkennt zweierlei:
1. Wieviel „aufrichtige“ Heiden wird es in der furchtbaren Finsternis geben, worin sie leben? Ihre Leiber sind beschmutzt, ihre Gewissen verderbt, ihre Herzen von bösen Geistern besessen. Wir wollen Mitleid mit ihren Leiden haben und uns beeilen, ihnen das Heil zu bringen. Wir haben so viel empfangen, daß auch unendlich viel von uns gefordert wird. Wir wollen uns davor hüten, dem ergreifenden Ruf des Apostels Paulus unser Ohr zu verschließen: „Wie sollen sie aber Den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an Den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? . . . So kommt der Glaube aus der Predigt.“ Röm. 10, 14. 17. Wie können wir uns entschuldigen, wenn wir unterlassen, ein so großes Heil weiterzugeben?
2. Ist nicht das Leben auch des besten Heiden von der eigenen und der ihn umgebenden Sünde furchtbar belastet und ohne Ewigkeitshoffnung? Wie kann dieser Mensch die Freude und den Frieden des Heils genießen, wonach ihn so verlangt? Und können wir selbstsüchtig diese Segnungen genießen, ohne den brennenden Wunsch zu fühlen, sie mit dem Heiden zu teilen?
Nein, nichts kann uns von der Pflicht befreien, allen Seelen das Evangelium zu bringen, allen zu helfen, die noch unter der Herrschaft Satans und der drohenden ewigen Strafen sind.

7. Das Buch des Lebens.
Wir kehren zu der Schilderung des Jüngsten Gerichts zurück: „Und ein andrer Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens . . .Und so jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl . . . Wer überwindet . . . Ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens . . Und alle, die auf Erden wohnen, beten es (das Tier) an, deren Namen nicht geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes, das erwürgt ist.“ Offb. 20, 12.15.
„Zur selben Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.“ Dan.12,1.
Paulus spricht von seinen Gehilfen, „welcher Namen sind in dem Buch des Lebens“. Phil.4,3. . . .
Jesus spricht: „ . . . Freuet euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Luk.10, 20
Demnach schreibt Gott alle, die durch den Glauben gerettet werden, in Sein Buch. Aber es ist zu spät, erst im Augenblick des Jüngsten Gerichts zu glauben. Dann wird das Buch des Lebens geöffnet, und wessen Name nicht darin geschrieben steht, der ist endgültig verloren. . . .
Gott kennt die Namen derer im voraus, die an Seinen Sohn glauben werden, und hat sie vor Anbeginn der Welt in Sein Buch geschrieben. Röm. 8, 29. Aber so widersinnig es auch unserem beschränkten Verstand erscheinen mag, so werden wir doch ermahnt, heute zu glauben und den Heiland jetzt anzunehmen. 2. Kor. 5,20; 6,2; Hebr. 3,12-15 . So werden wir wissen, daß unsere Namen im Himmel geschrieben sind, und unser Herz wird voller Freude sein.
Wie töricht sind die Menschen, die das einzige Mittel, das Heil zu erlangen, zurückstoßen. Und wie leicht wird es ihnen gemacht! . . .
Beim letzten Gericht ist es zu spät, in das Buch des Lebens eingeschrieben zu werden. Aber es scheint auch, als ob keiner der eingetragenen Auserwählten vor dem Richter erscheine. . . .

8. Das Ende des Todes und der Hölle.
„Der Tod und die Hölle gaben die Toten, die darin waren . . . Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der andere Tod.“ Offb.20,13-14.
Der erste Tod ist der leibliche Tod, durch den wir diese Welt verlassen.
Der zweite Tod trifft die Gottlosen in der anderen Welt. . . .
Da die andere Welt der Erde folgt, ist es natürlich, daß der erste Tod dem zweiten Platz macht. Die einstigen „Sterblichen“ sind von nun an für immer im Himmel oder im feurigen Pfuhl. Dann erfüllt sich das Wort des Apostels Paulus: „Er muß aber herrschen, bis daß Er alle Seine Feinde unter Seine Füße lege. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod.“ 1.Kor.1,25-26.
Mit der „Hölle” (genau übersetzt: Ort der Toten) ist hier eine Art Untersuchungsgefängnis gemeint, worin die Ungläubigen bis zum Jüngsten Gericht behalten werden. In jenem Augenblick hört alles Vorübergehende auf und die Bewohner des Totenreichs werden „in den feurigen Pfuhl“ geworfen, das heißt in die ewige Hölle, die nun beginnt.

9. Der Urteilsspruch.
„So jemand nicht ward gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.“ Offb.20,15.
Wir müssen hier einen scheinbaren Widerspruch klarstellen: Jesus ist gekommen, um die Sünder zu retten und die Sünden der ganzen Welt zu büßen. Die Menschen gehen also nicht um ihrer Sünde willen verloren, sondern weil sie die göttliche Gnade nicht annehmen wollten: „Wer an Ihn glaubt, der wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des ein geborenen Sohnes Gottes . . “ Joh. 3, 18.
Man wird also durch den Glauben gerettet und geht durch den Unglauben verloren, durch die Weigerung, sich in das Buch des Lebens eintragen zu lassen. Wer die Gnade zurückstößt, bleibt auf dem Boden des Gesetzes. Auf diesem Boden kann man nur nach seinen Werken gerichtet werden. Wie wir schon gesehen haben, wird er genau das erhalten, was er verdient, und das Gesetz wird ihn ohne Gnade verdammen.
Wie wichtig ist es doch, im Buch des Lebens geschrieben zu sein! Manche geben sich hierüber bis zum letzten Augenblick falschen Hoffnungen hin, denn sie werden an jenem Tage sagen: ,,Herr, Herr, haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben, haben wir nicht in Deinem Namen viel Taten getan?“ „Und der Herr wird ihnen antworten: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet alle von Mir, ihr Übeltäter!“ Matth. 7, 22-23. . . .

KAPITEL III   DIE HÖLLE

1. Welche biblischen Bezeichnungen schildern die Hölle?
Die Bezeichnung „Hölle“ heißt im Französischen „Enfer“ und kommt von dem lateinischen Wort, das „unten“ bedeutet. (Das deutsche Wort Hölle kommt von Hel, dem germanischen Wort für das Totenreich. D.Übers.) Epheser 4, 9 heißt es: „Er (Christus) ist hinuntergefahren in die untersten Örter der Erde.“ . . .
Dieser Ort wird von einer überraschend großen Zahl von Bibelstellen und biblischen Bezeichnungen geschildert:
a) Der Scheiterhaufen, den der Odem des Herrn anzündet.
An einer Stelle, die vom Los spricht, das dem großen Feind Israels Assyrien (und vielleicht auch dem Antichrist) beschieden ist, sagt Jesaja: „Die Grube ist von gestern her zugerichtet, ja, sie ist auch dem König bereitet, tief und weit genug, der Scheiterhaufen darin hat Feuer und Holz die Menge. Der Odem des Herrn wird ihn anzünden wie ein Schwefelstrom.“ Jes. 30, 33.
b) Die ewige Glut, die ewigen Flammen.
„Die Sünder zu Zion sind erschrocken, Zittern ist die Heuchler angekommen: Wer ist unter uns, der bei einem verzehrenden Feuer wohnen möge? Wer ist unter uns, der bei der ewigen Glut wohne?“ Jes. 33, 14.
„Erbarme dich, denn ich leide Pein in dieser Flamme.“ Luk. 16, 24 . . .
c) Der Wurm, der nicht stirbt.
Am Ende eines Kapitels, das von der Herrlichkeit des Tausendjährigen Reiches spricht, fügt Jesaja hinzu: „Sie werden hinausgehen und schauen die Leichname der Leute, die an Mir übel gehandelt haben, denn ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht verlöschen und werden allem Fleisch ein Greuel sein.“ Jes. 66, 24.

Jesus gebraucht denselben Ausdruck und wendet ihn unstreitig auf die Strafe in der anderen Welt an: Er spricht vom höllischen Feuer, „…da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht“. Mark. 9, 48 .
e) Das Feuer, das nie verlöscht, oder das ewige Feuer.
Diese Bezeichnung, der wir schon Jesaja 66, 24 begegnen, wird von Johannes dem Täufer und von Jesus selber wieder aufgenommen: Der Sohn Gottes wird „die Spreu verbrennen mit ewigem Feuer“. Matth. 3, 12.

„Es ist dir besser, daß du als ein Krüppel zum Leben eingehest, denn daß du zwei Hände habest und fahrest in die Hölle, in das ewige Feuer.“ Mark. 9, 43.
„ . . . Gebet hin von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ Matth. 18, 8; 25, 41.
„Denn so wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir fürder kein anderes Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widersacher verzehren wird.“ Hebr. 10, 26.
f) Die Hölle oder das höllische Feuer.
„Es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“ Matth. 5, 29. 
„Fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle!“ Matth. 10, 28.
„Daß du werdest in das höllische Feuer geworfen.“ Matth. 18, 9.
Dieses Wort „Hölle“ bedarf einer Erklärung. (Luther hat hier mit „Hölle“ übersetzt, was im Urtext als Gegensatz zum Totenreich „Gehenna“ heißt.) Das Wort „Gehenna“ kommt von dem hebräischen Namen „Ge-Hinnom“ – Tal der Kinder Hinnom -, das den verfluchten Ort bezeichnete, wo Israel und seine ungetreuen Könige ihre Söhne und Töchter dem Moloch durchs Feuer gehen ließen. 2. Kön. 23, 10. Zur Zeit Jesu hat man dort wahrscheinlich den Unrat der Stadt Jerusalem verbrannt. Der Christ gebraucht das Wort Gehenna, um vom Feuer der Hölle zu sprechen, so wie die Bibel die Bilder der „Finsternis“, des „Pfuhls“ anwendet.
g) Die Verdammnis.
„Die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis ab führet, und ihrer sind viele, die darauf wandeln.“ Matth. 7, 13. Gott „hat mit großer Geduld getragen die Gefäße des Zorns, die da zugerichtet sind zur Verdammnis“. Röm. 9, 22. „Welcher Ende ist die Verdammnis.“ Phil. 3, 19.
j) Die ewige Pein.
„Und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ Matth. 25, 46.
k) Die Finsternis. „Bindet ihm die Hände und Füße und werfet ihn in die Finsternis hinaus Da wird sein Heulen und Zähneklappen.“ Matth. 22, 13. „Denn Gott hat die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen und übergeben, daß sie zum Gericht behalten werden . . . welchen behalten ist eine dunkle Finsternis in Ewigkeit.“ 2.Petr. 2, 4. 17.
i) Der zukünftige Zorn.
,.Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen, daß ihr dem zu künftigen Zorn entrinnen werdet?“ Luk. 3, 7. 
„Du aber nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Aber denen, die da zänkisch sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit, Ungnade und Zorn. Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun, . . . So werden wir ja vielmehr durch Ihn (Jesus Christus) bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir durch Sein Blut gerecht geworden sind.“ Röm. 2, 5. 8-9.
p) Das ewige Gericht.
Die Stelle Hebräer 5, 11 bis 6, 1-2 reiht die Lehre vom ewigen Gericht unter die Lehren „vom Anfang christlichen Lebens“. Dem Verfasser erscheinen diese Lehren vom Anfang christlichen Lebens so einfach und klar, daß er es nicht für nötig hält, sie den „Vollkommenen“ noch lange zu erklären.
r) Die Zerstörung.
„Es ist gekommen Dein Zorn und die Zeit der Toten, zu richten und zu geben ihren Lohn Deinen Knechten, . . . und zu verderben (zerstören), die die Erde verderbt (zerstört) haben. ” Offb. 11, 18. ,,Als dann wird der Boshafte offenbart werden, welchen der Herr umbringen (zerstören) wird mit dem Geist Seines Mundes und wird durch die Erscheinung Seiner Zukunft ihm ein Ende machen. ” 2. Thess. 2, 8.
s) Die Verleugnung.
„Wer Mich aber verleugnet vor den Menschen, den will Ich auch verleugnen vor Meinem himmlischen Vater.“ „Verleugnen wir, so wird Er uns auch verleugnen.“ 2. Tim. 2, 12.
t) Das Anathema, der Fluch.
„So jemand euch Evangelium predigt anders, denn als ihr empfangen habt, der sei verflucht!“ Gal. 1, 9.
„Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in alle dem, das geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, daß er’s tue.“
u) Die Vergeltung.
„Welcher Ende sein wird nach ihren Werken.“ 2. Kor. 11, 15. „Siehe, Ich komme bald und Mein Lohn mit Mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden.“ Offb. 22, 1 2.
v) Wehe
„Weh dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird.“ Matth. 26, 24 „Es ist unmöglich, daß nicht Ärgernisse kommen, weh aber dem, durch welchen sie kommen. Es wäre ihm besser, daß man einen Mühlstein an seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, denn daß er dieser Kleinen einen ärgert.“ Luk. 17, 1-2. 

z) Der feurige Pfuhl.
„Lebendig werden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brannte . . . So jemand nicht ward gefunden in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.“ Offb. 19, 20.
aa) Der andere Tod. „Der feurige Pfuhl. das ist der andere Tod . . . deren Teil wird sein in dem Pfuhl. der mit Feuer und Schwefel brennt, das ist der andere Tod.“ Offb. 20, 14.

Was bedeutet diese letzte Bezeichnung? Mit dem ersten Tod verlassen die Sünder diese Erde. Der zweite wird die Gottlosen nach dem Jüngsten Gericht treffen. Er ist in der Heiligen Schrift sinnverwandt mit Hölle. Wenn aber der erste Tod den Leib zersetzt, wird dann der zweite Tod nicht die unbußfertige Seele vernichten?
Lassen wir die Heilige Schrift hierauf antworten! Zweimal bezeichnet die Offenbarung den anderen Tod und den feurigen Pfuhl als gleichbedeutend: „Der feurige Pfuhl. das ist der andere Tod.“ Offb. 20, 14. Wir werden bald sehen, daß in dem feurigen Pfuhl die Seelen – weit davon entfernt, vernichtet zu sein – Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit leiden werden. Offb. 14, 10-11. Darum heißt es auch „den anderen Tod leiden“. Offb. 2, 11.


2. Worin besteht die Hölle?
a) Die Wirklichkeit der Hölle.
Aus allen Bibelstellen geht hervor, daß die Hölle eine schreckliche Wirklichkeit ist. Manche Leute empören sich über die harten Strafen, die im Alten Testament die Menschen der Sintflut, von Sodom und Gomorra, von Kanaan, sogar von Israel getroffen haben, und sie erklären, sie könnten hierbei nicht den Gott der Liebe der Evangelien erkennen.
Sie vergessen, daß die Gerichte des Neuen Testaments viel ernster sind als die des Alten Testaments: „Wenn jemand das Gesetz Moses bricht, der muß sterben ohne Barmherzigkeit durch zwei oder drei Zeugen. Wieviel. meinet ihr, ärgere Strafen wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt . . . Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ Hebr. 10, 28-31.
Die Strafen, die man in der Geschichte des Alten Testaments bemängelt, waren leiblich und irdisch, also zeitlich, sie ließen oft dem Sünder die Möglichkeit, sich noch sterbend zu bekehren und so seine Seele zu retten. Die Strafen jedoch, worauf das Neue Testament vor allem dringt, sind hauptsächlich geistlich und ewig, sie sind unendlich furchtbarer.

b) Die Bilder, welche die Hölle darstellen.
Das Feuer: Unter den Bezeichnungen für Hölle, die wir angeführt haben, sind sieben, die den Gedanken an ein Feuer erwecken: der Scheiterhaufen, die Flammen, das ewige Feuer, Gehenna, der Feuerofen, Feuer und Schwefel, der feurige Pfuhl. Aber auch andere Bilder werden angewandt:
Der nagende Wurm, die ewige Schmach, das Heulen und Zähne klappen, die Finsternis, die Vernichtung, „draußen“ usw.
Die Bibel muß eine menschliche Sprache anwenden, um uns einen Begriff von der anderen Welt zu vermitteln. Aber trotzdem ist ihre Schilderung des Jenseits geistlich und weit entfernt von den derben Darstellungen des Mittelalters. In der Bibel finden wir keine grotesken Bilder, die die Hölle wie einen großen Kochtopf schildern, worin die Verdammten gekocht und von grinsenden Teufeln mit Gabeln gestochen und gequält werden. Wenn die biblischen Bezeichnungen auch bildlich gemeint sind, so lassen sie doch eine entsetzliche Wirklichkeit klar erkennen. Wenn auch das Feuer, der nagende Wurm, die Finsternis usw. mehr geistlich als leiblich sind, so lassen sie doch nur um so mehr Gedanken an glühende Schmerzen, an Gewissensbisse, Unseligkeit, Finsternis und Gottferne aufkommen. Wenn es übrigens für die Ungläubigen auch eine Auferstehung des Leibes gibt, wird in ihrer Qual auch noch leibliches Leiden einbegriffen sein.

c) Worin besteht eigentlich die Hölle?
Wir sagen: In allen biblischen Bezeichnungen herrscht der Gedanke vor, daß die unbußfertigen Sünder auf ewig von Gott getrennt sind. Die beste Deutung der Hölle scheint uns in 2.Thess. 1, 9 gegeben: „Sie werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn.“
Das ewige Leben ist das Erkennen und die Gegenwart Gottes. Der andere Tod ist die endgültige Trennung von Gott. Mit dieser Deutung stimmt alles überein, was die Heilige Schrift von der Qual und der Dauer der Hölle lehrt.


3. Die Leiden der Hölle.
a) Wie werden sie beschrieben ?
Nehmen wir noch einmal die unter 1. angeführten Stellen und die dazu gemachten Anmerkungen:
„Als er nun in der Hölle und in der Qual war, . . . rief er: . . . Erbarme dich mein, . . . denn ich leide Pein in dieser Flamme.“ Luk. 16, 23-24.
„Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun.“ Röm. 2, 9. . . .
b) Worin besteht ein solches Leiden?
Was wir vom Zustand des reichen Mannes im Totenreich gehört haben, bringt uns auf einen Gedanken: Der Verdammte ist vom Ort der Seligkeit durch eine unübersteigbare Kluft getrennt. Er ist bei vollem Bewußtsein und hat sein völliges Erinnerungsvermögen. Er ist sich durchaus klar, daß er sein Heil verloren hat. Sein Leiden ist um so heftiger, da es ohne Hoffnung ist. Die Antwort Abrahams auf sein Flehen ist durchaus ablehnend. Nichts und niemand kann ihm vom Himmel zur Hilfe kommen, und keine Seele verläßt den Ort der Qual, um höher zu steigen.
Manche Leute haben schon gesagt: Wie kann ein Gott der Liebe daran Seine Lust haben, Seine Geschöpfe – wenn sie auch aufständisch waren – in alle Ewigkeit zu quälen? Die Bibel sagt nirgends, daß Gott sie quält. Er braucht rein garnichts dazu zu tun, daß sie leiden. Sie haben sich hartnäckig und freiwillig von Gott und Seiner Gnade abgewandt. Sie haben Ihn zurückgestoßen, und ihre Qual besteht einfach darin, daß sie der Seligkeit, der Freude, der Vergebung, des Friedens verlustig sind, die allein der Heiland geben kann. . . .
Als Gott zu den Israeliten spricht, die sich aus Unglauben geweigert haben, in das verheißene Land zu gehen, kündet Er ihnen die Strafe an, die während vierzig Jahren in der Wüste auf ihnen lasten wird: „Auf daß ihr inne werdet, was es sei, wenn Ich die Hand abziehe.“ „Und sollt erfahren, was es auf sich hat, wenn Ich Mich von euch abwende.“ 4. Mose 14, 34. Man könnte die Höllenqual nicht besser ausdrücken: für immer der Gegenwart des Herrn verlustig sein.
Gott hat alles getan, um die Menschen zu retten. Er hat Seinen Sohn für sie dahingegeben, Er hat zu ihnen durch die dreifache Offenbarung der Natur, des Gewissens, der Heiligen Schrift gesprochen. Er hat sie durch Seinen Heiligen Geist überzeugt und angefleht, sich Ihm zu übergeben.
Wenn sie sich hartnäckig von Ihm entfernen, zieht Er sich schließlich auch von ihnen zurück und über läßt sie sich selbst. Das ist dann die Hölle. Wenn Jesus am Kreuz rief: „Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?“ Matth. 27, 46, so wußte Er, was die Hölle ist. Er erduldete ihre Qual an unserer Statt. . . .



4. Die Dauer der Hölle.
Was wir gerade gesagt haben, ist schrecklich, aber noch entsetzlicher ist, was uns noch zu sagen bleibt. Leiden ist immer unangenehm. Aber so groß es auch sein mag, die Hoffnung, davon befreit zu werden, hilft es doch ertragen. Von der Dauer der Höllenqual dagegen sagt die Bibel ausdrücklich, daß sie nie aufhören wird. Wir werden später von den Einwendungen sprechen, die gegen diese Lehre gemacht worden sind. Zuerst wollen wir wieder die Bibeltexte sprechen lassen!
a) Wo steht von der ewigen Qual geschrieben?
1. Jesaja spricht von dem verzehrenden Feuer, der ewigen Glut, dem Wurm, der nicht stirbt. Jes. 33, 14.
2. Daniel sagt, daß etliche zum ewigen Leben aufwachen werden, die andern zur ewigen Schmach und Schande. Dan. 12, 2.
3. Johannes der Täufer und Jesus sprechen einer wie der andere vom ewigen Feuer. Wir zeigen etwas später, daß Gott selber ein verzehrendes Feuer ist. Das heißt, daß Seine Heiligkeit und unbedingte Gerechtigkeit nicht anders können, als den unbußfertigen Sünder zu verdammen. Diese Eigenschaft Gottes ist unwandelbar wie Er selbst – und das Feuer Seiner Gerechtigkeit wird nach den Worten Christi nie verlöschen.
4. Der Herr wird sagen: „Gehet hin . . . in das ewige Feuer . . . Und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.“ Matth. 25, 41.
5. „Wer den Heiligen Geist lästert, der hat keine Vergebung ewiglich, sondern ist schuldig des ewigen Gerichts.“ Mk. 3, 29. . . .
7. Das „ewige Gericht“ gehört nach Hebräer 6, 2 zu der „Lehre vom Anfang christlichen Lebens“.
8. „Er hat behalten zum Gerichte des großen Tages mit ewigen Banden in der Finsternis die Engel, die ihr Fürstentum nicht bewahrten . . . Sodom und Gomorra . . . sind zum Beispiel gesetzt und leiden des ewigen Feuers Pein . . . diese Menschen sind irre Sterne, welchen behalten ist das Dunkel der Finsternis in Ewigkeit.“ Jud. 6. 7. 13. . . .
Wer diese Texte, so wie sie sind, liest, gewinnt daraus den unabweislichen Eindruck, daß die Höllenqual niemals ein Ende haben wird. Dieser Gedanke ist jedoch für unseren menschlichen Geist so entsetzlich, daß viele Einwendungen dagegen erhoben worden sind, um diese Überzeugung umzustoßen.

b) Was wendet man gegen die Lehre von der ewigen Qual ein?
1. Man führt an, daß im Alten Testament die Worte „allezeit, ewig, Ewigkeit“ nicht unbedingt und notwendigerweise den Sinn haben, den wir ihnen heute verleihen. Zum Beispiel: „Ihr habt ein Feuer Meines Zorns angezündet, das ewiglich brennen wird . . . auf daß ihr Land zur Wüste werde, ihnen zur ewigen Schande . . . Bekehret euch . . . so sollt ihr in dem Lande, das der Herr euch und euren Vätern gegeben hat, immer und ewiglich bleiben.“ Jer. 17, 4.
Darauf kann man antworten, daß einerseits wir auch zuweilen solche Ausdrücke in einem übertriebenen Sinne gebrauchen, und daß andererseits Gott, wenn Er so spricht, die wahrhaft ewigen Rückwirkungen Seiner Versprechungen und Drohungen ins Auge fassen kann. Es ist jedoch außer Zweifel, daß diese Worte ihren unbedingten Sinn annehmen, wenn sie von dem Herrn und ewigen Dingen handeln. Warum sollte es dann bei der Verdammnis anders sein?
„Bist Du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit !“ Psalm 90, 2. „Ich will mit euch einen ewigen Bund machen.“ Jes. 55, 3.
Es ist auch bedeutsam, daß Daniel 12, 2 zweimal dasselbe Wort „ewig“ gebraucht, um sowohl das Leben ohne Ende der Auserwählten wie auch die Schmach der Verdammten zu bezeichnen.
2. Man gibt an, daß im Neuen Testament das griechische Wort „ewig“ – aiönios – nur „von langer Dauer“ bedeutet, im Zusammenhang mit dem kommenden Zeitalter. (Das Wort „aiön“ wird mit Zeitalter übersetzt.)
Das zwischen dem kommenden Zeitalter und dem, was „ewig“ ist, ein Zusammenhang besteht, wird wohl von keinem bezweifelt. Aber das Neue Testament läßt uns nicht im unklaren, in welchem Sinne es diese Bezeichnung, die es einundsiebzigmal anwendet, gebraucht. Es wendet sie vierundsechzigmal auf himmlische und selige Wirklichkeiten der anderen Welt an:
der ewige Gott, Seine ewige Macht, der ewige Geist, das ewige Leben, das ewige Evangelium, das ewige Reich, das ewige Heil, die ewige Erlösung, der ewige Bund, das ewige Erbe, die ewige Herrlichkeit, der ewige Trost, die ewigen Hütten, ewige Zeiten, die ewigen unsichtbaren Dinge.

In allen Fällen ist es ohne Zweifel, daß es sich um eine Dauer ohne Ende handelt. Siebenmal wird dagegen dasselbe Wort auf die Verdammnis angewandt. Matth. 18, 8; 25, 41; Jud. 7: das ewige Feuer; Matth. 25, 46: die ewige Pein; Hebr. 6, 2: das ewige Gericht; 2. Thess. 1, 9: das ewige Verderben.
Wie kann ein Wort, das vierundsechzigmal „ewig“ bedeutet, sieben andere Male einen anderen Sinn haben? Jesus gebraucht übrigens dieselbe Bezeichnung Matth. 25, 46 für das ewige Leben und die ewige Pein. Wenn das erste immer dauern soll. warum dann nicht auch das andere?
3. Derselbe Einwand wird bei dem Ausdruck von „Ewigkeit zu Ewigkeit“ gemacht. Man sagt, daß er „eine gewisse Anzahl von Zeitaltern“, aber nicht die Ewigkeit bedeute. Wir wollen sehen, welche Bedeutung diesem Ausdruck in der Offenbarung gegeben wird, wo er immer wieder vorkommt! Jesus Christus und Gott leben von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie werden von Ewigkeit zu Ewigkeit angebetet.
Die Auserwählten werden mit Ihm regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Bis hierhin bedeutet dieser Ausdruck ohne Zweifel: immer.
Warum sollte er einen anderen Sinn annehmen, wenn er auf die Hölle an gewandt wird? „Der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Wir stellen noch fest, daß der Ausdruck „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ in der Offenbarung im Griechischen zwölfmal durch „eis tous aiö nas tön aiönon“ und nur ein einziges Mal durch „eis aiönas aiönon“ dargestellt wird. Wir glauben nicht, daß ein Unterschied in der Bedeutung besteht, und alle Beweisgründe des obigen Absatzes, die wir schon sooft wiederholt haben, führen daraufhin, daß eine ewige Dauer gemeint ist.

4. Man kann genau dasselbe von den Worten „Ewigkeit“ oder „ewig“ sagen.
Das Neue Testament gebraucht sie unbestreitbar im unbedingten Sinne. „Das Wort aber des Eides, . . . setzt den Sohn ein, der ewig und vollkommen ist. Er bleibt ewiglich . . . Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Hebr. 7, 28. 24; 13, 8. „Vielleicht aber ist er darum eine Zeitlang von dir gekommen, daß du ihn ewig wieder hättest.“ Philem. 15.
Warum verändern diese Worte plötzlich ihren Sinn, wenn Judas sie auf die Hölle anwendet? Vers 6 und 13. . . .

5. Der Wurm, der nicht stirbt, das Feuer, das nicht verlöscht, sind nur bildliche Ausdrücke . . .
In dem Tal Hinnom bei Jerusalem wurde der Unrat verbrannt. Das Feuer dauerte nicht länger, als man es nährte. Dieser Schluß ist durchaus richtig für das irdische Feuer und den irdischen Brennstoff. Aber er stimmt nicht mit dem, was die Bibel vom Jenseits sagt, überein. Wenn die Seelen und die Qual ewig dauern, warum sollte dann „das Feuer“ verlöschen? Wir sehen, daß das Tier und der falsche Prophet bei der Schlacht von Harmagedon lebendig in den feurigen Pfuhl. der mit Schwefel brennt, geworfen werden. Offb. 19, 20. Tausend Jahre später sind diese beiden (es sind Menschen!) noch darin und wir lesen, daß sie mit dem Teufel dort gequält werden „Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Offb. 20, 10. Der feurige Pfuhl selbst wird also wohl auch immer währen.
(Wir behandelten hier die Dauer der Qual und werden auf die „Vernichtung ” später zurückkommen.)
Wir sind uns wohl bewußt, daß die Behauptungen der Bibel über die Ewigkeit und die Höllenqual zweifellos sehr schwer anzunehmen sind. Aber da sie es so schreibt, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu beugen und es wie Adolphe Monod zu machen, der uns folgende Erfahrung weitergab:
Der große Prediger erklärt: „Ich habe alles, was in meinen Kräften stand, getan, um im Wort Gottes die ewige Qual nicht zu finden. Aber es ist mir nicht gelungen . . . Als ich Jesus Christus selber sagen hörte, daß die Bösen in die ewige Pein, die Gerechten in das ewige Leben gehen und daß also die Qual der einen so ewig sein werde wie die Seligkeit der anderen, . . . da habe ich nachgegeben, ich habe mein Haupt gebeut, ich habe meine Hand auf meinen Mund gelegt, ich habe an die ewige Qual geglaubt.“ (Premiere Serrie des Sermons, Seite 391.)

5. Prüfung einiger Fragen über die Hölle.

a) Verträgt sich die ewige Hölle mit der Liebe Gottes ?
Wir haben schon die landläufige Meinung erwähnt, wonach Gott viel zu gut ist, um die Sünder ewig zu strafen.
Hierbei müssen wir von vornherein einen schweren Irrtum ausmerzen: Es gibt keinen „lieben Gott“. Der schwache, nachsichtige Gott, der Seine Zeit damit zubringt, „irgend etwas“ ohne strenge Prüfung zu vergeben, ist in Wirklichkeit ein Götzenbild. Es ist ein falscher Gott, der von denen erfunden worden ist, die sich in ihren Sünden gefallen und den Gott der Bibel nicht kennen. Die Heilige Schrift offenbart uns Ihn, der zugleich der Gott der Liebe und der Heiligkeit ist. In Seiner Liebe hat uns der Vater Seinen eingeborenen Sohn dahingegeben und in Seiner Heiligkeit hat Er Ihn an unserer Statt verdammt. 1. Joh. 4, 8-10; Gal. 3 , 10-13. Wer den Sohn Gottes mit Füßen tritt und Seine Liebe zurückstößt, wird das schreckliche Feuer des Gerichts kennenlernen.
Die ganze Geschichte der Menschheit und Israels zeigt, daß die Gerichte Gottes furchtbar sind. Der das Geschlecht der Sintflut, Sodom, Ägypten, Babylon, Jerusalem geschlagen hat, der in unseren Tagen den Tod von Millionen Seiner Geschöpfe zugelassen und die Verheerung unserer stolzen „Zivilisation“ durch eine „Flut von Feuer“ erlaubt hat, dieser Gott ist nicht der „liebe Gott“. Er ist ganz einfach der Gott, der mit einer unfaßbaren Liebe und Geduld versucht hat, Seine Geschöpfe zu retten, der aber eines Tages Seine Drohungen wahrmacht. Und Seine Strenge ist leider um so größer, je länger die Menschen Seine Langmut verhöhnt haben. Die Hölle wird nur die Fortsetzung dessen sein, was wir jetzt schon hier auf Erden sehen.
Der beste Beweis dafür, daß das Gericht und die Verurteilung zur Hölle nicht der heiligen Liebe Gottes widersprechen, ist, daß Jesus Christus selber der Vollzieher sein wird. Er selber wird zu den Verdammten zu Seiner Linken sagen: „gehet hin von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer.“ Und die Unseligen werden mit Feuer und Schwefel gequält werden „vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm“. Im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden sagt Jesus: „Doch jene, Meine Feinde, die nicht wollten, daß Ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürget sie vor Mir!“ Luk. 19, 27.
Wir wollen schließlich auch nicht vergessen, daß unser Gott selber „ein verzehrendes Feuer“ ist. Hebr. 12, 29.
Das gibt von der Liebe und der Gerechtigkeit eine ganz andere Vorstellung, als sie die meisten unserer Zeitgenossen haben.


b) Werden die Gottlosen früher oder später in der anderen Welt vernichtet ?
Dies behaupten die Anhänger der Lehre, die man „Konditionalismus“ nennt. Gott allein – so sagen sie – hat Unsterblichkeit. Er will wohl die Menschen daran teilhaben lassen, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß sie glauben. „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“
Dieselben Leute fügen hinzu, daß nach der Bibel die Seele, die sündigt, sterben soll. Demnach wird diese Seele in der anderen Welt vernichtet, wie der Leib hier auf Erden zerstört wird. Es wird von der Vernichtung der Gottlosen als von ihrer Verdammnis und ihrem Verderben gesprochen. 2. Thess. 1, 9. Man soll Den fürchten, „der Leib und Seele verderben kann in die Hölle.
Wenn wir die Heilige Schrift richtig verstehen, können wir jede dieser Behauptungen widerlegen:
1. Wir haben gesehen, daß in der Tat Gott allein das wahre Leben ist und daß Er es nur Seinen Gläubigen verleiht, denn das ewige Leben ist: den Vater und den Sohn erkennen. Gott nicht kennen, das bedeutet, daß man tief im geistlichen Tod versunken ist. Aber wir haben gleichfalls gesehen, daß die Menschen, die den „zweiten Tod ” erleiden, durchaus nicht vernichtet, sondern im Gegenteil gequält werden „Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit“.

2. Der Gedanke an ein Weiterleben der Seele ist allgemein und findet sich auch in allen heidnischen Religionen, diejenige der Griechen mit einbegriffen. Aber allein die Bibel lehrt klar, daß durch die Auferstehung jeder Mensch, der Leib sowohl wie die Seele, in der anderen Welt weiterbestehen wird. Sie behauptet gleichfalls, daß es eine Auferstehung der Ungerechten wie der Gerechten gibt.
3. Wenn die Heilige Schrift die Vernichtung, die Verdammnis, das Verderben der Gottlosen erwähnt, so müssen wir verstehen, welchen Sinn sie diesen Ausdrücken gibt. Die Offenbarung spricht von der Zeit, da die verderbt werden, die die Erde verderbt haben. Es ist klar, daß die Gottlosen die Erde nicht vernichten. Sie verderben sie, sie machen sie unglücklich, und genau das wird Gott mit ihnen machen. . . .
Wir wollen auch noch einen Ausdruck erwähnen, den wir Matth. 10, 28 finden: „Fürchtet euch aber viel mehr vor Dem, der Leib und Seele »verderben« kann in die Hölle.“ Im Griechischen bedeutet das Wort „apollumi“ gleichfalls „verlieren“ und wird im gleichen Kapitel auf die „verlorenen“ Schafe aus dem Hause Israel angewandt, ebenfalls auf das „verlorene“ Schaf und den „verlorenen“ Sohn. Luk. 15, 6. 9. 24. „Des Menschen Sohn ist gekommen, selig zu machen, das verloren ist.“ Matth. 18, 11. Der verlorene Sohn lebte wohl noch vor seiner Rückkehr, aber er war fern vom Vater, verderbt und unglücklich. So wird es auch mit den Sündern in der Hölle sein. . . .

c) Werden nicht eines Tages alle Geschöpfe gerettet werden ?
Eine andere Lehre, die sogenannte Wiederbringungslehre, behauptet, daß nach einigen Strafen, die die menschliche Sündhaftigkeit und Gottes Heiligkeit erfordern, schließlich alle selig werden. Der Herr – so wiederholt man – ist zu gut, um Seine Geschöpfe, die so kurze Zeit auf Erden gesündigt haben, dafür ewig in der Hölle leiden zu lassen. Man führt auch an: „Gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden . . . auf daß Gott sei alles in allen.“ 1. Kor. 15, 22. 28. Christus ist erhöht worden, „daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes, des Vaters“, Phil. 2, 10-11.
„Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf daß Er sich aller erbarme.“ Röm. 11, 32.
Dies bedeutete, daß eines Tages selbst in der Hölle sich alle Geschöpfe, der Teufel und die Dämonen einbegriffen, dem Heiland zuwendeten und Seiner Gnade teilhaftig würden. Denn – sagt man – der Triumph Jesu Christi wäre nicht vollkommen und Gott wäre nicht allmächtig, wenn noch ein einziges Geschöpf – und wäre es auch das verhärtetste – in der Hölle bliebe und nicht von Ihm zurückgebracht werden könnte. E. F. Ströter, einer der glühendsten Anhänger der Wiederbringungslehre, behauptet, daß Gott gerade durch das höllische Feuer, den Tod, das Verderben und die Verdammnis am Ende alle Menschen rettet. So verstanden, wäre die Hölle ein augenscheinlicher und unsäglich kostbarer Beweis Seiner heiligen Liebe . . .
Der Herr sagt von Judas: „Es wäre ihm besser gewesen, er wäre nicht geboren worden.“ Matth. 26, 24. Das wäre aber durchaus nicht der Fall, wenn er vor sich eine selige Ewigkeit hätte.

Aber wir wollen einige andere Beweisgründe der Wiederbringer prüfen!
1. Sie behaupten, daß es ungerecht wäre, Menschen für die Ewigkeit zu strafen, die nur in der Zeit gesündigt haben. Aber wir müssen verstehen, daß die Sünde unendlich schwerwiegend ist: Sie beleidigt eine unendliche Persönlichkeit, und andererseits wird sie von dem Menschen begangen, der zum Bilde Gottes geschaffen worden ist und sich schon selber im Plan der Ewigkeit befindet. Der Sündenfall Adams und das Kreuz Christi sind beide zeitlich sehr begrenzte Ereignisse und haben doch unendliche Folgen. Röm. 5, 17-19.
Die Lehre der Wiederbringer widerspricht zudem allen Bibelstellen, die von den ewigen Leiden in der anderen Welt sprechen. Außerdem ist es leicht übereinstimmend mit dem Zusammenhang in der Heiligen Schrift, diese Stellen, worauf man sich zu stützen versucht, ganz anders zu erklären.

2. Um 1. Kor. 15, 22 zu verstehen, muß man auch Vers 23 lesen: Es werden nur die „in Christo alle lebendig gemacht werden . . . die Christo angehören“. In ihnen auch wird Gott alles in allen sein, während Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben. . . .
3. Wenn sich im Himmel, auf Erden, unter der Erde alle Knie beugen und alle Zungen bekennen sollen, daß Christus der Herr sei, so bedeutet das nicht notwendigerweise, daß alle bekehrt werden. Beim ersten Kommen Christi waren die Dämonen die ersten, die verkündeten, wer Er war, und die Ihm gehorchten. So wird auch der Augenblick kommen, daß in der anderen Welt alle Feinde des Herrn Seine Macht anerkennen und sich vor Ihm beugen müssen. Aber das wird leider zu spät für ihre Rettung sein.
4. Man könnte noch viele andere Bibelstellen anführen, die alle Gottes Willen bezeugen, alle Menschen durch das völlig genügende Opfer am Kreuz zu retten. Aber trotz dieses Verlangens wird der Herr niemals diejenigen mit Gewalt zum Glauben zwingen, die hartnäckig das Heil zurückstoßen. Jesus ruft aus: „Jerusalem . . . wie oft habe Ich deine Kinder versammeln wollen . . . und ihr habt nicht gewollt.“ Matth. 23, 37.
Wenn Seelen in die Hölle kommen, so geschieht es darum, weil Gott ihre Freiheit und ihren aufrührerischen Willen achtet und ihnen kein anderes Heil anzubieten hat. Hebr. 10, 26-31. Das Heil wird nur durch den Glauben erlangt. In der anderen Welt kann man es leider nicht mehr empfangen, da dann das Schauen dem Glauben folgt.

5. Nach den Worten Jesu in Lukas 16, 26 ist zwischen dem Ort der Qual und dem Ort der Ruhe eine große Kluft, so daß ein Hinüber oder Herüber ausgeschlossen ist. Wie könnten demnach die Verdammten jemals in den Himmel hinübergelangen?
So verführerisch die Lehre von der Wiederbringung auch dasteht, so müssen wir doch feststellen, daß sie nicht biblisch ist. Ihre Ideen von der Wiederbringung aller Dinge sind vielmehr dem Pantheismus verwandt.
Wenn es eine Möglichkeit der Errettung nach dem Tode gäbe, so könnte sie nur auf zwei Arten geschehen:
Entweder müßten sich die Menschen sozusagen gezwungenermaßen für Christus entscheiden. Wo bliebe dann aber ihre Freiheit und welchen moralischen Wert hätte diese Entscheidung?
Oder es wäre wie auf der Erde, und es gäbe auch die Möglichkeit der Ablehnung. Was sollte dann aber noch diese Wiederholung, und wie viele aufeinanderfolgende oder ähnliche Proben hätte der unbußfertige Sünder dann noch zu bestehen?
Nein, die ganze Bibel sagt uns, daß wir uns heute entscheiden müssen. Morgen ist es zu spät.
Die Warnungen der Propheten,

die Tränen Jesu,

die Mahnungen der Apostel,

die leidenschaftliche Beweisführung des Paulus,

die erschütternden Bilder der Offenbarung,
alle rufen uns zu:
„Heute, so ihr Seine Stimme höret, verstockt eure Herzen nicht!“
„Jetzt ist der Tag des Heils“
Nach dem Tage des Heils kommt der Tag des Gerichts, und die Himmelstür wird verschlossen werden wie einst die Tür der Arche. Dann werden viele „danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht tun können“. . . .

d) Was denken wir über das Fegefeuer?
Die katholische Kirche lehrt sehr streng, daß es eine ewige Hölle gibt, aus der keiner wieder entweichen kann. Aber sie fügt hinzu, daß zwischen Himmel und Hölle noch ein Zwischenreich, das Fegefeuer, besteht. Dorthin gehen nach ihrem Tode alle die Seelen, die durch Jesus Christus von der ewigen Strafe gerettet sind, aber noch nicht rein genug sind, um sogleich in den Himmel eintreten zu dürfen. Um ganz gewiß im Paradiese zu sein, muß ein Mensch erst heilig gesprochen werden, und heute noch werden Messen für die Seelenruhe von Päpsten gelesen, die schon seit Jahrhunderten tot sind. Es genügt, die Heilige Schrift zu fragen, um festzustellen, daß das Fegefeuer eine reine Einbildung ist. Alle Stellen, die klar vom Jenseits sprechen, zeigen uns nur zwei Möglichkeiten:

Der breite Weg führt zur Verdammnis. – Die enge Pforte zum Leben. Matth. 7, 13-14.

Die Spreu wird ins Feuer geworfen. – Der Weizen wird in die Scheuer gesammelt. Matth.13, 30. 

Die törichten Jungfrauen bleiben draußen. – Die klugen Jungfrauen gehen hin ein zur Hochzeit. Matth. 25, 10. 

Der reiche Mann ist in der Qual. – Lazarus wird in Abrahams Schoß getröstet. Luk. 16, 22-23.

Die einen stehen auf zum Gericht. – Die andern zum Leben. Joh. 5, 29.
Nirgends ist neben Himmel und Hölle von einem dritten Ort im Jenseits die Rede.
Die wenigen Bibeltexte, die Rom für seine Fegefeuerlehre anführt, beziehen sich nicht darauf, was man in sie hineinlegt.


1. „Es wird durchs Feuer offenbar werden, welcherlei das Werk eines jeglichen sei . . . Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden . . . er selbst aber wird selig werden, so doch wie durchs Feuer.“ 1. Kor. 3, 13. Es handelt sich hier um Menschen, die gerettet sind, da sie ihr Leben auf den einzigen Grund, Jesus Christus, gestellt haben. Paulus spricht hier von der Belohnung, die die Gotteskinder im Himmel empfangen werden: Er wird ihrer Liebe und ihrem Eifer entsprechend verschieden sein, ja er kann sogar bei manchen fehlen. Aber wenn sie trotzdem fest an ihrem Heiland hängen, wird sie die unverdiente und freie Gnade des Herrn wie durchs Feuer in den Himmel tragen.

Es ist an dieser Stelle nicht die Rede davon, daß Sünder durch läuternde und sühnende Leiden gereinigt werden. Dieser Gedanke widerspricht völlig der biblischen Lehre. Allein die Leiden Christi sind sühnend und hinreichend. Er starb mit den Worten: „Es ist voll bracht!“ Der Mensch wird „ohne Verdienst gerecht aus Seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist . . . ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben . . . Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an Den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“. Röm. 3, 24. 28. Unsere Verdienste, unsere Bemühungen, unsere Leiden können in keiner Weise unsere Sünden sühnen. Aber wenn wir an die völlige Vergebung auf Golgatha glauben, vermögen wir durch den Heiligen Geist Werke zu vollbringen, die Ihn verherrlichen und die Er belohnen wird. Eph. 2, 8-10. . . .

2. „Sei willfährig deinem Widersacher bald .. . , auf daß du . . . nicht werdest in den Kerker geworfen. Ich sage dir wahrlich: Du wirst nicht von dannen herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast.“ Matth. 5, 25-26. Der Herr des unbarmherzigen Knechtes „überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlte alles, was er ihm schuldig war“.
Diese Stellen sprechen zuerst von den Härten der menschlichen Gerechtigkeit. Die erstere warnt vor den Prozessen und ihren Folgen, die es für richtig erscheinen lassen, einen solchen selbst um den Preis einer demütigenden Versöhnung zu vermeiden. Der Text vom unbarmherzigen Knecht zeigt, daß die irdischen Richter in der unbeugsamen Ausführung des Gesetzes auch unbarmherzig sein können. Gott kann sich gleichfalls bei der Vollstreckung Seines Urteilsspruches unerbittlich zeigen. Diese beiden Stellen müssen übrigens im Lichte anderer zahlreicher Bibeltexte verstanden werden, die alle nur zwei Möglichkeiten im Jenseits nennen und eindringlich von der ewigen Hölle sprechen. Wenn der Gedanke vom Fegefeuer biblisch wäre, müßte er doch irgendwo klar ausgesprochen wer den. Das ist nicht der Fall. Er steht also im Widerspruch zu allen ausdrücklich anders lautenden Bibelstellen.

3. „Wer etwas redet wider den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt.“ Matth. 12, 32. Wenn eine gewisse Sünde in der anderen Welt nicht vergeben werden kann – so sagt die katholische Kirche -, so beweist dies, das andere Sünden dort noch vergeben werden können. – Unser Text sagt das auf alle Fälle nicht. Wir glauben übrigens, daß es nur eine einzige unverzeihliche Sünde gibt, nämlich die gegen den Heiligen Geist, die in der hartnäckigen Ablehnung der göttlichen Gnade besteht. Matth. 13,13-15 ; Joh. 12, 37-40. Gott möchte die ganze Welt retten, und Christus ist zur Sühne aller Sünden gestorben. Die einzige Sünde, die niemals Vergebung erlangt, ist die Ablehnung dieser Vergebung, die Gott niemandem aufzwingt. Alle, die in die Verdammnis gehen, haben diese Sünde begangen und können davon nicht losgesprochen werden. Das bedeutet auch die Verneinung eines Fegefeuers.

4. Da sie in den kanonischen Büchern der Heiligen Schrift keine Stütze für ihre von den Reformatoren angegriffene Lehre fand, sah sich die katholische Kirche gezwungen, Texte in den jüdischen Apokryphen zu suchen. Sie erklärte die Apokryphen dann auf dem Konzil von Trient 1546 als „kanonisch“. Nach 2. Makkab. 12, 39-46 beten die Juden und bringen ein Sühnopfer für ihre in einer Schlacht gefallenen Kameraden dar. Dies soll heute das Bestehen eines Ortes im Jenseits beweisen, wo die Sünder sich völlig reinigen, und soll die Gebete und Messen rechtfertigen, die man für die Toten liest. Es ist erstaunlich, daß man, um so etwas zum Dogma zu erheben, fünfzehn Jahrhunderte warten und dann plötzlich Bücher als von Gott eingegeben erklären mußte, die bis dahin weder die jüdische Synagoge noch die christliche Gemeinde als solche erkannt hatten. Wenn wir diese Bücher lesen, sind wir rasch davon überzeugt, daß sie von geringerer Güte sind. Der Text, der daraus angeführt wird, beeindruckt uns also durchaus nicht. Im Gegenteil: wir sind nicht erstaunt, daß er der Schrift selbst widerspricht.
„Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben – und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“ Eph. 2, 8.
„Wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid . . .sondern mit dem teuren Blut Christi.“ 1. Petr. 1, 18. . . .
Wen dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Offb. 22, 17.
Angesichts der so beredten Sprache – und des ebenso beredten Schweigens – der Heiligen Schrift erschauert man vor der tödlichen Gefahr, in die die Lehre vom Fegefeuer die Seelen bringt. Die meisten Menschen sind sich klar darüber, daß sie nicht heilig genug sind, um in den Himmel zu kommen. Aber sie halten sich auch nicht für so schlecht, daß sie die Hölle verdienen. Sie trösten sich damit, daß ein Aufenthalt im Fegefeuer genügen wird, um sie in Ordnung zu bringen. Sie verlegen demnach die Entscheidung, sich zu Gott zu bekehren, in die andere Welt und vernachlässigen hier auf Erden das einzige Heil, das ihnen jemals geboten wird, nämlich die Reinigung von ihren Sünden durch den Glauben an das Blut Christi und die völlige Änderung ihres Lebens.
Sie sterben, ohne gerettet zu sein, und stürzen mit geschlossenen Augen in die Verdammnis. In unseren Tagen lassen sich sogar viele Protestanten von diesem unheilvollen Irrtum verführen. Sie geben ihm zwar nicht den Namen Fegefeuer, aber im Grunde kommt es auf dasselbe heraus: Sie glauben nicht mehr an eine ewige Hölle, sondern sind davon über zeugt, daß nach einer Läuterungszeit in der anderen Welt alle in den Himmel kommen. . . .

e) Was versteht man unter dem „Vorhimmel“?
Nach dem katholischen Katechismus ist das der Ort, wohin die ungetauft gestorbenen Kinder für die Ewigkeit kommen. Jesus sagt, daß ein Mensch nur in das Reich Gottes kommen kann, wenn er aus Wasser und Geist geboren wird. Dem erstaunten Nikodemus fügt Er hinzu, daß man nur durch den Glauben das ewige Leben empfängt und von neuem geboren werden muß. Die katholische Kirche lehrt dagegen, daß der Vollzug der Taufe schon einem unbewußten Kind die Wiedergeburt verleiht. Die Kleinkinder, die ungetauft sterben, können daher niemals in den Himmel kommen. Der Katechismus fügt hinzu: „Aber es ist erlaubt, anzunehmen, daß sie nicht in die Hölle kommen. Das ist die Ansicht des Heiligen Augustin, die im allgemeinen von den Kirchenlehrern als wahrscheinlich angenommen und gelehrt worden ist. Sie sind an einem Zwischenort, dem Vorhimmel, wo sie Gott nicht schauen, aber auch nicht leiden. Unter diesen Bedingungen ist ihr Schicksal nach Ansicht des Heiligen Augustin einem Nicht-mehr-Bestehen vorzuziehen.“ 
Im obigen Text beweisen die mehrfach wiederholte Möglichkeitsform und der vollständige Mangel an biblischer Bestätigung, daß der Vorhimmel wie das Fegefeuer nur in der Einbildungskraft der Menschen bestehen. Was wäre übrigens ein Dasein ohne Gott im Jenseits? Und wäre es nicht entsetzlich unmoralisch, wenn solch ein furchtbares Dasein für die Ewigkeit armen unschuldigen Wesen auferlegt würde, die nur durch die Schuld ihrer Umgebung noch nicht getauft waren? Andererseits zeigt sich die Kirche den Erwachsenen gegenüber weniger streng. Sie sagt wohl, daß die Taufe zum ewigen Heil derer notwendig ist, die das Christentum kennen. Aber von den Erwachsenen, die noch in der Finsternis des Heidentums befangen sind, sagt sie: „Sie werden nach ihren Werken gerichtet werden. Gott wird von ihnen nicht die Taufe verlangen, die sie nicht kennen; und wenn sie ihre Pflichten nach ihrem Gewissen und ihrer Religion treu erfüllt haben, können sie gerettet werden.“
Ein Glück, daß derart unzulässige Ungerechtigkeit nicht in der Heiligen Schrift bestätigt wird.
Im Gegenteil! Wir sehen, daß nach der Bibel ein jeder nach seinen Werken und dem Licht, das er empfangen hat, gerichtet werden wird. Die Menschen haben keine Entschuldigung, „dieweil sie wußten, daß ein Gott ist, und haben Ihn nicht gepriesen als einen Gott, noch Ihm gedankt.“ Nun haben die unbewußten Kinder weder „Licht“ noch Handlungsfähigkeit erhalten. Sie haben zwar von Geburt eine sündige Natur, die sie eines Tages zum schlechten Gebrauch ihres Willens führen wird. Aber solange ihr Bewußtsein noch nicht erwacht ist und solange sie die Gnade weder annehmen noch ablehnen können, wird die Heilige Schritt sie selbstverständlich nicht als verantwortlich bezeichnen.
Jesus hat gesagt, daß wir wie die Kinder werden müssen, um in das Himmelreich zu kommen. Matth. 18, 3. Ist es nicht merkwürdig, daß gerade die einzig Unschuldigen unter ihnen vom Himmelreich für ewig ausgeschlossen sein sollen? Wir wollen Gott für die Gewißheit danken, daß der gute Hirte selber die zartesten Seiner Lämmer auf Seine Arme nehmen wird.

f) Ist das Evangelium nicht den Toten gepredigt worden ?
Zwei Texte von Petrus verdienen in dieser Hinsicht geprüft zu werden:
1. „Sintemal auch Christus einmal für unsere Sünden gelitten hat . . . und ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. In demselben ist Er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die vorzeiten nicht glaubten, da Gott harrte und Geduld hatte zu den Zeiten Noahs, da man die Arche zurüstete.“ 1.Petr. 3,18-20. Man hat sich gefragt, ob dieser Text (einer der schwierigsten der Heiligen Schrift) auf das Wirken Christi im Totenreich in der Zeit zwischen Seinem Tod und Seiner Auferstehung anspielt. Sollte Er dann den Seelen des Alten Bundes, die bis dahin noch nichts vom Evangelium gewußt hatten, Seine Botschaft verkündigt haben? Aber warum sagt Petrus dann, daß diese Predigt sich nur an das Geschlecht der Sintflut gewandt hat?
Eine andere Erklärung erscheint uns annehmbarer. Anstelle von „Er ist gegangen“ kann man ebenso richtig „Er war gegangen“ übersetzen. . . . Man kann sich denken, daß Petrus hier darauf anspielt, daß Christus zur Zeit Noahs vermitteln wollte, um – wenn möglich – die von der Sintflut bedrohten Ungläubigen noch zu retten. Eine solche Handlung wäre für uns nicht erstaunlich, denn das Alte Testament zeigt uns Jesus Christus schon mehrmals am Werke.
Zum Beispiel nimmt Er an der Schöpfung teil, Er zeigt sich den Patriarchen als Melchisedek und Engel des Herrn. 1. Mose 14, 18-20; Hebr. 7, 2. Aber Er kann zu den Menschen der Sintflut noch auf andere Art gesprochen haben. Petrus sagt zu Beginn seines Briefes, daß die alten Propheten durch den Geist Christi weissagten, der in ihnen war. 1. Petr.1, 10-11. Er nennt auch Noah „den Prediger der Gerechtigkeit“. 2. Petr. 2, 5.
Ohne Zweifel will er in dem Text, der uns beschäftigt, sagen, daß der Geist Christi die Ungläubigen jener Zeit durch Noah eine Botschaft hören ließ, diejenigen, die jetzt im Gefängnis sind.
Auf alle Fälle handelt es sich hier um etwas Vergangenes, und nichts in diesem Text erlaubt zu behaupten, daß das Evangelium heute noch oder später den Ungläubigen in der anderen Welt gepredigt wird.

2. Wie wäre dann der folgende Text zu erklären? „Sie (die die Christen verleumden und lästern) werden Rechenschaft geben Dem, der bereit ist, zu richten die Lebendigen und die Toten. Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, auf daß sie gerichtet werden nach dem Menschen am Fleisch, aber im Geist Gott leben.“ 1. Petr. 4, 4-6. Bei Seiner Wiederkunft wird Jesus mit der ganzen Menschheit abrechnen, mit den Toten, die Er auferwecken wird, und mit den Lebenden, die Er noch auf Erden finden wird. Auch die Toten sind verantwortlich, denn das Evangelium ist ihnen gepredigt worden. Aber der Text sagt nicht wo und wann, und wir nehmen an, daß es während ihres Erdenlebens geschehen ist. Auf alle Fälle handelt es sich wieder um etwas Vergangenes, und Petrus sagt nicht, daß das Evangelium jetzt den Toten verkündigt wird, noch daß es später geschehen wird. Diese ganze Frage betrifft uns übrigens gar nicht unmittelbar. Denn wer das Evangelium gehört hat (wie wir alle, die diese Zeilen lesen), hat keine Entschuldigung vor Gott und wird nach der ganzen Bibel keine Aussicht haben, nach dem Tode noch das Heil zu erlangen. „Denn so wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir fürder kein anderes Opfer mehr für unsere Sünden, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widersacher verzehren wird . . . Schrecklich ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ Hebr. 10, 26-27. 31

g) Können wir im Himmel glücklich sein, wenn wir an die Verdammten in der Hölle denken ?
Viele sind davon überzeugt, daß sie im Himmel keine Ruhe haben könnten, wenn sie dort nicht alle wiederfänden, die sie auf Erden geliebt haben.
Zu dieser ernsten Frage möchten wir wieder die Antwort der Heiligen Schrift anführen.
1. Wir werden im Himmel auf dieselbe Weise glücklich sein wie der Herr selbst. Paulus nennt Gott „selig“ trotz aller furchtbaren Wirklichkeit der Sünde, des Todes und der Verdammnis. 1. Tim. 6, 15.
Denken wir genug an die furchtbare Macht des Todes? Jedes Jahr sterben ungefähr fünfzig Millionen Menschen und jeden Tag mehr als zehntausend. Wenn es den Tod gibt, kann es auch eine Hölle geben. Wenn Gott den Tod zuläßt und das Gericht anordnet, so müssen die mit Seiner Gegenwart Begnadeten sie auch gutheißen.
2. Gott versichert andererseits feierlich, daß Er alle Tränen von unseren Augen abwischen wird. Offb. 21, 4. Jeder Kummer und jede Sorge werden aus unseren Herzen verbannt sein.
3. Es scheint gewiß, daß in der anderen Welt die Auserwählten und die Verdammten nichts Gemeinsames mehr haben. Schon hier auf Erden werden die wiedergeborenen Gläubigen Kinder Gottes und haben teil an der göttlichen Natur. Bald werden sie sogar dem Herrn gleich sein. . . .
4. Wenn wir im Himmel Gott auf vollkommene und ausschließliche Weise lieben, wie können wir dann noch denen zugetan sein, die bis zum Schluß Seine Feinde bleiben wollten? Das Wort Jesu wird dann ein letztes Mal erfüllt werden: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn Mich, der ist Mein nicht wert.“ Matth. 10, 37. Wenn die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Verdammten sich nicht miteinander vertragen werden, muß die letztere aufhören. . . .
5. Abschluß.
Eine wenn auch nur kurze Betrachtung aller Bibelstellen, die sich mit der Hölle befassen, drückt uns nieder. Wir sind nach diesen Texten gezwungen, zuzugeben, daß die ewige Qual eine schreckliche Wirklichkeit ist. Aber wir behaupten nicht, daß wir all die ernsten Fragen entscheiden können, die solch eine furchtbare Behauptung nach sich zieht. Wir glauben jedoch, noch folgendes hinzufügen zu können:
a) Gott wird uns später verstehen lehren, was uns jetzt noch in Seinen Gerichten unverständlich ist.
Es ist tatsächlich auf Erden unmöglich, Gott immer wahrhaft zu verstehen: „Soviel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch Meine Wege höher denn eure Wege und Meine Gedanken denn eure Gedanken.“ Jes. 55, 9.
Ich vermag Gott, den Schöpfer, nicht zu verstehen: Seine Werke sind unendlich, und mein Auge kann sie kaum fassen, geschweige mein Verstand sie erklären. Ich vermag auch Gott, den Heiland, nicht zu verstehen: Wie unfaßbar ist Seine Liebe und wie unvorstellbar Seine Barmherzigkeit
Wie könnte ich dann den höchsten Richter verstehen! Wie sagt Paulus? „Wie gar unbegreiflich sind Seine Gerichte und unerforschlich Seine Wege!“ Röm. 11, 33.
Einst wird jedoch der Augenblick kommen, da wir erkennen, gleich wie wir erkannt sind. 1. Kor. 13, 12. Dann wird das, was uns im Plane Gottes noch unverständlich erscheint, uns vollkommen erklärt werden.
Alles, was Gott tut, entspricht vollkommen Seiner unbedingten Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe. „Recht muß doch Recht bleiben, und dem werden alle frommen Herzen zufallen.“ Psalm 94, 15. . . .
Wir bewundern vielmehr die große Geduld, womit Gott „die Gefäße des Zorns“ getragen hat. Und wir preisen Ihn, daß Er kundtat den „Reichtum Seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die Er bereitet hat zur Herrlichkeit“. Röm. 9, 22-23 .
Auf der Erde sind wir noch inmitten der Sünde und in Gemeinschaft mit denen, die Böses tun. Es macht uns viel Mühe, die Strenge Gottes gutzuheißen. Aber Johannes zeigt uns, daß im Himmel alle Geschöpfe den Herrn um Seiner großen Gerichte willen loben und sie sogar von Ihm fordern: „Herr, Du bist gerecht, der da ist, und der da war, und heilig, daß Du solches geurteilt hast . . . Ja, Herr, allmächtiger Gott, Deine Gerichte sind wahrhaftig und gerecht . . . .“ Offb. 16, 5-7. 19, 1-3.
b) Inzwischen brauchen wir uns nicht um unsere Toten zu beunruhigen, denn Gott allein weiß, wo sie sind.
Es ist selbstverständlich, daß im allgemeinen ein wahrer Gläubiger seinen Brüdern bekannt ist. Sein Leben und seine Worte sollen von seinem Glauben ein klares Zeugnis ablegen. Die ihn nach seinem Scheiden beweinen, haben wenigstens den Trost, ihn beim Herrn zu wissen. Aber der äußere Schein trügt zuweilen, und wahrscheinlich werden wir im Himmel Überraschungen in dieser Hinsicht erleben. Einer, den wir bestimmt dort oben anzutreffen glaubten, wird nicht da sein. Einem anderen, den wir niemals dort zu treffen dachten, werden wir dort begegnen. Ein Augenblick genügt, um zu glauben, und wir wissen nicht, was sich im letzten Augenblick zwischen einer Seele und Gott ereignen kann. Der Vater eines meiner Freunde, ein angesehener Prediger, hat einen ungläubigen Seemann sehr gut gekannt, der eines Tages ins Meer stürzte. Als er sich verloren sah, warf er sich in die Arme des Heilands. Er wurde bewußtlos aus dem Wasser gezogen. Als er wieder zu sich kam, bekannte er, daß er sich wirklich bekehrt hatte. Wenn er nun im Wasser geblieben wäre, wie viele hätten ihn dann nicht schon in der Hölle gesehen! Wir wollen nicht versuchen, den Schleier zu heben, der unsere Abgeschiedenen verhüllt. Gott liebt sie mehr als wir, und Er weiß, wo sie sind, denn Er kennt die Seinen. 2. Tim. 2, 19. Wir wollen Seiner Gerechtigkeit und Seiner Barmherzigkeit vertrauen und indessen des großen Tages harren, der uns alles offenbaren wird.
So allein wird unsere Seele Ruhe finden. Überdies ändert unsere Sorge um unsere Verstorbenen nichts an ihrem Los. Wir wollen nicht die Kühnheit haben wie jene Dame, die uns eines Tages sagte: „Mein Mann ist ungläubig gestorben, wenn er nicht im Himmel sein soll, will ich auch nicht hineinkommen.“ Wenn man so etwas sagt, beleidigt man Gott und zieht Ihm das Geschöpf vor. Vielleicht ist man damit auch in einem großen Irrtum befangen. Was würde diese Dame sagen, wenn sich nun ihr Mann ohne ihr Wissen bekehrt hätte und sie allein in die Hölle gehen müßte? Dieser Mann könnte ja auch wie der reiche Mann des Gleichnisses denken und sich darum sorgen, daß die Seinen auch zu ihm in die Hölle kommen müßten. Luk.16, 27-28.
Hierbei dürfen wir aber nicht denken, daß es uns gewiß auch noch möglich sein würde, uns im letzten Augenblick zu bekehren. Der Tod kann uns wie ein Blitzstrahl treffen, und die Bibel berichtet mehrmals von Menschen, die ihr Herz derart verhärtet hatten, daß sie vor ihrem Tod sogar nicht mehr glauben konnten. Matth. 13,13; Joh. 12, 39-40. Wir wollen den Tag des Heils nicht versäumen. Wir wollen schließlich noch anführen, was der große Geschichtslehrer Guizot über seine geliebten Abgeschiedenen geschrieben hat: „Ich habe mich lange bemüht, zu ergründen, wo sie sind. Ich erntete bei diesem Suchen nur Finsternis und Angst . . . Seit ich mich in dem Glauben an Gott barg, seit ich zu Seinen Füßen die Anmaßungen meines Verstandes und selbst das verfrühte Streben meiner Seele niederwarf, ziehe ich in Frieden weiter, wenn es auch Nacht um mich ist. Ich habe Gewißheit erlangt, indem ich mir an meiner Unwissenheit genügen ließ. . . .
d) Die Leugnung der ewigen Hölle ist der erste Schritt zum Unglauben und zur religiösen Untreue.
Trotz der gewichtigen Aussagen der Heiligen Schrift glaubt eine sehr große Menge sogenannter Christen im Grunde nicht mehr an die Hölle. Zu allen Zeiten hat der Teufel mit Fleiß die Behauptung verbreitet, daß es keine Hölle gibt. Gott hatte Adam und Eva ernst gewarnt, aber die Schlange hat ihnen frech gesagt: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben . . . eure Augen werden aufgetan . . . ihr werdet sein wie Gott.“ 1.Mose 3, 4-5.
Dieselbe Widerrede hat sie auch heute noch für die Menschen unserer Zeit. Unsere Zeitgenossen finden es viel bequemer, nicht an Gottes Strenge zu glauben. Man gibt an – wie wir gesehen haben -, daß die Gottlosen vernichtet werden (genau das, was sie wünschen), oder daß sie später alle gerettet werden. Dies erscheint uns als der erste Schritt zum religiösen Liberalismus. Man geht dann mit seinen Vernunftschlüssen noch weiter: Da es keine Hölle gibt, brauchen wir auch keinen göttlichen Erlöser, der uns davor rettet. Jesus kann nur ein einfacher Mensch, Josephs Sohn, gewesen sein, der wohl genügt hat, um uns den guten Weg zu zeigen, der uns zum Heil des Menschen für den Menschen führt . . . Brauchen wir überhaupt noch ein Heil, wenn es doch keine Verdammnis gibt? Soll man die Bibel, die solch veraltete Dinge lehrt, denn wörtlich nehmen?
Die „moderne Weisheit“ weiß besser als sie, wie es im Jenseits sein wird. Und darum suchen diese Leugner der ewigen Pein vor allem außerbiblische Beweise, die sich auf Verstand und Gefühl berufen: „Der Gott der Liebe sollte . . . Er sollte nicht . . . Seine Herrlichkeit wäre größer, wenn . . . an Seiner Stelle würden wir gerne vergeben . . . die Sünde ist nicht so groß . . . die Prüfungszeit auf Erden ist so kurz im Vergleich zu der ewigen Zeit der Qual . . . darum kann es keine Hölle geben, es muß eine Möglichkeit geben, nach dem Tode gerettet zu werden.“ Wir haben diese Reden schon bis zum Überdruß gehört.
Es ist besonders bemerkenswert, daß die Annahme der Lehre von der Verdammnis, wie die Bibel sie lehrt, einer der Prüfsteine des wahren Glaubens ist. Wenn sie fehlt, sind die anderen Lehren unmerklich erschüttert und das ganze Gebäude wankt. Für uns Gläubige gibt es meiner Ansicht nach nur eine Frage: Wenn die Lehre von der Hölle uns auch nicht zusagt, wird sie in der Bibel gelehrt oder nicht?

Wir haben die Antwort darauf in einer eindrucksvollen Anzahl von Bibeltexten gefunden. Und da Gott uns in Seinem Wort dies so eindringlich offenbart hat, müssen wir uns ohne Vorbehalt darunter beugen.

e) Die Wirklichkeit der ewigen Verdammnis ist einer der zwingendsten Beweggründe zu predigen.
Wenn es keine Verdammnis gibt, wenn eines Tages alle Ungläubigen – selbst der Teufel – gerettet werden sollen, warum sollen wir uns dann soviel Mühe geben, sie schon vorher zu bekehren? Wenn alle Seelen doch einmal zu ihrem Heil gelangen müssen, so lassen wir sie doch tun, was sie wollen! Alles wird schon gut werden. Aber wenn ihnen wirklich die ewige Hölle droht, dann dürfen wir uns keine Ruhe gönnen. Wir wollen unserem Herrn nacheifern, der den Abgrund kannte, der uns verschlingen wollte, und der herniederstieg, um uns ihm zu entreißen.
Setzen wir uns selbst ein, predigen wir, ermahnen wir zur Zeit und zur Unzeit, flehen wir die Sünder an, sich zu bekehren, beten wir Tag und Nacht dafür, daß eine größere Zahl von Seelen gerettet werde!
Wenn wir an die Verdammnis glauben, machen wir uns strafbar, falls wir in unserem bequemen Sessel sitzenbleiben. Wir wollen Paulus nachfolgen, der sagte: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte . . . Ich habe große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlaß in meinem Herzen. . .“ 1. Kor. 9,16; Röm. 9, 2-3.
Treten wir in die Fußtapfen der großen Vorkämpfer wie Taylor, Coillard, Carey und vieler anderer, die der Ruf all der Millionen, die in die ewige Verdammnis gehen, immer weiter vorwärts trieb! Dann werden wir an dem großen Tag nicht allein vor Gott treten!

f) Sind wir ganz gewiß, der Hölle zu entgehen ?
Um verlorenzugehen, braucht der Mensch nichts zu tun: Er ist ein Sünder, ist durch das Gesetz Gottes verdammt, er braucht nur so zu bleiben, wie er ist, um sogleich in die Hölle zu gehen. Dafür ist es nicht nötig – wie man landläufig sagt – „gemordet oder gestohlen“ zu haben. . . .
„Da ist nicht einer, der gerecht sei, auch nicht einer . . . Es ist hier kein Unterschied: Sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“ Röm. 3, 10. 23.
Wir müssen an Christus glauben und Ihn von ganzem Herzen annehmen, sonst bleiben wir in der Verdammnis. In diesem Falle geht der Mensch nicht durch seine Sünden verloren, sondern durch seine Ablehnung des Heils, durch seinen Unglauben. Darum sind auf der Liste derer, die in die Hölle kommen, die Verzagten und die Ungläubigen an der Spitze. Die Verzagten, die niemals den Mut gehabt haben, sich für Christus zu entscheiden und Seine Schmach zu tragen. Dazu die Ungläubigen, die sich freiwillig vom Heil ausschließen und somit die unverzeihliche Sünde begehen.
Und dennoch ist es leicht, mit Gottes Hilfe der Hölle zu entgehen. Christus hat alles am Kreuz vollbracht, und Er bittet uns nur, Seine Gnade anzunehmen.
„Und wen dürstet, der komme, und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Offb. 22, 17.
Ihr habt keine Aussicht, in der anderen Welt noch das Heil zu erlangen. Ergreifet endlich die Gnade! Nehmt das Heil durch den Glauben an!
„Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben – und das nicht durch euch: Gottes Gabe ist es.“ Eph. 2, 8. . . .
Sobald ihr durch den Glauben die herrliche Heilsgewißheit erlangt habt, wird euch Gott die Aufgabe anvertrauen, andere zu warnen und zu retten:
„Wer den Sünder bekehrt hat von dem Irrtum seines Weges, der hat einer Seele vom Tode geholfen und wird bedecken die Menge der Sünden.“ Jak. 5, 20.
„Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Joh. 3, 16.

S E C H S T E R   T E I L

Der Himmel

Es ist schwieriger, über den Himmel als über jedes andere Gebiet zu sprechen. Vor allem sind es himmlische Dinge, „die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat.“ 1. Kor. 2, 9. Als Paulus in das Paradies entrückt war, hörte er dort „unaussprechliche Worte, welche kein Mensch sagen kann!“ 2. Kor. 12, 4. Hier auf Erden kann kein Mensch leben, der Gott sieht. 2. Mose 33, 20. Darum dürfen wir nicht überrascht sein, wenn die Bibel, um uns den Himmel zu beschreiben, sich auf Bilder und Ausdrücke unserer menschlichen Sprache beschränkt, während wir die Herrlichkeit der himmlischen Dinge nur ahnen können.
Wenn wir uns jedoch einfach von der Bibel führen lassen, werden wir trotzdem staunend überwältigt und erbaut werden von dem, was uns der Herr schon jetzt offenbaren will.

1. Wie wird der Himmel beschrieben ?
Wir wollen einmal sehen, welche Ausdrücke die Heilige Schrift gebraucht, um uns verständlich zu machen, was einst sein wird.
a) Der neue Himmel und die neue Erde.
Ein ganz neuer Aufenthaltsort ist für uns bestimmt. Der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen . . . und Gott macht alles neu. Offb. 21, 1.5. 
Das ist die große Wiederbringung aller Dinge, die schon die Propheten angekündigt haben und worauf Petrus anspielt. Jes. 65, 17; Apg. 3, 21. Die Erde ist schon während des Tausendjährigen Reiches teilweise erneuert worden, aber sie wird jetzt ebenso wie der Himmel zerstört, auf daß jede Spur der früheren Empörung verschwindet.
“Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach Seiner Verheißung, in welcher Gerechtigkeit wohnt.“ 2. Petr. 3, 1 3 .
Es wird uns gesagt, daß bei der Erschaffung der Welt „die Morgensterne miteinander lobten und alle Kinder Gottes (ohne Zweifel die Engel) jauchzten“. Hiob 38, 7. Danach ist diese Freude durch den Sündenfall und den Fluch der Sünde verdunkelt worden, indessen die ganze Schöpfung seufzt und in Kindesnöten leidet.
Wenn endlich der neue Himmel und die neue Erde erscheinen werden, wird das ganze Weltall von Lobgesängen widerhallen. Die Myriaden, die Tausende und Abertausende, die um den himmlischen Thron stehen, haben schon dem Gott der Schöpfung, der Erlösung und des Gerichts gesungen. Offb. 4,11; Hallelujas erschallen bei der Hochzeit des Lammes. Offb. 19, 6-7. Sie werden ertönen, wenn alles neu geworden ist und aus dem Himmel von Gott das neue Jerusalem herniederfahren wird, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne. Offb. 21, 1-2.
b) Das neue Jerusalem.
Jerusalem bedeutete für die Israeliten die Wohnung des Herrn und der Ort der größten Segnungen. Wir jedoch werden das Vorrecht haben, in das himmlische Jerusalem einzuziehen, in die Stadt des lebendigen Gottes, die Gott uns zubereitet hat.Hebr.12, 22; 11,16. Johannes hat uns eine Beschreibung dieser Stadt in einer bildlichen Sprache gegeben, die auch dem Einfachsten verständlich sein soll.
Der Baumeister und Schöpfer dieser Stadt ist Gott selbst. Hebr. 11,10. 
Das Baumaterial dieser Stadt ist reines Gold, Perlen, köstliche Steine in allen Farben, die Sinnbilder unzerstörbarer Schönheit und unerschöpflichen Reichtums. Es ist überraschend, daß wir mit diesen selben Baustoffen nach Paulus auch unser Leben hier auf Erden bauen sollen, denn sie allein bleiben im Feuer des Gerichts bestehen. 1. Kor. 3, 12-14.
Eine siebzig Meter hohe Mauer aus Jaspis umgibt die Stadt. Sie bedeutet ihre vollkommene Sicherheit, aber auch die Trennung von allem, was unwürdig ist einzutreten. „Ich will, spricht der Herr, eine feurige Mauer umher sein und will Mich herrlich erzeigen.“ Sach. 2, 9. Die zwölf Grundsteine der Mauer, die die Namen der zwölf Apostel tragen bürgen für ihre Festigkeit. Offb. 21,14. Das gemahnt uns an das Wort des Apostels Paulus: Ihr seid „erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.“ Eph. 2, 20. . . .
. . . Eine so ungeheuer große Stadt kann nicht von dieser Welt sein. Sie ist weit genug, um alle Geschlechter aller Zeiten zu fassen.
Sie hat zwölf Tore, drei an jeder Seite. Sie bedeuten, daß die Stadt allen, die aus allen Himmelsrichtungen zu ihr kommen, weit geöffnet ist. Auf den Toren sind die Namen der zwölf Geschlechter Israels geschrieben. Johannes zeigt damit, daß das „Heil von den Juden“ kommt und – andererseits, daß der Himmel den Gläubigen des Alten und des Neuen Bundes offen ist. . . . Unter den Dienern Gottes, die Johannes nach Offenbarung 7 sieht, sind hundertvierundvierzigtausend aus den zwölf Stämmen Israels und die unzählbare Menge, die aus allen Völkern kommt. Jedes Tor ist aus einer einzigen Perle gemacht, dem Sinnbild der Einheit, der Reinheit, der Schönheit und Kostbarkeit. 21, 21. . . . Die Straßen der Stadt sind auch aus lauterem Gold, . . . und alles ist dort wie durchscheinend Glas. . . .
Hier gibt es keinen Tempel, vielmehr ist die Stadt selber zum Heiligtum geworden:
„Der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, und das Lamm.“ Vers 22. . . .
Wer sind die Bewohner dieser himmlischen Stadt? Nur die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes. 21, 27.
Das neue Jerusalem wird erleuchtet von der Herrlichkeit und der Gegenwart Gottes. „Die Stadt bedarf keiner Sonne, … denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Heiden, die da selig werden, wandeln in ihrem Licht . . . Und wird keine Nacht da sein… Offb. 21, 23. . . .
Die Juden liebten – und lieben noch heute – ausschließlich das irdische Jerusalem. Sie beteuerten in ihrer Gefangenschaft: „Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde meiner Rechten vergessen. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich dein nicht gedenke…“ Psalm 137, 5-6.

Sollten wir als Bürger einer unvergleichlich herrlicheren Stadt sie nicht noch viel mehr ersehnen und lieben? Um ihr heiligendes Bild ständig vor Augen zu haben, wollen wir wie Johannes auf den Berg des Glaubens steigen. Offb. 21, 10. Wir wollen wie die Patriarchen auf die feste Stadt warten, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. Wie der Christ in Bunyans berühmter „Pilgerreise“ wollen wir unser ganzes Leben lang zu der herrlichen Stadt hin pilgern. Hebr.11,10.16.

c) Das Paradies.
Das irdische Eden, der Aufenthaltsort der sündlosen Menschen, die noch in unmittelbarer Verbindung mit Gott lebten, ist das Vorbild der himmlischen Seligkeit geblieben. Schon die Juden nannten Paradies – oder Abrahams Schoß – den Ort, der die gläubigen Toten bis zur Auferweckung durch Christus aufnehmen sollte. Luk. 23, 43; 16, 22.

Aber die Heilige Schrift nennt vor allem den Himmel Paradies, den Ort, wo Gott uns erwartet. Dorthin ist Paulus versetzt worden, 2. Kor. 12, 4, als er „entrückt“ war. Und Christus hat uns das Versprechen gegeben: „Wer überwindet, dem will Ich zu essen geben von dem Baume des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“ Offb. 2, 7. Wir wollen die bemerkenswerte Gegenüberstellung betrachten, die die Bibel 1. Mose 2 und Offb. 22, 1-5 macht, und ermessen, welch großer Unterschied zwischen Eden und dem himmlischen Paradiese besteht.
Der Strom des lebendigen Wassers geht nicht einfach von Eden aus, sondern von dem Thron Gottes und des Lammes. 22, 1. Hesekiel hatte schon gesehen, wie das lebendige Wasser vom Altar des Tempels aus floß und überall auf seinem Lauf das Leben brachte. Hesek. 47, 1.9.
Der Baum des Lebens steht „mitten auf ihrer Gasse auf beiden Seiten des Stroms“ . Offb. 22, 2. Er genügt, um das Leben aller Auserwählten zu erhalten. Er bringt seine Früchte alle Monate. Sie sind ein Zeichen der ständig erneuerten Fruchtbarkeit und Frische. Auf Erden muß man von der Blüte bis zur Reife warten, vom Versprechen bis zur Erfüllung. Hier ist die göttliche Speise immer bereit, und die Blätter des Baumes genügen, um eine beständige Gesundheit zu erhalten.
„Wer überwindet, dem will Ich zu essen geben vom Baume des Lebens, der im Paradies Gottes ist . . . Selig sind, die ein Anrecht an dem Baum des Lebens erlangen.“ Offb. 2, 7.17; 22,14. Bemerkenswert ist auch, daß der „Weg zum Baum des Lebens“ wieder vollkommen frei ist. Nach dem Sündenfall bewahrten die Cherubim mit dem Schwert den Weg zu dem Baum des Lebens. 1. Mose 3, 24. Im Himmel gibt es weder Verbanntes noch Verbotenes für die Auserwählten.
Was stellt eigentlich dieser Baum des Lebens dar? Wir könnten wohl sagen: Es ist der HERR selber, der schon in der Bibel durch das Manna, den Felsen Horeb, das lebendige Wasser, das Osterlamm usw. sinnbildlich dargestellt war.
Das ewige Leben, das unsere Seelen nährt, ist der Herr selber. Offb. 2, 7. „Wer Mich isset, der wird auch leben um Meinetwillen.“ Joh. 6, 57.
„Das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist, und Den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.“ Joh. 17, 3.
Das Leben von Gott wird für uns im Paradies Speise und Trank sein, das Manna und das lebendige Wasser, der Baum und der Strom, wie hier auf Erden das Brot und der Wein, Fleisch und Blut des Abendmahls. Was könnten wir mehr wünschen?
Zwischen irdischem und himmlischem Paradies läßt sich ein interessanter Vergleich ziehen. Wir entnehmen darüber einige Ideen aus dem beachtenswerten Buch von Erich Sauer: Der Triumph des Gekreuzigten, Seite 222:


„Das letzte Blatt der Bibel entspricht dem ersten. Mit dem Paradies fängt die Heilige Schrift an, mit dem Paradies endet sie auch. Aber der Abschluß ist größer als der Anfang. Das Omega ist gewaltiger als das Alpha. Das zukünftige Paradies ist nicht nur das verlorene und wiedergefundene, sondern vor allem das himmlische und ewig verklärte.“ (Anmerkung von Horst Koch: Dies Buch meines Lieblingstheologen E. Sauer ist auf meiner HP)


d) ,.Die Hütte Gottes bei den Menschen.” Offb. 21. 3
Im Alten Testament ließ Gott die Stiftshütte errichten, um Seine Gegenwart inmitten des Volkes kundzutun. Er hatte Mose ausdrücklich damit beauftragt, sie „nach dem Vorbild“ zu erbauen, das Er ihm auf dem Berge Sinai gezeigt hatte. 2. Mose 25, 8-9. 26.30.
Der Hebräerbrief sagt dazu, daß die Stiftshütte und ihr Gottesdienst „dienen dem Vorbilde und dem Schatten des Himmlischen“. Im Himmel befindet sich „die wahrhaftige Hütte . . . eine größere und vollkommnere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht ist.“ Hebr. 8,2. Sie ist die Wohnung Gottes.
Sogleich nach Seinem Kreuzestod ist Jesus „durch Sein eigen Blut einmal in das Heilige eingegangen vor das Angesicht Gottes“. (Er ist nicht 1844 wiedergekommen, „um das Heiligtum zu reinigen“, Hebr. 9, 12, wie die Adventisten vorgeben) Dort lebt nun unser Hoherpriester immerdar und bittet für uns. Als Bild Seines auf Golgatha geopferten Fleisches ist der Vorhang, der den Zugang zum Allerheiligsten versperrte, zerrissen worden. Hebr. 10, 19. Darum können wir nun mit Freudigkeit durch den Glauben zu dem Thron Gottes hinzutreten und darauf warten, daß Jesus wieder erscheinen wird und uns endgültig in die Wohnung des großen Königs führt. Hebr. 4, 14.
Der Herr selbst erwähnt „die ewigen Hütten“, in die wir aufgenommen werden sollen. Es ist von Anfang an der Wunsch des Herrn gewesen, inmitten der Menschen zu wohnen und in inniger Verbindung mit ihnen zu bleiben. Nach dem wiederholten Mißlingen des irdischen Paradieses und der ersten Stiftshütte ward „das Wort (Jesus) Fleisch und wohnte unter uns . . . Joh. 1, 14. Christus hat Immanuel – Gott mit uns – sein wollen, um durch den Heiligen Geist die göttliche Gegenwart in uns wohnen lassen zu können. Der Leib des Gläubigen wird Sein Tempel, und die Gemeinde selbst wird eine „Behausung Gottes im Geist“. 1. Kor. 6, 19; Eph. 2, 22.
Auf der ganzen Linie wird sich der Plan Gottes wunderbar verwirklichen. . . . welches die größte Segnung des Tausendjährigen Reiches sein wird, die sich vollkommen und ewig im Himmel fortsetzt: „Johannes ruft aus: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“ Offb. 21. 3. . . .
Jesus selber sagt in der Offenbarung: „Wer überwindet, den will Ich machen zum Pfeiler in dem Tempel Meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen.“ Offb. 3, 12.

e) Das himmlische Vaterland.
Die Patriarchen sind Fremdlinge und Pilger auf Erden gewesen. Abraham und die Seinen verlassen Ur, dann Haran. Nach einem kurzen Aufenthalt in Palästina lernen seine Nachkommen die lange Dienstbarkeit in Ägypten kennen. Nachdem ihnen Gott auf dem Sinai begegnet ist, bleiben sie noch vierzig Jahre in der Wüste, ehe sie endlich das verheißene Land einnehmen. Der Hebräerbrief sagt von ihnen: „Alle sind gestorben im Glauben und haben die Verheißungen nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen und sich ihrer getröstet . .. sie geben zu verstehen, daß sie ein Vaterland suchen. . . . Nun aber begehren sie eines besseren, nämlich eines himmlischen.“ Hebr. 11, 13-16. Wie die Patriarchen sind wir „Fremdlinge und Pilgrime“. 1. Petr. 2,11.


f) Der Berg Zion.
Der Hebräerbrief vergleicht zwei Berge miteinander: den Berg Sinai und den Berg Zion. Hebr. 12, 18-24.
Der Sinai offenbarte den furchtbaren Gott des Gesetzes, der von dem Dunkel, der Finsternis und dem Ungewitter des Gerichts umgeben war. Das Volk und sogar Mose waren sehr erschrocken, und die Tiere, die den Berg anrührten, sollten gesteinigt werden.
„Aber ihr“ – so sagt der Text weiter – „seid gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des Neuen Testaments, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet denn das Abels.“ Hebr. 12, 22-24.
Dieses Wunder ist für uns durch das Blut des Kreuzes vollbracht worden: Wir kommen jetzt zu dem Berg der Gnade, ohne noch vor dem Richter zu zittern, den wir erzürnt hatten. Dort treten wir in die Gemeinschaft der vielen tausend Engel und aller vom Herrn Erlösten ein, die die „Erstgeborenen“ der Menschheit sind. Offb. 14, 1. Jak. 1,18 . Dort werden wir uns mit den Geistern der vollendeten Gerechten vereinen und vollkommen werden wie sie. Jeder von uns wird bald vor dem Herrn erscheinen.
Wollen wir uns nicht alle entschließen, dem Gott der Gnade auf dem Berge Zion zu begegnen, anstatt dem Gott des Gerichts auf dem Sinai?

g) Der Himmel – oder die Himmel.
Im Gegensatz zur Erde ist der Himmel der Ort der Herrlichkeit, wo Gott wohnt und Sein Wille vollkommen erfüllt wird. Jesus ist vom Himmel herniedergekommen und wieder dorthin zurückgekehrt. Von dort wird Er am herrlichen Tage Seiner Wiederkunft wieder herniederkommen. 1. Thess. 4, 16.
Dort erwartet uns auch unser ewiger Bau anstelle der zerbrechlichen irdischen Hütte. Und unsere Namen sind im Himmel angeschrieben. . . .
Augenscheinlich hat das Wort „Himmel“ in der Heiligen Schrift verschiedene Bedeutungen. Die Juden unterschieden drei Arten:
1. Den Himmel der Lufthülle über unseren Häuptern, wo die Wolken ziehen und die Vögel fliegen. Es ist die Rede von dem Regen vom Himmel. 5. Mose 11,11, den Vögeln unter dem Himmel usw.
2. Den Sternenhimmel, das Firmament, dessen Unendlichkeit unsere Augen nicht ergründen können. 1. Mose 15,5. Aber so weit er auch ist, der „Himmel und aller Himmel Himmel können Gott nicht fassen“. 1. Kön. 8, 27. Es gibt also
3. den dritten Himmel, der die Gegenwart Gottes selber ist. Dort hin wurde Paulus entrückt und hörte unaussprechliche Worte. Dieser Himmel öffnete sich vor den Augen des sterbenden Stephanus und ließ ihn die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes sehen. Apg. 7, 55-56.
Bald werden wir alle wie die Engel Gottes im Himmel sein, da wir Kinder der Auferstehung sind. Matth. 22, 30.

h) Das himmlische Reich. Wenn unser Glaube aufrichtig ist, können wir mit Paulus sprechen: „Der Herr aber wird mich erlösen von allem Übel und mir aushelfen zu Seinem himmlischen Reich.“ 2. Tim. 4,18. Dort werden wir im Reiche Gottes zu Tisch sitzen, denn es ist unsres Vaters Wohlgefallen, Seiner kleinen Herde das Reich zu geben. . . .

i) Droben. „Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.“ Kol. 3, 2. Jesus sagt zu den Juden: „Wo Ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen . . . Ihr seid von untenher, Ich bin von obenher, ihr seid von dieser Welt, Ich bin nicht von dieser Welt.“ Joh. 8, 21.23. Diese Sprache ist sehr klar. Wir kennen sehr viele niederdrückende und häßliche Dinge, die uns so leicht nach unten ziehen, ja sogar bis in den Abgrund. Wir wollen uns alle dem zuwenden, das uns einen Aufschwung nach oben gibt, zum Himmel hin.

k) Das Vaterhaus. „In Meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, so wollte Ich es euch sagen. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten . . . Ich will wiederkommen und euch zu Mir nehmen.“ Joh. 14, 2.
Welch herrliches Wort!
Der Himmel ist für uns nicht ein riesiger Palast eines fernen Gottes, worin wir uns wie verloren vorkämen. Er ist das Haus unseres Vaters in Jesu Christo, das Heim, wo Seine Liebe und Seine Fürsorge uns umhegen will. – Was können diese „vielen Wohnungen“ bedeuten?
Im Hause des Vaters ist Raum geschaffen, der nicht nur die gläubigen Israeliten und die ersten Jünger aufnehmen soll, sondern auch alle Heiden, die durch das Evangelium gewonnen werden. Den Juden fiel es sehr schwer, diese Wahrheit anzunehmen. Darum betont sie Jesus mit den Worten:
„Ich habe auch noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle, und dieselben muß Ich herführen . . . und wird eine Herde und ein Hirte werden.“ Joh. 10, 16. . . .
m) Vor dem Thron. Der Himmel ist vor allem der Ort, wo Gott regiert, von wo aus Er das Weltall lenkt. In den Gesichten der Propeten sitzt der Herr auf Seinem Thron. „Ich sah den Herrn sitzen auf Seinem Stuhl und alles himmlische Heer neben Ihm stehen zu Seiner Rechten und Linken.“ 1. Kön. 22,19.
„Ich sah den Herrn sitzen auf einem erhabenen Stuhl . . . Seraphim standen über Ihm . . . und einer rief zum andern: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind Seiner Ehre voll.“ Jes. 6, 1-3.
Inmitten der Erschütterungen der Offenbarung zeigt uns Johannes immer wieder den unerschütterlichen Thron Gottes. . . . Alle Anbetung und alle Gebete des Himmels laufen zusammen auf den Thron hin. Von ihm gehen die Gerichte, die Befehle, das Leben aus. . . .

n) Bei dem Herrn.
„Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, was auch viel besser wäre.“ Phil. 1, 23.
Schon Jesus hatte zu dem Schächer am Kreuz sagen können, als er mit Ihm zu dem Ort der Seligen hinabstieg:
„Heute wirst du mit Mir im Paradiese sein.“ . . .


2. Gott im Himmel.
Wir sagten: Der Himmel ist die Gegenwart Gottes. Dort mehr als irgendwo anders nimmt Er den ersten Platz ein. . . .
Gott Vater wird uns oft als Beherrscher des Weltalls gezeigt.
„Der Herr hat Seinen Stuhl im Himmel bereitet, und Sein Reich herrscht über alles.” Psalm 103, 19.
Paulus faßt in folgenden Worten einige Eigenschaften des Weltenherrschers zusammen:
der Selige und allein Gewaltige,
der König aller Könige und Herr aller Herren,
der allein Unsterblichkeit hat,
der da wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann,
welchen kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann,
Dem sei Ehre und ewiges Reich. Amen! 1. Tim. 6, 15-16.
Dieser große Gott, da niemand zukommen kann, will uns für immer in Seiner Gegenwart haben und mit uns Seine Herrschaft teilen. Jesus Christus teilt mit Seinem Vater vollkommen den ersten Platz im Himmel.
Der Prophet Hesekiel scheint schon den fleischgewordenen und dann verherrlichten Gottessohn gesehen zu haben, als er schreibt: „Über dem Himmel . . . war es gestaltet wie ein Saphir, gleichwie ein Stuhl; und auf dem Stuhl saß einer, gleichwie ein Mensch gestaltet. Und ich sah, und es war lichthell, und inwendig war es gestaltet wie ein Feuer um und um. Von Seinen Lenden überwärts und unterwärts sah ich’s wie Feuer glänzen um und um. Gleichwie der Regenbogen sieht in den Wolken, wenn es geregnet hat, also glänzte es um und um. Dies war das Ansehen der Herrlichkeit des Herrn. Und da ich’s gesehen hatte, fiel ich auf mein Angesicht . . . ” Hes. 1, 26-28. Wir sind nicht er staunt, daß der eingeborene Sohn an der Herrschaft über das Weltall teilhat, da Er nach so vielen Bibeltexten auch an der Schöpfung teilgenommen hat. Joh. 1,3; Kol. 1,16.
Die Offenbarung – die Offenbarung Jesu Christi – spricht uns viel von Seiner Rolle im Himmel. Sie zeigt Ihn uns auch immer wieder auf dem Thron: „Ich habe überwunden und Mich gesetzt mit Meinem Vater auf Seinen Stuhl.“
“Und ich sah, und siehe, mitten zwischen dem Stuhl und den vier Tieren und zwischen den Ältesten stand ein Lamm, wie wenn es erwürgt wäre, und hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.“ (Das heißt, Er hat alle Gewalt, Allwissenheit und die Fülle der Gottheit.) Bis in die Herrlichkeit des ewigen Himmels ist Jesus um des Todes willen, den Er erlitten hat, erhoben und dort angebetet worden: ,,Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob . . . Dem, der auf dem Stuhle sitzt (Gott Vater) und dem Lamme sei Lob und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, . . .“ Offb. 6-14.
Christus ist um Seines Sühneopfers willen nicht allein in den Himmel erhoben worden, Er hat dort auch das Äußere Seiner verklärten Menschlichkeit behalten. Wenn von Seinem auferstandenen Leib die Rede ist, so haben wir im ersten Kapitel der Offenbarung gesehen, daß Johannes Ihn immer als eines Menschen Sohn schildert.

Welch ein Glück bedeutet es für die Erlösten, daß sie im Himmel von einem der ihren empfangen werden, von Ihm, der aus Liebe einer ihres Geschlechts werden wollte.
Wenn Christus all die Seinen in der Herrlichkeit des Himmels versammelt hat, hat Er Sein Erlösungswerk beendet. Er hatte Seinen Vater verlassen, um durch Seinen Tod der Empörung der Sünder ein Ende zu bereiten und an allen Orten das Reich Gottes aufzurichten. Nach der Bekehrung und der Auferstehung aller Auserwählten, nach der großen Wiedergutmachung des Tausendjährigen Reiches, den großen Gerichten und dem Sieg über alle Feinde, den Tod einbegriffen, wird „das Ende“ kommen, „wenn Er das Reich Gott und dem Vater überantworten wird, wenn Er aufheben wird alle Herrschaft und alle Obrigkeit und Gewalt . . . “ 1. Kor. 15, 24.
Der Heilige Geist, der innig mit dem Vater und dem Sohne vereint ist, setzt mit ihnen Sein Werk in der Ewigkeit fort. Wir wollen vor allem unterstreichen, was Er für die Erlösten tut. Wenn wir hier auf Erden das Pfand des Geistes erhalten, Röm. 8, 23; 2. Kor. 1, 22, so bedeutet das, daß Er bei unserem Eintritt in den Himmel vollkommen von uns Besitz ergreifen wird. Dann werden wir durch den Heiligen Geist „erfüllt werden mit allerlei Gottesfülle.“ Eph. 3 ,19.
Wenn wir zusammenfassen und den Himmel mit einem Wort schildern wollen, so können wir aufs neue sagen, daß er die Gegenwart des Herrn ist.
Gott alles in allen.
Das Licht des Himmels wird das Angesicht Gottes und des Lammes sein,
die Freude des Himmels die Gegenwart des Herrn,
die Schönheit des Himmels die Vollkommenheit Gottes,
die Dauer des Himmels die Ewigkeit Gottes,
die Wärme des Himmels die Liebe Gottes,
die Harmonie des Himmels der Lobpreis des Herrn,
die Melodie des Himmels der Name Jesu,
das Thema des Himmels das Werk Jesu,
die Arbeit des Himmels der Dienst Jesu,
die Fülle des Himmels der unergründliche Gott in Person.

3. Charakteristik des Himmels.
In allen biblischen Beschreibungen des Himmels treten folgende Punkte klar hervor: Der Aufenthaltsort der Erlösten ist gekennzeichnet durch:
a) Die Herrlichkeit.
„Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen.“ Joh. 17, 24. „Ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden.“ Röm. 8, 18. . . .
Als Jesus derart vor Seinen Jüngern verklärt wurde, wurden Seine Kleider „hell und sehr weiß wie der Schnee, daß sie kein Färber auf Erden kann so weiß machen“. Mark. 9, 3.
Paulus sagt: ,,Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist.“ 2. Kor. 3,18. . . .
Kann es eine erhebendere Zukunftsaussicht geben?
b) Die Heiligkeit.
Gott sagt: “Ich wohne im Heiligtum.”  . . . “Jaget nach … der Heligung, ohne welche wqird niemand den HErrn sehen”. Hebr. 12, 14.  . . .
c) Die Schönheit.
Schon die Werke Gottes in der Schöpfung sind wunderbar. „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes . . . Wie herrlich ist Dein Name in allen Landen!“ . . .
Die himmlische Stadt strahlt von Schönheit, obwohl sie nur ein Widerschein ist. Denn der Glanz des Himmels kommt von der Schönheit Gottes, der Quelle aller Herrlichkeit. „Ich will reden von Deiner herrlichen Pracht und von Deinen Wundern.“ Psalm 145,5.
Diese Schönheit wird auch auf unsere Stirnen geprägt werden. Satan selbst war in Eden „von vollendeter Schönheit“, ein Siegel der Vollkommenheit. Hes. 28, 12. Adam und Eva waren, als sie aus der Hand des Schöpfers hervorgingen, vollkommen, schön, ohne Fehl. 1. Mose 1,31. Wenn die Gläubigen herrlich geworden sind, „ohne Flecken oder Runzel“, Eph. 5, 27, dürfen wir wohl annehmen, daß nicht nur ihr Geist zu solch moralischer Vollkommenheit gelangt ist, sondern auch ihr neuer Leib strahlend schön ist. Soll dieser Leib nicht unverweslich, herrlich und voller Kraft auferstehen? 1. Kor.15,43.

d) Die Unsterblichkeit. Gott allein „hat Unsterblichkeit.“ 1. Tim. 6, 16. Er rettet alle Gläubigen von dem zweiten Tod und verleiht ihnen das ewige Leben. Offb. 20,6. . . . Für die Bewohner des Himmels wird es keinen Schmerz und keine Trennung mehr geben. Sie sind von nun an nicht nur fern vom Tode, sondern auch außer der Zeit unter dem Zeichen der Ewigkeit.

e) Die Klarheit.
„Mache dich auf, werde licht! denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir . . . Und die Heiden . . . wandeln in ihrem Licht . . . da wird keine Nacht sein.“ Offb. 21,23-25.
Wie könnte es auch anders in der Wohnstätte Gottes sein, die Licht ist. . . . Im Vaterhause Dessen, der gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt.“ Am ersten Tage der irdischen Schöpfung hat Gott gesagt: „Es werde Licht!“ und es ward Licht. . . .
Alle diese Verkündigungen bedeuten zuerst einmal, daß im Himmel alles hell, rein und klar ist. Es kann und darf dort nichts im Dunkel verborgen werden. Aber andererseits wird auch nichts in der Finsternis der Unwissenheit bleiben. . . .
Dann wird es keine Fragen ohne Antwort, keine unlösbaren Rätsel mehr geben. Nichts mehr, wovor wir uns fürchten müssen, keine Unwissenheit, keinen Irrtum mehr! Endlich werden wir Den von Angesicht zu Angesicht sehen, der die Wahrheit selbst ist.

f. Die Einheit.
In Gott ist alles Harmonie und Einheit. Der Vater und der Sohn sind eins, und die Schöpfung bildet eine wunderbare Ordnung und Verbundenheit. Wenn die letzten Spuren der Empörung beseitigt sein werden, wird alles wieder in einer wunderbaren Harmonie sein. Die Schöpfung wird „frei werden vom Dienst des vergänglichen Wesens”. Röm. 8, 21. . . .
Es wird keine Sekten mehr geben. Die Schranken, die die wahren Gläubigen trennten, sind gefallen. Der Leib Christi zeigt sich endlich geeint. Aber warum kann das nur in der anderen Welt so sein?
Wenn wir die Ewigkeit miteinander verbringen sollen, ist es dann nicht dringend nötig, daß wir uns schon hier in der Zeit lieben, einander verstehen und daß die Welt hierfür Zeuge sei?

g) Die Vollkommenheit.
Seit dem Sündenfall ist alles hier auf Erden unvollkommen. Bald wird das Vollkommene kommen. 1. Kor. 13,10. „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi.“ Phil. 1, 6.
Nicht hier auf Erden erreichen wir diese Vollkommenheit, es bleibt immer noch etwas zu erreichen. Der Gedanke der Vollkommenheit schließt unseres Erachtens ein, daß sich unsere Persönlichkeit im Himmel voll entfalten darf. Auf Erden können nur wenige alle ihre Gaben zur Geltung bringen. . . . Augenblicklich sind wir erst Kinder, dann werden wir zur Reife und Fülle gelangen und werden „ein vollkommener Mann werden, der da sei im vollkommenen Maße des Alters Christi“. (Siehe Eph. 4, 13-14; Kol. 1, 28.)
Wir wollen noch eine oft gestellte Frage beantworten: Werden die ganz jung gestorbenen Kinder als Kinder im Himmel sein?
Kein Bibeltext erlaubt, das zu bejahen. Im Gegenteil. Wenn wir diese Erde verlassen, kann sich keiner von uns rühmen, schon die Vollkommenheit erlangt zu haben. Wir haben festgestellt, daß uns das, was zu unserer Vollkommenheit fehlt, durch die göttliche Gnade bei der Wiederkunft Christi gewährt werden wird. Dann werden wir Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. . . . Dieses Wunder der vollkommenen leiblichen und geistlichen Reife wird für den Herrn kaum größer sein, ob es sich um einen jüngeren oder älteren Menschen handelt. Gott weiß vollkommen, was Er für einen Keim in Sein Geschöpf gelegt hat, und Er hat versprochen, Sein Werk zu vollenden zu dem Tage Jesu Christi. Phil. 1. 6. Sollten wir aus dem Schweigen der Heiligen Schrift falsche Schlüsse ziehen, so müssen wir doch bemerken, daß uns keine biblische Schilderung im Himmel spielende Kinder zeigt.

h) Die Liebe.
Wenn der Himmel die Gegenwart Gottes ist, so hat er auch alle Seine Vollkommenheiten. Vor allem wird er der Ort der vollkommenen Liebe sein. Die Weissagungen, die Sprachen, die Erkenntnis werden aufhören, aber die Liebe höret nimmer auf. 1. Kor.13. Gott selber ist die Liebe, und Er wird damit den ganzen Himmel erfüllen. . . .


i) Die Freude.
Schon hier auf Erden ist die Frucht des Geistes Liebe, Freude, Frieden. Um wieviel mehr wird sie es in der Gegenwart Gottes sein! Die Freude kennzeichnet den Gläubigen, und ein trauriger Gläubiger ist ein trauriger Christ. Darum lesen wir: ., Siehe, Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen . . . Sie werden sich ewiglich freuen und fröhlich sein über dem, was Ich schaffe. Denn siehe, Ich will Jerusalem schaffen … zur Freude. Und Ich will fröhlich sein über Jerusalem und Mich freuen über Mein Volk . . .“ Jes. 65, 17-19. . . .
„Jauchze, du Tochter Zion! Freue dich, und sei fröhlich von ganzem Herzen! . . . Denn der Herr hat deine Strafe abgewendet . . .“ Zeph. 3, 14-17.
„Solches rede Ich zu euch, auf daß Meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“ Joh. 15, 11.
Es ist nicht zuviel gesagt, wenn wir behaupten, daß die Freude das Klima des Himmels ist. Bei der Schöpfung lobten alle Morgensterne miteinander, und alle Kinder Gottes jauchzten. Hiob 38.
„Jauchzet dem Herrn alle Welt! Dienet dem Herrn mit Freuden! Kommt vor Sein Angesicht mit Frohlocken! . . .“ Psalm 100.

k) Der Trost.
Wenn wir eine solche Freude genießen, wird unser Herz völlig über allem irdischen Leid getröstet sein. Dieser Trost wird uns immer wieder in der Heiligen Schrift versprochen. „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“ Matth. 5. . . .
Und in der himmlischen Stadt wird Gott „abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ Offb. 21, 4. Wie sollten unsere Leiden nicht schon jetzt durch solche tröstlichen Aussichten gelindert werden!

l) Die vollkommene Glückseligkeit.
Ist es noch nötig, zu sagen, daß im Himmel all unsere Wünsche erfüllt sein und unsere Herzen von vollkommener Glückseligkeit überströmen werden?
Neunmal erklärt Jesus die selig, die hier auf Erden leiden. . . Matth. 5. Was wird Er erst von den Überwindern sagen, die der Gegenwart des Herrn teilhaftig geworden sind? 
„Selig ist, der teilhat an der ersten Auferstehung. . . . und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ Offb. 20.

m) Die Ewigkeit.
Hier auf Erden ist alles durch die Zeit begrenzt. Alles beginnt und alles endet. Es schmerzt uns, wenn wir sehen müssen, wie die schönsten Dinge nur einen Morgen lang währen, und oft möchten wir den schnellen Flug der Stunden einhalten. Hier auf Erden – besonders noch in unserem modernen Leben – beunruhigt uns immer der Mangel an Zeit. Das Beste, was wir machen können, ist, „die Zeit auskaufen“ (Eph. 5, 16) und „unsere Tage zählen“ (Psalm 90,12) da wir so wenige zur Verfügung haben.
Welchen Trost und welche Freude gibt uns dagegen der Gedanke, daß es im Himmel keine Zeit, keine Hast, keinen Zeitmangel, keine Unterbrechung der schönsten Augenblicke mehr geben wird, denn alles wird dort nach dem Bilde des Ewigen sein:
Die Gläubigen werden das ewige Leben haben,
sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit, Offb. 22, 5 ,
sie werden niemals mehr von Gott getrennt sein. 1. Thess. 4, 17 .
4. Das Wiedersehen im Himmel.
Viele fürchten, ihre Lieben im Himmel nicht wiederzuerkennen. Sie meinen, wenn der alte fleischliche Leib nicht mehr wäre, so könnten sie einander nicht mehr wiedererkennen.
Solch eine Befürchtung ist durchaus nichtig, und es wird uns leicht sein, das aus der Heiligen Schrift zu beweisen.
Der Hauptbestandteil unserer Persönlichkeit ist nicht unsere schwache und dem Tode geweihte fleischliche Hülle, sondern der Geist, dieser „inwendige Mensch“, der „von Tag zu Tag erneuert“ wird. Ein Mensch kann körperlich leiden und altern, indessen sein Geist jung und lebendig bleibt. Diese Persönlichkeit werden wir in der anderen Welt wiederfinden. Schon hier auf Erden können wir jemanden wiedererkennen, ohne ihn von Angesicht zu sehen. Maria Magdalena erkannte Jesus an Seiner Stimme, als ihre Augen voller Tränen waren und sie sich noch nicht nach Ihm umgewandt hatte. Am Fernsprecher wissen wir recht gut, wer mit uns redet, und die Schrift eines Bekannten täuscht uns nicht.
Es ist selbstverständlich, daß die Engel, obwohl sie keinen Leib haben, eine ausgesprochene Persönlichkeit besitzen. Wir kennen die Namen Michaels und Gabriels – wie auch den Satans. In den Gesichten Daniels und Johannes reden und handeln die Engel auf ganz persönliche Art.
Andererseits nennt die Bibel eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die im Jenseits weiterleben:
Jakob sagt, daß er zu seinem Sohne hinunterfahren wird. 1. Mose 37, 35.
Samuel kehrt zurück und spricht mit Saul. 1. Sam. 28, 15.
David erklärt, daß er zu dem Kind, das er verloren hat, hinunterfahren wird. 2. Sam. 12, 23.
Mose und Elia werden auf dem Berge der Verklärung erkannt. Luk. 9, 30.
Abraham, Lazarus und der reiche Mann unterhalten sich in der anderen Welt. Luk. 16, 24-31.
Gott hält Abraham, Isaak und Jakob für lebend. Matth. 22, 3 2.
Der auferstandene Christus zwingt Seine Jünger gewissermaßen dazu, Ihn wiederzuerkennen, obwohl Er mit Seinem neuen Leibe überkleidet ist: „Seht Meine Hände und Meine Füße, Ich bin’s selber.“ Luk. 24, 39.
Jesus sagt außerdem, daß wir Abraham, Isaak und alle Propheten im Reich Gottes sehen werden. Luk. 13, 28. 
Paulus schreibt an die Thessalonicher: „Denn wer ist unsre Hoffnung oder Freude oder Krone des Lebens? Seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesus Christus zu Seiner Zukunft? 1. Thess. 2, 19.
Welche Seligkeit wird es sein, die Patriarchen, die Propheten und die Apostel anzutreffen, die uns durch ihr Beispiel und durch ihre Schriften soviel Gutes getan haben!
Welches Vorrecht, David, Paulus, Johannes und so viele Glaubenshelden aller Zeiten zu sehen!
Welchen Trost würde denn diese Aussicht geben, wenn man die Seinen nicht erkennte?


5. Was wird aus den Familienbanden?
Die Bande des Herzens ändern sich nicht. Wir werden unsere Ehegatten, unsere Eltern und Kinder wiederfinden und werden sie noch besser lieben als auf Erden.
Aber es ist klar, daß die ehelichen Beziehungen nicht mehr sein werden. Um Sein zu spotten, erzählen die ungläubigen Sadduzäer Jesus die abgeschmackte Geschichte von einer Frau, die nacheinander sieben Brüder zum Manne gehabt haben soll und fragen Ihn, wessen Weib sie nach der Auferstehung sein würde. Der Herr antwortet ihnen: „Welche würdig sein werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder freien, noch sich freien lassen, denn sie können hinfort nicht sterben, denn sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, dieweil sie Kinder sind der Auferstehung.“ Luk. 20, 36. Das ergibt sich von selber, denn die Zeugung wird nicht mehr nötig sein, um das Geschlecht fortzupflanzen, das unsterblich geworden ist.

6. Was werden wir im Himmel tun?
Diese Frage setzt manche Christen, die ohne Einbildungskraft und ohne biblische Kenntnisse sind, recht in Verlegenheit. Sie glauben beinahe, sie müßten sich langweilen, wenn sie die ganze Ewigkeit so brav und sittsam bleiben müßten.
Aber läßt uns die Heilige Schrift nichts anderes erwarten? Wir wollen sehen, welch herrliche Aussichten sie vor uns er öffnet. Wir finden im Himmel:

a) Die Anbetung.
Wenn uns die Bibel in den Himmel, vor den Thron Gottes versetzt, zeigt sie uns den Herrn immer von einer Menge von Geschöpfen umgeben, die Ihn anbeten. Es entspricht auch der Natur Gottes, Anbetung zu empfangen . . . „Gott ist Geist, und die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Joh. 4, 24. Was könnten Geschöpfe vor der göttlichen Majestät anders tun als sich beugen, loben und danken? Die Anbetung ist die höchste Form des Dienstes. Durch sie befassen wir uns mit Gott selbst und erweisen Ihm die Ehre, die Ihm gebührt.
Die Betrachtung ist eine der Arten der Anbetung. Im Himmel werden die Knechte Gottes „Sein Angesicht sehen, und Sein Name wird an ihren Stirnen sein.“ Offb. 22, 4. . . .

Im Himmel jedoch wird die Gnade ihr Werk vollendet haben. Der Mensch wird durch das Blut Christi gereinigt und durch den Heiligen Geist geheiligt sein. So wird er vor dem Herrn erscheinen können und Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen. Auf Erden können wir oft unsere Blicke nicht von den schönen Dingen losreißen: eine wunderbare Blume, eine herrliche Aussicht, ein außerordentliches Kunstwerk setzen uns in Entzücken. Wie wird es erst sein, wenn wir den Schöpfer alles Schönen und Vollkommenen von Angesicht zu Angesicht sehen?
Außerdem wird uns die Betrachtung des Herrn in Sein Bild umgestalten. Wenn die Auserwählten Sein Angesicht sehen, wird „Sein Name an ihren Stirnen sein“. Nachdem er vierzig Tage in der Gegenwart Gottes verbracht hatte, war das Angesicht Moses glänzend von Seiner Herrlichkeit. 2. Mose 34, 28-29. . . .
Jetzt ist das Geheimnis unseres Sieges, immer auf Jesus aufzusehen, Hebr. 12, 2, aber wir wenden gar oft unsere Blicke von Ihm ab. Im Himmel werden die Augen aller Geschöpfe unaufhörlich und ohne Ablenkung auf den Herrn gerichtet sein. . . . Paulus sagt uns: „Also weiß auch niemand, was in Gott ist, als der Geist Gottes.“ 1. Kor. 2, 10.
Bedarf es nicht der ganzen Ewigkeit, um zu einer besseren Erkenntnis des unendlichen Gottes zu gelangen? . . .
„Ich aber will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an Deinem Bilde.“ Psalm 17, 15. . . .
Lob und Dank sind auch wichtige Teile der Anbetung. „Wer Dank opfert, der preiset Mich, und da ist der Weg, daß Ich ihm zeige das Heil Gottes.“ Psalm 50, 23. . . . „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“. . . .
Die Offenbarung zeigt uns immer wieder die Menge der Engel und Auserwählten, die den Vater und den Sohn loben und preisen. „Der uns geliebt hat . . . Dem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit . . . . und sprachen: Herr, Du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn Du hast alle Dinge geschaffen, und durch Deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen

Dieses „neue“ Lied preist den Erlöser, dessen Name durch das Kreuz noch viel würdiger geworden ist, hochgelobt zu werden. „ . . . Ich hörte sagen: Dem, der auf dem Stuhl sitzt, und dem Lamm sei Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Es ist bemerkenswert, daß nicht nur der Gott der Schöpfung und der Erlösung gepriesen wird. Das vierfache Halleluja des Kapitels 19, Vers 1-6, verherrlichtet den Gott des Gerichts, der die große Babel verurteilt und Sein Reich eingenommen hat.
Es gefällt dem Herrn, daß der Lobgesang von der Musik, dieser Tochter des Himmels, begleitet und getragen wird. Im ehemaligen Tempel mußten zweihundertachtundachtzig Sänger den Gottesdienst mit ihrem Gesang und dem Spiel verschiedener Musikinstrumente, Harfen, Psaltern und Zimbeln, verschönern. 1. Chron. 25, 1-8. Hiskia ruft aus: „Herr, hilf mir, so wollen wir meine Lieder singen, so lange wir leben, im Hause des Herrn!“ Jes. 38, 20.

Jesus selber hat mit Seinen Jüngern die Psalmen gesungen – oder die Lobgesänge, die zum Osterfest üblich waren. Mark. 14, 26. Paulus sagt uns: „Redet untereinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singet und spielet dem Herrn in euren Herzen!” Eph. 5, 19. Jakobus schreibt : „Ist jemand guten Muts, der singe Psalmen!“ Jak. 5, 13.
Im Grunde haben nur die christlichen Völker eine richtige Musik – und häufig sind die bedeutendsten und fröhlichsten Komponisten lebendige Gläubige gewesen, um nur Bach und Händel anzuführen. Wenn das Herz frei von aller Furcht und voller Freude des Heiligen Geistes ist, kann es am besten Lieder singen. – Darum verwundert es uns nicht, daß bei den Schilderungen des Himmels die Musik solch großen Platz einnimmt.
Sie „standen an dem gläsernen Meer und hatten Harfen Gottes und sangen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes”. Offb. 15, 2-3. . . . Im Himmel wird derselbe Lobgesang der Erlösten widerhallen, der dann aber von denen gesungen wird, die die göttliche Gnade empfangen haben. In allen Zeiten werden unser Lobgesang und unsere Lieder zu Dem aufsteigen, der uns errettet hat. Und die vollkommene Harmonie des Himmels wird bald die der irdischen Musik weit hinter sich lassen.

b) Die Ruhe.
Eden war ein Ort des Friedens und der Glückseligkeit. Seit dem Sündenfall ist die Arbeit mühsam geworden. Der Erdboden ist verflucht und unser ganzes Leben spielt sich unter dem Zeichen erschöpfender Anstrengungen ab. Wir sind alle „mühselig und beladen“, Sklaven unerbittlicher Gesetze dieser Welt, von dem Versucher verfolgt. Jesus selber hatte keinen Ort, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte. Aber Seine Gnade gibt jedem Ruhe und Erquickung, der Sein sanftes und leichtes Joch auf sich nehmen will. Matth. 11, 28-30.
Wir sind jedoch nur in der Hoffnung gerettet und müssen den Kampf bis zum Ende durchstehen. Bald werden wir für immer in die ewige Ruhe eingehen, die weder Versuchung noch Sündenfall jemals stören werden. . . . „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Offb. 14, 13. . . .

8. Werden viele Auserwählte im Himmel sein?
Diese Frage, die manchen quält, ist schon Jesus gestellt worden: „Herr, meinst Du, daß wenige selig werden?“ Der Heiland hat darauf geantwortet: „Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet!“ Luk. 13, 23. . . .
Wohl sagt Jesus, daß viele berufen, aber wenige auserwählt sind, Matth. 22, 14; und daß viele auf dem breiten Weg zur Verdammnis gehen und wenige auf dem schmalen Weg zum Leben. Matth. 7, 13. Diese Worte scheinen der Wirklichkeit zu entsprechen. Aber ist es tatsächlich so, wie viele denken, daß in dem großen Himmel nur wenige Erlöste sind?
Nein, die Bibel erklärt genau das Gegenteil. Denn in dem Gleichnis von der königlichen Hochzeit legt der König großen Wert darauf, daß sein Mahl gut besucht wird. Ohne mutlos zu werden, sendet Er mehrmals Seine Diener aus, um einzuladen, wen sie finden, „und die Tische wurden alle voll“. Matth. 22, 10. . . . Die verstockten Juden sind verworfen worden, dennoch kündet Paulus an, daß sie sich eines Tages alle bekehren werden und daß somit das ganze Israel (die in jenem Augenblick Lebenden) errettet würde. Der Apostel sagt gleichfalls, daß die Verstockung der Juden solange dauern werde, „bis die Fülle der Heiden eingegangen sei“, Röm. 11, 2 5, das heißt, die volle Zahl der gläubigen Seelen, die aus dem Heidentum kommen.
Deshalb spricht die Heilige Schrift sooft von der riesigen Menge, die den Himmel bevölkern wird. Johannes sieht eine große Schar, welche niemand zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen vor dem Throne und vor dem Lamm stehen. Offb. 7, 9. . . . Hatte Er nicht Abraham, dem Vater der Gläubigen, versprochen, daß sein Same so zahlreich werden sollte wie der Sand am Ufer des Meeres und die Sterne am Himmel?
In unseren Tagen bewahrheitet sich auf einigen Missionsfeldern das Wort, daß die Letzten die Ersten sein werden, und die Seelen dürsten dort nach der Wahrheit. Er scheint uns auch wahrscheinlich, daß das Tausendjährige Reich unerhörte Ernten haben wird. Zuerst einmal werden Krieg und Sterblichkeit zurückgedrängt werden und dadurch die Bevölkerung ungeheuer anwachsen. Da der Satan gebunden ist, wird die Erde voller Erkenntnis des Herrn sein, wie Wasser das Meer bedeckt, und sogar die Heiden werden nach Christus fragen. Jes. 11, 9-10. . . .
Zum Schluß wollen wir wiederholen, daß die Zahl der Auserwählten allein Gottes Sache ist. Unsere Sorge muß sein, das Heil anzunehmen, um nicht draußen bleiben zu müssen, und so viele Seelen wie möglich zu gewinnen, die den Himmel bevölkern werden.

9. Wem steht der Himmel offen?
Gott „will, daß allen Menschen geholfen werde“. 1. Tim. 2, 4. . . . Sein Wunsch ist ausdrücklich: Alle Sünder sind eingeladen, durch die Buße und durch den Glauben an Jesus Christus in den Himmel zu kommen. Der König läßt allen, den Bösen und Guten, sagen: „Alles ist bereit, kommt zur Hochzeit!“ Wer die Einladung annimmt, wird sofort aufgenommen. Matth. 22, 4.10. Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch Mich.“ Und Er sagt weiter, „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten . . .so will Ich wiederkommen und euch zu Mir nehmen, auf daß ihr seid, wo Ich bin.“ Joh 14.
„Und wen dürstet, der komme, und wer da will,
der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Offb. 22, 17.
Kann man es einfacher sagen? Durst haben nach Vergebung und dem ewigen Leben – zu Jesus kommen – sich Ihm übergeben wollen – Sein Heil jetzt nehmen und das umsonst, ohne irgendein eigenes Verdienst – das sind die fünf Schritte, die zum Erlangen des Heils führen. Ein Kind kann sie verstehen – und sie sogleich ausführen.
Wie steht es mit dir, der du diese Zeilen lieset?
Und ein letztes Mal wollen wir die ergreifende Frage Jesu an Jerusalem anführen:
„Wie oft habe Ich deine Kinder versammeln wollen . . . und ihr habt nicht gewollt!“ Matth. 23, 37.
Im Augenblick ist die Tür der Gnade weit geöffnet, und Jesus stößt keinen hinaus, der zu Ihm kommt. Aber der Augenblick naht, da die Tür verschlossen sein wird und es zu spät ist, um gerettet zu werden. Die Bibel betont diesen furchtbaren Gedanken:
Noah ging mit den Seinen und sogar mit den Tieren in die Arche. Noch sieben Tage vergingen. In dieser Zeit hätten sich noch viele retten können. Dann schloß der Herr hinter ihm zu, und die Gottlosen kamen alle um. 1. Mose 7,7.
„Ringet danach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele werden . . . danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können. . . .
„Dem aber, der euch behüten kann ohne Fehl und stellen vor das Angesicht Seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden, dem Gott, der allein weise ist, unserm Heiland, sei Ehre und Majestät und Gewalt und Macht nun und zu aller Ewigkeit! Amen !” Judas 24-25.

Eingestellt von Horst Koch, Herborn, im Herbst 2023 Der Text wurde unwesentlich gekürzt. Die Textbetonungen sind von mir. 
info@horst-koch.de




Psychologie im Licht der Bibel (W. Plock)

Wilfried Plock



Psychologie im Licht der Bibel

Teil 1: Die Geschichte der Psychologie

1. Die Psychologie als Bestandteil der Philosophie (ca. 500 v. Chr. bis 1875)
Die heutige Psychologie hat also eine lange Vorgeschichte. Die historische Wurzel ist liegt vor allem in der griechischen Philosophie der Antike (schon ab etwa 5. bis 6. Jahrhundert v. Chr.). Die moderne Psychologie geht aus von der historischen, philosophischen Voraussetzung über den Ursprung des Menschen, über die Seele des Menschen und über das Verhältnis von Leib und Seele.
Die griechische Philosophie hatte sich ganz bewußt von allen religiösen, übernatürlichen Vorstellungen des Menschen losgesagt. Es war eine emanzipierte Philosophie, die also nicht von einem übernatürlichen Weltbild ausgeht, sondern ausging von einem natürlichen: der autonome Mensch in einem geschlossenen Weltbild.
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Psychologie immer wieder gewandelt, und zwar sehr gewandelt.

II. Die Psychologie als eine von der Philosophie getrennte, selbstständige experimentelle Wissenschaft (ab 1875 bzw. 1879 bis heute)
1873/74 schrieb der Mediziner Wilhelm Wundt (1832-1920) sein bahnbrechendes Werk „Grundzüge der physiologischen Psychologie“, und damit wurde er der erste Psychologe. 1875 wurde Wundt Professor in Leipzig und eröffnete dort im selben Jahr das erste „psychologische Laboratorium“. Dort wurde zum ersten Mal psychologisch mit Menschen experimentiert. Übrigens gab es dort auch die ersten Psychologiestudenten.

Einen weiteren starken Einfluß auf die Psychologie jener Zeit übte die Einführung der Statistik nach dem Beispiel der Mathematik aus. Seelische Prozesse werden statistisch wiedergegeben, und die Statistik gilt dann als eine interpretierende Wissenschaft.

Lange Zeit bedeutete Psychologie noch so etwas wie Seelenkunde, die Lehre der Psyche. Aber seit jener Zeit hat man das Wort Seele ganz bewußt weggelassen.
Weil die Seele zu philosophisch belastet war und nicht wahrnehmbar ist und deshalb als unwissenschaftlich galt, war sie experimentell nicht brauchbar.
Erst am Ende des letzten Jahrhunderts wurde Psychologie als die Lehre vom Bewußtsein definiert.

Die Psychoanalyse von Sigmund Freud (1856-1939), die völlig unabhängig von Wundt´s Schule entstand, sieht den Menschen als ein geschichtliches Wesen, unter anderem mit einem Unbewussten, das den größten Teil ausmachen würde, und das wichtigste im Menschenleben ist. Die Psychoanalyse hat also als Objekt ihrer Forschung das Unbewusste. Unter Freud wurde die Psychologie zur Lehre vom Unbewussten.

Aber der Behaviorismus (Iwan P. Pawlow, Watson, Skinner), der zweite Zweig, der sagte: Das Unbewusste ist unbewiesen, unbeweisbar, es ist ja unsichtbar. Das ist also für die Wissenschaft unbrauchbar, was man beobachten und beschreiben und interpretieren kann, ist nur das, was ich weiß, und was sichtbar ist, unser Verhalten. Darum heißt der Behaviorismus auch Verhaltenspsychologie. 

Und die Humanistische Psychologie, der dritte Zweig, sagt: Der Mensch ist ein Wesen mit ungeahnten Möglichkeiten. Und was muß man da also forschen? Eben diese ungeahnten, verborgenen Möglichkeiten des Menschen sind zu erforschen, damit es zum Wachstum und zur Entfaltung und zur Selbstverwirklichung kommt. Jede Richtung hat also ihr anderes Thema und jede Richtung hat auch ihre eigene Methode.

Die heutige Psychologie (von etwa 1950 bis heute)
In zunehmendem Maße gibt es neue Richtungen. Jeder Hauptzweig hat eine Menge Nebenzweige. Ein anderes Kennzeichen der Psychologie in der letzten Zeit, ist, daß es sehr rasche Veränderungen gibt. Das was heute noch gültig ist, kann morgen schon ganz altmodisch und verworfen sein. Ein anderes Kennzeichen ist es, daß die Psychologie nicht nur theoretisch geblieben ist, sondern daß es eine angewandte Psychologie gibt. Und die angewandte Psychologie hat sehr stark zugenommen. Sie droht sogar größer zu werden, als die theoretische Psychologie. Sie ist sozusagen von der Universität in das öffentliche, alltägliche Leben umgezogen. Man kann sich eigentlich keine Einrichtung oder Institut mehr denken, ohne einen Psychologen. Es gibt sogar Psychologenschulen für den Kindergarten, für die Schule, für die Universität und sogar für den Betrieb und die Firma. Kurz gesagt, es gibt für alle Richtungen und Sparten. Man kann sich kaum noch ein Leben ohne Psychologen vorstellen. Man spricht von der „psychologischen Gesellschaft“.

Psychologie im biblischen Licht
Die Psychologie ist durch und durch unchristlich, teilweise sogar antichristlich.
Das Menschenbild der Psychologie ist atheistisch, evolutionistisch, materialistisch und humanistisch. 


Der Mensch sei ein Wesen:

1. – . . . ohne grundsätzliche Beziehung zu Gott, seinem Schöpfer, aber mit einer
Grundbeziehung zum Tier (das sog. Tiermodell).
Die Bibel: wir sind vom Geschlecht Gottes (Apostelgeschichte.17, 29)

2. – . . . ohne grundsätzlichen Bezug zu Gottes Wort, von dem der Mensch leben soll (Matth. 4, 4)
Absolute Normen gibt es nicht, Gewissen im biblischen Sinn gibt es nicht, Schuld
gegenüber Gott gibt es nicht (nur „Schuldgefühle“ gegenüber dem Nächsten)

3. –  . . . ohne die innewohnende Sünde oder „alte Natur“ (Römer 7)

4. –  . . . ohne Einfluß des Satans und seiner Dämonen

5. –  . . . ohne die Möglichkeit der „neuen Natur“ und der Wirkung des Heiligen Geistes

Teil 2:  Sigmund Freud und die Psychoanalyse

Allgemeines:
Sigmund Freud (1856-1939), in der Tschechoslowakei geborener Jude, Arzt und
Psychologe, Professor in Wien, Begründer der Psychoanalyse, Werke: Die
Traumdeutung, Totem und Tabu, Jenseits des Lustprinzips, Das Unbehagen in der
Kultur…. Bekannteste Schüler: Alfred Adler (Individualpsychologie) und Carl Gustav Jung (Komplexe Psychologie).

I. Freud´’s Persönlichkeitstheorie
Freud sah den Menschen in einem ständigen Konflikt zwischen seinen auf Lust
ausgerichteten Instinkten und der Unterdrückung derselben durch die Gesellschaft.
Die Folge seien Neurosen (wissenschaftliche Bezeichnung für krankhafte
Erscheinungen des Seelenlebens, die meistens als Folge einer gestörten Erlebnis-
verarbeitung in der frühen Kindheit gesehen werden). Jede Neurose, ja sogar das
gesamte Verhalten, stamme aus dem Unbewussten.
Der Mensch sei geschichtet. Die Seele des Menschen sei wie ein Eisberg. Nur etwa ein Sechstel sei sichtbar (das Bewußte), dann ein bißchen Unterbewusstes und der größte Teil werde vom Unbewussten gebildet.
Die Seele des Menschen – Das Bewußte – Das Unterbewusste – Das Unbewusste

II. Das Menschenbild des Sigmund Freud
Der Psychoanalyse liegt ein materialistisches Menschenbild zugrunde, d.h. der
Mensch wird nur als stoffliches und immanentes Wesen verstanden. Der Geist des Menschen wird nicht als eine vom Leib unabhängige Wesenheit betrachtet. Eine höhere Daseinsbestimmung des Menschen sah Freud nicht.

Das Unbewusste bilde den größten Teil des Menschen. In ihm liege der Kern der
Persönlichkeit, nämlich die Triebe, die Motivation. Der Mensch sei völlig determiniert (bestimmt, festgelegt) von seinen Erlebnissen in Kindheit und Jugend.

1. Freud´’s Triebmodell
Freud hatte in seiner Kindheit ein Verhältnis der Hassliebe zu seinem gleichaltrigen Neffen Johann. Später verallgemeinerte er Liebe und Hass zu den beiden fundamentalen Trieben im Leben eines Menschen. Der Mensch werde nicht von seinem Willen bestimmt, sondern von einem „Lust-Unlust-Prinzip“. D.h. der Mensch werde von angeborenen Instinkten dazu getrieben, Lust zu suchen („Libido“) und Unlust zu vermeiden.

Die Bibel zeigt als Ursache der menschlichen Not nicht ein Lust / Unlust-Prinzip,
sondern das in uns wohnende Gesetz der Sünde (Röm.7, 23).
Fünfzehn Jahre lang arbeitete Freud nur mit der Libido-Theorie, bis er 1920 die
Bedeutung des zweiten Triebes erkannte, nämlich „Thanatos“ (der Todestrieb mit der Tochter „Aggression“ – Zerstörungslust). Freud behauptete, die Triebe kämen aus den Organen, nämlich aus den Drüsen mit ihrem Stoffwechsel (biologischer Determinismus).

2. Freud´’s Erkenntnisse aus seiner Selbstanalyse

Freud war der Liebling seiner Mutter (die zweite Frau seines Vaters). Er hatte eine leidenschaftliche, erotische Neigung zu seiner jungen Mutter – kombiniert mit Hass gegen seinen Vater, der vom Alter her sein Großvater hätte sein können. Diese Dinge entdeckte Freud bei seiner Selbstanalyse, die er mit 42 Jahren begann.

Freud war ein Mann der Verallgemeinerung. Wenn er bei sich etwas entdeckt
hatte, übertrug er es oft auf die ganze Menschheit. Hatte er bei einem Neurotiker
etwas entdeckt, dann meinte er, alle Neurotiker, ja alle Menschen, sind so.
Aus seiner Selbstanalyse folgerte Freud zum Beispiel, jedes Kind habe eine
erotische Liebe zum Elternteil des anderen Geschlechtes und einen Hass zum
Elternteil des gleichen Geschlechtes. Die Erfahrungen und Sünden seines eigenen
Herzens wurden also Grundlage für eine umfassende psychologische Theorie
(Theorie des „Ödipus-Komplexes“). So entstand Freud´s psycho-sexuelles
Menschenbild.
Ein zweiter Grund für dieses Menschenbild liegt wohl im gesellschaftlichen
Hintergrund seiner Zeit. Freud befaßte sich zuerst mit hysterischen Frauen. Die
Wurzel für ihr Verhalten meinte er in dem Konflikt zwischen triebhaften Begierden und den gesellschaftlichen Tabus der Umgebung gefunden zu haben (der verlogenen viktorianischen Doppelmoral seiner Tage). Darum nahm die Sexualität allmählich einen immer größeren Raum in Freuds Theorien ein.


3. Freud´s Phasenmodell der frühkindlichen Sexualität

a) Die orale Phase (die ersten 12 Monate)
b) Die anale Phase (zweites Lebensjahr)
Die Reaktionen der Mutter auf das, was auf dem Töpfchen geschieht, seien sehr
wichtig!

c) Die ödipale Phase (drittes bis fünftes Lebensjahr)
Jeder Junge möchte seine Mutter „heiraten“ und haßt darum seinen Vater.
Mit etwa fünf Jahren erfasse er aber, daß das unmöglich ist und identifiziere
sich dann mit dem Vater. Die elterlichen Normen würden so zum Über-Ich.
Die Reaktionen der Eltern in dieser Phase würden in besonderer Weise den
Charakter und das Verhalten des Kindes für sein gesamtes Leben prägen.
Die Bibel zeigt uns, daß die Reaktionen der Eltern wichtig sind;
aber nicht nur in den ersten fünf Lebensjahren.
Abgesehen davon gibt es viele weitere prägende Faktoren in der Erziehung,
wie das Gebet der Eltern, das Wort Gottes, den Einfluß der Gemeinde, etc.

III. Die Freud´’sche Psychoanalyse

Man kann hinsichtlich seines Wirkens drei Phasen bei Freud unterscheiden.

Die erste von 1886 bis 1900; in der Freud kokainsüchtig war (in dieser Periode
entstanden die Grundlagen seiner größtenteils absurden Theorien).


Die zweite Phase erstreckte sich von 1900 bis 1923, und die dritte von 1923 bis zu
seinem Tode 1939 (Freud litt 12 Jahre lang an Kieferkrebs).

Nach 1923 (also in der dritten Periode) unterschied Freud zwischen dem Es (den
unbewussten Instinkten oder Trieben), dem Ich (dem „Ich“-Bewusstsein) und dem Über-Ich (dem größtenteils unbewussten „Gewissen“, das uns durch die Normen und Tabus der Umgebung auferlegt werde, vor allem während der Erziehung).
Freud sah den Menschen im ständigen Konflikt zwischen den egoistischen
Ansprüchen des Es und den durch Erziehung und Gesellschaft geprägten Normen des Über-Ich („Gewissen“). Das Kind sei zunächst nur Es. Das Über-Ich entstünde etwa mit fünf Jahren – nach der Überwindung des „ödipalen Konfliktes“ – allein durch die Gebote und Verbote der Eltern (intra-psychisches Konfliktmodell).

Nun behauptete Freud, daß weder der betroffene Mensch selbst, noch ein anderer Mensch, noch ein christlicher Seelsorger Zugang zum Unbewussten habe, sondern einzig und allein der Psychoanalytiker. Dieser sei der notwendige und unentbehrliche Mittler. Nur er sei kompetent, die verborgenen neurotischen Konflikte und Verdrängungen offenbar zu machen und dadurch zu heilen. Übrigens, jeder Psychoanalytiker muß zuerst an sich eine Selbstanalyse durchführen oder von einem Kollegen durchführen lassen. Nur dann darf er andere analysieren.
Auf diese Weise wird aber der Mensch / Patient unmündig und in die Abhängigkeit der Psychiatrie getrieben.


IV. Freud´’s Nichtverantwortlichkeits-Modell


1. Die Konstruktion des Unbewussten
Alles geschehe unbewusst (Triebe, Verdrängung, etc.). Wer könne für Dinge
verantwortlich gemacht werden, die außerhalb seines Bewußtseins vor sich
gingen?

2. Die biologische Triebtheorie
Die Triebe Libido und Thanatos kämen aus dem Körper des Menschen. Wer
könne für hormonelle Vorgänge verantwortlich gemacht werden? (Bibel: Matthäus 15, 19)

3. Die historische Theorie
Der Mensch sei ein Produkt der Geschichte, angefangen vom Tierreich über
die Urhorde der Menschheit bis zu den unmittelbaren Erbanlagen.
Wer könne dafür persönlich verantwortlich gemacht werden?

4. Freud´’s Krankheitsmodell
Neurosen kämen letztlich von außen. Gäbe es keine Normen, dann gäbe es
keinen Konflikt zwischen Es und Über-Ich, also gäbe es auch keine Neurosen.
Dieses Krankheitsmodell kennt nur die Psychoanalyse.


V. Freud´’s Schuldmodell
Weil der Mensch determiniert sei, sei er nicht verantwortlich für sein Tun. Schuld hätten grundsätzlich die Eltern und die Gesellschaft. Durch die psychoanalytische Behandlung bekommen die Patienten oft einen Hass auf ihre Eltern.


VI. Das biblische Menschenbild

Der Mensch ist ein von Gott geschaffenes und geliebtes Geschöpf. Er wird von vielen Faktoren geprägt, z. B. von seinen Erbanlagen, von Erziehung und Umwelteinflüssen, aber auch von seinem eigenen Willen. Jeder gesunde Mensch ist voll moralisch verantwortlich für sein Tun und Lassen. Er ist ein Sünder, der Erlösung braucht.


VII. Wie können wir auf biblische Weise zu einem wahrheitsgetreuen
Selbst- und Menschenbild kommen?
„Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich
mit ihm aus? Ich, der HErr, bin es, der das Herz erforscht…“ (Jeremia 17, 9-10).


1. Gott gibt Selbsterkenntnis durch sein Wort (Joh.16, 9; Hebr. 4, 12;
Jak. 1, 23)


2. Gott gibt Selbsterkenntnis durch Prüfungen (5. Mose 8, 2-3)

3. Gott gibt Selbsterkenntnis durch das Zusammenleben mit anderen in Ehe,
Familie, Gemeinde und Gesellschaft (Kolosser 3, 13; 1. Joh. 1, 7)

4. Gott gibt Selbsterkenntnis durch Seelsorge (Psalm 139, 1.23-24)


Zusammenfassung:
Wir Menschen des 20. Jahrhunderts sind fast ausnahmslos Produkte der Freudschen Ethik. Ausdrücke wie Verdrängung, Hemmung, Frustration, Freudsche Fehlleistung, oder Unbewusstes sind unter uns Gemeingut geworden.
Außerdem haben Freuds Schriften kräftig zur Entchristlichung der westlichen Welt beigetragen. Lindsay und Carlson nennen in ihrem Buch „Satan kämpft um diese Welt“ (Verlag HSW, 1973) sechs Männer, die mit ihren Theorien einen starken, verhängnisvollen Einfluß auf unsere Welt ausgeübt haben, nämlich: Kant, Hegel, Kierkegaard, Marx, Darwin und Freud (S. 101-119).

Freud war überzeugter Evolutionist. Wie Darwin Gott aus der Biologie entfernte, so verbannte Freud Gott aus der Psychologie.

Freud´’s ganzes Leben war gekennzeichnet von einer militanten Rebellion gegen
Gott, gegen Gottes Normen und gegen jegliche Autorität. Freud schrieb drei Bücher als Angriff auf Gott und sein Wort: z.B. Totem und Tabu (1912). Freud nannte sich „einen gottlosen Juden und einen unverbesserlichen Heiden“. Er hat einmal selbst gesagt: „Ich bin ein Rechtsanwalt des Teufels!“

Ouweneel schreibt: „Freud ist der Psychologe gewesen, der vielleicht am meisten dafür verantwortlich ist, daß in unserem Jahrhundert die Begriffe von echter moralischer Schuld und persönlicher Verantwortung stark an Wert eingebüßt haben, indem er den Menschen als Spielball unbewusster Kräfte von innen und der strengen Tabus der Umgebung darstellte. Der Freudianismus schiebt die Schuld grundsätzlich auf die Eltern und die Gesellschaft ab“ (Herz und Seele, S. 66).

Teil 3: C. G. Jung und die Analytische Psychologie

Einleitung:
Carl Gustav Jung war ein Schweizer Psychiater und lebte von 1875 – 1961. Jung, ein Schüler Freuds, gilt als der Grundleger der „Analytischen Psychologie“.
Jungs Psychologie ist unzertrennbar von seiner Person und vom Okkultismus.

Was waren die Quellen der Jung´schen Analyse? Diese Quellen nennt er selbst in seiner Autobiographie „Erinnerungen, Träume und Visionen“:


1. Die Selbstanalyse
Jung war durch und durch okkult. Er analysierte bei sich seine Träume,
Visionen, Phantasien und inneren Stimmen.

2. Ein intensives Studium des Okkultismus, vor allem des Spiritismus, der
Wahrsagerei, der Astrologie, der Alchimie und der Magie
1916 gab er ein Buch heraus über seine Gespräche mit den Toten.

3. Studium der griechischen Philosophie, der okkultistischen Schriften von
Paracelsus, Swedenborg und Goethe

4. Ein intensives Studium der Gnostik, der Mythologie sowie der primitiven und der asiatischen Religionen (besonders des Hinduismus und des Zen-Buddhismus)

5. Viele persönliche Begegnungen und Reiseerlebnisse bei seinen vier großen
Weltreisen

6. Die Tiefenpsychologie Siegmund Freuds (Jung war sechs Jahre sehr eng mit
Freud befreundet, dann kam es zum Bruch zwischen den beiden)

Jungs Elternhaus und Jugenderlebnisse
Jung wuchs in der Nähe von Basel in einer christlichen Familie auf. Sein Vater war Pfarrer, aber sein Großvater war Großmeister einer Freimaurerloge und – wie Jung selbst schreibt – ein uneheliches Kind von Goethe (Goethe war ebenfalls Okkultist und Mitglied des Illuminaten-Ordens).
Jungs Mutter war sehr okkult gebunden und auch medial begabt. Sie hatte hell-seherische Gaben. Von ihr bekam Jung die „Gabe“ des Hellsehens, Hellwissens und Hellfühlens.

Im Alter von vier Jahren hat der kleine Carl Gustav einen Traum. In diesem Traum, der für sein ganzes Leben prägend war, bekam er die Einweihung in das Reich der Finsternis. Er sieht eine Gestalt, vor der er furchtbare Angst bekommt. Aber darauf sagt seine Mutter zu ihm: „Schau ihn gut an; er ist ein Menschenfresser.“ Dann erwacht Jung in Schweiß gebadet. Jung schreibt weiter über die Gestalt dieses Traumes: „Als unterirdischer Gott ist er über meine gesamte Jugendzeit dagewesen. Und immer wieder fühlte ich seinen Einfluß, sobald etwas zu betont über den „Herrn Jesus“ gesprochen wurde. Der „Herr Jesus“ ist für mich nie eine Wirklichkeit gewesen, nie ganz akzeptierbar, nie wirklich sympathisch. Immer wieder mußte ich an seinen unterirdischen Gegenspieler denken. Das war die Einweihung in das Reich der Finsternis. Von da an hat mein geistliches Leben seinen unbewußten Anfang genommen.“

Ein weiteres Erlebnis Jungs, als zwölfjähriger Gymnasiast in Basel:
Er wartet auf den Bus und sieht dann den Kirchturm des Baseler Doms. Er muß an Gott denken und fängt an zu philosophieren. Er stellt sich Gott auf einem goldenen Thron vor. Auf einmal kommt ein erstickendes Gefühl über ihn. Jung steht wie gelähmt da und fühlt sich gezwungen, „die Sünde gegen den Heiligen Geist“ zu begehen, eine Gotteslästerung zu denken und auszusprechen. Da Jung von seiner christlichen Erziehung her nicht so denken und reden wollte, kommt er zu dem Schluß, daß Gott ihn zu dieser Lästerung gezwungen habe.
Von diesem Erlebnis her kam Jung später zu einer ganz neuen Deutung des Sündenfalles (1. Mose 3). Er behauptete, es wäre Gottes Absicht gewesen, daß Adam und Eva sündigten. Das übertrug er dann auf sich selbst. Darum gab er den gotteslästerlichen Gedanken nach und sprach öffentlich darüber.
Jung beschrieb sein Empfinden folgendermaßen: „Ich verspürte eine unwahrscheinliche Erleichterung und Erlösung. Anstelle des erwarteten Gerichtes kam Gnade über mich, ja, ich wurde überschüttet mit Gottes Gnade. Und ich bekam eine Seligkeit, die ich nie gekannt hatte. Ich hatte das Gefühl, einer göttlichen Offenbarung teilhaftig geworden zu sein.“

Folgen und Auswirkungen von Jungs okkulter Belastung

1. Er bekommt ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Christen, die diese Erfahrung (Gnade durch Gotteslästerung) nicht gehabt haben.

2. Jung zweifelt alle herkömmlichen Formen der christlichen Lehre und Erfahrung an – auch die Frömmigkeit und Verkündigung seines Vaters.

3. Jung entwickelt allmählich völlig falsche Vorstellungen über Gott, Christus und
das christliche Leben. Er bekommt einen regelrechten Widerwillen gegen Gottes
Wort. Jung schreibt eigentlich nie über Gott, sondern immer über das Gottesbild in der menschlichen Seele. „Gott ist für mich alles – nur nichts Frommes!“
Nach seinem Traum als Vierjähriger entwickelte Jung einen zunehmenden Wider-willen gegen Jesus Christus: „Die Geschichten vom „Herrn Jesus“ kamen mir immer verdächtig vor; nie habe ich ihnen wirklich geglaubt.“ „Der „Herr Jesus“ war für mich ohne Zweifel ein Mensch und deshalb fehlbar.“

4. Die erste Teilnahme am Abendmahl bei seiner Konfirmation nannte Jung später „die größte Niederlage seines Lebens“. Nach seiner Konfirmation kommt es zum Bruch mit der Kirche und mit seinem Vater. Er tritt aus der Kirche aus.

5. Zur gleichen Zeit erwacht sein Interesse an der griechischen Philosophie, an Goethes Faust und am Spiritismus. Er schreibt über Faust: „Endlich entdeckte ich einen Menschen, der den Gegenspieler ernst nahm und sogar einen Blutspakt mit ihm schloß. Goethe wurde mir zum Propheten.“
Jung liest alle sieben Bände von dem Spiritisten Swedenborg.

6. Während seines Medizinstudiums beteiligt sich Jung zwei Jahre lang jeden
Samstag an spiritistischen Sitzungen bei Bekannten. Die Erlebnisse in jenem
Zirkel werden Grundlage für seine Dissertation. Durch den Spiritismus verlagert
sich sein Interesse von der Medizin auf die Psychiatrie. Jung wird Psychiater.

7. Immer wieder beschäftigt ihn die Frage: Was geht in einem Geisteskranken vor ?, weil er vieles davon in seinem Leben auch entdeckt. Jung spricht z.B. von seiner Person als Nr. 1 und Nr. 2.

Jungs Seelenstruktur
Zum persönlichen Teil des Menschen gehören nicht nur das Bewußtsein, sondern das darunterliegende persönliche Unbewußte, und noch tiefer das kollektive Unbewußte, jenes große Reservoir alten Erfahrungsbesitzes der ganzen Menschheit.
Für Jung ist das Unbewußte nicht nur Behälter für Verdrängtes – wie bei Freud -, sondern auch die schöpferische Mutter des Bewußtseins.
Das kollektive Unbewußte sei die tiefste und unzugänglichste Schicht der Persönlichkeit, die „Urschicht“ der menschlichen Seele, das, was nie bewußt gewesen ist. Dieses universale Unbewußte der Menschheit verdanke seine Existenz der Evolution und enthalte die Erfahrungen aller tierischen und menschlichen Ahnen, quasi die Urvergangenheit der Menschheit. Gleichzeitig sei das Kollektivunbewußte auch die Verbindung zur „göttlichen Weltseele“. Das kollektive Unbewußte – Vorsicht, Jung nennt es manchmal den „inneren Menschen“ – sei also ein gewaltiger kollektiver Lagerraum der Vergangenheit. Von hier werde der einzelne Mensch im Wesentlichen gesteuert.
Jung sieht die Selbstwerdung des Einzelnen (Individuation) als höchste Lebensaufgabe. Auf dem Weg dorthin muß der Mensch von der Suggestivgewalt unbewußter Bilder (Archetypen) befreit werden.

Jungs Theorie der Archetypen
Das kollektive Unbewußte bestehe aus Archetypen (Anfangs- oder Ursprungsbilder). Diese Urbilder der Seele seien Wahrnehmungen, Vorstellungen und Erfahrungen. Z.B.: Vater, Mutter, Kind, Held, der weise alte Mann, Hexe, Magier, Geburt, Tod, aber auch Paradies, Sündenfall, Jungfrauengeburt, Wiedergeburt, der sterbende und auferstehende Gott, Geister, Götter, Dämonen und der Teufel. Diese und andere „Projektionen archetypischer Inhalte“ seien auf der ganzen Welt die gleichen. Das gesamte menschliche Verhalten (auch das religiöse Verhalten) werde also durch die Archetypen des kollektiven Unbewußten gesteuert.
Der „Archetypus Gott“ in der „Kollektivseele“ eines jeden Menschen bilde zusammen mit seiner persönlichen „Gotteserfahrung“ den „Gotteskomplex“, der das ganze Verhalten beeinflusse, sodaß alles in den Kategorien von Gut und Böse, Tugend und Untugend betrachtet werde. Die Herkunft der Archetypen sei nicht erklärbar.

Jungs Theorie der Individuation
Unter Individuation versteht Jung den Entwicklungsweg zum individuellen Selbst und schließlich zum Welt-Selbst. Jungs Erlösungsweg geht über die Stationen der Selbstwerdung, Selbstverwirklichung bis hin zum „Jenseits von Gut und Böse“ (der Buddhanatur).
Jung meint, der Mensch sei bis zur Lebensmitte extrovertiert. Dann käme die Wende, nach der sich der Mensch introvertiert auf sein kollektives Unbewußtes konzentriere. Das Alter sei dann das Endstadium der Persönlichkeitsentwicklung (Individuation).

Das Ziel der Jung´schen Psychotherapie ist der individuierte Mensch.
Gemäß Jungs Theorien müßte er folgendermaßen beschrieben werden:

– Der individuierte Mensch ist mittleren oder älteren Alters

– er hat sich mit seinem kollektiven Unbewußten auseinandergesetzt und dadurch wahre, gründliche Selbsterkenntnis erhalten

– er ist zur völligen Selbstannahme gelangt, einschließlich seiner animalischen
Natur und seiner verdrängten Bisexualität

– er hat alle polaren Aspekte miteinander versöhnt und vereint; er ist zum „ganz-
heitlichen“ (holistischen) Menschen geworden

– durch Integration seines kollektiven Unbewußten ist er zu einem „höheren
Bewußtsein“ gekommen und hat sein wahres Selbst entdeckt

– schließlich ist er zu einer „universalen Persönlichkeit“ geworden, deren ganz-
heitliche Mentalität in völliger Toleranz jede Verabsolutierung und Polarisierung
ausschließt…

Abschließende Beurteilung
Jungs Psychologie ist eine Heilslehre, eine Religion im psychologischen Gewand. Gerade das macht sie so gefährlich. Jung leugnet den einen biblischen Gott, die totale Sündhaftigkeit des Menschen, die vollkommene Erlösung Jesu Christi und die Tatsache einer letzten Verantwortung vor dem Schöpfer. Gerade Jungs Vermischung von „christlichen“ Gedanken mit griechischer Philosophie, fernöstlichen Religionen und allerhand Okkultismus machen uns die Verwendung seiner Psychologie und Psychotherapie absolut unmöglich.


Teil 4: Die Verhaltenspsychologie (Behaviorismus)

Einleitung:
Der Behaviorismus (von behavior = Verhalten) ist die Lehre vom erlernbaren Verhalten (Konditionierung oder Programmierung des Verhaltens) und zwar durch Lern- bzw. Programmierungstechniken.
Lernen meint hier nicht das schulische Lernen, auch nicht das Lernen durch Reife, sondern Verhaltensänderung durch Programmierung und Training.
Basis des Behaviorismus sind Tierversuche im Laboratorium. Die bekanntesten Experimente liefen mit Hunden, Katzen, Ratten und Tauben.
Die Verhaltenspsychologie hat heute einen ungeheuren Einfluß, besonders in den Berufen, die mit dem Menschen zu tun haben.

I. Geschichte und Hauptvertreter
Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936), russischer Reflexologe,
Vater der „Klassischen Konditionierung“, überzeugter Darwinist,
1904 Nobelpreis. Er führte das berühmte Speichelfluss-Experiment durch (Reiz-Reaktions-Schema):
– ein Hund riecht oder sieht Fleisch: – > Speichelfluß (unbedingter Reiz)
– Pawlow gibt ihm Fleisch u. klingelt mit einer Glocke (verknüpft mit bedingtem Reiz)
– nach einiger Zeit klingelt Pawlow nur mit der Glocke – Ergebnis: Speichelfluß!

Schlußfolgerung: Tiere (und Menschen) können zu angeborenem, logischen Verhalten nichtangeborenes, unlogisches Verhalten hinzulernen – und zwar unabhängig vom Willen!
Pawlow meinte, seine Tierexperimente seien die Basis für eine objektive Psychologie. Der Mensch besitze kein Inneres, sondern bestehe nur aus Verhalten. Am Ende seiner Tätigkeit sprach Pawlow nie mehr von der Seele eines Menschen und verbot auch seinen Mitarbeitern im Laboratorium je wieder die Begriffe Seele oder Seelisches zu gebrauchen.


Edward Thorndike (1874-1949), ein amerikanischer Psychologe, führte unabhängig von Pawlow ebenfalls Tierversuche durch, und zwar mit Hilfe des „Problemkäfigs“.
– eine Katze sitzt im Käfig; außerhalb steht Futter
– der Käfig öffnet sich, wenn die Katze an einer Schlinge zieht
– die Katze „begreift“ die Sache und findet immer schneller aus dem Käfig
– Thorndike nannte diese Art Lernverhalten „trial and error“ (Versuch und Irrtum)
– er meinte, daß solche Erfolgserlebnisse zur Bildung bestimmter
Nervenverbindungen im Gehirn führen würden, die bei weiteren Erfolgen
zunehmend verstärkt würden (Reinforcement).

John B. Watson (1878-1958), ein amerikanischer Psychologe, der Begründer des „Behaviorismus“, war zuerst Leiter eines tier-psychologischen Laboratoriums und später Professor für Psychologie. Watson schrieb 1913 sein „Behavioristisches Manifest“, in dem er behauptete, die Psychologie sei ein reiner Zweig der Naturwissenschaft. Er sah als Gegenstand der Psychologie nur das beobachtbare Verhalten, lehnte die psychoanalytische Bewusstseinslehre ab. Alles andere sei nicht „objektiv“. Watson kam zu der Sicht, daß der Mensch nichts anderes als ein Roboter sei. Selbst die edelsten Gefühle des Menschen oder auch Fähigkeiten wie Sprechen und Denken seien letztlich nur „konditionierte Reflexe“.
In den zwanziger Jahren beherrschte Watsons Schule die gesamte amerikanische Psychologie. In den dreißiger Jahren rückten viele Psychologen vom radikalen Behaviorismus ab und entwickelten die gemäßigter Form des Neo-Behaviorismus.

B. F. Skinner (1904-1990), ein amerikanischer Psychologe, war der Hauptvertreter des „Neo-Behaviorismus“. Er arbeitete vor allem mit Tauben und Ratten in der „Skinner-Box“.
– eine Taube sitzt im Käfig
– wenn sie gegen eine Platte pickt, rollt Nahrung in ihren Käfig…

Pawlows Tiere blieben bei den Versuchen immer passiv. Skinner hingegen entwickelte scharfsinnige Versuche, bei denen das Versuchstier aktiv bestimmte Verhaltensweisen erlernte, die nützlich für es waren. Pawlow war der Vater der „Klassischen Konditionierung“.
Skinners Konditionierung wird „Operante Konditionierung“ genannt. Er arbeitete viel mit Belohnung und Verstärkung, die seiner Meinung nach mehr motivierten als Strafe.
Skinners Hauptwerk: „Jenseits von Freiheit und Würde“ (1971). Skinner wollte die restlose Steuerung und Programmierung mit Hilfe der Lerntechniken.

Francis Schaeffer schrieb ein Buch gegen Skinners Buch mit dem Titel: „Zurück zur Freiheit und Würde“.

II. Die Lerntechnik im Behaviorismus
Die Studien über Versuche mit Tieren im Laboratorium führten zu lerntheoretischen Erkenntnissen und zu Programmierungstechniken (eine dieser Techniken ist z.B. die „Gehirnwäsche“), die beim Menschen angewendet wurden und werden. Die Verhaltenspsychologie ist also die Anwendung von Lerntheorien und Lerntechniken des Tieres, angewendet auf den Menschen.
Technisch-methodische De-Programmierung wird in der heutigen Psychotherapie angewandt
– bei Phobien
– bei Süchten
– bei Sekten-Mitgliedschaft (z.B. Scientology)

III. Geistige Ziele des Behaviorismus
Durch konditioniertes bzw. de-konditioniertes Verhalten soll der Mensch im Sinne einer neuen Gesellschaft verändert werden. Er soll seine gesellschaftliche Rolle besser spielen können.
Der Begriff Rolle entspringt der Theaterwelt und meint ein bestimmtes Verhalten, das vom Drehbuch vorgeschrieben ist.
In der Soziologie versteht man unter „Rolle“ eine bestimmte Verhaltensnorm, die von der Gesellschaft für jeden Menschen vorgeschrieben ist.
– wenn ein Mann Kinder hat, dann ist er nicht Vater, sondern „er spielt die Vater – Rolle“…
– wenn man Hausfrau ist, dann spielt man die Rolle einer Hausfrau…
– wenn man Christ ist, spielt man nur die Rolle eines Christen…

Die Gesellschaft knüpft an die einzelnen Rollen bestimmte Erwartungen, und die gilt es zu erfüllen. Höhere Normen gibt es nicht. Jedes Verhalten eines Menschen ist Rollenverhalten, vom Kindes- bis zum Greisenalter.
Der Mensch ist erst dann richtig Mensch, wenn er sich in einem Prozeß der Sozialisierung allen Rollenerwartungen der Gesellschaft völlig angepaßt hat. Der sozialisierte, angepaßte, neue Mensch ist der perfekte Rollenspieler, programmiert für die neue Gesellschaft.

IV. Das Menschenbild des Behaviorismus:
Grundlage des Behaviorismus ist die Evolutionstheorie. Da der Mensch nur ein höher entwickeltes Tier ist, haben Tier und Mensch das gleiche Verhalten und lernen unter den gleichen Bedingungen.
Der Behaviorismus lehrt das „Automatenmodell“. Der Mensch ist ein Automat. Man steckt etwas bestimmtes hinein, und ein bestimmtes Verhalten kommt heraus (das Input – Output -Modell oder Reiz-Reaktions-Schema).

1. Alles ist Verhalten (Alkoholiker haben ein bestimmtes „Trinkverhalten“)

2. Alles heutige Verhalten ist von der Umwelt erlernt.
– das normale, gewünschte Verhalten
– aber auch das abnorme oder kriminelle Verhalten

3. Alles gewünschte zukünftige Verhalten ist technisch-methodisch erlernbar und
unerwünschtes Verhalten kann verlernt werden (Lernpsychologie).
Bei Erfolg gibt es Belohnung (z.B. Aufnahme in die Gruppe), bei Versagen Strafe
(z.B. Isolierung oder Ausschluß aus der Gruppe).

Aber der Mensch hat ganz andere Eigenschaften wie das Tier. Wie will der Behaviorismus folgende menschlichen Züge erklären: Liebe, Humor, Schönheit, Ideale, Kultur, Musik, Gewissen, Scham, Schuld, Selbstaufopferung,….?

V. Eine Beurteilung des Behaviorismus aus christlicher Sicht


* Der Behaviorismus basiert auf der falschen Grundlage der Evolution und deren materialistischem Menschenbild.
* Der Behaviorismus überträgt das Verhalten von Tieren im Laboratorium auf das tatsächliche oder erwünschte Verhalten von Menschen und übersieht dabei die völlige Verschiedenheit von Mensch und Tier.


Teil 5: Die Humanistische Psychologie

I. Biographie des Begründers Abraham Maslow

Abraham Maslow (1908-1970), amerikanischer Psychologe russisch-jüdischer Herkunft, wuchs in New York auf. Er hatte – im Gegensatz zu Freud und Jung – ein gutes Verhältnis zu seinem Vater; aber seine Mutter hielt er für schizophren. Sie brachte sieben Kinder zur Welt, und sobald ein neues Kind geboren wurde, vergaß sie die anderen. Mutter Maslow war sehr abergläubisch. Der junge Abraham entwickelte eine starke Abneigung gegen diese Dinge. Sein frühster Traum war, „allen religiösen Aberglauben auszumerzen“ (1963 machte er sein Vorhaben wahr und schrieb ein fürchterliches Buch gegen jede Art von Glauben und Aberglauben).

Maslow litt unter dem Antisemitismus und fühlte sich als Jude oft sehr einsam. Er flüchtete sich in die Literatur, die Bibliothek wurde zu seiner Wohnung.
Später er beschrieb seinen damaligen Zustand folgendermaßen:
„Ich war während meiner ersten zwanzig Lebensjahre zweifellos neurotisch, sogar sehr neurotisch, depressiv, schrecklich unglücklich, einsam, allein. Und ich verwarf mich selbst.“
Diese existenzielle Krise des jungen Maslow wurde später bestimmend für die Humanistische Psychologie. Man meint, Neurosen hätten ihren Ursprung in einem negativen Selbstbild. Und die Therapie ist darauf ausgerichtet, daß man ein positives Selbstbild von sich bekommt und sich selbst annimmt.

Nach zwischenzeitiger Beschäftigung mit Jura und Politik (idealer Sozialismus) stieß Maslow durch Bücher von Watson auf die Psychologie. Maslow war begeistert vom Behaviorismus. Er schrieb:
„Die Auffassung, daß der Mensch eine Maschine ist, wies mich darauf hin, daß er wissenschaftlich verbessert werden kann. Es war dieser Aspekt der Verhaltenspsychologie, der meine Phantasie reizte. Meine Ziele waren nun aufs entschiedenste utopisch, messianisch, weltverbessernd, menschverbessernd.“
Maslow studierte Psychologie. Er begann als völlig überzeugter Behaviorist. Als Assistent von Thorndike experimentierte er vor allem mit Ratten. Als er Familienvater wurde, beobachtete er an seinen Kindern ganz verschiedene Persönlichkeitstypen. Das veranlaßte ihn, zu Freud umzuschwenken. Maslow wurde Psychoanalytiker.
Von 1936-1950 war er Dozent in New York. Wegen des Dritten Reiches mußten viele Juden aus Europa emigrieren; die meisten kamen in die USA. Maslow lernte u.a. Adler (Individualpsychologie), Fromm (Neo-Psychoanalyse) und Bühler (Ganzheitspsychologie) kennen. Er übernahm in synthetischer Haltung von jedem etwas. Das Ergebnis wird seither „the third force psychology“ (der dritte Weg) genannt, oder Humanistische Psychologie oder Sozial-Behaviorismus.

II. Das Modell der Humanistischen Psychologie


A. Die Wurzeln der Humanistischen Psychologie


1. Die Philosophie des Evolutionismus
Maslow war durch und durch Evolutionist: „Der Mensch ist ein Tier, aber ein höher entwickeltes Tier.
2. Die Philosophie des Humanismus (der Mensch ist gut und autonom)
3. Die Philosophie des Existenzialismus (Jaspers, Heidegger, Satre)
Der Existenzialismus legt die Betonung nicht wie Freud auf die Vergangenheit, sondern auf das so genannte „Hier und Jetzt“, sowie auf die zwischenmenschlichen Beziehungen.
4. Die Idee der Selbstverwirklichung
Diese Idee kommt ursprünglich aus dem Evolutionismus. Was auf biologischem
Niveau möglich sei, sei auch auf psychologischem Niveau möglich.
5. Die vorangegangenen psychologischen Richtungen (bes. Freud, Adler, Watson)

Maslow warf Freud vor, daß die Psychoanalyse vom kranken Menschen ausgehe (das intra-psychische Konfliktmodell).
Dem Behaviorismus warf er vor, daß er vom Durchschnittsmenschen ausgehe (das mechanistische Input-Output-Modell).
Dem setzte Maslow nun das „innere Harmonie-Modell“ der Humanistischen Psychologie entgegen. Maslow und seine Humanistische Psychologie geht von den „besten Menschen“ aus. Er studierte 20 Biographien von herausragenden Persönlichkeiten (Lincoln, Livingstone, Spinoza, Einstein, Albert Schweitzer, etc.).
Maslow glaubte wie Freud auch an das Unbewusste, nur sah er es als positiv und kreativ an. Der Mensch hätte tief innen ein großes Potential an positiven menschlichen Möglichkeiten (Human potential movement). Diese gälte es zu entfalten. Dabei wolle die Humanistische Psychologie helfen.

Körperliche Bedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, etc.)
Kritik: Maslow dringt zu der eigentlichen Bestimmung des Menschen, der Gemeinschaft mit Gott, überhaupt nicht durch. Darum ist seine Pyramide letztlich irreführend. Ouweneel schreibt:
„Bei Maslow steht in typisch humanistischer Weise der Mensch im Mittelpunkt mit der Befriedigung seiner auf sich selbst gerichteten Bedürfnisse und mit seiner Selbst-Verwirklichung“ (S.72).

Die Bibel zeigt uns einen anderen Weg: die Christus-Verwirklichung in unserem Leben (Römer 14,7-8; Galater 2, 19-20). „Herr Jesus, lebe Du Dein Leben in mir!“

Zusammenfassung des bisher Gesagten
Die Psychoanalyse fragt nach dem Warum (Wissenschaft des dynamischen Unbewussten). Der Behaviorismus fragt nach dem Was (Wissenschaft des äußeren Verhaltens). Die Humanistische Psychologie fragt nach dem Wozu (Wissenschaft der ungeahnten menschlichen Möglichkeiten).

III. Carl Rogers und die Gesprächspsychotherapie

Carl Rogers (1902-1987) war ebenfalls ein amerikanischer Psychologe. Er entstammte einer gut-christlichen, harmonischen Familie und wuchs auf einer Farm auf. Dort machte er eines Tages eine Beobachtung, die zum Schlüsselerlebnis für seine spätere Psychologie wurde. Er hatte mit Saatgut experimentiert und kam zu dem Ergebnis: wenn man die richtigen Bedingungen schafft, kommt aus dem Samen das heraus, was drin steckt!
Rogers studierte zunächst Landwirtschaft, dann Theologie. Er suchte sich bewußt die liberalste Universität aus. Nach eigener Aussage hatte er eine tiefe Abneigung gegen jede Art von Dogmen.

Die Gesprächsmethodik der Humanistischen Psychologie
– Bei Rogers ist der Hilfesuchende nicht der Patient, sondern der „Klient“. Rogers
betont, daß sich der Therapeut in den Klient einfühlen muß. Er geht im Blick auf
das Einfühlen soweit, daß der Therapeut im Idealfall zum „zweiten Ich“ (Alter-Ego) des Klienten werden soll.
Biblische Seelsorge: mit den Augen Jesu sehen, mit den Ohren Jesu hören, mit
dem Herzen Jesu lieben, etc.

– Bei Rogers gibt es keine Schuld, sondern nur Schuldgefühle.
– Der Therapeut darf nicht direktiv werden. Weil der Klient als autonom angesehen wird, darf der Therapeut allenfalls einen Rat geben, aber auf keinen Fall ermahnen. Jede Ermahnung würde einer Bevormundung gleichkommen (Bitte nicht mit Gottes Wort kommen!).
– Der Klient muß akzeptiert werden, wie er ist (samt unbiblischen Normen und
Verhalten). Beispiel: Wenn eine Frau kommt, die abtreiben will, dann muß der
Therapeut ethisch-religiös neutral bleiben und eine völlig „undogmatische“ Haltung einnehmen.
– Rogers führte auch so genannte „Encounter-Gruppen“ ein (Begegnungsgruppen). Unter der Gesprächssteuerung eine Gruppenleiters (und ggf. eines Kotherapeuten) sollen die Teilnehmer zu einer tieferen persönlichen Begegnung und zu neuer Selbsterfahrung geführt werden.


Schlußwort von Viktor Frankl (Wiener Psychologe):
„Der ganze Rummel um die Selbstverwirklichung ist ein Symptom des Scheiterns. Selbstverwirklichung sucht nur derjenige, der unfähig ist, den Sinn seines Lebens in etwas anderem zu finden als in seinem Egoismus.“
09/96 Wilfried Plock, Mannheim

Quellen:
Antholzer, Roland: Plädoyer für eine biblische Seelsorge, Schwengeler Verlag 1986
Berger, Klaus: Siegmund Freud – Vergewaltigung der Seele, Schwengeler Verlag
Bertelsmann: „Lexikon der Psychologie“, Bertelsm. Lexikon Verlag, Gütersloh 1995
Bobgan, Dr. Martin u. D.: Psychoheresy, EAS Gate Publishers, Santa Barbara 1987
Bobgan, Dr. Martin u. Deidre: Psychotherapie oder biblische Seelsorge, CLV 1991
Krüger, Dr. Hartmut: Couch oder Kreuz?, Schwengeler Verlag 1994
Nannen, Els: Psychologie im biblischen Licht, Bibel und Gemeinde, 1987/1
Nannen, Els: Psychologie im biblischen Licht, Kassettenvorträge, Liebenzell 1992
Ouweneel, Dr. Wim: Herz und Seele, Gibt es eine christl. Psychologie?, Dillbg. 1991

 

Teil 6   Der Psycho-Klerus

Kritische Anmerkungen zum BTS-Kongreß 96 in Fellbach

Vom 24.-27. Juni 1996 fand in Fellbach bei Stuttgart der diesjährige Kongreß der “Deutschen Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge” (DGBTS) statt. Er stand unter der Gesamtthematik: „Der Mensch in der Gemeinschaft – Seelsorge am System in Familie und Gemeinde“. Die Gesellschaft, 1985 im Auftrag der Ludwig-Hofacker-Vereinigung gegründet, wird von Univ.-Prof. Dr. Michael Dieterich und seinen Mitarbeitern geleitet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Interessierte aus verschiedenen Gemeinden zum Seelsorgedienst auszubilden. BTS bietet dazu gestaffelte Kurse an, die in Seminarform an verschiedenen Orten stattfinden. Wer alle Kurse erfolgreich absolviert, schließt mit dem BTS-Diplom ab. Inzwischen existieren auch österreichische und schweizerische Zweige der Gesellschaft.

BTS und die Psychologie
BTS nahm von Anfang an eine offene Haltung zur Psychologie ein. Die Gesellschaft will Erkenntnisse der modernen Psychologie und Therapie mit der Verpflichtung zu einem biblischen Menschenbild verbinden. Dr. Dieterich ist davon überzeugt, daß es dabei „keine Schwierigkeiten mit möglicherweise damit verbundenen Ideologien gibt“ (Vorwort zum BTS-Kursprogramm 1996).
Welches Ausmaß der Einfluß (oder das Diktat?) der Psychologie jedoch inzwischen angenommen hat, wurde auf dem Fellbacher Kongreß deutlich. Die hilfreichen Vorträge einiger Gastreferenten (z.B. Prof. Jay Adams), hoben sich auffallend positiv von denen der BTS-Mitarbeiter ab. Insbesondere dürfen die Ausführungen von Dr. Ulrich Giesekus über “Krankmachende Strukturen in der Gemeinde” nicht unwidersprochen bleiben, weil der Gesamttenor der Aussagen nach meinem Dafürhalten die Ehre Gottes und seiner Gemeinde verletzt. Dieser Vortrag stand richtungsweisend am Anfang der Konferenz und wurde mit lang anhaltendem Beifall bedacht.
Wenn ich im Folgenden jenen Vortrag nach einer Kassettenaufnahme kritisch kommentiere, so will ich damit weder über den persönlichen Glauben, noch über die Motive des Referenten (bzw. der BTS-Leitung) urteilen. Das steht allein Gott zu.
Giesekus studierte in den USA Erziehungs- und Sozialwissenschaften sowie Psychologie. Bei der Deutschen Gesellschaft für Biblisch-Therapeutische Seelsorge (DGBTS) ist er seit 1988 Mitarbeiter und inzwischen Studienleiter für Psychologie und Psychotherapie.

Macht Glaube krank?
A. Im Vorspann des Vortrages von Dr. Giesekus werden von einer Sprecherin zwei Extrempositionen gegenübergestellt. Auf der einen Seite stehe Siegmund Freud (und seine Vertreter), der Glaube als “neurotische Störung” und Religion als “kollektive Neurose” bezeichnete. Auf der anderen Seite befänden sich jene Christen, die behaupteten: “Wer richtig glaubt, der wird nicht krank.”
Dr. Giesekus, der in den Staaten Erziehungs- und Sozialwissenschaften, sowie Psychologie studierte, erzählt in seiner Einführung, daß er vor 20 Jahren Zivildienst in einer Psychiatrischen Klinik ableistete. Zitat: “Ich war entsetzt als frommer Mensch, wie viele Menschen aus meinen Gemeindekreisen, frommen Gemeinschaftsbewegungen und Freikirchen, Brüder und Schwestern, dort als Patienten waren, weil ich gedacht hatte, so etwas gibt es bei uns gar nicht….”

1. Von Dr. Giesekus wird hier einerseits der Eindruck erweckt, daß die Psychiatrischen Kliniken und Praxen von überdurchschnittlich vielen Gläubigen bevölkert werden. Den statistischen Nachweis – geschweige denn einen objektiven Beweis – bleibt er aber schuldig.
2. Andererseits behauptet er, daß diese Christen wegen “pathogener Strukturen ihrer Gemeinde“ dorthin gekommen sind. Könnte es nicht auch zutreffen, daß viele Gläubige wegen ihrer Persönlichkeitsstruktur oder wegen schwerer Erlebnisse, mit denen sie nicht fertig wurden, in die Klinik mußten? Warum differenziert Dr. Giesekus in diesem Zusammenhang nicht? Will er vielleicht mit Absicht dieses Bild in solch schwarzer Farbe malen?

B. Dr. Giesekus führt dann weiter aus, daß er in Nachgesprächen mit ehemaligen Patienten folgende Beobachtung machte: Nach Beendigung des Klinikaufenthalt fühlten sich diese Christen gut; doch durch die Seelsorge ihrer Heimatgemeinde wurden sie wieder krank.

1. Mit wie vielen solcher ehemaligen Patienten mag der damalige Zivildienstleistende Giesekus wohl solche Nachgespräche geführt haben?
2. Bei wie viel Prozent dieser Gespräche trat wirklich das oben geschilderte Ergebnis zu Tage? Schloß Herr Giesekus hier vielleicht von Einzelfällen auf die Allgemeinheit?

C. Dr. Giesekus berichtet weiter, wie Eberhard Schätzing und Klaus Thomas als erste der Frage nachgingen: “Warum werden die Leute in der Gemeinde so häufig krank?” Diese beiden prägten bereits 1955 den Begriff “Ekklesiogene Neurose” (mit diesem Begriff meinten die Autoren jene Störungen, die überwiegend oder ausschließlich in christlichen Sozialisationen vorkommen).
Anschließend führt Giesekus den Tiefenpsychologen Helmut Harck als Kronzeugen an und zitiert: “Es gibt eine bestimmte Form neurotischer Erziehung, die mit sehr viel Enge zu tun hat. Sie tendiert dazu, bestimmte Glaubensformen zu suchen, und diese Glaubensformen tendieren wieder dazu, diese Enge zu fördern.”
Anschließend zitiert Giesekus aus dem Buch “Gottesvergiftung” von Tilmann Moser:
“Du, Gott, bist in mich eingezogen wie eine schwer heilbare Krankheit, als mein Körper und meine Seele klein waren. Beide wurden entgegen einer freien Bestimmung zu deiner Wohnung gemacht, und ich war stolz, daß du auch in mir kleinem Jungen Wohnung nehmen möchtest. Es gab Jahre, wo ich dir mein Leben weihen wollte, wo zwischen dir und mir verhandelt wurde über einen Erwählungsvertrag. Du hast schon ganz früh mit meinem Größenwahn gespielt, ihn genährt, ihn an geheiligten Vorbildern gesteigert, die mir in deinem Namen vor Augen gehalten wurden. Ich habe dir so schreckliche Opfer gebracht an Fröhlichkeit, Freude an mir und anderen, und der Lohn war – neben der Steigerung des Erwähltheitsgefühles oder dem Sieg darum – ein Quentchen Geliebtsein vielleicht, vielleicht ein Quentchen weniger Verdammnis.”

1. Auch wenn Dr. Giesekus die in den schwerwiegenden vorangegangenen Zitaten zum Ausdruck gebrachte Sichtweise ekklesiogener Neurosen in einem Nachsatz als unzureichend bezeichnet, so bleiben doch die Fragen offen: Welche Form religiöser Erziehung meinte Harck? Und welche religiöse Erziehung genoß Moser? Handelt es sich um die einer altpietistisch geprägten Familie oder die katholischer Ordensschwestern?
2. Welchen Eindruck suggeriert Giesekus (absichtlich oder unabsichtlich) mit dem Zitat von Tilmann Moser? Werden hier nicht gottesfürchtige Eltern verunsichert, auf die Bekehrung ihrer Kinder hinzuwirken? Wird ihnen nicht unterschwellig abgeraten, ihren Kindern an Christus hingegebene Vorbilder aus Bibel und Geschichte vor Augen zu stellen?
3. Welches Gottesbild vermittelt Giesekus, wenn er den falschen und bösen Satz aus Mosers kranker Seele “Du, Gott, hast schon ganz früh mit meinem Größenwahn gespielt, ihn genährt, ihn an geheiligten Vorbildern gesteigert…” unkommentiert im Raum stehen läßt? Diesen Gott, von dem da gesprochen wurde, gibt es nicht!

D. Dann kommt Dr. Giesekus auf den Punkt. Er verkündet, daß BTS seit einiger Zeit “Gemeindetherapie” anbietet. Sie soll den Gemeinden helfen, ihre krankmachenden Strukturen zu erkennen, bzw. abzubauen.

1. Alle, die mit offenen Augen durch die Welt gehen, wissen, daß „die Gemeinde Jesu in irdischer Gestalt“ mit mancherlei Schwachheit behaftet ist. Diesen Aspekt wollen wir weder negieren, noch beschönigen. An dieser Stelle sind alle Verantwortlichen in der Gemeindearbeit gefordert.
2. Aber erweckt Dr. Giesekus mit seiner Aussage nicht den Eindruck, als seien die Gemeinden ohne „Psycho-Fachleute“ aufgeschmissen?
3. Soll mit BTS gar eine Art “Psycho-Klerus” aufgebaut werden, der die armen, hilflosen Gemeinden von den krankmachenden Strukturen befreit?

E. Dr. Giesekus hebt dann auf so genannte sozial-psychologische Aspekte eines Gemeindelebens ab. Er behauptet, daß Gruppen, die sich in bestimmter Hinsicht von ihrer Umwelt abgrenzen, unter Umständen in einer Art von gruppendynamischen Prozeß ein geschlossenes Gruppendenken (engl.: group think) entwickeln würden, das sehr verhängnisvoll werden könnte.

1. Natürlich sind solche Phänomene von sektiererischen Gruppen und Psychokulten hinreichend bekannt. Aber warum differenziert Giesekus hier wiederum nicht? Will er wirklich jede Gemeinde, die im Blick auf Bereiche, die den Lebensstil betreffen, feste Überzeugungen hat, in die Nähe sektiererischer Entartung rücken?
2. Ist es vor Gott verantwortlich, wenn Giesekus in diesem Zusammenhang sogar von “Gehirnwäsche” spricht? Wird hier nicht unterschwellig suggeriert: „Hüte dich vor Gemeinden mit klar definierten Schriftüberzeugungen; du könntest dort unter starken Konformitätsdruck geraten!“?

F. Danach kommt Dr. Giesekus zum Thema „Persönlichkeitsstruktur eines Menschen“ und führt Riemann an. Dieser stellte die These auf, daß der Mensch zwar in seinen Wesenszügen, nicht aber in seiner Tiefenstruktur anpassungsfähig sei. Giesekus folgert daraus, daß sich in bestimmten Gemeinden nur bestimmte Persönlichkeitstypen sammeln würden. Dr. Giesekus spricht dann weiter über soziale Normen. Er behauptet, daß die theologische Richtung einer Gemeinde enorm geprägt sei von der Persönlichkeitsstruktur ihrer Mitglieder, und daß die Persönlichkeitsstruktur der nächsten Generation wiederum geprägt sei von der Gemeinde.

1. Wo ist hier wiederum der klare Beweis, daß dem so ist? Ich persönlich bin überzeugt, daß in einer Gemeinde ab einer bestimmten Größe alle möglichen Charaktere zu finden sind.
2. Giesekus sieht auch die Zusammensetzung einer Gemeinde ausschließlich durch die sozial-psychologische Brille. Daß sich Christen anschließen, weil sie dort das neutestamentliche Gemeindeleben am weitesten verwirklicht sehen und Gott am meisten verherrlichen können, kommt für Giesekus überhaupt nicht in Betracht.

3. Giesekus läßt hier erneut wichtige Faktoren außer acht, die einer Gemeinde theologisch Richtung geben. Seine Sichtweise klingt sehr deterministisch.
Weiß er nicht, daß der souveräne Gott immer wieder Christen (und sogar ganze Gemeinden) erweckt und sie zum Gehorsam gegenüber neutestamentlichen Grundsätzen zurückführt?

4. Hat nicht das Wort Gottes mehr Kraft, als die von Generationen gepflegten Traditionen und Gewohnheiten?

5. Wenn Gemeinden geistlich degenerieren, liegt m.E. der Hauptgrund in der Vernachlässigung des Wortes Gottes und nicht in sozial-psychologischen Defiziten.

G. Dr. Giesekus führt eine Reihe von “sozialen Normen” an, deren vollständige Kommentierung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Ein Beispiel möchte ich herausgreifen. Giesekus konstatiert, daß in vielen Gemeinden der Großteil der Arbeit von einigen wenigen getan würde. Diese litten dann häufig an „Erschöpfungsdepressionen“, während viele Gemeindeglieder passiv seien und Sinnlosigkeitsgefühle hätten. Ursache dafür sei die Tatsache, daß viele Christen keine Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Entspannung, zwischen Leistung und Genus praktizierten.

1. Leider hat Dr. Giesekus mit seiner Beobachtung nicht Unrecht. Tatsächlich tun in vielen Gemeinden zu wenige zu viel.

2. Aber er irrt sowohl in der Diagnose, als auch in der Therapie. Ursache für dieses Phänomen ist nicht mangelnde Genussfähigkeit bei christlichen Leitern, sondern die völlig ungenügende Umsetzung des Leib-Glieder-Prinzips von 1. Korinther 12. In Gemeinden, die das allgemeine Priestertum der Gläubigen (1. Petrus 2, 9) in Struktur und Leben konsequent zu verwirklichen suchen, dienen viele Glieder aktiv dem Herrn. Ihre Leiter tragen zwar dann immer noch die Last der Verantwortung, müssen aber nicht notwendigerweise überarbeitet sein.

H. Die abschließende Zusammenfassung des BTS-Therapeuten Giesekus zitiere ich wörtlich:
“Ich glaube, das ist der Ansatzpunkt der Gemeindetherapie, daß wir Gemeinden erstens gründlich diagnostizieren müssen und sehen müssen: wo stehen die von den sozialen Normen, sozialpsychologisch, wo stehen die geistlich, und daß wir dann aufgrund einer solchen Diagnose eigentlich eine Art von Selbstwahrnehmung fördern müssen, die ich glaube bei uns Frommen besonders den Schwerpunkt haben wird, daß wir diese sozial-psychologischen Aspekte deutlicher wahrnehmen.”

1. Was sagt dieses Schlußzitat über das Selbstverständnis der BTS-Therapeuten? Drängt sich hier nicht der Eindruck auf, daß sich die BTS-Leute quasi als „Retter in der Not“ verstehen, die der Gemeinde Jesu endlich ihre sozial-psychologischen Defizite nehmen können? Da fragt man sich wirklich, wie der Leib Christi 1900 Jahre lang ohne Hilfestellung der modernen Psychologie zurechtgekommen ist!

2. Ich bin persönlich davon überzeugt, daß das schlichte Wort Gottes genügt, um Christen zur richtigen Selbstwahrnehmung zu führen.

3. Ich würde mich hierin gerne täuschen; aber ich hege die Befürchtung, daß besonders die „Chef-Ideologen“ von BTS mehr die Bibel durch die Brille der Psychologie betrachten, als die Psychologie durch die Brille der Heiligen Schrift. Aber echtes Christentum und Psychologie lassen sich nicht gut vermischen. Wer das tut, erhält nicht eine christliche Psychologie, sondern ein verwässertes Christentum.

Ich will noch einmal betonen, daß ich Dr. Giesekus und den anderen BTS-Mitarbeitern weder den Glauben abspreche, noch Ihnen böse Motive unterstellen will. Aber ich habe mich schon gefragt, welches Gemeindebild sie haben, insbesondere Herr Giesekus.

Gibt es eine Alternative?
Ich persönlich bin der Auffassung, daß die Gemeinde Jesu Grund hat, sich in diesem Zusammenhang vor dem Herrn zu beugen. In unserer Wissenschafts- und Ideologieanfälligkeit haben wir der Psychologie und Psychotherapie allzu leichtfertig die Türen geöffnet. Gleichzeitig haben wir versäumt, in schlichtem Vertrauen und Gehorsam biblische Seelsorge zu üben. In der gemeinde-internen Ausbildung und Zurüstung von Seelsorgern haben wir ebenfalls größtenteils versagt.
Nur so ist es zu erklären, daß sich heute selbsternannte Fachleute aufschwingen, um den Leib Christi in einer Art von „Psycho-Klerus“ zu therapieren. Klerus meint hier eine elitäre Schicht, die eine andere Schicht kraft ihrer Überlegenheit an Wissen und Macht beherrscht.

Dr. Martin und Deidre Bobgan zeigen in ihrem Buch „Psychotherapie oder biblische Seelsorge“ (CLV Bielefeld, 1991) im 17. Kapitel wie ein Seelsorgedienst innerhalb einer Gemeinde geplant und aufgebaut werden kann. Im Unterschied zu BTS verzichtet Ehepaar Bobgan auf die sehr zweifelhaften Erkenntnisse der Psychologie. Die Autoren zeigen in ihrem Buch, wie – ohne die Hilfestellung christlicher Psychologen von außen – allein auf der Grundlage der Schrift zuverlässige Seelsorger ausgebildet werden können.
Diplom-Psychologe Roland Antholzer und seine Mitarbeiter verfolgen mit ihrer „Gemeindeorientierten Initiative für Biblische Beratung“ (GIBB) ein ähnliches Ziel.

Ich schließe mit einem Zitat aus dem o.a. Buch von Ehepaar Bobgan (S.233):

„Was der Herr durch seine Gemeinde, sein Wort und den Heiligen Geist zur Verfügung gestellt hat, reicht aus, um seelisch geistliche Gesundheit zu bringen und zu erhalten. Statt Psychologen hinterherzulaufen, die ihren psychologischen Weg predigen, sollten wir zum biblischen geistlichen Weg zurückkehren und den Seelsorgedienst in der Gemeinde wieder einrichten.“

Wilfried Plock, Mannheim

 




Blicke ins Jenseits (F.Heitmüller)

Blicke ins Jenseits

6 Vorträge von Pastor Friedrich Heitmüller, Hamburg.


Eingestellt von Horst Koch, im Sommer 2023 – Die Hervorhebungen im Text sind auch von mir.

Vorwort.
„Mach dir das Leben hier recht schön.

Kein Jenseits gibts, kein Wiedersehn.“


So oder ähnlich tönt es heraus aus unseren Zeitungen, die keine Gelegenheit vorübergehen lassen, die biblischen Wahrheiten vom Jenseits lächerlich zu machen und alles Göttliche und Ewige mit ihren Lästerungen zu besudeln.
Diesem haltlosen und spöttischen Gerede der Ungläubigen aller Kreise ist in den folgenden sechs Vorträgen die Antwort des biblischen Schriftzeugnisses gegenübergestellt.

Daß viele Leser diese Antwort verstehen, die Wahrheit Gottes an ihrem Herzen erleben und so frei werden von Todesfurcht Ewigkeitsangst, ist mein herzlicher Wunsch.
Hamburg, August 1924
Friedrich Heitmüller.

Vortrag 1

Von der Unsterblichkeit der Seele und der Überwindung der Todesfurcht.

Nach einer alten griechischen Sage hauste in Theben ein Ungeheuer, die Sphinx genannt. Dieses Ungeheurer gab allen vorübergehenden Wanderern ein Rätsel auf. Konnte der Wanderer es nicht lösen, so wurde er von der Sphinx getötet. Da kam alles Tages Ödipus des Weges. Er löste das Rätsel, besiegte dadurch die Sphinx und stürzte sie vom Felsen in die Tiefe. Von dem Tage war das Land von der Plage befreit.

Wie lautete das Rätsel?
Was geht des Morgens auf Vieren, des Mittags auf Zweien und des Abends auf Dreien?
Die Antwort des Ödipus lautete.
„Das ist der Mensch, der am Morgen seines Lebens, in seiner frühsten Kindheit, auf allen Vieren sich kriechend fortbewegt, der im Mannesalter auf seinen zwei Füßen rüstig voranschreitet und am Abend seines Lebens, im Greisenalter, einen Stock zur Hilfe nimmt und so gleichsam auf drei Beinen geht.“

Diese alte, griechische Sage hat einen tiefen Sinn. Das Ungeheuer, das am Wege aller Menschenkinder lauert, ist der Tod. Warum müssen wir sterben?
Wie kommt es, daß ein Mensch, der heranwächst und immer größere Kraft erlangt, schließlich dem Gesetz des Schwachwerdens erliegt, bis der Tod eines Tages seinem Dasein ein Ende macht. Warum ist das so?

Warum müssen wir sterben?
Der Tod ist für den natürlichen Menschen etwas Rätselhaftes, etwas Unbegreifliches. Auch die Wissenschaft kann das Rätsel des Todes nicht lösen. Gott aber hat uns die Antwort auf unsere Frage gegeben. Und wie lautet sie?
Durch einen Menschen ist die Sünde in der Welt gekommen und durch die Sünde der Tod. Römer 5,12.

Der Tod durch die Sünde.

Gott hatte aus dem Willen Seiner Allmacht die Welt geschaffen. Zum Ruhm seine Herrlichkeit durchleuchteten kreisende Sonnen den unendlichen Weltenraum. In jungfräulicher Schönheit prangte die Erde. Als Krone der Schöpfung war der Mensch aus der Hand Gottes hervorgegangen. Er war nach Gottes Bilde geschaffen. Unschuldig und rein war er und ganz frei, zu wählen zwischen Gut und Böse. Auf dem Wege der Prüfungen und des sittlichen Fortschritts sollte er von Stufe zu Stufe emporsteigen und so immer mehr werden, wozu er berufen war: eine Persönlichkeit, ein Herrscher.

Im seligen Kindesglück lebte der Mensch im Paradies. Alles war für ihn da. Kein Leid, keine Träne, keine Krankheit, kein Tod durften sich ihm und seiner Hütte nahen. In der engen Verbindung mit Gott, der Quelle alles Lebens, war er ein Herrscher über alles. Nur eine Schranke war seinem Herzen gesetzt. Der Wille Gottes.
Über alles sollten die Menschen herrschen. Aber willig und dankbar sollten sie sich unter Gott stellen, unter Gottes Gebote und Willen.
Aber es war den Menschen nicht genug, ein Herrscher zu sein unter Gott. Er wollte unabhängig sein, unabhängig auch von Gott, ja er wollte sein wie Gott. Nicht Gottes Wille sollte maßgebend sein, sondern der menschliche Eigenwille. Gott sollte entthront und das menschliche Ich dafür auf den Thron gesetzt werden. Der Mensch ballte gleichsam die Faust und versuchte Gott vom Thron zu stoßen, um sich dann selbst zum Allherrn zu machen.

In demselben Augenblick geschah das Furchtbare: Der rebellische Mensch, der Sünder, verfiel dem Gerichte Gottes. Er verfiel dem Tode, er starb. Das herrliche Leben in der Gemeinschaft mit Gott verlor er in dem Augenblick, als er sich von Gott trennte und eigene Wege einschlug. Tod, Zerrüttung und Verderben traten dafür in das geistige und leibliche Wesen des Menschen ein. Fern von Gott, der einzigen Lichtquelle, muß ja überall Finsternis und Tod herrschen. Gott ist ja die einzige Lebensmöglichkeit für den Menschen, und der Wille Gottes ist des Menschen höchstes Lebensgesetz. Übertretung des göttlichen Willens, Abfall von Gott, muß deshalb Lebensbeschränkung und Verfall der Lebenskräfte und schließlich den gänzlichen Zerfall des Lebens: den Tod bringen.
Warum mußten die ersten Menschen sterben? Weil sie gesündigt hatten, weil sie sich von Gott, der Quelle alles Lebens, getrennt hatten. Was sie danach noch lebten, war nachwirkende Kraft aus der ihrer Verbindung mit Gott vor dem Sündenfall.

Nun spricht die Heilige Schrift von einem dreifachen Tod:

Von dem geistigen Tod,

von dem leiblichen Tod,

von dem ewigen Tod.

Jeder Mensch bringt den geistigen Tod mit auf die Welt. Wir werden geboren – nicht als reine, heilige Gotteskinder, sondern als sündige Menschenkinder, als Menschen die keine Verbindung mit Gott haben. Der geistige Tod ist also unser Zustand, in dem wir uns seit unserer Geburt befinden. Und wenn der Apostel Paulus an die Epheser schreibt, (Kap. 2,12) „Wir waren tot in Sünden und Übertretungen“, so will er damit sagen, daß wir von Haus aus alle geistig tot sind, das heißt, innerlich getrennt von Gott, der Quelle des Lebens, ohne Licht und Verständnis für Gottes Willen und Gottes Absichten und die Dinge des Reiches Gottes. 

Die absolut notwendige Folge des geistigen Todes, des inneren Getrenntseins von Gott ist der leibliche Tod, der gänzliche Zerfall des Leibes und aller Lebenskräfte in der Sterbestunde.

Das Furchtbare aber ist dieses: der geistige Tod mündet in der Sterbestunde durch das Tor des leiblichen Todes hinein in den ewigen Tod, in das ewige Getrenntsein von Gott, in das Versinken in ewiger Nacht und Gottesferne, wo der Wurm des nagenden Gewissens nicht stirbt und die Flamme des gequälten Geistes nicht erlischt.
Die Sünde ist also die Ursache des Todes. Sie scheidet uns von Gott der Quelle des ewigen Lebens. Sie verdirbt und zerrüttet den Leib, die Seele und Geist und ist der dunkle Quell, aus dem aller Jammer und alles Elend quellen. Die Sünde bringt uns allen unsere Sterbestunde, den gänzlichen Zerfall unseres Leibeslebens und trennt uns im Jenseits für immer von Gott. In der Ewigkeit von Gott getrennt sein aber bedeutet: die Qualen der Hölle in sich tragen.


Hier aber erhebt sich nun die große Frage:
Gibt es denn überhaupt ein Jenseits – ein Leben nach dem Tode?
Es gibt in unseren Tagen sehr viele Leute – und namentlich sind es die Materialisten, die rundweg erklären: „Der Mensch hat keine Seele, jedenfalls keine Seele, die etwas wesentlich anderes wäre als die Seele eines Tieres, keine Seele, für die er vor Gott Rechenschaft oder Verantwortung schuldig wäre.“ Diese Leute leben denn auch, als ob sie keine Seele hätten. Und indem sie uns ihre Meinung sagen und für dieselbe eifrig Propaganda machen, berufen sie sich auf die gelehrten Männer der Wissenschaft und behaupten, es wäre durch sie längst bewiesen, daß alles das, was die Frommen Seele nennen, nur Bewegungen der Gehirnzellen seien.
Solche Behauptungen sind in jedem Fall ein Beweis dafür, daß die so sprechenden Menschen von der Wissenschaft nicht viel verstehen. Verständen sie etwas davon, dann müßten sie wissen, daß die Wissenschaft mit unserer Frage nach der Seele und ihrer Unsterblichkeit nichts zu tun hat. Wir wollen deshalb auch nicht den Fehler begehen und sogenannte wissenschaftliche Beweise für das Vorhandensein der Seele und ihre Unsterblichkeit heranziehen. Nicht wollen wir sagen, daß solche Beweise überhaupt keinen Wert hätten, sie können hier und da Steine des Anstoßes aus dem Wege räumen; aber nie werden sie dazu dienen, einen Ungläubigen zu überzeugen und zum Glauben zu führen. Die Wissenschaft kann das Vorhandensein der Seele und ihre Unsterblichkeit weder leugnen noch beweisen.

An den Behauptungen der Materialisten ist folgendes wahr: Die Seele bedarf zu ihrer Tätigkeit des Gehirns, und gewisse Seelenregungen entsprechen gewissen Nervenbewegungen. Wer aber auf Grund dieser Tatsache behauptet, daß Seelentätigkeit nichts anderes sei als Nervenbewegung und Gehirntätigkeit, der muß auch sagen, daß Musik nichts anderes sei als Tätigkeit eines Instrumentes. Nun aber ist Musik doch nicht nur Tätigkeit eines Instrumentes. Wohl ist die Musik an das Instrument gebunden; aber die Musik kann nicht zur Ausübung gebracht werden, wenn kein Meister da ist, der dieses Instrument spielt. So ist das Gehirn ein Instrument, und die Seele ist der Meister, der dieses Instrument benutzt.
Der Mensch hat eine Seele; auch du! Diese deine Seele ist etwas Geheimnisvolles in dir, sie ist nicht das Bewußtsein, nicht der Verstand, nicht der Wille, sondern dein eigenes Selbst. Und doch wieder nur ein Teil deines Selbst. Ich möchte sagen: Deine Seele ist der beste Teil in dir, der edle Teil, von dem ein Dichter sagt:

In dir ein edler Sklave ist,

dem du die Freiheit schuldig bist

Ein Sklave, der sich sehnt nach Erlösung und Reinigung. Nach Freiheit. Frieden Freude und ewiges Leben.


Wie aber verhält es sich mit unserer Seele – stirbt sie in der Sterbestunde wie unser Leib, oder ist sie unsterblich!
Gibt es für uns ein Fortleben nach dem Tode, oder ist mit dem Tode alles aus?
An einem Friedhofstor in Berlin standen die Worte:

Mach dir das Leben hier recht schön!

Kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn.

„Es gibt kein Leben nach dem Tode“, so tönt es heraus aus den Zeitungen, die keine Gelegenheit vorübergehen lassen, das Christentum lächerlich zu machen und mit ihren Lästerungen das Heilige zu besudeln. Und es ist durchaus zu verstehen, daß es in unserer Zeit der Herrschaft der Lüge und Ungerechtigkeit, des Irrtums und des Betrugs, der Unsittlichkeit und der mammonistischen Gesinnung so sehr viele Leute gibt, die das Leben nach dem Tode leugnen. Vielleicht behauptet man, daß man die Lehre vom Leben nach dem Tode aus Gründen der Wissenschaft, der Vernunft und des logischen Denkens ablehnen müsse; in Wirklichkeit aber liegen die Ursachen der Ablehnung dieser biblischen Wahrheit nicht auf dem Gebiete des ernsten wissenschaftlichen Denkens, sondern in den allermeisten Fällen auf dem Gebiete der praktischen, sittlichen bzw. unsittlichen Lebensführung.

Solange es Menschen gibt, haben sie sich mit der Frage nach dem Leben nach dem Tode beschäftigt. Und zu allen Zeiten und in allen Völkern hat man dieselbe Antwort auf diese Frage gefunden: es gibt ein Leben nach dem Tode. Die größten Denker aller Zeiten: Plato, Kant und andere stellten das Fortleben nach dem Tode als eine unabweisbare Forderung der Vernunft auf.

Woher stammt diese Gewißheit vom Fortleben nach dem Tode, diese Unsterblichkeitshoffnung? Woher kommt es, daß wir Menschen den Gedanken an ein Weiterleben nach dem Tode nicht vergessen können, obwohl die Apostel des Unglaubens die Welt erfüllen mit ihrem widersinnigen Geschrei: „Es gibt keine Seele, es gibt kein Leben nach dem Tode!“?


Antwort: Wir Menschen sind göttlichen Geschlechts; Gott hat uns die Ewigkeit ins Herz gelegt. Darum kann auch der ungläubigste Ungläubige in stillen Stunden der Selbstbesinnung den Gedanken an Gott und die Ewigkeit nie ganz loswerden. Es gibt Zeugnisse genug dafür, daß auch die entschiedensten Leugner des Fortlebens nach dem Tode angesichts des eigenen Todes anderer Meinung wurden. Professor Dr. Hornemann sagt in seinem Buch: „Vom Zustand des Menschen kurz vor seinem Tode“, daß kein einziger von den Freidenkern, die er habe sterben sehen, bis zuletzt den Zweifel und die Leugnung des Fortlebens nach dem Tode festgehalten habe.

Professor Dr. Paulus in Heidelberg war als Theologe ein ausgesprochener Vertreter des Unglaubens, der alles Übersinnliche, auch die Unsterblichkeit der Seele leugnete. Er starb im Jahre 1851. Er hatte in seinem Leben der Wissenschaft gedient, er wollte ihr auch noch mit seinem Sterben dienen, das heißt, er wollte einem Kreis von Gelehrten, der sein Bett umstand, sagen, wie es sich sterbe. Am Tage seines Todes lag er mehrer Stunden bewußtlos. Mit einem Male schlug er seine Augen auf, versuchte sich aufzurichten, und während er Dinge zu sehen schien, die keiner von den anwesenden Verwandten und Gelehrten sah, erklärte er: „Es gibt noch ein anderes Leben! Es gibt doch eine Ewigkeit.“ Dann sank er zurück und war tot.

Im letzten Krieg haben ungezählte ungläubige, spottende Kameraden im Angesicht des Todes den Glauben an das Fortleben nach dem Tode wiedergefunden. Ja, der Tod ist der rücksichtsloseste Realist, den es gibt; er duldet keine Einbildung, keine Lüge.

Es liegt doch Wahrheit in dem Satz, den der Volksmund im Blick auf die Ungläubigen geprägt hat:

“
Wenn die klugen Äuglein brechen,

wird das Herze anders sprechen.”


Ende 1922 lag in unserem Krankenhaus ein Polizeibeamter. Nach seiner Meinung war es nicht ernstlich krank. Als ich ihn am Tag vor seiner Operation besuchte und mit ihm auch über das Heil seiner Seele redete, mußte ich unverrichteter Sache weitergehen. Die biblische Wahrheit vom Leben nach dem Tode war für ihn ein überwundener Standpunkt. Am nächsten Tage wurde er operiert. Als der Chirurg den Krankheitsherd im Oberkiefer gefunden hatte, machte er ein bedenkliches Gesicht. Ein gefährlicher Krebs hatte sich bereits tief eingefressen. Die Tage dieses armen Mannes waren gezählt. Als ich am nächsten Tag in sein Zimmer trat und mit dem Todgeweihten über den Ernst seiner Krankheit sprach, zog es seine beiden Hände unter der Bettdecke hervor, faltete sie und deutete mir an, daß ich mit ihm beten solle. Wie kam der Mann dazu? Es hatte sich in ihm angesichts des eigenen Todes das große Umdenken vollzogen. Vor den offenen Toren der Ewigkeit stehend, hatte er seine unsterbliche Seele entdeckt und wollte nun nicht sterben, ohne seine Seele gerettet und selig zu wissen.
Im Anfang des Jahres 1923 lag in unserem Krankenhaus eine junge, todkranke Frau. Auch sie kam als eine Ungläubige. Als ihr Mann sie eines Tages besuchte, empfing sie ihn mit den Worten: „Otto, ich habe gemeint, mit Gott, Jesus und dem Leben nach dem Tode fertig zu sein. Ich habe aber erkannt, daß . . . „ Weiter kam sie nicht. Sie fiel in Ohnmacht, aus der sie nicht wieder erwachte. Von den Schwestern aber, die sie gepflegt hatten, erfuhr ich, daß sie zum Glauben an Jesus und damit zum Glauben an das Leben nach dem Tode gekommen sei.
Es gibt ein Leben nach dem Tode, eben weil wir eine uns von Gott eingehauchte Seele haben, die unsterblich ist, die in der Sterbestunde nicht getötet und vernichtet werden kann.

Lieber Freund, wie steht es um diese deine Seele? Weißt du, daß sie dein einziges Leben ist, das du nur einmal verlieren kannst? Was hülfe und nützte es dir, wenn du die ganze Welt mit ihren Schätzen und Freuden gewönnest und nähmst Schaden an deiner Seele?

Von Kardinal Mazarin, dem bekannten Minister Ludwigs XIV., berichtet die Geschichte, daß der Tod über ihn kam, während er mit seinen Freunden Karten spielte. Die Karten entfielen seiner kraftlosen Hand, und er starb mit dem Ausdruck unsäglicher Verzweiflung: „O meine arme Seele, was wird jetzt aus dir, wohin gehst du jetzt?“ Wie erschütternd ist das!
Jetzt frag ich dich: Wie geht es deiner Seele? In welcher Verfassung., in welchem Zustand ist sie?
Hast du deine Seele schon in Gottes und Jesu Hände gelegt, damit er sie reinige vom Schmutz der Sünde? Oder bist du gerade jetzt im Begriff deine Seele zu verlieren, wie jener Kardinal Mazarin sie verlor?

Es ist ein Trauerspiel ohnegleichen: Menschen, nach dem Bilde Gottes geschaffen, ausgerüstet mit einem wunderbaren Organ für göttliche Dinge: Seele genannt, berufen zum ewigen Leben und zur Gemeinschaft mit Gott – und doch ohne Seelenheimweh nach Gott – und doch ohne Seelenhunger nach den Kräften der unsichtbaren Welt, eben weil sie erfüllt und vollauf beschäftigt sind mit irdischen, nationalen, beruflichen, familiären und anderen Dingen! 
Sie alle verderben und verlieren ihre Seele – die einen durch Sünde, Leidenschaft und Schuld, die anderen durch Gedankenlosigkeit, Trägheit und Lauheit.

Fassen wir das bisher gesagte zusammen, dann ergeben sich folgende Tatbestände:
Weil wir Sünder sind, müssen wir sterben.

Weil wir eine unsterbliche Seele haben, gibt es für uns ein Leben nach dem Tode.

Was im Tode aus unserer Seele wird, wohin sie geht, darüber im nächsten Vortrag mehr.
Jetzt noch eine andere Frage von Bedeutung, die Frage nach der


Überwindung der Todesfurcht.

Nicht wahr, der Gedanke an den Tod erfüllt uns immer mit stiller Scheu. Wenn wir mit dem Tod in Berührung kommen, sei es in einem Sterbezimmer oder sei es an einem offenen Sarge oder Grabe, dann kommen uns ernste Gedanken, Gedanken, die uns an das eigene Sterben erinnern.
Allerdings, es gibt heute nicht wenig Menschen, die sich rühmen, keine Todesfurcht zu kennen. Einer unserer modernen Dichter hat folgenden Vers geschrieben, um sich und anderen dem Tode das Bittere und Herbe zu nehmen.

Legt Rosen mir um meine Stirne.

Im Festgewande will ich von euch gehn!

Und stoßt die Fenster auf, daß die Gestirne,

mit heitrem Lächeln auf mein Lager sehn!

Und dann Musik! Und während Lieder schallen,

von Hand zu Hand der Abschiedsbecher klingt,

Mag ‘mählich über mich der Vorhang fallen,

wie Sommernacht auf reife Felder sinkt.

So denken und sprechen in unseren Tagen nicht wenige im Blick auf den Tod. Sie wollen das Sterben künstlerisch und dichterisch genießen und gehen mit großer Ruhe ihrer Sterbestunde entgegen. Durch den fortgesetzten Dienst in der Atmosphäre der Weltlust und Sünde ist ihr Gewissen so stumpf geworden, daß sie in grenzenloser Gleichgültigkeit scheinbar ganz beruhigt ihren Weg gehen.
Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß der Tod wie ein Bann und schwerer Alp auf der Menschheit lastet. Die Tatsache des Sternenmüssens bereitet den allermeisten Menschen in stillen Stunden der Selbstbesinnung viel Not und Pein. Und was haben die Menschen doch alles unternommen und versucht, um diesen Bann des Todes zu brechen! Medizin und Hygiene haben starke Dämme gebaut gegen die Fluten des Todes, die unser Leben von allen Seiten umbranden. Weltweise haben nachgegrübelt, um Mittel gegen die Todesfurcht zu finden, damit dem Menschen das Sterben erleichtert werde. Aber trotz allem behält Gottes Wort recht, wenn es behauptet, daß alle Menschen Knechte der Todesfurcht seien.

Wenn dir der Sensenmann den Leib hinstreckt,

mäht er dir säuberlich das Gras,

das deine Schuldgeschichte dir verdeckt!

Weil es wahr ist, daß in der Sterbestunde alle Hüllen und Schleier fallen, darum ist das Herz des natürlichen Menschen mit Todesfurcht erfüllt. 
Nun gibt es viele Menschen, die die Todesfurcht bei sich und anderen dadurch zu überwinden suchen, daß sie den Tod als einen Freund, als einen Erlöser und Wohltäter bezeichnen. Aber der Tod ist kein Freund, kein Erlöser und Tröster der Menschen, sondern sein Feind. Und diesen Feind besiegt man nicht mit der Waffe des Spottes und wissenschaftlich Klingender Worte. Mit keinem einzigen gesetzlichen Mittel kannst du die in dir wirksame Todesfurcht bannen und aus deinem Leben schaffen, weder durch Lust und Freude dieser Welt, noch durch schöne Redensarten, noch durch äußere Frömmigkeit. Majestätisch und gewaltig steht es geschrieben im Buche der Wahrheit, daß alle Menschen – also auch du – Knechte der Todesfurcht sind. Und nicht nur in der Bibel steht das geschrieben, sondern auch im Gewissen des Menschen.

Gibt es kein Mittel gegen die Todesfurcht?
Sind wir verurteilt ständig Knechte der Todesfurcht zu bleiben?
Ist es von Gott gewollt und bestimmt, daß wir hinter aller Freude von heute und morgen und übermorgen das unheimliche Gespenst des Todes lauern sehen, sodaß wir unseres Lebens überhaupt nicht mehr froh werden können?

Nein, das ist nicht von Gott gewollt! Es gibt eine Errettung und Befreiung von der Knechtschaft der Todesfurcht. Du findest sie mit wenigen Worten umschrieben im Hebäerbrief, Kap. 2,14 und 15. “Da nun die Kinder alle einen Leib von Fleisch und Blut haben, hat Er gleichfalls einen solchen Leib angenommen, um durch Seinen Tod dem Gewalthaber des Todes, dem Teufel, seine Macht zu rauben und die zu befreien, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben lang in Knechtschaft schmachteten.”

Jesus Christus, der ewige Gottessohn, kam aus den Himmeln in diese Welt, um den Menschen zu bringen, und zu geben, was ihnen fehlte: Erlösung von Sünde und Schuld, Versöhnung mit dem heiligen Gott, Frieden, Freude und ewiges Leben. Um ums Menschenkindern aus unserer Sünden- und Todesnot helfen zu können, mußte Er Fleisch und Blut annehmen, das heißt, Er mußte Mensch werden. Durch Seine einzigartige Geburt wurde Er ohne Erbsünde geboren und so in den Urzustand der Unschuld und Reinheit zurückversetzt, in dem sich die Menschen vor dem Sündenfall befanden. Er wurde dann als Menschensohn versucht, blieb aber Seinem Gott und Vater stets gehorsam und willigte nie in eine Sünde.
Der Endzweck des Kommens Jesu in diese Welt aber war, uns zu erretten aus unserer elenden Sklaverei der Sünde, des Todes und der Todesfurcht. Dazu aber war nötig, daß Er den angriff, der das ganze Menschengeschlecht in seiner Gewalt hatte: den Teufel.
 Die Waffe zur Besiegung des Teufels war zunächst Sein heiliges, sündloses Leben und dann vornehmlich Sein stellvertretendes Sterben. Sein Tod am Kreuz auf Golgatha.

Nach dem einmütigen Zeugnis der Heiligen Schrift hat Jesus durch Seinen Tod auf Golgatha den vernichtet und besiegt, der die Gewalt über den Tod hatte, den Teufel. Und dadurch die befreit, die ihr ganzes Leben hindurch Knechte der Todesfurcht sein mußten.
Jesu Kreuzestod ist die Überwindung unseres Todes und unsere Errettung aus der Sklaverei der Todesfurcht. Wer nun Jesus Christus annimmt als seinen Bürgen und Stellvertreter, findet in Ihm die Erlösung von Sünde und Schuld, die Errettung von der Sklaverei der Todesfurcht. Wer aber Jesus nicht annimmt als seinen Heiland und Herrn, der bleibt in seiner Sünde und infolgedessen auch im Tode und in der Todesfurcht, weil er von Gott getrennt bleibt. Wer Jesus nicht annimmt, muß in seinen Sünden sterben.

Siehe, wenn das Licht der Ewigkeit durch das Tor des Todes auf dein hingebrachtes Leben flutet – wie anders wirst du dann dein Leben sehen und beurteilen als jetzt. Wenn sich deine Augen für diese Welt schließen, wird das Auge deiner Seele hell und offen für die andere Welt. Dann mußt du glauben, auch wenn du zeitlebens der ungläubigste Ungläubige gewesen wärest. Dann mußt du klaren Blickes erkennen, was du zeitlebens geleugnet hast. Was wird das für ein Erwachen sein!
Im Johannes Evangelium 8 Vers 21 steht ein Wort, das wohl mit das ernsteste ist: Jesus spricht da von einem “Sterben in den Sünden”. Er sagt dieses Wort solchen, denen Er nahegetreten war, die Er in Liebe gesucht und umworben hatte. Er hatte sie retten wollen aus ihren Sünden, sie aber wollten diese Errettung durch Jesus aus Sünde und Schuld nicht.

Vor Jahren hielt ich in Basel einen Vortrag über die Wahrheiten Gottes im Evangelium von Jesus. Nach dem Vortrage wurde ich gebeten, eine junge Krankenschwester zu besuchen. Sie hatte durch Monate hindurch in einer schwindsüchtigen Familie gepflegt, bis sie schließlich selbst lungenkrank wurde. Wir machten uns auf den Weg, um der todkranken Schwester einen Liebesdienst zu erweisen. Man führte und in ein Hinterhaus. Wir stiegen die schmale Treppe hinauf und wurden von dem traurigen Vater der Schwester in ein peinlich sauberes Wohnzimmer geführt. Er deutete auf eine offen stehende Tür. Da lag seine sterbende Tochter. Einige Freunde, die ich mitgenommen hatte, stellten sich in der Nähe der geöffneten Tür und sangen mit gedämpften Stimmen das Lied:

Wenn die Berge wanken und ihr Gipfel fällt,

wenn aus ihren Schranken bricht die alte Welt.

Wenn sie, sinnlos rennend, immer vorwärts stürmt,

einend bald, bald trennend, neues Babel türmt:

Eins bleibt unbeweglich, eines hält uns aus,

sonst wär’s unerträglich, in dem wilden Braus.

Jesus und Sein Frieden und Sein teures Wort,
bleiben uns hienieden als ein fester Hort.

“Bis ans End der Tage will Ich bei euch sein!”

Wer ist’s, der verzaget noch im Abendschein,

Wenn uns als Gefährte solch ein Starker naht

und uns auf die Fährte hilft mit Rat und Tat?

Nachdem der Chor dieses Lied gesungen hatte, ging ich leise ins Sterbezimmer und fand die junge Schwester, die vor den offenen Toren der Ewigkeit lag. Nachdem ich ihr einige Worte der Liebe und des Trostes gesagt hatte, las ich ihr das Hohelied des Glaubens, Römer 8, 28-39 vor. Als ich sie dann fragte, ob sie diese selige Gemeinschaft mit Jesus auch habe, sprach sie zu mir im Flüsterton von der Gnade Gottes, die sie am Herzen erlebt, von der Vergebung der Sünden und dem Frieden mit Gott. Ohne jede Todesfurcht ging sie dann kurz darauf heim in die ewigen Hütten des Friedens.

Ungefähr zur selben Zeit war es. Damals lag in einem Berner Krankenhaus ein Lehrer an der gefährlichsten Krebskrankheit danieder. Die Operation war ergebnislos verlaufen. Eines Tages fragte der Kranke den Krankenwärter, was denn der Herr Professor im Blick auf seinen Zustand meine, ob Aussicht vorhanden sei oder nicht. Der Wärter gab eine ausweichende Antwort. Er durfte ja nicht sagen, daß der hoffnungslos Kranke bereits im Begriff war zu sterben. Der Kranke fragte aber immer wieder und fügte hinzu, daß man es ihm doch ganz offen sagen möge, weil er sich durchaus nicht vor dem Tode fürchte. Schließlich sagte ihm der Wärter, daß nach Meinung des Arztes seine Stunden gezählt seien. Daraufhin bat der todkranke Lehrer den Wärter, daß man ihn eine Weile allein lassen möge, damit er sich damit abfinden und auf die letzte Wegstrecke durchs finstere Todestal hindurch rüste. Weiter bat er, daß man unverzüglich seine Frau kommen lassen möge. Nachdem der Todgeweihte eine ganze Weile allein gewesen war und sich in seinem Gott und Heiland gestärkt hatte, drückte er auf den Knopf der Glocke. Bald darauf trat seine Frau ins Zimmer. Er empfing sie mit den Worten:

Christi Blut und Gerechtigkeit,

das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.

Damit will ich vor Gott bestehn,
wenn ich zum Himmel werd eingehn.

Inzwischen hatte sich seine Frau auf den Rand des Bettes gesetzt. Sie wußte längst, daß ihr Mann im Begriff war, von ihr zu scheiden. Sie sprachen über dieses und jenes, sonderlich über die Liebe Gottes und die lebendige Hoffnung der Gläubigen. Und dann schlossen sie sich im Gebet zusammen. Auch der Sterbende betete. Nicht betete er um Genesung von seiner Krankheit. Nein, er dankte Gott für die am Herzen erlebte Gnade zur Vergebung der Sünden. Und dann faltete der Sterbende seine Hände und betete mit der letzten Kraft seiner aushauchenden Seele den bekannten Vers:

Erscheine mir zum Schilde,

zum Trost in meinem Tod,

und laß mich sehn Dein Bilde,

in Deiner Kreuzesnot!

Da will ich nach Dir blicken,
da will ich glaubensvoll

Dich fest an mein Herz drücken,

wer so stirbt, der stirbt wohl!

Und dann lehnte er sein müdes Haupt an die Schulter seiner Frau und ging im tiefen Frieden Gottes ohne jede Todesfurcht heim ins Vaterhaus Gottes.
Ja, wer so stirbt, der stirbt wohl.
Kannst auch du deinem letzten Stündlein in dieser seligen Gewißheit des ewigen Lebens entgegengehen?

Kapitel 2
Wo sind unsere Toten


Nachdem im letzten Beitrag (Vortrag) von der Unsterblichkeit der Seele und der Überwindung der Todesfurcht die Rede war, wollen wir uns jetzt mit dem Jenseits beschäftigen und Blicke in dasselbe zu tun versuchen.

Daß es in unserer Zeit der Herrschaft der Lüge und Ungerechtigkeit, des Irrtums und des Betruges, der Unsittlichkeit und der materialistischen und mammonistischen Gesinnung viele Leute gibt, die das Jenseits leugnen, ist durchaus zu verstehen. Wer in lügnerischer und unsittlicher Gesinnung lebt, nur an sich, an die Gewinnung irdischer Besitztümer und die Befriedigung fleischlicher oder geistiger Genußsucht denkt, leugnet ganz natürlich das Leben und die Vergeltung im Jenseits. Die letzten Ursachen der Leugnung des Lebens nach dem Tode im Jenseits liegen niemals auf dem Gebiete des ernsten und gewissenhaften Denkens, sondern auf dem Gebiet der sittlichen bzw. unsittlichen Lebensführung.

Es gibt ein Leben nach dem Tode. Und weil wir Menschen göttlichen Geschlechts sind, weil Gott uns nach Seinem Bilde geschaffen, mit einem wunderbaren Organ für göttliche Dinge: Seele genannt, ausgerüstet und uns die Ewigkeit ins Herz gelegt hat, darum liegt in jedes Menschen Brust, auch in der des ungläubigsten Ungläubigen, ein untügliches Ahnen dieses Lebens, ein Ahnen, das von allen Zweifeln nicht getötet werden kann. Auch der Materialist, der mit dem Brustton der Überzeugung behauptet, mit dem Tode sei alles aus, der Tod sein nichts anderes ein ein Schlußpunkt am Ende eines Satzes, ein Ereignis, mit dem das Leben endgültig beendet sei – er kann das Leben und die Vergeltung im Jenseits nicht absolut leugnen. Sein Gewissen meldet sich immer wieder, um ihn an das Jenseits zu mahnen. Und es gibt genug Zeugnisse dafür, daß auch die entschiedensten Leugner des Fortlebens nach dem Tode im Jenseits angesichts des eigenen Todes anderer Meinung geworden sind. Von all den vielen Ungläubigen und Freidenkern, die ich habe sterben sehen, hat kein einziger bis zuletzt an der Leugnung des Fortlebens im Jenseits festgehalten. Im Angesicht des eigenen Todes wurden sie alle kleinlaut und bestätigten den Satz, den Volksmund geprägt hat:

Wenn die klugen Äuglein brechen,

wird das Herze anders sprechen.

Professor Dr. Paulus in Heidelberg war als Theologe ein ausgesprochener Vertreter des Unglaubens, der alles Übersinnlich, auch die Unsterblichkeit der Seele und das Fortleben nach dem Tode leugnete. Er starb im Jahre 1851. Er hatte mit seinem Leben ,der Wissenschaft gedient, er wollte ihr auch noch mit seinem Sterben diene, das heißt, er wollte einem Kreis von Gelehrten, der sein Bett umstand, sagen, wie es sich sterbe. Am Tage seines Todes lag er mehrere Stunden bewußtlos da. Mit einem Male schlug er seine Augen auf, versuchte sich aufzurichten, und während er Dinge zu sehen schien, die keiner von den anwesenden Verwandten und Gelehrten sah, erklärte er: “Es gibt doch ein anderes Leben! Es gibt doch eine Ewigkeit!” Dann sank er zurück und war tot.

Ja, es gibt ein Leben nach dem Tode.
Wie aber wird sich dieses Leben nach dem Tode für uns Menschen darstellen? Wie sollen wir’ s uns vorstellen? Welche Daseinsformen wird die entkörperte Seele besitzen? Was werden wir dort beginnen? In welchem Zustande werden wir uns nach dem Tode befinden? Und wo werden wir wohnen?

Jetzt soll niemand von mir erwarten, daß ich Phantasiegemälde entwickle! Bei der Behandlung unseres Gegenstandes vom Leben nach dem Tode wollen wir weder die Spiritisten, noch die Theosophen, noch die Vertreter der mancherlei neuzeitlichen Sekten zu Rate ziehen. Wir wollen auch keine neue Lehre über das Jenseits aufstellen. Alles das könnte uns nicht retten und helfen. Schlicht und einfach möchte ich sagen, was die Heilige Schrift, die Quelle aller Wahrheit über diesen Gegenstand andeutet. Und wenn wir jetzt miteinander über diese Frage nachdenken, dann wollen wir und zuvor noch daran erinnern lassen, daß auch wir einmal sterben müssen und zu den Toten gehören werden, und daß es dann von entscheidender Bedeutung ist, wo wir sind und die Ewigkeit zubringen. Es gibt in unseren Tagen Leute, die es ungebildet und rücksichtslos finden, wenn man mit ihnen über Tod und Ewigkeit spricht. Sie meinen, die Tatsache des Sterbenmüssens laste an und für sich schon schwer genug auf dem ganzen Menschengeschlecht, man soll die Last durch vieles Reden über den Tod nicht noch schwerer machen. Nun, ob man immer wieder vom Sterben reden soll, das ist ja eine Sache für sich . Jedenfalls besteht die Tatsache, daß wir einmal sterben müssen. Ob wir den Tod dann rücksichtslos finden, danach werden wir nicht gefragt. Er klopft, er kommt, wir müssen uns mit ihm abfinden. Deshalb ist der Mensch vernünftig und klug, der sich bereits vor seinem Sterben mit dem Tode abgefunden und die Todesfurcht überwunden hat.


Wo sind unsere Toten? Unsere Antwort lautet zunächst: Unsere Toten sind nicht im Grabe. Was im Grabe ruht, ist nur das abgelegte Pilgerkleid, die irdische, zerfallene Hütte. Der eigentliche Bewohner dieser Hütte ist fort. Schon Sokrates sagte, als seine Freunde ihn fragten, wie sie es mit dem Begräbnis halten sollten: “Begrabt mich nur wie und wo ihr wollt!” und dann fügte er lächelnd hinzu. “Wenn ihr mich überhaupt begraben könnt!”
Wenn nun aber die Toten nicht im Grabe sind, wo sind sie denn? Unsere Antwort lautet: Im Totenreich, im Reiche der Geister. Ein solches Toten- und Geisterreich gibt es so gewiß, so gewiß wir Menschen eine unsterbliche Seele und einen unzerstörbaren Geist haben.
Wo haben wir dieses Totenreich zu suchen? Etwas im Luft- und Wolkenhimmel oder im Sternenhimmel? Oder im Inneren der Erde, wie die Menschen zur Zeit Jesu es meinten? Weil uns die Heilige Schrift auf diese Frage keine Antwort gibt. Lassen vorläufig beiseite.

Wie aber sollen wir uns dieses Totenreich vorstellen, und in welchem Zustande werden sich die Seelen und Geister der Verstorbenen im Totenreich befinden? Denken wir jetzt einen Augenblick an die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus (Lukas 16, 19-31) Dort beschreibt der Herr Jesus das Geschick und Ergehen zweier Menschen in ihrem Jenseits. Der eine wird im Gefängnis des Totenreiches gepeinigt und leidet namenlos Qual; der andere wird im Paradies des Totenreiches erquickt und getröstet. Beide sind im Totenreich. Der eine im Paradies, am Ort der Freude und Seligkeit, der andere im Gefängnis, am Ort der Not und der Angst. Nach diesem Worte Jesu haben wir uns das Totenreich also in zwei Orte geteilt vorzustellen, in das Paradies für die Seligen und in das Gefängnis für die Unseligen. Beide Orte sind durch eine tiefe, brückenlose Kluft voneinander getrennt.
Es stimmt also mit der lehre Jesus durchaus nicht überein, wenn weitaus die meisten Leute meinen, daß das Totenreich für alle Menschen unterschiedslos ein Ort der Seligkeit und Freude sein werde. So gewiß wir Menschenkinder hier im Erdenleben gar verschiedene Wege gehen, so gewiß werden wir auf diesen Wegen an grundverschiedenen Zielen ankommen, und zwar entweder am Ort der Freude oder am Ort der Not und Angst.

Das also ist die fundamentale Wahrheit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen: Es gibt im Jenseits zwei verschiedene Orte, einen Ort der Freude und einen Ort der Qual.
Im Blick auf den Ort der Not und Qual im Totenreich spricht Jesus von einem Feuer, das nie verlischt (Matth.18,8) und von einem Ort, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird (Matth.8,12). Diese kurzen Andeutungen sind so furchtbar, daß der ganze Leichtsinn fleischlicher Genußsucht und die ganze Trägheit eines rein irdischen Sinnes dazu gehören, um sich diesen schneidenden Worten auf die Dauer zu entziehen.
Wenn das nun so ist, daß es im Jenseits zwei verschiedene Orte und zweierlei Ergehen gibt, dann ist für und seine Frage von allergrößter Bedeutung:
Wo wird dein ewiger Platz sein?

Siehe, einmal kommt die Stunde, in der der Tod auch an die Tür deines Lebens klopft. Wohin wird deine Seele dann gehen? Das mußt du wissen. Siehe, dein Gott und Heiland hat auch dir eine Gnadenzeit zur Errettung aus Sünden und Schuld und zur Vorbereitung auf dein Jenseits und die Ewigkeit gegeben! Hast du über diese ernste Wahrheit schon einmal gründlich nachgedacht?

Von Kardinal Mazarin, dem berühmten Minister Ludwigs XIV. erzählt die Geschichte, daß der Tod über ihn kam, während er mit seinen Freunden Karten spielte. Er starb mit dem Ausdruck unsäglicher Verzweiflung. 
“O meine arme Seele, was wird aus dir; wohin gehst du jetzt?” – Lieber Freund, was wird aus deiner Seele werden, wenn der Tod bei dir klopft und als der Bote Gottes dich ins Totenreich führt? Wohin wird deine Seele gehen? Hast du deine Sachen mit Gott in Ordnung gebracht?

Das Leben nach dem Tode ist also kein Nirwana, kein Dämmerzustand, kein Versinken in ein ewiges Nichts. Nein, dort kann man sehen und hören; dort hat man ein Gedächtnis, das ganz neu erwacht; eine Seele, die klar empfindet und einen Willen. Im ganz wachen Zustand wird unsere Seele im Totenreich ankommen, entweder im Paradies oder im Gefängnis. Das Sterben ist ja nichts anderes als das Ausziehen eines Kleides, das jetzt unsere Seele, unsern Geist umhüllt. Das Sterben an und für sich verändert das innere Sein, die Gesinnung des Menschen nicht, sondern zeigt sie vielmehr in ihrem wirklichen Wert. Aus einer unreinen, mit Sünde und Schuld befleckten, gottlosen und jesusfeindlichen Seele wird durch den Tod keine mit Gott verbundene und selige Seele. Der Charakter und die Gesinnung des Menschenbleiben durch diesen Vorgang des Sterbens völlig unverändert. Und wer in seinem Erdenleben böse Lüste und Begierden zu Leidenschaften großgezogen hat, nimmt sie mit in sein Jenseits und muß furchtbare innere Qualen leiden, weil es dort keine Befriedigung der Lüste und Begierden gibt.
Hinzu kommt noch eins. Die alten Griechen lehrten, daß der Mensch in der Sterbestunde, unmittelbar nach seinem Tode, zuerst aus dem Fluß Leihe vom Wasser der Vergessenheit trinken müsse, und daß daraufhin die Erinnerung an alles, was auf Erden war, ausgelöscht sei. – Diese heidnische Lehre, die das Allgemeingut der modernen Kulturmenschheit geworden ist, stimmt aber nicht. Es haftet unserm Leben die Erinnerung an, und deshalb gibt es kein absolutes Vergessen. In der Sterbestunde, wenn Seele und Geist vom Leibe der Schwachheit getrennt sind, wird das Gedächtnis vollkommen wiederhergestellt sein. Dann wird es überhaupt kein Vergessen mehr geben.

Ein Mann hatte ein Verhältnis zu einem jungen Mädchen, das nicht ohne Folgen blieb. Weil ihm das unangenehm war, löste er das Verhältnis und ließ das junge Mädchen in der Schande und im Elend stecken. Jahre waren vergangen. Das junge Mädchen, das in einem frommen, gottesfürchtigen Hause in Stellung war, starb. Die Frau des Hauses sandte dem in der Nähe wohnenden treulosen Verführer einen Eilbrief und teilte ihm mit, daß er umgehend zu ihr kommen möge, weil sie Wichtigstes mit ihm zu besprechen habe. Der Mann kam und wurde an der Tür des Hauses empfangen. Er wurde in ein Wartezimmer geführt. Da die Frau des Hauses lange auf sich warten ließ, ging der Mann einige Schritte vorwärts, weil er von Neugierde geplagt wurde und sehen wollte, was es etwa im Zimmer nebenan durch die offenstehende Tür zu sehen gab. Und was sah es? Die aufgebahrte Leiche der von ihm verführten und treulos verlassenen jungen Mädchens. In dem Augenblick erlebte jener Mann eine Auferstehung seiner Sünde. All seine Sünden und Vergehungen , die Jahre zurücklagen, standen lebendig vor seinem inneren Auge, als ob sie sich erst gestern zugetragen hätten.
Siehe, mein lieber Freund, ähnlich wird dir’s ergehen beim Scheiden aus dieser Welt in dein Jenseits. Dann wird dein Gedächtnis vollkommen wiederhergestellt. Und wenn Gott, der Allwissende, dir auf der Schwelle der Ewigkeit Sein alles offenbar machendes “Gedenke, mein Sohn!” zuruft, dann gibt es überhaupt kein Vergessen mehr.

Mit dem wiederhergestellten Gedächtnis wird auch das Gewissen wieder erwachen und in Ordnung kommen. Im Erdenleben ist ja das Gewissen der allermeisten Leute zerbrochen. Es schläft. In der Sterbestunde aber, meistens schon kurz vorher, ganz bestimmt aber beim Eintritt ins Jenseits, wacht es auf und macht es sich geltend als die Instanz in uns. Die über alles gut unterrichtet ist, die nichts von alledem, was sic im Erdenleben zutrug, vergessen hat.

Das Gewissen schläft im Leben,
doch im Tode wacht es auf:

dann siehst du vor Augen schweben
deinen ganzen Lebenslauf.

In einem Untersuchungsgefängnis saß seit Monaten ein junger Mann, der im Verdacht stand, einen Lustmord begangen zu haben. Er verstand es meisterhaft, seine Täterschaft zu leugnen. Das Beweismittel reichte nicht aus, ihn des Mordes schuldig zu sprechen. Unter der heimlichen Last des Mordes und durch die qualvollen schlaflosen Nächte, meinte der junge Mann zusammenbrechen zu müssen. Sein einziger Wusch war, daß er die ganze traurige Geschichte seiner Sünde und Schuld seinem vertrautesten Freunde erzählen könnte. Dieser Freund meldete sich eines Tages im Amtszimmer des Untersuchungsgefängnisses zum Besuch an. Es wurde ihnen erlaubt, in einem Zimmer allein zu sein. Als der Gefangene sich mit scheuen Blicken noch einmal überzeugt hatte, daß sie zwei auch wirklich allein und daß Türen und Fenster fest verschlossen seien, rückten sie zusammen. Und dann erzählte er seinem Freund die traurige Geschichte seiner Sünde, die ihn zum Mörder machte. Er tat es, um sein Gewissen zu entlasten. Während er seine Beichte ablegte, stockte er mit einemmal und wurde kreidebleich. Was war geschehen? Hinter der einen Zimmerwand, die aus einer ganz dünnen Holzschicht bestand, saß ein Gerichtsschreiber und schrieb alles auf, was er von dem Bekenntnis des Mörders hören konnte. Beim schnellen Schreiben war seine Stahlfeder hinter dem Papier festgehakt, sodaß es einen kratzenden Laut gab. Durch diesen kratzenden Laut wußte der junge Mann sich verraten und entlarvt.

Und nun höre! Seit der Stunde deines Lebens, in der du zum erstenmal mit Bewußtsein sündigest und die Gebote Gottes übertratest, sind in deinem Gewissen geheimnisvolle Schreibfedern an der Arbeit und schreiben mit unauslöschlicher Schrift deine Sünden- und Schuldgeschichte nieder. Was du auch tun magst, um die Stimme des Gewissens zum Schweigen zu bringen, es wird auf die Dauer alles vergeblich sein. Und wenn du untertauchst im Strom der Lust dieser Welt, um so dein Gewissen zu betäuben, es kommt doch die Stunde, in der dein Gewissen aus dem Schlaf erwachen wird. Laß dich heute warnen. Es könnte über Nacht die Stunde kommen, die dich vor die Gerichtsschranken Gottes fordert und dich deiner gerechten Bestrafung entgegenführt.
Und dann noch eins. Bei einem Festessen fragte ein ungläubiger General den gesegneten Missionar Flattich spöttisch lächelnd, ob er ihm etwas Gewisses über das Jenseits sagen könnte. Flattich antwortete kurz und bündig:
“Gewiß ist, daß Sie dort kein General sein werden”.

Jawohl, gewiß ist, daß es im Jenseits keine Fürsten und hochgestellte Persönlichkeiten, keine Menschen in Amt und Würden gibt. In der anderen Welt, jenseits des Grabes, wird mit ganz andern Maßstäben gemessen als hier. Geld, Titel, Bildung und der dergleichen mehr haben dort keinen Wert. Unser Gott ist unbestechlich. Alles das, was in den Augen irdisch gesinnter Menschen groß und begehrenswert ist, macht auf Ihn durchaus keinen Eindruck. Hast du über alles das schon einmal ernstlich nachgedacht, oder willst du in die Ewigkeit gehen, ohne dich mit diesen Wahrheiten des göttlichen Wortes abgefunden zu haben?

Siehe, jener reiche Mann lebte in guten irdischen Verhältnissen. Sorgen um das tägliche Brot, um Nahrung, Kleidung und Wohnung kannte er nicht. Kein Wunsch blieb ihm versagt, an nichts fehlte es ihm. Aber – dieses Leben in irdischer Herrlichkeit und Freude hatte ein Ende in der Sterbestunde. Und das letzte Gewand, das man ihm anzog, hatte keine Taschen, in denen er seine Gelder und kostbaren Sachen hätte mitnehmen können. Alles, alles mußte er zurücklassen, als er starb und vom Tode ins Jenseits geführt wurde. Auf Erden arm sein an Geld, Gesundheit, Ehre und Freude ist nichts im Vergleich mit der Armut im Jenseits.

Wir haben bis jetzt folgendes auf Grund des Wortes Gottes festgestellt. In unserer Sterbestunde werden Geist und Seele vom Leibe getrennt. Unser Leib verfällt dann der Verwesung, das heißt,: der Auflösung in seine Bestandteile: unsere Seele aber wird dann ins Totenreich geführt, und zwar entweder ins Paradies oder ins Gefängnis. Ins Paradies werden wir geführt, wenn wir im Erdenleben durch den Glauben an Jesus Christus, den Heiland und Erlöser, Vergebung von den Sünden und Versöhnung mit Gott gefunden haben. Ins Gefängnis werden wir geführt, wenn wir die Erlösung und Versöhnung durch den Opfertod Jesu nicht angenommen haben.

Wo aber haben wir diejenigen Seelen zu suchen, an welche der Ruf Gottes zu Jesus Christus hin zu Lebzeiten niemals klar und bestimmt oder überhaupt nie ergangen ist? Es sterben täglich abertausende Heiden, Mohammedaner, Juden und auch sogenannte Christen, denen das Evangelium von Jesus nie verkündigt worden ist oder doch nie so klar, daß sie es verstehen konnten, um sich zu Jesus, dem Hirten und Hüter der Seelen bekehren zu können. Wo haben wir alle die zu suchen? Gehen sie so ohne weiteres verloren? Nein! Wenn der Herr Jesus nach Seinem Tod am Kreuz auf Golgatha ins Totenreich hinabgefahren ist, um denen, die vor Ihm gestorben waren und nichts von Ihm wußten, das Evangelium zu predigen, damit auch ihnen Gelegenheit geboten werde, sich für oder gegen Ihn zu entscheiden, dann dürfen wir annehmen, daß die von Jesus im Totenreich begonnene Predigt fortgesetzt wird für die, die auf Erden nie von Ihm gehört haben. Man vergleiche 1, Petrus 3,19 und 4,6!
Es gibt also im Totenreich ein Gnadenangebot, eine Evangeliumspredigt, eine Möglichkeit zur Bekehrung zu Jesus für die, die in ihrem Erdenleben das Evangelium nie oder doch nie klar und bestimmt gehört haben. Wir wollen uns darüber freuen.
Und nun noch einige Fragen.

1. Hat es Zweck, für Tote zu beten? Auf diese Frage muß mit einem „Nein“ geantwortet werden. – Auf jeden Fall ist die Lehre und Praxis des Betens und Haltens der Seelenmessen für Tote vom biblischen Standpunkt aus durchaus nicht zu halten. Unsere Toten stehen vor dem Gott der Gnade und Wahrheit. – Wir können ihnen weder helfen noch schaden.
2. Ob die selig Verstorbenen im Paradies wohl über unser Ergehen im Erdenleben unterrichtet sind? Ja, ganz gewiß! Wenn die Engel im Himmel es erfahren, wenn sich auf dieser Erde Sünder bekehren, dann werden sicherlich die heimgegangenen Kinder Gottes es noch viel eher erfahren. Ja, der Herr Jesus wird die Seinen im Paradiese alles mitteilen, was sie über das Ergehen ihrer Lieben auf Erden wissen sollen.
3. Werden wir uns im Jenseits wiedererkennen? Diese Frage ist durchaus mit einem „Ja“ zu beantworten. Der reiche Mann erkannte beim Eintritt in sein Jenseits sofort Lazarus.
4. Dürfen wir mit den Toten in Verbindung treten? Nein, auf keinen Fall! Gott hat es in Seiner Weisheit so geordnet, daß wir hier im Glauben und nicht im Schauen wandeln sollen. Wer es dennoch versucht mit den Toten in Verbindung zu treten, übertritt ein klares Gebot Gottes, das 5. Mose 18, 10-12 geschrieben steht. „Es soll unter dir keiner gefunden werden, . . . , der die Toten befragt. Wer solches tut, der ist dem Herrn ein Greuel.“
Der gesamte Spiritismus unserer Tage ist einer von den großen Irrtümern (2.Thess. 2, 11.12), die Gott in dieser letzten Zeit des gegenwärtigen Weltlaufes denen sendet, die die Wahrheit nicht annehmen. Er ist eins der Gerichte Gottes über die verblendeten Sinne der Ungläubigen (2.Kor. 4,3.4), die Gott dahingegeben hat, daß sie reif werden in ihrer Torheit, darum, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben. Wer sich dem Spiritismus öffnet und hingibt, beweist damit, daß er Gottes Wort geringschätzt und von Gott auf das Gebet hin keine Antwort mehr erhält. Er ist in Gefahr, Lügengeistern und Dämonen in die Arme zu fallen, wird in seinen Nerven zerrüttet und gerät oft schon in zeitliches, gewiß aber in ewiges Verderben. Wer sich dem Spiritismus öffnet und an den spiritistischen Sitzungen teilnimmt, mag wohl Botschaften aus dem Jenseits empfangen, aber nie von Gott und guten, seligen Geistern, sondern immer nur vom Satan und von bösen, dämonischen Geistern.

5. Wo aber sind die Toten, die in Jesus Christus entschlafen sind?

Die schlichte Antwort auf diese Frage lautet: Bei Jesus im Licht! Sie sind auch im Totenreich, aber am Ort der Freude, im Paradies, im Vaterhaus Gottes. Dort sind sie in den bereiteten Wohnungen bei unserem Heiland Jesus Christus, Unbeschreiblicher Friede, unaussprechliches Glück und wunderbare Ruhe sind ihr ewiges Teil. Der Apostel Paulus schreibt Philipper 1,12;
„Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein“, und an anderer Stelle schreibt er:
„Wir sind getrost und haben vielmehr Lust, außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem Herrn“. (2.Kor. 5, 8)
Und der Heiland sagt zu dem Schächer:
„Wahrlich, Ich sage dir, heute noch wirst du mit Mir im Paradiese sein“ (Luk. 23,43).
Nach diesen drei und vielen anderen Worten der Heiligen Schrift gehen die Gläubigen in ihrer Sterbestunde ins Paradies und werden dort bei Christus sein in Seiner Nähe, in Seinem Frieden.

Die Gläubigen aber, die aus der Zeit in die Ewigkeit abgerufen wurden, ohne das ihnen gesteckte Ziel der Heiligung erreicht zu haben, die es am heiligen Ernst und der völligen Hingabe fehlen ließen, also alle, die wohl eine Erweckung und Bekehrung erlebten, sich aber nicht in Zucht nahmen, sich gehen ließen in ihrem alten, verkehrten Wesen – sie werden im Totenreich wahrscheinlich in einem Zwischenzustand durch ernste und beschämende Erziehungsgerichte hindurch müssen.


Im Frühjahr 1923 mußte sich ein gläubiger Polizeioberwachtmeister einer gefährlichen Operation unterziehen. Als er in der Narkose auf dem Operationstisch lag, sang er in bewußtlosem Zustand das Lied:




Jesus , Heiland meiner Seele,

laß an Deine Brust mich fliehn,
da die Wasser näher rauschen

und die Wetter höher ziehn!

O wie gut ist’s, Dir vertrauen!

Jesu, Dir ergeb ich mich;

Selig droben Dich zu schauen,

dein zu bleiben ewiglich!

Die Operation verlief erfolglos. Als die Schatten des Todes immer länger auf das Sterbebett dieses gläubigen Mannes fielen und er im Begriff war von dieser Welt abzuscheiden und in das Vaterhaus heimzugehen, bedeutete er der Schwester, die ihn pflegte, daß es gerne einen Bleistift und ein Stück Papier haben möchte. Sie brachte ihm beides und dann schrieb er wachen Geistes in vollkommener Freude folgendes:
„Der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grünen Auen und führet mich zu stillen Wassern.
Er erquickt meine Seele.
Er führet mich auf rechte Straße um Seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürcht ich kein Unglück.
Denn Du bist bei mir.
Dein Stecken und Stab – die trösten mich!
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde;
Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt. Mein Becher fließt über.
Nur Gutes und Güte werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Bald darauf ging er heim ins Vaterhaus Gottes.

Als am nächsten Tag einer meiner Freunde, der von dem Heimgang des Bruders noch nichts wußte, zum Besuch ins Krankenhaus kam, erzählten ihm die Männer, die im selben Krankensaal lagen, daß sie von solch einem Sterben noch nie etwas gehört hätten. Den Herrn Jesus rühmend und Lieder zur Ehre Gottes singend, so sei er gestorben.
Siehe, so können Gottes Kinder sterben. Sie haben ja im Blute Jesu Vergebung der Sünden und Frieden mit Gott gefunden. Frei von aller Gewissensnot, Todesfurcht und Ewigkeitsangst können sie an der Hand ihres Heilandes das dunkle Tal des Todes durchschreiten, wissend, daß für sie im Vaterhaus Gottes eine Stätte bereitet ist.


Kapitel 3. 

Werden die Toten auferstehen?

Zur Einleitung in die Beantwortung dieser bedeutsamen Frage lesen wir ein Werk des Apostels Paulus, das im 1. Korintherbrief, Kap. 15, 12-20 geschrieben steht:
„So aber Christus gepredigt wird, daß Er sei von den Toten auferstanden, wie sagen denn etliche unter euch, die Auferstehung der Toten sei nichts, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden aber auch erfunden als falsche Zeugen Gottes, daß wir wider Gott gezeugt hätten. Er hätte Christus auferweckt Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christo entschlafen sind verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen.“

Paulus will hier sagen: Wenn Jesus Christus nach Seinem Tode am Kreuz auf Golgatha nicht auferstanden, sondern im Tode geblieben ist, dann gibt es auch keine Auferstehung der Toten. Ist Christus aber von den Toten auferstanden, dann werden auch alle andern Toten nach Ihm auferstehen. Kann es mit geschichtlicher Sicherheit festgestellt werden, daß Christus auferstanden ist, dann ruht das Evangelium auf unerschütterlicher Grundlage. Dann ist unsere Frage: „Werden die Toten auferstehen?“ sofort mit einem bestimmten „ja“ zu beantworten. Wie verhält sich nun die Sache?
Das Wunder der Auferstehung Jesu von den Toten ist nach jeder Seite hin mit geschichtlicher Sicherheit bewiesen und zwar 


1. durch einwandfreie Augenzeugen,

2. durch die Geschichte des Christentums,

3. durch die wunderbare Tatsache, daß der Glaube an Jesus auch den modernen Menschen retten und neu schaffen kann.

1. Gründlicher und glänzender kann ein geschichtliches Ereignis nicht bezeugt werden, als die Auferstehung Jesu von den Toten es ist. Gewiß, wir geben zu, daß die Auferstehung Jesu ein Wunder ist, und zwar das Wunder aller Wunder, das Zentralwunder im Evangelium. Aber warum sollen Wunder unmöglich sein? Kann denn der Gott, der aus dem Wissen Seiner Allmacht die Welt geschaffen hat, zu dessen Ruhm und Preise kreisende Sonnen den unendlichen Weltenraum durchleuchten, dessen Weisheit verkündigend die Gestirne am Himmel ihre Bahn ziehen, dem das Meer sein Sturmlied emporbraust und die zarte Blumen köstliche Rauchopfer still duften – kann denn der Gott nicht fort und fort Wunder tun? Wer an einen lebendigen, persönlichen Gott glaubt, muß konsequenterweise auch an die Möglichkeit des Wunders glauben. Mithin muß er zugeben, daß die Auferstehung Jesu von den Toten jedenfalls im Bereich der Möglichkeit liegt.

Nach neutestamentlichen Urkunden gibt es mindestens 514 Augenzeugen der Auferstehung Jesu. Über 500 Männer haben Jesus nach Seinem Tode als leiblich Auferstandenen gesehen, und zwar nicht nur einmal, sondern mindestens sechsmal in kürzeren und längeren Zeiträumen.. Beachtenswert ist, daß Paulus in dem bekannten 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes die maßgebenden Augenzeugen der Auferstehung ausdrücklich mit Namen nennt. Das Wunder der Auferstehung Jesu von den Toten am Ostermorgen ist also durch einwandfreie Augenzeugen bezeugt und bestätigt.

2. Ein weiterer beweis für die Auferstehung ist die Geschichte des Christentums. Jesus kam aus den Himmeln, um in der Welt die Königsherrschaft Gottes aufzurichten, nicht durch Heer und Kraft, nicht durch Schwert und Blut, sondern durch die Groß0macht Seiner allumfassenden Liebe. Er gründete Sein Reich nach der Art des Weizenkorns (Joh.12, 24) und verzichtete dabei auf alle eigene Ehre, Größe und Herrlichkeit. Er verkündigte der Welt das Evangelium, die Botschaft von der Gnade und Liebe des himmlischen Vaters. Aber man widersprach Ihm, man verachtete und haßte Ihn. Haß und Neid der Menschen zimmerten Ihm das Kreuz. Er starb als ein Verbrecher zwischen Verbrechern. Und dann triumphierten Seine Feinde, weil sie der Überzeugung lebten, daß es mit dem Gekreuzigten und Seiner Mission nun endgültig aus und zu Ende sei. In Wirklichkeit aber errang Jesus sterbend einen Sieg, so großartig und weitgehend, daß wir ausrufen müssen mit dem Apostel Paulus:
„ O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11,33).
Jesus siegte im Unterliegen. Sterbend überwand Er den Fürsten der Finsternis und das ganze Höllenheer. Sterbend vollbrachte Er eine ewige Erlösung aus grausamen Sündentiefen. Im Unterliegen hat Jesus gesiegt. So ist es bis auf den heutigen Tag in der Reichsgottesarbeit, in der Geschichte des biblischen Christentums geblieben. Wäre Jesus nicht von den Toten auferstanden und lebte Er nicht durch Seinen Geist in den Gläubigen, dann wäre die Geschichte des Christentums nicht zu erklären.

3. Als weiteren Beweis für die Auferstehung deuten wir kurz an die unanfechtbare Tatsache, daß Jesus auch heute noch Menschen in ihrem Innersten erfassen, sie von Sünde und Schuld und Gebundenheit erretten und zu neuen Menschen machen kann. Wer meint, Jesus wäre als religiöser Lehrer in diese Welt gekommen, um den Menschen eine neue Moral oder Sittenlehre zu predigen, der irrt sich sehr. Nein, nicht eine Lehre, sondern ein wunderbares Leben, nicht eine neue Moral, sondern eine wunderbare neue Kraft, die Lehren zu erfüllen, hat Jesus der Menschheit gebracht. 

„Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“, das ist die Botschaft des Auferstandenen an eine in Sünden tote Welt. Und wo immer Menschen in Aufrichtigkeit ihres Herzens und im Glauben ihre Zuflucht nehmen zu dem auferstandenen Herrn, da empfangen sie Leben aus Gott, da werden sie neue Menschen; das ganze Leben wird vom innersten Kern her neu gestaltet. Nicht nur die Denkweise wird in neue Bahnen geleitet, auch die Lebensführung wird von Grund auf eine andere, eine neue. Ein toter Jesus könnte das alles nicht zustandebringen. Nun aber lebt Er, darum kann Er für alle, die an Ihn glauben, eine Ursache ewiger Errettung werden. 
Deshalb sagen wir schlicht, aber bestimmt:
Jesus hat durch Seine Auferstehung, durch Sein sieghaftes und glorreiches Hervorgehen aus dem Grabe, für alle Menschen den Weg aus den Gräbern gebahnt. 


Wir kommen nun zu vier tiefgreifenden Fragen:



I. Was haben wir unter der Auferstehung der Toten zu verstehen?

II. Durch wen wird sie veranlaßt?

III. Wann wird sie stattfinden?

IV. Wie wird sie vor sich gehen?



I. Wir haben eine unsterbliche Seele, einen unzerstörbaren Geist. In der Sterbestunde werden Leib und Seele voneinander getrennt. Dann geht die Seele ins Totenreich. Der Leib verfällt in der Sterbestunde der Verwesung und wird ins Grab gebettet. Wird er dort immer bleiben?

Werfen wir zuerst einen Blick in die Natur, in der wir so vieles finden, was uns an die Auferstehung erinnert! Im Herbst stirbt die Vegetation ab. Der Winter bedeckt alles mit seiner Schneedecke, wie mit einem großen Leichentuch. Und wenn das Frühjahr kommt, erwacht überall ein neues Leben. So erlebt die Natur jedes Jahr ein großes Auferstehen.


Wenn im Herbst der Landmann seine Saatkörner in den Acker streut und dann die Erdschollen darüber eggt, setzt auf dem weiten Ackerfeld ein großes Sterben ein. Jedes einzelne Saatkorn stirbt ab, verwest und wird zu einer schwarzen, faulen Masse. Aber siehe da, nach ganz kurzer Zeit ersteht aus diesem verfaulten Saatkorn neues Leben, Leben in einer neuen und höheren Daseinsform! Genau so verhält es sich auch mit unserem Leibe. Er stirbt und verwest im Grabe oder wird von heidnisch denkenden Menschen im Krematorium verbrannt. Am Tage des Herrn aber wird er als ein neuer Leib für unsere Seele auferstehen, andersartig wie der in die Erde gebettete es war. Wie in dem Samenkorn, das in der Erde verwest, ein geheimnisvolles Etwas ist, das nicht verwesen kann, so ist auch in unserm irdischen Leibe ein geheimnisvolles Etwas, das kein Tod töten und keine Verwesungsmacht vernichten kann.


Bei der Auferstehung der Toten handelt es sich also nicht darum, daß die Bestandteile des früheren Leibes, der ins Grab gelegt wurde, wieder zusammengebracht werden. Freilich, wenn Gott es wollte, dann könnte Er das auch tun.

Nun aber spricht sich die Heilige Schrift klar und deutlich darüber aus, daß wir uns die Auferstehung der Toten nicht so vorstellen dürfen. Der Auferstehungsleib wird nicht gebildet werden aus den wieder zusammengebrachten Bestandteilen des früheren Leibes, der ins Grab gelegt wurde. Die Auferstehung wird sich also nicht mechanisch sondern vielmehr organisch vollziehen. Wie aus dem in die Erde gebetteten Samenkorn der Schaft, die Blätter, die Blüten und schließlich die Frucht entstehen, so wird aus dem in die Erde gelegten Samenkorn des irdischen Leibes der neue Auferstehungsleib erstehen. Wie sich die Pflanze zum Samenkorn verhält, so wird sich unser Auferstehungsleib zu unserem irdischen Leib verhalten. Unser Auferstehungsleib wird keine Wiederherstellung des alten Leibes sein, sondern ein Wunder der neuschaffenden Macht und Weisheit Gottes: etwas Neues, Vollkommenes und Herrliches.



Also schon die nachdenkliche Betrachtung der Natur legt uns den Gedanken der Auferstehung des Leibes greifbar nahe.

Soll ich noch hinweisen auf die Raupe, die sich einspinnt uns so gleichsam in einen Sarg legt, um schließlich nach längerer Zeit als Schmetterling aufzustehen!



Und nun lese man mit Bedacht folgende Bibelstellen:
Joh. 5, 28+29:

“Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören werden. Und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“
Römer 8, 11:

„So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnet, so wird auch derselbige, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswellen, daß Sein Geist in euch wohnet.“

Philipper 3, 20+21:

„Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilands Jesu Christi, des Herrn, welcher unseren nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge sich untertänig machen.“


1. Kor. 15 handelt eingehend und unzweideutig von der Auferstehung des Leibes, der als ein Samenkorn ins Grab gelegt wird.

Wie aber verhält sich denn die Sache, wenn der Leib des Menschen von Tieren zerrissen oder wenn er verbrannt und die Asche in alle Winde zerstreut worden ist? Nun, ich gebe zu, daß sich hier für den menschlichen Verstand im ersten Augenblick Schwierigkeiten ergeben können. Der lebendig Glaube an den persönlichen und allmächtigen Gott aber kommt nicht in Verlegenheit. Ihm steht es unerschütterlich fest, daß Gott ohne Schwierigkeit das in unserm sterblichen Leibe geheimnisvoll verborgen liegende Saatkorn bewahren kann bis auf den Tag der Auferstehung.


Der Leib eines jeden Menschen ist also nach der Lehre der heiligen Schrift ein Samenkorn, das wohl verwest, das aber einen unverweslichen Keim in sich birgt. Aus diesem unverweslichen Keim geht bei der Auferstehung der neue Auferstehungsleib hervor. Wie nun das Samenkorn beschaffen ist, so wird auch der neue Leib beschaffen sein. Um das in seiner ganzen Tragweite zu verstehen, brauchen wir nur einen Augenblick nachzudenken. Nicht wahr, wenn wir Distelsamen aussäen, erwarten wir keinen Weizen, und wenn wir Roggen aussäen, erwarten wir keinen Rosenstamm. Das heißt im Bild:


Ein Leib, der hier von Sündenkräften durchsetzt und deshalb ein giftiges Samenkorn ist, kann nun nimmer in Herrlichkeit auferstehen. Wie das Samenkorn ist, so auch die Frucht. Herrscht in unserem Leben die Sünde, bleiben wir in der Gottlosigkeit und Heilandsferne, dann ist unser Leib ein giftiges Samenkorn, das in der Auferstehung zur vollen Entfaltung kommen wird. Denn das ist ja eben die Bedeutung der Auferstehung, daß alles, was jetzt keimartig in uns ist, dann in entwickelter und reifer Gestalt dasteht.
Wir werden für alle Ewigkeit einen Leib haben, der unserer Seele entspricht.



Diese ernste Wahrheit stellt Paulus ins Licht, wenn er 1.Kor. 15,49 schreibt:
„Wie wir getragen haben das Bild des Irdischen, also werden wir auch tragen das Bild des Himmlischen.“
Mit anderen Worten: es ist nicht gleichgültig, wie wir im Erdenleben mit unserem Leib umgehen. Verderben wir ihn, so verderben wir auch das Samenkorn und den Keim der Auferstehung. Die Sünden, in denen wir leben, prägen sich in unserem ganzen inwendigen Menschen aus. Unvergebene Sünden und ungeheilte Sündenschäden werden einst sichtbar sein an unserem Auferstehungsleibe. Er wird das durchsichtige Spiegelbild unseres inwendigen Menschen sein.


Im Blick auf die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes der Gläubigen finden wir in der Heiligen Schrift deutliche Auskunft. Paulus schreibt 1, Kor. 15, 42-44:

“Es wird gesät verweslich, es wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit, und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib.”

Es sind also vier Eigenschaften, die der Auferstehungsleib haben wird:
1. Er ist unverweslich. Er kann nicht wieder sterben (Luk.20,35)

2. Er ist herrlich, das heißt, er glänzt in himmlischer Lichtherrlichkeit und wird wunderbar schön sein und dem verklärten Leibe des HErrn Jesu, des Schönsten unter den Menschkindern, gleichen. (Phil. 3,21).
3. Er ist voll Kraft. Keine Krankheit, keine Altersschwäche wird an ihm zu finden sein. Er kann überhaupt nicht mehr krank werden, weil er genährt wird von den Bäumen des Lebens (Offb. 22,2)
4. Er ist geistlich, das heißt durchströmt und durchspulst vom Geist des Lebens, der Jesum von den Toten auferweckt hat (Röm. 8,31)

Im Blick auf den Auferstehungsleib der Gottlosen sagt uns die Heilige Schrift:
“Und viele von denen, die im Erdenstaube schlafen, werden auferstehen. Die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande”. (Daniel 12,2)

“Und man wird hinausgehen und schauen die Leiber der Leute, die von Mir abtrünnig geworden sind. Ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verlöschen. Sie werden ein Gegenstand des Abscheues sein für alles Fleisch“ (Jes. 66,24).


II. Durch wen werden wir auferweckt?

Jesus sagt:
Johannes 6,40: „Denn das ist der Wille des, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn sieht und glaubt an Ihn, habe das ewige Leben. Und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag“.
Joh. 6,44: „Es kann niemand zu Mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der Mich gesandt hat. Und Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“
Joh. 5,21: „Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also auch der Sohn macht lebendig, welche Er will.“
Paulus schreibt in 2. Kor. 4,14: „Wir wissen, daß der, so den Herrn Jesum hat auferweckt, wird uns auch auferwecken durch Jesum, und wird uns darstellen samt euch.“
Römer 8,11: „So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbige, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um deswillen, daß Sein Geist in euch wohnt.“
Auf Grund dieser verschiedenen Bibelstellen müssen wir feststellen, daß die Auferstehung veranlaßt und zustande gebracht werden wird von dem dreieinigen Gott, durch den Herrn Jesus Christus, wie denn ja alle Heilstaten Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes durch Jesus, den Sohn Gottes, hinausgeführt werden.

III.

 Wann wird die Auferstehung der Toten stattfinden?

Auf diese Frage finden sich in der Heiligen Schrift bedeutsame Antworten. Zunächst sagt sie uns, daß es eine 1. Und 2. Auferstehung gibt.
Die 1. Auferstehung ist die Auferstehung des Lebens: die Auferstehung zum ewigen Leben.
Die 2. Auferstehung ist die Auferstehung des Gerichts: die Auferstehung zum Endgericht.

Die 1. Auferstehung wird stattfinden am Morgen des Jüngsten Tages, wenn der Herr Jesus wiederkommt, um Seine Brautgemeinde heimzuholen und das Tausendjährige Friedensreich aufzurichten. Die 2. Auferstehung wird stattfinden am Abend des Jüngsten Tages, wenn der Herr wiederkommt zum Weltgericht.
Die 1. Auferstehung ist nicht das Vorrecht irgendeiner Gemeinde, wie die neuzeitlichen Sekten es zu ihren Gunsten behaupten. Nicht irgendein äußerer Grund berechtigt zur Teilhaberschaft an der 1. Auferstehung. Zur Teilhaberschaft an der 1. Auferstehung und der damit verbundenen Seligkeit und Herrlichkeit sind alle berufen, an die der Ruf der Gnade Gottes in diesem Zeitalter ergeht. Gott will ja, daß allen Menschen geholfen werde und daß alle zur höchsten Stufe der Seligkeit gelangen und das Ziel der 1. Auferstehung erreichen.
Fähig und würdig zur Teilhaberschaft an der 1. Auferstehung ist aber nur der, der durch Buße und Glauben durch die enge Pforte der Bekehrung hindurchgeht und sich seinem Heiland und Erlöser völlig hingibt, um sich dann durch Gottes Wort und Geist in ernster täglicher Heiligung in das Bild Jesu umgestalten zu lassen.
Gehörst du zu in ernster Heiligung wandelnden Gläubigen? Dann höre, was Offenbarung 20,6 geschrieben steht:
„Selig und heilig ist, der teilhat an der ersten Auferstehung; über solche hat der andere Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und Christis sein, und mit Ihm regieren tausend Jahre.“
Die Teilhaber an der ersten Auferstehung erlangen nicht nur die ewige Seligkeit, sie sind zu etwas noch Höherem berufen und geadelt. Sie werden Priester Gottes und Christi sein und mit Ihm herrschen und regieren im Tausendjährigen Reich.

IV. Am Ende der trausendjährigen Reiches,
also tausend Jahre nach der 1. Auferstehung zum Jüngsten Gericht, an der alle teilhaben, die nicht zur 1. Auferstehung gelangen konnten.
Wie wird diese 2. Und allgemeine Auferstehung der Toten vor sich gehen? Wir finden eine großartige Schilderung derselben in Offenbarung 20, 11-15:
„Und ich sah einen großen weißen Stuhl und den, der darauf saß; vor seinem Angesicht flohen die Erde und der Himmel, und ihnen ward keine Stätte für sie gefunden. Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott; und Bücher wurden aufgetan, und ein anderes Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. . . . Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der andere Tod. So jemand ward nicht gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.“

Auf Grund dieser und anderer Bibelstellen ergibt sich folgendes Bild: Der Herr Jesus Christus erscheint in großer Kraft und Herrlichkeit in den Wolken des Himmels. Alle Engel und alle Seligen, die ihre Auferstehungsleiber schon früher, bei der 1. Auferstehung erhielten, begleiten Ihn. Die Stimme des Sohnes Gottes schallt mit Allmachtsgewalt wie das Rauschen großer Wasser und wie das Dröhnen starker Donner über die ganze Erde und durchdringt die Gräber, die Tiefen des Meeres und das ganze Universum. Ein wunderbares Regen und Bewegen entsteht auf dem weiten Erdenrund. Die unverweslichen Lebenskeime aller Menschleiber werden erwachen, und aus ihnen werden die Auferstehungsleiber in einem Augenblick hervorgehen. Die Seelen und Geister aber, die bis dahin im Totenreich warten mußten, nehmen Besitz von ihren Leibern und durchdringen sie voll und ganz.
Auf diese 2. und allgemeine Auferstehung folgt dann das Weltgericht, bei dem das endgültige Urteil über die Unseligen gesprochen werden wird. Darnach werden sie geführt an den Ort der ewigen Not, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird.
Außer dieser 1. und 2. Auferstehung berichtet uns die Schrift noch von einer andern Auferstehung, die unmittelbar nach der Auferstehung des Herrn Jesu stattfand:

„Es standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen. Und gingen aus den Gräbern hervor nach Seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.“ (Matth. 27, 52)
Man kann annehmen, daß die Auferstehung, also die Auferstehung der Gläubigen, mit der Auferstehung Jesu Christi am Ostermorgen begonnen hat, und daß sie in der Stille durch die Jahrhunderte hindurch fortgeht, bis sie ihren großen allgemeinen Abschluß am Tage der Wiederkunft Christi, zur Entrückung Seiner Gemeinde und zur Aufrichtung Seiner Gottesherrschaft findet. Diese Möglichkeit einer fortlaufenden Auferstehung der Heiligen spricht nicht gegen Gottes Wort. Allerdings kann sie auch nicht als absolute biblische Wahrheit bewiesen werden.

Werden die Toten auferstehen? – so lautete die Frage, von der wir ausgingen. Unsere Antwort lautet: Ja ganz gewiß!
Und nun ist dies meine Schlußfrage an dich: Wie stehst du zu all diesen Dingen, die in diesem Vortrag kurz angedeutet wurden? Siehe, auch dir ist gesetzt, einmal zu sterben und darnach das Gericht. Ob du dich dagegen sträubst, ob du darüber lächelst, das kann nichts an der Tatsache ändern.
Es kommt ein Tag, an dem alle Leiber, die in den Gräbern sind, und alle Seelen und Geister, die im Totenreich warten, die Stimme des Sohnes Gottes hören. Dann werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung, zur Auferstehung zum ewigen Leben, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung zum Gericht.
Deshalb gebe ich dir in dieser ernsten Stunde deines Lebens den doppelten Rat:

1. Gib den Widerstand gegen Gott und Jesus auf! Entscheide dich für den Herrn Jesus, der dich liebt und sucht! Komm zu Ihm mit deiner Sünde und Schuld und bitte Ihn um Vergebung!
Und dann folge Ihm nach als ein ernstes Kind Gottes, das die Sünde meidet und sich von der Welt scheidet!

2. Denke daran, daß dein Leib ein Tempel des lebendigen Gottes ist, ein Tempel Gottes, in dem eine unsterbliche Seele wohnt, und in dem auch das Samenkorn für den Auferstehungsleib geheimnisvoll verborgen liegt!
Sündige nicht mehr gegen deinen Leib! Wenn du bisher die Glieder deines Leibes in den Dienst der Unreinigkeit und Ungerechtigkeit gestellt hast, dann stelle sie von heute ab in den Dienst der Gerechtigkeit zur Heiligung.

Teil 3

Ein Gottesgericht in Sicht!

Oder: Die Wiederkunft Jesu

Wir gehen durch eine schwere Zeit. Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, Die Menschheit tastet an tiefen Abgründen dahin und sucht vergeblich mit dem flackernden Kerzenlicht ihrer Vernunft den Weg der Zukunft zu erhellen. Die wilden Wasser der Leidenschaft brausen aus den Tiefen, und die Stimmen der Dämonen heulen. Die ganze Weltlage ist verworren und wird von Tag zu Tag verworrener. Es herrscht eine politische Sprachenverwirrung, so daß die Völker sich ganz und gar nicht mehr verstehen. Ein banges Ahnen durchzittert und belastet die Herzen der Menschen. Man fängt an zu verschmachten vor Furcht über dem Warten der Dinge, die kommen sollen. Und ungezählte Zeitgenossen stehen immer stärker unter dem Eindruck, daß die jetzigen Weltkatastrophen unmöglich in den bisherigen Verlauf der Welt- und Menschheitsgeschichte eingereiht werden können.

Wo ist der Faden, der aus unserem Labyrinth herausführt? Die gewiegtesten Köpfe und die größten Geister haben sich im fruchtlosen Raten erschöpft und des großen Rätsels Lösung durch die Kraft der menschlichen Vernunft nicht gefunden. Die ganze Kultur ohne Gott befindet sich in äußerstem Bankrott. Weder der einzelne Mensch kann sich aus seinem Sündenelend helfen, noch kann sich die Menschheit aus der Weltkatastrophe des Zusammenbruchs alles Weltwesens erretten. Die Götter der modernen Welt haben versagt und sind im Weltgewittersturm zusammengebrochen.
Ist das, was jetzt vorgeht, Morgenröte oder Abenddämmerung?
Ist es Morgenröte einer besseren Zeit, oder ist es Abenddämmerung, ist es der letzte verblassende Abendschimmer, und kommen wir mit jedem Schritt tiefer hinein in die Finsternis der Nacht?

Auf diese Frage können uns die Männer der Wissenschaft, der Politik, des Welthandels und der Hochfinanz keine Antwort geben. Aber das prophetische Wort, das wir in unserer Bibel haben, enthält die Antwort.
Einem Scheinwerfer gleich leuchtet dieses Wort hell und immer heller auf. Wohlan denn, laßt uns dieses helle Licht einstellen auf die Weltereignisse der Gegenwart, auf die brausenden Orkane und tobenden Stürme, auf die sprühenden Blitze und krachenden Donner, auf die Nacht der Völker und das ungewisse Dunkel der großen Heerstraße der Menschheit! Dann werden wir mitten in der gewaltigen Weltnot die großen Ziele Gottes mit der Menschheit aufleuchten sehen. Soviel ist gewiß, wer seine Augen im Wahrheitsquell des göttlichen Wortes geschärft hat, um dann die gewaltigen Umwälzungen im Völkerleben und die sonstigen Zeichen der Zeit mit etwas mehr Sorgfalt zu prüfen, der hat längst die Überzeugung gewonnen, daß wir am Vorabend tiefgehender Ereignisse stehen, an denen sich das Schicksal des einzelnen Menschen wie ganzer Völker, ja vielleicht der ganzen Menschheit entscheiden wird.
Die Wiederkunft Jesu ist der Zielpunkt der Welt- und Menschheitsgeschichte. Die Wiederkunft Jesu und die mit ihr in Verbindung stehenden katastrophalen Ereignisse werden das Schicksal der ganzen Welt entscheiden.
Von diesen bereits eingetretenen Ereignissen soll in diesem Vortrag geredet werden. Daß uns allen der Mitternachtsruf: „Siehe, der Bräutigam kommt, gehet aus, Ihm entgegen!“ durch Herz und Gewissen dringen möge – das ist mein Herzenswunsch.
Ein großer Gerichtstag Gottes ist in Sicht. Ein Gerichtstag Gottes, der in gleicher Weise kommen und verlaufen wird wie die Gerichtstage der Sintflut und der Zerstörung Sodoms und Gomorras. Jene beiden Gerichtstage wurden mit ernsten Warnungen Gottes angekündigt, aber die Warnungen wurden höhnend abgelehnt. Und dann brachen die Gottesgerichte unerwartet herein und verliefen unbeschreiblich schrecklich. Wie es damals war, so wird es auch in kommenden Tagen geschehen: Schrecken, Entsetzen und Verderben wird über ein gottloses, christusfeindliches, im Dienst der Sünde und der Ungerechtigkeit gerichtsreif gewordenes Geschlecht hereinbrechen.
Nach dem einmütigen Zeugnis der Heiligen Schrift wird uns die Zukunft die Wiederkunft des Herrn Jesu zum Gericht über ein gottfeindliches, antichristliches Menschengeschlecht bringen. Der gekreuzigte, auferstandene und erhöhte Jesus Christus wird sich sichtbar offenbaren und zwar Seinem gläubigen, betenden Gottesvolk zur Erlösung aus großer Trübsal und Verfolgung, und Seinen dann lebenden Feinden zum vernichtenden Gericht.
Als der Herr der Herrlichkeit wird Jesus erscheinen, die Zügel der Weltregierung in die Hand nehmen und unter furchtbarem Gericht das gegenwärtige Zeitalter beenden und Sein tausendjähriges Gottes- und Friedensreich auf dieser Erde aufrichten. 
Dieser kommende Gerichtstag Gottes und Jesu ist noch nicht der Tag des Endgerichts, noch nicht das letzte Gericht am sogenannten Jüngsten Tage, sondern der Gerichtstag, an dem der Herr Jesus das gegenwärtige, sich immer mehr antichristlich gestaltende Zeitalter richtend abschließen und die Herrschaft der Weltreiche zertrümmern wird.
Nun gibt es freilich in unseren Tagen Menschen in großer Zahl, die den kommenden Gerichtstag Gottes als Träumerei und grundloses Hirngespinst spöttisch lächelnd ablehnen. Wie diesen Leuten das Wort vom Kreuz eine Torheit ist, und wie sie lächeln über die leibliche Auferstehung Jesu, so meinen sie auch die Wiederkunft Jesu mit vornehmer Handbewegung abtun zu können. Allen diesen sei auf Grund der Heiligen Schrift mit Gewißheit bezeugt:

Die Wiederkunft des Herrn Jesu zur Errettung Seiner Gläubigen aus großer Trübsal und Not, zum Gericht über ein gottfeindliches Geschlecht und zur Ergreifung der Zügel der Weltregierung steht bevor.


Bald wir der Tag sich röten,

wie nie ein Tag erschien.

So künden die Propheten,

die wir so gerne fliehn.

Dann rollen alle Himmel

den Vorhang blitzend auf,

dann hemmt dem Schlachtgetümmel

der ew’ge Gott den Lauf.

Wann wird das geschehen?
Wann wird Jesus Christus wiederkommen?
Steht die Wiederkunft nahe bevor?
Leben wir in dieser letzten Zeit?

Wenn wir jetzt an die Beantwortung dieser tief einschneidenden Fragen herantreten, dann möchte ich zunächst eins vorweg sagen. Es liegt mir fern, haltlose Behauptungen aufzustellen und zu reden wie die neuzeitlichen Sekten der Adventisten und der sogenannten Ernsten Bibelforscher es tun. Ich bin weder der Ratgeber Gottes gewesen, noch habe ich in die Geheimakten Gottes hineingeschaut. Den genauen Zeitpunkt des Anbruchs des Tages des Herrn und der Wiederkunft Jesu können wir Menschen nicht angeben. Nach den Worten Jesu ist es auch gar nicht unsere Sache, Zeit und Stunde zu wissen; Gott allein hat sie in Seiner eigenen Macht festgesetzt und sich vorbehalten.
Aber der Herr Jesus selbst hat uns in zwei Kapiteln des Neuen Testamentes (Matth.24 und Luk. 21) die Zeichen Seiner Wiederkunft, das heißt die Ereignisse, die Seiner Wiederkunft vorausgehen werden, bestimmt und scharf umrissen genannt. Und am Schluß Seiner prophetischen Rede sagt Er:

„Am Feigenbaum (Israel) lernt ein Gleichnis! Wenn sein Zweig jetzt saftig wird und Blätter gewinnt, so wißt ihr, daß der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr das alles seht, so wisset, daß er nahe vor der Tür steht.“

Der HErr Jesus meldet also Seine Wiederkunft an, damit die Seinen sich rüsten, um dann als geschmückte Braut dem vom Himmel kommenden Bräutigam entgegengerückt zu werden. Wie der aufgehenden Sonne das Morgenrot vorausgeht, so gehen der Wiederkunft Jesu ganz bestimmte Zeichen und Ereignisse voraus.

Was sind das für Zeichen und Ereignisse?
„Es werden die Kräfte des Himmels erschüttert werden. Störungen im Laufe der Gestirne werden eintreten. Sonne und Mond werden an Lichtstärke verlieren. Auch die Erde wird in Unruhe geraten. Gewaltige Erdbeben werden geschehen. Ebenso wird die Menschheit in Wallung geraten. Ein Volk wird sich gegen das andere erheben, ein Reich gegen das andere aufstehen. . . . Dazu wird eine religiöse Verwirrung anschwellen. Falsche Christusse und falsche Propheten werden aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, und werden viele verführen. Usw.
Es sei mir gestattet, auf die bedeutsamsten Zeichen kurz einzugehen:



1. Das Auftreten von falschen Christussen und falschen Propheten, von Rettern und Volksbeglückern und die damit in Verbindung stehende religiöse Verwirrung. – Solche falschen Christusse sind zu allen Zeiten aufgetreten, aber noch nie in all den vergangenen 1900 Jahren haben sie so viele verführt wie heute. Die Welt ist voller falscher Christusse. Und ihre gefährlichen Stimmen suchen unter einem Deckmantel schönklingender Worte das Ohr und Herz der Menschen, um ihr Leben zu bestimmen. Nicht nur Männer wie Haeußer und andere, sondern auch all die Geistesströmungen unserer Tage, die in philosophischer und politischer Weise den Menschen und Völkern Freiheit und Glückseligkeit schon hier auf Erden versprechen, müssen als falsche Christusse, also als Zeichen der bevorstehenden Wiederkunft Jesu verstanden werden.

2. Als zweites Zeichen der Endzeit nennt Jesus den Krieg, der mit seinem Gefolge: Hungersnot, Weltverarmung und großes Sterben ein furchtbares Elend unter die Menschheit bringen wird.
„Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen; sehet zu und erschreckt nicht. Das muß zum ersten alles geschehen, aber es ist noch nicht das Ende da. Denn es wird sich empören ein Volk über das andere und werden sein Pestilenz und teure Zeit und Erdbeben hin und wieder“ (Matth. 24, 6).
Der hinter uns liegende furchtbare und opferreiche Weltkrieg war entsetzlich. Aber zweifellos steht ein neuer Krieg vor der Tür der Völkerwelt, in dem wahrscheinlich die östlichen Länder eine bedeutsame Rolle spielen werden. Und wer einen entschlossenen Wirklichkeitssinn hat, merkt es immer mehr, wie die Völker der Erde für den nächsten Krieg rüsten.

3. Als weiteres sehr bedeutsames Zeichen der Endzeit nennt Jesus das Volk der Juden. Das jüdische Volk stellt die Völkerpsychologie vor unlösliche Rätsel. Die Juden haben mit der Zerstörung Jerusalems als Staat aufgehört zu existieren, als Volk aber haben sie alle Verfolgungen und Hinmetzelungen überdauert. Zerstreut über die ganze Erde, sind sie nicht unter den Völkern aufgegangen. Und so energisch die Deutsch-Völkischen und die Antisemiten auch arbeiten mögen – das jüdische Volk ist nicht aufzureiben. Die antisemitische Bewegung kann die sich gesteckten Ziele nicht verwirklichen, weil Gott will, daß dieses Volk bestehen bleibt. Man verstehe mich nicht falsch. Auch ich weiß, daß das reform-jüdische Volk ein Fluch ist unter allen Nationen, und daß von diesem unter dem Fluch stehenden Volk ein unheilvoller Einfluß ausgeht. Ich weiß wohl, daß die reform-jüdischen Elemente es sind, die durch die Preise, durch das Theater und durch das Kino fortgesetzt einen breiten Strom des Verderbens in unser Volk, in unsere Häuser leiten, eben weil sie unter dem Fluch stehen. Und wir müssen damit rechnen, daß dieser Fluch des jüdischen Volkes sich in allernächster Zeit noch viel stärker zeigen und auswirken wird, und zwar nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch in der ganzen weiten Welt. Es steht aber auf Grund des Wortes Gottes fest, daß dem jüdischen Volk noch große Verheißungen gegeben sind. Das jüdische Volk wird sich in Palästina auf dem Berge Zion sammeln und dort, ausgestattet mit dem Gelde der ganzen Welt, einen neuen Staat gründen.
Und nun ist eins bedeutsam: der jüdische – noch christusfeindliche – Nationalstaat ist im Werden begriffen und trägt wesentlich mit dazu bei, daß das nächste und wichtigste Zeichen der Wiederkunft Jesu in die Erscheinung tritt, nämlich:

4. Der Massenabfall von Gott und das Auftreten des Antichristen.
„Der Tag Christi kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbar werde der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens“ (2. Thess. 2,3).

Dieses Zeichen der Wiederkunft Christi bahnt sich in unseren Tagen mächtig an. Der persönliche Antichristus, der Mensch der Sünde, ist noch nicht in die Erscheinung getreten; aber sein Offenbarwerden wird gründlich vorbereitet durch die fieberhafte Wirksamkeit der falschen Propheten, die mit ihren gottfeindlichen Lehren landauf, landab ziehen und einen immer gründlicheren Abfall von Gott, eine immer gehässigere Feindschaft gegen Christus und die entschiedenen Christen verursachen. Wer offene Ohren und Augen hat, der merkt es immer deutlicher, wie in unseren Tagen dem Antichristen, dem kommenden Diktator, der Weg zum Thron bereitet wird.

Zur Kennzeichnung dieser falschen Propheten sei folgendes gesagt:


Falsche Propheten sind alle, die den lebendigen, persönlichen Gott und die ewige Gottheit Jesu Christi leugnen.

Falsche Propheten sind alle, die die Jungfrauengeburt Jesu verneinen, das Sühnopfer Jesu auf Golgatha umgehen und die leibliche Auferstehung Jesu Christi leugnen, dabei aber den Idealmenschen Jesus stehen lassen und vor Seinen Lehren scheinbar große Achtung haben, wie z.B. die liberalen Theologen und die fälschlich sogenannten Freunde der evangelischen Freiheit.

Falsche Propheten sind alle, die ohne jede Ehrfurcht vor dem ehrwürdigen Bibelbuch und ohne allen Respekt vor der Wahrheit Gottes ihre Angriffe gegen die Heilige Schrift führen und die Bibel behandeln wie ein Gebäude auf Abbruch.

Falsche Propheten sind alle, die predigen und sagen, daß wir ohne Buße, Bekehrung und Wiedergeburt selig werden können.

Falsche Propheten sind alle, die im Adventismus, in den Kreisen der sogenannten Bibelforscher, im Spiritismus, im Okkultismus, in der Theosophie und Anthroposophie, im Sozialismus und Kommunismus ihre Stimme erheben und den Menschen in kräftige Irrtümer führen.

Weil alle falschen Propheten mehr oder weniger am Kreuze Christi vorbei und infolgedessen von Gott weg führen, ist es kein Wunder, daß der Abfall von Gott und Gottlosigkeit in geradezu erschütternder Weise zunehmen. Früher war der Unglaube das Privilegium der Gelehrten, heute ist es das Gemeingut der Masse geworden, uns es ist eine innere Notwendigkeit, daß uns solche Aussaat Anarchismus und Elend in jeglicher Form hervorgehen.
Der durch die falschen Propheten beschleunigte Abfall von Gott zeigt sich besonders stark in der Lockerung der Sittlichkeit, in der fleischlichen Unreinigkeit und Hurerei. Die Sünde gegen den eigenen Leib ist unter Männern und Frauen heute entsetzlich verbreitet. Die Sünde der Unkeuschheit in jeder Form, der Ehebruch, das Leben in wilder Ehe sind beinahe Selbstverständlichkeiten geworden.
Zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt wird der gegenwärtig mächtig wirksame Abfall von Gott und Christus eine persönliche Spitze erhalten, das heißt:
wie das Reich Gottes eine persönliche Spitze hat in Jesus Christus, so wird auch das Reich Satans, wenn es auf Erden um den entscheidenden Sieg ringt, eine persönliche Spitze erhalten in dem Antichristus.
Ein mit satanischen Fähigkeiten und Kräften ausgerüsteter Mann wird sich an die Spitze der Bewegung gegen Gott und Christus stellen und dann das Maß der Gottlosigkeit voll machen. Man lese Daniel 7 und Offenbarung 13!

Alles schreit heute nach dem großen, starken Mann, nach dem Diktator.
Er wird kommen, viel größer als die Menschen es sich träumen lassen. Er wird kommen als der Mensch der Ruchlosigkeit, als der Sohn des Verderbens, als der Mensch der Sünde. Er wird kommen als der ins Fleisch gekommene Satan, als der Sohn des Vaters der Lüge, der die höchsten Gaben und Kräfte und die höchste politische Macht in sich vereinigt. Er wird nichts unversucht lassen, um den Völkern ein irdisches Reich der Glückseligkeit zu verschaffen.
Was Wilson und seinen Mitgenossen nicht möglich war, das wird dem Antichristus, dem kommenden Diktator gelingen: die Gründung eines Völkerbundes der roten Internationale. Als höchster Wohltäter der Menschheit wird er auftreten und mit Zeichen und Wundern beweisen, daß er übernatürliche Kräfte in sich hat. Und gerade hier liegt die Gefahr der letzten Zeit. Sie liegt nicht zunächst in den Verfolgungen, die über die gläubigen Christen hereinbrechen werden, sondern in der satanischen Wundermacht des Antichristen und seines falschen Propheten.

Welches Volk den Antichristen hervorbringen und dann in der kommenden Weltrevolution die führende Rolle spielen wird, kann im Augenblick niemand sagen. Allgemein ist man der Ansicht, daß der Antichrist ein Jude sein werde. Jedenfalls wird er der ersehnte starke Mann sein, der die Zügel der Weltordnung in die Hand nehmen und seine Machtstellung befestigen wird. Mehr können wir über diesen Punkt nicht sagen. Vielleicht werden wir in nicht fernen Tagen deutlicher sehen. Vielleicht werden wir das bald miterleben.
Endlich und zuletzt, wenn die Not am größten ist, wird sich das herrlichste Zeichen offenbaren:

5. Das Zeichen des Menschensohnes!
„Alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel, und alsdann werden heulen alle Geschlechter auf Erden, und werden sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit“ (Matth. 24,30).
„Siehe, Er kommt mit den Wolken, und es werden Ihn sehen alle Augen und die Ihn gestochen haben; und werden heulen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen“ (Offb. 1,7).

Also! In großer Kraft und Herrlichkeit wird der Herr Jesus Christus in sichtbarer Gestalt vom Himmel herniederkommen als König aller Könige, als der Herr aller Herren, begleitet von den Engeln Seiner Macht und von vielen tausend Heiligen. Man lese 2. Thess. 1, 7-10; Offb. 19, 11-16 und Judas-Brief Vers 14!

Und zwar wird der Herr Jesus dann zu dem ganz bestimmten Zweck kommen, auf Erden das Reich Gottes, das Tausendjährige selige Friedensreich aufzurichten.

Sechs große Ereignisse werden und in der Heiligen Schrift genannt, durch die dieses reich Gottes auf Erden aufgerichtet werden wird.
1. Jesus Christus, der ewige Gottessohn, kommt in königlicher Macht und Herrlichkeit vom Himmel auf die Erde.
2. Der vom Himmel kommende Gottessohn wird bei Seiner Wiederkunft durch Seine königliche Allgewalt die äußere Herrschaft und Macht Satans stürzen und die reiche der Welt einnehmen. Satan, der Urheber und Schürer aller Gottesfeindschaft, wird gefesselt und mit seinem ganzen Dämonenheer für tausend Jahre im Abgrund verschlossen, so daß die Erde und die Luftbefreit und gereinigt sind von all den unheimlichen Satans- und Höllenmächten, die sie schon jetzt, ganz besonders aber in den dreieinhalb Jahren der großen Trübsal, erfüllen und beherrschen.
3. An jenem Tage der Wiederkunft Christi werden sich Gottesworte erfüllen, wie wir sie im Psalm 2; Jesaja 2; und Lukas 19, 17 lesen. Alle Gottlosen, die sich der Gottesherrschaft dann nicht unterwerfen wollen, werden sterben. Zwar wird der Antichrist alle Könige und ihre Kriegsheere aufrufen, um sich der Herrschaft Christi zu widersetzen (Offb. 19,19); aber es wird vergeblich sein.
4. Nach der Bindung Satans findet statt die 1. Auferstehung und die Verwandlung der dann noch lebenden Gläubigen zur Entrückung der ganzen vereinigten Gemeinde dem Herrn entgegen in die Wolken des Himmels. . . . und sie werden bei Ihm sein alle Zeit.
5. Durch eine außergewöhnliche Wirksamkeit des Heiligen Gottesgeistes wird das in Palästina versammelte unbekehrte Volk der Juden den wiederkommenden Gottessohn als seinen Messias und König annehmen.
6. Die ganze Schöpfung wird vom Fluch der Sünde befreit.


Über die Herrlichkeit und die Segnungen dieses Tausendjährigen Friedensreiches wird uns in der Bibel, dem Wort der Wahrheit, viel enthüllt. Im Propheten Jesaja 11, 4-9 wird uns mit wenigen Strichen ein überaus liebliches Bild dieses Reiches entworfen. Sonne, Mond und Sterne werden mit viel größerer Macht und Pracht leuchten und wärmen. Die Pflanzenwelt wird unvergleichlich schöner und üppiger sein als jetzt, und infolge der erhöhten Leuchtkraft und Wärmestärke der Sonne wird eine stark erhöhte Fruchtbarkeit der Erde eintreten (Amos 9, 13-15). Die Wildheit der Raubtiere wird verschwinden, und das gegenwärtige Morden in der seufzenden Tierwelt wird aufhören (Jes.11,6-9; 65,20). Infolge der Verbannung Satans, des Urhebers der Sünde, wird das Böse in jeder Form sehr stark zurückgedrängt sein. Alle dann lebenden Menschen werden in der Furcht Gottes wandeln. Dann werden sich die Zukunftsträume der Pazifisten in ungeahnter Weise erfüllen: Krieg wird nicht mehr sein. Alle Völker der Erde werden ihre Kriegswaffen zu Friedenswerkzeugen umschmieden. „Wenn dann ein Streit zwischen zwei Völkern entsteht, entscheidet nicht mehr das Zwangsmittel des Krieges, sondern Gottes Wort“. Ein Fülle des Friedens wird auf der ganzen Erde herrschen. Ein jeglicher wird im Frieden unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen (Micha4,4). Der und die Hauptstadt wird Jerusalem sein. In Jerusalem wird der Herrscherthron Jesu, des Friedenfürsten, stehen. Von dort aus wird Er herrschen und regieren von einem Ende der Erde bis zum anderen. Ausüben wird Er sein Regiment durch die Gläubigen, die an der Entrückung teilhatten, durch das bekehrte und gläubig gewordene Volk der Juden und durch die heiligen Engel (Sach. 8,7+13; Sach. 14, 16 f).

So gewiß die Gerichtstage Noahs und Lots kamen und kein Sohn der Aufgeklärten sie aufhalten konnte, so gewiß wird der Gerichtstag Gottes über uns kommen.



Zum Abschluß unserer Betrachtung noch einige Worte unseres Herrn Jesu selbst (Luk. 17):
„Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird es auch geschehen in den Tagen des Menschensohnes. Sie aßen, sie tranken, sie freiten bis auf den Tag, da Noah in die Arche ging, und kam die Sintflut, und brachte sie alle um. . . . Auf diese Weise wird es auch gehen an dem Tage, wenn des Menschen Sohn soll offenbar werden.“ . . .
Das Rad der Zeit rollt schneller denn je zuvor. Der Tag der Gnade eilt seinem Ende zu. Was wir in der Ferne aufflackern sehen, ist das Abendrot der Weltgeschichte geworden.
„Darum laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Laßt uns ehrbar wandeln, wie am hellen Tage, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Streit und Eifersucht. Ziehet vielmehr an den Herrn Jesus Christus”. (Röm. 13).

IV.

Gibt es ein Weltgericht?

Man redet viel von großen Tagen in der Weltgeschichte, von Tagen, die wie einsame Berge aufragen aus der Ebene der Jahrhunderte. Eigentlich gibt es nur vier große Tage: den Schöpfungstag, an dem Gott sprach: „Es werde Licht!“, dann den Weihnachtstag, an dem Engelmund der leidenden Menschheit die frohe Botschaft verkündigte: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der HErr!“, dann der Karfreitag, an dem Christus sterbend rief. „Es ist vollbracht!“, und schließlich den Jüngsten Tag, an dem die Stimme Jesu mit dröhnender Allgewalt vom Richterthron her erklingen wird, um nach dem Gericht alles neu zu gestalten und zu vollenden. – Das sind die unvergänglichen Tage der Menschheit. Unvergänglich und unvergeßlich sind sie deshalb, weil an ihnen die Ewigkeit in die Zeit hineinragt und das Tun Gottes in großartiger Weise offenbar wird. Vom Jüngsten Tage und seinen Ereignissen soll in diesem Vortrag die Rede sein.

Den allermeisten Menschen ist der Jüngste Tag mit seinem Geschehen ebenso fremd wie der Tag der Erlösung. Dem modernen Menschen, der sich in besonderer Weise durch Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit ausgezeichnet, dünkt das Weltgericht wie ein Wahn, wie ein Phantasiegebilde. Aber sie irren, die so denken. Wenn es kein Weltgericht gäbe, dann wäre unsere Zeit ein ewig dunkles Rätsel.
Nun hat man gesagt, die Weltgeschichte sei das Weltgericht. Gewiß, es sind furchtbare Gottesgerichte über die Welt ergangen, Gottesgerichte, im Blick auf die das Wort der Schrift gilt: „Er hat die Wurfschaufel in der Hand und wird Seine Tenne gründlich reinigen“ Matth. 3,12). Gottesgerichte war die Sintflut, deren Wasser die alte Erde begruben, die prasselnden Feuerflammen, die Sodom und Gomorra vernichteten, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer. Ein Gottesgericht für das römische Reich war die Zeit der Völkerwanderung. Ein Gottesgericht für den christlichen Osten brach an mit der Zeit Mohammeds. Ein Gottesgericht über das heidnisch gewordene Rom brach herein mit der Reformation. Ein Gottesgericht war die Zeit der französischen Revolution, als Gott die an den Hugenotten begangenen Missetaten der Väter an den Kindern und Kindeskindern heimsuchte. Ein Gottesgericht über unser Volk war die grundstürzende Revolution.

So haben Gottesgerichte seit dem Sündenfall die Geschichte der Menschheit durchwaltet. Aber in diesen mannigfachen Gottesgerichten hat sich das Weltgericht nicht vollzogen. Alle Gerichte Gottes im Laufe der Geschichte haben nur eine zeitliche Bedeutung gehabt, und von den meisten Gerichtsheimsuchungen Gottes im Leben ganzer Völker und im Leben einzelner Menschen werden wir sagen können, daß sie den Zweck haben, vor der Verdammnis im Jüngsten Gericht zu bewahren (1. Kor, 5, 5; 11,32; 1. Tim. 1,20). Nicht die Weltgeschichte ist das Weltgericht, sondern die Weltgeschichte wird mit dem Weltgericht abschließen, und in diesem alles abschließenden Weltgericht wird das gesamte Resultat der ganzen Menschheitsentwicklung gezogen werden. Im Weltgericht werden alle früheren Gerichte ihren Abschluß und ihre Vollendung finden. Im Weltgericht wird jedem Menschen sein ewiges Los angewiesen, und nach dem Weltgericht wird die Ewigkeit anbrechen.

I.  Ist dieses Welt Weltgericht fest verbürgt?

Jawohl. Einmal durch unmißverständliche Gottesworte, sodann durch ein allgemeines Gerechtigkeitsgefühl, das in jedes Menschen Brust wohnt. Tief in unserer Seele steht mit Flammenschrift geschrieben: es kommt ein Tag, der alles offenbar macht; es gibt nichts Verborgenes, das dann nicht ans Licht kommen muß!
Wie dieser Tag im einzelnen kommt, davon können wir uns keine genaue Vorstellung machen. Aber das wissen wir unerschütterlich gewiß, daß er kommt als ein Tag der Abrechnung, an dem Bücher aufgetan werden. Diese Ahnung können wir nicht aus unserem Bewußtsein austilgen, so gern wir es auch möchten. Das Gewissen hält uns den Tag der Abrechnung immer wieder vor Augen, und diese Gewissensahnung, die oft genug zur Gewissensangst wird, ist bestätigt durch unmißverständliche Gottesworte Heiliger Schrift:

Maleachi 3, 19: „ Siehe, es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen. Da werden alle Übermütigen und alle die gottlos handeln, sein wie Spreu, und der zukünftige Tag wird sie anzünden“.
2. Kor. 5,10: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfangen, nach dem er gehandelt hat im Leibesleben, es sei gut oder böse“.
Matth. 25, 32: „Es werden vor Ihm alle Völker versammelt werden. Und Er wird sie voneinander scheiden, gleich wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.“

Es ist doch höchst merkwürdig und bedeutsam zugleich. Daß in sehr vielen Fällen Menschen, die bei Lebzeiten den Glauben an das Leben nach dem Tode und ein Weltgericht verworfen hatten, unmittelbar vor ihren Tode ein großes Umdenken vollzogen, so Z.B. auch Heine und Voltaire, die zeitlebens über alles Göttliche mit Vorliebe zu spotten pflegten. Heine hat kurz vor seinem Tode den Glauben an Gott, Unsterblichkeit und Gericht offen bezeugt. Und Voltaire, der viel bewunderte Freigeist des vorigen Jahrhunderts, ließ an sein Sterbebett einen Priester kommen und begehrte den Trost der Kirche, die er bis dahin nur verspottet hatte. An der Spitze der Freidenker und Materialisten seiner Zeit hatte er den Unsterblichkeitsglauben und den Glauben an eine Vergeltung im Jenseits verspottet. Und was sagte er laut und vernehmlich vor seinem Tode. „Je vais chercher un grand Peut-etre.“ (Ich suche ein großes Vielleicht)
In unserer Sterbestunde, unmittelbar nach Eintritt des Todes, ergeht nach Hebräer 9. 27, (Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht) über den Menschen ein Urteil Gottes, nach welchem uns unser seliger oder unseliger Aufenthaltsort angewiesen wird. Kamen wir in unserem Erdenleben zum lebendigen Glauben an den Heiland Jesus Christus, dann werden wir aus dem Gericht der Sterbestunde hervorgehen als solche, denen im Paradies ein Platz der Freude und Wonne bereitet ist.

II.  Wer wird Weltrichter sein?

Zur Einleitung in die Beantwortung dieser Frage lesen wir Joh. 5, 22 und Matth. 25, 31:
„Der Vater richtet niemand, sondern alles Gericht hat Er dem Sohne übergeben“.
Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in Seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit. Und es werden vor Ihm alle Völker versammelt werden. Und Er wird sie voneinander scheiden, gleichwie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.“
Aus diesen und anderen Stellen geht deutlich hervor, daß nicht Gott der Vater, sondern Gott der Sohn, Jesus Christus, der Weltrichter sein wird. Und warum wird Jesus Christus es sein? Die Antwort finden wir Johannes 5 Vers 27: „ Der Vater hat Ihm Vollmacht gegeben, auch das Weltgericht zu halten, darum, weil Er des Menschen Sohn ist“.
Weil Jesus des Menschen Sohn ist, darum ist er imstande und geeignet, die Welt gerecht zu richten. Er ist in den Tagen Seines Erdenlebens versucht worden, allenthalben gleichwie wir Menschen. Und weil Er so aus eigener Erfahrung vertraut ist mit den Anfechtungen und Kämpfen mit den Tiefen des menschlichen Herzens, darum kann Er sich ganz in unsere Lage versetzen und von da aus ein gerechtes und mildes Urteil sprechen.
Als der Herr Jesus zum erstenmal vom Himmel herabkam auf diese Erde, da kam Er in erbarmender und langmütiger Liebe und konnte sagen: „Ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern sie zu retten! (Joh. 3,17). Wenn Jesus aber als Weltenrichter erscheint, dann hat Seine Langmut ein Ende. Auf den Wolken des Himmels wird Er dann kommen, angetan mit großer Kraft und Herrlichkeit, eingehüllt in den Feuerglanz vergeltender Gerechtigkeit. – Was ist das doch für ein ergreifender Gedanke! Derselbe Jesus, der einst in Niedrigkeit auf dieser Erde wandelte, . . . der schließlich ans kreuz genagelt wurde, derselbe Jesus wird als Weltenrichter auf dem Thron sitzen. Dann wird Er statt der Dornenkrone eine Herrlichkeitskrone tragen. … Wenn Er dann allen Menschen sichtbar auf dem Richterthron erscheinen wird, angetan mit Herrlichkeit und Kraft, dann wird ein Erschrecken durch die Herzen vieler gehen.

III.  Wen wird Jesus im Weltgericht richten?

Nicht nur Satan und die gefallenen Engelwelt: Die sind schon unmittelbar vor dem Endgericht verurteilt zu ewiger Bestrafung im Feuersee (Offb. 20, 10).
Auch die Gläubigen, die an der 1. Auferstehung teilhatten, kommen nicht in das Endgericht. Wir lesen:
Johannes 3, 18: „ Wer an den Sohn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“
Joh. 5, 24: „Wahrlich, Ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“
Gewiß, auch die Gläubigen werden im Weltgericht anwesend sein, aber nicht zu dem Zweck, damit über ihr ewiges Schicksal entschieden werde. Aus verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift geht klar und deutlich hervor, daß die Gläubigen mit Jesus Christus das Weltgericht halten werden:
1. Korinther 6, 2: Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden! So nun die Welt soll gerichtet von euch werden, seid ihr nicht gut genug geringe Sachen zu richten? Wisset ihr nicht, daß wir über die Engel richten werden? Wieviel mehr über die zeitlichen Güter.“
Lukas 22, 30: „Wisset ihr nicht, daß ihr essen und trinken sollt in Meinem Reich und sitzen auf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels?“
Die Gemeinde Jesu, die im gegenwärtigen Zeitalter bis zur herrlichen Wiederkunft Jesu gesammelt, gereinigt und zubereitet wird, hat an der ersten Auferstehung und an der Herrschaft Jesu Christi im Tausendjährigen Reich teil. Am Tage des Weltgerichts ist sie längst geschieden von den Böcken. Dann ist sie längt vollendet. Als vollendete Brautgemeinde wird sie Jesus im Weltgericht umgeben und an der Sprechung des Urteils mitwirken.
Noch eine zweite Klasse von Menschen kommen nicht ins Endgericht, nämlich die, die sich in ihrem Erdenleben mit Wissen und Willen gegen Gott und Seinen Heilsratschluß in dem Erlöser Jesus Christus entschieden haben, die mit vollem Bewußtsein den Erlöser und Versöhner Jesus verworfen haben. Diese Verächter, die nicht wollten, daß Er über sie herrsche, werden bereits im Gericht der Sterbestunde unmittelbar nach dem Tode, als völlig gerichtsreif in den Feuersee, als ihren ewigen Bestimmungsort geführt. An ihnen ist das Gericht bereits vollzogen, so daß sie ins Weltgericht nicht mehr zu kommen brauchen. Markus 16, 16: „Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet.“

Wer kommt denn nun ins Endgericht des Jüngsten Tages?

1. Alle Ungläubigen, die die Reife für die Verdammnis im Erdenleben noch nicht erreicht haben.

2. Alle diejenigen, die im Erdenleben nicht zum lebendigen Heilsglauben durch Buße und Bekehrung hindurchgedrungen sind, die nicht von neuem geboren sind und darum in die Gemeinde Jesu, deren Namen im Himmel angeschrieben sind, nicht aufgenommen werden konnten, die sich aber auch nicht im krassen Unglauben gegen den Herrn entschieden haben. Es werden also alle diejenigen sein, die in einer landläufigen Frömmigkeit am Christentum festhalten, an Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen teilnehmen und doch als halbe Christen unter der Herrschaft des Satans und der Sünde bleiben; die wohl fromm sind, aber keine Vergebung der Sünden und keine Heilsgewißheit haben. Nach dem Gericht der Sterbestunde wurden sie in das Totenreich mit seinen verschiedenen Abstufungen geführt und mußten dort im bangen Warten auf den Gerichtstag verharren.

3. Endlich kommen in das Endgericht alle die, denen das Evangelium von Jesus in den Tagen ihres Erdenlebens unbekannt geblieben ist, sei es, daß sie in Zentralafrika oder sonst irgendwo in der nacht des Heidentums lebten und starben, oder sei es, daß sie inmitten einer toten Namenschristenheit das Wort von Jesus, dem Heiland der Welt, nie klar und geistesmächtig gehört haben.
Diese drei großen Menschengruppen kommen ins Endgericht und werden von Jesus Christus und Seiner Gemeinde gerichtet werden.

IV.  Nach welchem Maßstabe werden diese drei Menschengruppen im Jüngsten Gericht beurteilt und gerichtet werden?

Die Gläubigen, die Jünger und Jüngerinnen des Herrn Jesus, also die Glieder der Brautgemeinde, die teilhaben an der ersten Auferstehung, an der Herrschaft Christi im Tausendjährigen Reich, und die dann mit Christus zum Endgericht kommen, diese Jünger Jesu müssen von neuem geboren sein und ein Leben der Hingabe an Gott haben.
Ein ganz anderer Maßstab wird im Endgericht an die drei großen Menschengruppen gelegt. Es wird uns angedeutet in folgenden Bibelstellen:
Matth. 25, 35 ff.: “Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt Mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt Mich getränkt. Ich bin Gast gewesen, und ihr habt Mich beherbergt. … Was ihr getan habt einem unter diesen Meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir getan.“
Jeremia 32, 19: „Deine Augen stehen offen über alle Wege der Menschenkinder, daß du einem jeglichen gebest nach seinem Wandel und nach der Frucht seines Wesens.“
Matth. 12, 36: „Ich sage euch aber, daß die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, daß sie geredet haben Aus deinen Worten wirst Du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“

Matth. 16, 27: „Denn es wird geschehen, daß des Menschen Sohn komme in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln; und alsdann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken.“

Römer 2, 5-10: „Du aber nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, welcher geben wird einem jeglichen nach seinen Werken: Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben; aber denen, die da zänkisch sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit, Ungnade und Zorn, Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun, vornehmlich den Juden und auch den Griechen. Preis aber und Ehre und Friede allen denen, die da Gutes tun, vornehmlich den Juden und Griechen.“

Römer 2, 14-16: „Denn so die Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun des Gesetzes Werk, sind dieselbigen, dieweil sie das Gesetz nicht haben, ihnen selbst ein Gesetz, als die da beweisen, des Gesetzes Werk sei beschrieben in ihrem Herzen, sintemal ihr Gewissen ihnen zeuget, dazu auch die Gedanken, die sich untereinander verklagen oder entschuldigen, auf den Tag, da Gott das Verborgene der Menschen durch Jesum Chris richten wird laut meines Evangeliums.“
Offb. 2, 23: „ Und ich will euch geben einem jeden nach euren Werken.“

Off. 20, 12: „Und ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott. Und Bücher wurden aufgetan, und ein anders Buch ward aufgetan, welches ist des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken. Und das Meer gab die Toten, die darinnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeglicher nach seinen Werken.“

Offb. 22, 12: „ Siehe Ich komme bald und Mein Lohn mit Mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden.“

Aus allen diesen Schriftworten geht deutlich hervor, daß die Menschen, die ins Endgericht kommen, nach einem anderen Maßstab beurteilt und gerichtet werden als die Jünger und Jüngerinnen Jesu, die an der ersten Auferstehung, an der Entrückung und der Herrschaft Christi im Tausendjährigen Reich teilhaben. „Siehe, Ich komme bald, und Mein Lohn mit mir, zu vergelten einem jeglichen, wie sein Werk sein wird!“ Und zwar ist es das Handeln und Wandeln im Leibesleben auf Erden, das den entscheidenden Ausschlag gibt. Ein jeglicher wird gerichtet nach seinen Werken im Verhältnis zu der ihm dargebotenen Gnade, nach seinem guten oder bösen Werken, die es nach seiner Erkenntnis und nach seinem gewissen getan oder nicht getan hat.
„Und es wurden Bücher aufgetan.“ (Offb. 20,12), so hat es der Prophet Johannes auf Patmos gesehen, Bücher, in denen wahrheitsgetreu alles Tun und Lassen der einzelnen Menschen aufgezeichnet ist. Der Weltrichter wird dabei genau berücksichtigen, was ein jeder an Licht und Gnade empfangen hat: es wird das ganze Leben in allen Einzelheiten entrollt, so daß kein unnützes Wort, das wir redeten, übergangen wird. Dann wird sich jeder erkennen als den, der er wirklich ist. Die Gerichtsverhandlungen werden nicht lange dauern, eben weil alles genau aufgezeichnet ist in den untrüglichen Büchern Gottes.

V.  Wohin kommen die verschiedenen Menschengruppen nach dem Endgericht?

Es ist nicht ganz leicht, diese Frage zu beantworten. Am einfachsten machen es sich die, die sagen: die einen kommen in den Himmel, die andern in die Hölle. Aber so ganz einfach ist die Sache denn doch nicht. Um zur Klarheit zu kommen, fragen wir zunächst:
a.) Wohin kommen nach dem Endgericht des Jüngsten Tages die Gläubigen, die im Erdenleben auf Grund des Opfertodes Jesu durch Buße und Bekehrung fähig und würdig wurden für die erste Auferstehung…., – wohin kommen diese Gläubigen nach dem Weltgericht ?
Antwort: Nach Offenbarung 21 und 22 werden sie auf der neuen Erde wohnen, im neuen Jerusalem, jener herrlichen Stadt, deren Baumeister der Herr selber ist. Ich bitte sehr, diese beiden letzten herrlichen Kapitel der Bibel besinnlich lesen zu wollen!
b.) Wohin kommen die drei großen Menschengruppen, die an der zweiten Auferstehung teilhatten und im Endgericht gerichtet wurden?
Antwort: Sie kommen entweder in das Reich, das ihnen bereitet ist von Anbeginn der Welt (Matth. 25, 34) oder in des ewige Feuer. (Matth. 25, 41).
In das „von Anbeginn der Welt bereitete Reich“, das nach Offenbarung 21, 24 vermutlich auf der neuen Erde sein wird, kommen alle, die im Weltgericht zur Rechten standen, die Jesus anredete als „Gesegnete Meines Vaters“. Wohlverstanden. Diese Seligen der zweiten Auferstehung, die nicht verwechselt werden dürfen mit den Jüngern Jesu, mit den Gliedern der Brautgemeinde, diese Seligen, die im Jüngsten Gericht zur Rechten standen, kommen nicht in den Himmel, nicht in das himmlische Jerusalem, nicht in die Nähe Gottes und Jesu, sondern in das „Reich“, das nach meinem Schriftverständnis irgendwo auf der neuen Erde sein wird.
In das „ewige Feuer“, oder, wie es in der Offenbarung heißt, in den „Feuersee“ kommen alle die, die im Weltgericht zur Linken standen. Es sind die Ungläubigen und Ungerechten, die nicht aus der Wahrheit waren, die die Finsternis mehr liebten als das Licht, weil ihre Werke böse waren und sie davon nicht lassen wollten. Es sind die, die an Jesus undankbar und frivol vorübergingen und nicht wollten, daß Er über sie herrsche. Es sind die, die alle Liebe und Geduld Gottes und Jesu von sich stießen und mit den Füßen traten. Ihnen hat Jesus vom Richterthron die ernsten Worte zugerufen: „Gehet weg von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln“ (Matth.25, 41).
Die Seligkeit im Reiche Gottes ist den Menschenkindern „von Anbeginn“ bereitet. Die Verdammnis im Feuersee ist nur dem Teufel und seinen Engeln bereitet. Wird sie dennoch den Menschenkindern angewiesen als ewiger Aufenthaltsort, so ist das nicht Gottes Plan, sondern menschliche Schuld. Gott ist und bleibt absolut schuldlos an dem Verlorengehen der Unseligen. Sie haben es ja so mit Gewalt gewollt. Der Herr gibt ihnen dann nur, was sie nach ihrem eigenen Willen erwählt haben. Die Ausführung beider Urteile erfolgt sofort. Die zur Linken werden in die ewige Pein geführt, aber die zur Rechten in das ewige Leben im Reiche Gottes auf Erden.
Wo wird dein ewiger Platz sein?


In unserer Bibel steht ein kurzer Satz, der in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung ist. Er heißt: „Herr, Deine Gerichte sind gerecht“ (Offb.16,7). Dieses Wort wird auf allen Gebieten und in der Ewigkeit wahr bleiben. Es steht auch geschrieben über die Pforte zur Hölle, zum Feuersee.
Dies tadellose Gerechtigkeit Gottes wird sich auch darin zeigen, daß es in dem Grad der Verdammnis und Finsternis, der Qual und Pein, Unterschiede geben wird. Der höchste Grad wird dem Satan und seinen beiden greulichsten Werkzeugen: dem Antichristen und dem falschen Propheten zugewiesen (Offb. 20, 10).
Ähnlich wird es denen ergehen, die während der Herrschaft des Antichristen das Malzeichen des Tieres angenommen, als den Antichristen als ihren Herrn anerkannt und angebetet haben (Offb. 14, 9-11). Für die übrigen Verdammten wird der schlimmste Grad nicht ausdrücklich angegeben. Bedeutsam ist aber die Stelle Matthäus 11, 20-24, wo der HErr Jesus den Städten Chorazin, Bethsaida und Kapernaum zuruft, daß es den Städten Tyrus, Sidon und Sodom erträglicher ergehen werde im Jüngsten Gericht als ihnen. An verschiedenen Stellen des Evangeliums (Matth.10, 40-42; Markus 9, 41; Luk. 14, 14+14) redet der HErr Jesus auch von solchen Menschen, denen es in der Ewigkeit vergolten werden soll, daß sie in den Tagen ihres Erdenlebens einen Jünger Jesu aufgenommen, oder daß sie einem Armen und Unglücklichen Gutes getan haben. Hierher gehört auch das bekannte Wort Jesu: „Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn er euch ausgeht, sie euch aufnehmen in ihren Hütten“ (Luk.16, 9).

VI.  Welches Los teilen die Unseligen in der Hölle, wie wird es ihnen dort ergehen?

Die Heilige Schrift gewährt und durch verschiedene Ausdrücke einen Blick in den Zustand der Verdammnis. Sie spricht im Blick auf sie von einem zweiten Tode. Damit wird angedeutet, daß die Unseligen in der Hölle keinerlei Verbindung mit Gott, der Quelle alles Lebens mehr haben. An anderer Stelle spricht sie von einer Wiedervergeltung für das getane Böse, von einer ewigen Pein und einer nie aufhörenden Qual, von einer äußersten Finsternis und einem Heulen und Zähneknirschen, von einer ohnmächtigen Auflehnung gegen diese furchtbare Pein (Matth.8, 12; 18, 8; 22, 13: 25, 30. 46; Mark. 9,46; Luk. 16, 24; u.a.).Das sind freilich furchtbare Ausdrücke. Sie sollen uns die ganze Schrecklichkeit und Unaussprechlichkeit der Not und Qual derer schildern, die sich selbst für die Verdammnis bestimmt haben.

Und worin wird alle Not und Qual ihre letzte Ursache haben? Nun, zunächst in der Trennung von Gott, der Quelle aller Seligkeit, und in der Trennung von Jesus, der Sonne aller Freude, sodann in dem Verluste alles dessen, worin sie auf Erden Befriedigung suchten. Denken wir nur an den reichen Mann. Er muß Purpur, köstliche Leinwand, Wein, Tanz, Spiel, Paläste, Schätze und alles, was zu seiner Belustigung diente, zurücklassen. Die Leidenschaften der Seele aber, das Verlangen nach irdischen Freuden und Genüssen, nimmt er mit. Wie furchtbar muß das sein! Vielleicht besteht auch für die Unseligen die Möglichkeit, ins reich der Seligen hinüberzuschauen, wie es bei dem reichen Mann im Totenreich der Fall war. Was für eine furchtbare Qual muß das sein, wenn die Verdammten die Seligkeit des Volkes Gottes von weitem sehen und sich dann sagen müssen: Da könnte ich jetzt auch sein, auch mir ist das Heil Gottes in Jesus angeboten! Auch ich hatte Gelegenheit, das Evangelium zu hören und mich zu bekehren, aber ich habe nicht gewollt. Und schließlich wird das Bewußtsein der Hoffnungslosigkeit hinzukommen. Kein Lichtstrahl, der Hoffnung und Erlösung ankündigt, wird in jene Finsternis fallen.

Wie lange wird dieser Zustand dauern?
Die Antwort auf diese Frage lautet:
Ewig!

Denn also steht geschrieben:
Daniel 12, 2: Etliche werden zu ewiger Schande und Schmach aufstehen.
Matthäus 25, 46: Sie werden in die ewige Pein gehen.
Offenbarung 14, 11: „Der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit“.
Markus 9, 43-48: „Ihr Wurm stirbt nicht, und ihr Feuer erlöscht nicht“.
Johannes 3, 36: „Der Zorn Gottes bleibt über ihnen“.
Matthäus 3, 12: „Die Spreu wird er verbrennen mit ewigem Feuer“.

Wer diese Schriftworte, die durch viele noch vermehrt werden könnten, unbefangen liest, dem kann kein Zweifel darüber bleiben, daß es eine ewige, das heißt endlose Verdammnis gibt. Man hat dies vielfach bestritten Von dem ersten Jahrhundert der christlichen Kirche an bis auf unsere zeit herab, sind die Geister nie ausgestorben, die eine Wiederbringung, das heißt eine schließliche Bekehrung aller Menschen, mit Einschluß Satans und der gefallenen Engel, lehren. Sie meinen aus Gründen der Schrift und der Vernunft glauben und lehren zu müssen, daß nach langen, langen Zeitläufen auch die Verdammten, ja selbst der Teufel, selig werden.

Nun, zu dieser Lehre von der „Wiederbringung aller Dinge“ möchte ich bemerken, daß ich mich selbstverständlich sehr freuen würde, wenn schließlich alle Menschen noch selig werden. Soweit ich aber meine Bibel kenne und verstehe, redet sie an keiner einzigen Stelle mit Deutlichkeit davon. Was Jesus und die Apostel verkündigt haben, ist über allem Zweifel Klar: „Wer glaubt, der wird gerettet, wer aber nicht glaubt. Kommt ins Gericht, ja er ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“ (Joh. 3, 18)

Auch die Behauptung, daß die Unseligen am Ort der Qual schließlich vernichtet werden, so daß dann jedes Gewimmer und alles Stöhnen für immer verstummt sei, ist ohne sicheren Schriftgrund. Wir wollen diese Frage mit all den anderen geheimnisvollen Rätseln und Dingen, die unser kleines Herz so schwer fassen und verstehen kann, ruhig in die Hand Gottes und Jesu legen. Er wird das letzte Wort sprechen.
Unendlich viel wichtiger als all diese Fragen nach dem schließlichen Ergehen der Unseligen, ist für uns eine andere Frage: Wie werden wir fähig und würdig, um teilhaben zu können an der ersten Auferstehung und der Entrückung dem Herrn entgegen in die Wolken, um bei Ihm zu sein allezeit, sowohl während des Tausendjährigen Reíches, als auch im Weltgericht und für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten im himmlischen Jerusalem, in der Stadt der goldenen Gassen – wie werden wir dazu fähig?
Antwort: Wenn wir jetzt in der uns von Gott geschenkten Gnadenzeit dem Ruf des Evangeliums folgen und uns mit ganzer Kehrtwendung zu Jesus bekehren..
Siehe, darum handelt es sich jetzt für dich: Du mußt durch Bekehrung und Wiedergeburt ein neuer Mensch, ein Gotteskind werden und dich dann im Gange des Alltaglebens ausweisen als ein Jünger Jesu.

Wenn der Herr Jesus zum Weltgericht kommt, dann werden von Ihm zwei Bücher geöffnet, die Gott selbst geführt hat und in denen wahrheitsgetreu alles Tun und Lassen der einzelnen Menschen geschrieben steht. Diese beiden Bücher werden als „das Lebensbuch“ und „das Schuldbuch“ bezeichnet.
Im „Schuldbuch“ stehen die Namen und Sünden aller Menschen, die in die Welt geboren werden, geschrieben.

Im „Lebensbuch“ stehen die Namen aller Menschen geschrieben, die am Himmel und Seiner Herrlichkeit teilhaben.
In der Stunde des Jüngsten Gerichts nun wird das der Höhepunkt der Spannung unter der des Urteils harrenden Menschheit sein, wenn aus dem Lebensbuch die Namen derer verlesen werden, die eingehen dürfen in die ewige Freude ihres HErrn.

Mein Freund, wirst du dann auch dabei sein dürfen?

V.  Der Himmel und seine Herrlichkeit.

Es ist ein Wagnis, zu Menschen unserer Tage über den Himmel zu reden. Was interessiert den modernen Menschen der Himmel! Er trachtet ja in sehnsüchtiger Verblendung nach dem, was auf Erden ist, und überläßt in völliger Gleichgültigkeit den Himmel „den Engeln und den Spatzen“. Menschen, die die Heiligkeit Gottes und die Abscheulichkeit der Sünde geringschätzen und für das Evangelium Gottes kein Verständnis mehr haben, lehnen natürlich den Himmel als einen längst überwundenen Standpunkt ab. Wir haben mit solchen Menschen herzliches Mitleid und bedauern sie aufrichtig. Aber das sollen diese lieben Freunde wissen, daß ihr überlegenes Lächeln, ihr hochmütiges Gerede vom „intellektuellen Defizit“ der Frommen, vom Mangel an Verstand und „unverzeihlicher Rückständigkeit“ bei uns nicht den geringsten Eindruck macht. Und wenn es heute dank der sogenannten Aufklärungsschriften so weit gekommen ist, daß der gewöhnliche Mensch einen bibelgläubigen Christen, der noch an den Himmel glaubt, bedauert und verlacht, so macht uns das durchaus nicht irre, im Gegenteil, es befestigt uns in unserem Vertrauen zur Bibel, die an einer Stelle sagt: „Der natürliche Mensch versteht nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm eine Torheit“ (1.Kor. 2, 14).
Aber Gott Sei Dank gibt es auch heute noch Menschen die sich nach dem Himmel mit seiner Herrlichkeit sehnen, die auf den Himmel warten wie unsere Kinder auf den Weihnachtsabend. Und gerade in unseren Tagen mehr sich die Zahl derer, die solche Sehsucht im Herzen tragen, die nicht verlorengehen möchten in der Verdammnis, die vielmehr selig werden und sein möchten in der himmlischen Herrlichkeit.
Nun wollen wir in dieser Stunde miteinander nachdenken und zu verstehen suchen, was Gottes Wort uns über diesen Gegenstand sagt.
Wo ist der Himmel?
Wieviel Himmel gibt es?
Wie wird es im Himmel sein?
Was ist uns von der Beschaffenheit und Herrlichkeit des Himmels geoffenbart?
Worin wird für uns die Seligkeit des Himmels bestehen?
Für wen ist der Himmel da?
Wer ist ausgeschlossen vom Himmel und seiner Herrlichkeit?
Das mögen die Fragen sein, die uns jetzt beschäftigen sollen.


I.  Wo ist der Himmel?

Die Heilige Schrift redet von einem dreifachen Himmel:
1. Der Lufthimmel, der wie eine Feste um den Erdball gespannt ist. Er ist mit mehr oder wenige Wasserdünsten angefüllt und befeuchtet die Erde mit fruchtbarem Regen. Diesen sichtbaren Lufthimmel hat Gott am zweiten Schöpfungstag geschaffen (1. Mose1, 6-8). Dann redet die Heilige Schrift
2. Vom Sternenhimmel, der sich in die weitesten fernen ausdehnt. In diesem Himmel schweben die vielen, vielen Himmelskörper: die Sonne, der Mond und all die ungezählten Sternen- und Sonnenwelten. Dieser Sternenhimmel schuf Gott am 4. Schöpfungstage (1. Mose 1, 14-19). Nach 2. Petri 3, 7-12 wird er am Tage des Herrn mit Krachen vergehen. Dann werden die Sterne vom Himmel fallen, gleichwie ein Feigenbaum seine Früchte abwirft (Offb. 6, 13). Schließlich redet die Heilige Schrift
3. Vom Herrlichkeitshimmel, der für uns unsichtbar ist. Dieser unsichtbare Herrlichkeitshimmel wurde „am Anfang“ geschaffen (1. Mose 1,1). Wo er sich befindet, können wir nicht sagen. Vielleicht ist es uns näher, als wir meinen. Als Stephanus starb, sah er den offenen Himmel ganz nahe. In diesem Herrlichkeitshimmel wohnt Gott. Dort sind auch die Wohnungen der Engel, dort ist auch das Vaterhaus unseres Gottes mit den vielen Wohnungen für die durch Jesus erlösten und durch den Heiligen Geist wiedergeborenen Gotteskinder.
Wo also ist der Himmel, das himmlische Vaterhaus Gottes? Unsere Antwort lautet: Nicht im sichtbaren Lufthimmel, nicht auf den Sternen, sondern im für uns unsichtbaren Herrlichkeitshimmel.

II.  Wie viele Herrlichkeitshimmel gibt es?
Zunächst stellen wir fest, daß sowohl im Alten als auch im Neuen Testament das Wort „Himmel“ immer in der Mehrzahl steht: die Himmel. Es gibt also nicht nur einen, sondern mehrere Himmel. Wie viele Herrlichkeitshimmel es im Unsichtbaren gibt, darüber sagt die heilige Schrift nichts Bestimmtes. Aus verschiedenen Andeutungen der Schrift scheint aber hervorzugehen, daß es drei Himmel geben muß. 1. Mose 2, 2ff. werden deutlich unterschieden:
1. Der Garten 2. Eden, 3. die übrige Erde.
Diese Dreiteilung finden wir wieder in der Stiftshütte:
1. Allerheiligstes, 2. Heiliges, 3. Vorhof.
Nach Hebräer 8, 5 und 9, 24 ist aber die Stiftshütte ein Schatten der wahrhaftigen Hütte, nämlich des Himmels. Hinzu kommt, daß Paulus in 2. Kor. 12, 2 von einem dritten Himmel spricht, in den er entrückt wurde. Wir gehen deshalb wohl kaum fehl, wenn wir annehmen, daß es in der unsichtbaren Welt drei Herrlichkeitshimmel gibt: den Thron Gottes und zwei Himmel als Wohn- und Bleibstätte für die Seligen und die Engel.

III.  Wie wird es im Himmel sein?

Durch die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift wissen wir, daß je und je Menschen gewürdigt wurden, einen Blick in den Himmel zu tun. Zum Beispiel Mose, Jesaja und Paulus. Als Mose auf dem Berg Sinai das himmlische Heiligtum sah, wurde sein Angesicht glänzend wie die Sonne (2.Mose 24, 38). Als Jesaja den Allherrn Jehova auf einem hohen und herrlichen Thronhimmel sitzen sah und den Lobgesang der Seraphim hörte, war es so überwältigt, daß er zusammenbrach (Jes. 6,1). Und als Paulus bis in den dritten Himmel entrückt wurde, vernahm er geheimnisvolle Dinge, so kostbar und herrlich, daß Menschen sie nicht begreifen können (2.Kor. 12,1ff).
Aus diesen verschiedenen Offenbarungen Gottes im Leben Seiner Knechte geht zunächst bestimmt hervor, daß der große und herrliche Gott, der mit Seiner Gegenwart alles erfüllt und durchdringt, den aller Himmel Himmel nicht zu fassen vermögen – daß dieser große Gott einen Ort Seiner unmittelbaren Gegenwart hat, einen Ort, wo der Thron Seiner Herrlichkeit steht. Diese Stätte des Thrones Gottes wird uns in der Heiligen Schrift als der höchste und herrlichste Himmel gezeigt. Von dorrt wird die ganze Fülle der Gnade Gottes in Christo Jesu durch den Heiligen Geist in die Welt getragen und den Menschenkindern nahe gebracht, angeboten und zugeeignet.

IV.  In welchem Zustande werden sich die Seligen im Himmel befinden?

Wir beantworten diese für uns so bedeutsame Frage, indem wir sagen:
Die Seligen befinden sich im Himmel im Zustand der Sündlosigkeit und völligen Freiheit von allen Nöten und Sorgen. Gotteskinder sind ja schon jetzt selig im Herrn; aber sie leben noch in einer vom Satan beherrschten Welt und haben noch oft genug, ja täglich Kampf und Angst. Sie werden angefochten und versucht, sie müssen oft genug leiden unter der leichtumstrickenden Sünde. Versuchungen aus der eigenen Lust, Versuchungen von seiten der Welt und Menschen, Versuchungen von seiten des Satans und Prüfungen von Seiten Gottes stellen sie immer wieder in den Kampf des Glaubens, wo es am heißesten ist. Bedrückt von eigener und fremder Not, weinen sie oft Tränen.
Alles das wird im Himmel nicht mehr sein. „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn alles ist vergangen“ (Offb. 21, 4). Im Himmel gibt es keinen Glaubenskampf mehr gegen die Sünde und die Folgen der Sünde. Der Satan mit seinen Versuchungen kann an die Seligen im Himmel nicht mehr heran. Er ist verbannt und verdammt in den Feuersee geworfen. . . . Völlige Erlösung von Sünden und jeglicher Not, das ist das erste Stück der himmlischen Herrlichkeit.
Als zweites Stück der himmlischen Herrlichkeit und Seligkeit nennen wir die ungetrübte Erkenntnis des Herrn und aller göttlichen Gedanken und Führungen. Solange wir noch in dieser Welt der Unvollkommenheit leben, ist unsere Erkenntnis Gottes und Seiner Führungen nur Stückwerk. Es ist uns jetzt nicht möglich, das Wesen Gottes selbst zu schauen; wir sehen nur Spiegelbilder und Schattenumrisse. Ein solcher Spiegel sind die Werke der Schöpfung aus denen wir das unsichtbare Wesen Gottes, Seine ewige Kraft und Gottheit einigermaßen wahrnehmen können. Ein hellerer Spiegel ist das Wort Gottes in der Bibel, das uns ein deutliches und klares Bild Gottes vor die Seele stellt; aber es ist doch auch nur ein Spiegelbild. Eben deshalb ist unsere Erkenntnis Gottes Stückwerk. Das eigentliche Wesen Gottes bleibt uns noch dunkel und rätselhaft. Wer kann die Dreieinigkeit Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist verstehen? Wir müssen mit dem Psalmisten sagen: „Solche Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch. Ich kann es nicht begreifen“ (Psalm 139, 6). Genau so verhält es sich mit den Führungen Gottes in unserem Leben und im Gange der Welt- und Menschheitsgeschichte. Wir können sie beobachten und vielleicht auch gelegentlich anfangsweise verstehen; aber der tiefste Zusammenhang, die letzten Ursachen und Absichten Gottes sind und bleiben uns hier unten verborgen.
Das alles wird im Himmel anders sein. Dort werden wir ohne Spiegel den Herrn von Angesicht zu Angesicht sehen. Alle Rätsel werden licht und aufgeschlossen und gelöst sein. Dann werden wir den ganzen Ratschluß Gottes, auch die verborgensten Wege und dunkelsten Führungen im hellen Lichte erkennen. Dann werden wir vorbehaltlos einstimmen in das Lied Moses und des Lammes: „Groß und wunderbar sind Deine Werke, Herr, allmächtiger Gottgerecht und wahrhaftig sind Deine Wege, Du König der Heiden. Wer sollte Dich nicht fürchten, Herr, und Deinen Namen preisen? Denn Du bist allein heilig; denn alle Heiden werden kommen und anbeten vor Dir; denn Deine Urteile sind offenbar worden“ (Offb. 15, 3-4). Dann werden wir Gott erkennen, gleichwie wir von Gott erkannt sind (1.Kor. 13, 12).
Als drittes Stück der himmlischen Herrlichkeit nenne ich die völlige und ungetrübte Freude der Seligen im Himmel. Schon jetzt im Erdenleben gibt der Herr Jesus den Seinen einen Vorgeschmack der unvergänglichen Freude. Das wissen alle de, die durch Buße und Glauben Gotteskinder geworden sind. Sie haben schon jetzt ein singendes Herz, weil ihnen Schuld- und Sorgenlasten vom Herze genommen sind. Nun aber wird uns diese Freude leider noch oft getrübt durch die verschiedensten Dinge und Ereignisse, durch Krankheit, Not, Tod und Trauer. Im Himmel aber werden wir uns ohne Unterbrechung und ohne jede Trübung freuen. Es steht geschrieben:
„Die Erlösten des Herrn werden wiederkehren und gen Zion kommen mit Jauchzen, und ewige Freude wird auf ihrem Haupt sein. Wonne und Freude werden sie ergreifen, aber Trauer und Seufzen wird von ihnen fliehen“ (Jes. 51, 11). „Ihr werdet euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, das Ende eures Glaubens davonbringen, nämlich der Seelen Seligkeit“ (1.Petri 1, 8.9).
Als viertes Stück der himmlischen Herrlichkeit nenne ich die Gemeinschaft der Seligen mit allen Seligen und den Engeln. Ohne diese Gemeinschaft würde der Himmel aufhören, ein Ort der Freude zu sein. Nun aber besteht auf Grund vieler Schriftworte die Tatsache, daß wir im Himmel reichlich Gelegenheit haben, mit dem Miterlösten Gemeinschaft zu pflegen.
Werden sich die Seligen, die sich auf Erden gekannt haben, dort wiedererkennen? Nun, darüber kann nach den Worten der Schrift kein Zweifel sein. Im Himmel werden wir und wiedererkennen als solche, die im Erdenleben Beziehungen zueinander hatten. Dort werden wir in köstlicher Gemeinschaft leben mit allen Gläubigen. Wir werden mit ihnen zu Tische sitzen und ein Herz und eine Seele sein.
Diese Gemeinschaft der Seligen untereinander wird im Himmel eine vollkommene sein. Schon hienieden ist die Gemeinschaft der Kinder Gottes untereinander etwas Köstliches und Stärkendes, wenn die einzelnen Gläubigen im Lichte wandeln. Das weiß jeder aus Erfahrung, der die Kinder Gottes liebt und in Beziehungen der Liebe zu ihnen steht. Leider wird die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander oft gestört durch die List Satans und durch die Sünde der Selbstsucht und Kritiksucht, des Ehrgeizes und Neides und dergleichen mehr. Im Himmel wird das nicht mehr der Fall sein.. Dort wandeln wir im Licht, das vom Thron Gottes her leuchtet. Dann wird unseres Heilandes Gebet um die Einheit des Volkes Gottes (Joh.17, 21) erhört sein. Jeder Unterschied, der heute unter dem Volke Gottes durch die verschiedenen Erkenntnisstandpunkte besteht wird verschwunden sein…
Aber nicht nur die Erlösten er Herrn werden wir in innigster Gemeinschaft stehen, sondern auch mit den Engeln; denn also heißt es im Worte Gottes, Hebräer 12, 21.23: „Wir sind gekommen zum Berge Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem und zu der Menge vieler Engel.“ Jetzt dienen und die Engel zu unserer Seligkeit. Im Himmel werden sie die Genossen unserer Freude sein.
Als fünftes Stück der himmlischen Herrlichkeit nenne ich das unvergängliche und unbefleckte und unverwelklichen Erbe. Im Blick auf dieses kostbare Erbe sagt Paulus 1. Kor. 2, 9: „Was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und keinem Menschen in den Sinn gekommen ist, das hat Gott denen bereitet die Ihn lieben.“
In der Heiligen Schrift wird dieses kostbare Erbe der Heiligen angedeutet mit dem Satz: „Sie werden Ihm – dem Herrn Jesus – ähnlich sein“ (1.Joh. 3,2; Röm. 8,29). Können wir es uns vorstellen, in welcher Lichtherrlichkeit unser Herr und Heiland ist? Sein Angesicht leuchtet unendlich viel heller als die Sonne in ihrer Kraft, und Sein Herrlichkeitsthron ist mit allen Zeichen der göttlichen Majestät geschmückt. In allen diesen Stücken nun werden die Seligen in den Himmeln ihrem Heiland ähnlich sein. Auch sie werden leuchten wie des Himmels Glanz, wie die Sonne in ihres Vaters Reich (Matth. 13, 43). Auch sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit (2, Tim. 12; Offb. 3, 21; Offb. 22,5).
In einem Seiner Gleichnisse (Matth. 25) spricht der HErr Jesus vom frommen und getreuen Knecht: „Du bist über wenigem getreu gewesen, Ich will dich über viel setzen“.
Epheser 1, 18 redet der Apostel von einem lauteren Strom lebendigen Wassers, klar wie ein Kristall. Der ausgeht vom Throne Gottes (Offb. 22,1) und von einem gläsernen Meer, gleich mit Feuer gemischtem Kristall (Offb. 4, 6; 15, 2). Und von den Bäumen des Lebens, die zwölferlei Früchte tragen und jeden Monat ihre Früchte bringen (Offb. 22,2).

V.  Für wen ist der Himmel mit seiner Herrlichkeit?

Zur Einleitung in die Beantwortung dieser wichtigen Frage lese ich uns zwei Worte aus dem Munde Jesu:
„Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr“ (Matth. 5, 3).
„Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ (Matth.5, 8).
Wem also gehört das Himmelreich? Antwort: Den geistlich Armen.
Wer wird Gott schauen im Reich der Himmel? Antwort: Die Reinen im Herzen. …
Der Himmel mit seiner Herrlichkeit ist nicht da für die Wissensstolzen, auch nicht für die Kulturstolzen und nicht für die Tugendstolzen. …
Der Himmel ist da für die, die in Erkenntnis ihres Elend, ihrer Sünde und Schuld ihre Zuflucht genommen haben zu dem HErrn und Heiland Jesus Christus.
Glückselig sind die Armen im Geist!
Glückselig sind die Menschen, die mit all ihrem Meinen und Denken zuschanden geworden und als arme verlorene Sünder zum Heiland gekommen sind! Durch den Glauben an Jesus, den gekreuzigten und auferstandenen Heiland, haben sie Vergebung der Sünden und Reinigung von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes bis in die Tiefen des Herzens hinein erfahren. In das so gereinigte Herz und Leben ist durch den Geist Gottes ewiges Leben geströmt. Die Augen des Herzens sind geöffnet für Gott, für ewige und göttliche Dinge, so daß nun himmlischer Friede, himmlische Freude und die Gewißheit des ewigen Lebens in ihnen sich ausbreiten.
Einst wurde der kranke Lenau von seinem Pfleger durch den Park des Sanatoriums geführt. Eine leichte Schneedecke lag über dem ausgedehnten Park. Nur an einer Stelle hatte man das Blumenbeet vom Schnee befreit. Als Lenau an dieses Beet herantrat zwang es ihn nieder, und mit tränenfeuchten Augen rief er aus: „Es wird Himmel! Es wird Himmel!“ Ein Stück Naturherrlichkeit legte ihm diese Worte auf die Lippen – Liebe Freunde, so ruft auch der geistlich Arme, der zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen ist, wenn Jesus mit Seinem Geist bei ihm einzieht: Es wird Himmel!

VI.  Und wer ist ausgeschlossen vom Himmel und seiner Herrlichkeit?

Um die Beantwortung dieser letzten Frage einzuleiten, lese ich uns ein Wort Heiliger Schrift, das gleichsam als Warnungstafel auf dem letzten Blatt der Bibel steht:
„Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Mörder und die Götzendiener und jeder der die Lüge liebt und tut“ (Offb. 22, 15).
Liebe Freunde. Wir gehört, daß die Heilige Schrift mit großer Deutlichkeit redet von einem „seligen Drinnen“, von einem seligen Geborgensein in der Himmelsherrlichkeit. Nun sein jetzt zum Schluß noch bezeugt, daß die Heilige Schrift mit ebensolcher Deutlichkeit redet von einem „verhängnisvollen Draußen“, von einem Aufenthaltsort der Unseligen außerhalb des Himmels und seiner Herrlichkeit. Wem wird dieses verhängnisvolle Draußen gelten? Wer wird ausgeschlossen sein vom Himmel? Jetzt höre zu. Die soeben verlesene Warnungstafel sagt uns Genaueres über die Menschen, die draußen sind.
Die erste Klasse, der das „Draußen“ zugerufen wird, werden Hunde genannt. Wohlverstanden, es handelt sich um Hunde im buchstäblichen Sinne, nicht um Tiere, sondern um Menschen, die die Kennzeichen der Hundenatur besitzen, nämlich das Bellen und Zerreißen. „Draußen sind die Hunde“, will also sagen, draußen sind die Beller und Kläffer gegen Gott, gegen Jesus Christus und gegen das Volk Gottes. Draußen sind die Spötter und Lästerer.
Draußen sind die Zauberer, genauer gesagt, die Giftmischer. Das sind zunächst Leute, die das Wort Gottes verdrehen, verfälschen und vergiften. Willst du solche Zauberer, solche Giftmischer an der Arbeit sehen, dann schau hinein in das Lager der theologisch-philosophischen Bibelkritiker, der Spiritisten, der Anthroposophen und der vielen neuzeitlichen religiösen Sekten.!
Zu diesen Zauberern gehören auch alle, die Krankheiten besprechen, Sympathiemittel gebrauchen, Amulette verkaufen und durch Kartenlegen und Handlesen Wahrsagerei betreiben. Und in vielen Fällen auch die, die durch Magnetismus und Hypnose Kranke behandeln und unter Bann bringen.
Draußen sind auch die Hurer. Zunächst die Leute, die den Lüsten des Fleisches leben, die Sklaven ihrer Fleischeslust sind. Dann aber auch alle die, die vor der groben Todsünde nicht zurückschrecken, aber mit Augen voll Ehebruchs (2. Petri 2, 14) und verzehrender Begierde erfüllt sind –
Im Westen unseres Vaterlandes lag ein Mann auf dem Sterbebett. Immer wieder stöhnte er: „Ich sollte, aber ich kann nicht!“ Alles Bitten seiner Frau. Er möge doch sagen, was ihn bedrücke, war vergeblich. Nach Tagen furchtbarer Kämpfe starb er in dieser Verfassung. Ein Jahr später fand in jener Stadt eine Evangelisation statt. Unter den erweckten Seelen war auch eine junge Frau. Sie fand den Weg in die Sprechstunde des Evangelisten und bekannt ihm ihre Sünde. Jetzt wurde offenbar, weshalb jener Mann vor Jahresfrist ein so schweres Sterben hatte. Er hatte mit dieser Frau die Ehe gebrochen.
Ach, wie viele Männer und Frauen, junge Männer und junge Mädchen gibt es, die zu dieser Klasse der Unreinen und Unkeuschen, der Hurer und Ehebrecher gehören!
Draußen sind auch die Mörder. Das sind zunächst die tatsächlichen Mörder, wenn sie in ihrer Sünde verharren und nicht zur Buße und zur Bekehrung kommen. Aber Gottes Wort versteht unter Mord viel mehr. Höre zwei Bibelworte:
„Ich sage euch, wer seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig, wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha! Der ist des Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig“ (Matth. 5, 22).
„Jeder, der seinen Bruder hasset, ist ein Totschläger und ihr wisset, daß ein Totschläger nicht ewiges Leben in sich bleibend hat“ (1. Joh. 3, 15).
Betrachten wir die Menschen im Licht dieser beiden Gottesworte, dann müssen wir sagen, daß heute Mörder in großer Zahl an der Arbeit sind, indem sie über ihre Mitmenschen in mörderischer Gesinnung mit giftigen und vernichtenden Worten reden und urteilen.
Und wie viele Männer sind durch ihre Lebensführung zu Mördern ihrer Frauen geworden! Wenn ich an all die leidvollen Geschichten denke, die ich in unserem Krankenhaus von Frauen gehört habe, dann muß ich sagen: Ungezählte Männer haben durch ihr Verhalten, durch ihr schandhaftes Leben ihre Frauen in frühen Tod gebracht. Alle diese Mörder werden einst draußen sein.
Draußen sind auch die Mörder und Mörderinnen gegen das keimende Leben.
Auch die Schieber, die Lebensmittelverteurer, Wucherer und alle, die in mammonistischer Gesinnung die Preise künstlich hinauftreiben, auch wenn sie gelegentlich von ihrem Wuchergeld für allerlei wohltätige Zwecke gegeben haben. Sie alle werden draußen sein.
Auch die Götzendiener, jene Leute, die irgendeinen toten oder lebendigen Gegenstand mehr lieben als den lebendigen Gott und Seinen Sohn, werden draußen sein.
Und schließlich auch die Lügner und alle, die die Lüge lieben und üben.
Draußen werden auch sein die Weisen und Verständigen, denen das Wort von Jesus, dem ewigen Gottessohn, und Seinem Kreuz auf Golgatha eine Torheit ist.
Draußen werden auch sein die Selbstgerechten, die da meinen, weder der Buße noch der Erlösung durch Christi Blut zu bedürfen.
Und draußen werden alle sein, die die Sünde mehr liebten als die Erlösung aus Sünde und Schuld.
Sie alle werden einst draußen sein, ferne von Gott und der Himmelsherrlichkeit, am Ort der Not und Qual.

Lieber Freund, wohin neigt sich jetzt dein Herz? Wo wird dein ewiger Platz sein?

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Besessenheit + Exorzismus (Dr.Koch)

Kurt E. Koch

BESESSENHEIT UND EXORZISMUS

BESESSENHEIT

I. Erfahrungen aus der Seelsorge
1. Befreiung eines Satanisten
2. Zuluzauberei und Umsessenheit
3. Der Filipino
4. Schwester Maria

II. Aussagen der Bibel
1. Symptome der Besessenheit
2. Ein weißer Rabe
3. Satan
4. Die Dämonen

III. Pro und Contra
1. Katholische Theologen
2. Evangelische Theologen
3. Fehlende Unterscheidung
4. Formen der Besessenheit
5. Haßbesessenheit
6. Pseudocharismatische Besessenheit
7. Materialisationen

EXORZISMUS

1. Seelsorge an okkult Belasteten
2. Zeitweilig besessen
3. Mary
4. Ruben
5. Rauschgift
6. Blutsverschreibungen
7. Das Reich Gottes
8. Irrwege des Exorzismus
9. Spiritistischer Exorzismus
10. Der Taufexorzismus
11. Exorzismus durch einen Psychiater
12. Der Befreier
13. Der Seelsorger
14. Wege der Seelsorge

– Leicht gekürzt für meine Webseite. Horst Koch, im Jahre 2007. Neu durchgesehen im Mai 2023. Die Textbetonungen sind von mir –

Christus hat die Dämonen entmächtigt, die Finsternismächte entlarvt, und er zieht die Gewaltigen im Triumphzug hinter sich her. (Frei nach Kol. 2,15)

SEELSORGE IM VOLLZUG
. . . Wir erleben heute eine Pandämonisierung aller Verhältnisse. Wir brauchen darüber kein Jammerlied anzustimmen. Mit Riesenschritten treiben wir einer Endkatastrophe und der Wiederkunft Jesu entgegen. Der Teufel weiß, daß er wenig Zeit hat. Darum treibt er alles auf die Spitze.
Die Menschheit wird von tausend Nöten gehetzt, gejagt, irrsinnig getrieben. Die Auswirkungen liegen auf der Hand. Immer mehr Menschen werden von Depressionen und seelischen Erkrankungen aller Art befallen. Die Nervenheilanstalten füllen sich. Die Psychiater aller Länder erklären, daß fast die Hälfte aller Kranken nicht organisch, sondern seelisch krank ist.
Parallel zu diesem psychischen Substanzverlust stellt man eine erschreckende Zunahme an Besessenen fest.
Prof. O. S. von Bibra schrieb dazu in seinem Buch „Der Name Jesus“ Seite 84:
„Wieviele Besessene laufen herum, wieviele vom Teufel in der übelsten Weise Gequälte fristen in Anstalten ihr elendes Dasein ohne Hilfe und ohne Hoffnung, nur weil die Gemeinde des Herrn ihren eigentlichen Auftrag an ihnen versäumt und ihre göttliche Vollmacht eingebüßt hat! Wie bleibt der Sieg unseres Herrn Jesus verborgen, die Kraft Seines Namens unwirksam, Sein starker Arm gelähmt und die Ausbreitung Seiner Herrschaft gehemmt, nur weil die berufenen Boten des Evangeliums die Befehle ihres Herrn nicht ausführen und Ihm durch ihren Unglauben im Wege stehen! Das vollmächtige Handeln im Namen Jesu gegenüber den Dämonen ist keine nebensächliche Angelegenheit, sondern ein wesentlicher Bestandteil unseres Auftrages und unserer Vollmacht, wie es auch im Leben des Herrn etwas sehr Entscheidendes gewesen ist. . . . “
Diese Darstellung, die ich voll bejahe, hat einen Nerv der Seelsorge getroffen. Ich bin erfreut, daß Gott heute noch Jünger Jesu zu dieser schweren Seelsorge bevollmächtigt, wenn ihre Zahl auch sehr klein ist.

Warum ist die Seelsorge an okkult Belasteten und Besessenen so schwer, ja mitunter sogar gefährlich? Es handelt sich hier um einen Allfrontenkrieg.
Seelsorge dieser Art wird von allen Seiten abgelehnt, bekämpft, lächerlich gemacht oder ins Extreme verzerrt.
Die Modernisten, die Dämonen und den Teufel als nichtexistent erklären, lehnen natürlich auch eine Seelsorge an Besessenen ab.
Aber nicht nur Modernisten, sondern auch Superorthodoxe nehmen diese Haltung ein. . . .
In Verruf wurde die Seelsorge an Besessenen gebracht durch Extremisten. Hier muß ich einen Namen nennen. Christopher Neil-Smith. Er ist „Chefexorzist der englischen Kirche“ und schrieb das Buch „Der Exorzist und die Besessenen”. Auf Seite 82 bekennt Neil, daß er Verstorbene im Totenreich und Geister von ihrer Besessenheit durch Exorzismus löste. Das ist reiner Spiritismus. Das ist das Extremste, was ich je über den Exorzismus gehört habe. Und dieser Mann in England im kirchlichen Dienst.
Eine vierte Front muß genannt werden, die Seelsorge an Besessenen so schwer macht. Das sind die Attacken des Erzfeindes, der sich wehrt, wenn ihm Beute entrissen werden soll.
Vor Jahrzehnten hatte ich gute Verbindung mit Pastor Ernst Modersohn, vor dem Krieg beim Volke Gottes so hoch geachtet wie später Wilhelm Busch. Er berichte¬, daß bei der Drucklegung seines Buches „Im Banne des Teufels“ schwere Angriffe einsetzten. Die Druckerei geriet in Brand, so daß sein Manuskript gefährdet wurde. In der Familie gab es Unfälle aller Art.
Anderen erging es ähnlich.
Pfarrer Hugo Fleming hat in seiner Broschüre „Gibt es einen Teufel?“ auch auf die Gefährlichkeit der Seelsorge an Besessenen hingewiesen. Er schrieb:
„Ich bekenne, daß mir im Kampfe mit den Finsternismächten oft genug Rückschläge widerfahren sind genauso wie den anderen, die in gleicher Front stehen. Wir Kämpfer auf diesem vorgeschobenen Posten wissen und erfahren es alle, daß der Teufel einen großen Zorn auf uns hat, denn er weiß, daß er wenig Zeit hat.“ Offbg. 12,12.
Ich habe also Bundesgenossen. Ich stehe nicht allein.

Wir sind im Kampfe Tag und Nacht.
O Herr, nimm gnädig uns in acht
und steh uns an der Seiten.

Auf der anderen Seite erlebe ich Bewahrung und Sieg durch den Herrn. Wenn die Finsternis auf mich eindringt, stelle ich mich unter den Schutz des Blutes Jesu und gebiete dann diesen Mächten, die den Namen Jesu respektieren und weichen müssen.
Warum erfährt die Vorstellung der Besessenheit und die Seelsorge an Besessenen eine allgemeine und scharfe Ablehnung bei Theologen, Psychiatern und sogar bei vielen gläubigen Christen?
Verschiedene Ursachen sind zu nennen. Zunächst einmal hat es Satan verstanden, die Fronten zu vernebeln. Paulus schreibt in 2. Kor. 4,4 . „Der Gott dieser Welt hat der Ungläubigen Sinn verblendet.“ Die geistliche Blindheit der Ungläubigen ist die erste Ursache.
Eine zweite Ursache der Ablehnung ist ein irrsinniger oder absurder Extremismus. Denken wir nur an die satanisch inspirierten Machwerke „Der Exorzist“ und „Jesus Christus, der Superstar“. Dazu kommen unbiblische Formen des Exorzismus. So las ich in dem Buch eines katholischen Exorzisten, daß er Dämonen aufforderte, zur Maria zu beten. Wieweit muß ein Mann von der Bibel entfernt sein, um einen solchen Rat zu geben! In dieser Aufforderung liegen gleich zwei unbiblische Tatsachen. Nicht genug damit! Es gibt Kreise, die hinter jedem Busch und hinter jeder menschlichen Abart einen Dämon sehen, den sie exorzieren wollen.
Die Exzesse, die Verwirrung, die unbiblischen Komödien sind so verbreitet, daß es meine Überzeugung geworden ist, daß bei 100 Exorzismen 95 keinen biblischen Charakter und deshalb keine Berechtigung haben. Hier wird mehr Schaden angerichtet als Gutes gewirkt.
Die dritte Ursache für die Verkennung der Besessenheit und des Exorzismus ist die fehlende Inspiration. Wir sind hier am entscheidenden Punkt.
Vor 27 Jahren schrieb ich mein Buch „Seelsorge und Okkultismus“. Ich leitete es mit dem Bibelwort aus 1. Kor. 2,14 15 ein: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes, nur der geistliche Mensch begreift alles.“

Fehlende Inspiration ist durch nichts zu ersetzen. Nicht die glänzendste theologische oder medizinische Ausbildung befähigt uns, geistliche Wahrheiten zu verstehen.
Diese Wahrheit stellte ich vor Jahrzehnten meinem ersten Buch gegen das Okkulte voran. Ich stehe aber nicht allein auf weiter Flur. Viele Jahre später fiel mir ein amerikanisches Buch in die Hände, das diese Wahrheit wundervoll ausdrückt. Es ist das Buch „Biblical Demonology“ von Unger, einem Experten für semitische Sprachen. Er schrieb auf Seite 7 folgendes. Ich gebe es deutsch wieder:
„Eine Kenntnis des Übernatürlichen kann nur durch eine übernatürliche Offenbarung kommen, da das Übernatürliche jenseits der natürlichen Gesetze liegt. Ferner ist es offensichtlich, daß die geoffenbarte Wahrheit nur durch den Glauben an die Offenbarung und damit an den Offenbarer verstanden werden kann. Der natürliche Mensch kann die Wahrheiten des Geistes Gottes weder begreifen noch kennen, sondern er ist tatsächlich Irrtum und Verdrehung grenzenlos unterworfen. . . “ (1. Tim. 4,1). – Ein wundervolles Zeugnis eines bekannten Wissenschaftlers! . . .

Der Kampf gegen theologische, psychologische und medizinische Blindheit ist nicht aussichtslos. Der Sieg ist auf der Seite Jesu, und wer auf der Seite Jesu steht, hat teil an diesem Sieg. . . .
Bei diesem Kampf gegen die Mächte der Finsternis und ihrer irdischen Gefolgsleute steht man nicht allein. Ich lernte auf allen Kontinenten Wissenschaftler kennen, die gläubige Jünger Jesu sind und das Problem der Besessenheit kennen.
Dr. Wilbur M. Smith vom Fuller Seminar kann ich nennen. Vor vielen Jahren habe ich selbst an diesem Seminar meine Thesen vorgetragen. Mit Dankbarkeit denke ich auch an den gläubigen Chirurg und Psychiater Dr. W. S. Reed.  . . .

Unsere Theologen an in und ausländischen Universitäten schweigen sich über Besessenheit und Exorzismus aus oder geben nur negative Anmerkungen. Ich habe aber unter einigen Medizinern, speziell Psychiatern, die das Irrationale und Dämonische bei manchen Patienten nicht ausgeschlossen haben.

Dieses Buch ist aus der Seelsorge entstanden und will der Seelsorge dienen. Neugierde und Sensationslust ist nicht gefragt. Darum soll gleich ein seelsorgerlicher Rat gegeben werden.
Es ist oft nicht gut, wenn Depressive oder Menschen mit einer anomalen Beeindruckbarkeit der Seele Beispiele lesen, die von schweren Belastungen berichten. Es gibt ja Menschen mit einem schwachen Nervensystem, die gleich alles auf sich beziehen. Es ist gut, wenn solche die folgenden Beispiele aus der Seelsorge nicht lesen. Ferner bitte ich darum, daß jeder Leser, der gläubig ist, sich im Gebet unter den Schutz Jesu stellt. Ungläubigen brauche ich diesen Rat nicht zu geben, weil sie weniger oder gar nicht angefochten werden. . . .

Nicht zuletzt übergebe ich dieses Buch dem, der es geschenkt hat, Jesus, und bitte ihn, es zu benützen, um Blinden die Augen zu öffnen und seinen Sieg zu offenbaren. – „Der in euch ist, ist größer, als der in der Welt ist.“ (l. Joh. 4,4.)

Hinweis: Dieses Buch war schon im Druck, da fiel mir eine äußerst wichtige Neuerscheinung in die Hände. Es handelt sich um den vom Brunnen Verlag Basel herausgegebenen Titel „Gesundheit um jeden Preis?“ von Dr. med. Samuel Pfeifer. Pfeifer ist Vollmediziner, gläubiger Christ und im Blick auf die okkulten Heilmethoden ein erfahrener Mann. Für mich ist es eine Genugtuung, daß er als Arzt zu den gleichen Schlussfolgerungen kam wie ich selbst. Das Buch ist trotz seiner gründlichen Themabearbeitung leichtverständlich geschrieben, so daß jeder Nichtmediziner es gut lesen kann. Das sichert dieser Veröffentlichung eine weite Verbreitung, die es verdient. Rabindranath R. Maharay, Autor des Buches „Der Tod eines Guru“ schreibt in seinem Vorwort:
„Ich empfehle das Buch von Dr. Pfeifer als Pflichtlektüre, … denen das Dilemma des modernen Menschen ein Anliegen ist und die eine echte Hilfe und Wegweisung geben wollen.“ – Aus dem Inhalt:
Der okkulte Aufbruch im Westen: Akupunktur, Fußreflexzonenmassage, Homöopathie, Irisdiagnose, Anthroposophische Medizin, Naturheiler u. a.

Teil 1: BESESSENHEIT

I. ERFAHRUNGEN AUS DER SEELSORGE
Es ist schwer, aus einer Sammlung, die in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen worden ist, die richtigen Beispiele auszuwählen. Ich erwähne nur solche Begegnungen, bei denen urteilsfähige Brüder, Theologen, Mediziner, Evangelisten und erfahrene Seelsorger anwesend waren und als Zeugen angerufen werden können. Zunächst ein Beispiel aus Südafrika.

1. Befreiung eines Satanisten
Wenn in einem Kapitel über Besessenheit von einem Satanisten gesprochen wird, entsteht die Vorfrage, ob alle Satanisten als besessen anzusehen sind. Ich hatte noch keinen ehemaligen Satanisten in meiner Seelsorge, der nicht wenigstens schwer belastet gewesen ist. Vor allem sind solche Menschen nach ihrer Blutsverschreibung an den Teufel total verknechtet. Von über 100 blutsverschriebenen Menschen, mit denen ich es zu tun hatte, sind nur wenige frei geworden. . . .
Im Jahr 1976 lernte ich den Theologiestudenten Ben Maree kennen, der 1977 wieder in mein Gesichtsfeld trat. Er ist inzwischen Pastor einer reformierten Kirche geworden, in der ich zweimal gepredigt habe. Ben Maree ist erst ein halbes Jahr im Amt und hat darum noch keine große Erfahrung in der Seelsorge.
Während meines Aufenthaltes in Kapstadt rief er mich an und bat um meine Hilfe bei der Betreuung eines Satanisten. Ich lehnte zuerst ab mit dem Hinweis, daß damit gewöhnlich schwere Kämpfe verbunden sind. … Ben Maree bat aber so inständig, daß ich schließlich erklärte: „Ich will nur als Berater dabei sein. Den Kampf übernehme ich nicht.“ So war es geplant. Es kam aber anders.
Unsere Zusammenkunft war am 1. August 1977. Anwesend waren der Pastor Ben Maree, ein weiterer Bruder und ich. Zwei Frauen waren in einem anderen Zimmer und beteten.
Der Satanist heißt Samuel, 48 Jahre alt, verheiratet, keine Kinder. Er war bereits 18 Monate in den Versammlungen der Satanisten im Hottentottengebirge. Schon zu Beginn hatte er seine Bibel mitbringen und verbrennen müssen. Er hatte auch das Versprechen abzugeben, nie mehr eine Kirche zu besuchen. Als Fetisch erhielt er einen präparierten Katzenkopf mit der Anweisung, ihn stets bei sich zu tragen. Man drohte ihm auch, er müsse sterben, wenn er den Fetisch verlieren oder vernichten würde. In der Gemeinschaft mit den Satanisten entwickelten sich bei Samuel okkulte Fähigkeiten. Er konnte Geister sehen, hören und mit ihnen sprechen. Diese Fähigkeiten hatte er vorher nicht besessen.
Die Frau Samuels war gegen seine Besuche bei den Satanisten. Sie fürchtete sich davor. Samuel selbst merkte allmählich, daß sein Umgang mit den Satanisten ihn veränderte. Es wurde ihm langsam unheimlich, und er begann, die reformierte Kirche von Ben zu besuchen.
Die Satanisten merkten das sofort, denn viele von ihnen haben ebenfalls okkulte Kräfte. Als Samuel eines Morgens sich rüstete, um den reformierten Gottesdienst zu besuchen, stand der Pfarrer in seiner Amtsrobe vor ihm und sagte: „Komme nicht in meine Kirche.“ Daraufhin unterließ Samuel den Kirchenbesuch. Dieses Erlebnis wiederholte sich an drei Sonntagvormittagen.
Als Pastor Ben Maree von diesen Erscheinungen erfuhr, erklärte er Samuel: „Ich kann zu dieser Zeit nicht in deiner Wohnung gewesen sein. Das war ja jeweils kurz vor Beginn des Gottesdienstes. Da saß ich in der Sakristei und bereitete mich vor.“ Ben bat dann Samuel: „Wenn du wieder eine solche Erscheinung hast, rufe mich sofort an, dann bekommst du den Beweis, daß ich nicht in deiner Wohnung bin.“
Bei diesen drei Erlebnissen handelt es sich um Transfigurationen, wie wir es bei starken spiritistischen Medien finden und dann auch bei den Satanisten. Es gibt ein Kapitel darüber in meinem Buch „Okkultes ABC“. Es kann hier nicht darauf eingegangen werden. Der Sachverhalt war klar, die Satanisten wollten den Kirchenbesuch Samuels verhindern, was ihnen auch gelungen ist.
Pastor Maree lud dann Samuel zu einer Seelsorge ins Pfarrhaus ein. Samuel wehrte ängstlich ab: «Die Satanisten bringen mich um, wenn ich den Versuch mache, mich völlig von ihnen loszusagen.«
In der Tat ist das bei den Satanisten die Gepflogenheit, ehemalige Kameraden zusammenzuschlagen oder gar umzubringen, wenn sie ausscheren. Ich habe einige Beispiele dazu. . . .
Die Angst von Samuel war also begründet. Darum bot ihm der Pastor an, ihn in seiner Wohnung abzuholen. Das geschah an dem angegebenen Termin am 1. August 1977. Als Samuel das Pfarrhaus betreten hatte, erklärte er: „Vor dem Pfarrhaus standen Gestalten in schwarzen Roben mit roten Augen. Sie drohten mir, das Pfarrhaus nicht zu betreten … «. – Der Pastor selbst hatte nichts gesehen.
Dann saßen wir drei Männer mit Samuel im Studierzimmer des Pfarrers zusammen. Ich führte das seelsorgerliche Gespräch. Wir kamen bis zum Lossagegebet. Samuel konnte es weder nachsprechen noch es von einem Zettel ablesen. Er würgte, griff sich ans Herz vor Schmerzen und erklärte: „I am a dying man, they kill me = ich bin ein sterbender Mann. Die bringen mich um.«
Plötzlich beobachtete der dritte Bruder, wie Samuel etwas aus der Tasche holte. Es war in sein Taschentuch gewickelt. Der Pastor forderte ihn auf, es herauszugeben. Es war sein Fetisch, der Katzenkopf. Samuel war bereit, daß wir ihn sofort verbrannten. Er wurde im Hof mit einem Hammer zerschlagen und dann verbrannt.
Die Seelsorge ging weiter. Samuel konnte jetzt das Lossagegebet nachsprechen. Plötzlich schaute er mich an und erklärte: „Hinter Ihnen steht ein Dämon, eine weiße Gestalt mit einem schwarzen Gesicht.“ Wir beteten sofort alle drei, und ich gebot im Namen Jesu diesem Dämon zu weichen. In der Tat verschwand er nach einigen Minuten. Samuel erklärte „Er ist weg“. Unser seelsorgerliches Gespräch ging weiter.
Da wurde Samuel wieder voll Angst und sagte: „Er ist wieder da und hat einen zweiten mitgebracht. Der ist seine Verstärkung.“ Wieder geboten wir im Namen Jesu und rühmten die Kraft des Blutes Jesu und den Sieg von Golgatha. Samuel erklärte, es müsse noch etwas im Raum sein, was den beiden Dämonen das Recht gibt, hier zu sein. Der Pastor dachte nach. Da griff er auf ein Regal und holte ein weißes Gewand herunter. Es war das Taufgewand, in dem Samuel am nächsten Tag in der Satanskirche getauft werden sollte. Als der Pastor es ausbreitete, fielen auch einige Fetische heraus. Samuel erklärte: „Der erste Dämon steht jetzt mitten in dem Taufgewand.“ Wir fragten Samuel, ob er damit einverstanden sei, daß wir es sofort verbrennen. Er bejahte. Der ganze Teufelskram wurde dann im Hof verbrannt. Samuel fühlte sich erleichtert. Wir sprachen weiter, und ich erläuterte Punkt für Punkt, was zur Befreiung gehört. (In dem Buch „Okkultes ABC“ gab ich 20 Punkte an.) Ich bat dann Pastor Maree, das Lossagegebet zu sprechen.
Stück für Stück wurde es Samuel leichter ums Herz. Die große Angst war gewichen. Ganz ruhig war er aber noch nicht. Er sagte plötzlich: „Es muß noch etwas hier sein, was die geistliche Atmosphäre beeinträchtigt.“ Der Pastor suchte nach und fand einige okkulte Zeitschriften, die dann ebenfalls verbrannt wurden.
Das alles und noch mehr spielte sich am Vorabend der geplanten Taufe in der Satanskirche ab. Wir fragten Samuel, wie sich eine solche Taufe in der Satanskirche abspiele. Er erklärte, man müsse Katzenblut trinken, dann wird der ganze Körper mit Öl gesalbt, danach zwei Stunden Ruhe, und zuletzt folgen dann die Zeremonien, unter denen ein Anwärter in die Satanskirche aufgenommen wird.
Es ist nicht unwichtig zu berichten, daß der Pastor monatelang unter Kopfweh litt, seit das Taufgewand Samuels sich in seinem Studierzimmer befand. Viele junge oder unerfahrene Pastoren wissen nicht, daß man keine okkulten Gegenstände wie Fetische, Amulette, Teufelsmasken, gebrauchte Götzenfiguren, Buddhastatuen und okkulte Literatur im Hause aufbewahren soll, auch nicht zu Studienzwecken.
Das sind stets Kristallisationspunkte für finstere Mächte, wie die vorliegende Seelsorge zeigt.
Pastor Maree hat übrigens die Polizei um Schutz gebeten, weil Satanisten ihre Drohungen wahr machen und ein ehemaliges Mitglied verfolgen, schädigen, schlagen, ihm das Haus anzünden oder es töten können.
Samuel hat an diesem Abend auch seine Sünden gebeichtet und sich ganz unter den Schutz Jesu gestellt. Ich machte dem Pastor klar, daß er für einen einsatzfähigen Gebetskreis sorgen müsse, weil Mitglieder der Satanskulte auch nach ihrer Befreiung oft in Gefahr geraten.
Pastor Ben Maree hat sich in treuer Weise Samuels angenommen. Samuel kommt dreimal in der Woche zu ihm ins Pfarrhaus, wo ein kleiner Gebetskreis sich seiner annimmt, und er besucht ebenfalls treu die Gottesdienste. – „Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus“  (1. Kor. 15,57).

2. Zuluzauberei und Umsessenheit . . .

3. Der Filipino
In Luthers Lieblingspsalm 118,15 lesen wir: „Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten. Die Rechte des Herrn behält den Sieg.“
Auf keinem Gebiet der Seelsorge wird der Sieg Jesu so offenbar wie in der Auseinandersetzung mit Besessenen.
In Kurzform soll hier ein Erlebnis berichtet werden, das ich schon in dem Buch „Unter der Führung Jesu“ auf den Seiten 250 bis 265 veröffentlicht habe.
Dreimal weilte ich auf den Philippinen. Eine Einladung von Dr. Hillis, dem Präsidenten der Oversea Crusades war die Ursache des Besuches gewesen. Diese Mission hatte für mich ein großes Programm organisiert. Ich sprach an der Universität in Manila . . . Eine herausragende Erfahrung soll wiederholt werden.
Am theologischen Seminar sprach ich eine ganze Woche. An einem Freitagmorgen kam um acht Uhr ein Seminarist zu mir und klagte: „Ich habe solches Kopfweh und fühle mich so übel. Bitte beten sie mit mir.“ Als ich dem Wunsche des jungen Mannes nachkam, fiel er vom Stuhl und sank bewußtlos zu Boden. Mir sind derartige Reaktionen bei vielen seelsorgerlichen Aussprachen mit Besessenen bekanntgeworden. Dr. med. Alfred Lechler bezeugt in seinem Buch „Der Dämon im Menschen“ auf Seite 57 den gleichen Tatbestand. Er schrieb: „Der Besessene wird vom Teufel in einen vorübergehenden Dämmerzustand versetzt, damit er die Worte des Seelsorgers nicht hören und auf diese Weise nicht mitbeten kann.“
Trotz der Bewußtlosigkeit des Filipino betete ich weiter. Da kam der Direktor in den Raum, weil er den Sachverhalt ahnte. Der junge Mann war tags zuvor schon in dessen Seelsorge gewesen. Als er den Schüler bewußtlos am Boden liegen sah, verständigte er noch einige gläubige Lehrer, damit wir zusammen einen Gebetskreis bildeten. Bei dem gemeinsamen Gebet sprachen plötzlich fremde Stimmen aus dem Besessenen. . . .
Ein Lehrer fragte dann die Stimme: „Wie heißt du?“ . . . Nach dieser Frage antwortete eine grobe, derbe Männerstimme: „Rakrek.“ Der Lehrer fragte weiter: „Im Namen Jesu, offenbare dich. Wo kommst du her?“ „Aus der Mandschurei!“ „Was treibst du hier in unserer Schule?“ „Wir wollen Don umbringen. Er hat den Kommunismus verraten.“
Vor seiner Bekehrung war Don Juan kommunistischer Untergrundkämpfer gewesen, die den Umsturz der Regierung und die Machtübernahme durch die Kommunisten anstrebten.
Bei diesem Bekenntnis antwortete der Lehrer: „Du kannst Don nicht umbringen. Er ist erlöst durch Christus.“ Der Geist schäumte und tobte und stieß zwischendurch ein grässliches Lachen aus.
Einer der Lehrer fragte die Stimme: „Wie viel seid ihr?“ Die Antwort lautete: „We are 50 demons.“ Dann gebot er im Namen Jesu diesen Dämonen, auszufahren und den Bereich des Seminars zu verlassen.
Die Dämonen stießen ein furchtbares Geheul aus und schrien: „Wir gehen nicht fort. Wir haben hier eine Aufgabe. Ihr habt eine gute Schule. Wir wollen euch den Modernismus und Liberalismus bringen. The modernists and liberalists are our companions = die Modernisten und Liberalisten sind unsere Genossen.“ – Ich wollte, alle modernen Theologen hätten das gehört.
Man kann geteilter Meinung sein, ob man die Dämonen befragen darf. Ich selbst pflege das nicht, außer der Frage nach dem Namen. Und doch hatten die Fragen dieser amerikanischen Missionare eine gute Auswirkung. Ein Psychiater, der gerufen worden war, schrieb sich die detaillierten Angaben des Mordplanes auf und verständigte den Sicherheitsdienst. Man darf ja nicht vergessen, daß hier nur stark verkürzt berichtet wird. Ferner wurde die Schule gewarnt, daß einige Modernisten, die mit Namen genannt wurden, dabei waren, sich in den Lehrkörper eingliedern zu lassen. Der Direktor bekam dadurch die Chance, sich diese Leute vom Halse zu halten.
Die Seminarleitung gab sich alle Mühe, diesen ersten Besessenheitsfall für die spätere Auswertung festzuhalten. Der Direktor stellte ein Bandgerät auf. . . Ferner war ein gläubiger Psychiater und ein Psychologe verständigt worden. Beide Fachleute erklärten, daß das weder eine Psychose noch eine Hysterie sei, sondern eine Besessenheit. Es zeigten sich bei Don Juan Symptome, die bei Erkrankungen nicht auftreten, sondern sich nur bei Besessenheit zeigen. Dazu gehören Hellsichtigkeit, Resistenz gegen geistliche Betreuung, Haß gegen die Bibel und gegen den Namen Jesu und übernatürliche Kräfte. Don mußte oft von sechs Studenten gehalten werden.
Der eindeutige Beweis gegen alle psychiatrischen Erklärungen ist das Verständnis oder das Sprechen von Fremdsprachen, die der Besessene nie gelernt hatte. Es waren ja zuletzt acht oder neun Akademiker da, die alle verschiedene Sprachen sprechen. Ich selbst habe in meiner Jugend sechs Fremdsprachen gelernt. Don sprach nur seine heimatliche Sprache Filipino und Englisch. Einmal wurde ihm ein Bibelvers in Russisch gesagt, da antwortete er fließend auf russisch. Gebrauchte ich europäische Sprachen, dann verstand er sie auch. Die verschiedenen Lehrer und ich wechselten uns in der Seelsorge ab, weil der Kampf so lange dauerte.
Als ich mich im Gebet an Don Juan wandte, schrie plötzlich eine Stimme aus ihm:
„Dr. Koch, you tormented us in France, your tormented us in Switzerland, now you torment us in the Philippines. Leave us alone.“ – „Dr. Koch, du hast uns in Frankreich gequält, du hast uns in der Schweiz gequält, jetzt quälst du uns auf den Philippinen. Lasse uns in Ruhe.“
Ich war überrascht, daß die Dämonen von meiner Arbeit in Frankreich und in der Schweiz wußten. Ein andermal fauchte er mich an.
„Dr. Koch, you have destroyed by your books some of our companions in Europe. Are you not yet satisfied. Leave us alone.“
„Dr. Koch, du hast durch deine Bücher in Europa einige unserer Kameraden vernichtet. Bist du nicht zufrieden damit. Lasse uns in Ruhe.“
Nie in meinem Leben wäre mir der Gedanke gekommen, daß durch meine antiokkulten Bücher Dämonen vernichtet worden wären. Ich brauche diese Anerkennung meiner Arbeit durch die Dämonen nicht. Mehr denn je wurde mir es aber zu einem großen Anliegen, den Sieg Jesu über die finsteren Mächte zu bezeugen. Ich merkte bei diesen Ausrufen auch, wie sehr die finsteren Mächte den Namen Jesu und die Boten Jesu fürchten.
Um der Kritiker willen erkläre ich noch einmal, daß ich selbst keine Fragen an die Dämonen stellte. Sie redeten aber mich an. In einer Kampfesphase wurde ich wieder angegriffen. Ein Dämon schrie:
„Dr. Koch, with the strongest hypnosis of Sumatra fall asleep. With the most powerful black magic of Tibet I kill you.“ – „Dr. Koch, mit der stärksten Hypnose von Sumatra schlafe ein. Mit der mächtigsten schwarzen Magie von Tibet töte ich dich.“
In diesem Fall bezeugte ich den Schutz Jesu und antwortete:
„I stand under the protection of the blood of Jesus Christ, I laugh at your threats. You are a ridiculous boy, you have nothing to offer.“ – „Ich stehe unter dem Schutz des Blutes Jesu Christi. Ich lache über deine Drohungen. Du bist eine lächerliche Figur. Du hast nichts anzubieten.“
Ohne zu überlegen, war mir das herausgefahren. Ich habe es nicht bereut. Der Dämon war wieder wütend und schrie: „Lache nicht über mich.“
Entscheidend wichtig wurde mir bei dieser Seelsorge die eschatologische Bedeutung dieses Kampfes. Die Dämonen ließen ihre vermehrte Aktivität in unserer Zeit durchblicken und erklärten:
„The Lord is soon coming in glory with his holy angels, give us more time, give us more time. His coming is our end.“ – „Der Herr kommt bald in Herrlichkeit mit seinen heiligen Engeln. Gebt uns mehr Zeit, gebt uns mehr Zeit! Sein Kommen ist unser Ende.“
Man verstehe mich nicht falsch. Wir brauchen nicht die Prophezeiungen der Dämonen über das Kommen des Herrn. Wir haben dafür die Prophetie der Bibel. Aufschlussreich ist aber, daß die Dämonen eine bessere Theologie als die Modernisten haben. Die Dämonen kennen Jesus und wissen um sein baldiges Kommen. Die Modernisten aber leugnen die Gottessohnschaft Jesu und seine Wiederkunft.
20 Stunden hätten eigentlich für uns sehr ermüdend sein sollen. Aber wir waren erfüllt von dem Bewußtsein der Gegenwart Jesu. Nach und nach sind auch viele Studenten in den Raum hereingekommen und bildeten Gebetsgruppen. Es wurde 20 Stunden lang von irgendeiner Gruppe gebetet. Zwischendurch sangen wir Glaubenslieder. Einer der Lehrer stimmte das Lied an: Jesus ist der schönste Name … Oft schmetterten wir in den großen Raum:
Would you be free from the burden of sin
there is power in the blood, power in the blood
Would you over evil a victory win
there is wonderful power in the blood.
Willst du frei sein vom Banne der Sünd’
es ist Kraft in dem Blut, Kraft in dem Blut;
willst du über das Böse den Sieg gewinn’
da ist wundervolle Kraft in dem Blut.

Je länger der Kampf dauerte, desto mehr erfüllte uns eine Siegesgewissheit. Wir waren völlig überzeugt, daß der Endsieg des Herrn ist. Wir haben oft im Namen Jesu geboten und bemerkten dabei, daß immer etwas von Don Juan ausfuhr. Endlich, nach einem letzten Gebieten, war der Bann gebrochen. Don kam wieder zum Bewußtsein, fing an zu weinen und zu beten. Da er 30 Stunden nichts mehr zu sich genommen hatte, bat er um Nahrung.
Ein Jubel brach in unseren Reihen auf. 30 Brüder haben das miterlebt. Wir sangen ein Glaubenslied nach dem anderen. Juan sagte sich von allen Mächten der Finsternis los und übergab aufs neue sein Leben dem Herrn. Der Höhepunkt seines Zeugnisses war, daß er sagte. „Ich habe nie gewusst, daß Jesus eine solche Liebe zu uns hat.“ Er gab immer wieder dem Herrn die Ehre für seine Befreiung. Er hat keine Erinnerung an das, was geschehen war. Auch das Gefühl für die Zeit hatte er verloren. Er machte erstaunte Augen, als ich ihm sagte: „Wir waren nun 20 Stunden mit dir zusammen und beteten für dich.“ Er hat auch nicht die geringste Ahnung, was die Dämonen aus ihm gesprochen hatten. Einiges berichteten wir ihm, um ihm seelsorgerlich zu dienen. Juan erklärte dann, er wolle am nächsten Morgen noch etwas ins Reine bringen. Am anderen Morgen ist das geschehen.
Im Zusammenhang mit diesem Erlebnis sind mir schon viele Fragen gestellt worden. Wie konnte es kommen, daß Don Juan besessen wurde?
Darüber müßte ich ein neues Kapitel schreiben. Hier nur einige Hinweise. Don erzählte mir, daß alle seine Vorfahren aktive Zauberei getrieben hatten. 300 Jahre zurück konnte er das durch die mündliche Tradition feststellen. In all den Jahrzehnten, in denen ich es mit Besessenen zu tun hatte, beobachtete ich die große Häufigkeit, daß aktive Zauberei, die Generationen hindurch betrieben wird, zu Besessenheitsfällen führt.
Ein zweiter Hinweis ist, daß Don Juan bei einem Extremisten zum Glauben gekommen war, der über Geistesgaben falsche Lehren verbreitete. Don war davon beeinflußt worden.
Ein dritter Grund für die Besessenheit war die mangelnde Hingabe seines Lebens und Willens an den Herrn Jesus. Auf die Frage eines Lehrers antworteten die Dämonen: „Wir machten ihn besessen, weil er keine völlige Hingabe an seinen Herrn vollzog.“
Das ist eine Warnung für uns, daß eine unvollständige Hingabe an Jesus dem Feind die Türen öffnet. Es waren also drei Hauptursachen, daß er trotz seiner Bekehrung besessen wurde:
Aktive Zauberei durch Generationen hindurch „der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied“;
ferner die geistliche Erneuerung unter extremen Vorzeichen und drittens die Kompromisse, die nicht vollständige Auslieferung des Lebens an Jesus.
Beachten müssen wir auch, daß er trotz seiner Bekehrung besessen war. Es gibt ja viele Christen, die meinen, einem Gläubigen kann vom Erzfeind nichts mehr passieren. Es darf der Hinweis nicht vergessen werden, daß die Tonbänder einige Monate nach der Auswertung vernichtet wurden. Die Schulleitung wollte nicht die Dokumente dämonischer Tätigkeit in ihrer Bibliothek haben.
Der Psychiater Dr. med. A. Lechler, jahrzehntelang Chefarzt der Hohe Mark, hat in seinen beiden Büchern „Der Dämon im Menschen“ und „Krankheit oder Dämonie“ auf dieses Beispiel hingewiesen und gesagt: „Sehr aufschlussreich ist die Beschreibung eines Besessenen in dem Buch von Dr. Koch “Unter der Führung Jesu”. Diesen Fall halte ich für einen einwandfreien Beweis für die Wirklichkeit der Dämonie.“

4. Schwester Maria
1953 kam mein wissenschaftliches Buch heraus „Seelsorge und Okkultismus“. Dieses Buch brachte mir Einladungen zu Vorträgen an Universitäten auf allen Kontinenten. Eine Einladung, über die ich besonders erfreut war, kam im Herbst 1953 von Prof. Hans Bender, der an der Universität Freiburg einen Lehrstuhl innehatte und nun emeritiert ist. Bender ist als Parapsychologe in der ganzen Welt bekannt und anerkannt. Er hatte mich gebeten, ein Referat über die Besessenheit zu halten.
Nach meiner Ankunft in Freiburg hatte ich ein beklommenes Gefühl. Vor mir saßen keine Studenten, sondern nur Fachleute auf dem Gebiet der Parapsychologie und andere Akademiker: Psychologen, Ärzte. . . . Als Diskussionsredner war Professor Bender da und ein Professor der psychiatrischen Klinik. Ich wünschte, ich hätte das vorher gewusst, dann hätte ich mich noch besser vorbereitet.
Nach meinem Referat schilderte der Psychiater die Geschichte einer Patientin, deren Namen er mit Maria angab. Sie war von einem Bischof in die Klinik eingewiesen worden. In dem Begleitschreiben stand, Maria sei besessen. Der Professor war über diese Diagnose ungehalten. Er sagte offen in unserer Gegenwart: „Wie kann ein Nichtmediziner, aber doch geistig hochstehender Mann, einen Krankheitsfall so diagnostizieren!“ Dann trug der Psychiater den Krankheitsbefund vor. Neben dem Erlebnis von Don Juan war es die aufschlussreichste Besessenheitsgeschichte, die ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Vor allem ist dieser Fall beweiskräftig, weil Fachleute aller Disziplinen sich damit befaßt haben: Psychiater, Chefärzte, Psychologen, Parapsychologen, Bischöfe und Jesuiten und ich als der geringste, ein evangelischer Theologe.
Der gebotene Stoff ist so reichhaltig, daß wir systematisch alles ordnen und aufzählen müssen. Maria war während des Krieges eine tüchtige Krankenschwester. In ihrem Leben zeigten sich Symptome, die mir durch die Seelsorge an okkult Belasteten alle geläufig sind. Wir zählen auf.

1. Schwester Maria war hochmedial veranlagt. Das zeigte sich schon vor dem Krieg. Vier Wochen vor der Katastrophe des Zeppelins in Lakehurst in USA erklärte sie: „Ich sah eine Stichflamme. Der Zeppelin wird explodieren.“ Während des Krieges, als sie noch von dem Bischof in Trier betreut wurde, prophezeite sie, daß eine Kirche in Trier zerbombt werden würde. Das Kruzifix würde aber stehen bleiben. Genau so ereignete es sich später. Als ihr Bruder im Einsatz war Maria wußte das nicht , sagte sie eines Tages ihrem Seelsorger: „Mein Bruder ist durch einen Kopfschuß getötet worden.“ Vier Wochen später kam dann diese Nachricht. Pfarrer Horkel nennt das Nekroskopie und meint, das sei eine Naturgabe oder eine Gabe von Gott.

2. Bei jeder intensiven geistlichen Betreuung durch das Wort Gottes und Gebete fiel sie in Trance. Das habe ich in vielen Jahren bei Besessenen genauso erlebt. In der Trance sprachen Männerstimmen aus ihr, die sich meist als sieben Geister ausgaben. Sie nannten sich Kam, Pilatus, Herodes, Barrabas, Nero, Beelzebub, Luzifer. Assistenzärzte in der Psychiatrischen Klinik in Freiburg haben diese Stimmen auf Tonband aufgenommen. Der Professor hat diese Bänder bei unserem Treffen ablaufen lassen. Wenn Schwester Maria aus der Trance wieder das normale Bewußtsein erlangte, wußte sie nichts von dem, was vorgefallen war. So haben wir es auch bei Don Juan gehört.

3. Schwester Maria wurde manchmal von unsichtbaren Mächten geschlagen. Striemen wurden sichtbar, die von den Assistenten des Psychiaters fotografiert wurden. Der Professor nannte das psychogen bedingte Dermographismen (seelisch bedingte Hautveränderungen). Eines Tages wollte eine Schwester Maria beschützen, als sie geschlagen wurde. Die Schwester legte ihre Arme um Maria. Da bekam die mitleidige Schwester die Schläge. Der Professor nannte das psychische Induktion (seelische Übertragung). Eine Friseuse, die Maria die Haare machte, erhielt eines Tages auch solche Schläge. Die Friseuse rannte davon und schrie: „Das ist eine Hexe.“ – Schwester Maria war keine Hexe, sondern ein übel geplagtes Menschenkind.

4. Es stellten sich auch andere Quälereien ein. Der Psychiater berichtete, daß Maria manchmal aufschrie und erklärte, daß eine große Schlange sie schier erdrücke. An ihrem Körper zeigten sich Schlangenwindungen, die wiederum von Assistenzärzten fotografisch festgehalten wurden. Der Psychiater hatte diese Aufnahmen zu unserer Diskussion mitgebracht. Einmal sprang ihr eine schwarze Katze ins Gesicht, die für andere nicht sichtbar war. Maria hatte daraufhin Krallenspuren im Gesicht. Ihre Haut war aufgerissen. Der behandelnde Arzt hat das in ihrer Krankengeschichte festgehalten.

5. Typisch für derartig Kranke oder Belastete sind die Selbstverletzungen. Maria brachte sich mit einem Rasiermesser große Wunden bei, bis 8 cm lang und 2,5 cm tief. Schon diese Tatsache spricht gegen Hysterie, weil Hysteriker bei allem, was sie inszenieren, auf sich aufpassen. Die Wunden heilten sehr rasch. Sie kam selbst bei schwersten Selbstverstümmelungen ihrer Arbeit nach.
Mir ist dieser Vorgang vor allem in Ostasien demonstriert worden. Bei den Prozessionen der Hindus stecken sich die teilnehmenden Jogi Bambusstäbchen, Nägel oder Messer durch die Wangen, Schläfen, Augenbrauen oder durch den Unterarm. Die Prozessionen dauern sechs bis acht Stunden. Die Jogi empfinden dabei keine Schmerzen. Die Wunden heilen rasch und ohne Komplikationen. Ich habe in anderen Büchern darüber berichtet.
Manchmal trank Maria eine starke Dosis Gift, ohne daß ihr das geschadet hätte. Auch das habe ich beim brasilianischen Spiritismus erlebt. Man verstehe mich nicht falsch. Ich habe nie in meinem Leben an spiritistischen Sitzungen teilgenommen. Ich kenne diese Gebiete durch die Seelsorge.

6. Ein Merkmal, das ich bei allen Besessenen regelmäßig beobachtete, ist die Resistenz gegen alles Göttliche. Bei Maria war es so, daß sie gegen alles Heilige einen großen Widerwillen empfand. Bibel und das Kreuz waren ihr ein Greuel. Sie konnte mit unflätigen Ausdrücken über alles reden, was die Kirche betraf.

7. Das stärkste Symptom, mit dem man klar zwischen einer Psychose (Geisteskrankheit) und einer Besessenheit unterscheiden kann, ist das Verständnis nicht erlernter Fremdsprachen. So war es bei Don Juan auf den Philippinen, und so hörte ich es bei Schwester Maria. Sie wurde lateinisch, englisch, französisch, italienisch, griechisch und hebräisch angesprochen und gab sinngemäß in deutsch Antwort. Natürlich war ihr das nur in der Trance möglich, wenn die in ihr wohnenden Geister in Aktion waren. – Im Rituale Romanum wird das ebenfalls als Symptom der Besessenheit angesehen.

8. Eine andere Fähigkeit, die Schwester Maria in der Trance zeigte, war der Einblick in das Leben anwesender Menschen. Sie konnte manchen gewisse Sünden auf den Kopf zusagen.
Ich habe das auch in meiner Seelsorge erlebt. Es war in Frankreich. Zusammen mit anderen Seelsorgern betreute ich eine besessene Frau. Plötzlich sprang sie auf, packte einen Pastor am Kragen und schrie ihn an: „Du Heuchler, bringe dein eigenes Leben in Ordnung, bevor du anderen helfen willst.“ In einem deutschen Fall hielt ein Besessener einem Pfarrer vor: „Du hast gestohlen.“ Es stimmte tatsächlich. Der Pfarrer antwortete: „Du hast die Hauptsache vergessen, daß ich das in Ordnung gebracht habe und von Gott Vergebung erhielt.“
Bevor Maria in die Psychiatrische Klinik nach Freiburg kam, war sie von verschiedenen Ärzten betreut worden. Ein Dortmunder Chefarzt, der große Erfahrung mit Hysterikern hat, beobachtete Schwester Maria und nahm eingehende Untersuchungen vor. Er meinte, er könnte Maria als Hysterikerin überführen. Er täuschte sich. Er mußte zuletzt zugeben, daß das Krankheitsbild von Maria nicht in medizinische Kategorien einzuordnen ist.

9. Ein letzter Punkt sei erwähnt. Als ein Dämon, der sich Beelzebub genannt hatte, ausfuhr, war ein schwefelartiger Geruch wahrzunehmen. Dieses Phänomen wurde mir gelegentlich auch von Spukhäusern berichtet.
Das alles waren die hauptsächlichsten Punkte und Merkmale in der Krankengeschichte der Maria.

Der Freiburger Psychiater fragte nach der langen Diskussion die beiden katholischen Theologen: „Meine Herren, was sagen Sie dazu?“ Die beiden Jesuiten antworteten: „Ein klarer Fall von Besessenheit.“ Der Psychiater antwortete erregt: „Für einen Wissenschaftler gibt es keine Besessenheit, sondern höchstens einen Fall schwerer Hysterie. Mir ist aber bis jetzt ein derartiger Fall nicht vorgekommen.“
Dann wandte sich der Psychiater an mich und stellte die gleiche Frage wie den Jesuiten. Ehe ich antwortete, stellte ich die Gegenfrage: „Hat sich Schwester Maria mit Spiritismus oder der Magie abgegeben?“ Die Frage wurde bejaht. Dann gab ich meiner Überzeugung Ausdruck und erklärte: „Die Symptome sind klar. Sie lassen sich nicht psychiatrisch deuten. Es ist Besessenheit.“ Später erfuhr ich noch, daß Schwester Maria sich auch mit ihrem Blut dem Teufel verschrieben hatte. Blutspakte sind furchtbare Bindungen, auch wenn die Modernisten darüber lächeln. Sie lachen darüber, weil es dem Teufel gelungen ist, die Rationalisten von seiner Nichtexistenz zu überzeugen.
Mit schwerem Herzen fuhr ich von diesem Freiburger Colloquium heim. Was nützt eine klare Diagnose, wenn keine Seelsorger mit geistlicher Vollmacht da sind, die dem hart bedrängten Menschenkind im Auftrag Gottes helfen dürfen? Schwester Maria ist katholisch. Katholische Exorzisten kümmerten sich um sie. Der Ausgang dieses Seelsorgefalles ist mir nicht bekannt.

II. AUSSAGEN DER BIBEL

1. Symptome der Besessenheit
In den seelsorgerlichen Beispielen, die in diesem Buch berichtet sind, tauchten bereits viele Symptome einer Besessenheit auf, die wir auch in dem biblischen Bericht von dem besessenen Gadarener in Markus 5,1 20 vorfinden.
Liberalen und modernen Theologen ist die Gadarener Geschichte ein unechter Einschub in das Evangelium oder ein religiös umfunktionierter Volksschwank vom geprellten Teufel. Für Bultmann ist der Bericht ein Greuel.
Für mich ist dieser Gadarenerbericht in allen Stücken echt genauso wie die anderen Geschichten der Bibel. In jahrzehntelanger Seelsorge habe ich alle Details dieses Berichtes wieder erlebt. Der Text bietet uns authentisches Material zum Problem der Besessenheit. Wir müssen zum besseren Verständnis die Symptome der Reihe nach andeuten:

1. Jesus machte einen Vorstoß in das heidnische Gebiet der Gadarener und gibt auf dieser Tour seinen Jüngern eindrucksvolle Instruktionen, was sie später bei einem missionarischen Einsatz unter den Heiden antreffen können. Darüber hinaus erhalten die Missionare der beiden Jahrtausende Anschauungsmaterial für ihren oft schweren Dienst.
Ein Heide, der sich auf den Friedhöfen zwischen den Grabhöhlen herumtreibt, kommt Jesus entgegen. Wir haben hier das Milieu der Verwesung, des Todes, der Hoffnungslosigkeit, in dem sich der Besessene aufhält. Besessene Menschen tragen alle ein Stück dieser Unheimlichkeit mit sich herum. Nicht die Tendenz zum Leben, sondern die Ausrichtung auf den Tod kennzeichnet ihren Zustand.

2. Der Gadarener ist von einem unreinen Geist beherrscht, bewohnt. Damit ist nicht gemeint, daß sein menschlicher Geist unrein geworden ist. Das ist auch der Fall. Zu verstehen ist dieser Ausdruck, daß eine fremde Wesenheit, ein unreines Geistwesen, ein Dämon von ihm Besitz genommen hat.
Der Psychiater Dr. Lechler sagt in seinem Buch „Der Dämon im Menschen“, Seite 53: „Die Besessenheit ist eine furchtbare Wirklichkeit. Die Finsternismächte sind teils Dämonen, d. h. frühere Engel, ,Satansengel’ (2. Kor. 12,7) die mitsamt ihrem Herrn von Gott abgefallen sind (Luk. 10,18; 2. Petr. 2,4; Judas 6), teils unsaubere Geister, die zu ihren Lebzeiten eine Bindung mit Satan eingegangen waren”. Auf den letzten Punkt kommen wir später zurück.
Hier steht der Psychiater dem biblischen Sachverhalt näher als der Theologe und Missionsdirektor Vicedom von Neuendettelsau. Vicedom und ich waren zu Vorträgen in den Hamburger Michel eingeladen. In meiner Gegenwart sagte dieser Koreferent: „Die Dämonen sind das Übermenschliche und das Untermenschliche in uns.“ Haben die von ihm ausgebildeten Missionare diese Irrlehre mit auf die Missionsfelder hinausgenommen?
Pastor Heitmüller, der damals noch lebte, protestierte und erklärte öffentlich: „Die Dämonen sind weder das Übermenschliche noch Untermenschliche in uns, sondern außermenschliche Wesenheiten.“
Uns gilt die Bibel und nicht der von den Holzwürmern der modernen Theologie angeknabberte Verstand vieler Theologen.

3. Ein weiteres Merkmal der Besessenheit ist die übernatürliche Kraft des Gadareners. „Niemand konnte ihn binden, auch nicht mit Ketten“, sagt unser Text.
Das Rituale Romanum nennt drei bis vier Merkmale der Besessenheit: übernatürliche Kraft, Wissen um verborgene Dinge, Kenntnis nicht erlernter Sprachen, Opposition gegen alles Göttliche.
In dem Beispiel von Don Juan wurde gesagt, daß sechs Studenten ihn halten mußten. Schwester Maria hat auch einmal zwei Männer herumgewirbelt.
Auf diesem Gebiet gibt es auch Parallelen in den psychiatrischen Anstalten. Manche Patienten entwickeln in einem Tobsuchtsanfall ungeheure Kräfte. Allerdings ist hier einzuwenden, daß sich in unseren Nervenheilanstalten Besessene und okkult Belastete befinden, die eben von ihren Ärzten anders diagnostiziert werden. Ich hatte in den vergangenen Jahrzehnten gute Verbindung mit gläubigen Psychiatern, die der Meinung sind, daß ein Teil der Insassen der Heilanstalten keine Geisteskrankheiten haben, sondern dämonisiert oder besessen sind.

4. Das vierte Kennzeichen der Besessenheit im Gadarenertext ist die Selbstzerfleischung, der Selbstzerstörungstrieb. Der Gadarener schlug sich mit Steinen.
Bei Schwester Maria war das ein ausgeprägtes Symptom. Sie hat sich oft große Wunden beigebracht. Ich bin im Ausland, z. B. in Liberia, Menschen begegnet, die man fesseln mußte, weil sie sonst viel Unheil anrichteten.
Ein Beispiel aus der Schweiz. Ein junger Mann mußte mit Ketten an sein Bett gebunden werden, weil er in seiner Besessenheit mit dem Messer sich selbst oder seine Mutter damit verletzen wollte. Man hatte den jungen Mann mir einmal ins Haus gebracht. Ich lehnte seine Betreuung ab, weil es mir zeitlich und kräftemäßig unmöglich ist, alle Menschen, die man mir bringen will, zu betreuen. Ich verwies diesen jungen Mann an die Mission Kwa Sizabantu. Einige Schweizer reisten mit ihm nach Südafrika. Der Besessene weilte dort einige Monate und wurde völlig befreit.

5. Unser Text zeigt uns als fünftes Merkmal der Besessenheit die Desintegration, die innere Aufspaltung, die Zwiespältigkeit des Gadareners. Der Besessene läuft Jesus entgegen, er sucht Hilfe, er fällt sogar vor Jesus nieder, und dann packt ihn eine große Angst vor Jesus und er schreit: „Willst du mich quälen?“
Es gibt verschiedene Formen der Desintegration, die zu einer Depersonalisation führen können. Es handelt sich um einen Zustand der Selbstentfremdung. Das kann als Krankheit eine schizophrene Ichstörung sein. Es gibt aber auch psychogen bedingte Ichstörungen, z.B. bei der Hysterie.
Wir finden diese innere Aufspaltung auch bei Besessenen. Mir wurde das einmal bei einer besessenen Frau deutlich. Im bewußten Zustand betete sie und lobte Gott. Beim Besessenheitsanfall fluchte und lästerte sie.
Über die Depersonalisation bei Besessenheit muß ich in einem gesonderten Abschnitt einen Hinweis geben.

6. Ein sechstes Merkmal der Besessenheit ist die Hellsichtigkeit. Der Gadarener erkennt sofort Jesus als den Sohn Gottes, obwohl Jesus zum erstenmal in das Gebiet der Gadarener kommt. Er anerkennt auch die richterliche Oberhoheit des Gottessohnes über die Dämonen. Er weiß sofort, daß Jesus die Macht hat, ihm Befehle zu geben. Markus sagt in Kapitel 1,27: „Er gebietet mit Gewalt den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm.“

7. Identifikation der unreinen Geister spielt bei der Seelsorge mit Besessenen eine Rolle. Es ist ein Stückweit richtig, daß der Seelsorger keine langen Gespräche mit dem Besessenen führt, zumal die Dämonen Lügengeister sind und den Fragesteller gern täuschen. In der Gadarenergeschichte spricht der Besessene Jesus an, und Jesus antwortet, allerdings nur soviel, wie es für die Befreiung des Gebundenen wichtig ist. Der Herr fragt nach dem Namen. Dämonen müssen sich zu erkennen geben, wenn man sie austreiben will.
Fast alle Seelsorger, die mit Besessenen Erfahrungen gesammelt haben, forschen nach dem Namen der innewohnenden Geister. Gewöhnlich gebrauchen sie folgende Wendung: „Im Namen Jesu, nenne uns deinen Namen!“ Manchmal werden Seelsorger belogen. Es gibt für diese Lügen gewisse Anzeichen.
Dann muß man gebieten: „Im Namen Jesu, sage uns die Wahrheit.“ Nach einer solchen Aufforderung antwortete Don Juan: „Der Nazarener zwingt uns, die Wahrheit zu sagen.“ Werden die unreinen Geister gezwungen ihre Identität preisgeben, ist die Austreibung leichter.
Das verstehen aber nur Seelsorger, die schon mehrfach eine so schwere Seelsorge auf sich genommen haben.

8. Die Veränderung der Stimme wird bei fast allen Besessenheitsfällen beobachtet. Auf die Frage Jesu antwortete der Gadarener: „Legion heiße ich, denn wir sind unser viele.“
In der Seelsorge macht man vielfältige Beobachtungen. Aus Männern sprechen mitunter Frauenstimmen und umgekehrt. Bei einem besessenen Mädchen im Münstertal im Elsaß meldete sich die Stimme der verstorbenen Großmutter, die aktive Zauberei getrieben hatte. Bei dem Theologiestudenten, dessen Geschichte wir gehört haben, sprachen mehrmals Frauenstimmen.
Aus der Schwester Maria sprachen dunkle Stimmen, die sich als Kain, Herodes und Nero meldeten.
Es müssen nun weitere Merkmale der Besessenheit genannt werden, die noch vielmehr als bisher den Unterschied zu Geisteskranken oder Hysterikern zeigen.

9. Das neunte Merkmal des dämonischen Fremdsprachenwunders kommt zwar in der Gadarenergeschichte nicht vor, schließt sich aber an die Tatsache an, daß der Gadarener sich mit Legion meldet. Wir hörten bei Don Juan, daß er in Sprachen redete, die er nicht gelernt hatte, und Schwester Maria verstand die sechs Sprachen, in denen mit ihr gesprochen wurde. Keine dieser Sprachen wie Latein, Griechisch, Hebräisch, Italienisch, Französisch, Englisch hatte sie vorher gelernt.
Parapsychologen haben dieses Sprachenwunder schon mit Telepathie zu erklären versucht. Es ist schon folgendes Experiment gemacht worden, daß man diese Fremdsprachen, die kein Anwesender verstand, auf ein Tonband aufnahm und später von Philologen übersetzen ließ. Aber auch für diesen Vorgang haben die Parapsychologen noch einen Ausweg. Sie sprechen von Dreieckstelepathie auf große Entfernung. Wie sollte dann aber bei dem brasilianischen Medium Mirabelli, der in Trance 28 Fremdsprachen darunter Hebräisch, Syrisch, Japanisch redete, die er nicht gelernt hatte, plötzlich in 28 Fällen eine Dreieckstelepathie zustande gekommen sein? Wissenschaftler setzen uns manchmal die absurdesten Hypothesen vor, weil sie die einfachen biblischen Tatbestände nicht anerkennen wollen.
Im Bereich der Psychiatrie gibt es überhaupt keine Erklärungsmöglichkeit. Ein Geisteskranker oder ein Hysteriker können nicht plötzlich eine andere Sprache sprechen, die sie nicht gelernt haben.

10. Ein weiteres Merkmal ist die Induktion, die Übertragung, der Übergang der Dämonen auf die Schweine. Die Legion verließ auf das Kommando Jesu den Gadarener und fuhr in 2000 Schweine, die den Abhang hinunterrasten und sich ins Meer stürzten. Einen solchen Vorgang finden wir bei Geisteskranken nicht. Hier versagen alle Erklärungsversuche.
In der Seelsorge sind mir einige solcher Beispiele bekanntgeworden. Ich habe einen Freund in der Schweiz, der in der Reichgottesarbeit einen verantwortlichen Platz einnimmt. Er ist im Toggenburg aufgewachsen. In seinem Elternhaus ist Zauberei getrieben worden. Der Vater war in okkulte Dinge verwickelt. Bei einer Evangelisation erlebte er aber eine klare Bekehrung und wurde von all seinen Bindungen und Belastungen frei. In der Stunde seiner Übergabe an Jesus fingen fünf Schweine im Stall zu toben an. Sie rannten wie irrsinnig einige Stunden im Stall herum. Der Bauer mußte sie erschießen.
In einer Seelsorge baten mich auch Dämonen eines Besessenen, in die Säue fahren zu dürfen. Ich antwortete: „Geht dahin, wo Jesus euch hinschickt.“
Meiner Erfahrung nach bevorzugen ausfahrende Dämonen aber Menschen und nicht Tiere. Wir sind damit bei einem beweiskräftigen Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Psychiatrie. Es gibt in der Pflege von Geisteskrankheiten ein so genanntes induziertes Irresein. Das bedeutet, daß eine Pflegerin, die vielleicht 30 Jahre Geisteskranke betreut hat, selbst geisteskrank wird. Auch bei Psychiatern kommt es selbst vor. Ich erinnere daran, daß Professor Schneider, der frühere Chef der Psychiatrischen Klinik in Heidelberg, depressiv wurde und sich das Leben nahm.
In Amsterdam kam ein Psychiater zu mir, der ebenfalls unter schweren Depressionen litt. Er ließ sich von mir nicht zu Christus führen. Auch er endete im Selbstmord.
Beim induzierten Irresein bleibt der ansteckende Geisteskranke krank, und der Gesunde wird ebenso krank. Bei der Übertragung vom Besessenen auf Gesunde wird der Besessene frei, und der befallene Gesunde wird besessen. Dafür habe ich viele Beispiele. Der Umfang des Buches verbietet die Erwähnung vieler Fälle. Ich weise auf die Sammlung von rund 400 Beispielen hin, die in meinem Buch Okkultes ABC stehen.

11. Ausfahrende Dämonen suchen immer eine neue Behausung, weil sie sich fürchten, in den Abgrund zu fahren. Wir haben im NT den Hinweis, daß wir es mit verschiedenen Gruppen von Dämonen zu tun haben. Es gibt solche, die Gott mit Ketten der Finsternis gebunden in den Abgrund (Tartarus) stieß (2. Petr. 2,4). Es gibt aber auch solche, die sich noch in den Luftgebieten aufhalten und auf die Menschen Einfluß zu gewinnen suchen. In Eph. 6,12 heißt es: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“
Die Furcht, in den Abgrund gesandt zu werden, wurde mir einige Male demonstriert, als die Dämonen riefen: „Do not send us into the pit“, oder sie schrien: „Do not send us into the abyss“ schicke uns nicht in den Abgrund! Irgendeine Behausung, am besten ein anderer Mensch oder notfalls Tiere, ist ihnen lieber als der Abgrund.
Ich habe in der Seelsorge schreckliche Beispiele erlebt, daß Besessene frei wurden, und irgendein Freund, der am meisten für sie betete, wurde gleichzeitig besessen.
Mir sitzt noch der Schock über ein Schweizer Erlebnis in allen Gliedern. Eine Frau betete für eine besessene Freundin einige Jahre lang. Nach vier Jahren wurde die Besessene frei und die Beterin zur gleichen Zeit besessen. Die frei gewordene Frau besucht ihre nunmehr geplagte Freundin nicht, weil sie Angst hat, wieder in den alten Zustand zu verfallen.
Mir ist klar, daß solche Beispiele unseren Psychiatern und Psychologen ein Greuel sind. Ich verstehe das. Der natürliche, nicht wiedergeborene Mensch versteht keine geistlichen Zusammenhänge.
Das Schweizer Beispiel ist eine große Warnung. Ohne göttlichen Auftrag müssen wir mit der Fürbitte für Besessene zurückhaltend sein. Am besten geschieht solcher Dienst in einer Gebetsgruppe. Eine solche Seelsorge ist Teamwork, Gruppenaufgabe.

12. Ein klares Argument gegen die Annahme der Psychiater, Besessenheit sei nur die seltene Form einer Hysterie oder einer Psychose, ist die Sprechweise der Dämonen.
Wenn unreine Geister aus einem Menschen sprechen, gebrauchen sie nicht die Ichform. Sie reden von dem Besessenen in der dritten Person. Ein Beispiel soll klären, was gemeint ist. Ein besessener junger Mann fiel bei meinem Gebet sofort in einen Dämmerzustand. Die fremde Stimme, die aus ihm sprach, rief mir zu: „Koch, gib mir eines deiner Kinder, dann gebe ich diesen frei.“ Natürlich bin ich im Namen Jesu diesem Ansinnen entgegengetreten.
Aus einer besessenen Krankenschwester, zu der ich gerufen wurde, sprach die Stimme eines im Kriege gefallenen SS-Offiziers. Als wir ihn austreiben wollten, schrie er: „Diese Frau gehört mir. Sie muß dahin kommen, wo ich bin.“ Es stellte sich in der Seelsorge heraus, daß diese Schwester zusammen mit ihrem Freund, dem SS-Offizier, sich während des Krieges mit ihrem Blut dem Teufel verschrieben hat. Später hören wir mehr darüber.
In der psychiatrischen und psychologischen Literatur werden solche Fälle von Verdopplung oder Vervielfachung der Persönlichkeit berichtet. Ich erinnere an das Buch von Prof. Österreich „Die Besessenheit“. Ich bin in meinem Buch „Seelsorge und Okkultismus« ab Seite 192 ausführlich darauf eingegangen. Die Psychiater erklären solche Persönlichkeitswandlungen als Spaltungen des Unbewußten in selbständige Teile, die sich meistens als bekannte historische Persönlichkeiten ausgeben.
Solche Kranke meistens Fälle aus dem schizophrenen Formenkreis geben sich beispielsweise als Cäsar aus oder als Napoleon, als Kaiser von China usw. Sie reden dann aber immer in der Ichform und verweisen nicht auf die Primärperson in der dritten Person.
Die Ichform und Erform sind ein scharfes Argument gegen die psychiatrischen Erklärungen, es handele sich bei Besessenen nur um Geisteskranke oder Hysteriker.

13. Wiederum völlig verschieden von der Arbeit der Psychiater ist die rasche Befreiung, wenn sie einem Seelsorger mit geistlicher Vollmacht begegnen. In der Gadarenergeschichte gebot Jesus: „Fahre aus, du unsauberer Geist!“ Und die ganze Legion dieser Finsternismächte hatte zu gehen.
Unsere Psychiater wissen, wie lange oft die Behandlung eines Geisteskranken dauert. Es kann Jahre gehen, bis eine Heilung eintritt, mitunter dauert die Therapie Jahrzehnte.
Bei geistlicher Vollmacht kann ein Besessener in einem Tag frei werden, ja es gibt sogar Fälle, die nur eine Stunde dauern.

14. Was uns bei dieser Seelsorge Jesu an dem Besessenen auffällt, ist die Ruhe, mit der Jesus dem Gadarener begegnet. Hier herrscht keine Hektik, keine sensationelle religiöse Schau, so turbulent die Schweinegeschichte auch ist. Hier geht es nicht um ein exorzistisches Manöver. In der Überlegenheit des Gottessohnes steht Jesus vor dem Heiden, befreit ihn und beweist damit seine göttliche Vollmacht.
Die geistliche Vollmacht ist die Kernfrage beim Exorzismus. Es geht nicht um Riten, nicht um fromme Zeremonien, nicht um eine Amtshandlung, nicht um eine kirchliche Demonstration, sondern um die Exousia kai dynamis, Gewalt und Kraft als göttliche Ausrüstung. Ein Machtbeweis liegt bei Jesus vor als Zeichen, daß das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist.
Ein solches Handeln gibt es bei unseren Fachleuten der medizinischen und psychologischen Wissenschaften nicht, aber auch nicht bei extremen oder von Amts wegen eingesetzten Exorzisten.

15. Am Ende der Gadarenergeschichte steht die Bereitschaft dieses Heiden, Jesus nachzufolgen. Wenn die Entschlossenheit der Nachfolge Jesu bei einem Befreiten fehlt, kommen die Mächte gern wieder zurück. Davor warnt uns Lukas in Kapitel 11,24.
Sehen wir uns die Heilung eines Geisteskranken an, der zuerst mit Psychopharmaka, dann vielleicht mit Schocks und zuletzt mit einer Dauerschlafkur oder „Watertreatment“ (in USA praktizierte Embryohaltung in einem Warmwasserbecken) behandelt worden ist. Der geheilte Geisteskranke wurde wahrscheinlich vom Psychiater gewarnt, sich nicht zu sehr mit religiösen Dingen einzulassen, weil das seinem Zustand nicht zuträglich sei.
Und wie war es bei Jesus: Der Gadarener will in die Jüngerschaft eingegliedert werden. Jesus läßt das nicht zu, sondern gibt ihm einen Missionsauftrag: „Gehe hin in dein Haus und zu den Deinen und verkündige ihnen, wie große Wohltat dir der Herr getan und sich deiner erbarmt hat!“

16. Am Ende dieser Geschichte steht der Sieg des Lichtes über die Finsternis, Sieg des Gottessohnes über einen schwerbelasteten, besessenen Heiden. Nicht unser Interesse an dunklen Geschichten soll genährt werden, sondern die Kenntnis, daß Jesus der Herr ist, vor dem Satan und das Heer der Hölle zittert.
Pfarrer Blumhardt, der auch einen schweren Kampf mit der besessenen Gottliebin Dittus durchgefochten hat, schenkte uns das Lied:
Jesus ist der Siegesheld,
der all seine Feind besieget.
Jesus ist’s, dem alle Welt
bald zu seinen Füßen lieget.
Jesus ist’s, der kommt mit Macht
und zum Licht führt aus der Nacht.

2. Ein weißer Rabe
Von dem nichttheologischen Autor Jean Starobinski kam der Titel heraus „Besessenheit und Exorzismus“ (Verlag Schulz, Percha). Er unternahm im dritten Kapitel den Versuch, einen Text des Evangeliums, die Geschichte vom besessenen Gadarener, rein literarisch auszulegen. Eingangs erwähnt er, daß seine Bibelexegese, da sie weder von einem Gläubigen noch von einem Theologen verfaßt ist, wegen ihres Außenseitertums unangemessen erscheint.
Diese Einschränkung beeindruckt wegen ihrer Bescheidenheit. In Wirklichkeit aber liegt hier eine grandlose Auslegung vor, wie ich sie bei keinem zünftigen Theologen je gelesen habe.
Er spricht von einer Ehrfurcht vor diesem Text, der von alters her in all seinen Teilen für das Werk einer Inspiration gehalten wurde. Vergleichen wir damit den Ausspruch Bultmanns, der die Geschichte vom besessenen Gadarener als einen Greuel ansah. Starobinski erklärt: „Der Text ist so strukturiert, daß der Leser oder Zuhörer des Evangeliums ipso facto durch die vermittelnde Erzählung zum Jünger Christi wird.“
Bedeutsam ist auch der Hinweis, daß die Gadarenergeschichte nicht nur der Zeit Jesu gilt, sondern zu einer erkennenden Lektüre aller Menschen und aller Zeiten geworden ist. Der Autor arbeitet auch die hauptsächlichsten Besessenheitssymptome heraus, allerdings nicht alle. Er gibt auch an, welche Beurteilungen dieser Evangeliumstext erhalten hat. Bei den Historikern herrscht die Auffassung vor, daß die Fälle von dämonischer Besessenheit ein gutes Beispiel für die kulturelle Interpretation sind. Die Mediziner weisen auf einige Krankheitsbilder hin, wie z. B. Epilepsie, Athetosen (wurmartige Verkrümmungen des Leibes), Schizophrenie und Hysterie.
Für mich ist es ein gewaltiges Bekenntnis, daß dieser hochbegabte Autor zuletzt seine Meinung in dem Satz zusammenfaßt: „Ich glaube, daß die Hypothese, die den Begriff der Teufelsbesessenheit als ein auf eine vorhergehende Gegebenheit angewandtes interpretatives Werkzeug betrachtet, nicht von der Hand zu weisen ist.“ Dieses Bekenntnis hat um so mehr Gewicht, da es von einem vielseitigen Wissenschaftler gegeben wird. Starobinski ist Literaturhistoriker, Professor für Ideengeschichte, Kunst und Musik-Wissenschaftler, Philosoph und Arzt. Er ist Präsident der Genfer Rencontres Internationales, ferner der Gesellschaft Jean Jacques Rousseau.

3. Satan

Zum Thema Besessenheit gehören einige Hinweise über Satan und die Dämonen. Wir beherzigen dabei, was Adolf Pohl in seinem Kommentar über die Offenbarung zweiter Teil Seite 104 sagt: „Wir haben nicht an den Teufel zu glauben, sondern ihm zu widerstehen. Wir sollen ihn uns auch nicht genau vorstellen wollen und uns weder in eine Betrachtung des Satanischen vertiefen, noch eine ausführliche Satanslehre anstreben, noch in unserer Umwelt Satansgewißheit verbreiten. Nicht einmal dann, wenn andere den Satan wegdisputieren, streiten wir beharrlich mit ihnen … Wer sich in Belehrung über Satan und Dämonen ergeht, gewinnt für das Heil gar nichts.“
Dieses Warnschild enthält ein gutes Element, aber auch ein gefährliches. Das Positive an dieser Warnung ist der Hinweis, daß wir keine Satanologie noch Dämonologie betreiben, sondern Christologie. Inhalt unseres Glaubens ist allein der dreieinige Gott und nicht Satan und die Dämonen.
Auf der anderen Seite heißt das nicht, daß wir sie als „Nichtse“ behandeln und tun, als wären sie nicht da. Diese Haltung findet sich bei gläubigen Christen, bei positiven Theologen und bei den Modernen.
Äußerungen, wie wir sie hier bei Pohl finden, haben dazu beigetragen, daß viele Seelsorger sich weigern, okkult Belastete oder gar Besessene zu betreuen. Die wenigen, die darin noch einen Auftrag sehen, werden dann überlaufen, überfordert und über die Maßen in Anspruch genommen. Auf dem Gebiet der Seelsorge vollzieht sich zunehmend eine Tragödie, weil unsere dämonenschwangere Zeit ein Heer von schwer angefochtenen Menschen produziert, die dann in die unrechten Hände übergeben werden, weil unsere frommen Brüder sich theologisch gut abgesichert distanzieren.
Adolf Pohl weist auf Jakobus 4,7 hin: „Widerstehet dem Teufel, so flieht er von euch!“ Wie soll man aber dem Feind widerstehen, wenn wir die Augen vor ihm schließen? In der Kriegführung werden Nebelwerfer benützt, um die Fronten unsichtbar zu machen. Im Nebel trifft kein Schütze das Ziel. Wir brauchen ein gewisses Maß an Erkenntnis, um dem Feind wirksam begegnen zu können.
Noch schlimmer sind die Irrlehren der Modernen oder der von ihnen Beeinflußten. So schrieb Pfarrer Haack, wir hätten dem Teufel nur noch einen Nachruf zu widmen. Einen Nachruf gibt man Verstorbenen. Wir kennen diese Theologie. Dorothee Sölle meint: Gott ist tot. Pfarrer Haack sagt: Der Teufel ist tot.
Wir brauchen uns nicht zu wundern, daß bei den gläubigen Christen und bei Namenchristen soviel Verwirrung im Blick auf die Existenz und Tätigkeit des Teufels herrscht. Das ist im Wesen Satans begründet. In Offbg. 12,9 lesen wir: O planon ten oikumenen olen = Der den ganzen Weltkreis in die Irre führt. Das griechische Verb planáo heißt täuschen, verwirren, irreführen. Diese Funktion Satans neben vielen anderen finden wir in der ganzen Bibel. Jesus nennt ihn Vater der Lügner (Joh. 8,44). Diesem Tatbestand begegnen wir schon auf den ersten Seiten der Bibel. Versuchung und Fall des ersten Menschenpaares (l. Mos. 3) war ein Werk der Schlange, die Satan verkörpert.
Der Ursprung Satans ist weithin verborgen. Wir haben aber einige Hinweise. Namhafte Schriftausleger sind der Überzeugung, daß vor der Erschaffung des Menschen eine Rebellion in der Engelwelt stattgefunden hat. . . .
Geisterfüllte Schriftausleger haben allezeit den Sturz Babels und des Königs von Tyrus hintergründig als den Sturz Luzifers angesehen. In der biblischen Prophetie stehen wir oft vor dem Doppelsinn der Weissagung. In den historischen Sinn ist eine prophetische Aussage hineingepackt. Sehen wir uns die beiden Schriftstellen einmal kurz an:
Jes. 14,12 f.: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern. Gedachtest du in deinem Herzen: Ich will in den Himmel steigen und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen und gleich sein dem Allerhöchsten?“

Im Auszug wird die Stelle Hes. 28,12f. hinzugefügt: „Du bist wie ein Cherub, der sich ausbreitet. Du warst ohne Tadel in deinem Tun, von dem Tage an, da du geschaffen wurdest, bis sich deine Missetat gefunden hat.“
Es wird gut sein, man liest diese Abschnitte in der Bibel nach. Es wird hier eine Schilderung gegeben, die man nicht auf irdische Könige beziehen kann. Darum weist Pastor Heitmüller in seiner Schrift „Engel und Dämonen“ Seite 13 darauf hin: „Hinter der Beschreibung vom Sturz Babels und des Falles des Königs von Tyrus erkennen wir die Empörung und den Sturz Luzifers als das Urereignis. Ja, es will mir scheinen, daß die Worte Babel und Tyrus nur Decknamen für den Fürsten der Welt sind.“
Im NT wird der Fall Luzifers bestätigt:
Joh. 8,44: „Der Teufel ist nicht bestanden in der Wahrheit.“
2. Petr. 2,4: „Gott hat die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern hat sie in den Tatarus verstoßen.
Judas 6: „Auch die Engel, die ihr Fürstentum nicht bewahrten, sondern verließen ihre Behausung, hat er behalten zum Gericht.“

Die nächste Frage ist, welche Ziele dieser gefallene Engelfürst verfolgt.
Die Erklärung seines Namens gibt Antwort. Das hebräische Verbum satan heißt anfeinden, anklagen, befehden. Das Nomen (Hauptwort) Satan bedeutet Widersacher, Gegner. Im außerbiblischen Sprachgebrauch wird das Wort auch benützt und bedeutet, vor Gericht gegen jemand Anklage erheben.
In diesem Sinne spielt Satan gegenüber den Gläubigen vor Gott die Rolle des Staatsanwaltes. In dieser Position des Anklägers finden wir Satan in Hiob Kapitel 1,6 12. In Hiob 31,3 5 wird sogar von einer Anklageschrift gesprochen. „Siehe die Schrift, die mein Verkläger geschrieben.“
Ein weiteres Beispiel dieser Art finden wir in Sach. 3,1, wo es heißt: „Und mir war gezeigt der Hohepriester Josua stehend vor dem Engel des Herrn; und der Satan stand zu seiner Rechten, daß er ihm widerstünde.“
Satan hatte das Recht, Josua wegen seiner Unreinheit vor Gott zu verklagen.
Mit dem Kommen Jesu verliert Satan seine Stelle als Ankläger. Jesus sagte (Lukas 10,18): „Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen wie einen Blitz.“
Als ein eschatologisches Ereignis wird in Offbg. 12,10 angekündigt:
“Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor Gott.“
Im NT wird die aus dem Griechischen stammende Bezeichnung diabolos mehr gebraucht als das hebräische Satan. Diabolos bedeutet Durcheinanderwerfer, Quertreiber, Verleumder. Inhaltlich decken sich beide Ausdrücke. Das wird zum Beispiel in Offbg. 12,9 gezeigt:
“Es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen.“ Drache, Schlange, Teufel, Satan sind also auswechselbare Synonyme, sinnverwandte Vorstellungen. Wir können dem Begriff Teufel im NT nicht nachgehen, weil das den Rahmen eines Taschenbuches sprengt. Eine Visitenkarte ist uns mit dem Johanneswort gegeben. Wir wollen es nur noch ein wenig erweitern.
Wir finden folgende „Amtsbezeichnungen“ für den Teufel, die gefallene Majestät:
Herrscher der Welt – Joh. 12,31
Fürst dieser Welt Joh. – 14,30
Gott dieser Welt – 2. Kor. 4,4
Der Arge – Joh. 17,15
Der Bösewicht – Eph. 6,16
Der Verführer – Mt. 6,24
Der Verkläger – Off. 12,10
Der Versucher – Mt. 4,3
Der Widersacher – 1. Petrus 5, 8
Der Vater der Lüge – Joh. 8,44
Der Verstellungskünstler (Engel des Lichtes) – 2 Kor. 11,14
Der Gott Mammon – Mt. 6,24
Der Drache – Offb. 12,9
Die alte Schlange – Off. 12,9
Der Mörder – Joh. 8,44
Der brüllende Löwe – 1. Petr. 5,8
Wahrhaftig, eine unheimliche Visitenkarte!

Friedrich Heitmüller schreibt in seiner Studie „Engel und Dämonen“, Seite 16: „Aufgrund aller Schriftstellen, die sich auf die Absichten und geschichtlichen Methoden des Satans beziehen, kann man sieben Grundprinzipien satanisch dämonischer Wirkungsweise unterscheiden:
die Selbstherrlichkeit, die Weltherrlichkeit, den Gegenschlag, die Lüge, den Mammon, die Unreinheit, die Besessenheit.“
Die Visitenkarte des Erzfeindes soll auch in unseren Jahrzehnten weiter erläutert werden. Wir erleben in der Gegenwart eine Verstärkung satanischer Aktivität und eine gräßliche Entfaltung seines Aufmarsches gegen Gott.
Es werden nur einzelne Ereignisse angetippt. Es ist einfach unmöglich, die Fülle des Stoffes zu bewältigen.
War nicht der Rassenhochmut des Dritten Reiches, der Millionen Juden und Millionen von Soldaten das Leben kostete, nicht eine Aktion Satans? Man kann mit Recht von einer rassistischen Besessenheit reden. Mir ist das Erlebnis eines SS Offiziers bekannt. Er leitete während des Krieges eine Massenerschießung. Kleine Kinder krochen noch auf den toten Leibern ihrer Mütter. Der SS Offizier sagte erschüttert: „Ich glaube nicht an Gott. Wenn es aber einen gibt, werden wir diesen Krieg verlieren.“ Er war damit ein säkularer Prophet.
Die Tatsache, daß Sowjetrußland mit seinem radikal praktizierten Atheismus sein Land zu einem einzigen KZ verwandelt hat, weist wieder auf den unheimlichen Drahtzieher hin. Nur eine Kleinigkeit am Rande! Zur Zeit dieser Niederschrift laufen in Moskau die Olympischen Spiele. Die ausländischen Journalisten werden scharf überwacht, dennoch gelingen manche Schnappschüsse, die nicht zum olympischen Programm gehören. Im Fernsehen war zu beobachten, daß die Sportler vom Stadion zu ihren Unterkünften von der Polizei begleitet wurden. Moskau hat zu diesem Zweck 5000 Polizisten von anderen Städten zusammengezogen. Links und rechts von den Sportlern ist eine lückenlose Eskorte von Polizisten. Offiziell, um die Sportler zu ehren! In Wirklichkeit, um zu verhindern, daß es keinem Sportler gelingt, eine ausländische Botschaft zu erreichen und dort um Asyl nachzusuchen. Der Bevölkerung von Moskau ist jeglicher Kontakt mit den Sportlern verboten. Sie dürfen sich nicht in das Gebiet begeben, wo die ausländischen Sportler untergebracht sind. Sinn dieser Absperrung, daß keine Post und keine Beschwerdeaktionen in das Ausland gelangen. Ist das nicht ein satanisches System der Verknechtung?
Zu dieser politischen Machtbesessenheit ein kurzer Hinweis auf die Drogenepidemie unserer Tage. Es wurde behauptet, daß Amerika den Krieg in Vietnam verloren hat, weil 60 % seiner Soldaten rauschgiftsüchtig waren. Es hat aber keinen Sinn, über den großen Teich zu schauen, wir haben genug im eigenen Land zu tun. Die Zeitungen melden dauernd die Fälle von Rauschgifttoten. Es ist eine unheilvolle Tragödie, daß junge Menschen durch den Rauschgiftkonsum ihr Leben ruinieren, danach mit 25 oder 30 Jahren Frührentner sind . . .
Gehen wir kurz auf den Sektor der pseudoreligiösen Vorgänge.
Der Daily Telegraph von London berichtete vom 26. März 1975 folgenden Vorfall: Die Methodistischen Pastoren Raymond Smith und Peter Vincent führten mit einem angeblich besessenen Gemeindeglied mit Namen Michael Taylor einen Exorzismus durch. Nach dem Exorzismus ging dieser Mann, Vater von fünf Kindern, heim und tötete auf brutale Weise seine Frau. Er stach ihr die Augen aus und schnitt ihre Zunge ab. Dann lief er mit blutigen Händen durch die Straßen, rannte zur Polizei und stellte sich. Er gab dann ein Geständnis, das die Pastoren schwer belastete. Er erklärte: „Die Pastoren wollten mir Frieden bringen, stattdessen füllten sie mich mit dem Teufel. Sie preßten mich in der letzten Nacht zu dieser Tat.“ Diese letzte Aussage ist eine Unwahrheit. Pfarrer pressen niemand zum Mord. Dieser unglückliche Mann hätte in eine Nervenheilanstalt gehört, bevor diese schauerliche Tat geschah. Beide Pfarrer wurden vor Gericht gezogen wie die Klingenberger Exorzisten. Es kam bei der Verhandlung heraus, daß Pfarrer Smith vorgeschlagen hatte, Taylor einem Psychiater zu übergeben. Pastor Vincent hat das aber abgelehnt. Soll hier nun Gott am Werk gewesen sein? Nein, der Mörder von Anfang!
Eines der furchtbarsten pseudoreligiösen Verbrechen ist die Todesorgie von Guayana. Der Sektengründer Jim Jones sammelte in Kalifornien einige tausend Menschen um sich, denen er predigte. Sein Ziel war, alle Klassenschranken und soziale Unterschiede zu überwinden. Diese Sekte Tempel des Volkes entwickelte sich zu einer Art Diktatur. Die Mitglieder hatten ihr Vermögen abzugeben. Jegliche Verbindung mit Angehörigen oder Verwandten mußte aufgegeben werden. Als sich Widerstände ergaben, siedelte Jones mit 1200 Getreuen in den Dschungel von Guayana (Südamerika) um, wo er Jonestown gründete. Hier entstand eine Kommune, in der alles gemeinsam war. Jones entwickelte sich zu einem Despoten und sexuellen Sadisten. Da immer mehr Eltern sich um ihre Kinder sorgten, reisten mit Billigung Carters ein Regierungsvertreter, Ryan, drei Journalisten und eine Frau nach Jonestown, um die Verhältnisse zu erforschen. Es war ein Flug in den Tod. Jones hatte Killer beauftragt, die diese fünf Besucher auf dem Flugplatz erschossen. Danach begann die eigentliche Tragödie. Jones entfachte durch „süße Reden“ eine Todesstimmung und Todesbereitschaft. Er suggerierte und inspirierte seine Anhänger so, daß sie zu einem Massenselbstmord bereit wurden. Die Sektenmitglieder beschlossen, gemeinsam durch Gift aus dem Leben zu gehen. An einem Tag vollzog sich diese Tragödie. Wer nicht freiwillig bereit war, wurde von den letzten Getreuen erschossen. Insgesamt sind rund 900 Menschen bei diesem gräßlichen Schauspiel ums Leben gekommen. Ganz Amerika, ja die ganze Welt horchte auf. Soll das im Namen Gottes geschehen sein? Nein, es stand der Vater der Lüge, der Fürst dieser Welt dahinter!
Ich frage nun denjenigen, die dem Teufel einen Totenschein ausgestellt haben, ist der Teufel zu unserer Zeit tot, wenn solch schauerliche Dinge passieren?
Natürlich gibt es noch andere Ebenen, wo Satans Wirken nicht so offenkundig ist. Der Teufel, der in Holzpantoffeln kommt, wird schneller erkannt als der, der sich auf Filzpantoffeln heranschleicht. Der verborgen wirkende Satan ist gefährlicher als der polternde. Wir hören noch davon.

4. Die Dämonen
In meinem englischen Buch „Demonology Past and Present“ habe ich ein langes Kapitel über den Begriff Dämon geschrieben. Ich will nicht wiederholen, was dort schon veröffentlicht ist. Außerdem soll der Bericht auch für theologische Laien verständlich bleiben. (Deutsch liegt das Buch nicht vor.)
Im AT finden wir verschiedene Ausdrücke für die Vorstellung des Dämonischen oder der Dämonen.

1. In 1. Mos. 6,4 steht der Ausdruck nephilim. In der Septuaginta und in unseren deutschen Übersetzungen steht dafür das Wort Riesen. Die hebräische Wurzel dieses Wortes ist naphal = fallen. Nephilim kann daher mit größerer Genauigkeit als die „Gefallenen“ übersetzt werden. Im Vers 5 des Textes zeigt sich dann, daß unter diesen Gefallenen die Bosheit auf Erden groß war.

2. Den zweiten Ausdruck für Dämonen finden wir als Shedhim in 5. Mos. 32,17 und Ps. 106,37:
„Sie opferten ihre Söhne und Töchter den Dämonen.“ Shedhim wurde von Luther häufig mit Teufeln übersetzt. Die Wurzel dieses Ausdruckes ist shud = herrschen, Herr sein wollen. Die brutale Herrschsucht der dämonischen Mächte wird bei besessenen Menschen stets offenbar. Ethelbert Stauffer sagte: „Wer den Dämonengeist hat, der verrät sich dadurch, daß er eine führende Rolle spielen will.“ (NT-Theologie S. 49.)

3. Eine dritte Bezeichnung in der hebräischen Bibel ist Seirim. Luther übersetzte wieder Feldteufel. Wörtlich übersetzt heißt es Ziegenböcke oder bocksgestaltige Waldgeister. In 3. Mos. 17,7 steht: „Sie sollen keine Opfer den Böcken darbringen.“ Diese Stelle ist ein Ausgangspunkt für den Ziegenbockskult (goat of Mendes), den die Satanisten heute treiben.

4. Weitere Bezeichnungen für Dämonen und Götzen finden sich in Jes. 65,11: „Ihr richtet dem Gad einen Tisch und schenkt vom Trankopfer voll ein der Meni.“ Gad und Meni sind Schicksalsgötter und wurden oft mit Baal oder Bel gleichgesetzt.

5. Ein unheimlicher Dämonenkult war das Molochopfer. Die Kanaaniter praktizierten Menschenopfer. In 3. Mos. 18,21 verbot Gott diese Opferform: „Du sollst nicht eines deiner Kinder geben, daß es dem Moloch geweiht werde, damit du nicht entheiligst den Namen deines Gottes. Ich bin der Herr.“ Moloch ist das hebräische Melech = König. Kinderopfer gibt es bis in die jüngste Zeit herein beim Macumba Spiritismus in Brasilien, beim Woodooismus auf Haiti, beim Satanismus in Kalifornien, Südafrika und in anderen Ländern.

6. In 2. Kön. 1,2 wird Baal Sebub von Ekron genannt. Dieser Dämon wird auch im NT (Mt. 12,27) erwähnt. Die Pharisäer werfen Jesus vor, er hätte die Teufel durch Beelzebub ausgetrieben. Es wären noch viele Götzen aus dem Bereich des AT zu nennen. Denken wir an Dagon (Ri. 16,23), Sikkuth und Chiun in Amos 5,26. Erinnern wir an den kanaanitischen Pestgott Rescheph und an das Nachtgespenst Lilith. Der sich in der Wüste herumtreibende Asasel (3. Mos. 16,8) muß erwähnt werden. Der Götzendienst der Kanaaniter umspülte und umbrandete Israel, das oft in der Gefahr war, sich diesen heidnischen Gottheiten zu öffnen.
Die grundsätzliche Stellung des AT gegenüber diesen Götzen wird in Ps. 96,5 gezeigt: „Alle Götter der Völker sind Götzen.“ Im Hebräischen steht hier der Ausdruck elilim = Nichtse. Die Götzen sind Nichtse, die Dämonen dahinter aber eine furchtbare Realität.
Damit beenden wir den kleinen Rundgang durch die Götzen- und Dämonenwelt des AT. Das NT wird in dieser Frage klarer für uns.
In Mt. 25,41 spricht der Herr Jesus vom Teufel und seinen Engeln. Auch Judas Vers 6 redet von den gefallenen Engeln, die Luzifers Rebellion mitgemacht haben und seither als Dämonen ihr Unwesen treiben. Ferner weist die Offbg. 12,9 darauf hin, daß Satan auf die Erde geworfen wurde und mit ihm seine Engel. Manche Schriftausleger sehen in Offbg. 12,4 den Hinweis, daß ein Drittel der Engel mit von Satans Partie war. Einen Beweis dafür gibt es nicht.
Literaturgeschichtlich ist zum Begriff Dämon im NT folgendes zu sagen. Der sprachliche Ausdruck Dämon kommt nur einmal vor, und zwar Mt. 8,31: Oi de daimones parekaloun auton = Die Dämonen baten ihn. Hier hat Luther statt Dämonen Teufel übersetzt. Dazu besteht im biblischen Sprachgebrauch ein Recht.
Sonst wird im NT der Ausdruck daimonion in den Evangelien insgesamt 45mal verwendet. Mit gleicher Bewertung taucht in den Evangelien und in der Apostelgeschichte 20mal der Ausdruck pneuma akatharton = unreiner Geist auf. Siebenmal erscheint bei Matthäus, Lukas und Apostelgeschichte der Ausdruck pneuma poneron = boshafter Geist, böser Geist.
Mit den philologischen Erläuterungen sind wir noch nicht bei den Kernfragen. Wenn wir nach der Unterscheidung von den Dämonen und unreinen Geistern fragen, geraten wir bereits in Schwierigkeiten oder Streitfragen. Dämonen sind gefallene Engel. Wer aber sind die unreinen oder bösen Geister? In der jüdischen Dämonologie sind die Dämonen böse Geister. Eine Verbindung mit den Seelen unselig verstorbener Menschen wird ausgeschlossen.
Der Historiker Josephus, von Homer beeinflußt, denkt anders. Er meinte, Dämonen seien Geister von gottlos Verstorbenen, die in lebende Menschen einfahren. In der altchristlichen Literatur finden wir bei Justin (geb. 100 n. Chr., zum Christentum übergetreten 130 n. Chr.) die Vorstellung, daß ein Teil der Dämonen Totengeister sind.
Nun gibt es auch in der Gegenwart Christen, die ähnlich denken wie Josephus und Justin. Pfarrer Vogel, der Autor von „Die göttliche Waffenrüstung gegen die Geister der Bosheit“ denkt ebenso. Dr. med. Lechler, mit dem ich sehr befreundet war, folgt in diesem Punkt Pfarrer Vogel. Woher kommt diese Vorstellung? Wer Seelsorge mit Besessenen hatte, weiß, daß die Stimmen, die aus dem Besessenen sprechen, manchmal sich als Geister der Verstorbenen ausgeben. So hatte ich ein besessenes Mädchen in Frankreich in der Seelsorge. Der Geist, der aus ihr sprach, gab sich als ihre verstorbene Großmutter aus, die Zauberei getrieben hatte und in der Ewigkeit nicht zur Ruhe kam.
Ein anderer Fall ist mir aus Übersee bekannt. Eine Frau wurde in einem Spiritistenzirkel mit einem verstorbenen Indianerhäuptling verheiratet. Solche Geisterhochzeiten gibt es in vielen außereuropäischen Ländern. In Europa ist mir nur in Zürich in der Seelsorge etwas Ähnliches begegnet. Im Gefolge dieser Geisterhochzeit wurde die Frau besessen. Als Missionare sich ihrer annahmen und mit ihr beteten, fiel sie in Trance. Eine Männerstimme sprach aus ihr: „Die bekommt ihr nicht. Sie gehört mir. Sie ist meine Squaw (Frau).“ Der Protest des Indianers erfolgte in seinem Dialekt. Manchmal stürmte diese Frau in der Halbtrance hinaus ins Freie, stieß einen indianischen Kriegsruf aus und schwang den Arm, als wollte sie den Tomahawk werfen.
Aufgrund solcher Erfahrungen bekamen viele Seelsorger die Vorstellung, daß es sich hier tatsächlich um die Geister von Verstorbenen handle. Das ist ein Glaube, den wir auch bei den Spiritisten finden.
Ich bin mit dieser Meinung zurückhaltend, weil die Bibel diesen Gedanken nirgends äußert. Diese seelsorgerlichen Erfahrungen lassen sich auch anders deuten. Wenn Zauberer, Magier und andere gottlose Menschen besessen waren, werden sie bei ihrem Tode von dem Dämon verlassen. Dieser sucht sich dann eine andere Behausung, einen anderen Menschen oder er meldet sich bei einem Spiritisten, der in der Trance liegt. Dann ist es nicht der Geist der Großmutter oder der Geist des Indlanerhäuptlings, sondern deren Dämon. Daß Dämonen ausfahren und in den Menschen zurückkehren können, sehen wir aus Lukas 11,24:
“Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, sucht er Ruhe und findet sie nicht. So spricht er: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin.“
Bei den Zulu Zauberern ist das eine völlig bekannte Tatsache, daß beim Tode eines Zauberers dessen Geist, vielmehr dessen Dämon, in ein anderes Glied der Familie fährt. Was unter heidnischen Völkern weitverbreitet ist, kommt auch in Europa vor. Hier habe ich auch solche Beispiele gesammelt.
Wir sollen bei unseren Aussagen nicht über das hinausgehen, was die Bibel sagt. Wenn Gott über einen Punkt in der Heiligen Schrift Schweigen bewahrt hat, dürfen wir nicht anfangen zu spekulieren.
In diesem Zusammenhang weise ich auf das zentrale und ausgezeichnete Buch von W. C. van Dam „Dämonen und Besessene“ hin. Auf Seite 259 schreibt er: „In den Evangelien sind Dämonen und unreine Geister miteinander identisch. Wir nehmen daher an, daß die Dämonen als Lügengeister nur vortäuschen, Geister Verstorbener zu sein. Sie spielen die Rolle Verstorbener, um Verwirrung zu stiften und den Aberglauben zu fördern. Wie können Dämonen diese Rolle spielen? Woher haben sie die intimen Kenntnisse der Verstorbenen? Es ist möglich, daß sie zu deren Lebzeiten in ihnen gewohnt haben. Schon Tertullian war davon überzeugt. In der Magie werden nicht die Geister von Zauberern aufgerufen, sondern die Dämonen, die früher in ihnen gewohnt haben.“  –  Van Dam spricht hier aus, was ich seit Jahren in meinen Vorträgen und in zwei Taschenbüchern auch so dargestellt habe.

Bei der nächsten Frage geht es um den Aufenthaltsort oder die Operationsbasis der Dämonen. Das NT gibt uns darin Auskunft.
In 2. Petr. 2,4 lesen wir: „Gott hat die Engel, die gesündigt haben, nicht verschont, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen und übergeben, daß sie zum Gericht behalten würden.“ Was Luther übersetzt „zur Hölle verstoßen“, heißt im griechischen Originaltext „tartarosas“ = in den Tartarus verstoßen. Der Tartarus ist in der griechischen Mythologie der tiefste Abgrund der Unterwelt. In diese unterste „Hölle“ hat Zeus die Titanen geschickt. Es gibt Schriftausleger, die meinen, Gott habe die gefallenen Engel, die sich mit Menschentöchtern eingelassen haben (1. Mos. 6,4) in den Tartarus verbannt. Die Nachkommen dieser unheimlichen Verbindung zwischen Dämonen und Menschen wurden Riesen, sagt die Heilige Schrift. Die Titanen von Zeus waren ebenfalls Riesen. Darum ist es nicht verwunderlich, daß unsere Modernisten hier einen mythischen Einschub vermuten. Mythische Einschübe lehne ich ab. Was die Bibel sagt, bleibt bis zum letzten Tüttel bestehen.

Ein zweiter Aufenthaltsort der Dämonen ist der Abgrund. In der griechischen Sprache wird hier abyssos gebraucht. Als Jesus den besessenen Gadarener befreite (Mk. 5 und Lk. 8) baten ihn die Dämonen, er möchte sie nicht in den Abgrund schicken. Dieser Abyssos hat einen König Abaddon (Apollyon). In Offbg. 20,3 wird prophezeit, daß der Drachen in den Abyssos geworfen wird. Das Wort Abyssos wird in diesem letzten Buch der Bibel achtmal benützt. Diese Stellen zeigen, daß nicht alle Dämonen jetzt schon in den Tartarus gebunden sind. Viele Dämonen sind noch frei und verrichten die Aufträge Satans.

Damit kommen wir zum dritten dämonischen Bereich. Paulus nennt das Operationsgebiet der noch frei wirkenden Dämonen in Epheser 6,12: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Die Dämonen treiben sich im Luftgebiet umher und unternehmen hier ihre Vorstöße auf die Menschen.
In der Seelsorge mit Besessenen haben wir es gewöhnlich mit diesen bösen Geistern zu tun. Bemerkenswert ist oft bei der Austreibung dieser Mächte ihr Schreien: „Sende uns nicht in den Abgrund!“ Sie haben also die gleiche Bitte wie die Dämonen des besessenen Gadareners. Ich selbst habe mir in jahrzehntelanger Seelsorge noch nie die Macht angemaßt, ausfahrende Dämonen in den Abgrund zu schicken. Ich sagte gewöhnlich: „Geht dahin, wo Jesus euch hinschickt.“ Ich kenne aber Brüder, die einen Schritt weitergehen.
Viel wichtiger als die Kenntnis der Operationsbasen der Dämonen ist das Wissen um ihre Tätigkeit. Bevor darüber einiges gesagt wird, muß ich zuerst extreme Vorstellungen abwehren. In gewissen ekstatischen Kreisen fand ich manchmal die Meinung, jede Sünde sei von einem Dämon verursacht worden, den man dann austreiben könne. Man sprach von einem Dämon des Hochmutes, Dämon des Geizes, Dämon des Zornes, vom Sexdämon usw. Wir müssen uns vor allen Übertreibungen hüten. Jakobus kann uns eine Grenzlinie ziehen. Er sagt in Kap. 1, 14: „Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird.“
Was treiben nun eigentlich die Dämonen? Gehen wir davon aus, was der Engel Geschäfte sind. In Hebr. 1,14 lesen wir: „Sind die Engel nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?“
Die Hilfe der Engel ragt weiter in das Leben der Gläubigen hinein, als bekannt ist. Denken wir an den Besuch des Engels Gabriel, den Daniel nach seinem Bußgebet um Israel erhielt (Dan. 9). Gabriel war es auch, der von Gott zur Maria nach Nazareth gesandt wurde, um die Geburt Jesu anzukündigen.
So wie Gott sich seiner Engel bedient, so gebraucht Satan die Dämonen als seine Engel und Werkzeuge, um Unheil anzurichten. Die Bibelstelle Offbg. 12,9 wurde schon zweimal erwähnt. Hier werden Satan und seine Engel genannt.
Und nun wäre ein Buch über die Wirksamkeit der Dämonen zu schreiben. Das tue ich aber nicht. Ich schreibe lieber zehn Bücher über die Erweckungen der Gegenwart. Das ist auch geschehen. Wir kommen aber um das leidvolle Thema dämonischer Wirksamkeit nicht herum.
Zu den Auswirkungen dämonischer Aktivität äußert sich van Dam in seinem Buch Seite 84f. Ich will nur kleine Hinweise geben, obwohl mir viel Material vorliegt.
Ich erinnere mich gut an die Erzählungen meiner Großmutter, als ich ein kleiner Knirps war. Mein Geburtsort Berghausen/Karlsruhe liegt nur 22 km von der französischen Grenze entfernt. Die Wellen der katastrophenreichen Französischen Revolution schlugen bis in unser Dorf hinein. Aufzeichnungen wurden nur spärlich gemacht. Um so eifriger wurde mündliche Überlieferung weitergegeben. Unser Dorf hatte auch Spökenkieker, Menschen mit der medialen Fähigkeit des zweiten Gesichtes. Diese Befähigung ist keine Gabe Gottes oder der Natur, sondern eine späte Auswirkung der Zaubereisünden der Vorfahren.
Einer der letzten Spökenkieker unseres Dorfes war in meiner Seelsorge. Spökenkieker sehen gewöhnlich Brandkatastrophen, Überschwemmungen, politische Umstürze voraus. So hieß es in unserer Gegend, daß Menschen mit dieser besonderen Schau die Luft voller Dämonen sahen, die alle Frankreich zustrebten. – Wir wissen es ohne die Spökenkieker, daß Revolutionen mit dem dunklen Geschäft der Dämonen verquickt sind.
Auf einer ähnlichen Ebene liegt ein Ereignis von China, das mir ein Missionar in Saikung vor vielen Jahren erzählte. Er hatte einen Besessenen zu betreuen. Die Dämonen antworteten dem Seelsorger: „Wir gehen hier raus, nicht weil du es befiehlst, sondern weil unser Chef es befiehlt, nach Deutschland zu ziehen, um dort Hitler zu helfen.“ Waren hier vielleicht keine Dämonen am Werk, als Hitler Millionen von Menschen ermorden ließ und ganz Europa in die größte Katastrophe seiner Geschichte stürzte?

Nicht nur politische Katastrophen und Verfolgungswellen gegen die Christen kommen auf das Konto der Satansengel, auch geophysikalische Ereignisse wie Erdbeben und Vulkanausbrüche haben trotz der natürlichen Ursachen auch die Mitwirkung der bösen Geister unter dem Himmel. Man mag darüber lachen, die Rationalisten tun es bestimmt. Es ist besser aufmerksam die Offenbarung zu lesen, dann entdecken wir derartige Zusammenhänge.
Für uns wichtigere Erkenntnis ist die Entdeckung, wie weit die Dämonen unser Leben zu beeinflussen suchen. Jede Schwäche nützen diese Engel Satans aus, um eine große Leidenschaft daraus zu entfachen. Sie wollen uns nach Leib, Seele und Geist schädigen und vernichten, falls es ihnen gelingen sollte.
Sie sind in jedem Fall verwickelt auf dem Gebiet des Spiritismus und der Zauberei jeglicher Art. Die Dämonen sind die Urheber der Umsessenheit und Besessenheit.
Am verheerendsten wirken sie unter frommem Deckmantel. Denken wir etwa an die Wahrsagerin in Philippi (Apg. 16,16f.), die fromm redete und fromme Prophezeiungen gab. Diese Tätigkeit entspricht am meisten ihrem unheimlichen Kommandanten, der sich selbst gern in einen Engel des Lichtes verwandelt (2. Kor. 11,14). In diesem Zusammenhang schreibt Stauffer in Theologie des NT, Seite 50: „Satan kleidet sich in die Gestalt eines Lichtengels, und seine Hilfstruppen sind die Heuchler, die im Gewande der Frömmigkeit einhergehen, die Pseudobrüder, Pseudozeugen, Pseudolehrer, Pseudoapostel, Pseudopropheten, Pseudomessiasse.“  –  Stauffer schrieb das 1946. Heute muß man noch hinzufügen: Pseudocharismata, Pseudoerweckungen, Pseudovisionen, Pseudoweissagungen, Pseudotheologien. Selbstverständlich werden echte Charismata und echte Erweckungen voll anerkannt.
Pseudos (griechisch) heißt Lüge. Satan, der Vater der Lüge, hat Söhne als Kinder der Lüge. Betrügen, lügen, irreführen, verführen ist die Grundtendenz ihrer Natur. Die Betrogenen brauchen wir nicht nur bei den Kindern dieser Welt zu suchen. Wieviele Christen haben als Wesensmerkmal Heuchelei, Gesetzlichkeit, geistlichen Hochmut, Pharlsäismus und harten Richtgeist. Schauen wir aber mit Furcht und Zittern in unser eigenes Herz, bevor wir uns anderen zuwenden.
König David schaute auf seinen eigenen Zustand (Ps. 32) und wurde dabei ein Mann nach dem Herzen Gottes (Apg. 13,22).
Der Pharisäer (Luk. 18,9) schaute auf den Zöllner und blieb in der Gruppe derer, von denen Jesus (Mt. 23,29) sagte: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler!“

Wir fragen zum Schluß, was bedeutet die Tätigkeit der Engel und der Dämonen? Wir leben zu dritt. Die Engel Gottes sind in seinem Auftrag unsere Gehilfen bei der Nachfolge Jesu und in allen Gefahren des Leibes und der Seele. Die finsteren Gesellen, die dauernd zu uns vordringen und uns beeinflussen wollen, sind die Engel Satans, die an unserer Verführung und Vernichtung stark interessiert sind.
Wer behält das Feld? Wer kommt bei dem täglichen Kampf durch? Nur der, der sich auf die Seite Jesu stellt.
Vor einigen Jahren ist Missionar Pretel, den ich in Thailand besucht hatte, tödlich verunglückt. Nach seinem Tode fand man als seine letzte Eintragung im Tagebuch: Christ is my standard = Christus ist mein Standort. Ist er auch unsere Position?

III. PRO UND CONTRA

1. Katholische Theologen

In der Frage der Besessenheit muß auch die katholische Kirche zu Wort kommen. Es ist dankenswert, daß in der Schwesterkirche dieses heikle Thema nicht vernachlässigt wurde. Es gibt in der katholischen Kirche mehr Veröffentlichungen darüber als in der evangelischen Kirche.
Die positiven Stimmen sollen zuerst zu Wort kommen. Es wird auf eine wichtige Neuerscheinung mit dem Titel „Anneliese Michel und ihre Dämonen“ hingewiesen. Die Autorin ist Frau Prof. Dr. F. Goodman, Anthropologin an der Universität Ohio. Frau Goodman hat bei verschiedenen Völkern die religiösen Ausnahmezustände untersucht. Nach einer wissenschaftlichen Analyse der Tonbänder im Fall Anneliese Michel und nach einer persönlichen Kontaktaufnahme mit den Zeugen kam die Autorin zu dem Schluß, daß hier eine echte Besessenheit vorliegt, und daß die These einer Epilepsie oder einer psychogenen Geisteskrankheit nicht haltbar ist. Frau Goodman ist Nichtkatholikin. Sie gibt aber der Wahrheit die Ehre.
Der katholische Salzburger Universitätsprofessor Dr. Holböck schreibt in seinem Vorwort zu dieser Veröffentlichung: Das Buch ist geeignet „der deutschsprachigen Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, daß in diesem wie in ähnlichen Fällen eine andere Wirklichkeit spürbar geworden ist, für die die allermeisten Mediziner, Juristen und Journalisten weithin kein Sensorium haben und ihr darum ablehnend gegenüberstehen, insofern sie diese Wirklichkeit negieren und allzu rasch in den Bereich krankhafter Psychosen verweisen. Solcher Verdrängung gegenüber versucht die Autorin des Buches in ihrer Art und von ihrem anthropologischen Fachwissen her auf diese andere Wirklichkeit hinzuweisen.“
Auf der gleichen Ebene wie das Buch von Dr. Goodman steht das bekannte Buch des Jesuiten, Pater Rodewyk, der auf dem Gebiet der Besessenheit als internationale Kapazität gilt. In seiner Veröffentlichung „Dämonische Besessenheit heute“ hat er den Fall Magda sorgfältig beschrieben. Darstellen kann ich diese Geschichte nicht, weil sie zuviel Raum einnehmen würde. Rodewyk geht auf seinen 90. Geburtstag zu. Er ist aber geistig noch sehr frisch und klar. Ich stehe mit ihm in Verbindung.
Der Bischof von Trier, der damals den Fall Magda zu beurteilen hatte, gab schriftlich seine Meinung wieder. Dieses Urteil steht auf Seite 84 im Buch von Rodewyk und lautet: „Auf Grund der vorliegenden, gut beglaubigten Tatsachen, auf Grund meiner persönlichen Erfahrungen, nach gewissenhafter Prüfung der verschiedenen Auffassungen bleibe ich bei meinem Urteil, daß es sich im Fall Magda um wahre Besessenheit handelt und nicht um Hysterie und anhaltenden Betrug.“
In diesem Zusammenhang ist das Vorwort Rodewyks zu dem biblisch korrekten und beweiskräftigen Buch von J. M. Hartmann  „Geister, Magier, Wunderheiler“ interessant. Aus dem Munde Magdas riefen die Dämonen: „Wir haben einen großen Ansturm auf die Menschheit vor. Um zum Ziele zu kommen, müssen wir zunächst dafür sorgen, daß die Menschen nicht mehr an unsere Existenz glauben, damit wir unbeirrt arbeiten können. Wir werden jeden unterstützen, der nicht mehr an uns glaubt.“  . . .

So gesehen, ist es kein gutes Zeichen, daß von überallher Stimmen laut werden, die behaupten, der Teufel sei tot, es gäbe ihn überhaupt nicht, und die zugleich der Kirche vorwerfen, sie lehre in diesem Punkt etwas Falsches. Es gebe wohl das Böse, aber nicht den Bösen.
Es gibt also in der katholischen Kirche erfrischende Stimmen, die trotz der rationalistischen Triumphe der Theologie noch an den biblischen Wahrheiten festhalten. So schreibt der römische Theologe Corrado Balducci in seinem Buch „Priester, Magier, Psychopathen. Grenze zwischen Wahn und Teufel“ folgendes:
„Wer sich nach der Feststellung, daß die psychiatrischen und parapsychologischen Phänomene möglicherweise natürlichen Ursprungs sind, dazu berechtigt glaubt, jeglichen außernatürlichen Einfluß systematisch auszuschließen und damit die konkrete Existenz der Besessenheit zu leugnen, legt zweifellos eine völlig unlogische Einstellung an den Tag, die nur von einem aprioristischen Skeptizismus auf alles Überirdische motiviert ist … Und doch vertreten einige Wissenschaftler diese Anschauung mit erstaunlicher Leichtigkeit … Im besonderen beschränken sich die Ärzte auf den psychiatrischen Aspekt, die Parapsychologen auf den paranormalen. Diesen Ärzten es sei der Wahrheit halber gesagt, daß sie immer weniger werden möchte ich die Frage stellen, welche Geisteskrankheit mit Levitation, okkulten Kenntnissen und anderen derartigen Manifestationen zum Ausdruck kommen kann . . .“

Ein bedeutender Zeuge gegen die Leugnung der Existenz des Teufels und der Besessenheit ist der Münchener Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger. Er schreibt:
“Das Böse ist weit mehr als eine der Komponenten der menschlichen Seele, die man mit einer geschickten psychischen Balance integrieren und so unschädlich machen könnte. Stünde es so, dann würde einen das Wissen vor dem Bösen schützen, und der ’Exorzismus’ läge sozusagen in den Händen der Psychologie, deren Kenntnis seelischer Struktur zur Integration und damit zur Freiheit führen würde. Das Wort des Herrn sieht es anders: Das Böse ist nicht bloß psychische Komponente, es ist eine andrängende, selbständige Macht, die den Menschen anfällt . . . “

Einer der gewichtigsten Zeugen für die Existenz des Teufels, dem der katholische Professor Haag den Abschied geben wollte, ist Papst Paul Vl. Seine Ansprache vom 15. November 1972 wurde in vielen katholischen Blättern abgedruckt. Sogar die Bildzeitung hat darüber berichtet. Die Schlußsätze dieser berühmt gewordenen Ansprache lauten: „Die Sünde gibt einem dunklen, feindlichen Täter, dem Teufel, Gelegenheit zu wirksamem Eingreifen in uns und unserer Welt. Das Böse ist nicht mehr nur ein Mangel, sondern es ist eine wirkende Macht, ein lebendiges, geistliches Wesen, verderbt und verderbend, eine schreckliche Realität, geheimnisvoll und beängstigend.“
Damit sei die positive Seite gläubiger Katholiken abgeschlossen.

Hören wir auch die andere Seite, die Thesen wissenschaftlicher Negativisten.
Beginnen wir mit einer Notiz aus der Stuttgarter Zeitung vom 4. August 1976. Der Artikel ist überschrieben: Theologe empfiehlt, den Teufel totzuschweigen. Es heißt darin: „Die katholischen Bischöfe sollten keine Erlaubnis mehr zu feierlichen Exorzismen erteilen. Dies forderte der Tübinger Theologe Professor Herbert Haag als einen ersten Schritt zur Überwindung des Teufelsglaubens. Vor allem sollten die kirchlichen Glaubens-und Gebetbücher von allem, was den Glauben an den Teufel bekräftige, befreit werden, sagte Haag. Er bedauere, daß diese großartige Chance beim neuen Gesangbuch vertan worden sei.“
Die Äußerungen Haags stehen im Gegensatz zur kirchlichen Lehre. Der Papst hat wiederholt von der Existenz des Teufels in unserer Welt, und zwar nicht nur im übertragenen Sinne, gesprochen.

Wir wenden uns nun dem Buch zu „Teufel, Dämonen, Besessenheit. Zur Wirklichkeit des Bösen“, herausgegeben von W. Kasper und K. Lehmann.
Es gäbe ein Buch für sich, wenn man allen Argumenten dieser Veröffentlichung nachgehen wollte. Nehmen wir einmal zur Einleitung die ersten zwei Seiten des Buches und die letzte Seite, dann bekommen wir schon den Ansatzpunkt und den Schlußpunkt dieser Beiträge von katholischen Wissenschaftlern.
Prof. Kertelge schreibt auf der ersten Seite: „Es besteht kein Zweifel, daß Jesus, seine Jünger und die Autoren der neutestamentlichen Schriften mit der Existenz des Teufels und von Dämonen gerechnet haben. Diese Feststellung läßt allerdings verschiedene Interpretationen zu. Will man nicht einem naiven Biblizismus folgen … dann scheint die Frage unabweisbar, ob die antiken Anschauungen von Teufel und Dämonen, die Jesus und seine Jünger teilten, nicht für uns unter den Voraussetzungen eines anderen Weltbildes überholt und von den eigentlichen Intentionen des Evangeliums zu trennen sind.“
Zu diesem Start des Buches ist vieles einzuwenden. Ich muß mich allerdings größter Kürze befleißigen.
Hinter dieser Theologie steht die Entmythologisierung Bultmanns, der meinte, man müsse das NT seiner mythischen Einkleidungen, die von den orientalischen Mysterlenreligionen stammen, befreien. So führte Bultmann in „Kerygma und Mythos“ aus.
Mit zwei Sätzen sei geantwortet. Es gab schon im ersten Jahrhundert Entmythologisierer. Ihre Abwehr steht in 2. Petr. 1,16: „Wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt.“
Man läßt Jesus nicht Gottes Sohn sein, darum ist der Verstand solcher Theologen verdunkelt. Es fehlt die Inspiration des Heiligen Geistes, von der eingangs dieses Buches gesprochen wird. Der Heilige Geist führt in alle Wahrheit. Die menschliche Ratio ist für alle Verführung und Verirrung offen.
Jesus sagte (Joh. 7,38): „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Kertelge sagt: „Wer glaubt, wie die Schrift sagt, betreibt naiven Biblizismus. – Ich halte es lieber mit Jesus als mit Kertelge und lasse mich gern einen naiven Biblizisten nennen.
Der Schlußsatz des Buches ist von Professor J. Mischo und heißt: „Ich würde es begrüßen, wenn dieses Buch den Anstoß dazu liefert, irrationale Reaktionen gegenüber der dämonischen Besessenheit abzubauen, und zu einem tieferen Verständnis dessen hinführt, was die Theologie von heute zu diesem Thema zu sagen hat.“
Das Irrationale muß abgebaut werden. Irrational war aber, daß Gott die Welt aus dem Nichts schuf (Hebr. 11,3). Irrational war, daß Gott seinen Sohn für unsere Schuld sterben ließ. Irrational war, daß Jesus von den Toten auferstand und gen Himmel fuhr. Ich halte es lieber mit dem Irrationalen, das die Bibel uns berichtet, als mit dem Rationalen, das Johannes Mischo uns beibringen will.
Zwischen den aufreizenden Anfangs und Schlußsätzen stehen manche biblische und psychologische Wahrheiten, denen ich beipflichte, aber die Gesamttendenz des Buches bewegt sich nicht auf echter biblischer Ebene.
Hätten Jesus und seine Apostel vor dem Teufel gewarnt, wenn er nur eine Chiffre des Bösen ist, wie Professor Haag meinte (Abschied vom Teufel, Seite 12).
Petrus erhob warnend seine Stimme: „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge“ (l. Petr. 5,8).

“Der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen“ (Offbg. 2, 10). Wenn der Teufel im NT nur mythisches Rankenwerk ist, dann haben wir ihn nicht zu beachten. Natürlich reden wir nicht einer hektischen Überbetonung das Wort, aber die Nichtexistenterklärung ist noch schlimmer.  . . .
Was wir von der sogenannten exakten Wissenschaft zu halten haben, wird an vielen Stellen in diesem Buch von Kasper/Lehmann deutlich. Kertelge spricht beim besessenen Gadarener von Tobsucht und Epilepsie. Sehr wahrscheinlich hat Kertelge noch nie einen Besessenen während des Anfalles gesehen, sonst wüßte er um den Unterschied zwischen einem epileptischen und einem dämonischen Anfall. Ich habe noch nie gehört, daß ein Epileptiker während seines Anfalles plötzlich eine Fremdsprache spricht, die er nie gelernt hat. Noch nie hörte ich auch von Hellsehererlebnissen, wenn ein Epileptiker bewußtlos zu Boden stürzt. Gegen eine apriorische Festlegung ist aber nicht anzukommen. Und ohne die klare Stellung zu Jesus Christus und das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist bleibt jeder Theologe auf totem Gleis. . . .  . . .

2. Evangelische Theologen

Eigentlich müßte man bei den theologisch radikalen Linken, den theologischen Atheisten beginnen, wenn Besessenheit und Exorzismus zur Sprache kommen soll. Wilhelm Busch war es, der erklärte: „Moderne Theologie ist Atheismus unter frommem Vokabular.“ Bultmann und seine Epigonen haben aber beim Volke Gottes so wenig Glaubwürdigkeit daß es überflüssig ist, sich mit der Entmythologisierung auseinanderzusetzen.
Verheerender ist es aber, wenn Pfarrer im aktiven kirchlichen Dienst die Eierschalen des Modernismus nicht ablegen konnten. Ein Beispiel dafür ist die Broschüre von Pfarrer Haack mit dem Titel: „Satan, Teufel, Luzifer – Was ist davon zu halten?“

. . . Pfarrer Haack kann seine unbiblischen Ansichten auf dem Sektor Besessenheit und Exorzismus nicht einfach als Gemeingut aller Christen ausgeben. In der Broschüre Haacks steht viel Verworrenes und Unbiblisches, so daß man nicht weiß, wo man anfangen soll. Er schreibt auf Seite 24: „Der Christ darf die Existenz des Teufels annehmen und ablehnen. Niemand hat das Recht, den anderen seiner Teufelsanschauung wegen zu verurteilen. Das gilt auch für Theologen.“ Diese Sätze bieten einige Angriffsflächen.

1. Eine Verurteilung gibt es für Christen nicht. Das ist Sache Gottes. Biblische Zurückweisung ist keine Verurteilung.
2. Zurückweisung von Irrlehre ist in der Bibel nicht nur erlaubt, sondern geboten. In den sieben Sendschreiben steht mehrmals dem Sinn nach. „Ich habe wider dich, daß du Irrlehrer duldest“ (Offbg. 2,20). Auf der gleichen Ebene liegen die Aussagen von Offbg. 2,2; 2,6; 2,9; 2,14; 2,15; 2,24. Einen Kampf gegen Irrlehre führt auch Petrus (2. Petr. 2), ferner Johannes in seinen Briefen und Paulus an vielen Stellen, z. B. 1. Tim. 4, 1.
3. Mir ist in 50 Jahren meines Dienstes im Reiche Gottes noch kein wiedergeborener Christ begegnet, der die Existenz des Teufels abgelehnt hätte. Solche Erscheinungen gibt es nur bei Namenchristen und Modernisten.
4. Die Haackschen Sätze zeigen seine Kompromißfreudigkeit, die an verschiedenen Stellen seiner Broschüre offenbar wird. „Nach allen Seiten hin die Türen offen lassen, jeden Standpunkt akzeptieren, es mit niemand verderben!“ „Ach, daß du kalt oder warm wärest“.

Prof. O. S. von Bibra schreibt in seiner Broschüre „Werdet nüchtern“ Seite 8: „Mit der Leugnung der Person des Teufels verkennt man die wahre Situation dieser Welt total. Gäbe es nämlich diesen Feind nicht, dann wäre die Sendung des Messias und sein Opfertod unnötig gewesen. Der Apostel Johannes schreibt ja ausdrücklich: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, um die Werke des Teufels zu zerstören“ (1. Joh. 3,8).
Pfarrer Haack weiß es aber besser. Auf Seite 11 der erwähnten Broschüre steht zu lesen: „Es gibt eine Warnung, die man nicht überhören sollte: Hütet euch davor, euch einen persönlichen Teufel vorzustellen. Es gibt wohl die bösen Menschen, es gibt das Böse, aber nicht den Bösen.“ Auf Seite 9 mahnt er: „Eigentlich dürfte es über den Teufel nicht mehr viel zu schreiben geben. Seinen Nachruf höchstens . . .“ –
Haack schrieb auf Seite 24: „Eine der dümmsten Formen des Teufelsglaubens ist die Ansicht, Menschen könnten mit dem Teufel ein persönliches Abkommen treffen, im sogenannten Teufelspakt.“ . . .
Die heidnischen Länder in Afrika, Ostasien und Südamerika sind voll von Menschen, die einen Teufelspakt geschlossen haben. Teufelspakte funktionieren, wie die Seelsorge tausendfältig zeigt. Immerhin habe ich 135 Länder bereist und viel Material zusammengetragen. Bevor ich einige Hinweise gebe, soll erst ein Ausnahmefall erzählt werden.
Ein junges Mädchen probierte eine Teufelsverschreibung. Sie mißlang und blieb ohne Auswirkung. Der Grund war die intensive Fürbitte ihrer Großmutter, eine durch den Geist Gottes wiedergeborene Christin. Gläubige Eltern oder Großeltern können eine „feurige Mauer des Gebets“ um Kinder oder Enkel bilden.
Ein anderes Beispiel erlebte ich in Kanada. In Montreal, im Hause eines gläubigen Bruders, saß ein 19-jähriges Mädchen vor mir in der Seelsorge. Sie litt unter merkwürdigen Störungen und Belastungen. Im Gespräch kam heraus, daß sie aus Neugierde als Vierzehnjährige eine Teufelsverschreibung durchgeführt hatte und seither belastet war. Ursprünglich glaubte sie nicht an eine solche Möglichkeit, bis sie merkte, daß sie in ihrem Leichtsinn sich die Finger verbrannt hatte.
Blutsverschreibungen an den Teufel führen oft zur Besessenheit oder zu schweren seelischen und glaubensmäßigen Schäden.
Vor Jahrzehnten hörte ich als junger Evangelist von einem Teufelspakt durch meinen Freund Pfr. Fritz Eichin. Er hat auf diesem Gebiet Erfahrung, die Pfarrer Haack fehlt. Nun das Beispiel Eichin:
Ein verzweifelter Südbadener ging mit dem Vorsatz in die Hasler Höhle, einen Teufelspakt einzugehen. Auf einem Stück Papier verschrieb er seine Seele dem Teufel. Tief in der Höhle legte er den Zettel nieder und beschwerte ihn mit einem Stein. Als er die Höhle verlassen hatte, reute es ihn. Er kehrte um. Der Zettel war aber schon weg. Er kam zu Eichin in die Seelsorge. Später lernte ich diesen unglücklichen Mann auch kennen. Er hatte die Folgen seiner Unvernunft zu tragen. In der Höhle hatte sich kein anderer Mensch aufgehalten, und ein Windstoß tief im Innern war nicht möglich gewesen. Immerhin ist die Höhle eine halbe Stunde Fußweg lang.

. . .  Zur Zeit dieser Niederschrift mußte ich mich um einen hochbetagten Mann kümmern, der als Junge auf den Knien geschrieen hat: „Du Teufel, ich rufe dich an, weil Gott mir nicht antwortet.“ Jetzt als alter Mann kämpft er noch mit den Folgen dieses Gebetes zum Teufel. Mehr darf ich aus seelsorgerlichen Gründen nicht sagen. Hören wir nun aber, was van Dam über Teufelsbündnisse und Teufelsanrufung sagt:
„Der Vertrag mit dem Teufel. Viele Leute werden dazu getrieben, sich dem Teufel zu verschreiben. Oft geschieht das gerade mit Menschen, die in ihrer Jugend verflucht wurden. Lechler erzählt die Geschichte einer Frau, die als Kind von ihrem Großvater besprochen und verflucht wurde, und die sich später mit dem Mann, mit dem sie zusammenlebte, mit Blut dem Teufel bis an ihr Lebensende verschrieb. Allmählich setzten bei dieser Frau schwere Angstzustände und Depressionen ein, die sie zu mehreren Selbstmordversuchen trieben. Der Kampf um die Befreiung dieser Frau ist noch immer nicht beendet.
Solche Verschreibungen an den Satan werden oft auf einen Zettel geschrieben, meistens mit eigenem Blut. Oft werden sie als Amulett oder Talisman auf dem Körper getragen. Es ist begreiflich, daß solche Verträge mit dem Teufel Menschen unter die Macht des Feindes bringen. Die dämonische Gebundenheit oder Besessenheit ist dann sehr schwer und oft nur nach langem Kampf zu brechen, weil der Betreffende dem Teufel ja ein Anrecht auf sein Leben gegeben hat. Der Anfang des Befreiungskampfes wird deshalb die Aushändigung und Vernichtung des Vertrages sein, die Kündigung des Besitzrechtes.

Die Anrufung des Teufels. Eine mir bekannte, im übrigen auch hysterische Frau, wandte sich für die Behandlung einer ihrer vielen Krankheiten an einen Magnetiseur. Danach rief sie den Teufel an mit den Worten: Wenn Gott mir nicht helfen will, hilf du mir! Daraufhin flüchtete sie aus ihrem Haus und war mehrere Tage verschwunden. Dämonengestalten tauchten nachts um ihr Bett auf; Flüche rollten aus ihrem Mund; vom Glauben hat sie sich seitdem abgewendet.
Viele Menschen gehen nicht so weit, sich durch einen Vertrag dem Teufel zu übergeben. Aber auch, wenn man ihn zur Hilfe ruft, kann das schwere Folgen haben. Der Teufel tut ja nichts umsonst.“ – Soweit van Dam.

Nicht nur van Dam, sondern auch Richard Kriese aus Wetzlar erwähnt die Teufelsbündnisse und die Anrufung des Teufels in seinem Buch „Okkultismus im Angriff“, Seite 187.
Woran liegt es, daß die meisten Pfarrer keinen Zugang haben zu dem, was im Untergrund schwelt? Es hat vier Wurzeln:
1. Eine dem Geist der Bibel entfremdete Theologie.
2. Die fehlende Erfahrung der Missionsgebiete und der Erweckungszentren.
3. Fehlen der Seelsorge auf diesem Gebiet.
4. Die fehlende Inspiration des Heiligen Geistes.

Hat Jesus das Wort in Joh. 3,3 umsonst gesagt: „Es sei denn, daß der Mensch von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“  . . .

Ich stehe schon einige Jahre mit Dr. med. Dieter Kuhl in Batu (Indonesien) in Verbindung. . . .  In einem Brief vom 20. April 1980 schrieb er unter anderem: „Im Westen halten wir leider den Teufel für eine Märchengestalt. Hier in Indonesien wird man schnell von seiner Realität und Macht überzeugt, mit der er Menschen bindet, und man erlebt, daß wir nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, sondern mit Mächtigen, Fürstentümern und Gewalten (Eph. 6,12).“
Da wir es in diesem Buch mit der Besessenheit zu tun haben, bringe ich ein weiteres Zitat aus dem Brief von Dr. med. Kuhl: “Ich diente in der Seelsorge einem Mann mit Doktortitel, der regelmäßig von einem Geist besessen wurde und in diesem Zustand Kranke heilen konnte. Er war einer der bedeutendsten dunkun = Wunderheiler. Er arbeitete ohne Honorar und nur aus ,Nächstenliebe’. Er wurde durch Christus ganz frei.“

. . . Ich wohnte in einem afrikanischen Land im Hause eines Missionars, der das Hobby hatte, Teufelsmasken zu sammeln und in seiner Wohnung aufzuhängen. Es waren keine neu geschnitzten, sondern im Dämonenkult gebrauchte Masken. Ich warnte ihn vor diesem Hobby. Da brach es aus ihm heraus, und er erzählte aus seinem Leben. Nachts wurde er längere Zeit von einer schwarzen Gestalt mit blutroten Augen und Krallen heimgesucht. Es war kein Traum. Er setzte sich auf den Bettrand und betete. Trotzdem kam die Gestalt auf ihn zu. Da gebot er im Namen Jesu, und das Untier verschwand. Nicht lange danach ertrank sein kleiner Sohn in einer kleinen Pfütze des Gartens, in der normalerweise kein Mensch ertrinken kann. Die Frage ist, ob der Tod des Jungen nicht mit der okkulten Sammlung des Vaters zu tun hat. Auf jeden Fall vernichtete der Missionar seine Masken und hatte dann Ruhe. . . .

Die Seelsorge in heidnischen Gebieten und vor allem in Erweckungszentren zeigt die große Variationsbreite der Verstellungskunst Satans. Tiererscheinungen wie Schlangen, Kröten, Hunde; Zwerggestalten wie die Tokoloshe und Tomter, elegant gekleidete Gentlemen bis hin zu Lichtgestalten sind teuflische Erscheinungsformen. Paulus weist in 2. Kor. 11, 14 darauf hin, daß der Teufel auch in Engelsgestalt aufkreuzen kann und sich mit einem religiösen Nimbus umgibt.

Fehlurteile unter Akademikern und Laien können viele Ursachen haben. Ein Erlebnis aus meinem Rundbriefkreis hat mich tief erschüttert.
Eine gebildete Frau, die zwölf Jahre zu meinem Freundeskreis gehörte, wurde von einer Pfarrfrau in die Geistige Loge nach Zürich mitgenommen. Die Geistige Loge betreibt religiösen Spiritismus. In den Gottesdiensten predigt durch ein Medium ein Geist aus dem Totenreich. Diese Frau, die bisher alles Okkulte gemieden hatte, wurde von diesem Irrgeist gefangen und meldete sich von meinem Freundeskreis ab. Ich warnte sie, ich schrieb ihr dreimal. Es war umsonst. Sie ist nun in den Fängen des Spiritismus. Ihr Denkvermögen ist vernebelt.
In der Schweiz ist noch ein solcher Fall. Ich war mit einem Professor der Theologie gut bekannt. Er schätzte und empfahl meine Bücher. Da suchte er zum Studium spiritistische Sitzungen auf, und siehe da, seine Urteile und seine Ablehnung gegen das Okkulte wurden blasser. Sein Denken hatte eine Wandlung durchgemacht.
Nun zwei bayrische Beispiele. Pfarrer Horkel, der auch Bücher schreibt, besuchte spiritistische Sitzungen. Seine Meinung über das Okkulte ist völlig konfus. Auch ihn warnte ich.
Ein anderer bayrischer Pfarrer nahm eine Einladung zu einem Hexenzirkel in England an. Er erlebte dort einen Nackttanz, den er einem Reporter gegenüber als eindrucksvoll schilderte. Man hat mir die Illustrierte zugesandt, in der dieser Pfarrer von seiner Teilnahme bei dem Hexensabbat berichtete. Beide haben aber in okkulten Dingen schiefe, nicht zutreffende Urteile. Teilnahme an okkulten Zirkeln lähmt oder löscht geistliches Denken, wenn vorher solches bestanden hat. Beide Pfarrer sind aber von ihrer Kirche voll anerkannt.
Kommen wir zurück auf das hilfreiche Buch von W. van Dam „Dämonen und Besessene“. Eine Einschränkung muß ich leider machen. Seine positive Bewertung der sogenannten charismatischen Bewegung kann ich nicht übernehmen. Von dieser Einschränkung abgesehen, liefert das Buch wertvolle Einsichten, die meiner Erfahrung entsprechen.  . . .

Epilepsie und Besessenheit
. . . Wir unterscheiden heute Formen der Epilepsie, die nur zum medizinischen Sektor gehören. Einige seien genannt:
a) Die genuine oder idiopathische Epilepsie, die erblich ist.
b) Die symptomatische Epilepsie, hervorgerufen durch eine erworbene Hirnschädigung.
c) Die Temporallappenepilepsie, verursacht durch eine Krampfentladung in einem Schläfenlappenabschnitt.
d) Die psychogen bedingte Affektepilepsie.
e) Die sehr seltene myoklone Epilepsie. Mir ist ein solcher Fall bekannt. Eine Frau, die mit dieser schwer zu behandelnden Epilepsie in einer Universitätsklinik lag, hat eine Glaubensheilung erlebt. Für den Herrn Jesus gibt es keine schweren und leichten Fälle.
Mit diesen Epilepsieformen sind die Mediziner einverstanden. Sie sträuben sich aber, wenn ich noch eine sechste Form nenne: die okkult bedingte Epilepsie, die in schweren Fällen mit einer Besessenheit parallel geschaltet ist. Man hüte sich hier aber vor einer Versteifung ins Extreme. Es wäre eine verheerende Diagnose, wenn man etwa die medizinisch bekannten Formen Besessenheit nennen wollte. Auch die okkult bedingte Epilepsie braucht mit Besessenheit nichts zu tun haben. Nur in der härtesten Form mündet sie gelegentlich in eine Besessenheit ein.
Wir haben in der Bibel Beispiele einer okkult bedingten Epilepsie mit dem härtesten Grad der Besessenheit.
Luk. 9,39 42: „Siehe, der Geist ergreift ihn und reißt ihn, daß er schäumt … Und da Jesus zu ihm kam, riss der Teufel ihn (den jungen Mann). Jesus aber bedrohte den unsauberen Geist und machte den Knaben gesund.“
Mk. 1,23 27: „Der unsaubere Geist riss ihn.“
Mk. 9,17f.: „Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Wo der ihn erwischt, so reißt er ihn; und er schäumt und knirscht mit den Zähnen …“
Natürlich sagen unsere Mediziner: „Hier sind doch Zeichen einer medizinisch bekannten Epilepsie genannt: Anfälle, Schaum vor dem Mund, Knirschen mit den Zähnen usw.“ Die Bibel sagt aber an all diesen Stellen: Der Teufel riss ihn, oder der unsaubere Geist riss ihn. Jesus hat bei diesen Fällen nicht für den Kranken gebetet, sondern dem Geist geboten auszufahren, und die geplagten jungen Männer wurden frei und gesund.
Ich bin überzeugt, daß Jesus sich nie in der Diagnose geirrt hat. Es muß aber den Medizinern dennoch der Unterschied zwischen Epileptikern und Besessenen klargemacht werden.
Der Junge, der von Jesus befreit worden ist, reagiert mit einem Schrei auf das Kommandowort Jesu. Der Epileptiker schreit nur bei Beginn des Anfalls. Der Anfall eines Epileptikers dauert nur kurze Zeit. Meine Seelsorge an dem besessenen Filipino dauerte 20 Stunden.
Medikamente helfen Epileptikern. Bei Besessenen wirken sie nicht. Ein Beispiel aus dem Elsaß. Ein modern orientierter Pfarrer, den ich kenne, rief einen gläubigen Psychiater zu einem tobenden Gemeindeglied. Der Arzt gab der tobenden Frau eine Injektion Morphium zur Beruhigung. Es wirkte nicht. Nach einer halben Stunde gab er ihr eine zweite Spritze, wieder ohne Erfolg. Der Arzt erklärte: „Diese Frau ist nicht geisteskrank, sondern besessen.“ Es war eine heilsame Lektion, daß ein gläubiger Psychiater einem modernistischen Pfarrer eine Besessenheit bestätigen mußte. Bei der okkult bedingten Epilepsie treten die gleichen Symptome auf. Bei der Epilepsie gibt es keine Hellsehererlebnisse während des Anfalles, aber bei Besessenheit. Bei der Besessenheit erstarren die Augen nicht wie bei der Epilepsie. Es gibt noch mehr Unterschiede. Die wenigen mögen genügen, man kann ungläubige Ärzte doch nicht überzeugen.

Hysterie und Besessenheit
Es gibt zwar hysterische Pseudobesessenheiten, aber grundsätzlich hat eine Hysterie eine andere Symptomatik. Man kann einen ganzen Katalog der Unterschiede herausarbeiten. Einige seien genannt:

1. Bei den schwersten Besessenheitsfällen, die es gibt, können Gegenstände und sogar kleine Tiere aus dem Körper der Besessenen heraustreten. In der indonesischen Erweckung kam einmal eine kleine schwarze Schlange aus dem Munde eines Besessenen. In der Schweiz wurde ich selbst mit zwei Besessenheitsfällen konfrontiert, bei denen aus dem Körper von zwei besessenen Frauen in Zürich und in Basel Nägel, Nadeln und Metallteile herauskamen. Der Gottliebin Dittus zu Blumhardts Zeiten passierten auch solche Dinge. In dem Krankheitsbericht der Gottliebin steht, daß einmal Frösche, Fliegen und eine Blindschleiche aus dem Mund der Besessenen herauskamen. Solche Dinge gibt es bei Hysterikern nicht.

2. Im hysterischen Anfall
verliert der Patient nie ganz sein Bewußtsein. Der Besessene ist dagegen total bewusstlos. Er weiß hinterher nicht, was mit ihm geschehen war.

3. Wie bei der Epilepsie haben bei Hysterikern Medikamente eine Wirkung, bei Besessenen nicht.
Einen krassen Fall sah ich in Brasilien. Eine besessene Frau konnte in wenigen Stunden zwei Liter hochprozentigen Alkohol (40 %) trinken, ohne im geringsten betäubt zu sein. Ein Hysteriker kann das nicht.

4.
In Gegenwart von Hysterikern kann ein Zuschauer nicht Schläge aus der unsichtbaren Welt erhalten. Bei Besessenen ist das manchmal der Fall. Ich erinnere an die Friseuse, die Maria die Haare machte und dabei Schläge erhielt. Die Friseuse rannte weg und rief: „Das ist eine Hexe.“ Wie bei der Epilepsie ließen sich hier noch mehr Unterscheidungsmerkmale aufzeigen. Wer aber von vornherein in der Abwehrhaltung steht, kann durch nichts überzeugt werden.

Psychosen und Besessenheit
Van Dam erwähnt in seinem Buch über Besessene, Seite 190, folgendes: „Es sind vor allem die Geisteskrankheiten, bei denen eine Unterscheidung, besonders zu Beginn der Störung, oft recht schwierig ist, weil die Dämonie einer Geisteskrankheit und die Geisteskrankheit einer Dämonie ähnlich sein kann.“
Es gibt auf diesem Gebiet viel Verwirrung. Ungläubige Psychiater diagnostizieren Besessenheitsfälle als Psychosen, und unerfahrene Seelsorger nennen manche Fälle von Geisteskrankheit Besessenheit. Es gibt also falsche Diagnosen auf beiden Seiten. Diese Verwirrung wird noch größer durch die Mischfälle. Auf diese Frage können wir hier aber aus Raummangel nicht eingehen. Ich habe es in anderen Büchern getan.

Die Frage ist, ob und wie man Psychosen von Besessenheit unterscheiden kann.
Das Problem liegt in der beurteilenden Person. Ohne Wiedergeburt und Erfüllung mit dem Heiligen Geist ist die Unterscheidung sehr schwer. Ferner sollte auch der gläubige Seelsorger, außer der seelsorgerlichen Erfahrung, gute medizinische Grundkenntnisse haben. In dem Kapitel über die verschiedenen Formen der Besessenheit wird das auch an einigen Beispielen deutlich.
In der Frage der Unterscheidung steht in dem Buch von van Dam ein kleiner Fehler. Er schrieb auf Seite 192: „Im Gegensatz zur Besessenheit ist die Schizophrenie nicht ansteckend.“ Das stimmt nicht ganz. In vielen psychiatrischen Lehrbüchern wird das induzierte Irresein genannt. Pfleger oder Psychiater, die jahrzehntelang Geisteskranke betreuen, können manchmal davon angesteckt werden. In dem Kapitel über den Gadarener habe ich zwei Beispiele erwähnt. Ich gebe noch einen Bericht, den ich vor vielen Jahren von einem Freund erhalten habe. Friedrich Heitmüller wurde von einem gläubigen Mann gerufen, weil sein Sohn besessen war. Heitmüller wußte, daß eine solche Seelsorge Teamwork, Mannschaftsarbeit ist und nahm einen gläubigen Lehrer mit. Dieser Lehrer wurde von seinem Sohn begleitet, der glaubensmäßig nicht klar stand. Mit dem Besessenen wurde gebetet, und Heitmüller gebot im Namen Jesu. Der Besessene wurde frei. In der gleichen Stunde wurde aber der Lehrersohn besessen und wurde bis an sein Lebensende nicht mehr frei.

Das beweiskräftigste Unterscheidungsmerkmal ist das Sprechen in Fremdsprachen, die der Besessene nicht gelernt hat. Das gibt es bei keinem Geisteskranken.
Eine andere Unterscheidung, die ich sehr oft erlebte, ergibt sich aus folgendem Sachverhalt. Wenn ich mit einem Geisteskranken bete, bleibt er ruhig. Bete ich dagegen mit einem Besessenen, dann fängt er an zu toben, zu fluchen, zu lästern und sich wie unsinnig zu gebärden, oder er fällt sofort in Trance. Man nehme es mir aber nicht übel, wenn ich folgendes sage: Wenn der Beter kein Jünger Jesu ist, dann bleibt der Besessene auch ruhig. Das heißt zum Beispiel, wenn ein modernistischer Pfarrer aus einem Gebetbuch vorliest, rührt sich der Besessene nicht. – „Das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft. Sie haben den Schein des gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie“ (2. Tim. 3,5).
Es gibt im Bereich der protestantischen Theologie und bei gläubigen evangelischen Medizinern Männer, die imstande sind, Geisteskrankheiten von Besessenheit zu unterscheiden. Neben dem oft zitierten Psychiater Dr. Lechler nenne ich den englischen Psychiater McAll, mit dem ich befreundet bin. Im theologischen Sektor nenne ich Prof. Dr. Dr. Unger, Prof. Dr. Dickason und Professor Dr. Matthews, alle Amerikaner. Dann muß die Arbeitsgemeinschaft von 25 Gelehrten unter Montgomery genannt werden, deren Buch im Schlußkapitel erwähnt wird. Daß so viele Amerikaner genannt werden, ist nicht von ungefähr. Das Schwergewicht der evangelischen Theologie hat sich etwas von Europa nach Amerika verlagert. Bultmann und seine Epigonen haben in Europa im übertragenen geistlichen Sinn eine Verwüstung angerichtet. Aber zwei Theologen in Deutschland mit einem klaren Blick muß ich erwähnen. Es ist Prof. Dr. Beyerhaus in Tübingen und Prof. Dr. Michel.

3. Fehlende Unterscheidung
Diesem Kapitel liegen drei Veröffentlichungen von Pfr. Wilhelm Horkel zugrunde. Vor rund 30 Jahren erschien „Botschaft von Drüben“ in erster Auflage. Mit bekümmertem Herzen habe ich damals das Buch gelesen. Ohne mich mit meinem Freund Pfarrer Fritz Eichin abzusprechen, erhielt ich von diesem Kenner der okkulten Phänomene einen Brief, in dem Eichin sich auch bestürzt über dieses Buch aussprach. Unsere Meinungen trafen sich in dem Gesamturteil: Göttliches, Natürlich Menschliches, Mediales und Dämonisches ist ohne Unterscheidung vermengt. Charismatisches und Pseudocharismatisches wird in einen Sack gestopft.
Die Gabe der Geisterunterscheidung hängt nicht von dem Grad oder der Intensität der menschlichen Intelligenz ab, sonst hätten unsere Universitätsprofessoren das meiste göttliche Licht. Die Gabe der Unterscheidung ist Frucht der Gnade Gottes, Wirkung des Heiligen Geistes. Ein einfacher Hilfsarbeiter kann, wenn er ein wiedergeborener Christ ist, die Geistesgabe der Unterscheidung haben, während sich sein Gemeindepfarrer geistlich vielleicht nicht orientieren kann. Geistige und geistliche Gaben liegen auf zwei verschiedenen Ebenen.
Mit der Antwort an Horkel habe ich aus verschiedenen Gründen lange gewartet. Zunächst einmal ist Horkel ein bekannter und begabter Literaturkenner und Pfarrer, der in der Kirche eine geachtete Position hat. Zum andern liebe ich keine öffentlichen Auseinandersetzungen. Es ist ohnehin zuviel Streit unter den Christen. Ich öffne nur dann den Mund, wenn gläubige Christen in der Gefahr sind, verwirrt zu werden.
Ich gehe aus von einer kleinen Notiz in dem Titel „Geist und Geister“. Auf Seite 43 schreibt der Verfasser: »Der badische Pfarrer K. Koch sagt rundheraus: Spiritismus und Christentum unterscheiden sich wie Feuer und Wasser. Ihm entgegen steht Karl Heim: Durch das Auftreten der okkulten Phänomene werden gedankliche Hindernisse für die rettende Wirkung des Wortes (Gottes) aus dem Weg geräumt werden können und die göttliche Wirklichkeit der verkündigten Heilsbotschaft durch solche Machttaten, in denen die Kräfte der zukünftigen Welt sich bereits wirksam erweisen, bezeugt und beglaubigt.“ (Heim, „Ich gedenke der vorigen Zeiten“ S. 311).
Hier versucht Horkel zwischen Karl Heim und mir einen Gegensatz zu konstruieren, der nicht besteht. Zunächst erwähne ich, daß ich Schüler von Karl Heim bin. Er war in meiner Studienzeit der einzige Professor, mit dem ich ungeteilt einer Meinung war. Da ich schon als Student Seelsorge übte und Evangelisationen hielt, sammelte ich damals bereits okkulte Beispiele. Darum schenkte ich Heims Ausführungen über den Okkultismus und Spiritismus große Beachtung. Ich erinnere mich noch gut, was er über den Spiritismus sagte. Er erwähnte, daß manchmal Atheisten über den Weg des Spiritismus zu Christus finden. Genau das entspricht meiner eigenen Erfahrung. Nur ein einziges Beispiel:
Ein Mann war in meiner Seelsorge. In seiner Beichte bekannte er, daß er zuerst Atheist war, dann vom Spiritismus in seinen Anschauungen „umgekrempelt“ worden ist. Als er den Weg zu Christus fand, sagte er sich vom Spiritismus los.
Genau das wollte Heim sagen. Der Blickpunkt meiner Darstellung geht in ganz anderer Richtung. Ich sah in der Seelsorge die Schäden, die der Okkultismus und Spiritismus anrichten und wende alle Kraft auf, die Menschen davon abzuhalten oder ihnen Wege der Befreiung zu zeigen. Heim und ich sind darin keine Gegensätze, wie Horkel konstruieren will. Wir arbeiteten nur an verschiedenen Frontabschnitten. Das kann ich aus dem gleichen Buch beweisen, aus dem Horkel die obigen Sätze entnahm.
In seiner Lebensgeschichte auf Seite 303 schrieb Karl Heim: „Wir wissen ja als Christen, daß die Bibel uns den Verkehr mit der Geisterwelt verbietet. Ich würde deshalb auch niemals an einer spiritistischen Sitzung teilnehmen.“ Horkel kennt diese Stelle, und doch nahm er an spiritistischen Sitzungen teil. Prof. Fritz Blanke hat Pfarrer Horkel in der Schweiz in die spiritistischen Kreise eingeführt. Kein Wunder, daß Horkel selbst medial ist.
Die fehlende Unterscheidungsgabe kann aus Raummangel nur an einem einzigen Beispiel gezeigt werden. Eigentlich müßte ich ein ganzes Taschenbuch darüber schreiben.

In dem Buch „Träume sind keine Schäume“ behandelt Horkel ab Seite 122 den „Träumer Swedenborg“ (1688-1772). Damit ich nicht missverstanden werde, bekenne ich, daß ich an den Visionen und Träumen von Swedenborg nicht zweifle. Das Problem, das Horkel nicht sieht, ist die Wurzel dieses außerordentlichen visionären Geschehens im Leben Swedenborgs. Swedenborg war ein phänomenaler Intellektueller, der seiner Zeit starke wissenschaftliche Impulse und Anregungen gab.
Er war zugleich ein hochmediales, religiöses Medium. Neben vielen medialen Praktiken betätigte er sich auch als religiöses, automatisches Schreibmedium, um nur einen Punkt zu nennen. Er war der Meinung, daß er von Gott, von Christus und von Engeln direkte Diktate erhielt. Er hatte die Auffassung, daß die Reihe der biblischen Propheten und Apostel noch nicht abgeschlossen ist, sondern daß Gott heute noch solche Gestalten hinzufügt. Es klingt durch, daß er sich für eine solche biblische Gestalt hielt. Aufgrund seines religiösen Schrifttums und der erwähnten Diktate hat sich die Sekte der Swedenborgianer entwickelt. Sie nennt sich „Kirche des Neuen Jerusalem“ und hat in USA und in Europa schätzungsweise 20.000 Mitglieder.
Es war mir vergönnt, in Kalifornien eine Kirche der Swedenborgianer zu besuchen. Auf einer landschaftlich phantastisch schönen Anhöhe mit dem Blick zum Pazifischen Ozean steht dieses architektonisch hervorragende Gebäude. Es ist eine totale Glaskonstruktion: alle Wände und das Dach bestehen aus großen Glasplatten, die diese neue Offenbarungsreligion des großen Schweden symbolisch darstellen sollen. Ich las am Ausgang der Kirche die Grundsätze dieser Gemeinde, die mit dem biblischen Christentum nur einige gleichklingende Vokabeln gemeinsam haben. Aufschlussreich ist auch die Beobachtung, daß die Swedenborgianer enge Kontakte zu den Spiritisten pflegen.
Was würden die Männer der Bibel zu Swedenborgs himmlischen Diktaten sagen?
Paulus würde wiederholen, was in Galater 1,8 steht: „So ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ – Paulus würde also die Engel, die Swedenborg diktiert haben, verfluchen, weil es ein anderes als das biblische Evangelium ist.
Johannes würde seine Warnung in Offbg. 22,18 wiederholen: „Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: So jemand dazusetzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen die in diesem Buch geschrieben stehen.“ – Swedenborgs himmlische Diktate würden unter dieses Verdikt fallen.
Was haben die Zeitgenossen Swedenborgs über seine Visionen und Träume gesagt? Hören wir zuerst John Wesley (1703 – 1791) aus seinem Journal Seite 309:
Swedenborg, ein amüsanter Verrückter
28.1.1770. Ich machte mich daran, einige Schriften von Baron Swedenborg zu lesen und ernsthaft darüber nachzudenken. Ich begann mit einem gewaltigen Vorurteil zu seinen Gunsten, da ich wußte, daß er ein frommer und gelehrter Mann war, der einen langen Bildungsweg hinter sich hatte und durch und durch als gläubiger Christ galt. Lange konnte ich es aber nicht aushalten. Irgendeine seiner Visionen zeigt ohne Zweifel seinen wahren Charakter. Er ist einer der begabtesten und aufregendsten unterhaltsamen Schausteller, die jemals ihre Feder aufs Papier setzten. Seine aufrüttelnden Träume sind so wild, so weit entfernt von der Bibel und der allgemeinen Überzeugung, daß man danach leicht die Märchen vom Däumling Tom oder dem Riesen Killer Jack in sich aufnimmt.“

Wesley war einer der größten Männer Gottes Englands. In dem Amphitheater von Gwennap hat er 32 000 Zuhörern gepredigt, und zwar so, daß alle ihn verstanden. Lautsprecher gab es damals noch nicht, aber der Heilige Geist hat wie am ersten Pfingstfest für Verständlichkeit gesorgt. Wesley hatte die Gabe der Geisterunterscheidung, wie man aus seinen Seelsorgefällen und aus seinen Predigten schließen kann. Er hat bei dem moralischen Niedergang des englischen Volkes um 1750 die ganze Nation mit seiner Verkündigung erfasst und aufgerüttelt. Ich wäre froh, wenn Deutschland oder die Schweiz heute einen solchen Mann hätte.
Aber nicht nur von der charismatischen Seite, sondern auch von dem intellektuellen Forum kam schwerer Beschuss gegen Swedenborg.
Der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) verspottete 1766 in seinem Pamphlet „Träume eines Geistersehers“ Swedenborg.
Ich pflichte Kant nicht bei, weil er eben alles „von der reinen Vernunft her“ sieht. Hierher würde auch passen, was Köberle im Blick auf Bultmann schreibt. Er gebraucht den Ausdruck „rationalisierende Verharmlosung“. Mit der „bloßen Vernunft“ kommt man Swedenborg nicht bei. Die stärkste Waffe gegen Swedenborg ist nicht Kant, sondern eher John Wesley.
Seit Jahren trage ich auch darüber Leid, daß Swedenborg Einfluß auf Männer des Glaubens gewonnen hat. So sind Swedenborgs Spuren bei Oberlin (1740-1826), Jung Stilling (1740 – 1817) und Oetinger (1702-1782) zu erkennen. Auf theologischem Sektor ist das besonders misslich. Swedenborg glaubte an eine stufenweise Höherentwicklung des Menschen nach seinem Tode, bis hin zur Einung (Vereinigung) mit Gott (unio mystica). Oetinger glaubte ebenfalls an die Läuterungsstufen nach dem Tode bis hin zur Versöhnung des Alls und aller Menschen. Beide Männer haben also gedankliche Systeme entwickelt, die im Widerspruch zur Bibel stehen.
Pfarrer Horkel spricht aber von Swedenborg so harmlos, so fasziniert, weil eben die Gabe der Unterscheidung fehlt. Das ist der Punkt, wo meine Fürbitte für ihn und viele andere eingesetzt hat.

4. Formen der Besessenheit
In der Zeit, da dieses Buch niedergeschrieben wurde, kam eine Frau in die Seelsorge, die behauptete, besessen zu sein.
Zunächst sei eine grobe Faustregel zum Thema Besessenheit erwähnt: Wer wirklich besessen ist, weiß es gewöhnlich nicht. Wer erklärt, daß er besessen ist, ist es normalerweise nicht.
Wenn wir schon bei den Faustregeln sind, dann muß auch gesagt werden, daß ein Seelsorger niemals einem belasteten Menschen sagen darf, er sei besessen, selbst wenn es stimmen sollte. Die Gefahr, Schaden anzurichten, ist zu groß.
Nun aber zu dieser Frau. Ich hatte drei Wochen Gelegenheit, diese Frau zu beobachten. Von einer Besessenheit konnte absolut nicht die Rede sein. Der Hintergrund ihrer Aussage war, daß sie Mitglied einer extremen Gemeinde war, in der viel über Besessenheit geredet wurde. Da mein Beichtkind sehr sensibel und mit einem schwachen Nervensystem ausgerüstet ist, fing es diese überhitzte geistliche Atmosphäre auf. Es war eine glatte Übertragung in Form einer religiösen Massensuggestion. Beim Beten reagieren Besessene sehr rasch, vor allem dann, wenn mehrere geisterfüllte Beter gegenwärtig sind. Diese Frau dagegen blieb nicht nur ruhig, sondern fühlte sich gestärkt. Ich sagte ihr also mehrmals, daß von einer Besessenheit absolut keine Rede sein könne, weil gar keine Symptome dafür vorlägen.
Leider gibt es extreme Gruppen, die ein Sammelbecken und zugleich eine Brutstätte für Neurosen, Depressionen bis hin zur Züchtung von Pseudobesessenheiten darstellen.

Auf der gleichen Linie liegt der nächste Seelsorgefall. Ein Mädchen suchte für einen Urlaub ein christliches Heim auf. Der Heimleiter, den ich kannte, stand in dem Ruf der Glaubens- und Gebetsheilungen. In der Tat sind ihm viele Glaubensheilungen geschenkt worden. Seinen Namen verschweige ich, um nicht seinem Werk zu schaden. Das kranke Mädchen ging zu dem Heimvater in die Seelsorge. Er betete mit ihm nach Jakobus 5,14 unter Handauflegung. Es trat aber keine Heilung oder Besserung ein. Nach einigen Tagen meldete sich das Mädchen wieder zur Aussprache und berichtete, daß nichts geschehen sei. Der Hausvater betete nochmals unter Handauflegung mit der Kranken. Nach einiger Zeit fragte der Bruder sie: „Wie geht es dir? Bist du gesund geworden?“ Sie antwortete wahrheitsgemäß: „Nein.“ Dann rief er ihr lautstark zu: „Du hast den Teufel.“ Die Kranke verließ verzweifelt das Heim. Sie war dann mit der Vorstellung geplagt: „Ich bin besessen. Ich habe einen Teufel.“ Es braucht wohl nicht betont werden, daß das eine furchtbare Seelsorge war. Das war keine Hilfe oder Heilung, sondern eine suggestiv übertragene Pseudobesessenheit. Mit einem solchen Beispiel werden die in diesem Buch erwähnten Kritiker der Besessenheit gern einverstanden sein. Das ist ja Wasser auf ihre Mühle.

Eine weitere Form einer Pseudobesessenheit will ich an einem Beispiel aus Philadelphia (USA) darstellen. Ich hatte an einer Kirche der Stadt einige Vorträge. Nach einem Gottesdienst kam ein Mann zur Seelsorge, der bei einem seelsorgerlichen Gespräch anscheinend in eine Trance oder Halbtrance fiel. Eine Gebetsgruppe von etwa 15 Teilnehmern wurde zusammengerufen. Auch der Pfarrer der betreffenden Kirchengemeinde, ein gläubiger Christ, war anwesend.
Schreiszenen mit Lästerungen wechselten ab. Ich hatte dabei den Eindruck, daß das Wachbewusstsein nicht ausgeschaltet war. Auch fehlte mir die Charakteristik der typischen Besessenheitsfälle, die ich über Jahrzehnte hinweg in der Seelsorge beobachten konnte.
Schließlich nahm mich der Ortspfarrer zur Seite und sagte: „Ich meine, dieser Mann spielt Theater.“ Ich erwiderte: „Meine Überzeugung ist das auch.“ Der Ausgang dieser Geschichte zeigt, daß wir richtig beobachtet hatten. Ich schickte den Gebetskreis weg und sagte dem angeblich Besessenen: „Wir machen jetzt Schluß. „ Darauf die prompte Frage des Pseudobesessenen: „Ist es keine echte Besessenheit?“ Damit hatte er sich verraten. Wirklich Besessene wissen nach dem Anfall nichts von dem, was vorgefallen war. Dieser Pseudobesessene war ein Hysteriker, der das Interesse aller auf sich ziehen wollte. Er wollte einmal im Mittelpunkt stehen und zur Geltung kommen.
Professor Kretschmer schrieb in „Medizinische Psychologie“, Seite 244: „Viele von den hysterischen Mechanismen sind ja nichts anderes als Zweck und Abwehrneurosen, kleine und oft erfolgreiche Mittel schwach ausgerüsteter, nervöser Individuen, um trotz des ungleichen Spieles doch noch von unten nach oben zu kommen und zuletzt über die Klugheit und die Machtmittel des Gesunden und Starken zu triumphieren.“
Kretschmer trifft bei diesem Seelsorgefall die Situation. Ich habe hinterher erfahren, daß dieser Mann, der die Besessenheit schlecht gespielt hat, früher das Moody Bible Institut besucht hatte, um Prediger zu werden. Diese Laufbahn wurde unterbrochen, weil das Institut diesen Bibelschüler entlassen hat. Seither irrte der verhinderte Prediger in verschiedenen Städten umher und versuchte als Hilfsprediger unterzukommen, was ihm aber nicht gelang. So faßte er den Plan, die Besessenheit und danach die Befreiung zu spielen, weil er meinte, daß befreite Besessene bei den gläubigen Christen große Beachtung finden. Dieses Spiel zahlte sich nicht aus. Erfreut war ich, daß der Ortspfarrer, der vorher keinen echten Besessenheitsfall in der Seelsorge hatte, dieses Spiel richtig durchschaute. Man muß also nicht unbedingt Psychologie und Medizin studiert haben, um solche Vorgänge richtig beurteilen zu können.

Der dämonisierte Intellektualismus.
Mein Freund Dr. theol. Otto Riecker, auf dessen Bibelschule in Adelshofen ich wärmstens hinweise, hat ein vielbeachtetes Buch geschrieben „Bildung und Heiliger Geist“ (Hänssler Verlag). Nur einzelne Sätze daraus sollen den Charakter unserer Zeit erhellen!
Im Anschluß an 1. Kor. 2,12: „Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott“, führt Riecker aus: „Gerade daran, welchem Geist das Leben unterstellt ist, sieht man den wesentlichen Unterschied … Es ist auch der sogenannte anständige Mensch, sogar der kirchlich orientierte Mensch, wenn er nicht wiedergeboren ist, noch dämonisch bestimmt durch den Geist der Welt, in der er lebt. Gerade er braucht in der Bekehrung einen Durchbruch von dieser dämonischen Letztbestimmtheit hin zur Gottbestimmtheit …
Die Anmaßung zeigt sich auch darin, daß Jesu Gottessohnschaft in Zweifel gezogen wird …  Dann ist der Intellekt dämonisiert … Ich habe einem Freund, einem ehemaligen Bultmann-Schüler, der in seinem Glauben nicht recht froh werden konnte, in einem nächtlichen Gespräch bemerkt: Du solltest eigentlich Bultmann absagen, wie man sonst dem Teufel absagt. Er hat das gemacht. Das gab dann die Freiheit, die er vorher nicht gehabt hatte … Man muß einer solchen Denkweise absagen, wie man dämonischen Gegebenheiten in Anwesenheit eines Bruders absagen muß. Man muß sie auch als Sünde gegen Gott und Jesus bekennen, sich darüber beugen und sich davon reinigen lassen …  Der dämonisierte Intellekt wird zunehmend die Erfahrung des Abendlandes … “.

Einen überraschenden Beitrag gibt Riecker zum Problem der okkulten Belastung. Er schreibt auf Seite 40: „Wir wissen aus der Seelsorge, daß auch Theologen von Vorfahren her durch Zauberei und Aberglaube okkult belastet sein können. Dementsprechend ist dann auch ihre Wissenschaft, verzerrt … Selbst bei Gläubigen gibt es okkulte Behaftung, so daß wir aus unserer Kenntnis der übersinnlichen Welt auch vermuten dürfen, daß eine Letztbestimmtheit dieser Art hinter solcher Theologie steckt.“

Eigentlich müßte ich noch viele Formen der Besessenheit, Umsessenheit oder Pseudobesessenheit darstellen. Aber es ist rein unmöglich, alles Material auszubreiten, das in einem halben Jahrhundert zusammengetragen worden ist.
Drei Gebiete sollen noch gestreift werden.

5. Hassbesessenheit
Bei der Rückkehr von meinem achtzehnten Afrikabesuch las ich in der Swissair „Die Welt am Sonntag“. Ein Artikel fesselte mich. Es wurde berichtet, daß der Weltkirchenrat abermals die finanzielle Unterstützung der Guerillagruppen in Afrika beschlossen habe und diese aktive Hilfe nicht an gewaltlose Aktionen der „Freiheitskämpfer“ binde. Das heißt, es dürfen Kirchensteuergelder und Kollekten, in Europa gesammelt, auch zur Beschaffung von Waffen und Munition benützt werden. Wie wollen die Herren des Weltkirchenrates das einmal vor Gott verantworten?  . . .  . . .

6. Pseudocharismatische Besessenheit
Es gibt Charismata und es gibt Pseudocharismata. Beide sind unvereinbar. Die Unterscheidung ist oft nur möglich, wenn eine Gabe der Geisterunterscheidung vorliegt.
Unser 20. Jahrhundert erlebt eine pseudocharismatische Großoffensive Satans. Begonnen hat dieser satanische Ansturm 1899 in der kleinen Bibelschule Tekoa in Kansas unter ihrem Leiter Rev. Parham. Er behauptete, daß das Zungenreden der Erweis der Geistestaufe sei. Es gäbe ein langes Kapitel, wenn ich die ganze Geschichte der pseudocharismatischen Bewegung aufrollen sollte. Es kann sich hier nur um kurze Hinweise handeln. Wer mehr darüber wissen will, lese mein Taschenbuch „Die Geistesgaben“.
Der schwarmgeistige Funken sprang von Tekoa über nach Los Angeles, dieser spiritistischen Hochburg in Kalifornien. Dort entstand 1906 in der Azusa-Street eine Pseudoerweckung. Von Anfang an fühlten sich auch echte Kinder Gottes von dieser Bewegung angezogen, weil eben viel vom Heiligen Geist die Rede war.
Das fremde Feuer kam dann herüber über den Ozean. Wales war seit 1905 eine echte Erweckung geschenkt worden. Ich kenne diese Erweckung nicht nur aus Büchern, sondern durch die Berichte alter Veteranen, die als junge Männer daran teilnahmen. Es handelt sich um Lindsey Glegg in England und Dr. Evans, den ich in Chicago kennen lernte. Die Erweckung von Wales kam 1908/1909 zum Erliegen, als das falsche Feuer von Tekoa und Los Angeles eindrang. Man sagte den Walisern: „Ihr müsst die Gabe der Zunge haben, sonst fehlt euch das volle Evangelium. «
Diese Tragödie wiederholte sich in unserem Jahrhundert bei vielen Erweckungen.
Es können nur einige Stichworte gegeben werden. Bei der indonesischen Erweckung, die 1965 auf der Insel Timor begann, zeigten sich viele Geistesgaben mit Ausnahme des Zungenredens. Einige Zungenredner kamen dann von Java herüber und verfälschten das Bild. Mel Tari, der mein Dolmetscher auf Timor war, wurde davon angesteckt. Er sagte in seinem Buch“ Like a mighty wind“ = Wie ein mächtiger Wind, folgendes: „Wer mit dem Heiligen Geist getauft worden ist, wird früher oder später in Zungen reden.“
Der Teufel ist stets darauf aus, Erweckungen zum Erliegen zu bringen. Schafft er es nicht mit groben Sünden, Verfolgungen oder Schlafgeist, dann probiert er es mit falschen Charismata (Geistesgaben, Gnadengaben).

Die Erweckung in Kanada war dieser Gefahr ausgesetzt, hat aber den Versuch des Erzfeindes im Keim erstickt. Ich war im Zentrum dieser Erweckung in Saskatoon. Als 1971 beim Beginn der Erweckung Hunderte zum Glauben kamen, mußten Seelsorgehelfer geschult und eingesetzt werden, um alle Beichtwilligen betreuen zu können. Ohne Berechtigung schlich sich dann eine pseudocharismatische Frau in die Gruppe der Seelsorgehelfer ein. Sie erklärte den Beichtenden: „Ihr müsst die Gabe des Zungenredens haben, sonst fehlt euch die Fülle des Heiligen Geistes.“ Nur kurze Zeit ging das gut. Dann wurde das den Leitern gemeldet, die diese Frau sofort vom Platz wiesen.

Die koreanische Erweckung hat auch eine Gegenströmung in der Bewegung von Dr. Yonggi Cho erhalten. Dr. Cho ist ein hochgebildeter Mann, der in Korea jetzt die größte Gemeinde hat. Er reist auch um die ganze Welt und trägt die Fackel seiner Bewegung weiter. Er sprach auch in meiner Heimatstadt Karlsruhe.
Was er denkt und verkündigt, findet sich in seinem Buch „Die vierte Dimension“. Ein Beispiel daraus. Er sagte einem Schwerverletzten, der den sicheren Tod vor Augen hatte, er solle sich vorstellen, daß er ein junger, gesunder Mann sei, dann würde diese positive Einstellung zu seiner Heilung führen. So geschah es auch.
Das ist keine biblische Heilung, sondern religiöse Suggestion und Autosuggestion. Die suggestive Beeinflussung spielt bei Dr. Cho eine entscheidende Rolle. Wer sich in der Kultur und Geistesgeschichte auskennt, der findet bei diesem Koreaner Gedanken, die andere vor ihm ausgesprochen haben. In Stichworten seien erwähnt: zuerst Descartes (1596-1650), dessen „Discours de la Méthode“ uns als Primaner beschäftigte. Als Ausgangspunkt für unser Denken und der Erfassung unserer Umwelt prägte er den Leitsatz „Cogito ergo sum“ = Ich denke, darum bin ich. Nach zwei Umschaltungen kann das ergeben: Wenn mein Denken in Ordnung ist, dann ist auch meine Existenz in Ordnung. Damit haben wir bereits einen Kernpunkt in der Seelsorge und in der Heiltätigkeit von Dr. Cho. Es gibt aber noch andere Quellen oder Vorläufer auf dieser Linie.
Schopenhauer (1798-1860) erklärte in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“, daß die gesamte Erscheinungswelt nur Ausdruck unserer Vorstellung ist. Nach einer Umpolung erhalten wir auch hier das Prinzip: Wenn unsere Vorstellung korrekt ist, dann richtet sich die Umwelt, die Erscheinungswelt, danach. Unsere Vorstellung und Gedanken erleben eine Außenprojektion und eine Verdinglichung. Das Wort Materialisation dürfen wir hier nicht gebrauchen, weil das falsche Assoziationen hervorruft. Nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung, also nach der Denkform der Kausalität, assimiliert unsere Außenwelt unsere Vorstellung. Wieder ein Grundstein für die Meinung von Dr. Cho: Wer die rechte Vorstellung hat, kann selbst seinem kranken Leib helfen.
Ein dritter Vorläufer von Dr. Cho ist Coué (1857-1926). Dieser in Nancy lebende Psychotherapeut entwickelte ein Heilverfahren, das sich auf die Autosuggestion gründete. Coué erklärte, daß die Einbildungskraft der Antrieb menschlichen Handelns ist. Diese Einbildungskraft muß so gesteigert werden, daß sich das verwirklicht, was der Mensch sich vorstellt. Von Coué ist das erdacht, von Dr. Cho ist das erfolgreich praktiziert.
Mary Baker Eddy (1821-1910), die Begründerin der Christian Science, schrieb in ihrem Hauptwerk „Science and Health“, daß wir in unserem Geist und Gemüt nur die richtige Einstellung aufbringen müssen, dann würden wir gesund; denn Krankheit und Tod sind unwirklich. Auch hier liegt wieder eine Wurzel von Dr. Chos Auffassung: Heilung und Gesundheit hängt von einem entsprechenden Denken ab.
Zuletzt soll Vincent Peale genannt werden, der in seinem Buch „Die Kraft positiven Denkens“ ähnliche Gedanken entfaltet wie Dr. Cho in seiner Seelsorge und Menschenbetreuung.
Dr. Cho wird nun vielleicht sagen: „Ich habe keines dieser Bücher gelesen.“ Das mag stimmen oder nicht. Es spielt in meiner Beweisführung keine Rolle. Geistige Grundstrukturen wiederholten sich in der Philosophie und in den Denkweisen der Völker immer wieder. Panta rei = alles ist im Fluß oder gar im Kreislauf. Sagen wir es einmal ganz derb und „mittelalterlich“: Der Teufel legt oft die gleiche Platte wieder auf, wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist. Damit soll aber keine pauschale Bewertung ausgesprochen sein. Der „Discours de la Méthode“ von Descartes weist diesen Philosophen als ersten systematischen Denker der Neuzeit aus. Mit dem biblischen Gedankengut haben allerdings seine Thesen nichts gemeinsam.
Die Grundposition von Dr. Cho ist ebenfalls nicht die Bibel, sondern die Psychologie, die er allerdings mit biblischem Gedankengut frisiert und auffüllt. Durch seine brillante Beredsamkeit überrennt er seine Zuhörer. Das Wort Gottes geht aber keine Ehe ein mit der Psychologie noch mit moralischer Aufrüstung, auch nicht mit der modernen Theologie, noch mit vielen anderen religiösen und halbreligiösen Strömungen. Der Geist Gottes führt in alle Wahrheit. Er hat keine Anleihen bei menschlichen Wissenschaften nötig.

7. Materialisationen
Materialisationen und Dematerialisationen gehören zu den unheimlichen Praktiken der Magier und Spiritisten. Ich bin auf Missionsreisen oft diesem Phänomen begegnet.
Das Austreten von Materie, sei es Eisen, Steine oder kleine Tiere aus dem Leibe des Menschen, der besessen ist, hat eine besondere Charakteristik. Zuerst einige Beispiele vom Missionsfeld.
In Soe auf der Insel Timor sind in der Zeit der Erweckung viele Zauberer und Besessene zum Glauben an Christus gekommen. Ich erinnere mich besonders an einen jungen Mann. Er hieß Daniel. Er bekannte öffentlich, daß er durch schwarze Magie einige Menschen getötet hat. Der Polizei, die ihm auf den Fersen war, konnte er immer entkommen. Er behauptete, er hätte sich unsichtbar machen können. Wir finden diesen Vorgang auch in dem Buch „From Witchcraft to Christ“, in dem die ehemalige Zauberin Doreen Irvine aus ihrem Leben berichtet.
Nach seinem öffentlichen Zeugnis hatte ich ein persönliches Gespräch mit dem jungen Mann. Er erklärte, daß er 36 Steine in seinem Körper unter der Haut hatte. Bei seiner Bekehrung seien die Steine bei jeder Teilnahme an einer Gebetsgemeinschaft aus dem Körper herausgekommen. Bei unserer Unterredung sagte er, daß der letzte und größte der Steine noch in seinem Körper sei. Er nannte mir die Stelle und erlaubte, daß ich den Stein betastete. Er war so groß wie in Taubenei und befand sich unter dem Jochbein. Er war überzeugt, daß dieser letzte Stein als Zeichen seiner Hörigkeit Satan gegenüber auch noch herauskommen werde.  . . .

Von Materialisationen hörte ich oft in Ostasien. Es nimmt aber zu großen Raum ein, wenn ich alles berichten sollte.
Gehen wir zum europäischen Raum. Als Vorgeschichte erwähne ich den vielzitierten Pfarrer J. Chr. Blumhardt, der in Möttlingen die Erweckung erlebte, deren Auswirkungen heute noch zu spüren sind.
In den Jahren 1842 bis 1844 hatte Blumhardt die besessene Gottliebin Dittus betreut. Auf dem Höhepunkt der Austreibung der dämonischen Geister kamen aus dem Mund der Besessenen gelegentlich kleine Frösche, einmal eine Blindschleiche, ferner Nägel aller Art heraus. Es ist viel über diese Vorgänge geschrieben worden. Ich weise auf eine Veröffentlichung des Brunnen Verlages in Basel hin: „Die Krankengeschichte der Gottliebin Dittus.“
Was Blumhardt erlebte, ist mir in der Seelsorge mehrfach begegnet. In Kurzform einige Details. Ich muß dabei Namen und Ort weglassen, weil die betreffenden Menschen noch leben. In meiner Kartei befinden sich die Geschichten von vier Frauen, die besessen waren oder noch sind und die gleichen Vorgänge zeigen wie die Gottliebin Dittus.
Bei einer Vortragsreihe in einer europäischen Großstadt kam eine Mitternachtsschwester zu mir und bat mich, eine besessene Frau in die Seelsorge zu nehmen. Als ich den Namen und die Begleitumstände gehört hatte, lehnte ich ab.
Mir war die Besessene schon vorher durch den Bericht eines Pfarrers bekannt, ehe diese Schwester mich um deren Betreuung bat. Es handelte sich um die Präsidentin mehrerer Bordells, die ihrerseits selbst eine bekannte Dirne war. Ich wußte auch, daß ihr bisheriger Seelsorger durch dieses dämonische Weib zu Fall gekommen war. Ich lernte diesen Seelsorger kennen und merkte, daß er sich von seiner Katastrophe noch nicht erholt hatte. Nach meiner Ablehnung wurde diese Schwester der Mitternachtsmission energisch und erklärte: „Sie müssen diese Frau übernehmen. Es gehört zu ihrem Auftrag. Wer soll sie sonst übernehmen?“ Ich erwiderte ebenso energisch, daß ich mir keine Besessenen von Reichgottesarbeitern aufzwingen lasse, es sei denn, der Herr gibt mir den Auftrag dazu. Es ist ein Trick des Erzfeindes, uns viele Besessene zuzusenden, bis wir geistlich ruiniert sind. Ich bin ohnehin durch die Seelsorge mit Besessenen in größte Gefahr geraten. Wenn nicht so viele Gläubige für mich gebetet hätten und vor allem, wenn der Herr nicht seine Hand über mich gehalten hätte, wäre ich längst zerbrochen.
Diese Bordellpräsidentin ist in parapsychologischen und seelsorgerlichen Kreisen dadurch bekanntgeworden, weil aus ihrem Körper, aus dem Mund oder aus dem Unterleib, manchmal auch aus den Schläfen Nägel und Nadeln, Hufeisen, Messer, kleine Scheren und Gabeln und auch Glasstücke herauskamen.
Bei einem weiteren Fall aus einem europäischen Land wurde ich abermals zu Hilfe gerufen. Ein Gebetskreis, dessen Leiter ich kennen lernte, nahm sich einer besessenen Frau an, aus deren Körper einige Kilogramm Eisenteile herauskamen. Man hat mir dieses Zeug gezeigt. Ich bat diesen Beterkreis, sie sollten diese Gegenstände nicht aufbewahren, sondern vernichten. Wenn Nägel oder Nadeln aus dem Mund kommen, kann man annehmen, daß sie vorher verschluckt worden sind. Diese Theorie versagt aber, wenn Nägel aus den Schläfen austreten. Bei einem besessenen Mann kamen lange Nägel durch die Haut des Oberarms und durch die Haut des Rückens.
Ein weiteres Beispiel knüpft sich an einen bekannten Namen: Uri Geller. Viele Rationalisten haben ihn als einen Scharlatan angesehen. Damit verharmlost man das Problem. Er ist ein hochqualifiziertes Medium. Natürlich ist bekannt, daß manchmal Medien durch Tricks nachhelfen, wenn ihre mediale Kraft nachlässt oder vorübergehend aufgebraucht ist. Ein Magier, der sich dem Teufel verschrieben hatte, ließ sich mit Uri Geller ein. Vielleicht dachte er, in der Zusammenarbeit mit Uri noch stärkere Kräfte zu bekommen. In seiner eigenen Familie gebärdete sich dieser Mann als Tyrann. Er verschrieb die eigene Tochter dem Teufel. Sie wuchs unter vielen seelischen Nöten auf, die eine Folge ihrer unverschuldeten Blutsverschreibung waren. In ihrer Not fing sie zu beten an. Der Herr nahm sich des belasteten Mädchens an. Es fand Vergebung und Frieden mit Gott.
Damit begann eine Periode schwerster Angriffe. Satan setzt denen fürchterlich zu, die ihm zu entrinnen drohen. Es zeigten sich alle Zeichen einer Besessenheit. Jedesmal, wenn mit dem Mädchen gebetet wurde, fing es an zu toben. Es traten dabei Eisenteile aus ihrem Körper. Es sind jetzt schon einige Kilogramm. Bei ihren Anfällen erschien ihr der inzwischen verstorbene Vater, der seine Besitzrechte anmeldete. Wenn der Anfall vorüber ist, kann das Mädchen glauben und beten. Diesen Wechsel zwischen Besessenheitsanfällen und Phasen gläubigen Betens traf ich auch bei anderen seelsorgerlichen Betreuungen an.
Bei solchen Erlebnissen zeigen sich viele Probleme, die nicht alle erörtert werden können. Einiges soll aber doch angedeutet werden:
1. Das Austreten von Eisenteilen kenne ich nur bei Besessenen oder bei der ostasiatischen Materialisationszauberei, die aber einer Besessenheit gleichkommt.
2. Häufig zeigen sich die Besessenheitsphänomene bei einem Menschen erst dann, wenn er sich bekehrt hat. Unerfahrene Seelsorger oder Theologen leisten sich oft Kurzschlüsse und sagen, daß bei einer Bekehrung und Wiedergeburt eine Besessenheit automatisch aufhört. Meine Erfahrung zeigt einen anderen Sachverhalt.
3. Wichtig ist der Unterschied zwischen psychiatrischen Fällen und der Besessenheit auf diesem speziellen Sektor der Materialisationen. Das erste Beispiel muß hier herangezogen werden. Bei der Frau in der Tübinger Klinik konnten die Eisenteile im Körper geröntgt und damit sichtbar gemacht werden. Bei Besessenheitsfällen können die Eisenteile nur kurz vor dem Austreten ertastet oder sichtbar werden. Zehn Minuten vorher sind sie durch die Röntgenstrahlen noch nicht zu erfassen. Bei den psychiatrischen Fällen geht es rational zu. Die Materialisationen gehen über das Messbare und Rationale hinaus.
4. In psychiatrischen Fällen ohne die Besessenheitskomponente wird in solchen Fällen operiert. Bei Besessenheit weichen die Eisenteile durch vollmächtiges Gebet. Nur formelhaftes Gebet oder das Gebet von Namenchristen haben diese Wirkung nicht. Es handelt sich also hier um charismatische oder echte glaubensmäßige Vorgänge. Frommer Firniss hat keine Wirkung.

Nun zur Erläuterung ein Beispiel aus Deutschland. Ein Pfarrer aus Lübeck hat mich vor etwa 15 Jahren angeschrieben und um eine Aufklärung gebeten. Es handelte sich um folgenden Sachverhalt. Einige Spiritisten suchten den Pfarrer auf und baten ihn, seine Kirche zu öffnen. Der Pfarrer begleitete die Besucher, die beim Betreten der Kirche erstaunt erklärten: „Hier ist eine wundervolle Aura.“ Dann baten sie den Geistlichen: „Offnen Sie einmal die Hand.“ Der Pfarrer tat es. Da fielen rote Steinchen wie Rubine auf seine Hand. Die Spiritisten erklärten: „Das ist ein Gruß der unsichtbaren Welt. Die Steinchen werden wieder verschwinden.“ Etwa nach fünf Minuten lösten sie sich in der Tat auf und verschwanden ins Unsichtbare. Das war eine spiritistische Materialisation und Dematerialisation. Der lutherische Pfarrer begriff diesen Vorgang nicht und schrieb mich deswegen an. Das ist ein Beispiel aus meiner Kartei.
Nebenbei bemerkt, es ist ein schlimmer Tatbestand, wenn eine Kirche statt einer Atmosphäre des Heiligen Geistes eine spiritistische Aura hat. Das gibt es nicht nur einmal. Kirchen, in denen spiritistische Pfarrer amtieren, entwickeln eine spiritistische Aura. In England gibt es einige hundert solcher Kirchen. In Deutschland ist mir nur dieser eine Fall in Lübeck begegnet. Der Amtsbruder, der mich anschrieb, ist aber kein Spiritist. Die spiritistische Aura seiner Kirche war bei seinen Vorgängern entstanden.

Nachtrag
Dieses Buch war schon in Druck gegeben worden, da wurde ich mit einem neuen Fall von Besessenheit bekanntgemacht. Ohne Angabe des Namens, des Ortes und des Landes darf er veröffentlicht werden. Von meinem Wohnsitz aus kann nicht auf den Ort des Geschehens geschlossen werden, da ich immer noch auf verschiedenen Kontinenten Vortragstouren und Missionsreisen unternehme.
Der Seelsorger der besessenen Frau, um die es sich handelt, ist ein gläubiger Mann, der bei mir Rat gesucht hat. Er hat diese Seelsorge richtig angepackt und einige Beter dazugenommen. Denn es handelt sich bei einer solchen Seelsorge immer um einen Nahkampf mit den Mächten der Finsternis, die zurückschlagen.
Die Besessene stammt aus einer Familie, deren Vorfahren verschiedene Arten von Zauberei getrieben haben. Wieder tritt das Merkmal zutage, daß aktive Zauberei gern bei den Nachkommen oder bei den unmittelbar Betroffenen zur Besessenheit führt.
Bei dem geplagten Menschenkind zeigen sich vier Phasen ihrer schweren Belastung. Als Kind war diese Frau das Opfer der verwilderten Sexualität des eigenen Vaters. Auch das ist eine häufige Erscheinung, daß solche Praktiker der Zauberei Sodomie, Blutschande und andere unnatürliche Perversitäten pflegen. Ein Übergreifen der Medialität auf die passiven Opfer habe ich zu hunderten beobachtet.
Die zweite Phase begann mit der Hinkehr des geplagten Mädchens zu Christus. Sie wurde unter der Verkündigung des Wortes Gottes willens, ihr Leben zu ordnen und der Führung Jesu zu unterstellen. Der Teufel läßt sich das nicht ohne Gegenwehr gefallen, daß seine Opfer ausscheren. Wenn der oben erwähnte Seelsorger mit dem Mädchen betete, trat eine Trance ein. Die Besessene fing an zu schreien. Dieser Zustand dauerte fünf bis sechs Stunden. Wenn sie das volle Bewußtsein erlangt hatte, wußte sie von nichts. Der Seelsorger erkannte an diesem Verhalten und an den typischen Reaktionen, daß er es mit einer Besessenen zu tun hatte.
Die dritte Phase wurde noch dramatischer. Auf die Frage des Seelsorgers: „Wer seid ihr?“ erhielt er zur Antwort: „Wir sind mehr als 2000 Dämonen. Unser sind viele. Wir sind eine Legion.“ Damit wurde der Pastor in einen Kampf hineingestoßen, der über seine Kräfte ging. Er wußte aber, daß er auf der Seite des Siegers stand, der am Kreuz auf Golgatha für uns den Kampf entschieden hat. Im Namen Jesu gebot er den Mächten auszufahren. Es schien, daß einige das Feld räumten, aber nicht, ohne sich lästig bemerkbar zu machen. Auf dem Hals und auf dem Arm der Besessenen erschienen Kreuzeszeichen wie rot eingebrannt. Der Seelsorger hatte plötzlich die Initialen seines Namens ebenfalls auf seinem Arm. Ein andermal erschienen auf dem Arm der Besessenen die Zahlen drei, sieben, zwölf. Der Dämon, der alle diese Zeichen einbrannte, fuhr aus. In Zukunft kam dieses Tätowieren nicht mehr vor. Die eingebrannten Zeichen verschwanden nach einiger Zeit.
In der vierten Phase zeigten sich Materialisationen. Aus dem Körper der Besessenen kamen aus verschiedenen Körperstellen kleine Steine, Nägel, Nadeln, kleine Scheren und anderes. Ist es nicht seltsam, daß auf allen Kontinenten diese Materialisationen die gleiche Charakteristik zeigen? Man vergleiche nur die Berichte, die in diesem Buch gegeben worden sind. Bei dem jungen Mann auf Timor (Indonesien) kamen 36 Steine heraus, als er sich bekehrt hatte. Das Austreten von Nägeln, Nadeln und anderen eisernen Gegenständen ist von der Gottliebin Dittus berichtet worden, ebenso von der genannten Dirne und bei vielen gleichgelagerten Fällen auf allen Kontinenten. Die Dämonen haben ihre eigenen, oft gleichbleibenden Spielregeln. Diese Konstanz der Phänomene auf der ganzen Erde und in allen Jahrhunderten zeigt die Strategie Satans, der den Kampf mit Erbitterung führt, bis er beim letzten Gericht in den feurigen Schwefelsee geworfen wird (Offbg. 20,10).
Bedeutsam an dieser Geschichte ist die Tatsache, daß sich die Besessenheitssymptome nur in der Krise, im Moment des Anfalles, zeigen. Ist die Krise vorüber, dann kann die Frau herzlich beten, die Bibel lesen und dem Herrn für seine Hilfe danken. Das ist ein Hinweis für die unerfahrenen Christen, die der Meinung sind, daß mit der Bekehrung derartige Besessenheitsangriffe ein für allemal aufhören. Andererseits haben erfahrene Seelsorger aus solchen Erlebnissen geschlossen, daß sogar gläubige Christen besessen sein können. Ich habe in Vorträgen und auch in anderen Büchern auf die Unterschiede zwischen der Besessenheit der Gläubigen und der Ungläubigen hingewiesen. Ich will das hier nicht wiederholen.
Das Ende dieser Seelsorge kann noch nicht berichtet werden, weil sie noch nicht abgeschlossen ist. Wir rechnen aber mit dem Sieg Jesu, zumal diese Frau von einem guten Seelsorgerteam betreut wird.

Teil 2  EXORZISMUS

1. Seelsorge an okkult Belasteten
In der Nummer 7 des Mitternachtsrufes von Wim Malgo, erschienen im Oktober 1978, steht ein Artikel von Frau Dr. phil. Gertrud Wasserzug. Die Überschrift lautet: „Die Stellung des Gläubigen zu Satan und den Dämonen“.
Zunächst sei vermerkt, daß die überschrift falsch ist. Es muß heißen „Die Stellung von Frau Dr. Wasserzug zu Satan und den Dämonen“. Der Gebrauch des Kollektivbegriffes „des Gläubigen“ steht ihr juristisch nicht zu.
Kaum war dieser Artikel erschienen, da gingen bei mir Proteste ein, ob ich nicht eine Antwort darauf geben wolle.
Ich zögerte. Dieser Beitrag lag fast zwei Jahre in meiner Sammlung. Man kann also nicht sagen, daß ich in erster Erregung reagiert hätte. Zum andern bin ich mir wohl bewußt, was Paulus in Römer 14,4 schreibt:
„Wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest?“ Ein Recht zu richten habe ich nicht und wage ich nicht. Eine Pflicht zur biblischen Klarstellung ist mir aber aufgetragen.
Zuerst will ich zwei Proteste erwähnen.
Die Mission „Fol Evangile“ mit dem Sitz in Colmar teilte mir durch ihren geistlichen Vater Emil Kremer folgendes mit: „Ich sende Dir einen Artikel von Frau Dr. Wasserzug aus dem Mitternachtsruf. Ich wußte wohl von ihr, daß sie direkte Konfrontierung mit dem Teufel und den Dämonen fürchtete. Aber daß sie nun lehrt, daß die Teufelsaustreibungen nur für die Apostel als Zeichen ihres Apostelamtes gelten, widerspricht Markus 16,17, wo es heißt: Die Zeichen, die da folgen denen, die da glauben, sind, in meinem Namen werden sie Teufel austreiben. Die Aussagen von Frau Dr. Wasserzug widersprechen auch den Erfahrungen bei allen Erweckungen.
Da viele den Mitternachtsruf lesen, wäre es notwendig, daß durch die Schrift und durch die Zeugnisse von diesen Erweckungen klar ins Licht gestellt wird, daß im Blick auf die zunehmenden Mächte des Okkultismus der Endzeit gerade die Verheißungen der Heiligen Schrift im Kampf gegen Satan, durch direkten Kampf gegen die Mächte der Finsternis, so notwendig sind zur Befreiung der Gebundenen.“ Soweit lassen wir Emil Kremer zu Wort kommen. Sein Brief trägt das Datum 17. Oktober 1978.
Der zweite Protest kam von einem gläubigen Pfarrer, bei dem ich schon evangelisiert habe, und mit dem ich mich sehr verbunden weiß. Um ihn vor Angriffen zu bewahren, nenne ich nicht seinen Namen. Im persönlichen Gespräch berichtete mir dieser Bruder folgendes: „Wir verteilen in unserer Gemeinde den Mitternachtsruf von Wim Malgo. Als wir den Artikel von Frau Dr. Wasserzug gelesen hatten, verteilten wir diese Nummer nicht, weil diese Darstellung unbiblisch ist. Wir konnten auch nicht begreifen, daß Wim Malgo diesen Artikel veröffentlicht hat…“
In der Tat ist dieser Artikel unbiblisch. Aussagen müssen begründet werden.
Das Positive zuerst! Richtig ist die Feststellung: „Jesus Christus ist der Sieger über den Teufel und über die Dämonen.“
In meinen Büchern gegen das Okkulte und in meinen Vorträgen habe ich allezeit die Botschaft des Sieges Jesu vorangestellt. So ist in meinem Buch OKKULTES ABC, Seite 504, ein Kapitel überschrieben: Realisiere den Sieg Jesu über die finsteren Mächte! In den Schlußsätzen dieses Kapitels heißt es: „Gott hat für uns den Sieg am Kreuz auf Golgatha bereitet, und er ruft auch uns in unseren Kämpfen zu: Was schreist du zu mir, der Sieg ist da, nimm den Sieg in Anspruch!“
Im Ansatzpunkt bin ich also mit Frau Dr. Wasserzug einig, aber nicht mit ihren Folgerungen.
Sie schreibt, daß sie jegliche Konfrontierung mit den Dämonen ablehnt. Was macht sie aber, wenn ihr Menschen in die Seelsorge gebracht werden, die okkult belastet oder gar besessen sind? Ich weiß, was sie tat. In der Schweiz habe ich in meinen Evangelisationen oft davon gehört. Sie hat mit den Belasteten gebetet und sie dann ihrem Schicksal überlassen. Die Schwerbelasteten aus ihrer Bibelschule in Beatenberg wandten sich dann an andere Seelsorger. Als ich in Interlaken evangelisierte, kamen aus ihrer Bibelschule zwei Lehrkräfte und einige Bibelschüler und packten ihre Not, Anfechtungen und Belastungen aus, weil ihnen Frau Dr. Wasserzug keine Hilfestellung geben konnte. Diese Frau war durch ihre amerikanische, fundamentalistische Theologie blockiert. Es war darum auch kein Wunder, daß sie ihren Bibelschülern verbot, meine Bücher zu lesen. (Das gleiche Verbot sprach sie gegenüber den Büchern von Hans Bruns und Corrie ten Boom aus.) Einige Seminaristen haben aber doch meine Bücher gekauft und sie in privaten Familien in Beatenberg aufbewahren lassen, weil es verboten war, daß meine Bücher in die Häuser von Frau Dr. Wasserzug gebracht werden durften. Diese starre doktrinäre Haltung auf diesem und anderen Gebieten war dann die Ursache, daß es mit der Bibelschule bergab ging. Zuletzt waren noch sechs Bibelschüler da. Als sie endlich die Leitung abgegeben hatte, ließ einer ihrer Nachfolger Evangelisten kommen, die versäumte Themen und Entscheidungen nachholten. Die Bibelschule erholte sich wieder und hatte bald 70 und 100 Bibelschüler.
Woher hat Frau Dr. Wasserzug ihre unbiblischen theologischen Lehren, die hier nicht alle ausgebreitet werden können. Sie war von jeher von den amerikanischen Fundamentalisten und ihrer Dispensationstheologie abhängig. In USA wird vielfach gelehrt, daß wir in der Bibel verschiedene Offenbarungsepochen haben. Das ist durchaus richtig im Ansatz, aber nicht in den Folgerungen. Aus Zeitmangel nur ein Problem. Die Dispensationstheologen sagen: „Die Gnadengaben existierten nur im ersten Jahrhundert. Mit der Sammlung der biblischen Bücher hörten sie auf.“ Strengere Vertreter, zum Beispiel Prof. Bullinger, erklären: „Mit dem Tod der Apostel hörten die Geistesgaben auf.“ Frau Dr. Wasserzug übernahm das und erklärt: „Wir leben jetzt in der Zeit der Gemeinde, in der die ursprünglichen Gaben nicht mehr gegeben sind.“ Ich füge eine Aussage hier bei. Sie behauptet in dem Artikel: „Jesus Christus hat der Gemeinde heute keinen Auftrag und keine Macht gegeben, Teufel auszutreiben.“ In einem anderen Satz sagt sie: „Binden und Lösen ist kein Auftrag für die Gemeinde heute, sondern es war ein Auftrag für die Apostel.“ „Es ist kein Einsatz von Beten und Fasten nötig, um Teufel auszutreiben.“ „Wir haben keine Macht, im Namen Jesu den Teufeln zu gebieten. Sie ist für diese Zeit nicht gegeben, weder Männern noch Frauen.“
Warum studiert nicht Frau Dr. Wasserzug die Geschichte der Erweckungen, bei denen zu allen Zeiten bis heute gewaltige Gnadengaben aufgebrochen sind?
Die Aussage ist schriftwidrig, daß alle Charismata im ersten Jahrhundert aufgehört haben. Es bleibt die Wahrheit: Jesus Christus, gestern und heute und in alle Ewigkeit. Es bleibt die Botschaft von Markus 16 am Schluß, daß die Glaubenden teilhaben an der Vollmacht des erhöhten Herrn. Es ist gültig, was Paulus über die Gemeinde in Eph. 1,22 sagt: „Gott hat seinen Sohn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allen erfüllt.“ Die Gemeinde Jesu allerzeiten, nicht nur des ersten Jahrhunderts, hat Anteil an dem Reichtum, der Kraft und der Fülle ihres Herrn.    . . .
Ein einziges Beispiel kann ich mir nicht versagen. Frau Dr. Wasserzug sagt, daß der Sieg vollkommen ist und ein Perfektum darstellt das glaube ich auch. Sie meint nun, aufgrund dieses Sieges könnten wir nicht mehr direkt mit dem Teufel konfrontiert werden. Meine Antwort: Paulus verkündete den Sieg Jesu in 2. Kor. 2,14: „Gott sei Dank, der uns allezeit Sieg gibt.“ Auch diese Aussage halte ich fest. Der gleiche Paulus schrieb aber den Thessalonichern 1. Thes. 2,18: „Darum haben wir wollen zu euch kommen (ich Paulus) zweimal, und Satan hat uns verhindert.“
Ich sehe darin keinen Widerspruch. Karl Heim sagte uns einmal in der Vorlesung: „Satan leistet uns erbitterte Nachhutgefechte.“ Manche Christen meinen aber, sie müßten der Bibel nachhelfen und scheinbare Widersprüche mit einer theologischen Konstruktion überbrücken. Das ist nicht erforderlich. Die Bibel ist vom Heiligen Geist inspiriertes Wort Gottes. Es ist gut, daß zwei scheinbar sich widersprechende Verse in der Bibel stehen. Dann sehen wir, daß der besiegte Feind uns noch furchtbar zusetzen kann. Kein Seelsorger will mit dem Teufel konfrontiert werden. Aber Satan läßt den, der in sein Reich eingreift, nicht in Ruhe.
Prof. Otto Michel, dieser gläubige Theologe von Gottes Gnaden, sagte in seinem Buch „Gestaltwandel des Bösen“ auf Seite 90: „Jeder Versuch, das Böse ernst zu nehmen, wird auf Gegenwehr des Bösen stoßen und wird erfahren, daß es nicht versäumt, sich dafür zu rächen.“  . . .

2. Zeitweilig besessen

Pfarrer Stegmaier gab mir folgenden Bericht:
“Gibt es das, daß ein Mensch zu gewissen Zeiten von einer fremden Macht besessen ist, während er sonst einen völlig normalen Eindruck macht? Ein Erlebnisbericht bestätigt diese Tatsache.
In einer größeren Stadt fand eine Evangelisation statt. Ein treuer Beterkreis hatte diese innerlich und organisatorisch gut vorbereitet. Von Anfang an war der Saal gefüllt mit aufmerksamen Zuhörern. Obwohl ein lebendiger Kreis von Gläubigen hinter der Verkündigung stand, hatte ich vom ersten Abend an den Eindruck, als ob ich gegen eine Wand sprechen würde. Ich spürte einen starken inneren Widerstand, den ich mir nicht erklären konnte. Dabei war mir aufgefallen, daß eine jüngere Frau in den vorderen Reihen saß, die während der ganzen Ansprache mit fest geschlossenen Augen dasaß, während sie beim Singen wieder die Augen öffnete. Zuerst hatte ich das einer gewissen Müdigkeit zugeschrieben. Als sich dieser Vorgang aber jeden Abend wiederholte, kamen mir doch ernste Bedenken.
Ich hatte zu seelsorgerlichen Gesprächen eingeladen. Eines Tages sagte eine Diakonisse, daß die betreffende Frau um ein seelsorgerliches Gespräch gebeten hätte. Auch sie hatte den Eindruck, daß irgend etwas nicht in Ordnung war.
Wir haben einen Termin vereinbart, und ich hatte einige Geschwister gebeten, während dieser Zeit in einem anderen Raum für uns zu beten. Die junge Frau saß mir gegenüber. Ein Tisch war zwischen uns. Sie machte einen ganz normalen Eindruck. Ich bat sie, ihr Herz zu erleichtern, zumal sie ja aus diesem Grund gekommen war. Ganz offen konnte sie zuerst sprechen. Vor allem machte es ihr zu schaffen, daß zu gewissen Zeiten und in unregelmäßigen Abständen eine fremde Macht über sie kam, die ihr Leben veränderte. Sie konnte nicht mehr beten, mußte dagegen fluchen und toben. Stimmen sprachen aus ihr heraus und forderten sie zum Selbstmord auf. Wenn sie auf den Speicher ging, schrie es aus ihr heraus: „Spring aus dem Fenster!“ Ging sie über eine Brücke, kam die Aufforderung: „Stürz dich hinab!“
Die Familie, bei der sie in Stellung war, wußte, daß während einer solchen Zeit nichts von ihr zu erwarten war und sagte: „Sie spinnt mal wieder. In einigen Tagen wird sie schon wieder vernünftig.“
Im Verlaufe des Gesprächs stellte es sich heraus, nachdem ich danach gefragt hatte, daß die Familie okkult belastet war. Sie selbst war in der Kindheit durch ein Familienglied besprochen worden. Bis hierher konnten wir uns ganz normal unterhalten.
Als sie eine gründliche Beichte abgelegt und, soweit bewußt, ihr Leben geordnet hatte, sagte ich, daß es mit der Bitte um Vergebung der Schuld nicht getan ist, sondern daß sie ganz persönlich ein Lossagegebet aussprechen und sich an Jesus Christus mit der Bitte um Befreiung von den dunklen Mächten wenden müsse. Dieses Gebet wollte ich ihr satzweise vorsprechen, und sie sollte dann im Glauben die Worte wiederholen.
Das Gebet hat etwa so begonnen: „Ich danke dir, Herr Jesus Christus, daß du uns erlöst hast von Sünde und Schuld und uns befreit hast von allen finsteren Mächten . . .“
Sie sprach die ersten Worte nach: „Ich danke dir, Herr …“ und stockte dann. Ich sprach das Gebet ein zweites Mal vor und bat sie, die Worte zu wiederholen. Wieder kam sie nur bis zu den Worten: „Ich danke dir, Herr . . .“ Mit großem Ernst sagte ich ihr daraufhin, daß ihr nicht wahrhaft geholfen werden könne, wenn sie den Namen Jesus Christus nicht ausspreche und sich im Glauben an ihn als Heiland und Erretter wende.
Da ging mit einem Mal eine Veränderung mit ihr vor. Ihr Gesicht nahm einen fratzenhaften Ausdruck an. Mit wirrem Blick starrte sie mich an, als wollte sie mich hypnotisieren. Das war doch nicht mehr dieselbe Frau, mit der ich gesprochen hatte! Langsam, ganz langsam erhob sie sich und beugte sich über den Tisch hinweg in meine Richtung. Die Hände waren verkrampft, als wollte sie mir die Augen auskratzen.
Ich war ebenfalls aufgestanden, konnte mich aber nicht vom Fleck rühren. Ich stand wie angewurzelt, konnte kein Wort mehr sprechen und hatte das Gefühl, mich in einem unheimlichen Zirkel zu befinden. Dabei spürte ich eine bleierne Lähmung vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Das Schlimmste war, daß ich auch nicht mehr denken konnte, sondern hilflos zusehen mußte, wie diese Fratze immer näher kam.
Daß wir in solchen Lagen trotzdem nie alleingelassen sind, durfte ich spüren, und die Gebete der Geschwister hatten sicher ganz wesentlich geholfen. Ganz plötzlich bekam ich für Augenblicke einen klaren Kopf und konnte wieder denken. Mit festem Blick sah ich die Frau an und sagte: „Im Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, befehle ich dieser fremden Macht, auszufahren und nie wieder von ihr Besitz zu ergreifen.“
Da geschah das Wunder: Der Bann war gebrochen. Erschöpft, aber mit friedlichem Gesichtsausdruck setzte sie sich nieder. Auch von mir war der Druck und die Beklemmung gewichen. Sie sagte dann: „Können Sie jetzt verstehen, was Besessenheit ist, und was ich durchgemacht habe?“ Nun war der Weg frei zu Lob, Dank und Anbetung für die Befreiung durch das Blut Jesu Christi.
Auch in der Evangelisation gab es einen Durchbruch, und viele kamen zum Glauben. Jetzt brauchte sie auch nicht mehr mit zugekniffenen Augen in den Versammlungen zu sitzen, und das Wort konnte mit Freude und Vollmacht verkündigt werden.
Mehrere Jahre später trafen wir uns wieder. Auf meine Frage, wie es ihr gehe, sagte sie mit strahlendem Gesicht: „Dem Herrn sei Dank, ich bin immer noch frei, und es hat keinen Rückfall gegeben.“ Der Sieg Jesu war endgültig und völlig. – Pfarrer W. Stegmaier

3. Mary
Professor Buzzard, Dozent in San Francisco, sagte einmal: „The man who denies the phenomena of Spiritism is not entitled to be called a skeptic but he is simply ignorant.“ Übersetzt heißt das: „Ein Mann, der die spiritistischen Phänomene leugnet, kann nicht Skeptiker genannt werden, sondern ist nur als unwissend zu bezeichnen.“
Auf Skepsis und überhebliche Kritik wird dieser Bericht stoßen, nicht nur bei den Rationalisten, die alles mit ihrem Verstand ausmessen wollen, sondern auch bei Christen, die nie mit dämonischen Dingen zu tun hatten. Seelsorger sollten sich aber nicht vor solchen Problemen verschließen, sonst werden sie nie in die Lage kommen, Menschen mit dämonischen Belastungen beraten zu können.
Auf den folgenden Seiten wird eine Geschichte berichtet, die den meisten Lesern unglaubwürdig erscheinen wird, die aber dennoch in allen Einzelheiten wahr ist. Mary ist der zweite Vorname der beichtenden Frau. Es war also keine Namensänderung erforderlich. Eine Verletzung des Beichtgeheimnisses liegt nicht vor. Mary gab ausdrücklich die Genehmigung zur Veröffentlichung, um viele ihrer Leidensgenossen zu warnen und auf Christus hinzuweisen. Diese Veröffentlichung wird nicht gewagt, um einer Sensationslust entgegenzukommen, noch um die „Tiefen Satans zu erforschen“, sondern um zu zeigen, daß auch die gräßlichsten Offenbarungen Satans durch Christus entmächtigt werden. Christus ist der Herr über alle Finsternismächte.

Mediale Vererbung
In einer früheren Veröffentlichung im Zusammenhang mit Uri Geller und dem noch stärkeren englischen Medium Manning wies ich darauf hin, daß eine starke mediale Fähigkeit da zustande kommt, wo beide Vorfahrenreihen in drei bis vier Generationen Zauberei getrieben haben. Eine starke, aktiv betriebene Medialität kommt einer Besessenheit gleich. Besessenheit hat stets mit Dämonen etwas zu tun. Dämonen sind lügnerische und betrügerische Geister, darum leisten sich auch Medien, die von ihnen abhängig sind, Betrügereien, vor allem dann, wenn sie ihren medialen Leistungen nachhelfen wollen. Alle ihre Praktiken aber als Täuschung und Betrug ablehnen zu wollen, wie es die neunmalklugen Rationalisten tun, ist abwegig und geht an der Wahrheit vorbei.
Mary, eine Weiße aus Südafrika, steht in einer sechsmal dominanten, medialen Vererbung. In der mütterlichen Linie finden sich bis zur Urgroßmutter zurück Familienglieder, die weiße Magie, Kartenlegen, Handliniendeutung, Wahrsagerei mit Teeblättern und andere okkulte Praktiken betrieben haben. Ihre Großmutter besaß die Gabe der Nekroskopie, das heißt, sie sah den Tod nahestehender Menschen voraus. . . .  Die Blutsverwandten der Großmutter waren belastete und enthemmte Menschen und dem Alkohol verfallen.
In der väterlichen Linie Marys gibt es zwar Missionare. Der Vater selbst war Kirchgänger, besaß aber viele prookkulte Bücher, die er las und sich damit belastete.
Mary kam mit starken medialen Fähigkeiten auf die Welt. Soweit sie zurückdenken kann, hatte sie Umgang mit Dämonen. Sie erschienen ihr in Gestalt kleiner Menschen. Die Zulus nennen sie Tokoloshe. Stets waren sie freundlich zu ihr. Diese übernatürlichen Erlebnisse waren manchmal von einem hellen Licht begleitet. Im Verlauf ihrer Kindheit übte Mary die Exkursion der Seele. Ohne spiritistische Unterweisung oder durch das Lesen okkulter Literatur war sie dazu fähig. Sie erzählte dann jeweils ihren Eltern von ihren Reisen nach China oder Indien und konnte die Lebensart der Menschen und die Verhältnisse in dem betreffenden Land beschreiben. Die Eltern hatten für diese Vorgänge keine Erklärung. Mary empfand ihre Erlebnisse als völlig natürlich.
Wer das Problem der Exkursion der Seele aus meinen anderen Büchern nicht kennt, dem sei es kurz erklärt. Mary fiel für etwa eine Stunde in Trance. Sie lag regungslos auf ihrem Bett oder auf einer Couch. Ihre Seele oder das Bewußtsein traten aus ihr heraus und ging dann auf „Forschungsreise“, bei der sie weit entfernte Dinge erkunden konnte.

Die Satansweihe
Im Alter von zwölf Jahren erschien Mary Satan in Gestalt eines schönen jungen Mannes in heller Kleidung. Er flößte ihr großen Respekt ein, doch empfand sie keine Angst. Satan machte ihr große Versprechungen, falls sie ihm ihr Leben übergeben würde. Sie sollte Kraft über alle Menschen ihrer Umgebung bekommen, auch über ihre eigenen Eltern. Mit seiner Hilfe sollte sie sich alle Wünsche erfüllen können. An Geld und allen Lustbarkeiten sollte es nie fehlen.
Diesen Verlockungen gab Mary nach und versprach ihr Leben Satan. Von diesem Zeitpunkt an mußte sie alle seine Anweisungen befolgen. Es kam der Tag ihrer Weihe und Blutsverschreibung an den Teufel. Wenn ich das zum ersten Mal gehört hätte, wäre es mir schwergefallen, das alles für wahr zu halten. Ähnliche Satansweihen gibt es aber auch bei den Woodooisten auf Haiti, bei den Macumba Spiritisten in Brasilien, bei den Saugumma Zauberern auf Neuguinea, bei den Hilot auf den Philippinen, bei den Schamanen in Alaska und in Sibirien und bei anderen heidnischen Stämmen auf allen Kontinenten. Ich habe in anderen Büchern schon andeutungsweise darüber berichtet.
Mary gab mir Einzelheiten ihrer Satansweihe. Solchen, die die Existenz Satans leugnen und Namenchristen, die seine Tätigkeit verharmlosen, soll es mitgeteilt werden.
Satanswelhen finden jedes Jahr in Südafrika zweimal statt. Jedesmal wird von Satan dafür eine Gruppe von Mädchen und jungen Männern ausgesucht. Es wird aber nicht die ganze Gruppe Satan konfrontiert, sondern jeder einzelne für sich. Mary war zu Beginn von einer großen Finsternis umgeben. Sie fühlte sich in einen tiefen Abgrund gerissen. Es ging tiefer und tiefer. Oben schloß sich der Schacht, in dem sie in die Finsternis des Abgrundes gezogen wurde. In einem von unheimlichem Licht erhellten Raum wurde sie Satan vorgestellt. Was nun folgte, sind negative Parallelen, teuflische Nachahmungen biblischer Wahrheiten und Vorgänge.
Mary mußte nach Anweisung Satans sich mit einem Messer einen Schnitt in die Magengegend machen. Mit dem herausquellenden Blut hatte sie ihren Namen in Satans Hand zu schreiben.
Wir werden dabei an die blutenden Hände Jesu am Kreuz erinnert, die unser Heil bedeuten. Auch das alttestamentliche Wort taucht hier auf: „Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet“ (Jes. 49,16).
Bei dieser Übergabe ihres Lebens erhielt Mary einen neuen Namen.
Zu diesem Namen Satans haben wir als heiliges Gegenstück in der Bibel den Hinweis, daß die Überwinder einen neuen Namen bekommen. Wir lesen das in Offbg. 2,17 und 3,12.
Dieser satanische Name, den Mary erhielt, bedeutet: Ströme satanischer Wasser.
Auch dafür gibt es ein biblisches Gegenstück in joh. 7,38: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Satan versucht in allen Dingen, Gott nachzuahmen. Für jedes Gotteswunder sucht Satan ein dämonisches Gegenwunder zu inszenieren.
Bei dieser Satanswelhe erhielt Mary auch eine dämonische Nummer. Sie lautete 666902. 666 ist die Zahl Satans und seines kommenden Antichristen (Offbg. 13,18). Die Zahl 9 bedeutet Sklavin und Dienerin Satans. 02 bedeutet die Rangordnung Marys. Bei den Dämonen gibt es eine Hierarchie wie bei den Engeln. Auch darin ahmt Satan die Welt Gottes nach. Mary wurden niedrige Dämonen unterstellt. Sie selbst hatte wieder höhergestellten Dämonen zu gehorchen.
Nach dem Empfang dieser Registriernummer sah Mary oft diese Zahl im Spiegel an ihrer Stirn geschrieben.
Das ist wiederum die Nachäffung biblischer Vorgänge. In Offbg. 14,1 heißt es: „Und ich sah das Lamm stehen auf dem Berg Zion und mit ihm 144000, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben an ihrer Stirn.“
Bei dieser Satanswelhe wurden noch schlimmere Dinge praktiziert. Das heilige Mahl Jesu mit seinen Jüngern wurde verhöhnt und verlästert. Vor einem Altar mit vier Ziegenbockshörnern wurden Katzen getötet, deren Blut Mary und die anderen Teilnehmer trinken mußten. Danach wurde Mary angewiesen, ein Baby zu töten und ebenfalls dessen Blut zu trinken.
An dieser Stelle entsteht die Frage, ob es sich um ein richtiges Kind handelte. Mary erklärte: „In Johannesburg verschwanden ganz in der Nähe ihrer Wohnung kleine Kinder. Die Polizei suchte danach. Die Zeitungen berichteten diese Vorfälle. Solche fürchterlichen Kinderentführungen hörte ich auch in Haiti und in anderen Ländern. Ich erinnere dabei an die Geschichte der Queen of Darkness in Haiti, die alle 14 Tage ein Kind stiehlt, tötet und dessen Blut trinkt. Über die Kinder von echten, wiedergeborenen Christen hat sie nach ihrer eigenen Erklärung keine Macht.
Der Höhepunkt der Satansweihe ist die körperliche Vereinigung Satans mit seinem Opfer. Zwei Stunden lang wurde Mary gequält. Danach wurde sie den Dämonen überlassen, die wiederum zwei Stunden lang ihren Mutwillen an ihr ausübten.
Wir stehen hier vor dem dunkelsten Kapitel dämonischer Besessenhelt. In der Bibel haben wir dafür die Stelle 1. Mos. 6,4. Diese schauerlichen Vorgänge sind bekannt unter dem Stichwort incubi, succubae.
Mary sagte mir, daß sie Kinder aus solchen Vereinigungen kenne, die über eine dämonische Intelligenz und ungeheure Kräfte verfügen. Sie meinte auch, daß der kommende Antichrist ein Wesen aus einer solchen Vereinigung sein werde, weil Satan auch die Jungfrauengeburt Jesu nachahmen wolle.
Mir sind genügend Fälle von incubi und succubae auf allen Kontinenten bekanntgeworden, auch von Befruchtungen und Geburten. Ich habe über den letzten Punkt bis jetzt nicht geschrieben, weil es für das menschliche Gemüt eine große Belastung darstellt.
Nach dieser entsetzlichen Satansweihe wurde Mary in ihre Wohnung zurückgebracht. Sie ist überzeugt, daß sie körperlich in der Unterwelt war. Als sie in ihrem normalen Lebensbereich wieder zu sich kam, lag sie unbekleidet auf ihrem Bett. Ihr Körper wies Stichwunden, Kratzwunden und blaue Flecken auf, auch auf dem Rücken, wo sie sich nicht selbst diese Verletzungen hätte beibringen können.
Die Psychiater, sofern sie nicht selbst erfahrene gläubige Christen sind, werden diese Vorgänge vielleicht als sexuelle Halluzinationen im hysterischen Dämmerzustand erklären wollen. Die Verletzungen will man vielleicht als psychogen verursacht ansehen. Damit wäre aber nur ein kleiner Teil der Symptome erklärt. Das Gesamtbild der Erfahrungen Marys paßt in kein psychiatrisches oder psychologisches System.
Marys Erleben ist kein medizinisch psychiatrisches Problem, sondern ein schwerer Seelsorgefall, der biblisch, geistlich behandelt werden muß.

Die dämonischen „Charismata“
Satan hat mit vielen Gaben aufzuwarten und weiß, die ihm bewußt oder unbewußt Hörigen zu belohnen. Zunächst hatte Mary eine Sprachengabe erhalten. Mit den Dämonen redete sie in deren Sprache. Sie dachte englisch. Ihr Mund aber formte sich zu Sprachlauten der Dämonen. Diese Konversation fand oft statt. Oft erschienen sie des Nachts. Der ganze Raum war mit Kerzenlicht erfüllt. Ein großes Auge beobachtete sie. Die vier Jahre jüngere Schwester konnte die Zwiesprache der älteren Schwester hören. Einmal nahm sie sogar die Gestalten wahr.
Eine andere Gabe Satans war eine ungeheure Machtfülle. Sie beherrschte die Eltern, die Nachbarn, ihre ganze Umwelt. Jedermann fürchtete sie. Ohne Anleitung konnte sie alle okkulten Praktiken ausüben.
Auch sexuelle Wünsche wurden ihr erfüllt. Sie wurde Lesbierin. Sie verfügte über alles, was ihr Leben abwechslungsreich machte. Sie bekam stets das Geld, das sie brauchte, Drogen, Zigaretten. Rauschgift war für sie ungefährlich. Man erwischte sie nie. Es war, als ob sie einen Bann auf die Polizisten ausübte. Das ist übrigens eine Fähigkeit, die mir auch in anderen Ländern gebeichtet wurde. In der indonesischen Erweckung beichtete mir ein Mann, der dreifacher Mörder war. Die Polizei konnte ihn nie fassen. Er behauptete, sich unsichtbar machen zu können. Das berichtete auch, wie schon erwähnt, Doreen Irvine, die das Buch geschrieben hat „From Witchcraft to Christ“ = Von der Zauberei zu Christus. In dem Märchenmotiv von der Tarnkappe Siegfrieds ist dieser Vorgang erwähnt. Bei den hochqualifizierten Satanisten ist es aber kein Märchen, sondern eine Realität.
Wir werden dabei an einen Vorgang in Jesu Leben erinnert. Der Evangelist Lukas berichtet, daß Jesus von seinen Feinden bedrängt wurde. Da ging Jesus mitten durch die hinweg (Luk. 4,30).
Seit der Satansweihe veränderte sich Mary in erschreckender Weise. Sie wurde jähzornig, wurde ständig getrieben, schlimme Dinge zu tun. Ihre Eltern wollten dieser Entwicklung entgegenwirken und verlangten den Besuch der Sonntagsschule. Sie war gegenüber dem Wort Gottes immun. Sie vertrieb sich die Zeit damit, daß sie die Exkursion der Seele praktizierte. Sie begann ihre Eltern, ihre Geschwister und alle Christen zu hassen. Da sie selbst keine Liebe empfing und bei den Christen nichts von Gottes Wirken sehen konnte, war sie überzeugt, daß das Christentum nichts wert sei. Sie war überzeugt, daß Satan mehr Macht besäße als Christus.
In der Schule waren ihre Leistungen mäßig. Doch sie bestand mit Hilfe Satans alle Prüfungen. Nach dem Abitur begann sie ihr Studium. Sie bekam sofort Kontakt mit den Studenten, die schwarze Magie ausübten, genau wie sie selbst. Bald merkte sie zu ihrer Freude, daß sie diesen Schwarzmaglern überlegen war. Sie wurde als die Stärkere respektiert. Man fürchtete sich vor ihr. Als sie ihr die Exkursion der Seele beibringen wollten, erklärte sie, daß sie das ihr ganzes Leben schon ausübte. Zum ersten Mal wurde ihr bewußt, daß man alle diese okkulten Praktiken auch erlernen kann.
Eine weitere Gabe aus dem Arsenal Satans war die Mentalsuggestion, die Fernbeeinflussung von entfernt wohnenden Menschen. Diese Kraft hatte sie im Auftrag der Dämonen zu benützen, um christliche Familien und gläubige Menschen zu beobachten, um ein Einfallstor für die Dämonen zu finden. Das Ziel war dabei, um sie aus der Gemeinschaft mit Gott und aus der Gemeinde der Gläubigen herauszuholen. Oft genügte eine einzige Sünde oder ein Leben halber Hingabe an den Herrn, daß Satan mit seinen Helfern eingreifen und sich festsetzen konnte.
Die Beobachtung der Gläubigen führte sie mit Hilfe einer okkulten Hellsehfähigkeit durch. Sie sah in einen Spiegel und konzentrierte sich auf eine Person. Dann erkannte sie alle begleitenden Umstände, Lebensgewohnheiten und Eigenheiten der Menschen, auf die sie sich einstellte. Ein Beispiel sei genannt. Sie erhielt von ihrem Auftraggeber den Befehl, einen gläubigen Pfarrer aufs Korn zu nehmen. Ihn sollte sie in einem einzigen Monat zu Fall bringen. Sie fand heraus, daß dieser Pfarrer drei Töchter hatte, die sehr hübsch waren. Der Vater war mächtig stolz auf sie. Dieser Stolz war der Ansatzpunkt, um das satanische Zerstörungswerk zu beginnen. Dem Pfarrer war dieser Stolz nicht bewußt. Innerhalb weniger Wochen schlugen alle drei Töchter den Weg in die Welt ein. Sie begannen, sich mit Männern abzugeben, rauchten und verfielen dem Alkohol. Die Vollmacht des Pfarrers begann zu schwinden. Mary sagte: „In der Zwischenzeit ist diese Gemeinde ein Tummelplatz der Dämonen geworden.“
Mary war total unter der Befehlsgewalt Satans. Eine einzige Befehlsverweigerung hätte ihren sicheren Untergang bedeutet. Da sie stets viele Aufträge erhielt, steckte sie ihr Studium auf. Unter dem Schutz ihres Herrn handelte sie mit Drogen. Arbeiten brauchte sie nicht mehr. In den folgenden sechs Monaten hielt sie sich in einer Gegend am Meer auf. Sie lag den ganzen Tag am Strand und vervollständigte ihre telepathischen Fähigkeiten. Auf diese Weise bekam sie auch Kontakt mit den Ufos.
Mentalsuggestion, Hellsehen, mediale Telepathie, magische Kräfte, Fähigkeit zur Dematerialisation, dämonisches Sprachenwunder und viele andere okkulten Fähigkeiten waren die Geschenke oder Entlohnungen Satans für Marys Dienst.
Es gibt in Deutschland naive Theologen oder Psychologen, die diese Fähigkeiten als eine Naturgabe ansehen. Diese Kurzschlüssigkeit leistet dem Geschäft der Dämonen Vorschub.
Für Mary bestand kein Zweifel, woher diese Begabung stammte. Beim Ausüben ihrer okkulten Praktiken beobachtete sie oft, daß sie von Schlangen umgeben war. Ihre eigene Haut fühlte sich gewöhnlich kalt und glatt wie Schlangenhaut an. Manchmal war der Fußboden bedeckt mit Schlangen, oder sie selbst war von einer Schlange umwickelt. Ich erinnere an den Abdruck von Schlangenwindungen auf dem Körper der Maria, deren Geschichte in diesem Buch berichtet ist.
Zur Stärkung ihrer magischen Kraft hatte Mary einen Zweikampf zu bestehen. Es handelt sich um ein magisches Duell, das mir mehrfach auf der Insel Bali, in Brasilien und in Äthiopien berichtet worden ist.
Mary hatte mit einem Mädchen Kontakt bekommen, die mit einem Satanspriester befreundet war. Dieser Satanspriester war von dem höchsten Satanspriester beauftragt worden, Mary zu vernichten. Es sollte nur ein Duell sein. Dieser Priester wollte sich mit ihr messen. Er behauptete, daß er mehr Macht als Mary besitzen würde und forderte sie auf, eine mitgebrachte Flasche zu öffnen. Sie tat es, da schoß eine grüne Flamme heraus, die Mary sofort einhüllte und in ihren Körper eindrang. In diesem Augenblick sah sie eine große Menge Dämonen um sich herum, die schrecklich lachten. Das Ende waren Orgien mit den Dämonen. Es sah also aus, als ob Mary diesen Kampf verloren hätte.
Das Böse reift aus
Nach diesem satanisch magischen Duell wurde Mary gezwungen, noch furchtbarere Dinge zu tun. Die Polizei war ihr auf den Fersen, konnte sie aber nicht festnehmen. Stand sie in einer Gruppe, sahen die Polizisten alle anderen, aber nicht sie.
Das Gegenstück war, daß sie einen medialen Kontakt zu allen Satanisten besaß. Wenn ein Satanist in einem anderen Raum war und sie von seiner Anwesenheit nichts wußte, so fühlte sie rasch seine Gegenwart. Dieser mediale Kontakt ist auch die Ursache, daß religiöse Extremisten in einer großen Zuhörerschar andere medial veranlagte Personen „erfühlen“ und denen auch mediale Kräfte zufließen lassen können. Solche Vorgänge werden dann als Wunder Gottes oder als Wirksamkeit des Heiligen Geistes angesehen. Dabei ist es eine Technik, die von unten stammt.
Ich habe schon jahrelang die Absicht, diese Erfahrungen und Erkenntnisse unter dem Titel „Medialität aus der Sicht der Seelsorge“ zu veröffentlichen. Ein umfangreiches Material liegt vor. Doch die wenigsten Christen wissen, daß die Niederschrift solcher Titel die stärkste Gegenwehr des Teufels auslöst. Das wissen im allgemeinen nur die Seelsorger auf diesem Gebiet, mitunter auch andere reife Christen. Die Veröffentlichung solcher Erfahrungen aus der Seelsorge ist nur möglich unter dem Schutz Jesu und einer Gebetsmauer gereinigter Kinder Gottes. Als Spurgeon im Tabernacle in London predigte, lagen 400 Älteste in einem Raum hinter der Kanzel auf den Knien und beteten. Darum schlugen die Predigten von Spurgeon ein, so daß Tausende sich bekehrten. Wer Seelsorge an Besessenen zu üben hat, der braucht mehr als 400 Beter.
Mary besaß nicht nur den medialen Kontakt, sondern sie konnte sogar die Satanisten an ihrem eigentümlichen Schwefelgeruch riechen. Wenn sie in Johannesburg auf der Straße Hunderten von Menschen begegnete, so konnte sie ihr fremde Satanisten am Schwefelgeruch erkennen. Sie strahlte ihrerseits dieses Erkennungsmerkmal aus. Das ist eine Parallele zum medialen Kontakt. Starke Medien erkennen sich sofort auf der Straße, in den Verkehrsmitteln, in den Kirchen, kurz überall, wo sie sich begegnen, auch wenn sie sich total fremd sind.
Im positiven Sinn gibt es das auch. Menschen voll Heiligen Geistes haben schnell Kontakt, wenn sie sich begegnen. Leider werden von Extremisten mediale Kräfte oft mit dem Etikett des Heiligen Geistes versehen. Darum müssen wir mehr denn je um die Gabe der Geisterunterscheidung bitten.
Zur Frage der Kontaktbildung und Kontaktabwehr noch einige Hinweise aus der Seelsorge.
Wenn treue Jünger Jesu und Besessene sich begegnen, gibt es Reaktionen. Dämonisierte Menschen ertragen Namenchristen, verkraften ohne weiteres kirchliche Veranstaltungen mit Pfarrern oder Predigern ohne den Heiligen Geist. Das sind keine Kontaktgegensätze. Sie gebärden sich aber wie wild, wenn sie mit Menschen voll Heiligen Geistes konfrontiert werden. Es ist gar nicht erforderlich, daß sich solche Menschen im gleichen Raum befinden. Ein Beispiel dazu.
Ich kannte in der Schweiz einen Gottesmann, der Geisteskranke, aber auch okkult Belastete, ja sogar Besessene in sein Haus aufnahm. Abends nach zehn Uhr betete er für seine Schutzbefohlenen. Die Geisteskranken verhielten sich ruhig. Der Besessene aber, der in einem anderen Raum schlief und von der Fürbitte nichts wußte, wachte auf und fing zu toben an. Wir sehen hier den Unterschied zwischen Geisteskrankheit und Besessenheit und begreifen dann auch, was Kontaktbildung und Kontaktabwehr bedeutet.
Ich habe oft solche Dinge erlebt. Bei einer Vortragsreihe in Toronto fing plötzlich ein anwesendes Medium zu rumoren an und störte den Gottesdienst. Der leitende Pfarrer, ein gläubiger Bruder, wies die Spiritistin zur Ruhe. Sie gehorchte nicht. Da hatte der Pfarrer keine andere Wahl, als im Namen Jesu zu gebieten. Daraufhin hörte das Medium auf.
In der lutherischen Kirche in Curitiba (Brasilien) fingen mitten in der Predigt drei Personen zu stören an. Sie konnten die geistliche Botschaft nicht ertragen. Bei modernistischen Theologen bleiben solche Belastete ruhig, denn sie befinden sich geistlich unter ihresgleichen. Redner und Hörer sitzen im gleichen Boot.

Innere Zerrissenheit
Das Leben Marys bewegte sich in einem fortwährenden Wechsel zwischen Zuständen großen Glückes und depressiver Phasen. Daraus kann aber nicht auf ein manisch depressives Irresein geschlossen werden, weil alle anderen Symptome nicht in dieses Krankheitsbild passen. Mary war dauernd von den Befehlen Satans gehetzt, denen unbedingt Folge geleistet werden mußte.
Über diesem sklavischen Gehorsam wurde sie mehr und mehr unzufrieden. Sie war sehr unglücklich und wünschte sich eine Befreiung aus dem harten Joch Satans. Die Dämonen spürten natürlich diese Veränderung und plagten sie unablässig. Diese finsteren Trabanten Satans kamen, wann sie wollten. Mary fühlte ihr Kommen, ja sie konnte sie sogar riechen. Da Mary aus ihren Reihen auszuscheren drohte, versuchten sie, ihr den Verstand zu rauben, was ihnen aber nicht gelang, denn Gott hielt in seiner vorlaufenden Gnade bereits seine Hand über sie.
Es kam die Zeit, da Mary zum ersten Mal einen Pfarrer aufsuchte, um dort Hilfe zu finden. Es wurde mit ihr gebetet. Doch eine Befreiung trat nicht ein. So probierte sie es mit einer anderen Kirche. Die Dämonen lachten über die vergeblichen Versuche. Keiner der Pastoren besaß die geistliche Vollmacht, die erforderlich war.
Die nächste Station, wo Mary Hilfe suchte, war eine Pfingstgemeinde. Sie erklärte dem Prediger, daß ein Mann, der in rechter Weise Gott dient, auch Macht über die Dämonen haben müsse. Da seine Hilfe aber umsonst sei, wäre auch sein Dienst unecht. Der Pfarrer warf sie daraufhin wütend hinaus. Die Kurzschlüssigkeit Marys war nicht ganz korrekt. Wenn ein Mensch sich mit dem eigenen Blut dem Teufel verschrieben hat, wie Mary es getan hat, dann gestaltet sich die Seelsorge außerordentlich schwierig. Ich habe bei etwa 100 Blutsverschriebenen nur sieben bis zehnmal Befreiungen erlebt. Es ist also nicht berechtigt, hier auf diesen Pfingstprediger Steine zu werfen.
Man kann bei dieser Seelsorge viele unvernünftige Urteile hören. Einmal hat in USA ein Prediger mich nach einem Vortrag angegriffen, weil die Seelsorge an Besessenen so langwierig ist. Er erklärte: „Jesus brauchte nur ein Wort zu sagen, dann war der Besessene frei.“ Ich antwortete ihm: „Erstens habe ich nicht die Vollmacht wie Jesus, und zweitens bringe ich den nächsten Besessenen zu Ihnen. Sie machen es dann kürzer als ich.“ Diese deutsche Antwort hat diesen Prediger dann beruhigt. Er nahm mir es aber nicht übel.
Da es mit Mary immer schlimmer wurde, suchte sie eine andere Pfingstgemeinde auf. Sie hörte hier eine Frau, die “in Zungen“ betete. Mary erschrak. Es war eine dämonische Sprache, die sie verstand. Die Beterin lästerte Gott. Danach stand jemand auf, der das Zungenreden übersetzte. Die Übersetzung war aber falsch. Mary suchte den Pastor auf und berichtete ihm ihre Erfahrung. Dieser Bruder erklärte: „Ich konnte das Zungenreden dieser Frau nicht verstehen. Sie ist aber eine Person, die der Gemeinde Not bereitet.“ Mary konnte sich dieser Gemeinde nicht anschließen, da hier Lügengeister am Werk waren.
Mary wanderte durch viele Gemeinden, meistens waren es Pfingstgemeinden, und hörte noch oft das „Zungenreden“. In den meisten Fällen hatte sie ein ungutes Gefühl.
In dieser Meinung wurde sie bestärkt, weil sie beobachtete, daß Satanisten mit Vorliebe sich Pfingstgemeinden und charismatischen Gruppen anschließen. Kirchen mit einer vom Heiligen Geist gewirkten Verkündigung werden von Satanisten gemieden. Satanisten fühlen sich bei Pseudocharismatikern wohl. Es sind ja ihre Kräfte, die da praktiziert werden. Die Eltern von Mary gehören auch zu einer Pfingstgemeinde.
In diesem Zusammenhang wies Mary auch darauf hin, daß viele Satanisten Angestellte in behördlichen Verwaltungen oder in hohen Beamtenpositionen sind.
Da nun soviel Negatives über Pfingstgemeinden gesagt wurde, will ich ein Mißverständnis ausräumen: Es gibt auch in Pfingstgemeinden oder bei den Urchristen treue, opferbereite Kinder Gottes, die ihre Kritiker in den Schatten stellen und ein christusnahes Leben führen. Ich habe Freunde in solchen Gemeinden, denen ich an dieser Stelle für ihre Fürbitte danke.

Wo ist Hilfe?
Marys Zustand drängte nach einer Entscheidung. Durch harte Drogen kam sie an den Rand des Todes. Sie litt unter starken Rückenschmerzen, die keiner heilen konnte. Die Eltern brachten sie zu verschiedenen Ärzten, Magiern, Hindupriestern, Moslempriestern, Wahrsagern und Zauberern. Sie fand keine Hilfe. Spezialärzte gaben ihr noch einige Wochen zu leben.
Man brachte sie schließlich zu ihren Eltern, damit sie bei den Ihren sterben könne. Als sie den jammervollen Zustand der Tochter sahen, fingen sie zu beten an, obwohl sie keine gläubigen Christen waren. In dieser Zeit wiesen sie Bekannte auf eine Missionsstation hin. Zugleich plagten die Dämonen sie heftig. Sie wollten es unter allen Umständen verhindern, daß Mary dorthin gebracht würde.
Schließlich zwang die Mutter ihre Tochter, in den Wagen zu steigen, der sie zum Missionshaus brachte. Dort wurde mit ihr gebetet. Ohne zu verstehen, was mit ihr geschah, wurde Mary im Herzen klar, daß Jesus stärker als Satan ist. Sie versprach in diesem Augenblick des Gebetes, in Zukunft Jesus angehören zu wollen. Die Dämonen leisteten von nun an heftigen Widerstand. Sie wollten unter allen Umständen die Umkehr und Befreiung Marys verhindern.
Zwei Missionare nahmen die schwerbelastete und besessene Mary in eine intensive Seelsorge. Nach dem einleitenden Gebet fühlte sich Mary von den Dämonen umringt. Sie verstand wieder deren Sprache. Sie sagte das sofort den Seelsorgern. Der Missionar betete, und das Verständnis der Dämonensprache war weg. Es folgte dann eine umfassende Lebensbeichte. Mary wollte dabei ihren dämonischen Namen nennen, konnte ihn aber nicht aussprechen. Der Pastor mußte mehrmals im Namen Jesu gebieten, bis Mary es endlich fertigbrachte, den geheimen, von Satan gegebenen Namen auszusprechen. Damit war ein Stückweit der Bann gebrochen. Alle satanischen Machenschaften und Sünden wurden ans Licht gebracht.
Dieser Vorgang zeigt, daß es in der Seelsorge mit Besessenen wichtig ist, daß entweder die Dämonen oder die Satansgeweihten ihren Namen offenbaren müssen.
Bei dieser dramatischen Seelsorge ging es zuerst darum, daß Mary sich von allen bisherigen „Hauseigentümern“ lossagte und im Glauben Vergebung empfing. Danach ging es um die Austreibung, die von den gottbeauftragten Seelsorgern vollzogen wurde. Die Dämonen fuhren unter furchtbarem Geschrei aus. Nur Mary hörte sie und sah sie fliehen. Der Herr Jesus machte sie vollkommen frei. Wir werden dabei an Apg. 8,7 erinnert: „Die unsauberen Geister fuhren aus vielen Besessenen mit großem Geschrei.«
Mary weiß seither, daß nur ein Leben in völliger Hingabe an den Herrn Jesus sie vor einem erneuten Zugriff Satans bewahren kann. Es ist ihr klar, daß sie keinen Kompromiß mit der Welt eingehen darf. Wort Gottes, Gebet und die Gemeinschaft der Gläubigen sind ihr die tägliche Stärkung. Ihre Eltern sind ihr leider keine Hilfe. Bei einem ausführlichen Gespräch anläßlich meines achten Südafrikabesuches fragte ich Mary, ob sie keine Anfechtungen und Kämpfe mehr habe. Sie antwortete: „Doch, der Feind greift manchmal an, aber ich fliehe dann in die Geborgenheit Jesu und bitte auch andere Gläubige, mir mit ihrer Fürbitte beizustehen.“
Was macht Mary beruflich? Sie hat ja ihr Studium vor einigen Jahren abgebrochen. Halbtags betreut sie Kinder in einer Kinderkrippe, die andere Zeit arbeitet sie freiberuflich, macht Buchentwürfe und illustriert christliche Bücher. Das ist eine Arbeit, die ihr liegt.
Die Zeit der satanischen Knechtschaft hat eine positive Frucht gebracht. Sie hat ein starkes Gefühl für Lügengeister, die unter christlichem Deckmantel in den Gemeinden ihr Unwesen treiben. Es geht hier um das Pauluswort (2. Kor. 11,14): “Der Teufelverstellt sich zum Engel des Lichtes, kein Wunder, daß auch seine Diener (die Dämonen) sich als Prediger der Gerechtigkeit verstellen.“

4. Rauschgift
Seit einigen Jahren bekomme ich drogensüchtige Menschen in die Seelsorge. Nur schweren Herzens übernehme ich solche Beratungen. Wenn der Rauschgiftsüchtige nicht zu einer Entziehungskur und zur Übergabe seines Lebens an Jesus bereit wird, besteht wenig Hoffnung auf eine anhaltende Befreiung. Beleuchten wir durch einige Beispiele dieses schwierige Gebiet.

Der Teufelskreis
In der Seelsorge bekam ich Kenntnis von ganz schweren Fällen einer Rauschgiftbindung, die zugleich mit anderen furchtbaren Entgleisungen gekoppelt war.
Hören wir zuerst Margots Geschichte, die ich hier wiedergebe. Margot rief mich aus USA an und fragte, ob ich in den Vereinigten Staaten einen gläubigen Psychiater oder einen erfahrenen Seelsorger wüßte, dem sie sich anvertrauen könne. Ich bat dieses Mädchen, mir schriftlich seine Adresse mitzuteilen, dann wollte ich ihm einige gläubige Psychiater nennen. So geschah es. Einige Tage später erhielt ich in Briefform eine schreckliche Beichte. Es liegt keine Verletzung des Beichtgeheimnisses vor, denn es wurde Erlaubnis zur Veröffentlichung eingeholt. Der Brief ist englisch geschrieben. Ich gebe ihn gleich deutsch wieder. Margot schrieb:
„Mein Zustand ist durch das Wort des Apostels Paulus in 2. Tim. 3,1 f. gekennzeichnet: In den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen; denn es werden Menschen kommen, die unheilig sind und Wollust mehr lieben denn Gott.
Mein Glaube an die Bibel wurde durch die teuflische Musik Rock’n Roll und durch das Lesen ähnlich inspirierter Bücher wie Helen Brown’s Buch und ,Der Playboy’ zerstört. Vergiftet durch diese satanischen Machwerke trieb ich Unzucht mit vielen Männern. Dabei blieb es nicht. Ich fing mit Rauschgift und Alkohol an und wurde dadurch verknechtet.
In diesem Zustand der Hilflosigkeit suchte ich Psychiater auf, die aber versuchten, meine Schuldgefühle abzubauen. Sie sahen mein Leben ja nicht als Sünde an. Die Folge war, daß ich auf dem einmal beschrittenen Weg fortfuhr. Ich las schreckliche Bücher wie das von Carlos Casterada, ferner ’Der Exorzist’, ’Rosemary’s Baby’ und andere.
Durch diese Bücher angeregt, fing ich an, das Okkulte zu erforschen. Ich hatte dabei das Gefühl, daß böse Geister in mich hineinfuhren. In einer Nacht erlebte ich einen schweren Angriff aus dem Reich der Finsternis. Es schien, als ob ein Dämon feurige Pfeile auf mich abschießen würde. Es war keine Halluzination, wie die Psychiater das wohl erklären wollten. Ich stand unter dem Eindruck, daß Gott mich auf diesem Weg in die Hölle senden würde. Ich war innerlich wie tot. Mein bewußtes Leben war noch essen, trinken und schlafen.
Da ich in meinem Unterbewußtsein immer noch nach Hilfe Ausschau hielt, griff ich zu dem Buch von Hal Lindsey ’Satan kämpft um diese Welt’. Mir wurde dabei deutlich, daß es wirklich einen Teufel gibt, und daß ich in seinen Krallen war.
Nach der Lektüre dieses Buches machte ich eine Entdeckung. Wenn ich mit echten gläubigen Christen zusammentraf, hatte ich das Gefühl, daß ich innerlich verbrennen müßte. Mir wurde klar, daß die verschiedenen Geister sich nicht vertrugen. Immerhin versuchte ich mit Christen in Berührung zu kommen und schloß mich daher einer charismatischen Bewegung an. Ich besuchte die Gottesdienste verschiedener Pfingstgemeinden. Das Milieu, die Atmosphäre dieser Gruppen sprach mich aber nicht an. Ich fühlte irgend etwas Unklares, das ich nicht beschreiben konnte. Ich zog daher einen Trennungsstrich, und in meiner Verzweiflung übergab ich mich nunmehr entschlossen dem Teufel.
Es kam eine Phase in meinem Leben, da ich den kommenden Antichristen verehrte und anbetete. Dabei beschlich mich das Gefühl, daß ich kein Mensch mehr sei, sondern ein Dämon. Mich überfiel dabei auch der Gedanke, daß ich die Sünde gegen den Heiligen Geist begangen hätte. Mir schien das Ende, der Abgrund sehr nahe. Kein Wunder, daß ich völlig enthemmt wurde. Kannibalische Gelüste, die sich manchmal bei Satanisten finden, kamen auch mich an. Nicht genug damit, ich fühlte mich von Judas besessen. Es war mir klar, daß auf diesem Weg nur das Gericht Gottes auf mich wartete. Und doch schrie irgend etwas in mir immer noch nach Hilfe.
Das ist der Grund, warum ich Sie anrief und Ihnen meinen Lebensbericht gab.“

Der Stil Margots ist klar. Ihr Erleben entspricht vielen ähnlichen Berichten, die ich in meiner Kartei habe. Für die Beurteilung dämonischer Vorgänge ist ein ungläubiger Psychiater nicht zuständig. Und eine dämonische Belastung liegt hier vor. Man wiederhole noch einmal die einzelnen Stationen ihrer Entwicklung: Rock’n Roll, sexuelle Perversion, Alkoholmißbrauch, Rauschgift, perverse und okkulte Bücher, Partys und Orgien, Pseudocharismatisches, Teufelsverschreibung, Kannibalismus, Besessenheit. Aus einem solchen Zustand der Vorhölle kann nur Jesus Christus befreien. Allerdings läßt sich eine so schwere Seelsorge nicht durch Telefongespräche zwischen USA und Deutschland übernehmen. Auch Briefe reichen nicht aus. Es sollte ein echtes seelsorgerliches Team in USA gefunden werden.

Jim
Mehrmals sprach ich bei meinen Vortragstouren in USA in dem von D. Moody gegründeten Bibelinstitut. In den vergangenen 90 Jahren seit seiner Gründung sind gewaltige Segensströme von diesem Werk ausgegangen. Einmal wurde ich von Dr. Dickason, dem Dekan der theologischen Fakultät, eingeladen. Außer Studenten waren auch einige Pastoren anwesend. Hinterher lud mich ein Pastor von Rock Islands ein, in seiner Kirche einige Vorträge zu halten. Ich fragte ihn:
„Was für eine Kirche haben Sie denn?“
Er antwortete:
„A church of the Assembly of God.“
Erstaunt fragte ich weiter:
„Ja, sind Sie denn mit dem einverstanden, was ich gesagt habe?“
„Ja, mit allen Einzelheiten.“
„Gut, dann komme ich.“
Da der deutsche Leser kaum weiß, daß die Assembly of God eine gemäßigte Richtung der Pfingstgemeinde darstellt, muß das hier erwähnt werden. Ich habe noch nie konfessionell, sondern biblisch gedacht. Es geht in jeder Gemeinde um die Christuspräsenz, die sich in der gläubigen Haltung des Hirten wie der Herde zeigt. Natürlich muß der Gesichtspunkt berücksichtigt werden, daß ein Evangelist in keine Gemeinde geht, in der Irrlehren verbreitet werden. Ich war deshalb auf allen Kontinenten bei meinen Zusagen vorsichtig. Immerhin habe ich etwa 20 Assemblies gefunden, die nüchtern waren und in ihrer Verkündigung biblischer als viele ihrer Kritiker.
So war es in Rock Islands. Ich fand eine aufgeschlossene Gemeinde mit einer erwecklichen Haltung vor. Es war sehr leicht, dort zu sprechen.
In dieser Kirche begegnete ich Jim. Er fiel mir dadurch auf, daß er nach einem Vortrag die meisten Fragen stellte und offen bekannte, daß er rauschgiftsüchtig gewesen war.
Die Befreiung Jims ist ein Triumph des Sieges Jesu über einen hartgebundenen Menschen.
Es sind einige Jahre her. Jim hatte sich in die Kirche von Rev. Edwards verirrt. Lange Haare fielen ihm auf die Schultern. Das Gesicht war verwüstet, die Augen waren glasig; die Kleidung war zerrissen und verdreckt. Die Besucher des Gottesdienstes rückten etwas zur Seite. Ein übler Geruch ging von diesem heruntergekommenen Menschen aus.
Rev. Edwards sprach über das Kreuz Jesu und seine Bedeutung für uns. Jim hörte teilnahmslos zu. Er war lässig nach hinten gelehnt. Im Verlauf der Predigt rückte er nach vorn. Schließlich lehnte er sich mit den Ellbogen auf die vordere Banklehne. Als Rev. Edwards eine Pause machte, rief Jim aus: »Er starb für uns, für uns. »
Nach dem Gottesdienst saßen Rev. Edwards und Jim zusammen. Zum Abendgottesdienst erschien Jim wieder. In einer anschließenden Aussprache entschied sich Jim für Jesus. Die Lösung von seiner Vergangenheit fiel ihm schwer. Rauschgift und Sex hatten ihn bisher beherrscht.
Regelmäßig kam nun Jim zu den Gottesdiensten. Die Haare waren nun kurz geschnitten. Das Gesicht hellte sich auf. Die Haut wurde glatt, und die Augen wurden ruhig. Er entwickelte sich zu einem hübschen jungen Mann.
Dann kam der Rückschlag. Jim wurde von Stimmen geplagt. Vorher, solange er der Sünde gedient hatte, war das nicht der Fall. Vielleicht war sein Nervensystem durch das Rauschgift geschwächt worden. Die Abgewöhnung von Gift bringt stets Reaktionen mit sich. Jim schenkte den Stimmen Gehör, und das wurde ihm zum Verhängnis.
„Wenn du an Gott glaubst, dann krieche über den Highway (Autobahn). Schaue weder nach rechts noch nach links. Gott wird dich bewahren.“
Jim tat das und kam heil über die große Verkehrsstraße. Das machte ihm Mut.
„Wenn du an Gott glaubst, dann setze dich in dein Auto. Die Hände nimm weg vom Steuer, schließe dann die Augen und gib Vollgas! Gott, dem du vertraust, wird dich bewahren.“
Jim tat es und zertrümmerte drei Autos. Es war ein Wunder, daß er unverletzt aus dem Trümmerhaufen hervorkriechen konnte.
Diese Erfahrung führte ihn wieder zum Gottesdienst.
Rev. Edwards nahm sich seiner an. Die erste Lektion, die Jim zu lernen hatte, war: Höre nicht auf die Stimmen! Sie führen dich ins Verderben!
Dann kam zwischen dem Seelsorger und dem jungen Mann eine lange, lange Unterredung.
„Jim, hast du Gott deine Sünden noch nicht gebeichtet?“
„Nein.“
„Willst du es jetzt tun?“
„Ja.«
„Dann knie nieder und beichte jetzt Gott.“
Jim tat es, bekam aber noch keinen Frieden.
„Hast du deine Sünden bereut?“
„Nein, es ging alles nur mechanisch.“
„Dann bleibe jetzt fünfzehn Minuten hier in diesem Raum. Gehe noch einmal alles durch, was dir Gott zeigt und bereue alles.“
Nach der angegebenen Zeit trat Rev. Edwards wieder in den Raum.
„Hast du jetzt Frieden?“
„Noch nicht richtig.“
Nun bat Rev. Edwards zwei Brüder um ihren Beistand. Sie beteten zusammen mit Jim unter Handauflegung. Bei diesem Gebet der drei Brüder lichtete es sich in der Seele Jims. Jim erklärte fröhlich:
„Ich bin durch! Ich bin frei! Ich habe Vergebung und Frieden.“
Nun ging es in Jims Leben aufwärts. Er bekam Mut, am Arbeitsplatz Jesus zu bezeugen. Jim war Kellner. Sein Christuszeugnis erregte Aufsehen, weil man eben das von Kellnern nicht erwartet.
Eines Tages rief ihn sein Chef: „Jim, du bist zu religiös für uns. Ich muß dich entlassen.“
Jim sitzt nun auf der Straße. Die Entlassung erfolgte erst vor kurzem. Bestimmt hat aber der Herr einen anderen Platz für ihn. Jim hat ja um seines Glaubens willen gehen müssen.
Ein letzter Angriff Satans sollte Jim noch verwirren. Eines Nachts wurde Jim von einer unheimlichen Macht geweckt. In seinem Zimmer lief ein Hund herum, obwohl Türen und Fenster verschlossen waren. Jim wußte sofort: Es ist eine böse Macht, die mich vom Glauben abwenden will.
Jim wagte es in dieser Situation zum ersten Mal, im Namen Jesu den finsteren Mächten zu gebieten. Der Herr gab Sieg. Der Hund und die finstere Macht verschwanden sofort.
Er hatte dabei die Lektion gelernt, daß man als befreiter Mensch die Waffenrüstung des Geistes (Eph. 6,10 18) nicht nur kennen, sondern auch gebrauchen muß, wenn man Sieg haben will.

Carlos
In der Einleitung zu den folgenden Beispielen will ich die Zeugen benennen. Mein Besuch in einem mexikanischen Gefängnis mit rund 700 Rauschgiftsüchtigen und Rauschgiftverbrechern wurde von dem amerikanischen Missionar Brown, der Missionarin Schwester Susi und vor allem der baltischen Missionarin Margarete Urban vermittelt.
Die Baltin kreuzte oft meinen Weg. Nicht nur in der Schweiz und in Deutschland kam es immer wieder zu Begegnungen. Unsere Spuren liefen oft in der gleichen Richtung. In Kalimpong, einer reizvoll gelegenen Stadt im Vorhimalaja, traf Schwester Urban den tibetischen König Gyalpo und schrieb nach dieser Begegnung die Broschüre „Jesus unter Tibetern“, die ich damals in meinem Verlag herausbrachte. Ein ähnliches Treffen mit Gyalpo wurde auch mir möglich, als ich unter den geflüchteten Tibetern das Evangelium verkündigen durfte. Als kleines Gastgeschenk gab mir der König eine rotseidene tibetische Bluse.
Nachdem ich dieser Missionarin von „echtem Schrot und Korn“ das kleine Denkmal gesetzt habe, hören wir nun Carlos’ Geschichte. Im Gefängnis in Tijuana traf ich ihn. Ich fragte ihn: „Warum sind Sie hier?“ Er antwortete offen: „Ich bekam Streit mit einem Dealer (Rauschgifthändler). Wir zogen beide das Messer. Ich war aber schneller und traf ihn in das Herz.“ Bei diesem Bericht griff er unter seine Jacke, zeigte, wo sein Messer steckte, und wie er es handhabte. Acht Jahre war das Gerichtsurteil. Wichtiger aber als seine Bluttat war mir sein Bericht, wie er Jesus gefunden hatte. Schwester Susi hatte mir nämlich erzählt, daß er Christ geworden war.
Neben all dem Dunklen und Unheimlichen in Carlos’ Leben gab es einen Lichtpunkt. Er hatte eine gläubige, betende Mutter. Das wird einmal in der Ewigkeit ein Staunen geben, wenn wir sehen, was betende Mütter und Großmütter im Reichgottes für eine Rolle gespielt haben.
Wie es meistens im Leben geschieht, sind die Kameradschaft, die Schule und die Umwelteinflüsse im Leben der jungen Menschen zunächst stärker. Zuletzt siegt dann ein anderer, der das Flehen der Mütter und Großmütter erhört. Mit 15 Jahren stand Carlos im Sog und im Sumpf der Sünde.
Vielleicht ist es eine Gebetserhörung besonderer Art, daß der junge Mann einen so schweren Unfall hatte, daß die Ärzte ihn aufgaben. Die Mutter wurde verständigt. Am Bett des Schwerverletzten fragte sie den Sohn: „Wenn Gott dir noch einmal eine Chance zum Leben schenkt, willst du ihm dann gehorchen?“ In seiner Todesnot und Leibesschwachheit antwortete der Tunichtgut: „Ja, ich will es tun.“
Die Mutter betete intensiv. Das Wunder geschah. Gott erhörte ihr Flehen und schenkte dem Schwerverletzten eine Wende zur Besserung. Carlos durfte genesen. Kaum waren die „Lebensgeister“ wieder wach geworden, da regten sich auch sofort die „Sündengeister“. Aus dem Spital entlassen, suchte er wieder die Lasterhöhlen auf. Alkohol, Rauschgift, sexuelle Verwilderung, Glücksspiel wurden zur stärkeren Gewohnheit als zuvor. Seiner Mutter ging er aus dem Weg. Er konnte ihren Blick und ihre inbrünstigen Gebete nicht ertragen.
Er fand in einem verrufenen Hotel Arbeit und konnte nun ungehemmt und ungehindert sich dem dolce vita und den Drogen hingeben. Er verdiente gut. Es gab reichliche Nebenverdienste, so konnte er sich den Stoff stets beschaffen.
Dann kam die Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Rauschgifthändler, die mit der Ermordung seines Gegners endete und ihn für acht Jahre hinter Schloß und Riegel brachte. Wir hörten das bereits. Die Mutter besuchte ihn, so oft es ging. Sein Herz war aber härter als Stein. Zum anderen litt er darunter, daß er in den ersten Tagen im Gefängnis kein Rauschgift beschaffen konnte. Die gewaltsame Entziehung des Giftes quälte ihn furchtbar. Er meinte, wahnsinnig zu werden. Da half ihm ein Mitgefangener und tröstete ihn: „Keine unnötige Sorge, hier im Knast gibt es Rauschgift, sogar billiger als draußen. Die Wächter schmuggeln es herein und bessern damit ihre schlechte Besoldung auf.“ Großzügig gab ihm dieser Gefangene eine Dosis ab. Carlos spritzte Heroin und war damit an dieses Gift gebunden. Anfänglich war es ihm leicht, sich Nachschub zu beschaffen, weil seine Eltern und die Verwandten ihm genügend Geld brachten. Als die Angehörigen aber merkten, wofür er das Geld brauchte, hörte der Zustrom auf. Carlos verkaufte seine Kleider und was er an kleinen Habseligkeiten noch hatte. Danach begann wieder das große Elend. Der Jammer wuchs, als auch die eigene Frau und seine Tochter ihn aufgaben. Sie alle wollten mit einem Gefangenen des Heroins nichts zu tun haben.
Nur eine Ausnahme gab es in der ganzen Verwandtschaft. Eine ließ ihn nicht fallen. Das war seine Mutter, die weiter für ihn betete. Er war zu dieser Zeit aber unempfänglich für geistliches Geschehen.
Der starke Heroingenuß ruinierte seine Gesundheit. Er wurde in das Gefängnishospital eingeliefert. Da er sich dort kein Heroin beschaffen konnte, litt er furchtbare Qualen. Das peinigende Verlangen nach dem Rauschgift ließ in ihm den Entschluß reifen, mit dem Heroin Schluß zu machen. Ein guter Vorsatz, aber nicht durchführbar! Als er wieder im Gefängnis zurück war, holte er auf, was ihm im Spital versagt gewesen war. Die Heroinbindung wurde stärker als zuvor. Um sich das nötige Geld für den Stoff zu besorgen, bestahl er die eigenen Kameraden. Er wurde schließlich erwischt und kam in den Sonderarrest.
Wieder beschäftigte ihn da der Gedanke wie im Spital, von der Heroin Versklavung frei zu werden. Er bot alle Willenskraft auf, um die Sucht zu überwinden. Es war vergeblich. Die Bindung war stärker als der gute Wille. Diese Verknechtung machte ihn schließlich willig, die christlichen Versammlungen von Schwester Susi zu besuchen. Er ging sogar zu ihr in die Seelsorge, hatte aber keine Kraft, ihren Vorschlägen zu folgen.
Eines Tages, es war um die Weihnachtszeit, hockte Carlos müde und verzweifelt in einer Ecke. Er quälte sich mit Gedanken um seine Befreiung ab. Da hörte er aus der Ferne ein christliches Lied vom Blut Jesu. Ein Missionar, der das Gefängnis besucht hatte, sang es mit einigen Sträflingen, die frei geworden waren. Dieses Lied mit seiner innigen Melodie sprach ihn an und versetzte ihn im Geiste in seine Kindheit. Er dachte an seine Mutter, die ihn beten gelehrt hatte. Er erinnerte sich an das Bemühen Gottes, ihn auf den rechten Weg zu bringen. Wie oft hatte er das Locken und Ziehen des himmlischen Vaters gemerkt und war doch stets ausgewichen. Bei dieser Erinnerung packte ihn plötzlich eine furchtbare Angst. Er fiel auf seine Knie und betete um die Kraft, mit dem Rauschgift fertig zu werden.
In dieser Stunde begegnete ihm der Herr. In dem Augenblick, als er aus der Tiefe seines Herzens zum Herrn schrie, spürte er eine wunderbare Kraft. Der Hang zum Rauschgift war zerschlagen. Durch Gottes Gnade war er frei geworden. Er spürte nicht mehr das geringste Verlangen nach den Narkotika. An Stelle der bisherigen Bindungen war eine stärkere Kraft getreten: Jesus.
Carlos hatte noch den Rest seiner Strafe abzubüßen. Aber mitten im Gefängnis war er ein Freier geworden. Der Herr Jesus hatte ihm alle seine schrecklichen Sünden, auch den furchtbaren Mord, vergeben. Alle Ketten, mit denen er an die Finsternis gebunden gewesen war, waren gesprengt. Nach all seinen vergeblichen Anstrengungen war er durch den Mann vom Kreuz in einem Augenblick gelöst worden.
Seine Befreiung war echt. Er fing im Zuchthaus an, seinen Kameraden Jesus zu bezeugen und schloß sich natürlich sofort der Missionsgruppe von Schwester Susi an.
Ein Problem, das von Kritikern oft erwähnt wird, ist der Hinweis, daß Zuchthausbekehrungen nach der Freilassung nicht standhalten.
Schwester Susi gab mir die erfreuliche Information, daß Carlos sich nach seiner Freilassung als Christ bewährt hat. Ja, noch viel mehr. Der bekehrte Sträfling entwickelte sich als guter Evangelist. Er sammelte Männer, die er durch das Wort Gottes betreute. Es entstanden auf diese Weise in drei Städten evangelische Gruppen inmitten einer katholischen Umgebung. Er besuchte in den gleichen Städten auch die Gefängnisse. Es kamen dort Insassen zum Glauben an Jesus. Carlos konnte drei Gruppen von 20 bis 36 Männern sammeln, die er in Bibelkursen weiterführte. Schwester Susi gab ihm dazu die Vorbereitungshefte.
Dieses Erlebnis Carlos’ zeigt, daß aus einer Hochburg Satans, dem Milieu des Rauschgiftes, durch Jesus ein Zentrum des Evangeliums geworden war. Entscheidenden Anteil an dieser Wende haben die treuen und anhaltenden Gebete der Mutter.

Hektor
Hektor ist einer der geistlichen Söhne von Missionarin Susi. Sein Leben verlief in großen Tiefen. Schon mit 15 Jahren geriet er auf eine verbrecherische Bahn. Mit seinen Einbrüchen und Überfällen mußte er die Familie ernähren, weil sein Vater all sein Geld in Alkohol umsetzte und die Angehörigen darben ließ. Seine Schwester steuerte zum Unterhalt bei, was sie als Dirne verdiente.
In diesem Jammerleben gerieten beide Geschwister eines Tages wegen einer geringfügigen Sache in Streit. Die Schwester rächte sich und zeigte ihren Bruder mit der Begründung an, er habe die Mutter und sie geschlagen. Es war eine Unwahrheit. Da aber Mißhandlungen von Frauen in Mexiko strenger bestraft werden als anderswo, wurde Hektor verhaftet.
Im Gefängnis hörten die Mitgefangenen von seinem Anklagepunkt. Sie zogen ihm darauf die Kleider aus und schlugen ihn halbtot. In der Nacht zahlte Hektor jedem einzelnen zehnfach heim, was er tagsüber erlitten hatte. Die Wärter hielten ihn daraufhin für verrückt und meldeten es weiter. Der Erfolg war, daß ein Polizeiwagen kam, um Hektor in ein Irrenhaus zu bringen. Wegen einer Verkehrsstockung mußte der Wagen an einer Stelle halten. Hektor brach aus. Die Flucht gelang. Er entkam nach den Vereinigten Staaten. Nach einer Serie von Untaten wagte Hektor sich nach zwei Jahren in die Heimat zurück.
Die Polizei hatte seinen Namen aber auf der Fahndungsliste. Er wurde wieder verhaftet und sollte abermals in eine Nervenheilanstalt verbracht werden. Nun aber setzte sich seine Mutter für ihn ein. Sie erklärte vor der Polizei, daß die Anzeige der Schwester nicht berechtigt gewesen war. Damit wurde der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt. Gottes Hand suchte ihn. Bei einer Fahrt auf einem Lastwagen hatte er einen Unfall und brach sich ein Bein.
Der Krankenhausaufenthalt wurde zu einer Verschlimmerung seines Zustandes. Ein Pfleger verlockte ihn dazu, Morphium zu spritzen. Ein Elendsleben war die Folge. Nach seiner Entlassung aus dem Spital verschaffte er sich durch Einbrüche das nötige Geld für Morphium. Eine Anzeige brachte ihn wieder ins Gefängnis.
In der neuen Umgebung stand er in Opposition zu den Wärtern. Die Folge war, daß sie ihn eines Tages mit einem Baseballschläger halbtot schlugen. Sogar seine Lunge war verletzt, so daß sich eine Tuberkulose entwickelte. Das war die Zeit, da Gott ihn besonders suchte.
Schwester Susi kam regelmäßig in das Gefängnis. Sechs Jahre lang hörte Hektor ihre Evangeliumsbotschaften, ohne daß sein Gewissen davon erreicht worden wäre. Er brachte es sogar fertig, Schwester Susl zu bestehlen. Obwohl sie es merkte, blieb sie gleichmäßig freundlich zu ihm.
Das liebevolle Verhalten dieser Zuchthausmissionarin sprach zu dem Verbrecher mehr als ihre Botschaften. Das Eis seines Herzens begann darüber zu schmelzen. Es kam die Zeit, da er Susis Bibelstunden nicht der Gaben wegen, sondern des Wortes Gottes Willen besuchte. Die Stunde blieb nicht aus, da Hektor sich als Sünder erkannte und Buße tat.
Seine Bekehrung war so gründlich, daß gleichzeitig mit ihr die Gier nach dem Rauschgift verschwand.
“Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ Seine Lungenerkrankung bekümmerte ihn von da an nicht mehr. Er empfand eine große Bereitschaft, abgerufen zu werden und zu dem zu gehen, der ihn von seiner Vergangenheit und seinen Sünden befreit hatte.
Es kam aber anders. Nachdem Hektor mit Gott und mit sich ins Reine gekommen war, rührte der Herr ihn an. Seine Tuberkulose wurde völlig geheilt. So hat sich Jesus an diesem ehemaligen Sklaven des Rauschgiftes nach innen und außen verherrlicht.

Hernandez Torres
Ein geistlicher Sohn der Mission „Christus für Mexiko“ ist Hernandez. Vor seiner Bekehrung war sein Leben eine Geschichte der Sünde und Verbrechen. Als er in meinen Gesichtskreis trat, war er 32 Jahre alt. 17 Jahre aber waren überschattet von der Rauschgiftsucht und den automatisch damit verbundenen Verbrechen. Wer im Monat etwa 10000 Mark für Rauschgift verbraucht, kann diese Summen nicht durch ehrliche Arbeit verdienen.
Seine „glanzvolle Karriere“ als Langfinger begann mit 13 Jahren. Im vierzehnten Lebensjahr managte er bereits „dicke Dinger“. Er stahl ein Auto und übte sich in Einbrüchen. Das brachte ihn in eine staatliche Erziehungsanstalt. Nach zwei Jahren entlassen, ging es nach der alten Manier weiter. Wieder Einbrüche, Raub und Diebstahl eines Wagens! Dieses Mal gab es drei Jahre, die er bis 1949 absaß.
Danach wechselte er in die berüchtigte Verbrechermetropole Chicago über, um dort in der Unterwelt die restliche Perfektion zu erlernen. Nach kur¬zer Zeit stand er wieder vordem Kadi. Beabsichtigter Mord, Raub und Rauschgifthandel waren die Anklagepunkte. Der Ernst der Anklage wurde ihm klar, als man ihn im Spital dem Mann gegenüberstellte, den er niedergestochen hatte. Der Verletzte deutete mit dem Finger auf ihn und erklärte: „Ja, das ist er, der mich verletzt hat.“ Zum ersten Mal betete der Übeltäter, weil er wußte, daß der elektrische Stuhl auf ihn wartete, wenn der Verletzte sterben würde. Der Überfallene genas aber und wurde dann bei der Gerichtsverhandlung als Zeuge vorgeladen. Nun erfolgte etwas, was in der Verbrecherwelt der Mafia und der Unterwelt Chicagos oft vorkommt Aus Angst vor den Verbrechern ziehen die Opfer ihre Anklage zurück oder erklären, sie nicht zu erkennen. So war es bei Hernandez. Der Kronzeuge gab plötzlich an, er würde den Täter nicht erkennen. So ließ das Gericht die Anklage auf Körperverletzung mit verbundener Mordabsicht fallen. Er wurde nur wegen Rauschgifthandel zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Die Ketten der Verbrechen riß nicht mehr ab. Es ist ein langes Sündenregister: Besitz und Vertrieb von Falschgeld, Handel mit Heroln. Er war nun so weit, daß er pro Monat 12000 Mark für das Rauschgift brauchte. Sein Leben außerhalb der Gefängnismauern war stets sehr kurzfristig. Die meiste Zeit saß er hinter Schloß und Riegel. Er hatte alle Hoffnung aufgegeben, jemals von dem teuflischen Gift loszukommen. Dazu kamen noch andere Enttäuschungen. Sein zwel)’ähriges Kind, das er sehr liebte, starb. Seine Frau verließ ihn. Und er saß mit Ketten der Finsternis gebunden hinter Kerkermauern.
Da kam die Wende. Er hatte niemand in seinem Bekanntenkreis, der für ihn betete. Kann aber Gott nicht voraussetzungslos einen Sünder retten? Ein Missionar kam ins Zuchthaus, um das Evangelium zu bringen. Nun lassen wir aber Hernandez selber erzählen:
„Dankbar blicke ich auf jenen Tag zurück, an dem ich elend, müde, einsam und verloren, ohne Hoffnung und ohne Gott im Hof herumlief. An diesem Tag besuchte ein Gottesmann von der ‘Christus für Mexiko Mission’ unser Gefängnis. Er war das erste Mal gekommen und konnte kein Spanisch.
Man wählte mich aus, um die Botschaft dieses Mannes zu übersetzen. An diesem Tag zündete Gottes Wort ein Licht der Hoffnung in meinem Inneren an. Die Hellsbotschaft wurde mit solch ungewöhnlicher Macht verkündigt, daß mir jedes Wort offenbarte, was für ein großer Sünder ich war. Sie zeigte mir auch einen Christus, den ich nicht kannte. Er war am Kreuz auf Golgatha gestorben, damit Burschen wie ich die Möglichkeit zu leben hätten. Tief drang das Wort in mein Herz: ‘Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr’ (Matth. 5,3). Ich merkte, daß Gott nahe war, bereit, dem Herzen Kraft zu geben, wenn ich ihn nur anrufen wollte.
Die Botschaft dieses Bruders hinterließ einen tiefen Eindruck in mir. Der Same des Evangeliums war in mein Herz gesät worden, und bald danach konnte ich mit dem Propheten Jeremia sagen: ‘Dein Wort ward meine Speise, da ich’s empfing; und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost’ (Jeremia 15,16). Das Wort Gottes hat ausgerichtet, was Kerker und Gefängnisse, meine Frau und mein Kind, auch Vater und Mutter nicht vermochten. Das Blut Jesu Christi vollbrachte es auf wunderbare Weise und in sehr kurzer Zeit, daß ich frei wurde. Jesus hat alle meine Sünden abgewaschen und alle meine Übertretungen vergessen. Er tat es für mich, als er am Kreuze starb. Nun bin ich wiedergeboren. Alles, was ich zu tun hatte, war, Jesus anzurufen und sein Opfer am Kreuz, als für mich gebracht, anzunehmen. Ewig will ich dem Herrn dafür danken. Das Marihuana, die Heroinspritzen, die Pillen, alles liegt hinter mir. Ich bin frei von dieser todbringenden Gebundenheit, wahrhaftig frei, weil mein Herr Jesus Christus dieses Werk vollbracht hat.
Wenn ich in diesem Gefängnis bleiben muß, soll mein Aufenthalt nur der Erbauung des Tempels Gottes dienen, damit ich fähig werde, dem Herrn zu dienen, so gut ich es vermag. Ich habe ihm versprochen, mein ganzes Leben ihm zu weihen.
Möge mein Zeugnis nicht nur als Warnung dienen, sondern auch von Gott benutzt werden können, andere Menschen zu segnen.«

Die Rauschgiftpalette
Unter einer Palette versteht der Maler ein Mischbrett für Farben. Beim Güterverkehr ist es ein Holzgestell, auf dem die Waren aufgeladen sind. In der Rauschgiftszene ist es ein Universalschlüssel zu allen Lastern und Belastungen.
Rauschgift führt zu Diebstählen und Einbrüchen, denn der tägliche „Stoff” muß besorgt werden. Ich ließ mir sagen, daß manche Süchtige täglich bis zu DM 1000 für Heroin benötigen.
Rauschgift führt viele Mädchen zum Dirnentum, weil das ein Weg ist, um genügend Geld zu verdienen. Der Rauschgiftsüchtige treibt sich in Lokalen dämonisch inspirierter Musik herum, weil diese Atmosphäre ihrer Mentalität und Gebundenheit entspricht.
Rauschgift weckt das Interesse für Magie und Spiritismus, weil darin die gleichen Geister am Werk sind.
Von der Rauschgiftsucht ist nur ein kleiner Sprung zum Satanismus. Viele Suchtgebundene haben sich einer Satanskirche oder einer Satansgruppe angeschlossen. So ist es vorwiegend in USA und in afrikanischen Ländern, aber vereinzelt auch in Europa. Über solche Satansgruppen habe ich schon ausführlich in anderen Büchern berichtet. Es soll nicht wiederholt werden. Eine der ausgeprägtesten Formen des Satanismus ist der Kannibalismus, nicht bei den Bewohnern Neuguineas, sondern in USA und in afrikanischen Ländern.
Rauschgift schafft ein Offensein der Seele für östliche Kulte und überhaupt für alle extremen Bewegungen, in denen es um die Aufpeltschung der Gemütskräfte geht.
Rauschgift kann auch der Ausgangspunkt für ein seelisch geprägtes Christsein sein. Eine der vier oder fünf Richtungen der Jesus People liegt auf dieser Linie. (Bitte beachten, daß es auch echte Bekehrungen bei den Jesus People gab.)
Rauschgiftsüchtige schließen sich mitunter auch charismatischen Bewegungen an. Ich begegnete dem Schüler einer Bibelschule der Pfingstgemeinde, der mir berichtete, daß er im Drogentaumel zu beten anfing und sogar eine Gebetsgruppe unter Drogensüchtigen gründete, die beim Abklingen der Drogenwirkung sich zum Gebet vereinigte. Das ist immerhin besser, als sich Sexorgien hinzugeben. Aber echte Bekehrungen sind das nicht. Petrus sagt dazu: „Seid nüchtern!“ Paulus gebraucht noch ein klareres Wort (2. Tim. 2,6): 59… daß sie wieder nüchtern würden aus des Teufels Strick.“ Das ist die biblische Diagnose für die Süchtigen, die unter Drogenwirkung fromme Stunden halten: nüchtern werden aus des Teufels Strick! Es gibt also bei den Rauschgiftsüchtigen eine Pseudobekehrung, eine Satansbekehrung. Die Süchtigen geraten in Stimmung, so daß sie die ganze Welt umarmen könnten, selbst ihre schlimmsten Feinde. Satan kennt sich bestens auf der gesamten Klaviatur unserer Seele aus. Er versteht es, jedes Register meisterhaft zu bedienen.
Es gibt bei den Rauschgiftsüchtigen auch satanische Gegengaben zu den Gaben des Heiligen Geistes. Es gibt unter medialem Vorzeichen: Pseudoheilungen, Pseudowunder, Pseudoweissagungen, Pseudozungen, Pseudoprophetien, Pseudokräfte, die alle religiös unterbaut sind und deshalb nicht in ihrem wahren Charakter erkannt werden. Religiös unterbaute Medialität ist ein gefährliches Kapitel. Viele Gläubige schwelgen, waten und schwimmen in diesem religiösen Sumpf und halten diese Wirkungen für Geistesgaben.
Es darf nicht vergessen werden, daß das Rauschgift die körperlichen und geistigen Kräfte ruiniert und ein Heer von Frührentnern produziert.
Nun erhebt sich die Frage: Was haben diese Feststellungen in einem Buch über Besessenheit und Exorzismus zu tun? Schon oft fragte man mich: „Sind Rauschgiftsüchtige besessen?“ Ich habe stets mit Nein geantwortet, aber mit einer Einschränkung. Alle Süchte sind eine offene Tür für das Eindringen dämonischer Mächte. Und in einer speziellen Situation ist das besonders der Fall.
Wenn Rauschgiftsüchtige nicht mehr das erforderliche Geld für ihr Gift zusammenbringen, leben sie in einer konstanten Verzweiflung. In dieser Stimmungslage machen manche eine Blutsverschreibung an den Teufel. Damit haben sie aber die Schwelle zur Besessenheit überschritten. Blutsverschriebene sind besessen, sind eine Beute Satans. Der Teufel hat das totale Besitzrecht erlangt.
Wenn man die ganze Palette der Möglichkeiten überblickt, muß man doch zu der Überzeugung kommen, daß der Teufel ein perfekter Farbenmischer in den Auswirkungen der Rauschgiftsucht ist. Er kann schillernde Visionen bei den Trips vortäuschen, er kann das Selbstbewußtsein stärken, er kann für einige Stunden Frieden und Seligkeit schenken, um hinterher mit einem unendlichen Katzenjammer aufzuwarten. Am schlimmsten aber ist der seelische Zustand der Blutsverschriebenen. Ich bin immer in Sorge und Spannung, wenn ich solche Menschen in die Seelsorge bekomme. Bei ihrer geistlichen Betreuung gibt es genau die gleichen Reaktionen wie bei Besessenen. Das ist der Grund, warum ich die Kapitel über das Rauschgift in dieses Buch aufnahm.

Musikalisches Rauschgift
Zur Palette der Rauschgiftszenerie gehört die Rock Musik. Sie ist das Bindeglied zwischen Satanismus und Rauschgiftsucht. Der Beweis ist nicht schwer. Zum ersten halten sich Satanisten und Drogensüchtige gern in den Lokalen dieser Musik auf. Zum anderen haben die Texte der Rock Musik starke Beziehungen zu Satan. Hören wir einmal einige bekannte Hits. Ihre Anfänge lauten:
Wir fallen in einen Ring von Feuer
Wir machen einen Pakt mit dem Teufel
Die schwarze Schlange lebt in der dunklen Höhle
1968 verlor ich meine Seele
Rufe mich an, ich werde deinen Wunsch erfüllen
Wir praktizieren Zauberei und verkaufen unsere Seele
Jesus wird uns quälen, wenn seine Zeit da ist
Die Christenheit wird im Dunkel enden
Wir arbeiten für eine Welt, in der es keine Religion gibt
Wir sind unsere eigenen Retter
Hexen im Wald
Wir kommen von unten
Der Himmel ist ein Ort, wo niemand hingehen will.

Diese Musik hat eine ganze Generation von Teenagern zur Rauschgiftsucht, Sexmißbrauch und Satanskulten verführt.
Eine Charakteristik dieser Musik ist die Aufnahme und Verwertung biblischer Elemente und deren Verdrehung ins Gegenteil.
Die Rock Musik zeigt wie keine andere die Inspiration von unten im Gegensatz einer göttlich inspirierten Musik, etwa eines Johann S. Bach.
Rock Musik hat die dämonische Tendenz, alles Gute zu zerstören und den Menschen nach unten zu ziehen.

Wir stehen hier in diesem Teil „Exorzismus“ bei der Frage der Befreiung, darum bringe ich ein außerordentliches Beispiel.
Vor einigen Jahren wurden in den Staaten Massachusetts, Maine und New Hampshire (USA) in vielen Kirchen Vortragswochen durchgeführt. Ich war einer der Redner. In 23 Kirchen hatte ich zu sprechen. Bei dieser Tour kreuzte Bob Larsen meinen Weg. Er war einer der jüngsten und zugleich einer der Begehrtesten. Sein Thema war: Von der Rock-Musik zu Christus.

Dieses Thema entsprach seinem eigenen Erleben. Mit dreizehn Jahren hatte Bob bereits seine eigene Kapelle gehabt. Er wurde zu einem jugendlichen Star der Rock Musiker. Die Radiostationen, die Rock-Musik senden, luden ihn laufend ein. Gunst und Geld flossen dem gefeierten jungen Musiker zu.
Da gab es einen plötzlichen Stopp. An einem musikfreien Abend, was ohnehin sehr selten war, wußte der junge Mann nichts mit seiner Zeit anzufangen.
Eine wehmütige Stimmung, eine Art moralischer Katzenlammer kam über ihn. In dieser Einsamkeit zog es den Unbefriedigten in eine kleine Kirche.
Ein Psychologe würde sagen: typische Pubertätsstimmung, die fast jeder einmal durchmacht.
Es war mehr. Bob hat gläubige Eltern, die viel für den „verlorenen“ Sohn beteten.
Während des Gottesdienstes griff der Heilige Geist nach diesem jungen Menschen. Der ganze Jammer seines jungen Lebens stand ihm vor Augen. Schuld, Sünde, Unfrieden bedrängten ihn.
In dieser Stunde übergab er sein Leben Jesus. Er traf radikale Entscheidungen. Seine Kapelle löste er auf. Das Instrument seiner Erfolge, die elektrische Gitarre, bekam einen Ruheplatz. Er mochte dieses Instrument nicht einmal zu geistlichen Liedern verwenden. Es kam ihm stilwidrig vor. Er wollte zunächst einmal Abstand gewinnen.
Bob fragte im Gebet den Herrn: „Was soll ich nun tun?“ Sein Weg wurde klar. Die nächste Station war ein Bibelstudium. Damit kristallisierte sich sein nächster Auftrag heraus. Er wurde Zeuge jesu, Verkündiger des Evangeliums.
Da er von der Rock Musik her den Weg zu Jesus gefunden hatte, spürte er einen Auftrag an den jugendlichen Rock Fans. Die Radiostationen standen ihm immer noch offen, und er nutzte die offenen Türen. Über das ganze Land hinweg sprach Bob Larsen an allen Stationen über seine Wende von der Rock Musik zu Jesus.
Er machte dabei eine hochinteressante Entdeckung, die geradezu ein Symptom unserer Zeit ist.
Sprach Bob Larsen in Kirchen, da wurde er angegriffen. Man sagte ihm: „Du übertreibst. Man kann Rock Musik auch für das Evangelium einsetzen.“
Bob Larsen erklärte: „Nein, diese Musik hat einen Geist, der aus trüben und dunklen Quellen kommt. Sie läßt sich nicht reinigen und für den Heiligen Geist verwerten.“
Sprach Bob Larsen zu den Rock Fans, dann fand er Zustimmung. Sie sagten ihm: „Du bist auf der richtigen Linie. Fahre so fort. Wir alle spüren etwas von der Dämonie dieser Musik.“
Durch die Tat Gottes hatte Bob den Ausweg und die Befreiung aus dem Hexenkessel der Rock Musik gefunden und ist damit zu einem Zeugnis für alle geworden, die von diesem Rauschgift satanischer Musik benebelt sind.

6. Blutsverschreibungen
Diese dämonischste aller Satanswelhen ist in diesem Buch mehrfach erwähnt worden. Weil heute in der Jugend ein Trend zu extremen Reizen vorherrscht, muß dieses Gebiet noch einmal beleuchtet werden. Die jungen Menschen der zivilisierten Welt sind so übersättigt, daß sie, wie die Römer sagten, cupidi rerum novarum sunt = Ausschau nach immer neuem Nervenkitzel halten.
Ich erinnere mich an einen Studenten der Medizin, der etwas von Blutsverschreibungen hörte und sich dabei vornahm, das einmal auszuprobieren. Er tat es und bekam Störungen aller Art. Nachts sah er ein schwarzes Untier auf sich zukommen. Lebensunlust und Depressionen stellten sich ein. Das führte ihn zu mir in die Seelsorge. Darum soll an dieser Stelle eine starke Warnung vor solchen Experimenten ausgesprochen werden. Wer Warnungen in den Wind schlägt, hat die Folgen selbst zu verantworten. . . .

Mit diesem Beispiel will ich eine ausdrückliche Warnung unterstreichen. Blutsverschreibungen sind kein amüsanter Zeitvertreib, sondern ein verhängnisvolles Spiel mit dem Feuer der Hölle.
Da die Rationalisten sich stets über Dinge lustig machen, von denen sie mit ihrer blockierten Vernunft keine Ahnung haben, will ich bei den folgenden Beispielen die Gewährsleute angeben, soweit es die Seelsorge zuläßt. Es werden zuerst Erlebnisse mit negativem Ausgang berichtet, danach solche Erfahrungen, die mit einer Befreiung endeten.

Charakter der Blutspakte
Die erste Geschichte verdanke ich meinem Freund Werner Ambühl, der zusammen mit Pfarrer Schwyn die Telefonseelsorge in der Schweiz gegründet hat.
Es war in St. Gallen. Ein Zahnarzt läutete Ambühl an und fragte nach dem Sinn und der Methode der Telefonseelsorge. Der Arzt begnügte sich nicht mit der Auskunft und sprach daher einmal persönlich im Büro Ambühls vor. Bei dem Gespräch merkten Ambühl und sein Mitarbeiter, daß von dem Besucher eine dunkle Ausstrahlung ausging. Nach der Unterhaltung mußten sich die beiden Seelsorger im Gebet vereinigen und sich von allen Einflüssen dieses unheimlichen Arztes durch Christus reinwaschen lassen.
Am anderen Morgen rief der Zahnarzt an und fragte, ob die Männer der Telefonseelsorge am Abend zuvor nichts gespürt hätten. Sie verneinten. Diese merkwürdigen Anfragen wiederholten sich an mehreren Tagen. Das seltsame Gebahren des Arztes trieb die Brüder von der Telefonseelsorge ins Gebet.
Dann endlich lichtete sich der Schleier. Der unheimliche Arzt rief wieder an und erklärte, er habe sich während seines Studiums in Frankreich mit seinem Blut dem Teufel verschrieben. Er müsse seither die Befehle des Teufels ausführen. jetzt sei seine Aufgabe, die Arbeit der Telefonseelsorge zu stören und Ambühl und seinen Mitarbeiter durch schwarze Magie zu töten. Aber alles, was er inszeniert habe, sei auf ihn zurückgefallen. Es ging eine Macht von den Leuten der Telefonseelsorge aus, der er nicht gewachsen sei. Er müsse daher die Konsequenzen tragen.
Am nächsten Tag rief die Kantonspolizei an, der Zahnarzt habe sich erschossen. Neben ihm lag ein Zauberbuch, das die Polizei Ambühl überlassen wollte. Mein Freund nahm das Buch aber nicht an.
Dieses einwandfrei bezeugte Beispiel zeigt, daß Gott seine Kinder bewahrt und beschützt, wenn sie ihm treu dienen.

Der Irrsinn der Blutsverschreibungen wird an den beiden folgenden Beispielen deutlich. Bei einer Vortragsreihe kam ein Mann aus Düsseldorf in meine Seelsorge. Er hatte sich vor Jahren mit seinem Blut dem Teufel verschrieben und dabei folgende Abmachung getroffen: „Du gibst mir 20 Jahre ein Leben in Saus und Braus mit allen Annehmlichkeiten, und dann erhältst du meine Seele dafür.“
Diese Bedingungen wurden zunächst erfüllt. Der Mann konnte ein flottes Leben führen. Bei einer Evangelisation wachte er aber auf und erkannte die Furchtbarkeit seines Paktes. Er kam zu mir und fragte, wie er das rückgängig machen könne. Die seelsorgerliche Erfahrung zeigt stets, daß der Teufel sofort seine Besitzrechte geltend macht, wenn eines seiner Opfer ausscheren will. So war es auch bei diesem unglücklichen Gesprächspartner. „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los“, hieß es auch hier. Es setzten schreckliche Kämpfe ein. Der Mann wurde homosexuell, was er vorher nicht gewesen war. Sein Seelenleben war ein einziges Chaos. Nachts keinen Schlaf. Mächte der Finsternis drangen auf ihn ein. Den Ausgang dieses Kampfes kenne ich nicht, da ich ja nach Beendigung der Vortragsreihe die Stadt verließ.
Eine sehr häufige Erfahrung ist, daß der Teufel nach einer Blutsverschreibung seine Opfer mit okkulten Fähigkeiten, den satanischen Gnadengaben, ausstattet. Im Kurzstil folgendes Beispiel. In einem Bauerndorf starben vielen Bauern auf unerklärliche Weise die Schweine. Der Tierarzt konnte sich das nicht erklären. Die Giftproben ergaben keinen Befund. Eine Seuche war nicht nachzuweisen. Eines Tages gab es Licht in dieser mysteriösen Affaire. Eine Frau wurde sterbenskrank. Da bekannte sie, daß sie durch eine Blutsverschreibung die Kraft erhalten hätte, durch Magie Tiere zu töten. Im Auftrag Satans müßte sie jede Woche zwei Schweine töten. Die Frau starb, und das Schweinesterben hörte schlagartig auf.

Die negative Reihe wird mit zwei Beispielen abgeschlossen, für die ausgezeichnete Zeugen vorhanden sind. Eine Frau, die ich kennenlernte, ist die Tochter einer Besprecherin, die in früher Jugend ihr Kind besprochen hatte. Während des Krieges war die Tochter Schwester, die sich mit einem Offizier anfreundete. Beide kamen auf die absurde Idee, sich mit ihrem Blut dem Teufel zu verschreiben. Bei Kriegsende verübte der Freund Selbstmord. Seit dieser Zeit plagte sich die Schwester mit den gleichen Gedanken. Sie wurde auch innerlich getrieben, andere Menschen zur Blutsverschreibung zu veranlassen. So gab sie öfter von ihrem eigenen Blut ab mit der Aufforderung, sich damit dem Teufel zu verschreiben. Die Schwester fiel seit dem Tod ihres Freundes häufig in Trance. In diesem Zustand meldete sich der verstorbene Freund, der ihr drohte: „Ich bringe dich so weit, daß du zu mir kommst.“ In der Trance meldete sich auch die verstorbene Mutter, die zu Lebzeiten Zauberei getrieben hatte. Ferner wurde sie von Dämonen heimgesucht. Einmal sagte ein solcher Geist: „Sie hat sich einen Strick gekauft. Morgen will sie sich damit aufhängen.“ Wenn die Schwester aus der Trance erwachte, wußte sie nie, was sich inzwischen ereignet hatte. So war sie erstaunt, daß der Seelsorger sie nach dem Strick fragte, den sie dann herausgab. Die Angaben hatten gestimmt.
Die blutsverschriebene, besessene Schwester suchte den Psychiater Dr. Lechler auf, der sie nicht wegen einer Geisteskrankheit behandelte, sondern als gläubiger Christ die Besessenheit erkannte. Es wurde ein Gebetskreis gebildet, zu dem eine Mitarbeiterin der SMD gehörte, ferner ein bekannter Naturwissenschaftler, Professor Dr. Rohrbach, der ein weithin bekannter, vollmächtiger Seelsorger ist. Dieser Gebetskreis betete ein Jahr für diese blutsverschriebene Schwester, ohne daß sie frei wurde. Einmal holten sie mich zu einer solchen Gebetsstunde hinzu. Als wir zu beten anfingen, tobte die Schwester, krümmte sich vor seelischen Schmerzen, schrie und wälzte sich. Dabei wurde eine Männerstimme aus ihr gehört: „Die gehört mir. Die muß dahin kommen, wo ich bin.“
Das ist eines der deutlichsten Beispiele dafür, daß Blutsverschreibungen zu Besessenheit führen, vor allem dann, wenn sonst noch Zaubereisünden vorliegen.

Eine junge Frau führte eine Blutsverschreibung an den Teufel durch. Sie verpflichtete sich auf sechs Jahre, dem Teufel mit allen Gaben und Kräften ihres Lebens zu dienen. Nach diesem Teufelsbündnis entwickelte diese Frau ungeheure magische Kräfte, die durch ihre spiritistische Betätigung verstärkt wurden. Wir haben hier also eine Blutsverschreibung, kombiniert mit Spiritismus und Magie.
Eine der Gaben Satans war die Hellsichtigkeit. Sie konnte eines Tages ihrem Mann, der arbeitslos war, sagen: „Du bekommst in den nächsten Tagen drei Stellenangebote.“ Es traf ein. Eine weitere Belohnung Satans bestand in der Fähigkeit der Exkursion der Seele und des Astralwanderns. Sie konnte in Trance fallen. Wenn sie dann nach einer Stunde wieder zum Bewußtsein gekommen war, berichtete sie von ihren Reisen zu anderen Planeten. Ob die Seelenreise zu den Planeten stattgefunden hat, ist nicht nachweisbar. . . .
Ein weiteres Satansgeschenk war die Dienstbarkeit von Schutzgeistern. Die blutsverschriebene Spiritistin bekam die Fähigkeit, Schutzgeister zu rufen und sich von ihnen beraten oder helfen zu lassen. Sie konnte mit ihnen reden, als ob sie leibhaftig gegenwärtig wären. An ihrem Geburtstag oder bei anderen Familienfesten fielen manchmal auf unerklärliche Weise drei Rosen in ihr Zimmer. Die Stiele waren nicht abgeschnitten, sondern abgebrannt. Das sind übrigens Apporte, die mir seit Jahrzehnten in der Seelsorge berichtet worden sind. Das ist sogar in einem badischen Pfarrhaus passiert, in dem ich einmal gewohnt habe. Einer der Pfarrer, der früher in diesem Pfarrhaus gelebt hatte, war ein aktiver Spiritist. Sein Nachfolger war ein gläubiger Pfarrer, der in diesem Haus seltsame Dinge erlebte. Er hat es mir persönlich erzählt.
Diese blutsverschriebene Spiritistin entfaltete Kräfte, die wir auch von dem Erzspiritisten Daniel Home kennen. Sie konnte Gegenstände dematerialisieren und in einem anderen Raum rematerialisieren. Es sei kurz erklärt. Eine Blumenvase konnte in einem total verschlossenen Raum unsichtbar werden, verschwinden und in einem anderen Raum plötzlich auf einem Tisch stehen. Das ist weder ein Trick noch ein Betrug. Daniel Home konnte nie eines Betruges überführt werden. Auf dem magischen Sektor konnte diese blutsverschriebene Frau auf übernatürliche Weise Menschen plagen und quälen. Nach Ablauf der sechs Jahre, die durch die Blutsunterschrift vertragsgemäß fest ausgemacht war, starb die Frau ganz plötzlich unter schrecklichen Umständen. Wer sie näher kannte, sagte ganz einfach: „Der Teufel hat sie geholt.“

Am Ende der Sieg
Die Erlebnisse mit Rauschgiftsüchtigen und Blutsverschriebenen stehen hier in Teil VIII, der über den Exorzismus Auskunft gibt. Die Befreiungsbeispiele müssen daher den Vorrang haben. Hören wir einige davon.
Bei einer Vortragsreihe in einer europäischen Großstadt brachte eine kirchliche Mitarbeiterin einen jungen Mann in meine Seelsorge. Im Gespräch gab der Hilfesuchende an, er habe sich mit seinem Blut dem Teufel verschrieben, wolle aber unter allen Umständen aus der Sklaverei Satans frei werden. Er beichtete und zeigte seine Bereitschaft, sich Christus anzuvertrauen.
Mir entfiel bei dieser Seelsorge der Mut. Ehrlich gesagt, ich hatte nicht den Glauben, daß dieser junge, geknechtete Mensch loskäme.
Ich zeigte ihm den Weg, wie man frei wird und benützte dabei die Hauptpunkte, die in meinem Buch „Okkultes ABC“ auf den letzten 90 Seiten angegeben sind. Ich betete mit ihm auch ein Lossagegebet. Ich wagte aber nicht, ihn im Namen Jesu loszusprechen, weil mir dazu der Glaube fehlte. Dann entließ ich ihn, betete aber für ihn in der kommenden Zeit.
Einige Monate danach traf ich wieder die kirchliche Mitarbeiterin. Sie berichtete mir, daß der junge Mann frei geworden war und seither Christus vor anderen bekenne.
Ich war beschämt, überrascht und erfreut zugleich. Hier hatte Jesus trotz meines Unglaubens geholfen.

In dem gleichen Land lernte ich ein Mädchen kennen, dessen Geschichte ich hörte und hinterher aufzeichnete. Sie hatte eine Vergangenheit, in der alles zu finden war, was bei der „Rauschgiftpalette“ erwähnt worden ist. Rauschgift, Sex, Diebstahl, Blutsverschreibung an den Teufel, Rock Musik, orientalische Kulte und anderes. Eine ruinierte Jugend! Es ist eine unbegreifliche Treue und Liebe des Herrn, daß er solche Wracks von Menschen nicht aufgibt.
Mir ist in diesem Zusammenhang eine moderne Übersetzung des Wortes Hebr. 13,5 so groß geworden. Es heißt dort: „Ich will dich nicht aufgeben und dich nicht im Stich lassen.“ Wir Menschen neigen so leicht dazu, andere abzuschreiben, aufzugeben , im Stich zu lassen. Es ist aber einer da, der die 99 Schafe zurückläßt und dem einzelnen verlorenen nachgeht. So ist es auch hier geschehen. Das Mädchen kam mit einem Seelsorger in Berührung, der ihr den Weg der Befreiung zeigte. Es gab furchtbare Kämpfe, Rückfälle und wieder einen neuen Anfang. Aber der Endsieg gehörte und gehört Jesus Christus, der das junge Leben in seine Hand nahm und es zu einem Zeugnis für andere seither gebraucht.

Eine Kombination von Blutsverschreibung und Spiritismus zeigt ein weiteres Beispiel, das mir ein gläubiger Pfarrer übergeben hat. Pfarrer Klingbeil von Braunfels berichtete mir von einem blutsverschriebenen Mann, der zu ihm in die Seelsorge gekommen war. Der Seelsorger wies ihn an, sich wieder vom Teufel loszuschreiben. So geschah es. Der Pfarrer bewahrte dieses Schriftstück in seinem Studierzimmer auf. Der blutsverschriebene Mann hatte einem spiritistischen Zirkel angehört, aus dem er bei seiner Bekehrung austrat. Dennoch arbeiteten die ehemaligen spiritistischen Freunde durch Mentalsuggestion daran, den Ausgetretenen zurückzugewinnen. Ihre geistigen und magischen Kräfte reichten aber nicht aus. Die Zirkelmitglieder kamen dann zu Pfarrer Klingbeil und baten ihn, er möchte die Losschreibung herausgeben oder wenigstens vernichten. Sie begründeten ihr Gesuch damit, daß sie ihren Einfluß und ihre Macht über das ehemalige Mitglied verloren hätten. Natürlich entsprach der Pfarrer nicht ihrem Wunsch.

Für das nächste Beispiel habe ich zwei ehrenwerte Zeugen. Der jetzige Direktor des Chrischonawerkes bei Basel, Edgar Schmid, war Anfang der fünfziger Jahre Pastor der Chrischonagemeinde in Winterthur. Er hat mich zweimal zur Evangelisation eingeladen. In jener Zeit hatte er ein seltsames seelsorgerliches Erlebnis. Zweiter Zeuge ist ein gläubiger Pfarrer der Umgebung Winterthurs. Ein dritter Zeuge bin ich selbst. Zu den beiden erstgenannten Brüdern kam ein okkult arbeitender Mann aus einem Nachbardorf. Er beichtete, daß er in seiner Jugend eine Blutsverschreibung an den Teufel vorgenommen habe. Seit dieser Zeit besitze er okkulte Kräfte. Er könne durch die schwarze Magie Tiere auf Entfernung töten. Sein Gönner und Auftraggeber verlange aber als Gegenleistung für diese unheimliche Kraft, daß er jede Woche zwei Aufträge ausführe. So habe er es jahrelang gehalten. Wenn er einen Hühnerstall verfluche, würden die Hühner keine Eier mehr legen. Die Kühe geben nach einer magischen Beeinflussung keine Milch mehr, sondern nur noch eine braune Brühe. Bringe man die Kühe aber weit weg auf eine Weide, dann geben sie wieder Milch. Diese magischen Kräfte wurden seinem Träger so unheimlich, daß er sich zu einer seelsorgerlichen Beratung entschloß. Edgar Schmid bat den Ortspfarrer des Magiers zu diesem Gespräch. Der Beichtende wollte frei werden und beschritt ohne Aufforderung einen seltsamen Weg. Er ließ sich von Bruder Schmid ein Licht, Nadel, Streichholz und Papier geben. Dann glühte er die Nadel aus und stach sich eine Fingerkuppe an. Mit dem herausquellenden Blut schrieb er sich von Satan los. Seit dieser Zeit bekommt er keine Aufträge mehr und sieht auch nicht mehr die Teufelsgestalt, die ihm vorher oft begegnet war. Die Hauptsache wurde aber noch nicht erwähnt. Dieser Magier beichtete ein zweites Mal bei seinem Ortspfarrer, tat Buße und übergab sein Leben Jesus. Es gab noch einmal einen Rückfall, wie es häufig bei Blutsverschriebenen und Besessenen vorkommt. Er ging dann zum dritten Mal zur Seelsorge und wurde von da an nicht mehr von Satan geplagt. Ich selbst bin zuletzt zu dieser schweren Seelsorge zugezogen worden.
Manche sind der Meinung, daß Blutsverschreibungen äußerst selten vorkommen. Der nichteingeweihte Seelsorger hat natürlich keinen Einblick und keine Erfahrung. Ich habe einige Male in Lüneburg evangelisiert und dort viele unheimliche Dinge in den seelsorgerlichen Gesprächen gehört. Ein gläubiger Bruder, der zu der Landeskirchlichen Gemeinschaft gehört, berichtete, daß er es selbst beobachten konnte, daß ein Besprecher in wenigen Tagen mit 18 Menschen Blutsverschreibungen vorgenommen hat.

Wir haben jetzt schon zwei Beispiele gehört, daß Blutsverschriebene sich wieder losgeschrieben haben. Da hier viel Kritik einsetzt, muß ich eine Erklärung abgeben. Ich selbst habe noch nie in meinem Leben einen solchen Rat gegeben und werde es auch nicht tun. Dennoch weiß ich, daß ein Vertrag mit dem Teufel juristisch gekündigt werden muß. Darum geben manche Seelsorger den Rat, sich abzuschreiben. Einer meiner Freunde in Süddeutschland, ein erfahrener Pfarrer, übt auch diese Praxis. In dem Beispiel Winterthur muß betont werden, daß Edgar Schmid nicht diesen Rat erteilte. Der blutsverschriebene Magier war von sich aus überzeugt, daß er das tun müsse, um loszukommen.
Die Blutsverschreibungen erfolgen nicht nach dem gleichen Schema. Bei manchen Kulten, zum Beispiel bei den Macumba Spiritisten in Brasilien und bei den Wuduisten auf Halti, wird manchmal Bocksblut oder Blut eines Hahnes benützt. Auch fremdes menschliches Blut wird dafür genommen. Wenn Menschenblut gebraucht wird, holt man es nicht überall aus der Fingerkuppe. In Afrika hörte ich, daß die Bauchdecke in der Nähe des Plexus solaris angeritzt wird, um Blut zu gewinnen. Bei den Macumbariten ritzt man gelegentlich auch die Haut hinter dem Ohr an. Ein solches Beispiel soll wiedergegeben werden. Es zeigt gleichzeitig den Triumph Jesu über alle dunklen Mächte.
Die Geschichte der Otilla Pontes habe ich schon einmal ausführlich in „Jesus auf allen Kontinenten“, Seite 544 – 548, veröffentlicht. Hier soll nur der Blutritus und die Befreiung gezeigt werden.
Bei einer Vortragsreihe in Rio de Janeiro kam ich mit Otilla in Berührung. Sie erzählte mir ihre Befreiung aus dem Macumba Spiritismus und gab mir Veröffentlichungsrecht. Sie arbeitete ursprünglich in einer Textilfabrik. Ihre Chefin lud sie zu einem Macumba Zirkel ein. Dort wurde ihre mediale Veranlagung erkannt. Durch große Versprechungen angelockt, war sie bereit, sich als Medium ausbilden zu lassen. Zusammen mit 50 Anwärterinnen unterzog sie sich den umfangreichen Aufnahmeriten. 17 Tage waren sie zusammen in einem fensterlosen Raum eingeschlossen. Danach erfolgte nach einem Festmahl der Blutritus, der den Sinn hat, daß die Novizinnen dem Teufel zum Eigentum übergeben werden. Die Kultmutter ritzte den Teilnehmerinnen mit einem scharfen Dolch die Haut hinter dem Ohr an. Das fließende Blut ist ein Opfer an den Gott der Finsternis und zugleich eine vertragliche Übereignung ihres Lebens an ihn.
Ein weiterer Aufnahmeritus erfolgte nachts um 12 Uhr auf einem Friedhof, wo die Novizinnen dem Totengott verschrieben wurden.
Die Zeit der Vorbereitung umfaßt zwei Jahre und ist ein schweres Training, um auf der Stufenleiter der Macumba Hierarchie hochzukommen. Eine harte Probe ist, daß die Novizinnen aus kochendem, brennendem Öl Baumwolle mit bloßen Händen herausholen müssen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Otilla hat alle Proben als beste bestanden. So erhielt sie nach und nach alle Weihen bis zur Kultmutter, ein Amt, das sie 23 Jahre ausübte. Diese totale Hingabe an den Teufel wurde mit unheimlichen Kräften belohnt. Sie alle aufzuzählen, übersteigt diesen kurzen Bericht.
Das wichtigste für uns ist, wie der Herr Jesus sie aus diesem teuflischen Labyrinth herausholte. Ein Ansatzpunkt war die treue Fürbitte einiger Christen. Der nächste Schritt war die Erkrankung ihrer elfjährigen Tochter, an der sie mit großer Liebe hing. Auf Drängen einiger Freunde ließ sie einen gläubigen Pastor kommen, der über dem Kind betete. Innerhalb eines Tages war das Mädchen gesund, ein Erfolg, den die Mutter mit all ihrer Zauberei nicht zustandegebracht hatte. Aus Dankbarkeit war sie dann unter größtem inneren Widerstand bereit, einmal den Gottesdienst dieses Pastors zu besuchen. Unter der Verkündigung meinte sie, verbrennen zu müssen. Trotzdem ging sie ein zweites Mal hin. Das war der Anfang, wie Gott diese hartgebundene Frau aus dem Hexenkessel des Macumba Spiritismus und der vertraglichen Blutsverschreibung herausholte.
Gewöhnlich verfolgen die Macumbaleute ein ehemaliges Mitglied und töten es, weil ja ihre Geheimnisse gewahrt bleiben müssen. Es war der Schutz des Herrn, daß man ihr kein Haar krümmen durfte, obwohl sie den höchsten Rang der Macumbaleute erreicht hatte.
Otilia hat ihrem neuen Herrn, Jesus Christus, die Treue gehalten. Sie wurde eine begehrte Evangelistin. Als ich sie kennenlernte, hatte sie bereits 130 Vortragsdienste in den christlichen Kirchen durchgeführt. Ihre Rettung und ihr hingebungsvoller Dienst im Reiche Gottes ist ein Sieg des Sohnes Gottes, der für uns starb, von den Toten auferstand und zur Rechten Gottes erhöht ist.

7. Das Reich Gottes
In dem Streitgespräch Jesu mit den Pharisäern in Lukas 11 sagte der Herr: „So ich durch Gottes Finger die Teufel (Dämonen) austreibe, so kommt das Reich Gottes zu euch“ (Lk. 11,20).
Das NT spricht oft davon, daß dynamis kai exousia (Gewalt und Macht) die Zeichen der angebrochenen Gottesherrschaft darstellen. Paulus sagt in 1. Kor. 4,20: „Das Reich Gottes steht nicht in Worten, sondern in Kraft.“
Im Leben und in der Tätigkeit Jesu wird diese exousia oft deutlich.
Die Bergpredigt schließt (Mt. 7,29) mit dem Hinweis: „Jesus predigte gewaltig“ = os exousian echon – als einer, der Vollmacht hatte.
Der Evangelist Markus berichtet (1,27): „Er gebietet mit Gewalt den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm. Auch hier steht der Ausdruck: exousian epitassei = in Vollmacht befiehlt er.
Diese Vollmacht beweist Jesus auch in seinen Heilungen. Ein Aussätziger (Mk. 1,40) bat Jesus: „Willst du, so kannst du mich wohl reinigen. Und es jammerte Jesum, und er reckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will’s tun, sei gereinigt.“
In der Geschichte über den Gichtbrüchigen kommt eine vierte Vollmacht Jesu zum Vorschein. Jesus sagte den kritischen Pharisäern (Mk. 2,10): „Des Menschen Sohn hat die Macht, Sünden zu vergeben“ = Exousian echei aphienai hamartias.
Die Herrlichkeit der Jünger Jesu ist, daß sie an dieser vierfachen Vollmacht teilhaben dürfen. In Lukas 9,1 lesen wir: „Jesus rief seine Zwölf zusammen und gab ihnen Gewalt und Macht dynamin kai exousian Teufel (Dämonen) auszutreiben, Seuchen zu heilen und zu predigen das Reich Gottes.
Von der vierten Vollmacht der Jünger steht in Mt. 18,18: „Was ihr auf Erden binden werdet, soll im Himmel gebunden sein, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.“ Hier geht es in erster Linie um die Absolution nach einer aufrichtigen Beichte. Es bedeutet aber auch einen charismatischen Akt der Lossprechung.
Im Zusammenhang mit dem Problem des Exorzismus interessieren uns nur die Stellen, die von Heilungen und Austreibungen handeln. Hören wir einige von Ihnen:
Mt. 4,24: Sie brachten zu ihm allerlei Kranke … und die Besessenen.
Mt. 8,16: Er trieb die Geister aus mit Worten und machte allerlei Kranke gesund.
Mt. 10,1: Er gab ihnen Macht über die unsauberen Geister, daß sie die austrieben und heilten allerlei Seuchen.
Mt. 10,8: Macht die Kranken gesund, treibt die Teufel (Dämonen) aus.
Mk. 1,32: Sie brachten zu ihm allerlei Kranke und Besessene.

Was Jesus tat, wurde von den Jüngern fortgesetzt. In der Apostelgeschichte stehen wir vor dem gleichen Sachverhalt, daß Krankheiten und Besessenheit klar unterschieden werden.
Apg. 5,16: Sie brachten die Kranken und die von unsauberen Geistern gepeinigt waren.
Apg. 8,7: Die unsauberen Geister fuhren aus vielen Besessenen mit großem Geschrei; auch viele Gichtbrüchige und Lahme wurden gesund gemacht.
Oft konnte ich von ungläubigen Psychiatern und in deren Kielwasser von den modernen Theologen lesen, daß Jesus ein Kind seiner Zeit war und die Krankheiten als von Dämonen verursacht ansah. Heute wüßten wir es besser. Besessenheit sei das Bild einer Geisteskrankheit oder einer Hysterie. Wenn diese Rationalisten die Bibel lesen würden, dann würden sie erkennen, daß im NT zwischen Krankheit und Besessenheit sauber getrennt wird.

Es wäre nun interessant, die theologische und kirchengeschichtliche Entwicklung im Blick auf Besessenheit und Exorzismus aufzuzeigen. Es gibt jedoch gute Darstellungen darüber. Mein Buch ist außerdem aus der seelsorgerlichen Erfahrung der Gegenwart heraus geschrieben. Darum steige ich nicht in die Kirchengeschichte ein. Ich nenne jedoch eine ausgezeichnete Darstellung von Frau Dr. J. ter Vrugt-Lentz. Sie hat in dem Buch von van Dam die Kirchenväter bearbeitet. Frau Vrugt-Lentz ist eine gläubige Christin. Wir haben vor einigen Jahren korrespondiert.
Nach dieser kleinen Abschweifung eine bedeutsame Notiz von Kirchenvater Origines, der noch der Meinung war, daß jeder Christ, er mag so einfach und ungelehrt sein, wie er will, imstande ist, böse Geister auszutreiben (van Dam, Seite 95). Nach Origines tritt diese Meinung in den Hintergrund. Im neunten Jahrhundert wurde dann in Rom ein Exorzistenamt eingeführt, das viele Generationen hindurch bestand und in einer leichten Abwandlung heute noch in der katholischen Kirche existiert. Das Exorzistenamt ist gekennzeichnet durch bestimmte Riten und festgelegte Formelgebete. Oft fehlte es den Exorzisten an der geistlichen Vollmacht. Die Exorzismen wurden manchmal zu einer öffentlichen Schau. Wie das ausgehen kann, zeigte der Prozeß um Anneliese Michel. Fehlende Vollmacht auf seiten der beiden Exorzisten und eine fehlende Einsicht auf seiten des Gerichtes. Juristen und unerfahrene Gutachter sind nicht geeignet, eine so schwere Frage richtig abzuhandeln.
Die Fragwürdigkeit eines katholischen Exorzismus wurde mir, wie schon berichtet, an folgendem Vorfall deutlich. Ein Exorzist gab den Dämonen den Rat, sich an Maria zu wenden und zu Maria zu beten. Für biblisches Denken ist das eine Ungeheuerlichkeit. Ich schrieb das Pater Rodewyk, dem besten Fachmann auf katholischer Seite. Er schrieb zurück: „Das ist Unfug.“ Kein Wunder, daß biblisch Gesinnte den katholischen Exorzismen mit der größten Skepsis begegnen. Auf protestantischer Seite ist es aber kein Haar besser. Dort herrschen nur andere Probleme vor. Welche Pfarrer wagen sich überhaupt noch daran, einem Besessenen durch Exorzismus zu helfen? Ich weiß nicht, ob wir in ganz Deutschland zehn solcher Diener Gottes zusammenbringen. Dazu kommt noch die Tatsache, daß viele Pfarrer einen Laien, dem geistliche Vollmacht geschenkt ist, meist verächtlich behandeln.
Über das „theologische“ Problem, ob die Jünger Jesu im 20. Jahrhundert noch teilhaben an der Vollmacht, die der Herr seinen Aposteln gegeben hat, will ich nicht viel sagen. Gegen die Dispensationstheologie der Amerikaner habe ich schon meinen Protest angemeldet. Wir sind keine Stiefkinder Gottes. Der Geist Gottes ist der Stellvertreter des erhöhten Herrn und führt sein Werk durch bis zur Wiederkunft Jesu und darüber hinaus. Wo kommen wir hin, wenn wir herausknobeln wollen, was uns gilt und was nicht? Der Schluß des Markusevangeliums sagt, daß die Zeichen der Heilung und Austreibung den Glaubenden folgen und nicht auf eine bestimmte Jüngergruppe beschränkt sind. Natürlich weiß ich, daß manche Handschriften den Markusschluß nicht haben. Alle Handschriften haben Lücken. Gottes Geist wachte über dieser Arbeit, daß uns nichts verlorenging. Dem Geist und Inhalt nach entspricht der Markusschluß dem ganzen Evangelium.

8. Irrwege des Exorzismus
Auf meinen ausgiebigen Missionsreisen bin ich oft auf exorzistische Riten der bekanntesten Weltreligionen gestoßen. Die meisten Formen des Exorzismus finden sich bei den Animisten in Afrika, bei den Indianerstämmen Südamerikas und bei den Bewohnern der pazifischen Inseln. Exorzismus wird praktiziert bei den Shintoisten, Hinduisten, Buddhisten und bei den Moslems. Ich bin oft gefragt worden, ob diese außerchristlichen Austreibungen funktionieren. Es gibt verblüffende Erfolge, wenigstens für den oberflächlichen Beobachter, der den Hintergrund der Probleme nicht kennt.
Ich muß nun Dinge andeuten, die für unsere Rationalisten ein Greuel sind. Während meines Besuches der Insel Bali, wo ich in verschiedenen Kirchen zu sprechen hatte, lief gerade ein magischer Krieg. Zwei Zauberer und ihre Unterzauberer lieferten sich einen magischen Kampf. Ich habe in dem Buch „Uns Herr, wirst du Frieden schaffen“ darüber berichtet. Die Stärkeren behalten den Sieg. Man vergegenwärtige sich, was das heißt. Alle sind Magier. Alle kämpfen mit magischen, dämonischen Mitteln und Kräften. Wer mehr mit der Macht Satans gefüllt und ausgerüstet ist, gewinnt die Oberhand.
Starke Zuluzauberer können einem anderen durch schwarze Magie den Verstand rauben. Der Betroffene hat dann Symptome wie ein Besessener. Die Angehörigen versuchen dann, das Opfer zu einem noch stärkeren Zauberer zu bringen, der durch den Gegenzauber dem Verfolgten wieder einen klaren Verstand gibt. In der Geschichte von Mary hörten wir, daß sie durch ihre Teufelsverschreibung Macht über niedere Dämonen bekam, die ihr gehorchen mußten. Sie selbst hatte sich wieder höheren Dämonen unterzuordnen.
Aus dieser Dämonenhierarchie lassen sich Exorzismen außerchristlicher Religionen erklären. Der Stärkere bestimmt und kann Positionswechsel erzwingen. Die Opfer dieser teuflischen Praktiken sind die dabei Betrogenen und nicht die Befreiten. Befreiung gibt es nur durch den Stärksten aller Starken, Jesus Christus, der gesagt hat: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Das Weltkommando liegt nicht bei Buddha oder Mohammed, noch bei sonst einer mystischen oder realen Größe, sondern nur bei dem Sohn Gottes, dem der Vater alle Gewalt übergeben hat.

Irrwege des Exorzismus gibt es aber auch innerhalb der christlichen Religionen. Am Rande sind die katholischen Exorzismen schon erwähnt worden. Der Psychiater John White, Professor an der Universität Manitoba (Kanada) sagte in Demon P., Seite 296:
Zu deutsch: „Einem rituellen Versuch, Dämonen zu überwinden, scheint die Schwäche anzuhängen, der Praxis des Teufels mit teuflischen Praktiken begegnen zu wollen. Es mag wahr sein, daß Dämonen komplexen symbolischen und rituellen Gesetzen unterworfen sind, aber die Vollmacht der Christen stammt nicht aus deren Anwendung, sondern von der Quelle aller Autorität. Von Riten abhängig zu sein, um Macht auszuüben, heißt, sich auf Magie zu gründen. Das unterminiert die Abhängigkeit von Gott.“
Das darf nun nicht als Seitenhieb auf die katholische Kirche verstanden werden. Es gibt auch in der katholischen Kirche gottesfürchtige Männer, die den Exorzismus nicht als rituellen Vollzug ansahen. Pauschalurteile gelten nicht. Professor White wollte nur warnen vor dem bloßen religiösen Betrieb. „Tut um Gottes willen etwas Tapferes“ war einmal ein geflügeltes Wort. Auf dem Gebiet des Exorzismus gibt es in der evangelischen Kirche fast nur Fehlanzeigen, in der Schwesterkirche wurde das Problem wachgehalten.
Im protestantischen Bereich finden sich bei Sekten und extremen Gruppen Formen des Exorzismus, die zum Verruf dieses Gebietes beigetragen haben. Ich bringe einen Bericht, der in der Rhein Neckar Zeitung vom 15. Februar 1980 erschienen ist:
„Vom Teufel befreit“
Genau 72 Stunden war die 16 Jahre alte Brasilianerin Elaine Maciel Barbosa an einem Kreuz festgebunden, um auf die Erlösung vom „Teufel und von bösen Geistern“ zu warten. Am Montagabend Ortszeit erlebten Tausende Schaulustige das Ende dieses „Exorzismus“ auf dem Cavera Berg im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. Erschöpft ließ sich das Mädchen, das im Verlaufe der drei Tage nur Wasser und Brot zu sich genommen hat, vom 25 Kilogramm schweren Holzkreuz lösen.
Anhänger der als fanatisch bekannten Sekte „Pfingstkirche für den universellen Kreuzzug“ hatten fastend der „Teufelsaustreibung“ unter freiem Himmel beigewohnt. Viele von ihnen versanken dabei in Trance. Fünf Polizisten der nahen Kleinstadt Alegrete beobachteten das von Gläubigen und Kirchenkreisen als „abscheuliches Sakrileg“ verurteilte Treiben, griffen jedoch nicht ein.
Die 16-jährige hatte nach eigenen Angaben am 30. Januar eine “Vision“. Ihr erschien ein “Heiliger“ und sagte, sie könne sich von den „bösen Geistern“ wieder befreien, wenn sie sich drei Tage ans Kreuz schlagen lasse. „Teufelsanzeichen“ waren unter anderem in Minutenschnelle wachsende Fingernägel.
Am vergangenen Freitag trug Elaine, begleitet von Verwandten und Sektenmitgliedern, das Kreuz den Berg hinauf und ließ sich festbinden. Ihren ursprünglichen Wunsch, an das Holz genagelt zu werden, vereitelte der örtliche Polizeichef. Da aber bei dem vom „Heiligen“ angeordneten Ritual Blut fließen mußte, ritzte der Vater der 16jährigen die Handflächen mit einem Messer. Die aufgefangenen Blutstropfen gelten schon jetzt als „Reliquie“. Der Polizeichef will den Vater jetzt wegen Körperverletzung vor Gericht bringen. dpa

Ich selbst habe Massenversammlungen bekannter amerikanischer Evangelisten beigewohnt. Ich will keinen Namen nennen. Billy Graham ist nicht gemeint. Bei ihm habe ich keine exorzistischen Exzesse je beobachtet. Nach den Versammlungen haben sich diese Extremisten den Kranken zugewandt und versucht, unter großem Geschrei den Krankheitsgeist auszutreiben. Es waren unerträgliche Szenen. Kein Wunder, daß Handauflegungen ohne Erfolg, Exorzismen ohne Befreiung in der öffentlichen Meinung eine Entwertung erfahren haben, die nahezu den Nullpunkt erreicht hat.
Vergessen wir aber nicht: Abusus not tollit usum
Der Mißbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf. Wenn 99 Fälle falsch sind und einer ist echt, dann zeigt das, daß die Frage des Exorzismus nicht am Ende ist.

9. Spiritistischer Exorzismus
Das verrückteste und unheimlichste Buch über Exorzismus, das mir je in die Hände kam, ist der Titel „The Exorcist and the Possessed“ von Christopher Neil Smith. Wir könnten das Buch ungelesen zur Seite legen oder besser verbrennen, wenn Christopher Neil Smith nicht der Chefexorzist der englischen Kirche wäre. Sein Buch wurde mir von Pfingstkreisen zugesandt mit der Absicht, mir über das Wirken des Heiligen Geistes im Leben dieses Mannes Auskunft zu geben. Die Taten dieses Mannes werden als Glanzstück in extremen Kreisen, auch in Deutschland, weiter kolportiert. Darum ist es der Mühe wert, diese Sache zu untersuchen. In der Einleitung zu diesem Buch habe ich Nell Smith bereits zitiert.
Auf der letzten Seite des Buches steht in der Kurzbiographie folgendes: „Chr. Neil Smith ist einer der führenden Exorzisten in der Welt. 1944 hat er die Priesterweihe erhalten. 1949 führte er seinen ersten Exorzismus durch. Seit dieser Zeit praktizierte er jährlich mehr als 500 Exorzismen.“ – Bis 1980 wären das rund 15 000 Austreibungen.
Im Vorwort schreibt der Autor selbst, er habe in den ersten vier Jahren 2200 Exorzismen durchgeführt.
Im Buch selbst erhalten wir viele Einzelheiten. Es wäre verfehlt, alles verdonnern zu wollen. Das Buch enthält auch richtige seelsorgerliche Hinweise, die aber in einen Wust spiritistischer Vorgänge eingepackt sind.
Zunächst fällt das geistige Milieu auf, in dem sich Neil Smith bewegt. Bischof Robinson, der Bultmannschüler, der das atheistische Buch „Honest to God“ geschrieben hat, ferner der Spiritistenhäuptling Canon Higgins gehören zu seinen Freunden. Für den lästerlichen Horrorfilm „Der Exorzist“ findet er anerkennende Worte. Das Sprichwort sagt: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“
Mit was für einer „vollmächtigen“ Größe haben wir es hier zu tun? Er exorziert im Jahr 500 Besessene, die angeblich frei werden, während wir ohnmächtigen Seelsorger manchmal Tage oder gar Wochen brauchen, bis ein gebundener Mensch frei wird.

Was oder wer wird alles exorziert?
Auf Seite 28 lesen wir folgendes: „Ein Mann berichtet mir, daß er von einem Nazi Geist besessen wurde, als er in England das Grab eines abgeschossenen Nazi Fliegers besucht habe. Es wuchs ihm hinterher ein Hitler Schnurrbart. Er empfand eine Besessenheit durch einen Nazi Geist. Ich exorzierte ihn, und er wurde frei.“
Eine andere Geschichte ist noch seltsamer: „Eine der merkwürdigsten Erfahrungen, die ich hatte, war die Austreibung eines bösen Geistes aus einer Nazi-Jacht, die gegen Ende des letzten Krieges von den Engländern aufgebracht worden war. Der neue englische Besitzer war überzeugt, daß die Nazis einen Fluch gegen die Jacht geschleudert hatten, da er einige Jahre hindurch seltsame Erlebnisse mit diesem Boot hatte. Ich exorzierte die Jacht. Der Besitzer fühlte, daß der Geist des ehemaligen Besitzers verschwand. Er hörte dabei deutsche Rufe, die sofort verstummten. Das beweist, daß der Nazi Geist sein bisheriges Revier verlassen hatte.“
Das Buch bringt eine Menge der seltsamsten Ereignisse. Auf Seite 68 lesen wir folgendes. Die Frau eines anglikanischen Priesters hat jahrelang Zauberei getrieben. Sie war dabei nur Handlanger einer Queen Witch (Königin der Hexen) gewesen. Neil Smith wurde zu Hilfe gerufen. Er exorzierte diese geplagte Frau, die danach frei war. Die Queen Witch starb und hörte dann als Geist nicht auf, diese Pfarrfrau zu quälen. Neil Smith wurde abermals gerufen. Da konnte diese Pfarrfrau plötzlich automatisch schreiben eine der spiritistischen Praktiken. Es meldete sich der Geist der Queen Witch aus dem Totenreich und bat um Befreiung. Neil Smith kommandierte den Geist vor den Altar seiner Kirche, wo er sie von der Zauberei lossagte. Die Queen Witch wurde darauf im Totenreich frei.
Mir ist es unfaßbar, daß es noch Menschen gibt, die diese spiritistischen Vorgänge nicht durchschauen. Mit Christus oder mit dem Heiligen Geist haben diese Vorgänge nichts zu tun, obwohl dieser Chefexorzist das behauptet.
Auf Seite 88 berichtet er, daß er Juden, Moslems, Hindus, Buddhisten, Sikhs exorzierte, die er in ihrer eigenen Religion bleiben ließ. Er machte keinen Versuch, sie für Christus zu gewinnen. Um Buße, Beichte der Sünde, Glaube an Christus geht es hier nicht. Neil Smith meint, im Namen des kosmischen Christus könne er als christlicher Priester Angehörige aller Religionen aus der Besessenheit lösen. Um Nachfolge Jesu geht es hier nicht. Was macht dieser seltsame christliche Priester mit dem Wort aus Apg. 4,12: Es ist in keinem anderen Heil als in Jesus Christus.
Aufschlußreich sind die Querverbindungen in der Meinung von diesem Exorzisten. Er spricht von guten und bösen Vibrationen, Wellen, Schwingungen, Strahlen und nennt es ein Parallelgebiet der Radiästhesie (Rutengängerei und Pendelei). Das sollte unseren Reichgottesarbeitern zu denken geben, die meinen, man könne als Christ unbedenklich mit der Rute Wasser oder Bodenschätze suchen.
In diesen geistigen Vorstellungen lebt und arbeitet der Chefexorzist von England. Er geht noch einen Schritt weiter und sagt, daß die guten Strahlen eine Wirkung des Heiligen Geistes seien.
Die Zusammenarbeit mit Geistern aus dem Totenreich begründet Neil Smith mit Mt. 17, wo berichtet wird, daß Moses und Elia Jesus auf dem Berg der Verklärung begegneten. Das ist die gleiche Argumentation, wie sie von Spiritisten der ganzen Welt betrieben wird.
England hat zwei überdimensionale spiritistische Medien: Harry Edwards, der das Buch schrieb „Spiritual Healing“ und Präsident von 2000 spiritistischen Heilern ist. Der zweite, mit noch stärkerer medialer Kraft ist Neil Smith, der sein Teufelswerk im Namen des Heiligen Geistes treiben will. Exorzismus in übelster dämonischer Gestalt!
Die 15000 besessenen Menschen, die von Neil-Smith angeblich befreit worden sind, wurden in Wirklichkeit von ihm schwerstens belastet.

10. Der Taufexorzismus
Seit es die christliche Taufe gibt, wird auch darüber gestritten. Die Taufe ist aber kein Streitobjekt, sondern Befehl und Gnade Gottes. In der Taufe handelt nicht der Mensch, sondern Gott. Das heißt aber nicht, daß dem Menschen die Taufe übergestülpt wird wie ein Stück Holz oder ein Stein, die vom Regen naß gemacht werden. Wo im NT von der Taufe gesprochen wird, steht der Glaube und die Unterweisung im Worte Gottes nicht daneben, sondern davor. Die Reihenfolge im Markusevangelium heißt: Predigt des Evangeliums –  Glaube – Taufe.
Der hauptsächlichste Streitpunkt war die Frage, ob die urchristliche Gemeinde in Jerusalem die Kinder getauft hat oder nicht. Eine direkte Bezeugung haben wir im NT nicht. Wir wissen nur, daß ganze Familien getauft worden sind: Haus des Stephanas, die Familie des Kerkermeisters, Kornelius und seine Angehörigen. Sollen da jeweils keine Kinder dabei gewesen sein? Ein indirektes ja zur Möglichkeit der Kindertaufe haben wir in 1. Kor. 7,14, wo uns Paulus sagt, daß die Kinder durch den Glauben der Eltern mit geheiligt sind.
Um es kurz zu machen, sei gesagt: Die genuine Taufe im NT ist die Taufe der Gläubigen. Statt Kindertaufe ist auch eine Kinderweihe möglich. Kindertaufe hat nur dann einen Sinn, wenn die Eltern Jünger Jesu sind. Es läßt sich natürlich über alles streiten.
Einige Theologen versuchten den Nachweis zu erbringen, daß in der ersten Gemeinde bereits Kinder getauft worden sind. So erklärte Prof. Jeremias in seiner Veröffentlichung „Hat die Urkirche Kinder getauft“, daß man bereits im Jahre 54 die Kindertaufe feststellen kann. Prof. Stauffer sagte in seiner Theologie des NT, Seite 141: „Was hinderte die Urgemeinde, die Kinder taufen zu lassen? Nichts! Was trieb sie dazu? Alles!“ Johannes Warns denkt in der Tauffrage anders. Das kann ihm niemand verargen.
In den ersten Jahrhunderten der alten Kirche fing man bereits an, in den Taufakt verschiedene Dinge „hineinzugeheimnissen“, wie man es heute auch betreibt. Damit sind wir bei dem Problem des Taufexorzismus.
Wir wissen von den Kirchenvätern Cyprian, Tertullian, Origines und anderen, daß die Taufe selber als Exorzismus galt. Man sprach vom heilsamen Taufwasser, das den Teufel überwindet. Wenn der Täufling aus dem Wasser steige, sei er von allen bösen Geistern frei. Das müssen dann aber Erwachsene gewesen sein. Ein Säugling steigt nicht aus dem Wasser. Bei Augustin hören wir, daß der Katechumene, der getauft werden sollte, vor dem Taufakte gefragt worden ist: „Entsagst du dem Teufel und allen seinen Werken?“ Über das Absagen steht in meinem Buch „Seelsorge“, Seite 279. Ich muß mich hier beschränken.
Über die Taufe wird heute noch mehr gestritten als in der Urkirche und noch mehr „hineingeheimnist“ als vor 1600 Jahren. Als Beispiel nehme ich Zitate aus dem Buch von Thurneysen „Seelsorge im Vollzug“.
Auf Seite 10 heißt es: „Die Taufe wirkt Vergebung der Sünden, verleiht die Gabe des Heiligen Geistes und macht die Getauften zu Königen und Priestern.“ Auf der gleichen Seite steht zum zweiten Mal: „Jeder Getaufte ist Priester.“ Das ganze Anliegen der Bibel, daß Sünder Buße tun, glauben und gerettet werden, ist in das Sakramentale verschoben.
Das sind vielleicht Illusionen! Hitler war getauft. Stalin war getauft und sogar Priesterschüler gewesen. Unsere Terroristen sind als Kinder getauft worden.
In dem Buch von Thurneysen stehen noch mehr kurzschlüssige Aussagen. Auf Seite 64 heißt es: „Seitdem Jesus Christus mit den bösen Geistern aufgeräumt hat, ist die Dämonologie für uns entmythologisiert.“
Hier kommt wieder zum Vorschein, daß Theologie das allerungewisseste ist. An der Theologie bin ich schon im ersten Semester verzweifelt. Eines brachte mich im Studium durch all den Wust und Wirrwarr der absurden theologischen Systeme hindurch: Das Wort Gottes ist das Allergewisseste. Schon das ist ein Zeichen seiner Echtheit, daß es den Theologen nicht gelungen ist, es „kaputtzumachen“!.

11. Exorzismus durch einen Psychiater
Die Abwehr gegen unbiblische Äußerungen verursachte manchen negativen Akzent. Beachten wir aber einmal die gegebenen Beispiele aus der Seelsorge. Sie haben alle einen positiven Schluß: die Befreiung besessener Menschen. Zählen wir sie noch einmal der Reihe nach auf:
Befreit wurde Samuel, der Satanist, ein Weißer aus Südafrika.
Die satanischen Bande zerbrachen im Leben der Zuluzauberin Lindiwe, des Filipino und der Zauberin in Südafrika.
Befreit und gelöst wurde die besessene Frau, die bei Pfarrer Stegmaier in der Seelsorge war. Die Hochburg Satans wurde gestürmt im Leben der Mary, die sich der Finsternismacht verschrieben hatte.
Sieg gab es im Leben des besessenen Ruben, einem Angehörigen des schwarzen Stammes der Xhosa. Auch vier Europäer, zwei Mexikaner und zwei Amerikaner sind in der Reihe der Befreiten.
Das sind immerhin vierzehn Menschen, die Gottes Kraft und Sieg über die Macht der Finsternis erlebt haben. Bei einem einzigen Beispiel kenne ich nicht den Ausgang der Geschichte, weil es sich um eine Katholikin handelt, bei der ein bekannter Jesuit die Seelsorge übernommen hatte. Es handelt sich um Maria, deren Erlebnisse ich an der Freiburger Universität erfuhr, als ich über das Thema „Besessenheit“ dort zu sprechen hatte.
Es wird nun noch ein fünfzehntes positives Beispiel gebracht, das deshalb besondere Beachtung verdient, weil ein bekannter gläubiger Psychiater einen Exorzismus durchgeführt hat. Es handelt sich um den schon erwähnten Dr. med. John White, Professor an der Universität Manitoba in Kanada. Lassen wir ihn nun berichten:
„Eine 26jährige junge Frau wurde mir nach einem Selbstmordversuch überwiesen. Sie war in einem motorischen Erregungszustand und ganz verzweifelt.
Als intelligente Frau sprach sie auf psychotherapeutische Behandlung an. Sie gehörte der lutherischen Kirche an, zeigte großes Verständnis für christliche Fragen und betrachtete sich selbst als Christin. Trotz dieser christlichen Gesamthaltung war sie organisierende Sekretärin einer homosexuellen Vereinigung in Winnipeg. Als Lesbierin lebte sie mit einer Frau zusammen, die an Alkohol und andere Süchte gebunden war. Im Verlauf unserer Unterredung lud ich sie zu dem Bibelkreis in meinem Haus ein. Nach der Versammlung fragte sie mich: Was ist mit mir verkehrt? Wenn andere singen: Ich liebe Jesus, singe ich Ich hasse Jesus.
In der weiteren Befragung kam folgender Tatbestand heraus. Wenn sie den Versuch machte zu beten oder zu singen, kamen lästerliche Flüche aus ihrem Mund, die sie gar nicht äußern wollte. Sie stand also unter einem Fluch- und Lästerzwang, den sie nicht kontrollieren und beherrschen konnte.
In der Anamnese kamen weitere Einzelheiten aus ihrer Vergangenheit zum Vorschein. Sie wohnte in ihrer Jugend in einem Spukhaus, in dem ein freundlicher Familiengeist sein Unwesen trieb. Man hörte ihn durch die Räume gehen und sah seine Fußspuren am Boden. Den Hausbewohnern machte das Spaß, bis dieser Geist sich unangenehm bemerkbar machte. Dieser unsichtbare Untermieter entwickelte solche Geräusche, daß die Schlafenden nachts aufwachten. Es klopfte an die Türen und Fenster. Das Gepolter wurde immer stärker.
Nach diesem Bericht setzte ich den Termin zu einer weiteren Unterredung an. Ich bereitete mich ernsthaft im Gebet vor. Wenn es Poltergeister waren, dann konnte ich nur in der Autorität Jesu ihnen entgegentreten. Als die Frau wieder vor mir saß und ich mit ihr betete, verlor sie ihr klares Bewußtsein. Es war eine Art Halbtrance. Sie lachte gräßlich, dann weinte sie so stark, daß es sie schüttelte. Ich spürte plötzlich, daß ich in einen harten Kampf verwickelt wurde. Stimmen kamen aus dem Mund der halb Bewußtlosen, die mir drohten, sie würden meine Frau und Kinder umbringen. Bei ähnlichen Anlässen hatte ich das bereits erfahren, daß meine Familie seltsame Angriffe erlebte.
Als die Frau aus der Halbtrance oder Trance erwachte, war sie erschöpft. Ihre Fingernägel hatten sich tief in das Fleisch der Hände eingegraben. Ihr Haar war zerzaust. Ihre Kleider waren naß vom Weinen. Ihr erster Satz war: ’Mein Gott, was ist mit mir geschehen?’ Sie wurde dann von mir wieder in unseren Gebets- und Hauskreis eingeladen. Die anderen Glieder des Kreises merkten, daß mit dieser Frau eine große Veränderung vor sich gegangen war. Dennoch gab es noch einmal einen Rückfall, bei dem ich selbst nicht dabei war. In dem Gebetskreis fiel sie beim Beten noch einmal zu Boden. Sie schrie, und ihr Körper zuckte. Ein Glied des Kreises gebot im Namen Jesu. Die Besessene kam wieder zu sich und erholte sich. Das war ihr letzter Anfall.
Bei unserer nächsten Sitzung sagte die Frau gleich zu Anfang zu mir: ’Wissen Sie was. Ich bin keine Lesbierin mehr.’ Ich antwortete: ’Seit wann haben Sie diese Entscheidung getroffen?’ Sie erwiderte: ’Ich habe keine Entscheidung getroffen. Ich bin keine Lesbierin mehr, seitdem die Dämonen mich verlassen haben.’
Es blieb bei dieser Befreiung. Sie trat aus dem homosexuellen Zirkel aus. In den folgenden Jahren bewährte sie sich als Christin ohne jede Unterbrechung und ohne weiteren Anfall.“
Ich wünschte, jeder Pfarrer und Seelsorger würde sich dieses Beispiel eines Psychiaters merken. Vor allem geht es die an, die meinen, von Besessenheit reden nur die primitiven Geister. Psychiater und die Theologen wissen, daß es sich um Erkrankungen handle.
Der Teufel wäre ja dumm, wenn er in den hochintellektuellen Kreisen durch viele Besessenheitsfälle auf sich aufmerksam machen würde. Nein, bei den Superschlauen tritt er kurz, um seine Existenz zu verbergen.

12. Der Befreier
Wir haben in diesem Buch viele Zeugnisse über die Befreiung aus Satans Banden gehört, wie im letzten Kapitel erwähnt worden ist. Es ist nun an der Zeit, das Augenmerk auf den Befreier zu richten. W. van Dam bezeugt in seinem hilfreichen Buch, Seite 231: „Jesus Christus allein ist der Austreiber von Dämonen und Befreier von Besessenen und Gebundenen.“ Blumhardt hat uns den Vers geschenkt:

Jesus ist der Siegesheld,
der all seine Feind besieget.
Jesus ist’s, dem alle Welt
bald zu seinen Füßen lieget.
Jesus ist’s, der kommt mit Macht
und zum Licht führt aus der Nacht.

Dieser Vers gehört zu meiner eisernen Ration im evangelistischen Liedgut.
Mir ist auf meinen vielen Reisen oft die Frage gestellt worden, ob nicht auch ein Moslem-Priester oder ein Hindupriester Dämonen austreiben könnte. Es gibt Beispiele, die einen positiven Ausgang vermuten lassen aber nur für den unerfahrenen Christen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Bei meinen missionarischen Vortragstouren bin ich Priestern aller großen Weltreligionen begegnet. Viele Beispiele könnten nun angeführt werden, die das Buch aber unnötig verlängern würden. Es sollen aber kurze Andeutungen gegeben werden.
In Japan begegnete ich dem ehemaligen Shintopriester Kazama. Zu seiner Ausbildung gehörten neben der Erlernung von Tricks und Suggestionen auch die Unterweisung in der schwarzen Magie. Ein Teilgebiet dieser Teufelskunst ist die Verfolgung von Feinden und die Befreiung von Verfolgten mit Hilfe des Teufels.
In Australien reiste mir ein Neuseeländer Magier hunderte von Kilometern nach. Er war zuerst auf Neuseeland in der theosophischen Ausbildung, danach zehn Jahre bei den tibetischen Lamas. Tibet hat die stärksten Schwarzmagier in der Welt hervorgebracht. Was ich von ihrer Tätigkeit hörte, ist so teuflisch und grotesk, daß man das im Westen nicht fassen und für wahr halten würde. Zu der tibetischen Abwehrmagie gehört auch der magische Exorzismus. Wir müssen bei solchen Erscheinungen festhalten:
Außerchristliche Exorzismen bringen keine Befreiung, sondern nur Scheinlösungen. Außerchristliche Exorzismen sind keine Austreibungen, sondern nur Verlagerungen oder ein Stellungswechsel.
Exorzismen im Bereich des christlichen Glaubens, die rituell versucht werden ohne geistliche Vollmacht sind zum Scheitern verurteilt. Zeremonien bringen keine Hilfe.
Unsere Hilfe steht allein im Namen des Herrn. Allerdings darf der Name des Herrn nicht als Formel benützt werden, sonst stehen wir wieder im Bereich der Magie. Zeremonien und weiße Magie tangieren sich und bedeuten keine Hilfe, sondern neue Belastungen.
Helfen, retten, befreien, lösen kann nur einer: Jesus Christus, dem alle Macht im Himmel, auf Erden und unter der Erde gegeben ist (Phil. 2,5 11).
Gott hat seinem Sohn Macht gegeben über alles Fleisch (Joh. 17,2). Macht hat Jesus auch über alle Autoritäten der Unterwelt erhalten. Markus bezeugt: „Er gebietet mit Gewalt den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm“ (Mk. 1,27).
Eine der großen Schlußhymnen der Bibel und der Heilsgeschichte lautet: „Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus“ (Offbg. 12,10).

13. Der Seelsorger
Das größte Problem des Exorzismus sind nicht die Besessenen, nicht die Kritiker, sondern die Seelsorger, die sich auf dieses unhellvolle Gebiet wagen. Der Apostel Jakobus warnt. „Es unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein“ (Jak. 3,1). Man muß diese Warnung noch verstärken: „Es unterwinde sich niemand leichtfertig, den Exorzismus zu wagen.“
Vollmacht zur Austreibung hat nur der, dem Christus seine Macht mitteilt. Seelsorger, die keine Wiedergeburt durch den Heiligen Geist erlebt haben, haben keine Voraussetzung, um Belasteten zu helfen. Seelsorger, die nicht ein geheiligtes Leben der völligen Hingabe an Jesus führen, stehen ohnmächtig vor schweren Seelsorgefällen.
Diese Voraussetzungen gelten auch für Autoren, die seelsorgerliche Bücher schreiben. In diesem Buch wird oft von der Inspiration gesprochen, von dem
Erfülltsein mit dem Geist Gottes. Ohne seine Leitung und Direktive reden und schreiben Autoren am eigentlichen Problem vorbei.
Exorzismus ist eine spezielle Seelsorge. Die Frage ist, ob dafür eine besondere Zurüstung erforderlich ist. Nein und Ja! Gott kann voraussetzungslos bedrängten Menschen helfen. Er braucht keinen Seelsorger zu bemühen, aber es ist sein Prinzip und seine Barmherzigkeit, daß er gläubige Menschen als Werkzeuge benützt.
Ein Seelsorger auf diesem schweren Gebiet der Besessenheit und des Exorzismus sollte die beste Ausrüstung haben, die möglich ist. Am besten wäre, daß gläubige, wiedergeborene Psychiater diesen schweren Dienst tun würden. Bei dem Psychiater Dr. Lechler war es so, ferner bei Prof. Dr. White, den wir in diesem Buch zu Wort kommen ließen. Natürlich kann nicht jeder Seelsorger Medizin studieren und sogar seinen psychiatrischen Facharzt machen, aber Grundbegriffe der Psychiatrie sollte jeder Exorzist haben, daß er nicht versucht, Geisteskranke zu exorzieren.
Im Zusammenhang mit der Austreibung böser Geister gibt es viele spezielle Fragen, die hier nicht alle angeschnitten werden können. Ich habe ja verschiedene Bücher zu diesem Thema geschrieben.
Ein generelles Problem soll kurz gestreift werden.
Gibt es ein spezielles Amt oder Charisma der Austreibung? Darüber sind die Meinungen geteilt.
Wir hörten schon, daß es in der mittelalterlichen Kirche Exorzisten im Auftrag der Kirche gab. In der katholischen Kirche gibt es das heute noch. In der lutherischen Kirche gibt es in manchen Ländern in der Taufliturgie eine Exorzismusformel. Bis jetzt konnte ich in 50 Jahren in keinem seelsorgerlichen Gespräch feststellen, daß diese Exorzismusformel bei der Kindertaufe irgendeinen Nutzen gehabt hätte. Bei der Erwachsenentaufe der Gläubiggewordenen hat die abrenuntiatio diaboli – Absage an den Teufel – eine Bedeutung.
In der Heiligen Schrift gibt es keinen Hinweis für ein Amt des Exorzisten. Ich würde auch nie einen beamteten Exorzisten der Kirche zu Hilfe rufen.
Über die Befähigung zu einer solchen Seelsorge gibt es verschiedene Meinungen.
W. van Dam meint, es sei ein Charisma nötig und glaubt, das mit 1. Kor. 12,7 11 nachweisen zu können. Dort wird die Gnadengabe der energemata dynameon, der Wunderkräfte, erwähnt.
R. Kriese schreibt in „Okkultismus im Angriff“ auf Seite 181, die charismatische Befähigung sei nicht dem Einzelnen gegeben, sondern der Gemeinde.
Emil Kremer, Autor von „Geöffnete Augen“, ist der Meinung, daß jedem Glaubenden die Vollmacht der Austreibung zuteil werden kann.
Es besteht Grund zu der Annahme, daß alle drei Meinungen ein Stück biblischer Wahrheit enthalten.
Mit van Dam bin ich der Meinung, daß ein Seelsorger die Ausrüstung durch den Heiligen Geist zu einer so schweren Seelsorge braucht.
Auch in Krieses Äußerung steckt ein Stück Wahrheit. Seelsorge an Besessenen ist Teamwork, Mannschaftsarbeit, am besten sogar gemeinsames Vorgehen einer biblisch gesunden Gemeinde. Das heißt aber nicht, daß nicht auch einzelne Seelsorger die Austreibung wagen dürften.
Am nächsten steht mir allerdings die Auffassung von Emil Kremer. Markus sagt: „Die Zeichen, die da folgen denen, die da glauben, sind die, in meinem Namen werden sie Teufel austreiben.“ Den Glaubenden ist hier die Vollmacht der Austreibung zugesagt. Nun müßte eigentlich erläutert werden, was Glauben heißt. Doch das geht wieder über den Rahmen des Buches hinaus.
Im Katechismus habe ich einmal gelernt: „Echter Glaube ist nicht nur ein bloßes Wissen und Fürwahrhalten der biblischen Lehre, sondern eine lebendige Überzeugung, die unsere Gesinnung und unseren Wandel regiert.“
Die Teufel glauben auch und zittern dabei. Der Namenchrist glaubt auch und bleibt im Reich der Finsternis. Der Kopfglauben, der Verstandesglauben rettet nicht und bevollmächtigt nicht.
Die pneumatische Existenz des Seelsorgers ist die Voraussetzung für die Seelsorge für Belastete und Besessene. Darüber steht ein Kapitel in „Seelsorge und Okkultismus“, Seite 265.
Mein Freund Dr. theol. O. Riecker schrieb in seinem Buch „Das evangelistische Wort“, Seite 89: „Die Grundvoraussetzung jedes geistlichen Wirkens ist der pneumatische Stand des Trägers. Das Werkzeug ist nur dann ein zureichendes Vermittlungsorgan des reichen Maßes pneumatischer Lebens und Gestaltungsauswirkungen, wenn es selbst dem Wirken des Pneumas untersteht und in seinem Leben und Tun bestimmend von diesem getragen ist.“
In ähnlicher Form drückte es Dr. med. Bovet aus. In seinem Buch „Lebendige Seelsorge“, Seite 164, schrieb er: „Der Pfarrer wird nicht aus seinem theologischen Wissen heraus, sondern aus seinem christlichen Glauben und Leben zum Seelsorger.“
Wenn unsere eigene Seele nicht versorgt ist, können wir nicht Seelsorge an anderen üben (Thimme).

14. Wege der Seelsorge
Es wird hier nur die spezielle Seelsorge an okkult Belasteten und Besessenen behandelt. Zur Einleitung sei ein Artikel von Prof. Dr. Beyerhaus erwähnt. Seit 1963 bin ich mit Peter Beyerhaus befreundet. Dr. Beyerhaus wurde dann als Professor an die Universität Tübingen gerufen, wo er bis heute eigentlich der geistliche Führer dieser Alma Mater ist.
In seinem Buch „Die okkulte Welle“ heißt es dort im dritten Teil:
„Wer durch eigene oder fremde Schuld in eine okkulte Behaftung geraten ist, suche zur Lösung einen vollmächtigen Seelsorger auf. Jesus hat seinen Jüngern die Vollmacht gegeben, in seinem Namen auch den bösen Geistern zu gebieten (Mt. 10,1, Lk. 10,17) und Menschen aus ihrem Bann zu lösen. In früheren Zeiten, als die Kirche noch mehr von der Wirklichkeit der Dämonen gewußt hat, hat es solche kämpferische Seelsorger häufiger gegeben. Heute möchte man sie am liebsten ins Mittelalter verweisen oder gar strafrechtlich verfolgen. Aber es gibt noch Diener Christi, die okkult Belasteten vollmächtig helfen können. Es wird dabei immer um die gleichen fünf Grundschritte gehen:
Der okkult Behaftete muß als erstes seine Schuld erkennen, bereuen und bekennen, was ihn unter diesen Einfluß gebracht hat.
Er muß sich zweitens völlig trennen von dem, was ihn okkult belastet, sei es, daß er sein Amulett ausliefert und vernichtet, sei es, daß er das ihm in der Transzendentalen Meditation zuerteilte Mantra, das Zauberwort, preisgibt.
Der dritte Schritt ist die namentliche Absage an den Satan und die besondere dämonische Macht;
der vierte Schritt ist die erneute Übergabe an Jesus Christus und die persönliche Inanspruchnahme seines Sühneopfers am Kreuz.
Daraufhin wird fünftens der Seelsorger das Lossagegebet sprechen und ihm die Lösung im Namen Jesu und die Vergebung seiner Schuld zusagen.
Angesichts der okkulten Welle werden lebendige Christen ihre Berufung noch gewissenhafter wahrnehmen, sich zum geistlichen Kampf in das Heer des Lichtes einzureihen.
Wir Christen sind nach Eph. 6 oft in die Zone des Kampfes zwischen dem Reich des Lichtes und der Finsternis gestellt. Standhaft sollen wir jeder Verlockung des Satans widerstehen und dem Herrn die Treue bewahren. Diese Treue bewährt sich aber gerade auch darin, daß wir selbst in jenen Geisterkampf eintreten. Es geht darum, gegen die dämonischen Angriffe des Feindes auf die Gemeinde einen Schutzwall des Gebetes zu errichten. ja, in der Kraft des Heiligen Geistes können wir dem Evangelium den Weg auch in dämonisch blockierte Herzen anderer Menschen bahnen. Solcher Kampf kann im äußersten Falle das Leben kosten (Offbg. 13,7). Das lehren uns die Märtyrer Christi. Aber gerade sie haben auch teil an seinem Sieg über den Feind. Denn von ihnen heißt es:
Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod (Offbg. 12,11).»
Was hier Prof. Beyerhaus grundsätzlich gesagt hat, muß nun etwas detailliert wiederholt werden. Für mich besteht dabei die Schwierigkeit, daß ich schon in einigen Büchern den Weg der Befreiung aus okkulter Belastung oder Besessenheit dargestellt habe. Und zwar findet man das in »Heilung und Befreiung», in »Okkultes ABC», ferner in den englischen Titeln »Between Christ and Satan», »Occult Bondage and Deliverance» und »Demonism Past and Present». Bei einer neuen Darstellung wird es ohne Wiederholungen nicht abgehen. Darum soll dieser Teil, der eigentlich der wichtigste ist, kurz zusammengefaßt werden. Ich folge dabei teilweise den 20 Punkten des Buches »Okkultes ABC» auf den Seiten 461 bis 519.
Von vornherein muß dabei ein Mißverständnis abgewehrt werden. Bei diesen 20 Punkten geht es nicht um ein Schema oder System. Es soll keine Schablone angefertigt oder eine Methode entwickelt werden. Der Heilige Geist braucht keine menschlichen Denkmaßstäbe oder Eingliederungen in bekannte oder faßbare Vorstellungen. Er kann voraussetzungslos einen Menschen befreien. Diese Punkte, deren Zahl hier vermindert wird, haben nur den Sinn, daß wir alles beachten wollen, was das NT zur Frage der Befreiung zu bieten hat.

1. Echte Befreiungen gibt es nur durch Christus. Wenn aber ein Befreiter Jesus nicht treu ist, kommen die verjagten Dämonen zurück. Das kennen wir auch aus Lukas 11,24.

2. Alle okkulten Gegenstände sind zu vernichten. Wer frei werden und frei bleiben will, hat alle Dinge okkulter Herkunft und Prägung zu vernichten. Dazu gehören auch die schönsten und vielleicht sogar vergoldeten Buddhastatuen. Dazu gehören ferner Lorbers Werke, auch wenn sie in Leder und mit Goldprägung gebunden sind.
Ich erinnere mich an den Besuch bei einer alten Frau. Sie hatte einen sogenannten Himmelsbrief in ihrer Bibel liegen. Ich bat sie, diesen Brief zu verbrennen. Sie war empört und sagte. „Das ist etwas Frommes.“ Sie hatte keinen guten Tod. Ich war dabei. Sie stand bis zum Tode im Banne der Zaubereisünden.

3. Alle Kontakte mit Personen die Spiritisten oder Wahrsager oder Okkultisten anderer Schattierung sind, müssen aufgegeben und gebrochen werden.
Es ist sträflicher Leichtsinn, wenn Pfarrer oder Nichttheologen aus Neugierde oder aus Studiengründen an Seancen teilnehmen. Pfarrer aus Wels, aus Heidelberg, aus München, aus Pforzheim und anderen Orten haben mir von ihrem Besuch bei Spiritisten berichtet.

4. Eine sehr wichtige Station der geistlichen Führung ist, daß der Belastete seine Sünden erkennt und bekennt. Sündenerkenntnis und echte Reue ist ein Werk des Heiligen Geistes. Sündenbekenntnis oder Beichte zeigt unsere Bereitschaft, unser Leben vor Gott in Ordnung zu bringen.
Der Seelsorger darf niemand zur Beichte zwingen. Geistlicher Knospenfrevel rächt sich.
Bei Zaubereisünden gibt es aber ohne Beichte und Buße keine Befreiung. Das wissen alle, die auf diesem Gebiet Hilfe zu leisten haben.
1. Joh. 1,9: „So wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, daß er unsere Sünden vergibt und reinigt uns . . . „ Beichte Vergebung Reinigung ist der Dreiklang dieses Textes.

5. Zaubereisünden sind ein unbewußter Vertrag mit Satan. Dieser Vertrag muß gekündigt werden. Der Ausdruck „unbewußt“ spielt eine ganz große Rolle. Viele Neurotiker, Depressive, Psychopathen leiden unter den Folgen unbewußter Zaubereisünden. Ich gebe ein Beispiel.
Bei meinem Vortragsdienst hörte ich von einer Hebamme, die viele Jahre in einem Dorf die Kinder zur Welt gebracht hatte. Sie besprach alle Kinder nach ihrer Geburt und verschrieb sie dem Teufel, ehe sie zur Taufe in die Kirche gebracht wurden. Diese Kinder wachsen heran, haben seelische Störungen und Anomalitäten, ohne um die Ursachen zu wissen. Manchmal zeigen sich die Störungen erst dann, wenn solche Menschen sich für Christus entscheiden wollen.
Es gibt also Menschen, die belastet sind und den Hintergrund ihrer Störungen nicht kennen. Man kann also unschuldig unter einem Bann stehen. Das entspricht auch dem ersten Gebot, „der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, die mich hassen.“
Gott sieht den Menschen im Verband seiner Familie und Ahnenreihe. Unsere Anthropologen und Vererbungsforscher wissen um die Belastungen, die Generationen weiterlaufen. So sagte einmal Professor Pfahler: „Das Blut unserer Vorfahren rollt in unseren Adern.“ In geistlicher Hinsicht ist die successio peccatorum die Erbfolge der Sünde noch ausgeprägter.
Seelsorger auf dem Gebiet der okkulten Belastungen geben darum den Rat, sich nicht nur von eigenen Zaubereisünden loszusagen, sondern auch von denen der Vorfahren. Da Belastete oft die Verfehlungen der Vorfahren auf diesem speziellen Gebiet nicht kennen, darf man auch in folgender Weise beten: „Herr, wenn bei meinen Eltern und Vorfahren Zaubereisünden vorgefallen sind, sage ich mich in deinem Namen davon los und übergebe mein Leben dir, meinem Erlöser und Heiland.“ Ein solches Gebet kann frei formuliert werden und darf niemals als Formel aufgefaßt werden.
Sich auch von Zauberern, Weissagern, Astrologen, Magnetopathen usw. lossagen, d. h. von allen Menschen, durch die man in kontraktliche Verbindung mit den Mächten der Finsternis getreten ist, und auch von allen teuflischen Irrlehren. „Saget euch doch los von den Menschen, in deren Nase nur ein Hauch ist! Denn als was sind sie zu achten’? (Jes. 2,22).

6. Ergreife im Glauben die Vergebung. In der Seelsorge an okkult Belasteten spielt der Glaube eine entscheidende Rolle. Paulus sagt im Römerbrief: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht.“ Der Glaube ist gleichsam das Bindeglied zwischen dem vollbrachten Erlösungswerk Jesu und uns. In Hebräer 11,6 heißt es: „Wer zu Gott kommen will, der muß glauben … ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“ Ohne Glauben können wir uns die Heilsgüter Gottes nicht aneignen. Es ist aber eine Erfahrungstatsache, daß gerade die okkult Belasteten es sehr schwer haben, glauben zu können. Aus diesem Grunde müssen wir alle Hilfsmittel in Anspruch nehmen, die das Neue Testament uns bietet, den toten inneren Punkt des Unglaubens zu überwinden.

7. In manchen Fällen gab mir der Herr die Freiheit, einen Menschen in seinem Namen loszusprechen. Das gründet sich auf Mt. 18,18: „Was ihr auf Erden lösen werdet, das soll auch im Himmel los sein.“
Beim Lossprechen darf man nie voreilig handeln. Ohne Beichte und Bereitschaft, Jesus nachzufolgen, kommt ein Lossprechen nicht in Frage. Und selbst dann muß man erst den Herrn fragen, ob es seinem Willen entspricht. Es gib ja Gläubige, die reservierte Gebiete haben, die sie dem Herrn nicht ausliefern. Wenn ein Seelsorger voreilig handelt, kann er hinterher angefochten werden. Das liegt in der Linie des Pauluswortes: „Macht euch nicht teilhaftig fremder Sünden“ (1. Tim. 5,22).
Ein gutes Beispiel darf erwähnt werden. Eine Pfarrfrau mit Belastungen war bei mir zur Aussprache. Sie hat so aufrichtig gebeichtet und war demütigen Herzens, daß ich die innere Freiheit bekam, sie loszusprechen. Ich habe sie dann lange Zeit aus den Augen verloren. Eines Tages berichtete mir ein Pfarrer, daß diese Frau seither befreit ist.

8. Nach Lukas 11,24 kommen die verjagten Mächte und Dämonen gern zurück. Das erlebt jeder Seelsorger, der auf diesem gefährlichen Gebiet arbeitet. Der befreite Christ muß darum über die Abwehrmaßnahmen biblisch gut orientiert sein. Wir brauchen einen wirksamen Kampfstil, denn wir haben es mit einem listenreichen und machtvollen Feind zu tun.
Paulus mahnt seinen jungen Mitarbeiter Timotheus: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens!“ (l. Tim. 6, 12) Im zweiten Brief an Timotheus nimmt der Apostel dieses Thema noch einmal auf: „So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht“ (2. T. 2,5). An die Römer schreibt dieser oft angefochtene Gottesmann: „Ich ermahne euch, liebe Brüder, daß ihr mir helft kämpfen mit Beten für mich zu Gott“ (Röm. 15,30).  . . .

Wir müssen nun in Stichworten die Formen des Kampfstils andeuten. Längere Erläuterungen zu diesein Thema finden sich in »Okkultes ABC».

a) Die Wachsamkeit. In den Evangelien finden wir oft den Aufruf zur Wachsamkeit. Dabei müssen wir beachten, daß Jesus die Wachsamkeit noch vor das Gebet stellt, wenn er sagt: „Wachet und betet!« (Mt. 26,41; Mk. 13,33; Mk. 14,38)
Satan und seine Dämonen haben die Eigenart, daß sie den Menschen besonders bei herabgesetzter Kraft angreifen, d.h. in der Krankheit, im Alter, bei zu starker Ermüdung, beim Sterben. Selbst, wenn wir kaum noch Kraft zum Beten haben, müssen wir immer noch wachsam sein. Wer nicht wachsam ist, wird leicht ein Opfer des Erzfeindes.
Die Taktik Satans ist raffiniert. Wenn ein Mensch von allen Belastungen frei geworden ist und in der ersten Liebe zum Herrn steht, dann sagt der Feind: „Warten wir einmal, bis das erste Feuer niedergebrannt ist, dann haben wir bessere Chancen, wieder die alte Stellung zu erobern.“ Wenn es gelingt, wird es mit dem Menschen ärger als zuvor.
Ich kenne einen Evangelisten, der in großem Segen gearbeitet hat. Auf einem Gebiet war er nicht wachsam. Heute steht er wieder in der Welt. Sein Licht ist erloschen. Ich habe früher mit ihm zusammengearbeitet. Er ist kein Europäer. Ich bete um ihn, daß der Herr ihn wieder zurückholt.

b) Es ist kein Synergismus, wie manche kritisierende Theologen es meinen, wenn ich sage: „Der Herr tut das, was wir nicht können. Er erwartet aber von uns das, was wir können.“ Aufgrund der vollbrachten Erlösung am Kreuz ist der Raum freigekämpft, in dem wir siegen können. Wir müssen aber alles in Anspruch nehmen, was die Bibel uns als Hilfe bereithält. Dazu gehören:
Die Gnadenmittel (Apg. 2,42): die tägliche Bibellese, Gemeinschaft der Kinder Gottes, Brotbrechen, privates Gebet und Gebetsgemeinschaft.
Tägliche, manchmal stündliche Inanspruchnahme der Blutskraft Jesu Christi. Jesus sagte (Joh. 6,56): „Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Das Blut Jesu ist unsere Reinigung und unsere Bewahrung. Das Blut Jesu ist unser Panier.

Das Gebieten im Namen Jesu. Manche Christen meinen, nur ein Seelsorger dürfte im Namen Jesu gebieten. Das stimmt nicht. Alle Gläubigen sind aufgerufen, das Schwert des Geistes zu führen. Ich sage denen, die durch Gottes Macht frei geworden sind, gewöhnlich: „Wenn Angriffe kommen, stellen Sie sich unter den Schutz des Blutes Jesu, und dann gebieten Sie im Namen des Herrn den angreifenden Mächten, daß sie weichen müssen.“ In meinem eigenen Leben und in der Seelsorge mußte ich oft gebieten. Ein Beispiel dazu.
Ein durch Zauberei schwer belasteter Mann fing beim Beten zu lästern an. Ich holte zwei weitere Brüder zur Verstärkung. Beim Gebet fing der Belastete abermals zu fluchen und zu lästern an. Da fühlte ich mich gefordert. Ich blickte im Geist auf zum Herrn, dann gebot ich in seinem Namen. Sofort hörte das gräßliche Lachen und Lästern auf.
In Apg. 16,16f. haben wir das Beispiel, daß Paulus den Wahrsagegeistern der Zauberin von Philippi im Namen Jesu gebot. Die Frau wurde daraufhin frei. Der Endsieg ist des Herrn.

Jesus ist kommen, der starke Erlöser,
bricht dem gewappneten Starken ins Haus.
Sprenget des Feindes befestigte Schlösser,
führt die Gefangenen siegend heraus.
Fühlst du den Stärkeren, Satan du Böser?
Jesus ist kommen, der starke Erlöser.

15. Nicht umsonst gelebt

. . . Wem die Inspiration des Heiligen Geistes fehlt, dem fehlt auch die Inspiration über die Existenz und Wirksamkeit des Teufels.
Pater Sterzinger erklärte an der Münchner Universität: „Den Teufel zu leugnen, ist Unglaube, ihm zu wenig Macht zuzuerkennen, ist ein Irrtum, ihm zu große Gewalt zuzuschreiben, ist ein Aberglaube“ (zitiert bei van Dam, Seite 109). Das ist ein biblisch gesundes Urteil eines Katholiken, das ich voll unterschreibe.
Der Teufel ist ein Meister des Rationalismus.  . . . 

Christus wäre umsonst gekommen, wenn Satan nur eine Personifizierung des Bösen oder eine Außenprojektion der unmoralischen Qualitäten des Menschen wäre. Nein, er ist gekommen, die Werke des existentiellen Teufels zu zerstören (l. Joh. 3,8).

Die Gemeinschaft des Geistes

  . . .  In allen erstrangigen amerikanischen Veröffentlichungen zum Thema Besessenheit sind meine Bücher positiv erwähnt und zitiert.
Als erstes wäre zu nennen „Biblical Demonology“ von Professor Dr. theol. Dr. phil. Merill Unger, einem Experten für das AT und für semitische Sprachen. Insgesamt 70mal hat er auf meine Bücher in Anerkennung hingewiesen.
Wissenschaftlich von noch höherem Rang ist der Titel „Demon Possession“, herausgegeben von Prof. Dr. theol. Dr. jur. J. W. Montgomery. Er hat in Straßburg und in Chicago promoviert und ist Autor von mehr als 30 Büchern.  . . . Diese führende Veröffentlichung zitiert elfmal in positiver Weise meine Bücher. Beim Studium dieses Buches kam mir zum ersten Mal der Gedanke: Ich habe nicht umsonst gearbeitet.
Ein Zitat darf vielleicht erwähnt werden, weil es ein Stück Herrlichkeit Gottes in meinem Leben aufzeigt. Vor zwei Jahrzehnten wurde mein Buch „Christian Counselling and Occultism“ . . .  zu den Klassikern gezählt oder das führende Buch auf diesem Sektor genannt. Ein Professor der Psychologie, Dr. Gary R. Collins, schrieb . „A much more complete discussion of counselling and the occult can be found in Kurt Koch’s classic volume, Christian Counselling and Occultism.“ (Montgomery, Seite 251). Ist das nicht „Segen die Fülle aus dem offenen Fenster des Himmels“? (Mal. 3, 10) Inzwischen sind insgesamt 16 meiner Titel in englisch erschienen.

Unter der europäischen Literatur muß ich an erster Stelle das Buch von Willem C. van Dam erwähnen „Dämonen und Besessene“ (Pattloch Verlag, Aschaffenburg). Es ist eine Fundgrube für historische Fakten, biblische Wahrheiten und seelsorgerliche Erfahrungen. Obwohl ich zwar bei verschiedenen Einzelheiten anders denke und geführt worden bin, empfehle ich das Buch wärmstens. Van Dam entfaltet eine große seelsorgerliche Weisheit in seiner Veröffentlichung und bezieht klare biblische Positionen.
Nicht unerwähnt darf das schon zitierte Buch von Jesuitenpater Rodewyk bleiben „Dämonische Besessenheit heute“. Was in diesem Buch aus der katholischen Tradition stammt und nicht biblisch beweisbar ist, kann ich als evangelischer Theologe nicht akzeptieren. Dennoch fand ich viele Einzelheiten und seelsorgerliche Beobachtungen, die meiner eigenen Erfahrung konform gehen. Auf jeden Fall versteht Rodewyk das Problem der Besessenheit, von dem der katholische Professor Haag in Tübingen keine Ahnung hat.
Es gibt eine Gemeinschaft des Geistes über Kontinente und Konfessionen hinweg, es gibt eine Bruderschaft Christi jenseits aller Zäune und Grenzen. Die Bibel und ihre Ausstrahlungen einigt, die Theologie trennt. Ich bin darüber froh, daß ich in der weltweiten Gemeinschaft der Kinder Gottes stehen darf, in dieser congregatio sanctorum. . . .
Nicht umsonst gelebt, das wurde mir noch auf einer viel wichtigeren Ebene gezeigt. Daß Bücher positiv zitiert werden, ist zwar ein Erfolg, aber eine schönere Frucht ist es, daß Menschen durch Veröffentlichungen angeregt werden, ihr Leben Jesus auszuliefern. Und das habe ich durch Gottes Gnade und Segen oft erlebt. Jahrzehnte hindurch erhielt ich Zuschriften von Menschen, die durch meine Bücher den Weg der Befreiung gesucht und gefunden haben.
Eine Frau aus Frankreich schrieb mir, sie hätte mich zwar nie gehört, aber durch den Titel „Aberglaube“ angeregt, habe sie Jesus gefunden.
Nach einem Vortrag in Otorohanga auf Neuseeland kam eine Frau in die Sakristei der Kirche. Sie bekannte sich als ehemalige Zauberin. Eine Freundin hatte ihr mein Buch gegeben „Between Christ and Satan“. Es wurden ihr die Augen geöffnet. Sie tat Buße, vernichtete ihre Zauberutensilien und übergab ihr Leben Jesus. Als ich diese befreite Frau kennenlernte, war sie Sonntagsschulhelferin ihrer Kirche.
Eine Frau aus Brisbane in Australien erzählte mir, daß ihr Sohn „Between Christ and Satan“ las und dann seine magische Praxis aufgab und sich Jesus auslieferte.
Ein Psychiater in England berichtete mir anläßlich meiner Vorträge in der Ecclectic Society, daß mein Buch „Christian Counselling and Occultism“ ihm die Augen als Mensch und Arzt geöffnet habe. Er hatte meine Thesen geprüft und angenommen. Seither arbeitet er im Segen, nicht nur auf dem Gebiet der Psychosen, sondern auch im Bereich der dämonisch verursachten Störungen.
Eine amerikanische Schriftstellerin, die zwei bedeutende Bücher geschrieben hat, veröffentlichte ihr Zeugnis. Sie sagte darin, daß sie im Okkultismus steckte und ihn praktizierte, bis ihr meine Bücher die Augen öffneten. Sie tat Buße und übergab ihr Leben Jesus.
Solche Berichte habe ich Jahrzehnte hindurch erhalten. Die schönsten Berichte habe ich gesammelt. Ein dicker Leitzordner ist damit gefüllt. Ich bin mir bewußt, daß ich das bei der Endabrechnung in der Ewigkeit nicht als Pluspunkte präsentieren kann. Nichts aus meinem Leben ist Grundlage meiner Errettung, sondern allein die Tat Jesu am Kreuz von Golgatha, der für meine schrecklichen Sünden gestorben ist. IHM verdanke ich alles: die Vergebung meiner Schuld, den Frieden des Herzens, die Gewißheit des Heils und des ewigen Lebens.  . . .

Ihm sei Ehre, Preis und Anbetung in alle Ewigkeit! Amen.

Leichte Kürzungen und die Hervorhebungen wurden von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, im April 2007 (Neu durchgesehen im Mai 2023)

info@horst-koch.de

Weiterere Beiträge von Pfr. Dr. Kurt Koch auf meiner Webseite:
1. SEELSORGE UND OKKULTISMUS
2. DER ABERGLAUBE
3. CHRISTUS ODER SATAN – Wahrsagen, Magie, Spiritismus, Wider das 6./7. Buch Mose, Wunderheilungen.
4. DIE GEISTESGABEN
5. WEICHENSTELLUNG – Okk. Belastung und seelische Erkrankung, eine Unterscheidungshilfe
6. DIE ZUNGENBEWEGUNG

 




Römer 13, von Horst Koch

Horst Koch, Herborn, Januar 2022

Römer 13
Jedermann soll untertan sein der Obrigkeit, denn sie ist von Gott…

Wie müssen wir dies inspirierte Wort der Heiligen Schrift richtig verstehen.

Zuerst wollen wir bedenken, dass niemals ein einzelnes Bibelwort in einen Gegensatz zur Gesamtaussage der Heiligen Schrift gebracht werden darf. Die Schrift widerspricht sich nicht.

Zweitens bezeugen sowohl die Geschichte des Volkes Israel als auch der Gemeinde Jesu viele Beispiele von Freiheitskämpfen von im Willen Gottes stehenden Gläubigen, entgegen den Regierungsmächten bzw. Obrigkeiten, wie im Kampf gegen den Sklavenhandel oder die Hugenottenkriege. Sogar unser Herr Jesus ist der „Obrigkeit“ ausgewischen, sowie auch die Apostel, die notfalls heimlich flohen usw.
Je nach Situation muss im einzelnen entschieden werden.

Solche Konflikte gehören seit Anbruch der Menschheit zu unserer Wirklichkeit, wie Licht und Dunkelheit. Und weil wir in diesen Gegensätzen von Wahrheit und Lüge leben, kann sogar das Wort Gottes verfälscht werden, oder können Kinder Gottes Irrwege gehen oder Irrtümern anheimfallen. Und wie es echte und falsche Wunder oder Gaben gibt, so gibt es echte, gottgefällige, und böse, gegen Gott stehende, Regierungen bzw. Obrigkeiten.
Dabei gilt zu bedenken, dass die Wahrheit immer in und bei der Minderheit ist.

Der nächste Aspekt von Römer 13 ist seine Bedeutung des biblischen Prinzips von Gehorsam und Unterordnung, von Hierarchie. Dies Prinzip durchzieht die ganze Bibel. Sogar unser Herr Jesus war gehorsam, gehorsam bis zum Tode am Kreuz. Ohne diesen biblischen Gehorsam und ohne Unterordnung (unter das Wort Gottes) gibt es kein geistliches Leben. Gott will, das wir dieses Prinzip lernen.
So sollen die Kinder den Eltern untergeordnet sein, die Schüler den Lehrern, der Lehrling dem Meister, und die Gemeindeglieder ihrem Hirten und Pastor, und letztlich stehen alle im Gehorsam gegenüber bzw unter Gott.

Wie können wir nun erkennen, ob eine Obrigkeit von Gott ist oder nicht.

Das Erkennungszeichen, schreibt der Apostel in Römer 13, ist, wenn das Gute belohnt und gefördert wird, und wenn das Böse bestraft und bekämpft werden. Diejenige Obrigkeit ist von Gott, denn sie entspricht dem Auftrag und Willen Gottes.
Wer nun das Gegenteil tut, ist nicht im Willen Gottes, ist nicht von Gott bestätigt, ist keine Obrigkeit von Gott.
Dies soll oder muss im Einzelnen oder Einzelfall entschieden und unterschieden werden. Ist ein Gesetz in diesem Sinne biblisch oder gottgegeben, so hat es für uns als Christen und Bürger verbindliche Gültigkeit. Widerspricht es dem biblischen Kriterium, hat es für uns Christen keine bindende Kraft.

Natürlich gibt es auch viele neutrale Gebote, wie die Verkehrsregeln oder andere technische Vorschriften, die keiner geistlichen oder moralischen Bewertung unterliegen.

In Römer 13 zeigt der Apostel Paulus uns den Idealfall auf, wie eine Obrigkeit nach den Gedanken Gottes sein soll. Sie soll das Gute belohnen und das Böse bestrafen. Aber dies geschieht kaum, und auch unsere Berliner Obrigkeit handelt nicht danach. Im Gegenteil. Gott und Sein Wort finden kaum noch oder keine Beachtung mehr.

Deswegen gilt in vielen Fragen und Vorschriften Apostelgeschichte Fünf, 29: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“.

Nochmals die Lehre aus der Geschichte.
Als ein Beispiel unter vielen soll uns die Befreiung der Sklaven durch Christen wie William Wilberforce dienen, wie unter Berufung auf die Bibel und im starken Gegensatz zu den jeweiligen Regierungen Englands, Frankreichs und Amerikas der menschenverachtende Sklavenhandel abgeschafft wurde.

Noch ein Beispiel kann uns helfen. Wie die Bibel von echten und falschen Wundern spricht, so gibt es gute und böse Heilungen.
Heilung und Gesundheit wünschen sich alle Menschen. Die meisten Menschen nehmen Hilfe und Heilung an, egal woher sie kommt. Doch für einen Christen ist das nicht erlaubt.
Denn wenn nun eine solche Heilung von Unten ist, also vom Teufel kommt, darf ein Christ sie nicht annehmen. Er wird lieber krank bleiben, als eine solche magische Besprechung oder spiritistische Geistheilung o.a.m. annehmen.

Wenn nun also ein Gebot der Obrigkeit klar gegen die Heilige Schrift, also gegen Gott ist, darf ein Christ nicht gehorchen. In der letzten Konsequenz heißt das natürlich Martyrium, oder Märtyrertod. Wie unter Nero oder im Dritten Reich, siehe Paul Schneider und Dietrich Bonhoeffer und andere mehr. Oder im Kommunismus unter Stalin und unter Mao gab es Zigtausende von Märtyrer.

Was aber bedeutet das heute für unseren Maskenwahn und Impfzwang.
Zuerst zur Maske. Maske im Freien oder auch für Kinder ist total unsinnig und ungesund und deswegen strengstens abzulehnen. Sie verhindert die Entwicklung von Immunität. Und da sie zudem im Ernstfall die viel kleineren Viren durchlassen, so sagt der namhafte Virologe Dr. Bhakdi.
Generell gilt auch hier, wer keine Symptome der Krankheit hat, kann auch keine Viren weitergeben. Der ernsthaft Kranke jedoch muss sich und andere schützen, das ist außer Frage.

Zum Impfen. Da gegen ein Virus nicht geimpft werden kann, ist der letzte Grund einer solchen Impfung nicht gegeben. Die Impfung soll jedoch einen milderen Verlauf einer eventuellen Erkrankung an COVID-19 bezwecken. Somit fragt sich, ob Millionenfache Impfungen mit einem kaum erprobten Impfstoff im Verhältnis steht zu den tausenden von Erkrankungen, die es leider auch gibt. Auch Geimpfte werden an COVID-19 krank.
Aber die Hauptnot ist doch, was sonst noch bezweckt die Impfung. Zum Einen gibt es doch häufige Meldungen über Spontanerkrankungen infolge der Impfung, die nicht unterschlagen werden dürfen.

Dann ist ja über die Langzeitwirkungen nichts bekannt, da die Impfstofferprobungszeit fehlt. Jedoch ist bekannt, dass es vielfach um Genmanipulation geht, die grundsätzlich beim Menschen nicht angewendet werden sollte. Zumal aus christlicher Sicht, da ist man doch sehr vorsichtig, wenn in die Schöpfung, in die Genetik, eingegriffen wird. Zumal ich mich erinnere, dass vor wenigen Jahren unsere Grünen beim Obst und Getreide vor Genmanipulation warnten. Und heute….

Kurz gesagt. Da sowohl der Maskenwahn als auch der Impfzwang keine medizinische Begründung und Rechtfertigung ergeben, sind sie als rein politische Willkürmaßnahmen abzulehnen. Es soll durch die Unsinnigkeit solcher Maßnahmen das Volk mürbe und widerstandslos gemacht werden. Die Umerziehung wird so erleichtert.

Nun sollte meines Erachtens heute unser Kirchenkampf beginnen und wir müssen als Christen unbedingt lernen, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.
Wenn einmal die Epoche des Antichristen da ist, ist es zu spät. Es heißt von dieser Zeit, dass niemand mehr kaufen und verkaufen kann, der nicht als Zeichen des Tieres trägt. Offenbarung 13,17.

Wahre Obrigkeit fragt also nach dem Willen und den Absichten Gottes, weswegen sie dann auch Vollmacht und Autorität hat.
Diese Vollmacht Gottes, Exousia, zieht sich dann durch alle Obrigkeiten und Strukturen, wie Familie, Schule, Arbeitswelt oder Gemeinde bzw Kirche hindurch.
Dadurch wird der Kulturauftrag Gottes von 1. Mose 9 an Noah umgesetzt. „Machet Euch die Erde untertan…“.
Durch den Sündenfall, den Einbruch des Todes in die Menschheitsgeschichte, ist es notwendig geworden, mit diesen obrigkeitlichen Geboten zu regieren, um ein Chaos zu vermeiden. Aber der richtige Gebrauch schließt den Missbrauch eben nicht aus. Dies müssen wir heute verstärkt erleben, den Missbrauch von Obrigkeit.

Zu bedenken ist auch, dass wir heute verstärkt einen Geist der Rebellion, einen Geist des Umsturzes feststellen müssen. Dies ist auch von der Bibel für das Ende der Tage so vorhergesagt. Und genau dies erfüllt sich nun zunehmend vor unseren Augen. Deswegen müssen wir als Gemeinde Jesu schnell lernen, dies zu erkennen und uns vorzubereiten.
Die Gemeinde Jesu wird immer eine Minderheit bleiben und wir müssen lernen, uns darauf einzustellen. Die Wahrheit war noch nie bei der Mehrheit.

Noch eine Anmerkung zu Offenbarung 13, der Herrschaft des Tieres. Wann immer diese Zeit in ihrem vollen Ausmaß kommen wird, wir müssen jetzt schon beginnen, uns darauf vorzubereiten. Unvorbereitet werden wir als Gemeinde und Kirche hier scheitern.
Deswegen muss jetzt mit der Vorbereitung begonnen werden. Täglich sollten wir üben, einer Mehrheit zu widerstehen.
Mit der Maskenverneinung fängt das an.
Natürlich kann es jetzt schon Zwänge geben, die wir nicht umgehen können. Wenn wir bei einem Einkauf die Strafe von Tausenden von Euro riskieren, müssen wir natürlich abwägen, und auch den Kaufmann nicht in Bedrängnis bringen.
Unser Kampf erfordert neben Mut eben auch eine gute Einschätzung der Situation. Nirgendwo wird gefordert für ein nichts alles zu riskieren. Auch die Bibel kennt Situationen, wo statt des Kampfes die kluge Flucht vorgezogen wird. Sogar der Herr Jesus entwich ihnen, „…denn meine Stunde ist noch nicht gekommen…“.

Die Verleugnung unseres Herrn Jesus ist die einzige Ausnahme, wo es keinen Kompromiss gibt. Offenbarung 2: „Sei getreu bis an den Tod, so werde ich dir die Krone des Lebens geben“.
Gestern las ich bei Hudson Taylor, dass seinerzeit im chinesischen Boxeraufstand über 150 Missionars—Märtyrer zu verzeichnen waren.
Unter Stalin und Mao waren es Zigtausende.
Möge Gott uns Kraft und Weisheit verleihen.

Horst Koch, Madrid, den 24. Februar 2022,

 

Von meinem iPad gesendet




Die vier Reiter – Offb.6 (H.Krcal)

Helmut Krcal

Corona und die Christenheit

In den vergangenen Monaten haben immer wieder Brüder mit der Gabe der Predigt das Thema Corona vom Wort Gottes angesprochen und hierbei auf ein Gericht Gottes, auf die bestehende Entrückung der Gemeinde und auf das sichtbare Wiederkommen des HERRN Jesus Christus hingewiesen. Mit diesen Themen haben sich jedoch auch vor der heutigen Zeit ganze Christengenerationen beschäftigt. Auslöser hierzu waren oft Verfolgung der Christen, z.B. einige Zeit im Römischen Reich, danach durch den Islam und dies bis heute, Naturkatastrophen, Hungerzeiten, Seuchen und natürlich kriegerische Auseinandersetzungen. Unabhängig von diesen Ereignissen fordert jedoch Gottes Wort jeden Christen auf, wachsam zu sein, zu beten und zu prüfen. 

Zunächst noch ein Hinweis. Die Staatsform Demokratie, so wie sie heute in den westlichen Ländern gegeben ist, kennt die Bibel nicht. Diese Staatsform kommt aus einer anderen Richtung.
Noch ein weiterer Hinweis. Dies betrifft Geschichte.
Da wo die Christenheit keinen Widerstand geleistet hat, ist das Christentum verschwunden oder bedeutungslos geworden. Da wo das Christentum Widerstand leistete, die Waffe in die Hand nahm, konnte das Evangelium weiter bestehen. Bei der Waffe in die Hand nehmen muss jedoch unterschieden werden und zwar zwischen Angriff oder Verteidigung. 

Im Gesetz Mose und in den prophetischen Büchern erfolgen an Israel diesbezüglich unterschiedliche Aufforderungen von Gott. Im Gesetz des Christus gibt es hierzu andere Anordnungen an die Christen. Klar dürfte sein, dass Christen keine Waffe in die Hand nehmen sollten, um anzugreifen. Aber wie sieht es mit der Verteidigung aus? Hierzu gibt es verschiedene Lehrauffassungen.  

Als im Jahr 732 ein 80000 starkes islamisches Heer, maurische Reiter, Araber- und Berberkrieger, in Frankreich bei Poitiers standen ergab sich für die europäische Christenheit lediglich die Frage, wann wird das Abendland islamisch.
Aber ein Mann, Karl Martell,
später der Hammer genannt, nahm das Schwert in die Hand und stellte sich mit 15000 christlichen Franken, unterstützt von christlichen Reitern aus anderen europäischen Regionen, dem kampferprobten Heer der Muslime entgegen. Karl Martell und die christlichen Soldaten entschieden die Schlacht für sich und drängten die besiegten Mauren wieder zurück nach Spanien. Erwähnen muss man jedoch, dass Karl Martell und die christlichen Soldaten zuvor ins Gebet gegangen waren. Das Evangelium konnte weiter in den christlichen Ländern gepredigt werden. Weitere Beispiele sind die großen Schlachten vor Wien.

Einmal 1529 und später 1683. Die Türkenbelagerung vor Wien im Jahr 1529 war der erste Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen dem osmanischen Reich und dem christlichen Abendland. 150000 türkische Kämpfer waren bereit die Stadt Wien einzunehmen, um dann von dort aus den islamischen Glauben in Europa zu verbreiten. Die christliche Verteidigungsarmee war an Zahl weit unterlegen, aber sie leistete erheblichen Widerstand. Mit einem solchen Widerstand hatte der Befehlshaber des osmanischen Heeres nicht gerechnet. Besonders die spanischen Verbände mit ihren Hackenbüchsenschützen brachten Verluste in das osmanische Heer. Falsche Entscheidungen der osmanischen Heeresführung und der Ausbruch einer Seuche im Belagerungsheer veranlassten den Rückzug des osmanischen Heeres.
Im Jahr 1683 stand wiederum ein starkes islamisches Heer, Osmanen, vor Wien. Das christliche Abendland zitterte vor Angst. Die Bevölkerung wusste, wenn Wien fällt, wird Europa islamisch. Die Verteidigung von Wien bestand zunächst aus einem Heer von christlichen Männern die aus verschiedenen Ländern kamen. In Europa wusste man, dass diese Verteidigung dem osmanischen Angriff nicht lange standhalten wird. Aber Wien bekam Hilfe. Einmal aus Russland, aber auch aus Polen. Ein katholisches, polnisches Heer, mit einer Abteilung polnischer Lanzenreiter, kam nach Wien und halfen. Prinz Eugen von Savoyen war Befehlshaber und das Osmanische Heer erlitt eine starke Niederlage. Um diesen Sieg zu verkündigen wurden in ganz Europa die Glocken geläutet.
Warum verweise ich auf diese geschichtlichen Tatsachen. Ohne den Widerstand der damaligen Christen wäre Europa islamisch geworden, so wie es fast einige Jahrhunderte zuvor in den Ländern von Nordafrika und Türkei geschehen war. 

Nun geht es um die Frage, darf ein Christ gegenüber der Obrigkeit Widerstand leisten?
Diese Frage wurde auch im Hitlerreich von Christen gestellt und bis auf wenige blieben die meisten schweigsam und taten was die Obrigkeit verlangte. Und auch heute wird man unter Christen bei diesem Thema unterschiedlicher Meinung sein.  

Beim Thema Corona wird von vielen Christen auf die Offenbarung hingewiesen. Und das ist auch nicht falsch. Hierzu aber der Hinweis, die Offenbarung hat nicht die Entrückung der Gemeinde im Blick. Vielmehr wird von vielen Christen die Entrückung in die Offenbarung hineingelesen. Die Offenbarung teilt den Kampf zwischen dem lebendigen Gott und seinem unsichtbaren Feind mit, wie sich dieser Kampf immer mehr zuspitzt und wie er ausgeht, dann Gericht und wie Gott mit Israel und der neutestamentlichen Gemeinde ans Ziel kommt, sowie die Wiederkunft des Herrn als Richter.  

Ab Kapitel sechs der Offenbarung beginnt die Entschlüsselung der Zukunft. Der Apostel Johannes sieht nun Prophetie.

Mein Eindruck ist nun, dass bei dem Thema Corona die vier Pferde mit ihrem jeweiligen Reiter kaum Beachtung findet, obwohl Johannes viermal die Aufforderung bekam: Komm und sieh. Und wir Christen von heute sollen auch kommen und sehen. So verstehe ich es jedenfalls. Es ist eine wichtige Aufforderung.

Auf das erste Pferd mit seinem Reiter möchte ich später eingehen. Nach dem ersten Pferd sieht Johannes ein feuerrotes Pferd mit seinem Reiter. Die Farbe rot steht oft in der Bibel für Blut und Sünde und hat manchmal auch die Bedeutung von Prüfung und Gericht. Die Beschreibung feuerrot ist eine Verstärkung der Farbe rot. Und der Reiter auf diesem Pferd soll den Frieden von der Erde nehmen damit sie einander hinschlachten sollten. Und dieser Reiter bekam ein großes Schwert. Da wo Krieg zwischen den Menschen besteht ist kein Frieden. Und es wird getötet. Und dies nicht in kleiner Zahl. Dafür steht das große Schwert. Die heutige Generation der Menschen kann auf das Jetzt schauen, aber auch in die Vergangenheit. Und daher kann ein Christ sagen, die Menschen haben „geschlachtet“ und „schlachten“ heute immer noch.

Seit zweitausend Jahren haben Kriege und die kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Menschen zugenommen. Der Friede Gottes war in diese Welt gekommen. Die Welt lehnte jedoch diesen göttlichen Frieden ab. Und die Ablehnung hat Folgen.  

Johannes sieht nun ein schwarzes Pferd. Dieser Reiter hat keine Waffe in der Hand. Die Farbe schwarz hat aber auch hier ihre Bedeutung. Die Farbe schwarz wirkt auf Menschen bedrohlicher. Sie steht aber auch oft für Trauer und Angst. Das Signal, das dieses schwarze Pferd mit seinem Reiter für den Menschen gibt, kann daher als Bedrohung und Angst bezeichnet werden. Die Waage, die der Reiter in der Hand hält, ist ein Gebrauchsgegenstand. Und eine Waage hat mancherlei Bedeutung. Einmal werden mit einer Waage beim Kaufen und Verkaufen Gegenstände abgewogen. Die Waage ist aber auch ein Sinnbild für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Das schwarze Pferd mit seinem Reiter steht für eine bedrohliche, ängstliche und traurige Zeit. Zusammengefasst ergibt sich der Hinweis, dass es hier um Zeiten mit großer Not geht. Und nun richtet sich eine Stimme an den Reiter auf dem schwarzen Pferd. „Ein Maß Weizen für einen Denar, und drei Maß Gerste für einen Denar; doch das Öl und den Wein schädige nicht.“

Man bekommt also mehr Gerste für das gleiche Geld, als Weizen. Weizen ist nahrhafter und daher wertvoller. Und weil der Weizen nahrhafter und wertvoller ist als Gerste, ist er teurer. Es geht also um eine Verteuerung unter den Menschen. Es geht um Reichtum und Armut. Wer sich von Gerste ernähren muss, lebt an der Existenzgrenze. Die Gerste ist ein Bild für die Armen. Weizen wiederum ein Bild für die wohlhabenden Menschen. Was jedoch nicht angegriffen und geschädigt wird, ist das Öl und der Wein. Öl und Wein ist hier ein Bild der Fülle und Reichtum. Warum diesbezüglich noch eine Schonung erfolgt, muss offen gelassen werden. Man kann nur Vermutungen annehmen. Letztendlich geht es bei dem schwarzen Pferd mit seinem Reiter um Verteuerung, Armut und Ungerechtigkeit, aber auch um Fülle, Reichtum und Wohlstand. Reichtum und Armut stehen gegeneinander. Auch hier gilt wieder der Blick in die Vergangenheit und auf das Jetzt. 

Nun sieht Johannes das letzte, das vierte Pferd. Es ist ein fahles Pferd. Die Farbe Fahl ist eigentlich an sich keine Farbe, sondern mehr eine Beschreibung über einen Farbzustand. Fahl ist eigentlich eine Farbe ohne Leben, eine Farbe des Todes. Der Reiter auf diesem Pferd trägt keinen Gegenstand. Er wird jedoch mit Namen genannt. Und dieser Reiter heißt der Tod. Seit dem Sündenfall ist der Tod der Feind des Menschen. Ein fahles Pferd, auf dem der Tod sitzt, ist ein schreckliches Bild für den Menschen. Aber dieser Reiter ist nicht allein. In seiner Begleitung ist das Totenreich. Das Totenreich folgt also dem Reiter auf dem fahlen Pferd. Tod und Totenreich machen Menschen Angst. Der Tod und das Totenreich bekommen Vollmacht, den vierten Teil der Erde zu töten. Der Reiter auf dem fahlen Pferd tötet. Er tötet mit Schwert, Hunger, Seuchentod und wilden Tieren der Erde die Menschen. Das Schwert von diesem Reiter hat die Bedeutung einer Hinrichtungswaffe. Der Zugriff auf die ganze Menschheit auf der Erde ist ihnen jedoch verwehrt.

Und nun zum ersten Pferd. Dieses Pferd ist von weißer Farbe. Und sein Reiter hat einen Bogen. Über diesen Reiter gibt es innerhalb der Christenheit unterschiedliche Auffassungen. Ein falscher Christus, ein Verführer usw. Ich habe diese Auffassung nicht. Ich sehe in diesem Reiter ein Bild auf den Heiland. Es geht um Gnade. Und wir sind noch in der Zeit der Gnade. Mit dem Bogen kann man Pfeile abschießen. Und diese Pfeile bedeuten für mich das Evangelium. Das Evangelium ist noch da und Menschen finden zum Herrn Jesus. Die Farbe weiß steht oft in der Bibel für Reinheit, Licht und Gerechtigkeit. Auch wenn Pfeile nicht erwähnt werden, so hat ein Bogen allein keine Bedeutung. In Jesaja 49:2 wird der Herr Jesus Christus beschrieben: Er hat meinen Mund gemacht wie ein scharfes Schwert; er hat mich im Schatten seiner Hand geborgen und mich zu einem geschärften Pfeil gemacht; er hat mich in seinen Köcher versteckt.“ 

Und Jesus Christus ist der Sieger. Und weil er der Sieger ist, bekommt er eine Krone. Für mich persönlich ist der Reiter auf dem weißen Pferd der Christus der Gnade. Zu einem späteren Zeitpunkt wird er wieder auf einem weißen Pferd kommen. Dann jedoch als der Richter.  

Seit Johannes diese vier Pferde mit dem jeweiligen Reiter sehen durfte, sind zweitausend Jahre vergangen. Das Evangelium hat sich ausgebreitet. Aber gleichzeitig haben auch Kriege zugenommen, besonders die, bei denen sich die Menschen einander hinschlachten. Die Schere zwischen arm und reich geht immer mehr auseinander. Die Verteuerung der Grundnahrungsmittel nimmt immer mehr zu. Ungerechtigkeit überlagert immer mehr die Gerechtigkeit. Menschen werden hingerichtet. Hungersnöte und Seuchen treten mal stärker mal weniger auf, sie sind da und Menschen sterben daran. Und immer wieder werden Menschen von wilden Tieren getötet.
Die vier apokalyptischen Reiter mit ihren Pferden, sie reiten auf dieser Erde. Manchmal reiten sie nebeneinander. Dann wieder hintereinander. Dann reitet der eine Reiter mit seinem Pferd in jenem Land und die anderen jeweils in einem anderen Land. Und dies nicht seit heute oder gestern. Sondern seit fast zweitausend Jahren. Die viermalige Aufforderung „Komm und sieh“ macht deutlich, wie wichtig es ist als Christ diese vier Pferde mit ihrem jeweiligen Reiter zu sehen und zu betrachten, was ihr Tun ist. Denn es geht um die Einordnung der Ereignisse in der Weltgeschichte.

Die Erkrankung Covid 19, verursacht durch Coronavieren mit der Bezeichnung SARS-CoV-2, ist in dieser Welt. Und diese Erkrankung kann auch zum Tode führen. Jedoch ist zu prüfen, wie außergewöhnlich ist diese Krankheit und hat diese Krankheit mit dem Gericht Gottes zu tun. Bei dieser Prüfung haben Christen Realitäten zu beachten.  

Im Jahr 2015 starben bei etwa 82 Millionen Einwohner in Deutschland täglich 2534 Menschen. Im Jahr 2016 täglich 2523 Personen. 2017 waren dies am Tag 2554 Menschen. Im Jahr 2018 steigerte sich dies auf 2616 Menschen täglich. 2019 wiederum ging die Zahl auf 2574 zurück und im Jahr 2020 waren es täglich 2691. Im Jahr 2020 betrug allerdings die Einwohnerzahl von Deutschland 83,7 Millionen Einwohner und die Gruppe der Bevölkerung über achtzig Jahren war so groß wie dies zuvor noch nie der Fall war.  

Bei der Bevölkerungsgruppe zwischen 0 und 79 Jahren war im Jahr 2020 in Deutschland gegenüber den vorausgegangenen Jahren eine leichte Untersterblichkeit. Bei den Personen über achtzig Jahren war die Sterbezahl ähnlich, wenn man es mit Prozent bewertet. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen auf dessen Totenschein das Wort Corona stand betrug 82 Jahre. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen wo dieses Wort auf dem Totenschein nicht vermerkt wurde, war 81 Jahre.

Weltweit starben mehr als 60 Millionen Menschen. An, mit oder in Folge an Corona etwas mehr als zwei Millionen. Der Anteil dieser Verstorbenen an der Gesamtzahl betrug etwa 3,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum starben über neun Millionen Menschen an Krebs und ebenfalls über neun Millionen an einer Herzerkrankung. Des Weiteren starben 6,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren an Unterernährung und verschiedener Krankheiten. Wenn man diese Realitäten betrachtet kann man dann Corona als ein besonderes Gericht Gottes nennen?
Oder ist es eine Krankheit die einfach zu dieser Welt gehört? Hierbei sollte man an das fahle Pferd mit dem Reiter Tod denken. Christen sind in der Hand Gottes. Das heißt nicht, dass ein Christ vor Krankheit geschützt ist. In der Hand Gottes bedeutet, dass niemand einen Christen aus der Hand Gottes reißen kann und er in der Ewigkeit beim Vater und beim Herrn sein wird. Aber solange Christen noch in diesem irdischen Leben sind, sind Christen aufgerufen wachsam zu sein, nüchtern zu bleiben und alles zu prüfen.

Gleich welche Auffassung der einzelne Christ beim Thema Corona haben kann, eins müsste doch klar sein, auch die heutige Obrigkeit richtet sich nicht nach dem lebendigen Gott aus, sondern geführt vom antichristlichen Geist trifft sie die Maßnahmen in der Sache Corona.
Und diese Maßnahmen hat man nach meiner Auffassung als Christ von der Bibel her zu hinterfragen und als Staatsbürger vom Grundgesetz her. Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass es bei dieser Mitteilung hier um eine persönliche Auffassung geht. 
Helmut Krcal. im 
März 2021

Eingestellt von Horst Koch. Auch die Betonungen im Text sind von mir, ebenso der Anhang.

Nachwort von Horst Koch

Diese Ausführungen von Herrn Krcal (Krecal) bringen die gegenwärtigen weltweiten Corona – Seuchen – Ausbrüche in Verbindung zu Gottes Wort. Das ist unbedingt zulässig und notwendig, denn in der Bibel heißt es in Matthäus 10, 26-33:  „…Fürchtet euch vielmehr vor dem, der Seele und Leib verderben (töten)  kann… bei euch aber sind selbst die Haare auf eurem Haupte gezählt vom himmlischen Vater“.
Auch wenn dies unser Verstehen total übersteigt, so zeigt es doch klar: Sollte Gott nicht um diese weltweiten Katastrophen wissen?

Kurz gesagt. Neben Gott und Seinem Reich existiert auch ein Welt des Bösen, der Finsternis, mit Macht auf dieser Erde usw. Deswegen müssen wir uns immer wieder unter Seinen Schutz und Segen stellen, als Einzelne und als Volk. Wer allerdings diese Schutzräume usw. verläßt oder sie verschmäht, ist dem Wirken des Bösen total ausgeliefert.
Wie wir es in der Geschichte und heute wieder sehen können.
Die zerstörerischen Kräfte des Bösen greifen dann unbarmherzig um sich, und Zerstörung, Chaos und Krankheiten sind Tür und Tor geöffnet, wie wir es augenblicklich ja selbst erleben müssen.

Nun fragt sich, was wir denn tun können?

Kurz gesagt. Das Gerichtshandeln Gottes ist nicht mehr aufzuhalten. So sagt es Gottes Wort. Und somit bleibt uns Menschen lediglich das rettende SOS (Rettet unsere Seelen) mit Blick auf die biblische „Arche“ namens Golgatha. Und so kann jeder im Glauben und mit Gebet sich in die rettenden Hände des Heilands Jesus Christus begeben. Denn die Zusage in Gottes Wort heißt:
Wer den Namen des Herrn Jesus anruft, wird errettet werden.“ Apostelgeschichte 2, 21.

H. Koch, 1. 4. 2021

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