Die Welt der Engel (H.Leitz)

Hermann Leitz

 

DIE WELT DER ENGEL UND DÄMONEN

 

Vorwort

Die vorliegende Schrift behandelt ein seit langem vernachlässigtes The­ma. Engel. Gibt es überhaupt Engel? Sind das nicht bloß hübsche Märchengestalten für fromme Kinder­gemüter, dichterische Schmuckfiguren ohne realen Sinn, phantasievolle Sinnbilder von religiösen Ideen?
Und Dämonen? Gibt es solche? Wir werden sehen. Zweierlei ist Tatsache:

1.Die Bibel bezeugt von Anfang bis Schluß das Dasein von Engeln und Dämonen.
2. Die Kirche hat zu allen Zeiten in ihren positiven Vertretern den Engelglauben gelehrt.

Tatsache ist allerdings auch, daß ein materialistisches, rationalistisches und intellektualistisches Jahrhundert die Wahrheit von den Engeln kritisch belächelt.

Unserer zwar knappen, aber exakten und alles We­sentliche berührenden Abhandlung liegt eine jahr­zehntelange Vorarbeit zugrunde. . . .

 Wir bringen jetzt, 1968, die dritte Auflage heraus. . . .

Wir leben in einer außerordentlich katastrophenträch­tigen Zeit und sind bedroht von außen und innen. Von außen bedroht uns die sehr reale Möglichkeit eines unausdenkbar grauenhaften „Atomkriegs“, von innen das Überwäl­tigtwerden von den Mächten des Unglaubens, des Irr­glaubens, der Hybris, der Zuchtlosigkeit. Wie gut, wenn wir in einer Welt, in der wahrhaftig „die Teufel los sind“, mit dem Psalmsänger David wissen dürfen: „Der Engel des Herrn lagert sich rings um die, die ihn fürchten, und errettet sie“ (Ps. 34, 8)! Wie gut, wenn wir das wissen aus Erfahrung!
Hermann Leitz, 1968, Freiburg im Breisgau

INHALT

Die Engel in der Heiligen Schrift

A. Die Engel im Alten Testament
B. Die Engel im Neuen Testament

Wesen und Werk der Engel
Engeldienst ‑ auch heute
Die Dämonen
Die Engel in der christlichen Kirche
Die Engel in der Kunst

 

Die Engel in der Heiligen Schrift

A. Die Engel im Alten Testament

Vom ersten bis zum letzten Buch der Bibel werden die Engel Gottes außergewöhnlich oft erwähnt: über hundertmal im Alten und mehr als hundertfünfzigmal im Neuen Testament. An dem Dasein dieser übernatürlichen Wesen kann daher kein Zweifel bestehen; denn als von solchen spricht das unfehlbare Wort Got­tes von ihnen.

Im Alten Testament (und zwar in den Büchern Sa­muel und Könige, in den Psalmen und bei Jesaja) wird Gott öfter genannt „Herr Zebaoth“, d. h. Herr der Heerscharen. Damit sind zweifellos vor allem gemeint die himmlischen Heerscharen der Engel, der seligen Geister, der starken Helden, die ihn loben, anbeten und seine Befehle vollführen (Ps. 103,20). Welcher Rang und welche Würde kommt ihnen zu, die so eng verbun­den sind mit dem Namen des heiligen Gottes!

Schon der erste Satz der Bibel lenkt unseren Blick auf die Engelwelt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.” Als Gott, der allmächtige Schöpfer, „das Fundament der Erde legte” (Hiob 38,4), waren die Him­mel schon geschaffen, und ihre Bewohner, „die Morgen­sterne allesamt frohlockten laut, und alle Gottessöhne (=Engel) jauchzten” (Hiob 38,7).

Auch der zweite Satz der Bibel weist hin auf die Existenz über‑ und außermenschlicher Wesen und Mächte: „Die Erde war aber eine Wüstenei und Öde, und Finsternis lag über der weiten Flut” (Menge).

Es erscheint uns völlig ausgeschlossen, daß Gottes Werk, auch anfangsweise, „Wüstenei, Öde, Finsternis” ‑ Chaos war. Wir stimmen daher jenen Schriftaus­legern bei, die zwischen dem ersten und zweiten Satz der Bibel einen langen Gedankenstrich setzen, d. h. die annehmen, daß der erste Satz sich auf die ursprüng­liche Erde, der zweite Satz sich auf die von Satans­mächten ruinierte und verfinsterte Erde bezieht. Sehr überzeugend hat vor Jahrzehnten Prof. Friedrich Bettex in seinem Werk „Das Lied der Schöpfung” diese An­nahme begründet:

„Ein solcher Anfang der Welt, ein finsteres Chaos, ist nicht als ursprüngliche Schöpfung eines Gottes des Lichts und der Ordnung denkbar. Bedeutsam ist auch, daß das ’Tohuwabohu’ das einzige im Schöpfungs­bericht ist, das nicht auf ein Schaffen oder ein Wort Gottes zurückgeführt wird! Während es sonst überall heißt: Gott schuf oder Gott sprach, es werde, steht hier nicht: die Erde ’werde’, sondern: die Erde ’war’ wüst und leer, . . . dazu kommt als Verstärkung dieses Eindrucks das Wort: ’Und Finsternis bedeckte die Tiefe’, die rauschenden, brausenden, tiefen Gewässer. Finster­nis aber, das bezeugt die ganze Bibel, und mit ihr stimmen Sprache und Anschauung aller Völker überein, ist materieller und geistiger Tod, ist das Böse, das Ele­ment der Unterwelt. Wo wir sie antreffen, zeigt sie die Gegenwart Satans an . . . Soll ein ’Gott und Vater des Lichts’, der ’in einem unnahbaren Licht wohnt’, dessen ’Gewand lauter Licht’ ist (Ps.104,2), ursprünglich ein in Nacht und Grauen gehülltes Chaos erschaffen und sollen bei diesem Anblick die Morgensterne ihn gelobt und seine Söhne ihm zugejauchzt haben? Sicherlich nicht. Sondern die hier beschriebene Erde ist ’ein Schlachtfeld nach der Schlacht’. Satan, der damals schon ’der Gott dieser Welt’ war, hatte sie in seinem Fall in Finsternis gehüllt.”

„Es ist nun klar” (so Chr. v. Viebahn in Die Schöp­fung und die Wiederherstellung der Erde), „daß wir in dem uns beschriebenen ’Sechstagewerk’ nicht die ur­sprüngliche Erschaffung der Erde, sondern ihre Wiederherstellung vor uns haben, nachdem sie durch Sa­tans Fall verdorben war . . . Alles, was wir von der ursprünglichen Erschaffung des Himmels und der Erde wissen, liegt in dem ebenso kurzen wie großartigen Satz: Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde!”

„Aber in dieser Lichtschöpfung von herrlichen We­sen ‑ entstand im Herzen eines Lichtfürsten ein schwar­zer Punkt. Es entstand das Böse. ‑ Wo, wann, wie ent­stand das Böse? ‑ Abgründe des Denkens! Welches Mysterium ist doch Satan, der Gott dieser Welt (2. Kor. 4, 4)“ (F. Bettex.)

Warum ließ Gott das Böse und den Bösen zu? Wir wissen es nicht. Aber das wissen wir, daß Satan exi­stiert, daß er „von Anfang“ ein Lügner und Verderber ist, das dämonische Nein im Gegensatz zum göttlichen Ja, der Todbringer im Kampf gegen den Lebensschöp­fer. „Auch die höllischen Mächte arbeiteten mit an dem Werk der sechs großen Tage; das bezeugen die Nächte, die Erschütterungen und Umwälzungen, die Vernich­tung ganzer Tier‑ und Pflanzenarten, wovon die Erd­rinde so klar und aktenmäßig zeugt” (F. Bettex).

Im ersten Vers des dritten Kapitels der Bibel tritt der Fürst der Finsternis, die „alte Schlange“, als „Geist, der stets verneint“, als „Lügner und Mörder“ den Ur­eltern gegenüber. Nachdem diese den ersten „Sold der Sünde“ (schlechtes Gewissen und Vertreibung aus dem Paradies) bezahlt haben, treten in der biblischen Ge­schichte auch erstmals persönlich die guten Geister auf: ,,Die Cherubim und die Flamme des funkelnden Schwer­tes” (1. Mose 3, 24; Menge).

Im übrigen beschränken wir uns auf kurze Vermerke der bekanntesten und wichtigsten vorchristlichen Engelbezeugungen der Bibel:

1. Mose 19: Zwei Engel retten Lot aus Sodom. (Bitte alle Bibelstellen nachschlagen!)
1. Mose 28, 12: Die Engel Gottes steigen auf und nieder auf der „Himmelsleiter”.
2. Chronik 32, 21 f.: Ein von Gott gesandter Engel hilft Hiskia gegen die Assyrer.
2. Könige 6, 16: „Feurige Rosse und Wagen“ sind schützend um Elisa her.
Daniel 3, 28; 6, 23: Ein Engel erhält die drei Männer im Feuerofen und Daniel in der Löwengrube wunder­bar am Leben.

2. Mose 20: Die „Zehn Gebote” werden durch die Engel vermittelt. (So lehrt das Neue Testament:
a) Apg. 7,53: „Durch Vermittlung von Engeln habt ihr das Gesetz empfangen”;
b) Gal.3,19: „Das Gesetz ist durch Engel verordnet worden”;
c) Hebr. 2,2: „Das durch Vermittlung von Engeln empfangene Wort.”)

Besondere Beachtung verdient der im Alten Testa­ment häufig auftretende „Engel des Herrn”, der „Engel des Bundes”.

Erscheinungen des „Bundesengels” berichten z. B.:

1. Mose 18,1-17: „Drei Männer” besuchen Abraham (der Herr und zwei Engel, 19,1).
1. Mose 19, 24: „Da ließ der Herr Feuer und Schwe­fel regnen auf Sodom und Gomorra vom Himmel her­ab!” (Vgl. Joh. 5, 22.)
1. Mose 31,11; 2. Mose 3, 2 ff.: „Der Engel des Herrn spricht: Ich bin Gott.”
Josua 5, 13‑15: Dem Josua erscheint der „Fürst über das Heer des Herrn“.
Richter 6,12-14: Gideon erhält Befehl vom Engel des Herrn.

In Richter 13 bringt der „Engel des Herrn” von dem „Herrn der Heerscharen, der über den Cherubinen thront” (1. Sam. 4, 4), die Verheißung eines Sohnes und Volksbefreiers. Seine Gestalt war „sehr ehrwürdig”, sein Name „Wunderbar”, sein Charakter „göttlich” („wir haben Gott gesehen”).

In aller gebotenen Scheu, die diesem „Gegenstand“ geziemt, glauben wir Gaebeleins Auslegung für rich­tig halten zu dürfen. Er sagt dazu:
„Dieser Engel Gottes ist kein erschaffenes Wesen, sondern ein unerschaffener Engel ‑ es ist Gott der Herr, der sich zu verschiedenen Zeiten im Gewand eines Engels und meistens in menschlicher Gestalt offenbarte. Dieser Engel Gottes ist ‑ eine Theophanie, eine Sicht­barwerdung der Gottheit. Der Engel des Herrn ist der ’Sohn Gottes’. In allen Fällen der Erscheinung dieses ’Engels des Herrn’ sind nämlich die Kennzeichen der Gottheit ge­genwärtig! Es sind höchst beachtenswerte Offenba­rungen des Sohnes Gottes, unseres Herrn, vor seiner Menschwerdung.”

Zu den wertvollsten Aussprüchen der Bibel gehören die folgenden Psalmverse, unersetzbare Kundgebungen uralten Engelglaubens:

„Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und errettet sie” (34, 8).
„Er hat seine Engel für dich aufgeboten, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Sie werden dich auf den Händen tragen, daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest!” (91,11).
„Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet, und seine Königsmacht herrscht über das All. Lobet den Herrn, ihr, seine Engel, ihr starken Hel­den, die ihr seinen Befehl vollführt! Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen, ihr, seine Diener, die ihr seinen Willen tut . . .! Lobe den Herrn, meine Seele!” (103,19 ff.)

B. Die Engel im Neuen Testament

Unübersehbar ist die Tatsache, daß die Engel im Neuen Testament weit öfter erwähnt werden als im Alten, nämlich über hundertfünfzigmal. ‑ Diese Tat­sache verdient Beachtung. Wir sollten sie ernster neh­men, als es im allgemeinen geschieht.

Das Erdenleben Jesu, des Gottessohnes, ist von An­fang bis zu Ende sozusagen durchwoben von Engelerscheinungen und Engeldiensten:

Gabriel, „der vor Gott steht”, „ein Engel des Herrn”, erschien Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, um die Geburt dessen anzuzeigen, der berufen sein würde, „bereitzuhalten dem Herrn ein gerüstetes Volk” (Luk.1,11ff.).

Derselbe Engel Gabriel „ward von Gott gesandt . . . zu einer Jungfrau” Maria mit der wundersamen Kunde, daß sie begnadigt wäre, Mutter des Gottessohnes zu werden (Luk.1,26 ff).

Ein Engel erschien dem Joseph im Traum, ihm die geheimnisvolle Wahrheit von der Empfängnis durch den Heiligen Geist zu versichern (Matth.1,18 ff).

Ein von des Herrn Klarheit umleuchteter Engel trat in der Weihnacht zu den Hirten mit der einzigartigen frohen Botschaft: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volk widerfahren soll; denn euch ist heute ein Retter geboren, Christus, der Herr” (Luk.2, 9 ff).

In jubelnder Anbetung (Hebr.1,6) und in einzig­artigem „Sprechchor” erklang das Lob der himmlischen Heerscharen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen!” (Luk.2,13-14).

Ein Engel Gottes warnte Joseph vor dem Mordplan des Herodes und hieß ihn nach Ägypten fliehen (Matth.2,13).

Ein Engel forderte nachher Joseph auf, wieder in sein Heimatland zurückzuziehen (Matth. 2,19).

Nach der vierzigtägigen Versuchung Jesu in der Wü­ste kamen die Engel und dienten ihm (Matth. 4,11; Mark.1,13).

Den ersten Jüngern verhieß der Meister: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf‑ und niedersteigen zu des Menschen Sohn” (Joh.1,51).

In dem heißen Gebetskampf in Gethsemane „erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn” (Luk.22,43).

Bei der Gefangennahme standen dem Herrn „mehr als zwölf Legionen Engel” zur Verfügung, ohne daß er sie allerdings zu seiner Befreiung vom Vater erbeten hätte (Matth.26, 53).

Am Ostermorgen verkündeten zwei Engel in strah­lend‑weißem Gewand den um einen vermeintlichen Toten Trauernden: „Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist auferstanden!” (Luk. 24, 2‑7.)

Bei der Himmelfahrt des Herrn standen „zwei Män­ner in weißen Kleidern” vor den zurückbleibenden Jün­gern und sprachen: „Was stehet ihr hier und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg ist aufgenom­men worden in den Himmel, wird so wiederkommen, in gleicher Weise, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren”‘ (Apg. 1,10-11).

Es ist ein erhabener Gedanke, daß während des gan­zen Erdenlebens Jesu die Engelscharen dienstbereit und diensteifrig den Gottessohn umgaben, der uns zugut „für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt ward„ (Hebr.2,7).

O großes Geheimnis der Liebe Gottes: Der Sohn Gottes „erniedrigt sich unter die Engel”! „Für kurze Zeit.”

Als diese Zeit „erfüllt“, des Heilands Werk „in un­serem Fleisch” „vollbracht” war, ward er „um des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt” (Hebr. 2, 9; Ps. 8, 6) und ist wiederum „viel mächtiger geworden denn die Engel” (Hebr. 1, 2‑4). Den für im­mer mit der Menschheit vereinten Christus („wahrer Gott und wahrer Mensch”) hat Gott gesetzt „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und jede Kraft und Herr­schaft, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen” (Hebr. 1, 13; Eph. 1, 20); „Engel und Mächtige sind ihm untertan” (1. Petr. 3, 22).

„Wie nun die Engel Christus dienten in den Tagen seines Fleisches, also sind sie auch um alle die geschäftig, so mit Christus ein Leib geworden sind durch den Glau­ben; denn wie sie dem Haupt gedient haben, also dienen sie gleicherweise auch den Gliedern. Ja, sie sind fröhlich, daß sie schon auf Erden denen dienen können, die dereinst im Himmel ihre Genossen werden sollen” (Joh. Gerhard 1637).

Und mehr als „ihre Genossen”! Durch, in und mit Christus ist auch dem erlösten Menschen eine höhere und bessere Herrlichkeit als die der Engel in Aussicht gestellt. „Durch die Erlösung sind die Gläubigen über die Engel erhöht worden.“ Darum die ‑ eigentlich er­staunliche ‑ Frage des Apostels an die Korinther: „Wißt ihr nicht, daß wir Engel richten werden?“ (1. Kor. 6, 3)

Die Apostelgeschichte, die Geschichte der Urkirche, berichtet mehrfach vom Dienst der Engel, die Gott aussendet, damit sie denen dienen, „die ererben sollen die Seligkeit“ (Hebr. 1,14).

Apostelgeschichte 5, 19: Ein Engel öffnete die Tü­ren des Gefängnisses und befreite die gefangenen Apo­stel.
Apostelgeschichte 8, 26: Ein Engel gab dem Diakon Philippus göttlichen Auftrag zugunsten des äthiopi­schen Kämmerers.
Apostelgeschichte 10, 1‑8: Ein Engel teilte dem frommen Hauptmann Kornelius die Erhörung seiner Gebete mit und wies ihn zu dem Apostel Petrus und damit auf sein ewiges Heil.
Apostelgeschichte 12, 21‑23: Ein Engel schlug den König Herodes mit tödlicher Krankheit, „weil er Gott nicht die Ehre gab”.
Apostelgeschichte 27, 23: Ein Engel erschien dem Apostel Paulus während der stürmischen Meerfahrt nach Rom und versicherte ihn des göttlichen Schutzes und missionarischen Auftrags.

Auch aus den neutestamentlichen Briefen geht klar hervor, daß der Glaube an Engel zum elementaren Be­stand des jungen Christentums gehörte. Wie selbst­verständlich werden sie immer wieder genannt, z. B. in Römer 8,38: „Nicht Engel noch Gewalten . . . können uns scheiden von der Liebe Gottes.“

1. Korinther 4, 9: „Wir sind für Engel und Menschen ein Schauspiel geworden.“
1. Korinther 11, 10: „Die Frau soll im Gottesdienst das Zeichen ihrer Abhängigkeit vom Mann auf ihrem Haupt tragen, und zwar mit Rücksicht auf die Engel.“
2. Korinther 11, 14: „Satan verkleidet sich in einen Engel des Lichts.“
2. Thessalonicher 1, 7: „Wenn sich der Herr Jesus mit seinem Engelheer vom Himmel aus offenbart . . .“
2. Petrus 2, 4: „Selbst gegen Engel . . . hat Gott keine Schonung geübt.“

Eine besonders wichtige Rolle kommt den Engeln bei der Ausführung und Vollendung des großen gött­lichen Heilsplans, wie er in der johanneischen Offen­barung kundgegeben ist, zu:

Ein Engel schildert dem Johannes, „was in kurzem geschehen soll“ (1, 1); ein Engel verkündet laut die Frage: „Wer ist würdig, zu öffnen das Buch und seine Siegel?“ (5, 2); viele Engel rings um den Thron rufen es aus: „Würdig ist das Lamm” (5, 12); vier Engel hal­ten die vier Schadenwinde der Erde (7, 1); sieben Engeln werden sieben Unheilsposaunen gegeben (8, 2); der Engelfürst Michael und seine Engel streiten mit dem Drachen und dessen Engeln (12, 7); ein Engel hat den „Schlüssel des Abgrunds“ (20,1). (Die Engel werden in der Apokalypse etwa 65mal genannt! Man sollte das beachten.)

Aus allem geht hervor, daß die Engel nicht nur den Kindern Gottes Heil bringen, sondern auch den Fein­den Gottes Unheil. Gott macht sie „zu Winden und zu Feuerflammen“ (Ps. 104, 4; vgl. auch 2. Sam. 24, 16 und Jes. 37, 36).

Mit der gläubigen Kirche aller Jahrhunderte und mit der ganzen Schöpfung (Röm. 8) harren auch die unzähligen Engelscharen des Tages des Herrn, der die Enthüllung der jetzt noch verborgenen Herrlichkeit Christi, die Vollendung und Offenbarung der Freiheit der Kinder Gottes, den Frieden auf Erden bringen und schließlich die Erneuerung der gesamten Schöpfung ein­leiten wird. Ein wahrhaft großes Ereignis wird es auch für die Engel sein, wenn der Tag da ist, da „des Men­schen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen wird und alle heiligen Engel mit ihm“ (Matth. 25, 31).

Diese Vollendung des alle und alles umfassenden Ratschlusses Gottes sei auch für uns das höchste Ziel unseres Denkens und Strebens. Möchte durch uns hier auf Erden allezeit Gottes Wille geschehen, wie er jetzt schon geschieht im Himmel durch die anbetend dienen­den und dienend anbetenden Heerscharen der Engel!

„Sie hören Tag und Nacht nicht auf zu sagen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Allmächtige, der da war, der da ist und der da kommt!“ (Offb. 4, 8.)

 

Wesen und Werk der Engel

Wir bekennen mit der allgemeinen christlichen Kirche im Nizäischen Glaubensbekenntnis:

„Ich glaube an einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.“

Nicht nur der Schöpfer ist unsichtbar. Es gibt ‑ un­sere Schau in die Bibel hat es hinreichend gezeigt ‑ auch eine Welt unsichtbarer Geschöpfe, eine Welt himmlischer Geister, eine Welt heiliger Engel.

„Gott wohnt nicht in Einsamkeit. Wie könnte er, der die Liebe ist, daran Gefallen finden, allein zu sein?” Die Himmel sind erfüllt von Geistern, deren Wesen und Werk Gott dient und preist. „Tausendmal Tau­sende dienen dem Höchsten, und viele Millionen stehen vor ihm” (Dan. 7, 10).

Es gibt gläubige Christen, die sprechen: „Wenn ich Jesus habe, so ist das genug; alles andere ist nicht für mich.” Der Apostel Paulus hat nicht so gedacht. Er war so zu Hause in den himmlischen Orten, er freute sich so in der Gemeinschaft der Engel Gottes, daß er den Timotheus „vor Gott und dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln” über seine bischöflichen Pflichten belehrte (1. Tim. 5,21). Der Hebräerbrief (12,22) zählt unter die Vorrechte der in Christus Be­rufenen ausdrücklich das Gekommensein „zu der Menge vieler tausend Engel”. Und wenn der Herr seine Jünger beten lehrte: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“, dann dachte er dabei gewiß an jene himmlischen Geister, jene „starken Helden, die des Höchsten Befehle ausrichten, indem sie hören auf die Stimme seines Wortes” (Ps. 103,20).

Wissen wir auch nicht sehr viel über Wesen und Werk der unsichtbaren Engelgeister, so kann und soll der schriftforschende Christ doch mehr darüber wissen, als er gemeinhin weiß.

Wir stellen im folgenden kurz und bündig fest, was sich aufgrund der biblischen Offenbarung über Wesen und Werk der heiligen Engel Gottes erkennen und wis­sen läßt:

Es gibt zwei „Welten“ von unsichtbaren Geistern: eine göttliche und eine teuflische, eine lichte und eine finstere, eine himmlische und eine höllische.

Die heiligen Engel sind Boten (griech. angelos, von angello: ich schicke), Boten Gottes; Boten seiner Warnungen, seiner Gerichte, seiner Barmherzigkeit, seiner Allmacht, seiner Hilfe, seines Trostes, seiner Bewahrung und Errettung. Sie sind Gottes Kuriere. Sie sind „Gottes Werkzeuge zur Bekämpfung des Teufels und seines Heeres. Sie dienen Gott zum Besten der Seinen, zu ihrem Schutz und um Gottes Ewigkeitspläne auszu­führen.“

So sagt Martin Luther: „Darum haben sie auch einen feinen Namen, daß sie heißen Angeli, Boten oder Botschaft, daß sie von Gott gesandt sind. Die Schrift nen­net sie nicht nach ihrem natürlichen Wesen, sondern nach ihrem Amt. Darum bin ich dem Namen Engel sehr hold . . . Sie regieren, schützen und behüten uns vor allem Übel; das tun sie fleißig und mit Freuden . . .“

Die. Engel sind personhafte Geister. Als Geister haben sie „nicht Fleisch und Bein“ (Luk. 24, 37 f.). Da es aber „irdische und himmlische Körper” gibt (1. Kor. 15) und ein Geschöpf ohne Körperlichkeit geradezu un­denkbar ist, so darf man für die Engelwesen einen engelmäßig gestalteten Körper annehmen, über dessen „himmlische Materie“ und Natur uns jedoch nichts offenbart ist.

Wesen und Bestimmung der Engel sind von denen der Menschen völlig verschieden. Ein Engel wird kein Mensch, und ein Mensch wird niemals ein Engel. Die gern gehegte Ansicht, daß kleine Kinder, wenn sie sterben, Engel werden, oder daß der erwachsene gläu­bige Mensch in seiner Vollendung ein Engel wird, ist ein Irrtum. Die Auskunft Jesu: „In der Auferstehung werden sie weder freien noch sich freien lassen, son­dern sie sind wie die Engel Gottes im Himmel” (Matth. 22, 30) bezieht sich nicht auf Wesen und Natur der Engel, sondern auf deren bedingungsloses Dasein zu Gottes Ehre.

Die Engel sind in der Regel für unser menschliches Auge unsichtbar. Sie können aber auf göttliche Anord­nung hin menschliche Gestalt annehmen und sich da­durch für uns Menschen sichtbar machen (Hebr. 13, 2 u. v. a.). Sie umhüllen dabei gleichsam ihr Engelsein wie mit einem Kleid, das sie nach Erfüllung ihres Erscheinungsdienstes wieder ablegen. (Spurgeon sagt: Wir können die Engel nicht sehen, aber es ist genug, daß sie uns sehen können.)

Die Engel sind unsterblich und ungeschlechtlich (Luk. 20, 27 ff.).
Die Engel sind erschaffene Wesen (Kol. 1, 16; Offb. 22, 9).
Die Engel existierten schon, als der Erde Grund gelegt wurde (Hiob 38, 4‑7).
Die Engel sind zahlreich (Dan. 7, 10; Luk. 2, 13; Offb. 5,11).
Die Engel anbeten und lobpreisen Gott (Ps. 103, 20; Jes. 6, 3).

Die Engel nehmen teil an den Vorgängen auf Erden, besonders an dem Schicksal der von Gott gesuchten und Gott suchenden Menschenseele (Luk. 15, 10). „Hüte dich ja . . ., daß du solche Stimme nicht vorüber lassest, sondern bald umkehrest und dem Hirten nachlaufest. So bist du genesen und hast den lieben Engeln im Him­mel eine sonderliche große Freude angerichtet“ (M. Lu­ther).

Die Engel sind anwesend beim Gottesdienst der Ge­meinde (1. Kor. 11,10; 1. Tim. 5, 21).

Die Engel stehen im Kampf mit den Dämonen (Offb. 12, 7; 20,1-2). „Was in diesem hintergründigen Kampf der Geister ausgetragen und von Gott entschie­den wird, das wird Geschichte“ (Friedrich Heitmüller).

Die Engel dienen denen, die die Seligkeit ererben sollen (Hebr. 1,14). Sie gewähren ihnen Schutz in leib­lichen Gefahren und Nöten (Matth.18, 10; Apg. 27, 23; 2. Kor. 11, 24‑26). „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und errettet sie” (Ps. 34, 8).

„Wie wenig wissen wir davon, wie gnädig der Herr unseren Gebeten und unserem Vertrauen zu ihm auf natürliche Weise durch dienstbare Engel entspricht! In dieser Beziehung ist unser Leben voller Geheimnisse” (Gaebelein).

Die Engel tragen die Seelen der Entschlafenen zum Himmel (Luk.16, 22).

Nicht nur die kleinen Kinder (Matth.18,10: Ihre Engel sehen allezeit das Antlitz meines Vaters im Himmel), nicht nur die Gottesmenschen, die ihrem Herrn die Treue halten, sondern wahrscheinlich alle Menschen haben ihre Schutzengel. Läßt der barmherzige Gott nicht seine Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte, läßt er nicht regnen über Gute und Böse? (Matth. 5, 45.) Sorgt er sich nicht um alle seine Geschöpfe? Erwartet er nicht von uns, daß wir Böses mit Gutem vergelten, so wie er selbst es tut? Erlebt nicht auch der „Gottlose“ wunderbare Bewahrungen und Durchhilfen? Ja, sieht es nicht oft so aus, als ob er besonderes „Glück“ habe? (Ps. 73.) Dürfen wir nicht in vielen solcher „Glücks­fälle“ an das Wirken von Engeln glauben, die im Auf­trag Gottes den „verlorenen Sohn“ bewahren für die Möglichkeit seiner Umkehr und „Bekehrung“, damit Gott ihn nicht müsse „behalten zur Bestrafung auf den Tag des Gerichts“? (2. Petr. 2, 4. 9.)

Außer den Schutzengeln, die dem einzelnen Men­schen dienen, gibt es auch Engelfürsten mit umfassen­dem Auftrag zum Schutz ganzer Völker und Reiche. Bei Daniel lesen wir von einem Engelfürsten, der soeben aus langwierigem und hartem Kampf kommt gegen die feindlichen Engel, die Persien und Griechenland in ihrer Gewalt haben, einem Kampf, in dem er von dem Erz­engel Michael unterstützt wird.

Zu Daniel 10 gibt die „Stuttgarter Jubiläumsbibel“ folgende Auslegung: „Der Engel erklärt, warum er erst jetzt komme. Ein böser, den Menschen feindseliger Geist, der am persischen Hof großen Einfluß habe, sei von ihm erst nach 21 Tagen mit Hilfe des Engelfürsten Michael überwunden worden. ‑ An den Bewegungen auf Erden nimmt auch die Engelwelt teil, die gute und die böse, und die irdischen Kämpfe werden allererst im Geisterreich ausgefochten. Vergleiche Epheser 3, 10; 6,12; Offenbarung 12, 7. ‑ Daniel soll wissen, daß der Gott des Himmels zu seinem Volk steht und dessen sichtbare und unsichtbare Feinde durch seine guten Engel bekämpft.“ „Der Herr wird sein Reich . . . trotz allem Widerstand der dagegen empörten sichtbaren und unsichtbaren Welt der geweissagten Vollendung ent­gegenführen“, und mächtige gute Geister haben Befehl, „in der Völkerwelt auf die Verwirklichung des gött­lichen Heilsplans“ hinzuarbeiten.

Es gibt eine andere Auslegung, die in dem von Daniel beschriebenen Geisterkampf einen Kampf nur zwischen guten Engeln sieht. Wir halten diese Auslegung aber für falsch. Es ist ausgeschlossen, daß die guten Schutzengel der Völker sich gegenseitig bekämpfen. Dagegen ist es wahrscheinlich; daß Satan seine Dämonen hat, die wider die über die Völker gesetzten Engel Gottes strei­ten. So ist auch die Seele eines Volkes (wie die des Einzelmenschen) Kampfgebiet guter und böser Geister, die um Obmacht und Herrschaft über dieses Volk rin­gen ‑ nicht. ohne Anteilnahme und Verantwortlichkeit dieses Volkes!

Unsere christlichen Voreltern hatten noch mehr Sinn für diese tiefen, geheimnisvollen Wahrheiten. Ihnen galt ja der Erzengel Michael als Schutzherr des deut­schen Volkes, und Michaelsbanner flatterten ihren Hee­ren voran!

Daß nicht nur Völker und Staaten ihre besonderen Engel haben, sondern auch Städte, Stände und Familien, liegt zu denken nahe; unseren Altvordern war es gewiß.

Die Engel dienen uns nicht nur zu leiblichem Schutz, gleichsam als unsere unsichtbaren Leibwachen. Sie dienen uns auch zu geistlichem Schutz. Wir halten die Auf­fassung, die einen Engeldienst „in geistlichen Dingen“ verneint, für irrig.

Die bekannte Stelle Hebräer 1,14 heißt wörtlich (vgl. Albrecht, Neues Testament): „Sind sie nicht alle liturgische Geister, ausgesandt zur Diakonie?” Allerdings hat es die Diakonie mit den leiblichen Nöten und Bedürfnissen des Menschen zu tun, und die ersten Dia­kone der ersten christlichen Gemeinde (Apg.6,1-8) wurden ausdrücklich zur „täglichen Hilfeleistung“ be­stellt. Aber ebenso ausdrücklich wird die geistliche Wirksamkeit der beiden Diakone Stephanus und Phi­lippus im Bericht der Apostelgeschichte hervorgehoben. Stephanus wird als Apologet (Verteidiger) des ange­feindeten Evangeliums (6,10) und Philippus als Pastor (Hirt, Seelsorger) unter Einheimischen und Ausländern (8, 12. 35) gerühmt.

Zweifellos waren die Engeldienste bei Zacharias, Maria, Joseph (Matth.1, 20), auf Bethlehems Fluren, beim Gebetskampf in Gethsemane, am Ostergrab, am Himmelfahrtsberg, bei Philippus (Apg. 8, 26), bei Jo­hannes auf Patmos keine Dienste in bloß leiblichen An­gelegenheiten. Der Engel Gegenwart beim Gottesdienst, ihre Freude über einen „Sünder, der sich bekehrt“, wei­sen auch darauf hin, daß sie etwas mit den geistlichen Dingen zu schaffen haben.

Alle diese Mahnungen und Gebete wissen um einen geistlichen Kampf „nicht mit Fleisch und Blut”, son­dern „wider die bösen Geister in der Atmosphäre”, wider „die feurigen Pfeile des Bösen” (Eph. 6,12.16), „wider die unsauberen Geister” (Apg. 5, 16). Es ist also ziemlich gewiß, daß wir des Engelsdienstes auch in geistlichen Nöten und Gefahren bedürfen und ihn viel­fach erfahren. Gott sei Dank dafür!

Auf einen besonderen, sonst kaum genannten und gekannten Dienst der Engel, nämlich als Helfer sowohl bei unserer alltäglichen Arbeit im Beruf als auch am Charakter, weist uns ein eigenartiges, bedeutsames Wort von Johann Christoph Blumhardt hin. Es lautet:

„Was gibt Gott? Erstens das Wollen, zweitens das Vollbringen. Was gibt er nicht? Das Schaffen . . .! Viele Leute schreien und beten, der liebe Gott solle sie doch anders machen; das ist alles Faulenzerei. Beten darfst du wohl, aber das Schaffen sollst du nicht versäumen. Wenn du anfängst, so schieben die Engel nach. Merken wir uns das, es ist eine wichtige Lektion!“

Ein Satz aus den Tagebüchern von Sören Kierkegaard:

„Wenn Engel einen Menschen beobachten, der doch das Gute ehrlich will, obwohl in seiner Schwachheit, so kommen sie eilig, um weiterzuhelfen.”

Es gibt verschiedene Engelstufen, eine Engelshier­archie (Eph. 1,21; Kol. 1,16) : „Throne, Herrschaften, Fürstentümer, Gewalten.“ Die Bibel redet von Engel­fürsten und Erzengeln. Es gibt Engelgruppen, deren Angehörige ihre Hauptwirkungsstätte außerhalb des Him­mels haben ‑ in den sie aber beständig zurückkehren, um dort Befehle zu empfangen. Andere haben dauernd ihre Stätte im Himmel, in der unmittelbaren Nähe Gottes. Nur dort erfüllen sie ihre hohe Aufgabe, die in der denkbar geistigsten Anbetung Gottes gipfelt. Es sind die Seraphim (vor dem Thron und um den Thron) und die Cherubim (unter dem Thron als Träger des Thrones der göttlichen Majestät). Die Cherubim schei­nen vor allem Diener der Macht Gottes, die Seraphim dagegen Diener seiner Liebe zu sein.

Als Erzengel werden mit Namen genannt: Michael (der große Fürst, Dan. 10, 13. 21; Judas 9; Offb. 12, 7), Gabriel (der Mann Gottes, Dan. 8, 15; 9, 21; Luk. 1,19), Raphael (Tobias 12, 15).

Pseudo‑Dionysius Areopagita (um 5oo) nimmt in seiner berühmten, das ganze Mittelalter beeinflussenden „Hierarchia Coelestis“ (Engelstaat) eine neunchörige Hierarchie, eine Engels‑ Herrschaft und –Rangordnung von drei „Triaden“, drei triadischen Ordnungen an. Die erste, oberste, gottnächste umfaßt die Throne, Cheru­bim und Seraphim; die zweite die Mächte, Herrschaften und Fürstentümer; die dritte die Kräfte, Erzengel und Engel. „Die Wirkung jeder Ordnung erstreckt sich nur auf die nächste ihr untergeordnete und erst die der letzten auf die irdische Welt.”

Die Engel wohnen im Himmel (Matth. 18, 10).

Wir sind gewöhnt, „der Himmel“ zu sagen, in Wirk­lichkeit gibt es „die Himmel“ (in der Mehrzahl). Salomo ruft den Gott an, den „aller Himmel Himmel nicht fas­sen” (1. Kön. 8, 27). David preist den Gott, dessen Ehre „die Himmel erzählen“ (Ps. 19, 2; 8, 2‑ 4). Im Blick auf die Sünden tilgende Barmherzigkeit Gottes heißt es beim Propheten Jesaja: „Jauchzet, ihr Himmel!” (Jes. 44, 23.) Der Sohn Gottes lehrt uns beten: „Unser Vater in den Himmeln“ (Matth. 6, 9). Nach Hebräer 4, 14 ist unser großer Hoherpriester, Jesus, der Sohn Gottes, „durch die Himmel hindurchgegangen“, nach Hebräer 8, 1 hat er sich „zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln gesetzt“.

Aber nicht nur der Zahl nach gibt es die Himmel, sondern auch der Art, dem Wesen, dem „Rang“, der „Stufe“ nach. Paulus, der hochbegnadete Apostel, wurde einmal „bis in den dritten Himmel entzückt, wo er unaussprechliche Worte hörte“ (2. Kor. 12, 2). Vielleicht dürfen wir hier vom Vorhof, Heiligen und Allerheiligsten reden. Der Vorhof: der atmosphärische Himmel, der die Erde umgibt. Das Heilige: die unendlichen Sternenwelten mit ihren unermeßlichen Weiten. Das Allerheiligste: der „dritte Himmel”, jener Himmel, „um dessen Vorhandensein die Astronomie weiß, den aber kein Fernrohr je zu erreichen vermag“ (Gaebe­lein). Dort hat der Herr der Heerscharen „seinen Thron gegründet“, von dort aus „erstreckt sich seine Herr­schaft über das All“ (Ps. 103, 19).

Im „dritten Himmel“ ist auch die Wohnstätte, die Heimat der Engel. Aber zweifellos ist auch der „zweite“ Himmel ihr Aufenthalts‑ und Tätigkeitsgebiet. „Es be­steht zwischen Engeln und Sternen eine tatsächliche Beziehung, eine Beziehung, die uns im einzelnen noch undurchschaubar ist“ (Erich Sauer). „In der Tat: Wenn nur unsere kleine Erde, dieses Stäublein im Sonnen­wirbel des Weltalls, Leben trüge, . . . dann wäre der Feuerglanz der Millionen von Sonnen . . . nur“ (Erich Sauer) „ein großes, sinn‑ und zweckloses Feuerwerk im toten Weltraum” (Fr. Bettex) (Ps. 148, 1‑3).

Im übrigen ist der „Himmel” der Bibel die für uns unsichtbare, doch wirkliche Welt Gottes, die die sicht­bare Welt umschließt und durchdringt, uns zugleich un­endlich fern und unfaßbar nah. „In ihm leben, weben und sind wir!” (Apg. 17, 28.)

Und noch ein Letztes! Wir sehen einen Zusammen­hang nicht nur zwischen Engelwelt und Sternenwelt, sondern auch zwischen Engelwelt und Naturgesetzen bzw. Naturkräften.

Betrachten wir die Himmelskörper droben; wer lenkt sie in ihren Bahnen? Blicken wir auf die Erde, betrachten wir . . . das mächtige, wunderbare Wachs­tum der Pflanzenwelt; wer setzt dies alles in Be­wegung?

Wahrlich naheliegende und doch so selten gestellte Fragen!

In Psalm 148 heißt es:
„Lobt ihn, Sonne und Mond, lobt ihn, alle leuchten­den Sterne, ihr Walfische in allen Tiefen, Feuer und Hagel, Schnee und Wind ‑ lobt den Herrn!”

Mit Recht vermutet Thomas Groser: „Das müssen vernünftige Geschöpfe sein, die hinter der unvernünf­tigen Kreatur stehen!” und fährt fort:

„Die Naturgesetze, die ohne Zweifel bestehen, setzen doch allein nichts in Bewegung, sondern sie erfordern Kräfte, die in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen wirken. Die Naturgesetze zu erforschen, das ist Sache der Wissenschaft, aber über die tatsächlich wirkenden Kräfte kann die Wissenschaft nichts sagen, das offen­bart uns die Heilige Schrift. Wir brauchen darum die Wissenschaft mit der Heiligen Schrift durchaus nicht in Widerspruch zu bringen. Der Teich von Bethesda (Joh. 5, 2) hatte eine Heilkraft in sich, wenn sein Wasser von Zeit zu Zeit bewegt ward. Die Schrift sagt uns, es war ein Engel. Sodom und Gomorra wurden durch Vulkanausbrüche und glühende Lavaströme zerstört (1. Mose 19, 1). Die Heilige Schrift schreibt es einem Engel zu.“

In der Offenbarung (16, 5) ‑ die ja gerade in bezug auf das Wirken sowohl der guten wie der dämonischen Geister (z. B. 16, 14) besonders deutliche Hinweise und Einblicke gibt ‑ sieht Johannes einen Engel, dem die Hut aller Gewässer anvertraut zu sein scheint, und einen anderen Engel, der Macht hat über das Feuer (14, 18). Ebenda (7, 1) hören wir von vier Engeln, die an den Enden der Erde stehen und sie schützen vor drohenden, verheerenden Winden.

Gottes Schöpfung ist keine tote Maschine. Die Natur ist kein aus dem Nichts entstandenes, sich selbst entwickelndes und erhaltendes, mehr oder weniger zu­fällig „Gewordenes“; sie ist nicht die sogenannte „weise Mutter Natur“, die aus „sich“ alles und zuletzt den Menschen hervorgebracht hat, dieses problematische Wesen, das am Ende einer (angeblich) unendlich langen Selbstentwicklung, dank des aufrechten Gangs und der Vergrößerung des Gehirns, den Geist erlangte und zum homo sapiens, zum vernunftbegabten Menschen emporstieg, ‑ der nur leider nicht weiß, wozu und wohin das alles! Nein, Himmel und Erde und was in ihnen ist, sind Gottes, des Allmächtigen, des Vaters, plan‑ und zielvolle Schöpfung. Die in dieser wirksamen Natur­kräfte und Naturgesetze „stehen unter der Obhut himmlischer Mächte“ (Friedrich Oehninger). Diese „himmlischen Mächte“ nennt die Heilige Schrift Engel.

Und was die „Naturgesetze“ betrifft: Der persön­liche, der lebendige Gott, der Gesetzgeber der Natur, hat sich durch diese „Naturgesetze“ keineswegs selber die Hände gebunden! Er kann jederzeit in souveräner Freiheit in sie „eingreifen“, wenn sein weiser Rat es will. Er kann es unmittelbar durch sein Wort (so er spricht, so geschieht’s), er kann es auch mittelbar durch seine Engel (er ist Herr der Heerscharen, die seine Befehle ausrichten). Was er will, das tut er, und er tut es, wie er will.

Was will das alles heißen? Dies: Sternenbahnen und Pflanzenwuchs, Naturkräfte und Bewahrung unseres menschlichen Lebens ‑ alles positive Geschehen in der lebendigen Schöpfung steht irgendwie mit dem Wirken der guten Geister Gottes, der Engel, im Zusammenhang.

Augustinus sagt: „Ein jedes Ding wird durch die Macht eines Engels geleitet.“ Das ist Gottes Ordnung so. Nach dieser heiligen Ordnung walten die Engel in all dem tausendfältigen Werden, Vergehen und Wandel der Welt als Wächter an den von Gott gesetzten Grenzen, als Walter und Werker der von Gott gewollten Krea­turen und Kräfte.

Sollte diese wundersame Kunde vom Wesen und Werk der heiligen Engel uns gleichgültig lassen und gar nichts für uns bedeuten? Wir meinen, sie sollte uns zu tiefstem Dank und zu höchster Freude vor Gott bewegen.

„Es ist in der Tat ein überaus tröstlicher Gedanke, daß wir einen solchen wirklichen, lebendigen Schutz, den Schutz der Heerscharen des Herrn, rings um uns her haben, sei es auf einsamer Straße oder in finsterer Nacht, sei es in Zeiten der Verlassenheit oder des Schreckens. Es ist wirklich genauso, wie es einst der Diener jenes Propheten sah, als ihm in wunderbarer Weise die Augen geöffnet wurden: glänzende Heer­scharen heiliger Engel, feurige Wagen und Rosse waren rund um Elisa her!“ (Th. Groser.)

Es ist wirklich so, wie Joh. Chr. Blumhardt sagt: „Wir sind nicht allein; haben wir Jesus, so sind seine Engel um uns her.“ Es ist wirklich so: „Er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

Und mehr als das. Es geht ja nicht nur um unsere Person. Im weiten Weltall, hinter der rätselvollen Völkergeschichte, über der „Gemeinschaft der Heiligen“ walten schützend, richtend, kämpfend und leitend Gottes Engel, die „starken Helden, die Vollstrecker seines Willens“.

Engeldienst ‑ auch heute!

Die heiligen Engel gehören zur ewigen Ordnung des Weltalls. Sie waren nicht etwa nur am Anfang da, und ihre Existenz wurde nicht nur vor Zeiten und von den Menschen der Bibel erlebt und geglaubt. Sie existieren und wirken auch heute.

Manche halten es für ein Unrecht, vom Werk der Engel zu reden. Sie wollen nicht zwischen Gott und Menschen noch andere Wesen hineingeschoben ha­ben und wollen nicht als Werk der Engel bezeichnet wissen, was Gottes eigenes, machtvolles Tun sei. Sie meinen, von Engelschutz und Engelwirken zu sprechen, heiße, Gott die Ehre rauben und einem Geschöpf, wohl gar einem bloß erdachten, die Ehre erweisen.

Sie irren, die so denken. Denn wenn wir einem menschlichen Wohltäter gegenüber für seinen Dienst und seine Hilfe dankbar gesinnt sind, so heißt das noch lange nicht, daß wir gegen Gott undankbar sind. Jener Mensch ist für uns ein von Gott geschickter Bote. Und so, wie es Gottes Weise ist, uns Menschen durch Men­schen (etwa durch Eltern und Obrigkeit) zu helfen, zu erziehen, zu strafen, zu segnen, so ist es auch seine Weise, ja seine Ordnung, uns durch Engel zu helfen, zu leiten, zu schützen. Gott will nun einmal seine Engel „aussenden zum Dienst an den Erben der Selig­keit“ und will sie machen zu „Feuerflammen und Win­den“.

Es gilt im Leben der Völker als Zeichen besonderer Größe ihrer Fürsten und Staatsmänner, je größer die Zahl und Bedeutung derer ist, die ihrem Willen und Dienst zur Verfügung stehen. Sollte Gottes Größe klei­ner werden, wenn Millionen gewaltiger Engelgeister und Engelfürsten „seine Befehle ausrichten”? Keines­wegs!

So wollen wir auch dadurch Gott preisen, daß wir seine von ihm nach unergründlichem Rat erschaffenen, mit Hoheit und Stärke begabten, jedem göttlichen Wink unbedingt gehorchenden himmlischen Geister, die Engel, willig anerkennen und ehren und für ihr Wirken dem „Herrn der Heerscharen” von Herzen dankbar sind.

„In alter Zeit erwarteten die Menschen, daß sie Engel erblicken, und sie erblickten sie auch. Aber es ist kein Grund vorhanden, daß sie sie sahen und wir sie nicht sehen sollen, daß die Engel sich bei ihnen niederließen und bei uns nicht; denn die großen Gesetze, die die Welt regieren, sind heute noch dieselben wie damals. Wenn keine Engel zu uns treten und uns dienen, so kommt das bloß daher, weil wir sie nicht einladen, weil wir die Tür schließen, durch die sie eintreten könnten” ‑ so schrieb Ralph Waldo Trine.

Den gleichen Gedan­ken sprach Johann Peter Hebel so aus: „. . . sie würden vielleicht auch uns noch ebenso wie jenen wahrnehmbar sein, wenn wir nicht durch den Unglauben an sie die Empfänglichkeit ihrer Wahrnehmung verloren hätten. Das Organ dazu ist in uns zerstört.”

Und Johann Christoph Blumhardt sagte einmal: „Die Engel, die auch uns zur Hilfe gege­ben sind, konnte man damals (in der neutestamentlichen Gnadenzeit) je und je sehen. Wir sehen sie vorderhand nicht. Damals stand man auch in der Einfalt.” Wir Heutige sehen deswegen keine Engel, „weil wir sind, wie wir sind, und nicht in der Einfalt und Un­befangenheit die Gnaden Gottes hinnehmen können. Wenn wir freilich lernen würden kindlich sein, so wür­den wir viel mehr auch sichtbare Beweise von himm­lischen Kräften kommen sehen . . .”

Wer kann auch heute die Existenz der Engel erfah­ren? Jeder, der aufgeschlossenen, gläubigen Sinnes ist, wer „geöffnete Augen“ hat, wer, wie die Menschen der Bibel, Gott wirklich Allmacht zutraut, wer den Schutz der Engel demütig und vertrauensvoll erbittet.

Elia und Elisa waren „Menschen gleich wie wir” (Jak. 5, 17). Und sie hatten Engelmacht „rings um sich her” (2. Kön. 6, 16). Auch wir können sie haben. Ernst Schreiner schrieb einmal: „Elia war ein Mensch wie wir ‑ laßt uns Menschen sein wie Elia!”

In Wirklichkeit haben wir alle der Engel wunder­samen Dienst und Schutz schon ungezählte Male er­fahren, ohne daß wir’s wußten und dankten! Es ist so, wie Joachim Neander in seinem Loblied singt: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!” Und ‑ es waren jedesmal „Flügel” der Engel. Glauben wir’s doch!

Wir könnten noch mehr Erfahrungen machen von der Wirklichkeit der Engel. Leider gilt auch von uns oft, was von jenen galt: „Er konnte daselbst nicht viele Wunder wirken um ihres Unglaubens willen” (Matth. 13, 58). Wer aber glaubt, kann Gottes Hilfe durch Engeldienst immer wieder handgreiflich eileben ‑ auch heute.

Jawohl, denn die „Apostelgeschichte” hört nicht auf mit Kapitel 28, 31! „Gott ist ein Gott der Lebendigen” und „derselbe gestern und heute”, und er bekräftigt auch heute noch sein Wort „durch die mitfolgenden Zeichen”. Auch heute noch wird die Fortsetzung der „Apostelgeschichte“ geschrieben.

Sogar in den Spalten der Tagespresse kann man im­mer wieder lesen, daß einer „wie durch ein Wunder” oder „durch wunderbaren Zufall“ „davonkam“, daß einem andern „ein guter Geist geraten“ hat, zu tun, was seine Rettung war.

Unter der Überschrift „Kind hatte guten Schutzengel“ brachte die Tagespresse im Januar 1966 folgende Nach­richt:

„Algerien (afp). Ein Kleinkind im Alter von 18 Mo­naten ist vom Balkon im sechsten Stockwerk der elter­lichen Wohnung in Algier gefallen und wurde völlig unversehrt aufgefunden . . . Als entsetzte Hausbewoh­ner herbeistürzten, saß das Kind friedlich auf dem Rasen und lächelte.” Im Krankenhaus stellten die Ärzte fest, „daß es nicht die geringsten Verletzungen hatte”.

Und in den „Mitteilungen der Liebenzeller Mission” (Nr. 2/41947) lasen wir:

„Chinkiang. Ein Christ erlebte ein offenkundiges Eingreifen Gottes, als sein Töchterchen in den Mühl­graben fiel und dem Mühlrad zutrieb. Als der Vater in seiner Angst herbeieilte, sah er die Kleine triefend am Ufer stehen. Sie sagte: ,Ein großer Bruder im wei­ßen Kleid hat mich herausgezogen’. ‑ Gott hatte einen Engel gesandt.“

Wir geben im folgenden einige wertvolle, literarisch belegte Zeugnisse über heute erlebten Engelschutz. Sie wollen und sollen unseren Glauben stärken und Gott preisen für die Existenz seiner heiligen Engel.

John Paton, der berühmte Missionar auf den Neuen Hebriden, berichtet in seiner klassischen Selbstbiogra­phie über sein gefahren‑ und wunderreiches Leben unter den Kannibalen u. a.:

„. . . Nun ward es hell im Zimmer; es gingen Männer mit Fackeln auf das Haus zu; andere zündeten die Kirche an und einen Rohrzaun, der von dieser zum Hause reicht. In wenigen Minuten mußte letzteres auch in Flammen stehen und wir beim Verlassen desselben in die Hände der Wütenden fallen . . .

Plötzlich umringten mich sieben oder acht Wilde, schwangen die Keulen und schrien: ,Tötet ihn! Tötet ihn!’ . . . Sie heulten vor Wut und riefen einander zu, den ersten Schlag zu führen, aber der Unsichtbare ließ es nicht zu. Ich stand unverwundbar unter seinem starken Schild, und es glückte meiner Arbeit, die Flam­men vom Wohnhause abzuhalten.

In diesem furchtbaren Augenblick trat ein Zwischen­fall ein, den sich jeder Leser erklären mag, wie er will, den ich aber auf direkten Eingriff zu unserer Rettung zurückführe. Ein stöhnendes Brausen, wie vom Rollen einer schweren Lokomotive oder wie ferner Donner, ertönte von Süden her. Unwillkürlich wendeten sich alle in jene Richtung, denn sie wußten aus schlimmer Erfahrung sämtlich, daß einer der schrecklichen Wirbel­stürme im Anzug sei. Staunt nun das Wunder an: der Südwind trug die Flammen der Kirche vom Wohnhaus weg; es stand ganz beschützt in Gottes Hut, während die Kirche in kürzerer Zeit zerstört war. Ein Regenguß, wie ihn nur die Tropen haben, machte es auch völlig unmöglich, das Haus anzuzünden! Das heulende Brau­sen des Sturmes ließ die Wilden rasch verstummen. Ihr Gebrüll war in tiefstes Schweigen umgewandelt. Dann sagten sie, vom Schreck ergriffen: ,Das ist Gottes Regen! Wahrlich, ihr Gott streitet für sie und hilft ihnen! Laßt uns entfliehen’ In der Angst warfen sie ihre Fackelreste nieder und entliefen, so rasch sie konn­ten, nach allen Richtungen. Ich stand allein und lobte des Herrn wunderbares Tun! Ja, gesegnet der Mann, der sich auf ihn verläßt!”

Der württembergische Hofprediger Hedinger (1664 bis 1704) hatte sich einmal durch freimütige Äußerungen wider das sittenlose Leben des Herzogs Eberhard Lud­wig so sehr dessen Zorn zugezogen, daß dieser ihn auf sein Kabinett beschied, wo er sich persönlich an ihm vergreifen wollte. Als er erschien, fuhr ihn der Herzog an: „Warum kommt Er nicht allein, wie ich Ihm be­fohlen habe?” ‑ „Durchlaucht, ich bin allein”, antwor­tete ihm Hedinger. „Er ist aber nicht allein” behauptete der Herzog und starrte erschreckt immer auf die rechte Seite Hedingers. Da sagte dieser: „Ich bin wahrhaftig allein gekommen, Ew. Durchlaucht. Sollte es aber dem großen Gott gefallen haben, in dieser Stunde einen Engel neben mich zu stellen, so weiß ich es nicht.” Jetzt winkte ihm der Herzog in sichtlicher Erschütterung mit der Hand, er solle wieder gehen.

Frau Anni Lassahn, eine Pfarrfrau mit sechs Kindern, hat inmitten großer Schrecken wunderbare Gebetserhörungen und göttliche Bewahrungen erlebt. (Aus: „Er hilft uns frei aus aller Not”, 1939.) Sie berichtet wörtlich

„. . . Wir hören das Schießen und Toben . . . Wir hören den Ruf ,Pastora’ immer wieder auf der Straße und wissen: einmal werden sie uns finden! Bei unserem Heiland suchen wir Stille. J. und W. lesen uns die Leidensgeschichte vor, und wir dürfen es erleben, daß, sie uns so überwältigend groß wird, daß wir überhaupt nicht wissen, was draußen geschieht. Wir erleben, wie wir ganz eingeschlossen sind von dieser Liebe, und wir dürfen dann ruhig und getrost sein. Dann stürmen sie die Treppe herauf; der erste Kolbenschlag an die Tür, der zweite Kolbenschlag. S. beginnt zu schreien, ich presse ihm die Hand so auf den Mund, daß noch lange nachher das Gesichtchen Flecken hat . . . Doch er ist so kräftig, daß ich ihn nicht ganz ruhig bringe. Wir nicken uns zu. Irmfried kniet nieder, die andern knien neben ihr, und sie betet: ,Lieber Heiland, schicke uns alle deine Engel.’ Das Wunder geschieht ‑ die Schläge an der Tür hören auf, die Bande stürmt die Treppe hinunter, im Augen­blick ist der Hof leer. Gerettet! Wir sehen uns still an, aus unseren Augen leuchtet ein dankbares Herz.

. . . Am Nachmittag dringen zwei bewaffnete Eisen­bahner bei uns ein, sehen sich im Zimmer um, blicken über uns hinweg, als wären wir Luft, schließen die Tür, gehen nach unten. Wir warten, daß sie die Menge nach oben bringen. Nichts geschieht. Der Hof wird wieder leer . . .

. . . Wir stehen an der Wand. Ich halte Sönnich so, daß ihn die Schüsse gleich treffen sollen. Da sagt M. leise: ,Seid nur alle ganz still und habt keine Angst, ich sehe ganz deutlich den lieben Heiland vor uns ste­hen.’ So stark‑ fühlen wir die Nähe des Herrn. J. ruft laut: ,Wir sind froh, wenn Sie uns jetzt erschießen, wir wollen gern sterben . . .’ Da sinken die Gewehre. Der Anführer geht auf uns zu, sieht einen nach dem andern an, streicht Sönnich auf meinem Arm über das Köpfchen, nickt mir zu ‑ und alles geht. Gerettet . . .!”

Prediger Joh. Blum in St. Georgen (Schwarzwald) erzählt („Reich‑Gottes‑Bote” 10/1940) folgendes:

„. . . Es war Winter und es dämmerte schon. Das letzte Wegstück zum Dorf führte durch einen großen Wald. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Und doch ‑ je näher ich dem Wald kam, desto mehr nahm meine Niedergeschlagenheit zu, und ich mußte immer wieder seufzen: ,O Herr, sei mir gnädig!’

In dem Augenblick, da ich den Wald betrat, wurde ich überraschend still und getrost. Es war mir, als ob jemand neben mir herginge und oft mit seinem Arm meinen Ärmel streifte. Aber ich sah und hörte nie­mand . . .

Endlich war der Wald durchschritten. Ich kam glücklich zu den ersten erleuchteten Häusern. Das Gefühl, du hast einen Begleiter bei dir, war verschwunden.

In der folgenden Nacht hatte ich einen schreckhaften Traum: Ich sah mich selbst am Boden liegen, totgeschlagen und meinen Leib übel zugerichtet. Eine Stimme sagte: So würdest du jetzt aussehen, wenn dich der Herr nicht bewahrt hätte! . . .

Ein Vierteljahr später stellte sich dieser Tatbestand heraus: An jenem Winterabend hatte mir dort am Wald­rand eine Anzahl Burschen aufgelauert, mit der festen Absicht, mich totzuschlagen. Sie haßten mich, weil unter dem Eindruck meiner Bibelstunden mehrere ihrer Mäd­chen die üblichen Tanzvergnügungen nicht mehr mit­machen wollten. Ihren Genossen erzählten sie nach ihrer Rückkunft vom Wald, sie hätten mich zuerst ganz allein daherkommen sehen, plötzlich wäre aber ein großer Mann auf meiner rechten Seite gegangen, und zwar bis zum Ende des Waldes. Sie hätten den Mann weder kommen noch gehen sehen; auf einmal wäre er dagewesen, auf einmal wäre er dann auch verschwunden gewesen!

Das war also die Aufklärung jenes damals völlig unerklärlichen Erlebnisses: eine gefährliche Bedrohung meines Lebens und dessen wunderbare Bewahrung durch einen der dienstbaren Geister.”

Was wollen wir nun zu all dem sagen?

a) In den Tagen des Erdenlebens Jesu gab es die Sadduzäer, die nicht an Engel glaubten. Solche „Ungläubige” gibt es auch in unseren Tagen. Ihnen ist der Glaube an die Existenz und das Werk der Engel lächerlich. Die Existenz der Engel ‑ der guten und bösen ‑ ist durch Christus, den Offenbarer der Wahrheit, anerkannte Wirklichkeit, sie ist tausend­fache Erfahrung der Einzel‑ und Völkergeschichte.

b) So gewiß es auch dem gläubigen Christen ist, daß Gott, der Herr der Heerscharen, ihn jederzeit und in jeder Not durch heilige Engel erretten kann, so weiß er doch zugleich, daß Gottes Vorhersehung und uner­forschlicher Wille ihm solche Errettung auch versagen kann. Und in diesem Fall sagt er demütig ja zu Gottes Willen.

Wir erinnern an zwei Vor‑Fälle aus der Heiligen Schrift, die uns Vor‑Bild sind:

Als Petrus im Garten Gethsemane seinen Herrn mit dem Schwert verteidigen wollte, sprach Jesus zu ihm (Matth. 26, 51 ff.): „Stecke dein Schwert in die Scheide! . . . Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legio­nen Engel (= 60 000 ‑70 000 Engel) zu Hilfe senden? Wie würde aber dann die Schrift erfüllt. . .?”

Als drei jüdische Provinzverwalter sich weigerten, das goldene Standbild des babylonischen Königs Nebukanezar anzubeten, befahl dieser in grimmigem Zorn, sie sofort in einen brennenden Feuerofen zu werfen. „Wer ist der Gott, der euch aus meiner Hand erretten könnte?” höhnte Nebukadnezar. Aber „Sadrach, Me­sach und Abed‑Nego antworteten und sprachen . . .: ,O König, wir haben nicht nötig, dir darauf eine Ant­wort zu geben. Wenn das geschieht, so vermag unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten; ja, er wird uns aus deiner Hand erretten, o König. Tut er es aber nicht, so magst du, o König, wissen, daß wir deinen Göttern doch nicht dienen und das goldene Bild, das du errichtet hast, nicht anbeten werden'” (Dan.3, bes. Vers 28). ‑ Von solchem Glauben schrieb einst Carl Hilty: „Der rechte Glaube ist nur der der drei Männer im feurigen Ofen: Gott kann erretten, er tue es, wie er will . . .”. Das ist wahr.

Es gibt Engel! So steht es geschrieben. So erfahren wir es. So glauben wir es.

Beten wir die guten Engel an? Oder beten wir zu ihnen? Nein!

Johannes gibt in seiner Offenbarung (22,8-9) eine eindeutige, klare Antwort auf diese Frage; er sagt: „Und nachdem ich es gehört und gesehen hatte, fiel ich dem Engel, der mir dies zeigte, zu Füßen, um ihn anzubeten. Er aber sprach zu mir: Nur ja nicht! Ich bin bloß ein Mitknecht von dir und deinen Brüdern . . . Gott bete an!” (Kepplerbibel.)

Aber ein ehrendes Denken an sie ‑ Ehre, dem Ehre gebührt! ‑, ein freudiges Danken für sie und ein gläu­biges Bitten bei Gott, dem Herrn der Engel, um ihren Beistand ist uns nicht nur gestattet, sondern kann billig von uns erwartet werden.

Unser Herr selbst ehrt sie. Er „wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln“ (Matt. 16, 27). Er wird als der Weltenrichter sich vor den Engeln Gottes bekennen zu denen, die sich hier auf Erden, trotz Hohn und Spott, zu ihm bekannten (Luk. 18, 7. 8). Er wird den Engeln die Ausführung der end­gültigen Gerichtsbeschlüsse übertragen (Matth. 13, 49).

Darum wollen wir’s mit Martin Luther (Wunder­postille ‑1528) halten:

„Also beten wir die Engel nicht an, trauen auch nicht in sie . . ., wie wir auch in der Schrift finden, daß sie sich nirgends haben wollen anbeten lassen, sondern danken und loben Gott, daß er sie uns geschaf­fen hat. Denn sie sind ja geschaffene Geister, von Gott zu uns geordnet.

Wie wir nun Gott danken und loben, daß er uns die liebe Sonne, Mond, Wein und Korn geschaffen hat, so sollen wir ihm auch für die lieben Engel danken: ,Lieber Herr Gott, ich danke dir, daß du uns also mit deinen Engeln versorgt und geschützt hast, daß du solche Fürsten über uns gesetzt hast.’ Das heißt denn die Engel recht gelobet und geehret.“

 

Die Dämonen

Nach dem Zeugnis der Bibel, besonders nach dem Zeugnis der Evangelien, gibt es nicht nur gute, himm­lische, sondern auch böse, höllische Geister und Engel. Den Engeln des Lichts, den herrlichen, heiligen Heer­scharen Gottes, steht ein großes Heer von Teufeln und Dämonen gegenüber, ein böses Geisterheer, das „in der Finsternis sein Wesen treibt“ (Eph. 6, 11).

„Es ist eine Tatsache, die niemand aus dem Lebens­bild Jesu hinwegdeuten kann, daß er Gewalt über die bösen Geister hatte. Was uns vielleicht Schwierigkeit im Verständnis macht, war der Urchristenheit der ge­wisse, selbstverständliche Anfang seines Wirkens. Jesus trieb die Teufel aus . . . Daran kann nicht gezweifelt werden, daß sie vorhanden waren und daß Jesus stär­ker war“ (Dr. Johannes Weise).

Ob wir über den „Glauben“ an Dämonen lachen und spotten, ändert an der Tatsache ihrer Existenz nichts. Jeder nüchtern denkende Mensch erlebt diese Existenz im Umkreis seines persönlichen Lebens und erfährt sie im Gang der Weltgeschichte. Jesus Christus, der Gottes­sohn, kam ja gerade zu dem Zweck, „die Werke des Teufels zu zerstören“ (1. Joh. 3, 8) und Menschen vom Bann der Dämonen zu befreien (Luk. 8, 29 ff.).

Im Alten Testament ist nur an wenigen Stellen vom Satan die Rede; z. B. in der Paradiesgeschichte, im Buch Hiob, in Chronik 21,1 und in Sacharja 3, 1. Das ist beachtenswert, um so mehr als der Satan im Neuen Testament über hundertmal (unter verschiedenen Be­zeichnungen) genannt wird. Es ist aber nicht verwunder­lich. Wir verstehen diese auffallende Tatsache so: Die Wahrheitsoffenbarung in der Heiligen Schrift geschieht wachstümlich, stufenweise. Erst mit zunehmender Gotteserkenntnis wächst auch das rechte Satansver­ständnis. „Erst seit Christus kennen wir Satan“ (Ricarda Huch), ist er entlarvt als der „alt böse Feind“. Der, der „die Engel Gottes hinauf‑ und herabfahren” sah (Joh. 1, 51), der sah auch „den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Luk. 10, 18). Als der kam, der „der Schlange den Kopf zertreten“ sollte (1. Mose 3, 15), hat sich die „Schlange“ und ihre dämonische Brut geregt und gezeigt wie nie zuvor. Man denke an die vielen Besessenen, die dem Herrn auf Schritt und Tritt begegneten!

Auch in bezug auf das Satanische in der Welt ist durch die Erscheinung des Gottessohnes den Menschen, „die da saßen im Land und Schatten des Todes, ein Licht aufgegangen” (Matth. 4, 16). Sie kennen jetzt den Bösen. Sie beten jetzt: „ . . . erlöse uns von dem Bösen!“ Sie erleben nun Erlösung von dem Bösen, und sie erwarten die völlige Erlösung von dem Bösen für die ganze Welt am Ende der Zeit.

Die bösen Geister sind gefallene Engel, „die ihre himmlische Würde nicht bewahrten und den ihnen von Gott angewiesenen Bereich verließen“ (Judas 6). Sie sind Diener und Boten Satans. Satan, der Versucher, der „Mörder und Lügner von Anfang“ (Joh. 8, 44), die „alte Schlange“, der Gewaltfürst in der Luft (Eph. 2, 2), ist ihr An­führer und Oberhaupt. Auf ihn und die heimliche (rich­tiger: unheimliche) Wirksamkeit seiner „Engel“, der Dämonen (2. Kor. 12, 7; Offb. 12,7; 16,14), geht letzten Endes alles Unrecht und Finstere, aller Streit und Krieg, alle Lüge, Zauberei, Zerstörung, Menschen­ und Gottesfeindschaft zurück.

Sehr beachtenswert sind u. a. folgende Aussagen des Neuen Testaments über Dämonen: Matthäus 4, 1ff. (der Teufel als Versucher und Regent); Matthäus 8, 31 (Jesus befiehlt den Teufeln); Matthäus 13, 39 (der Teufel als Feind des Menschensohnes, als Säer des Unkrauts, der Bosheitskinder); Matthäus 15, 22 (die Teufel als Plagegeister); Lukas 8, 30 (viele Dämo­nen besitzen den besessenen Gadarener); Johannes 13, 2 (der Judasverrat war Teufelstat); Markus 3, 11 f. (die bösen Geister kennen den Sohn Gottes und fallen vor ihm nieder); Jakobus 2, 19 (die Teufel glauben auch und zittern); 1. Timotheus 4, 1 (es gibt „Lehren der Teufel“).

Wo es sich wirklich um Übel, um Bedrohung unseres äußeren und inneren Lebens, um Bosheit und Böses, um „wilde Naturkräfte“, um „Unheil“ handelt, sind die „Engel Satans“, die Dämonen, im Spiel. So sagt auch Luther: „Alles Unglück, und was nur Böses geschieht, kommt vielmehr von ihnen (den „bösen Engeln und Teufeln“) her.” Und in Goethes Faust erklärt der Teu­fel: „Die Elemente sind mit uns verschworen, und auf Vernichtung läuft’s hinaus.“ Jedenfalls war das so bei den Unglücksfällen der Kinder Hiobs (Hiob 1, 8‑19); bestimmt war es so bei dem Sturm auf dem See Gene­zareth (Matth. 8, 23 ff.), der das Leben des Heilands gefährdete. Mit Bezug auf die mannigfachen Gefahren, in die der Apostel Paulus geriet, schreibt A. C. Gaebelein: „Wir zweifeln nicht, daß alle diese Gefahren (dämonische) Anschläge waren, die sich gegen das Leben des Apostels richteten . . . Der Herr aber errettete und bewahrte Paulus, solange sein Werk nicht beendet war. Daß ihn in solchen Gefahren gottgesandte Engel um­gaben, steht außer Frage.“

Im einzelnen Fall (Verkehrsunglück, Feuersbrunst, Krankheit u. ä.) kann es schwer oder gar unmöglich sein, zu sagen, ob und wieweit „böse Geister“ dabei beteiligt sind. Wir möchten dem harten Wort Amos 3, 6: „Geschieht auch ein Unglück in der Stadt, das der Herrn nicht tue?“ von seinem Gewicht und seiner Rätselhaftigkeit nichts nehmen. Wir verstehen das Problem im Sinn des Buches Hiob: Die Wirksamkeit Satans und seiner Dämonen hat ihre Grenze in der Zulassung des Allerhöchsten. Gott hat und behält die Aufsicht über die Welt und den Fürsten dieser Welt. Nichts geschieht ohne seinen Willen, „aber was in der Ab­wendung von ihm geschieht, geschieht ohne seine Be­teiligung“ (Ricarda Huch).

In demselben Sinn spricht sich auch die Konkordien­formel 11 aus: „Die Vorsehung Gottes siehet und weiß zuvor auch das Böse, aber nicht also, daß es Gottes gnädiger Wille wäre, daß es geschehen sollte; sondern was der verkehrte, böse Wille des Teufels und der Menschen vornehmen und tun werde und wolle, das siehet und weiß Gott alles zuvor und hält seine Vor­sehung auch in den bösen Händeln und Werken ihre Ordnung, daß von Gott dem Bösen, welches Gott nicht will, sein Ziel und Maß gesetzt wird, wiefern es gehen und wie lang es währen solle, wann und wie er’s hin­dern und strafen wolle!”

Ist die satanische Wirksamkeit auch nicht in jedem Einzelfall deutbar, so gibt es doch genug Fälle, wo sie völlig offenbar ist (Mord, Betrug, Treuebruch, Trunk­sucht, Gewaltherrschaft, Unterdrückung und Ausbeu­tung Wehrloser). Alle diese „Fälle“ (= Sünden‑Fälle) sind satanisch inspiriertes Menschenwerk ‑ und nicht „Gottes Schickung“! Der von Gott lose, selbst‑ und streitsüchtige Mensch und Satan (der „in ihn fuhr“, Joh. 13, 27) sind schuld an allem Jammer dieser Welt. Das steht als biblische Wahrheit fest. Aber es bleiben noch Rätsel übrig!

Dann gäbe es also doch einen Dualismus? Eine inner‑, bzw. überweltliche „Zweiherrschaft“? Zwei entgegengesetzte Mächte? Ohne Zweifel! Satan steht gegen Gott, Finsternis gegen Licht, böser Geist gegen guten Geist. Gott ist Licht; Satan ist Finsternis. Gott ist Liebe; Satan ist Haß. Gott wirkt Leben; Satan wirkt Ungehorsam, Sünde, Tod.

Das Neue Testament nennt etwa siebzigmal den Teufel, dreißigmal den Satan. Daneben hat es noch andere sehr bezeichnende Namen für diesen Antigott: Boshaftiger, Widersacher, Verkläger, brüllender Löwe, Drache, Feind, Verführer, Apollyon (Verderber), Fürst und Gott dieser Welt.

„Daß durch diese Welt ein tiefer Zwiespalt geht, hat nicht das Christentum zuerst bemerkt . . . Die Macht des Bösen, deren Ursprünge unergründliches Dunkel umgibt, wirkt unheimlich auch in dieser Welt Gottes und kämpft um jeden Menschen von neuem. Der Zwie­spalt der Welt geht mitten durch das Herz des Men­schen . . . Überall, wo in dieser Welt gegen Gottes Reich gekämpft wird, steht Satan als der eigentliche Treiber dahinter” (Prof. Dr. Otto Kuß).

Der „Teufelsglaube“ ist nicht Phantasterei. O nein! Er gründet auf dem Offenbarungszeugnis der Heiligen Schrift und auf tausendfacher Erfahrung der Lebens­wirklichkeit. Allerdings: Nur wer Gott wirklich kennt, nur der kennt auch den Satan, und er bekommt mit ihm zu tun! Es ist Satans Meisterstück, daß man nicht mehr mit ihm rechnet, daß man über ihn lacht. Der Unglaube macht satansblind. Die Folge ist völlige Wehr‑ und Schutzlosigkeit gegen die Mächte der Fin­sternis (nach Hans Pförtner).

So hat uns auch D. Martin Luther belehrt:

„Ein Christ soll das wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher sei denn sein Rock oder Hemde, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sei und wir also stets mit ihm zu Haare liegen und uns mit ihm schlagen müssen. Also laßt uns nun erkennen und lernen, was der guten Engel Amt und Werk sei, daß, gleichwie die bösen Engel nichts anderes denken, denn wie sie uns zu Sünden und Scha­den können bringen: also sind die guten Engel stets um uns und bei uns, daß sie uns helfen, daß wir bei der Wahrheit bleiben, unser Leib und Leben, Weib und Kind und was wir haben, vor dem Teufel behalten mögen. Daher kommt es, daß man sagt, und ist recht geredet: Du hast heute einen guten Engel gehabt. Das ist so viel gesagt: Vernunft hätte das Übel nicht verhüten können; wenn die lieben Engel nicht wären gewesen, sollte dir der Teufel das Bad haben zugerich­tet . . .”

Johann Christoph Blumhardt hat „im August 1844 der württ. Oberkirchenbehörde auf deren Verlangen“ einen ausführlichen Bericht übergeben, in dem er die grauenhaften und schier unglaublichen Erlebnisse der besessenen Gottliebin Dittus und seines zweijährigen heißen Kampfes mit den jene Gottliebin Dittus quälenden Dämonen wahrheitsgetreu dargestellt. Wahrlich, da waren Mächte der Finsternis wirksam! Wenn wir nun auch bereit sind, das als wirk­lich geschehen zu glauben, was Blumhardt als Gescheh­nis bezeugt, so können wir doch seiner Erklärung vom Wesen jener Dämonen nicht zustimmen! Blumhardt sieht in den die G. Dittus besitzenden und plagenden Dämonen „abgefallene“ verstorbene Men­schengeister, die „zur Qual der Lebenden dem Teufel zu dienen gezwungen“ werden! Daher hält er auch die „Errettung vorher gebundener Dämonen“ für möglich, ja glaubt, daß er etlichen durch sein Gebet habe „Be­freiung“ verschaffen können.

Es ist nötig, hier klar zu sehen und zu denken. Die Annahme, daß Geister von Verstorbenen in lebende Menschen fahren können, die Dämonen also ruhe­lose Qual‑ und Zaubergeister verstorbener Menschen seien, findet in der Bibel keine ausreichende Begrün­dung!

Alle Dämonenerscheinungen des Neuen Testaments werden dort als Erscheinungen von Teufelsgeistern verstanden! Wenn sich solche für Geister von Verstorbenen ausgeben, dann handelt es sich um satanische Täuschung. Die abgeschiedenen Menschengeister haben ih­ren ihnen von Gott in der Todesstunde angewiesenen Ort (1. Petr. 3, 19; Luk. 16, 19‑31), an dem sie warten auf den Tag ihrer Auferstehung und Urteils­sprechung.

Im übrigen fürchtet ein Christ die Dämonen, die Satansgeister, die „Gespenster“ nicht, wenngleich er um ihre Existenz und Bosheit weiß. Auch und gerade ihnen gegenüber gilt Blumhardts Losung: „Jesus ist Sieger!“ „Ihr Kinder Gottes, laßt euch nicht bange machen vor der Macht des Feindes! Ihr seid von einer starken, schützenden Wache umgeben, von der Macht Gottes und seiner heiligen Engel” (Chr. von Viebahn).

Freilich, der Apostel Paulus spricht von dem „Ge­heimnis der Bosheit” (2. Thess. 2, 7). Die Fragen nach Ursprung und Wesen des Bösen, des Teufels und seiner Trabanten sind nicht restlos lösbar. Immerhin erlangt der, der hineingeschaut hat in das „Geheimnis Christi“ (Kol. 4, 3), auch einigen Einblick in das „Geheimnis Satans“.

Satan ist der „altböse Feind”, dessen leidenschaft­liche Sucht es ist, Gottes Aufbauwerk, Gottes Heils‑ und Reichsplan, zu verderben. Er ist der „unsichtbare Gegen­spieler Gottes“. Er ist „der Geist, der stets verneint“. Er ist Empörer und Aufrührer, gefallener einstiger Engelfürst. In titanischer Selbstvermessenheit hat er sich einst von Gott getrennt (Jes. 14,12-15). „Hoch­mut ist’s, wodurch die Engel fielen, woran der Höllen­geist den Menschen fasst“ (Friedrich Schiller).

„Satan ist schuld an der Inkorrektheit des Kosmos” (D. R. Rocholl). „Nur diese Tatsache vermag für den, dessen Augen offen sind, diese Welt, wie sie einmal ist, zu erklären” (Fr. Bettex). „Nur wer an die Existenz des Teufels glaubt, kann verstehen, was in den letzten dreißig Jahren in Europa geschehen ist” ‑ schrieb um 1940 Prof. Werner Sombart. Auch das, was seit 1940 in Europa und anderswo geschah, kann man nur richtig verstehen, wenn man den satanischen Hintergrund des Geschehens erkennt!

Es ist ein witziges und doch tiefernstes Wort des Mephisto im Faust: Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte! So ist es. Aber wir müssen ihn spüren, ehe er uns beim Kra­gen hat! Wir müssen ihm widerstehen, damit er vor uns flieht (Jak. 4, 7). Und weil er ein gefährlicher Schauspieler ist (er verstellt sich zum Engel des Lichts, 2. Kor. 11, 14), ist es bitter nötig, seine oft scheinheilige Maske zu durchschauen. Und weil er Gewalt hat und sie gebraucht, brauchen wir „die ganze Waffenrüstung Gottes” (Eph.6,11;1.Thess.5,8).

Im Kampf gegen ihn sind der Name Jesu und Gottes Wort die rechten und verläßlichen Waffen (Apg. 16, 18; Matth. 4, 1-11). Wir brauchen aber auch die Hilfe der guten Geister, der hei­ligen Engel.

Und noch eins ist zu bedenken:

„Der Hauptgedanke der christlichen Verkündigung, nämlich die Botschaft von dem Reich Gottes, ist gar nicht möglich ohne den dunklen Hintergrund des Sata­nismus . . . Wäre das Satansreich nicht da, was hätte eine von Gott bewirkte Erlösung für einen Sinn? Gäbe es kein Satansreich, warum müßten wir immer noch auf die Vollendung des Gottesreiches warten?” (Harma­nus Obendiek.)

Gewiß, dieser „Dualismus“ ist uns nicht angenehm. Wir wehren uns gegen ihn. Eine monistische Weltschau ist uns lieber, scheint uns vernünftiger und fortschritt­licher.

In einem bayrischen evangelischen Katechismus des vorigen Jahrhunderts stand zu lesen: „Gott sei ewig Preis und Ehr, es gibt keinen Teufel mehr! Ja, wo ist er denn geblieben? Die Vernunft hat ihn vertrieben.“ ‑ „Es ist ganz merkwürdig, je hochmütiger wir lächeln über jene biblische Rede vom Teufel, um so mehr sind wir in den Bann dunkler Mächte geraten“ (Ad. Brand­meyer).

Doch, das sei betont, wir reden nicht von irgend­einem heidnischen oder philosophischen, sondern von dem in der Bibel bezeugten, dem „christlichen Dualis­mus“. Und daher wissen wir, daß der Teufel weder gleichwertiger noch gleichberechtigter noch gleich­mächtiger „Gegenspieler Gottes“ ist. Sein Reich ist be­grenzt, seine Macht beschränkt, seine Herrschaft ge­liehen, seine Zeit bemessen! (Offb. 12,7‑12.) „Auch der Teufel muß Gott dienstbar sein” (1. Kor. 5, 5; 1. Tim. 1, 2o).

Weil das so ist, sang Martin Luther einst das trotzige Lied:

Der Fürst dieser Welt,
wie saur er sich stellt,
tut er uns doch nichts,
das macht, er ist gericht’t,
ein Wörtlein kann ihn fällen!

In seiner Schrift „Das Doppelantlitz des Bösen” sagt Alfred Schütze, es gäbe den Dualismus „böse ‑ gut” nicht, sondern eine Dreigliedrigkeit; weil das Böse in sich selbst gespalten sei, so daß Spannung entsteht. Der Mensch müsse das Kräftespiel der beiden Ver­suchungen des Bösen durchschauen lernen und dann be­wußt ihren Ausgleich erstreben. Dabei erscheine dann das Gute als überhöhende, die Spannung lösende Mitte, als höhere Einheit, in welcher die beiden ins Böse füh­renden Kräfte erlöst würden.

Wenn hier von einem Doppelantlitz des Bösen ge­sprochen wird, dann ist das durchaus richtig. Diese Tatsache der Doppelgesichtigkeit des Bösen ist von un­geheurer praktischer Bedeutung und muß klar von uns erkannt werden. Daß diese Doppelgesichtigkeit aber auf zwei unterschiedliche dämonische Geistmächtige zurückführe, findet im Neuen Testament keine ge­nügende Stütze. Allerdings weiß das Neue Testament davon, daß der Satan sich zuweilen „verstellt als Engel des Lichts” (Luzifer!). Es handelt sich jedoch dabei um ein und dasselbe Wesen! Man denke auch an die fal­schen „wölfischen” Propheten in „Schafskleidern”! Gut und Böse sind daher „einfach polare Gegensätze”! Es gibt nicht zwei, sondern nur einen Teufel!

Dagegen ist der Hinweis auf das Doppelantlitz des Bösen sehr wichtig und wurde auch stets von allen ernsten Menschen erkannt. Ari­stoteles z. B. hat die Tugenden bestimmt, als „die rechte Mitte zwischen zwei Lastern“. Friedrich Rückert hat gewußt: „Zwischen Welt und Einsamkeit ist das rechte Leben; nicht zu nah und nicht zu fern will ich mich begeben.“ Eduard Mörike bittet: „Wollest mit Freuden und wollest mit Leiden mich nicht überschüt­ten! Doch in der Mitten liegt holdes Bescheiden.” Ricarda Huch bezeugt: „Das Gute liegt in der Mitte.“ Das Sprichwort vom goldenen Mittelweg (der nichts mit Mittelmäßigkeit, Lauheit und Halbheit zu tun hat, sondern Ausgleich, Überwindung, Bändigung, Mäßi­gung, Entspannung, Beherrschung, Er­habenheit bedeutet) meint diese Wahrheit. Es weiß um die Versuchbarkeit und Neigung des Menschen, dem Extrem zu verfallen ‑ bzw. zwischen den Extremen hin und her zu fallen. So klagt Ludwig Hofacker: „Dieses arme Herz findet die Mittelstraße nicht; es ist ein trotzig und verzagt Ding.“

 

Die Engel in der christlichen Kirche

Auf die Frage, ob ein denkender, gebildeter Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts noch „an Engel glau­ben“ könne, antworten wir guten Gewissens und fro­hen Herzens: Ja. Jedenfalls haben wir mit diesem Glauben die Heilige Schrift, vor allem den Herrn Jesus und seine Apostel auf unserer Seite.

Wenn wir nun im folgenden noch einen kurzen Blick auf die drei großen Konfessionen der christlichen Kirche (es gibt nur eine Kirche, nur einen „Leib Christi“!) und ihre Stellung zum Engelglauben werfen, so soll das nicht nur unser Wissen davon bereichern, sondern es kann auch unseren eigenen Glauben an die Engel befestigen.

Daß die Urchristen fest an Engel glaubten und deren Existenz erlebten, bezeugen die Schriften des Neuen Testaments, von den Evangelien an über die Apostel­geschichte und die Briefe bis zur Apokalypse. Ja, „im Neuen Testament spielt die Engelvorstellung eine er­staunliche Rolle“ (Ethelbert Stauffer).

Das Konzil von Nicäa (325) erhob die Engelschöpfung zum Dogma. Die Synode von Laodicäa (um 350) verbot zwar die Anbetung der Engel als Abgötterei, aber Ambrosius (397) und die späteren Kirchenväter lehrten und forderten ausdrücklich die Engelverehrung.

Hierzu möchten wir bemerken: Einen Menschen „ver­ehren“ heißt: ihn sehr achten, hoch von ihm denken, ihm Ehrerbietung entgegenbringen. Sollte es einem gläubigen Christen verwehrt sein, die heiligen Engel in diesem Sinn zu „verehren“? Schreibt nicht der Apo­stel Paulus : „Einer komme dem andern mit Ehrerbie­tung zuvor“? Gebietet nicht die Schrift: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“? „Ehret die Witwen“? „Ehret den König“? „Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre wert gehalten wer­den“? Wieviel mehr verdienen die heiligen Engel un­sere Hochachtung und Ehrerbietung! Wer sie im Un­glauben mißachtet oder gar leugnet, macht sich ebenso schuldig wie der, der sie abergläubisch und abgöttisch „verehrt“.

Der moderne Mensch hat leider keine Beziehung zur Engelwelt mehr. Er glaubt eher an Maskottchen, Talismane, Horoskope und anderen Zauber (z. B. „Toi ‑toi ‑ toi!”) als an Engel. Und wo noch Reste des Wissens um Engel vorhanden sind, sind es blasse Schat­ten, und „man weiß nicht recht, was die Engel zu tun haben außer dem Hallelujasingen; man versteht nicht mehr, wie sie an der Weltschöpfung tätigen Anteil ha­ben nehmen können” (Ed. Lenz), oder wie sie im Ge­schehen des Kosmos und in der Mensch­heitsgeschichte als schaffende und lenkende Geister wirksam sind.

Für Martin Luther war die Existenz guter und böser Geister undiskutierbar. Er glaubte und erfuhr beides: ;,der Engel Schar“ und „die Welt voll Teufel“.

Martin Luther hat seiner Reformationsgemeinde auch das altkirchliche Engelfest erhalten, bestätigt und es mit ihr gefeiert. Am Michaelistag 1533 hielt er nicht weniger als drei Predigten über das Wesen und Werk der heiligen Engel. In der Predigt am Michaelistag 1537 heißt es:

„Dies Fest des heiligen Michael werden wir erhalten und erhalten es deshalb, daß wir einen Tag haben, an dem von den heiligen Engeln zu predigen ist, daß wir die lieben heiligen Fürsten, Herrn und Geister erkennen, weil wir getauft und durchs Evangelium berufen sind zu ihrer Gemeinschaft, wie billig und recht, so daß wir über sie selbst predigen, und sie vergessen unser auch nicht. Sie lieben uns und wünschen, daß das Ende der Welt komme und wir mit ihnen ewig leben. Zum zwei­ten halten wir es dazu, daß wir den Unterschied zwi­schen guten und bösen Engeln merken.”

Und wiederum andernorts:

„Der Herr Christus spricht von den Kindern: ,Ihre Engel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters.’ Es will aber der Herr Christus allhier sagen: Gott der Herr hat so großen Fleiß auf die Kindlein und auf die Gläu­bigen, er hat sie so lieb, daß er einen jeglichen nicht mit Büchsen und Spießen verwahren läßt sondern er gibt ihnen große Herren und Fürsten zu Geleitsleuten, die auf sie warten sollen, als die lieben Engel, die auf das Kind sehen wider den Teufel, den bösen Engel. Die frommen Engel sind gewaltige Geister, da alle Kaiser, Könige, Fürsten und Herren gegen sie gar nichts sind. Und diese Engel sehen allezeit ‑ nicht das Angesicht eines Königs oder Kaisers Karl des Fünften, sondern des großen Herren Gottes im Himmel, der hohen gött­lichen Majestät! Wollet ihr euch nun nicht scheuen vor den Kindern, so scheuet euch doch vor ihren Hütern!”

Und in einer Predigt über 2. Mose 14 (1525):

„Die lieben Engel sind unsere Wächter und Geleits­leute, ja unsere Knechte und Diener, so auf die Christen warten müssen, daß ihnen kein Leid widerfahre. Ich selbst wollte lieber einen Engel um mich haben, denn vierundzwanzig türkische Kaiser mit aller ihrer Macht und Gewalt; wenn sie gleich hundertmal tausend Büchsen bei sich hätten, so ist’s doch alles gegen einen Engel gar nichts.“

Und das ist Luthers Morgen‑ und Abendsegen:

„Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, daß du mich . . . (Am Morgen:) diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wol­lest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, daß dir all mein Tun und Leben ge­falle.
(Am Abend:) diesen Tag gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben all meine Sünde, wo ich Unrecht getan habe, und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.”

Die römisch‑katholische Kirche hat bis heute den Glau­ben an die Engel in ihrem Lehr‑ und Liedgut gepflegt. Sie feiert alljährlich am ersten Sonntag im September das Schutzengelfest und am 29. September das Michaelisfest. In ihrer Liturgie und in ihrer bildenden Kunst tritt der Engelglaube lebendig hervor.

„Die kirchlichen Verordnungen aus Karls d. Gr. Re­gierungszeit und andere Zeugnisse beweisen, daß der Michaelistag am 29. September im Reich ziemlich all­gemein gefeiert wurde.”

„Die Rolle Michaels in unserer inwendigen Ge­schichte ist kaum zu ermessen. Von ihr erzählen uns die Gebete, die Predigten, Heiligenleben und Chroniken seit der Christianisierung, die Hymnen unserer frühe­sten Dichter, die Legenden vom Seelenwürger und ‑ge­leiter, die Sagenkreise der Nibelungen, des Gral und Parzival und König Artus, die Verfassungen der Ritter­orden, das Wallfahrtsleben und die Kreuzzüge, die zahl­losen Heiligtümer auf Michaelsbergen, die Friedhofs­kapellen, die seinem Namen und seiner Verehrung ge­weihten großen Gotteshäuser zu Bamberg, Hildesheim, München und vielen anderen Städten, nicht zu reden von den Darstellungen der religiösen Kunst aller Jahr­hunderte deutscher Geschichte.“

„Wie menschlich und irdisch ist das Bild der Völker von Michael, aber wieviel vom Sinn ihres Daseins hat es sie begreifen lassen . . .!” (Jos. Bernhart, „Der Engel des deutschen Volkes”, 1934)

In der Meßliturgie werden die Engel mehrfach er­wähnt. In der Präfation heißt es: „ . . . Dich, den ewigen und wahren Gott, preisen die Engel und Erzengel, die Cherubim und Seraphim, die ohne Unterlaß Tag für Tag im Chore rufen: Heilig, heilig, heilig bist du, Gott der Heerscharen! . . .” Nach der Wandlung: „ . . . In tiefer Demut bitten wir dich, allmächtiger Gott: Dein heiliger Engel möge dieses Opfer zu deinem himm­lischen Altar emportragen vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät . . .” In einem „Gebet zu den hei­ligen Engeln” heißt es: „Heilige Engel . . . blicket mit Huld und Liebe auf mich herab und versaget mir Schwa­chen auf Erden eure kräftige Hilfe nicht. Hebet meinen Geist zu euch hinauf in den Himmel . . . Ihr erfüllet Gottes Willen auf das vollkommenste, ihr seid die treuesten Boten und Vollstrecker der göttlichen Auf­träge . . . Ihr leistet uns Menschen hilfreichen Beistand in allen Arbeiten und Kämpfen und gewähret uns Schutz in Gefahren des Leibes und der Seele. Stehet mir denn hilfreich zur Seite, besonders du, mein heiliger Schutzengel, wenn Gefahren und Feinde mir drohen, wenn Schwierigkeiten sich mir entgegenstellen . . . Ste­het mir besonders bei in meiner letzten Not, daß ich glücklich vollende und würdig befunden werde, euch zugesellt zu werden in der ewigen Glorie. Amen.“

Gemäß der apostolischen Regel prüfen wir alles Prüfenswerte und behalten das Gute (1. Thess. 5, 21). Darum ehren wir diesen frohen praktischen Engel­glauben in der katholischen Kirche, dabei aber wohl beachtend, daß die di­rekte Anrufung der Engel von der neutestamentlichen Linie abweicht.

Der Schlußsatz der „Präfation” heißt: Und sollte jemand wieder fragen: Wozu bedürfen wir eigentlich des Beistandes und Schutzes der Engel, da doch der allmächtige Gott unser Vater und der Hei­land unser Beistand, Helfer und Fürsprecher ist?, so antworten wir noch einmal:

„Hat Gott es nicht so geordnet, daß wir sogar des Schutzes und Beistandes unserer Mitmenschen bedür­fen? Wir haben uns also an Gottes Ordnungen zu halten, und wir werden gut daran tun, wenn wir allezeit den Schutz der heiligen Engel für uns erbitten, ihr Nahesein immer im Sinn behalten und uns ihres Beistandes würdig erzeigen.“

Die Engel in der Kunst

Bis zur jüngsten Gegenwart haben sich bedeutende Dichter, Künstler und Gelehrte zu dem Glauben an gute und böse Geister bekannt. Auch die beiden Großen unter den deutschen Dichtern, Schiller und Goethe, ha­ben dem Glauben an eine Engelwelt dichterischen Aus­druck verliehen.

Schiller sagt einmal:

„Lob sei dem Herrn und Dank gebracht,
der über diesem Haus gewacht,
mit seinen heil’gen Scharen
uns gnädig wollt bewahren!”

Und ein andermal:

„Es gibt böse Geister, die in des Menschen unver­wahrter Brust sich augenblicklich ihren Wohnplatz neh­men, die schnell in uns das Schreckliche begehen, und, zu der Höll entfliehend, das Entsetzen in dem befleck­ten Busen hinterlassen.“

Und Goethe gab in seinem Faust ein eindeutiges Zeugnis von dem Glauben an die Existenz, den Einfluß und das Wirken guter und dämonischer Geister. Faust ist ergriffen vom Jubel der Engel am Ostermorgen: „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!”

Und wenn Mephisto von sich sagt:

Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
ist wert, daß es zugrunde geht.
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
mein eigentliches Element”

‑ dann hat Goethe damit den biblisch offenbarten Satan gekennzeichnet und anerkannt.

Besonders reichgestaltig und bedeutsam ist das Bekenntnis zur Engelwelt, das je und je bildende Künstler in malerischen und plastischen Werken zum Ausdruck brachten.

Die ersten bildnerischen Gestaltungen des Engels be­gegnen uns ‑ im biblischen Raum ‑ bei der mosaischen Stiftshütte: die innerste vierfarbene Prachtdecke so­wie der Vorhang vor dem Allerheiligsten waren von Cherubfiguren durchwirkt, und auf dem Deckel der Bundeslade befanden sich plastische geflügelte Cheru­bim aus reinem Gold.

In der altchristlichen und mittelalterlichen Kunst wer­den die Engel mit Vorliebe und vielfältig dargestellt. Es sind allermeist jugendliche männliche Typen; Männer­engel sind selten. Den Kinderengel bringt erst das 14.Jahrhundert, den niedlichen oder schelmischen nackten Putto erst die italienische Renaissance.

„Erst das 4. Jahrhundert kennt einen Engel mit Flü­geln, und die karolingische Zeit gibt ihn sehr häufig ohne Schwingen. Das spätere Mittelalter hält wieder mit ziemlicher Regelmäßigkeit an der Beflügelung fest . . .” (H. Mendelsohn, Die Engel in der bildenden Kunst). „Fast nirgends werden an den biblischen Engeln Flügel erwähnt. Die Engel in den zahlreichen biblischen Ge­schichten sind allem Anschein nach flügellos . . . In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt hat denn auch die Kirche eine beflügelte Darstellung der Engel noch nicht geduldet, wohl vor allem darum, damit sie nicht mit den heidnischen Gestalten der Römer, den Genien, Viktorien usw. verwechselt werden konnten” (G. F. Hartlaub, Die Engel).

Was bedeutet es, wenn die Künstler die Engel mit großen Flügeln darstellen? Gewiß ‑ „der Engel hat nicht Flügel noch Schwert noch Waage, aber zu seinem Wesen und Wirken gehören die geistigen Eigenheiten, die von diesen sichtbaren Dingen bedeutet werden” (Jos. Bernhart). Die Engelflügel haben also symbolische Bedeutung, sie sind Sinnbilder für die den uns unsichtbaren Geistern innewohnende Fähigkeit, unge­hemmt durch die Schwerkraft der Erde, den Welten­raum „wie Vögel“ zu „durchfliegen“. Wenn wir uns dessen bewußt bleiben, dann stören uns die Engel­flügel der Künstler nicht mehr. Ein bildender Künstler kann ja ohne Sinnbilder nichts bilden!

Wir reden hier nicht (und wollen auch nichts wis­sen) von jenen „niedlichen Engelchen“ und „süßen Putten“, die selbst namhafte Künstler ge­staltet haben. Solche „Engelchen“ sind unbiblische Verniedlichungen einer gefühlsbetonten, irregeleiteten Frömmigkeit, der wir auch den großvaterhaften „lieben Gott“ und den frauenhaften, weichlichen „lieben Heiland“ im Volksdenken und in der Volkskunst zu ver­danken haben.

Die Engel sind keine „Putten“, keine kleinen harm­losen Wesen mit silberweißen Fittichen. Sie sind männ­liche Helden, ausgeprägte Persönlichkeiten. „Ein jeder Engel ist schrecklich“, heißt es bei Rainer Maria Rilke. (Daher der in der Heiligen Schrift öfter berichtete Zu­spruch eines erscheinenden Engels: Fürchte dich nicht!) Und bei Jos. Bernhart: „Fast mit heiligem Schrecken sehen und hören wir, was die Engel in der Heiligen Schrift bedeuten, wie die großen Kirchenlehrer des Ostens und Westens sie begreifen und wie die Kunst im alten Byzanz und in Rußland sie darstellt.“

So sind auch die Engelsgestalten unserer großen deutschen Künstler: Helden, Kämpfer, himmlische Für­sten. Es sei nur erinnert an Albrecht Dürers Michaels Kampf mit dem Drachen ‑, der den Ernst des realen übernatürlichen Geisterkampfes zwischen Licht‑ und Finsterniswelt kräftig zeichnet; an

Dürers Vier apokalyptische Reiter ‑, eine er­greifende Darstellung des Gerichtsengels, der des Aller­höchsten weltgeschichtliches Gerichtshandeln verwirk­licht; an
Dürers Verkündigung an Maria ‑, das packende Bild vom Gnaden‑ und Weissagungsengel; an
Dürers Vertreibung aus dem Paradies ‑, die Ge­staltung des im Auftrag Gottes unerbittlichen Strafvollzugsengels.

Dann sei erinnert an Rembrandts Verkündigung an die Hirten, seinen Christus am Ölberg, seinen To­bias und der Engel und seine Vision Daniels. Alles packende Bilder, gestaltet aus gläubiger Schau, aus tiefster Ein‑Bildung einer von Christus berührten Künst­lerseele.

Oder wir denken an die zahlreichen herrlichen Engel­figuren der Stein‑ und Holzplastik des Mittelalters und auch des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts! Oder an frühkirchliche Mosaike und gotische Minia­turen der Buchmalerei. Kurz ‑ bis in die Gegenwart hinein reichen die Bilder namhafter Künstler, die im Sinn‑Bild altes biblisches Offenbarungswissen von der Existenz der himmlischen Engelgeister bezeugen.

Wer solche Bildwerke lern‑ und erlebnisbereit be­trachtet, wird starke Bewußtseinsstützen durch sie er­halten!

Inmitten einer materialistischen und dem Unglauben verfallenden Zeit gewinnen christus­verbundene Menschen wieder neues Verständnis für die Wirklichkeit der Engelwelt. Welcher geistig wache Christ sollte auch heute nichts verspüren von dem heißen Ringen übermenschlicher Geister in der Mensch­heit und um die Menschheit?

„Ungeheuer sind die Umwälzungen, die sich in der Welt und in der Christenheit vollziehen. Europa, das alte christliche Abendland, verschwindet aus der Mitte der Welt . . . Es gibt keine christlichen Völker mehr . . . Wir sind Zeugen eines weltweiten Abfalls vom Glauben an Gott und den er gesandt hat, Jesus Christus . . . Der Mensch betet sich selbst, sein Blut, sein Volk, seine Macht an . . . Die Kirche wird wieder zur paroikia=Kirche, wie das Neue Testament sagt, zur Fremdlings­kirche (1. Petr.1,17; 2,11 u. a.)” ‑ so schrieb 1952 Prälat Karl Hartenstein in seiner Schrift „Die neue Stunde der Weltmission”.

Und vierzehn Jahre vorher schrieb er im Blick auf diese neue Stunde der Welt und der Weltmission („Der Pionier” 1/1938):

„Gerade wenn uns Menschen die Ohnmacht der Kirche offenbar wird, dann werden unsere Augen auf­getan für die starken Helden Gottes, für die Schar seiner heiligen Engel (2. Kön.6, 8‑23). Wir sollen unsere Häuser und Familien, unsere . . . Gemeinden umgeben sehen von dem Schutz der heiligen Engel. Das ist die Wirklichkeit der Welt Gottes, von der die Bibel zeugt.“

Christoph Blumhardt bekannte einmal: „Ich möchte keinen Tag leben, ohne zu denken, daß die Heer­scharen Gottes um uns sind, und daß sie ausgehen in alle Welt, . . . ohne zu denken: Nie und nirgends sind wir allein.“ Und wir? Leben, denken, bekennen wir auch so?

Über der Sakristeitür einer pommerschen Dorfkirche steht geschrieben: „Gott belagere uns mit Engeln.“ Die das hinschrieben wußten noch etwas von der Existenz und dem Werk der heiligen Engel.

Möchten wir auf die Frage: Gibt es überhaupt Engel? gewissen und frohen Herzens antworten können:

Gott sei Dank ‑ es gibt Engel!

Hermann Leitz, im Jahre 1900 geboren in Freiburg im Breisgau, war Lehrer und zuletzt an einer Pädagogischen Akademie. Im Ruhestand lebt er in seiner Geburtsstadt.

 

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Sprachenreden oder Zungenreden – R.Liebi

Roger Liebi

 

Sprachenreden oder Zungenreden?

 

Inhaltsverzeichnis

1. Wesen und Wirkung des Zungenredens aus der Sicht der Charismatiker

Aspekte des Zungenredens
Wunderwirkungen des Zungenredens
Auslegung der Zungenrede

2.  Dreißig Thesen zum Thema Sprachenreden in der Bibel

3.  Der biblische Befund in der Übersicht

a)  1. Mose 2
b)  1. Mose 11,1-9
c)  Jesaja 28,11-12
d)  Markus 16,15-20
e)  Apostelgeschichte 2,1-21
f)   Apostelgeschichte 10,44-48
g)  Apostelgeschichte 19,1-7
h)  1. Korinther 12-14

4. Sprachliche und exegetische Hinweise

Sprachenreden kontra Zungenreden
Neue Sprachen
Menschliche Sprachen und Dialekte
Engelsprachen
Erbauung durch Sprachenreden
Sprachverständnis und Sprachbeherrschung
Eine Gabe für alle Christen?
Verantwortlichkeit beim Sprachenreden
»Geist« kontra »Verstand«?
Quellen falscher Sprachenrede
Sprachenrede wozu?
Die Sprachenrede sollte einmal abklingen

Die Bibelzitate erfolgen nach der alten Elberfelder Übersetzung (Wuppertal-Elberfeld 1905).

 

Einleitung

Das Zungenreden ist eines der auffälligsten Kennzeichen der so genannten »Pfingstlich-Charismatischen Bewegung«. Dies gilt für alle drei Phasen ihrer Geschichte.

Die Perioden dieser religiösen Erscheinung lassen sich wie folgt umschreiben:

1. ab 1906: die Zeit der Pfingstgemeinden in aller Welt
2. ab ca. 1960: die Charismatische Bewegung innerhalb der Volks- und Freikirchen
3. ab ca. 1980: die Gemeindewachstumsbewegung mit »Power Evangelism« und ihrem starken Einfluss auf die bisher noch nicht charismatisch gewordenen Gemeindegruppen

Die Beurteilung dieser Strömung hat seit ihrem Beginn vor etwa 100 Jahren zu starken Kontroversen unter Christen geführt. Es stellt sich daher die Frage:

Handelt es sich hier um eine von Gott gewirkte Erweckung oder um eine endzeitliche Verführung im Sinn von Mat 24,11.24 und 7,21-23?

»… und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen; …

V. 24: Denn es werden falsche Messiasse und falsche Propheten aufstehen und werden große Zeichen und Wunder tun, um so, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen.

V.21: Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt, und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben, und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!«

Im Neuen Testament finden wir die Beschreibung der von Gott gewirkten Fähigkeit, fremde Sprachen zu sprechen, ohne sie zuvor gelernt zu haben. Charismatiker und Nicht-Charismatiker, welche die Wahrheit der göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift festhalten, sind sich darin völlig einig, dass im Zeitalter der Apostel dieses Sprachenwunder tatsächlich stattgefunden hat.
Es stellt sich aber die Frage, ob das heutzutage von Millionen Menschen praktizierte Zungenreden dem einstigen biblischen Phänomen entspricht oder nicht.

Im Folgenden versuche ich darzulegen, dass das heute weithin ausgeübte Zungenreden etwas ganz anderes ist als das, was wir in der Bibel finden.
Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass sich die Erscheinungen von damals bzw. heute grundsätzlich voneinander unterscheiden, und zwar so grundsätzlich, dass es sich eigentlich lohnen würde, sie auch begrifflich scharf gegeneinander abzugrenzen.
Zur sprachlichen Differenzierung
schlage ich vor, dass man im Zusammenhang mit dem Sprachenwunder im Neuen Testament von »Sprachenreden« spricht, während man die Erscheinung von heute im Gegensatz dazu konsequent als »Zungenreden« bezeichnet. Auf diesem Hintergrund erklärt sich denn auch die Titelformulierung der vorliegenden Ausarbeitung: »Sprachenreden oder Zungenreden?«.

Beim Sprachenreden handelt es sich um die von Gott durch seinen Geist geschenkte Fähigkeit, eine Fremdsprache – ohne sie zu lernen – einwandfrei zu beherrschen, so wie Adam am Tag seiner Erschaffung sogleich die Ursprache der Menschheit sprechen und auch verstehen konnte (1Mo 2), so wie die verschiedenen Menschengruppen beim Turmbau von Babel aufgrund der Sprachenverwirrung die von Gott geschaffenen neuen Sprachen perfekt anwenden und verstehen konnten (1Mo 11).

Beim heutigen von Millionen praktizierten Zungenreden handelt es sich im Gegensatz dazu um Lautäußerungen, die dem Redenden als Lautäußerungen unverständlich sind. Der Zungenredner ist lediglich Lautvermittler.
Zungenreden in diesem Sinn umfasst eine riesige Bandbreite: von platter Eigenproduktion bis hin zu übernatürlicher Inspiration. Wenn ich hier den Ausdruck »Inspiration« verwende, so habe ich damit aber im Moment noch nichts über die Quelle der Eingebung ausgesagt.

Die Feststellung, dass das verbreitete Zungenreden von heute nicht dem Sprachenreden der Bibel entspricht, birgt im Zusammenhang mit der ganzen Kontroverse um die Pfingstlich-Charismatische Bewegung große Konsequenzen in sich.
Wenn sich das Zungenreden, das ja ein derart auffälliges Kennzeichen dieser Bewegung ist, als ein völlig unbiblisches Phänomen entpuppen sollte, dann ist man doch konsequenterweise gezwungen, auch hinter alle weiteren Sondererscheinungen und ebenso hinter alle Sonderlehren dieser Bewegung ein Fragezeichen zu setzen, und zwar, indem man diese Dinge neu anhand der Bibel hinterfragt und die Geister prüft.

Beispiele für Sondererscheinungen und Sonderlehren der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung sind: Geistestaufe als zweites Erlebnis, Toronto-Segen, Geistliche Kriegsführung, Ruhen im Geist (»Slain in the Spirit«), Lachen im Geist, Tanzen im Geist, Proklamation mit Fahnen und Bannern, Visualisierung, Shepherd-Discipleship-Bewegung, Vermittlung des Heiligen Geistes, Gabentransfer, Innere Heilung, Wohlstandsevangelium, Königreichs-Theologie (»Dominion Theology«), Charismatische Spiritualität und Ökumene, Geistlicher Tod Jesu, Wiederherstellung des Apostel- und des Prophetenamtes etc. (vgl. STADELMANN: Neue Praktiken innerhalb der pfingstlich-charismatischen Bewegung). – Siehe unter www.horst-koch.de

Die vorliegenden Ausführungen gehen im Kern auf einen Teil meiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit über die Entstehung der Sprachen zurück, die ich im Jahr 2000 bei einer amerikanischen Hochschule eingereicht hatte.

 

1. Wesen und Wirkung des Zungenredens aus der Sicht der Charismatiker

Vier Aspekte des Zungenredens

1. Erweis der Geistestaufe

In der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung wird das Zungenreden von vielen als Erweis der Geistestaufe angesehen. Wer den Heiligen Geist in einem angeblich zweiten Erlebnis nach der Bekehrung empfängt (im Gegensatz zu Eph 1,13-14), muß gemäß klassischem Dogma der Pfingstbewegung in Zungen reden. Gemäß den Charismatikern, die nicht diesem Dogma folgen, ist das Zungenreden nur ein mögliches, jedoch nicht ein zwingendes Zeichen der Geistestaufe.

2. Reden, ohne zu verstehen
Charismatiker erleben das Zungenreden als ein Sprechen, bei dem der Verstand des Redenden ausscheidet. Der Zungenredner versteht seine sprachlichen Artikulationen nicht.

3. Zungengebet
Das Beten in Zungen wird von Charismatikern als besonders wirksame Form des Gebets angesehen. Es sei ein Mittel zur Selbstauferbauung im Sinn von körperlicher, seelischer und geistlicher Stärkung – obwohl man selbst nicht versteht, was man sagt. Das Zungengebet sei gegeben zur wirkungsvollen Fürbitte – selbst für unbekannte Anliegen, zur eigenen Erfrischung und Erholung, zum Schutz gegen den Schmutz der Welt, ferner zur »geistlichen Kriegführung«. Es wird betont, Zungenreden versetze in das Reich des Übernatürlichen. Im persönlichen Gebetsleben eines Charismatikers kann das Zungenreden einen großen Teil der Zeit in Anspruch nehmen.

4. Zungenbotschaften
In der Auslegung von Zungenbotschaften glauben Charismatiker, besondere Offenbarungen und Mitteilungen Gottes in der heutigen Zeit zu empfangen.

Wunderwirkungen des Zungenredens

In der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung wird dem Zungenreden, wie bereits ein wenig angedeutet, eine Vielzahl von wunderbaren Wirkungen zugeschrieben. Nachfolgend seien die wichtigsten von ihnen unter drei Punkten zusammengefasst:

1. Segenswirkungen auf den Zungenredner

Das Zungenreden soll eine tiefe und umwandelnde Wirkung auf das geistliche Leben dessen haben, der es ausübt. Es lade die geistlichen Batterien auf, und man werde bereichert im Glauben, in der Vollmacht, im Frieden, in der Freude und im Segen.

Durch das Zungenreden sollen die Einfallstore des Feindes wie Süchte und dergleichen geschlossen werden können. Gestaute Spannungen, Zorn, Groll, Bitterkeit, Rachegefühle, Angst, Neid, Ärger, Launen, böse Begierden, Eifersucht, Depressionen, Sorgen, seelische Qualen, Belastungen, ja, alles Negative könne durch das Zungenreden förmlich weggeschwemmt werden.

2. Vermittlung von Vollmacht

Die Vollmacht der eigenen Wortverkündigung werde durch das Zungenreden erhöht. Das Zungengebet sei eine besonders mächtige Waffe im Kampf gegen Dämonen. Abwehr der Finsternismächte und Austreibung von Dämonen könne wirkungsvoll stattfinden, wenn das Instrument des Zungengebets angewendet werde. Die Zungenrede sei im Kampf gegen Dämonen eine Art »Wasserwerfer« der Feuerwehr, mit dem man die Dämonen förmlich zu Boden reißen vermöge und das höllische Feuer löschen könne.

3. Vollkommene Kommunikation

Das Zungengebet sei das »vollkommene Gebet« weil es zu 100 % vom Heiligen Geist inspiriert sei – im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Gebet in der eigenen Sprache. In Zungen könne man sich viel besser ausdrücken als in seiner eigenen Muttersprache. Im Zungengebet erreiche die Anbetung ihren Höhepunkt. Der menschliche Geist sei nicht mehr an den Verstand gefesselt. Er könne sich aufschwingen und alle Begrenzung des vom Verstand kontrollierten Sprechens hinter sich lassen. Der Verstand werde beim Zungenreden ausgeschaltet. Es sei möglich, mit Gott auf einer höheren Ebene zu kommunizieren, von Geist zu Geist. Man könne mit Gott Kontakt in einer neuen Dimension erreichen und sich in geistlicher Stärke in der Liebe Gottes bewahren.

Auslegung der Zungenrede

Die Auslegung der Zungenrede geschehe nicht durch den Verstand des Auslegers, sondern durch direkte Inspiration des Geistes Gottes. Der Ausleger verstehe niemals die Zunge, von der er die Auslegung gibt. Es sei auch nicht seine Aufgabe, gleichwertige Ausdrücke in seiner eigenen Sprache für die übernatürlichen Worte zu finden. Bei der Zungenrede handle es sich um völlig unbekannte Worte. Die Auslegung sei in demselben Maß ein Wunder wie die ursprüngliche Äußerung in Zungen.

Im Folgenden wollen wir dem Sprachenreden in der Bibel auf den Grund gehen. Wir untersuchen genau, was die Heilige Schrift über das Wesen und die Wirkungen des Sprachenredens aussagt. Dadurch werden wir schließlich in die Lage versetzt werden, das biblische Sprachenreden und Sprachenauslegen mit dem charismatischen Zungenreden und Zungenauslegen von heute zu vergleichen und zu kontrastieren.

2. Dreißig Thesen zum Thema »Sprachenreden in der Bibel«

Worum handelte es sich eigentlich beim Sprachenreden zu biblischen Zeiten? Wie geschah das Sprachenreden?

Nachfolgend stelle ich 30 Thesen zu dieser Thematik auf. Es handelt sich zunächst einfach einmal um unbewiesene Behauptungen. Gewisse Thesen können Charismatiker problemlos nachvollziehen und bestätigen, doch einen Teil der nachfolgenden Aussagen werden sie entschieden verwerfen. Wie dem auch sei: Wir werden im Anschluss daran alle Thesen näher erläutern und anhand des Bibeltexts untersuchen.

1. Gott ist der Urheber aller natürlichen menschlichen Sprachen, von denen es übrigens – heutzutage – ohne die Dialekte zu zählen – mindestens ca. 6800 gibt (vgl. 1Mo 2 und 11).

2. Da menschliche Sprachen eigentlich Gottessprachen sind (Folgerung aus These 1), eignen sie sich alle dazu, Träger des Wortes Gottes zu sein. Dies gilt sowohl für die Sprachen des inspirierten und vollkommenen biblischen Urtextes (Hebräisch, Aramäisch und Griechisch) als auch für die natürlichen Sprachen der Bibelübersetzungen in aller Welt. (Heutzutage gibt es Übersetzungen der Bibel bzw. von Bibelteilen in über 2300 Sprachen.)

3. Die Sprachen der biblischen Sprachenredner waren im Vergleich zu den Sprachen, die Gott Adam bei seiner Erschaffung und den verschiedenen Sippen anlässlich der Sprachenverwirrung zu Babel eingab, keine höheren Kommunikationsmittel.

4. Bei der Gabe der Sprachenrede in der Bibel handelte es sich um eine übernatürliche Gabe von Gott.

5. Der Heilige Geist vermittelte die Fähigkeit zur Beherrschung von Fremdsprachen.

6. Die Sprachenredner beherrschten diese Fremdsprachen, ohne sie sich je zuvor in einem Lernprozess angeeignet zu haben.

7. Die biblischen Sprachenredner beherrschten ihre jeweiligen Fremdsprachen aktiv. Ihr menschlicher Geist wirkte aktiv bei der Sprachproduktion.

8. Die Beherrschung schloss selbst die korrekte Aussprache mit ein.

9. Die biblischen Sprachenredner beherrschten nicht nur bestimmte Hauptsprachen, sondern sogar verschiedene Dialekte.

10. Beim Sprachenreden in der Bibel handelte es sich nicht um ein Gestammel, um unartikulierte Laute oder um einen Schwall von Lauten mit fehlender Prosodie, sondern um wirkliche Sprachen. (Die Prosodie beinhaltet den rhythmischen und metrischen Aspekt der Sprache im Zusammenhang mit Ton, Intonation, Akzent und Länge. In der Prosodik, einem Teilgebiet der Phonologie, beschäftigt man sich mit diesem Gebiet).

11. Die biblischen Sprachenredner wirkten nicht als Medien. Ihr Bewusstsein bzw. ihr Verstand / Intellekt war nicht passiv, eingeschränkt oder gar ausgeschaltet.

12. Die biblischen Sprachenredner waren sich daher auch immer dessen, was sie sagten, voll und ganz bewusst. Sie waren ja die Redenden, mit Hilfe des Heiligen Geistes.

13. Die biblischen Sprachenredner waren beim Sprechen in einem nüchternen Zustand der völligen Selbstkontrolle.

14. Die Selbstkontrolle beinhaltete insbesondere auch die sprachliche Selbstkontrolle.

15. Der Inhalt der Sprachenrede sollte den Zuhörern Auferbauung vermitteln.

16. Die Aussage der Sprachenrede bewirkte Auferbauung, nicht das übernatürliche Phänomen an sich.

17. Die Sprachenrede hatte nur einen Sinn, wenn die anwesenden Zuhörer den Inhalt verstehen konnten. Falls die Anwesenden die jeweilige Fremdsprache nicht verstanden, musste für Übersetzung gesorgt werden.

18. Der Sprachenredner wurde immer geistlich erbaut (genauso wie beim Beten oder Predigen in der Muttersprache, weil er stets wusste, was er sagte. (Beim Predigen kann man oft die Erfahrung machen, dass man von den eigenen Darlegungen geistlich noch mehr profitiert als die Zuhörer. Durch das Beten in der Muttersprache erfährt man in der Gemeinschaft mit Gott stets Stärkung und Auferbauung, weil man dadurch immer wieder ganz neu auf den HERRN ausgerichtet wird).

19. Nicht alle Christen der Anfangszeit konnten in Sprachen reden, sondern nur gewisse, die in Gottes souveräner Auswahl diese Gabe bekommen hatten.

20. Es gab nur einen Typ von Sprachenrede im NT. Bei der Sprachenrede von Apg 2 handelte es sich um dasselbe Phänomen wie in 1Kor 12-14.

21. In Sprachen konnte geredet, gesungen oder gebetet werden.

22. Sprachenredner durften sich nur einer nach dem anderen äußern, niemals mehrere gleichzeitig.

23. In einer Gemeindezusammenkunft durften höchsten drei Sprachenredner einen Dienst tun.

24. Die übernatürliche Sprachengabe sollte insbesondere dem Volk Israel bezeugen, dass mit Pfingsten (Apg 2) ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Weltmission, begonnen hatte: Gott spricht seitdem nicht mehr überwiegend lediglich in einer Sprache (Hebräisch) zu einem Volk (Israel) – sondern in vielen Sprachen zu allen Völkern.

25. Obwohl die Gabe des Sprachenredens in erster Linie für das ungläubige Israel gegeben wurde, durfte diese Gabe auch zum Nutzen der Gläubigen in den Gemeindezusammenkünften verwendet werden.

26. Die biblische Sprachenrede sollte allmählich verklingen und – im Gegensatz zu verschiedenen anderen Gaben – nicht bis zur Wiederkunft Christi bestehen bleiben.

27. Das heutzutage vielfach propagierte und von Millionen praktizierte Zungenreden entspricht nicht dem biblischen Phänomen der Sprachenrede.

28. Bei der vielfach verwendeten Bezeichnung »Zungenreden« handelt es sich um eine falsche Wiedergabe der griechischen Wendung en glossais lalein. Korrekt muss man diese verbale Wortkette im Deutschen mit »Sprachenreden« bzw. »Fremdsprachenreden« übersetzen.

29. Diejenigen, welche die Gabe der Auslegung / Übersetzung erhalten hatten, waren von Gott befähigt worden, die fremde Sprache des Sprachenredners wirklich zu verstehen. Sie besaßen ein solches Sprachverständnis wie Adam, der nach seiner Erschaffung Gottes Sprache sogleich verstehen konnte (1Mo 2), und wie die Menschen nach der Sprachenverwirrung, die jeweils ihre neue Sprache verstehen konnten, ohne sie gelernt zu haben (1Mo 11).

30. Die Ausleger der Sprachenreden übersetzten das Gesprochene. Sie brauchten keine spezielle Offenbarung darüber, was die Sprachenrede bedeutet haben soll, da sie die zu übersetzenden Fremdsprachen real verstanden.

 

3. Der biblische Befund in der Übersicht

In der Bibel gibt es acht eindeutige Abschnitte, in denen das Phänomen des Sprachenredens behandelt wird. – In gewissem Sinn gehören die Heilungen von Tauben und Stummen durch den Messias Jesus (Jes 35,4-6) auch in die Nähe dieser Thematik. Die Evangelien bezeugen eine Reihe von solchen Fällen, in denen Menschen nach der Heilung ohne Lernprozess plötzlich sprechen konnten: vgl. Mat 9,32-33 (Stummer); Mat 11,5 (Tauber); Mat 12,22 (Stummer); Mat 15,30-31 (Stumme); Mark 7,32-37 (Tauber, der schwer redete); Mark 9,17.25 (Taubstummer); Luk 7,22 (Taube); Luk 11,14 (Stummer).

Diese Stellen unterscheiden sich graduell abgestuft von der vorliegenden Thematik. Deshalb habe ich sie nicht unter die acht klassischen Abschnitte über das Sprachenreden aufgenommen.

Drei Stellen finden sich im AT, die fünf weiteren stehen im NT. Es ist wichtig, alle Abschnitte genau zu untersuchen, um den biblischen Befund zu dem vorliegenden Thema vollständig überblicken zu können. Es handelt sich um folgende Texte:

1. 1Mo 2,16-17.19-20.23
2. 1Mo 11,1-9
3. Jes 28,11-12
4. Mark 16,15-20
5. Apg 2,1-21
6. Apg 10,44-48
7. Apg 19,1-7
8. 1Kor 12-14

Nachfolgend seien sie zunächst im Sinn einer Bestandsaufnahme zitiert, verbunden mit einer Charakterisierung und Umschreibung ihres jeweiligen Kontexts:

a) 1. Mose 2

Sprachverständnis von allem Anfang an

In 1Mo 2,16 und 17 wird davon berichtet, wie Gott mit Adam, gleich nach dessen Erschaffung, einen Bund geschlossen hat. (Vgl. Hos 6,7).

»Und der HERR, Gott, gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen. Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen, denn an dem Tag, da du davon issest, wirst du gewisslich sterben.«

Adam war gemäß dieser Stelle von Beginn seiner Existenz an in der Lage, Gottes Sprechen zu verstehen, ohne dass er dies zuerst hätte lernen müssen. Hier haben wir den ersten Fall von biblischem Sprachenreden vor uns. Adam konnte Gottes Rede sofort verstehen. Sein Sprachzentrum – das Wernickesche Zentrum im Temporallappen – war seit Anbeginn bereits vorprogrammiert und voll funktionsfähig. Zum ersten Mal sehen wir hier in der Bibel, dass Gott dem Menschen die Fähigkeit geben kann, eine Sprache, die er nie gelernt hat, sofort zu verstehen. Diese Feststellung wird noch wichtig werden, wenn wir uns im NT mit der Gabe der Auslegung bzw. der Übersetzung des Sprachenredens beschäftigen werden. Übersetzung einer Sprachenrede bedeutet, dass der Übersetzer durch Gottes Wunderwirkung die fremde Sprache tatsächlich versteht und sie in seine eigene Sprache übertragen kann!

Sprechfähigkeit von allem Anfang an

Gemäß 1Mo 2,23 war Adam von seiner Entstehung an auch fähig, sich durch eine artikulierte Sprache aktiv auszudrücken. Nach der Erschaffung Evas durch eine Art »Klonen« aus einer Rippe artikulierte sich Adam in einem romantischen, in Verszeilen gepackten Ausspruch:

»Da sagte der Mensch:
Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch; diese soll Männin [hebr. ’ishah] heißen, denn vom Mann [hebr. ’ish] ist sie genommen.«

Dies geschah noch am selben Tag, an dem Adam ins Dasein gekommen war (vgl. 1Mo 1,26-31). – (Eva wurde ja auch am sechsten Schöpfungstag erschaffen. Dass eine saubere Bibelauslegung zur Auffassung führen muß, dass die Schöpfungstage normale Tage, d.h. keine ausgedehnten Zeitperioden waren, wird z.B. in folgender Publikation nachgewiesen: OUWENEEL: Gedanken zum Schöpfungsbericht).

Daraus lässt sich schließen, dass das motorische Sprachzentrum – das Brocasche Feld – im Gehirn des ersten Menschen vorprogrammiert war und so ohne Lernprozess Sprechakte produzieren könne.

Befähigung zur Neubildung von Wörtern

Aus 1Mo 2,19-20 geht ebenso hervor, dass Adam vom Tag seiner Erschaffung an in der Lage war, neue Wörter zu erfinden und somit sein Vokabular durch so genannte Neologismen zu erweitern und zu bereichern:

»Der HERR, Gott, hatte ja aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels gebildet, und so brachte er sie nun zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde. Und wie irgend der Mensch ein lebendes Wesen nennen würde, so sollte sein Name sein. Und der Mensch gab Namen allem Vieh und den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes.«

b) 1. Mose 11,1-9

Nach der Sintflut hatte die Urgesellschaft in Babel eine einzige gemeinsame Sprache. Infolge ihres Hochmuts und ihrer Rebellion gegen Gott verwirrte der HERR ihre Sprache, indem er verschiedenen Sippen neue Sprachen eingab. Alle Sippen, die eine neue Sprache bekamen, verloren ihre ursprüngliche. Dafür beherrschten sie die jeweils neue Sprache ohne vorangegangenen Lernprozess. Das war nichts anderes als ein von Gott gewirktes Sprachenreden.

Wie bei Adam und seiner Frau in 1Mo 2, so erhielten die Menschen auch in Babel durch göttliche Eingebung ein komplettes Sprachsystem geschenkt, das sie selbstständig einsetzen konnten, ohne dass irgendwie ihr Wille, ihr Verständnis, ihre Selbstkontrolle eingeschränkt wurde. Sie erhielten von Gott zweierlei: die Fähigkeiten zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion im Rahmen eines Sprachsystems, das sie nie zuvor gelernt hatten. Sowohl das Wernickesche Zentrum im Gehirn als auch das Brocasche Feld wurden von Gott völlig neu programmiert. Dies geschah so, dass die Persönlichkeit der Menschen zu 100 % gewahrt blieb.

Durch das Sprachenwunder von Babel sollte die Menschheit in verschiedene Nationen aufgeteilt und über das ganze Erdenrund hinweg zerstreut werden.

1Mo 2 zufolge gab Gott dem Menschen anfänglich eine Sprache. Der Bericht, wie Gott der Menschheit weitere Sprachen vermittelte, findet sich in 1Mo 11,1-9:

»Und die ganze Erde hatte die gleiche Sprache und die gleichen Wörter. Und es geschah, als sie nach Osten zogen, da fanden sie eine Ebene im Land Sinear und wohnten dort.
Da sprachen sie einer zum andern: Auf, lasst uns Ziegel streichen und hart brennen! Der Ziegel diente ihnen als Stein, und der Asphalt diente ihnen als Mörtel.
Sie sprachen: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm, dessen Spitze an den Himmel reiche, und machen wir uns einen Namen, dass wir nicht zerstreut werden über die ganze Erde!
Da fuhr der HERR herab, um die Stadt und den Turm zu besehen, welche die Menschensöhne bauten.
Darauf sprach der HERR: Siehe, sie sind ein Volk, und haben alle eine Sprache, und dies haben sie angefangen zu tun; und nun wird ihnen nichts verwehrt werden, was sie zu tun ersinnen.
Auf, lasst uns hinabfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass sie einer des andern Sprache nicht verstehen!
Da zerstreute sie der HERR von dort aus über die ganze Erde. So hörten sie auf, die Stadt zu bauen.
Darum gab man ihr den Namen Babel, weil der HERR dort die Sprache der ganzen Erde verwirrt hatte. Und von dort zerstreute sie der HERR über die ganze Erde.«

Der Name Babel geht zurück auf die Wortwurzel balal. Sie besitzt im Hebräischen die Grundbedeutung »vermischen«. Dieses Wort wird im Alten Testament in den meisten Stellen dann verwendet, wenn es speziell um Vermengung von Öl mit Mehl geht.  Eine solche Vermischung von Öl mit Mehl führt bekanntlich zu einem völlig unentwirrbaren Ergebnis. Dadurch, dass Gott der Urmenschheit eine Vielzahl von neuen Sprachen eingegeben hatte, entstand für die Menschheit ein unentwirrbares Kommunikationsproblem. Bis zum heutigen Tag konnte diese Schwierigkeit nicht überwunden werden. Daraus erklärt sich die im Kontext von 1Mo 11 geforderte sekundäre Bedeutung von balal im Sinn von »verwirren« (1Mo 11,9). Davon abgeleitet bedeutet der Städtename »Babel« ganz einfach »Verwirrung«.

c) Jesaja 28,11-12

Jesaja kündigte um 700 v.Chr. an, dass der Ewige dereinst durch fremde Sprachen zu dem Volk Israel reden würde. Obwohl dieses Ereignis die besondere Aufmerksamkeit der Angesprochenen erwecken sollte, würde Israel als Nation leider auch dennoch keineswegs bereit sein, auf diese Botschaft zu hören:

»Ja, durch stammelnde Lippen und durch eine fremde Sprache wird er zu diesem Volke reden, er, der zu ihnen sprach: Dies ist die Ruhe, schafft Ruhe dem Ermüdeten; und dies die Erquickung! Aber sie wollen nicht hören.«

In 1Kor 14,21 zitierte der Apostel Paulus diese Jesaja-Verse und bezog sie ausdrücklich auf das neutestamentliche Sprachenreden:

»Es steht in dem Gesetz geschrieben [Jes 28,11-12]: »Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr. Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Der inspirierte Schreiber folgerte aus dieser Stelle, dass dieses Zeichen insbesondere für Ungläubige bestimmt sei (1Kor 14,22), allerdings nur, wenn die Angesprochenen diese Fremdsprachen auch selbst verstehen, sonst würden sie ja fast gezwungenermaßen denken, dass die Sprachenredner verrückt seien. Dieses Problem wird im folgenden Vers angesprochen (1Kor 14,23):

»Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle in Sprachen redeten, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid?«

d) Markus 16,15-20

Nach seiner siegreichen Auferstehung gab der Herr Jesus Christus seinen 11 Aposteln den Auftrag zur Weltmission. Diese neuartige Botschaft sollte durch verschiedene Zeichen bestätigt werden. Eines dieser Zeichen würde das Phänomen des Sprachenredens sein:

»Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Diese Zeichen aber werden denen folgen, welche glauben:
In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden; Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden. Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber gingen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen.«

e) Apostelgeschichte 2,1-21

Am Pfingsttag wurde der Heilige Geist über die messianisch-gläubigen Juden in Jerusalem ausgegossen. Dieses Ereignis markierte einen tiefen Einschnitt bzw. einen Neuanfang in der Heilsgeschichte: Durch die Taufe mit dem Heiligen Geist wurde die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, gegründet (1Kor 12,13). An diesem Tag erfüllte sich die Verheißung aus Jes 28 und Markus 16 zum ersten Mal. Die Jünger Jesu begannen, in allen möglichen Fremdsprachen und Dialekten, die sie zuvor noch nie gelernt hatten, die großen Taten Gottes zu verkündigen (Apg 2,4-11).

Dieses Zeichen symbolisierte gegenüber Israel, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer jeweiligen Sprache gebracht werden, ganz gemäß dem Vier-Punkte-Programm des Weltmissions-Mandats aus Apg 1,8:

1. Jerusalem
2. Judäa
3. Samaria
4. bis ans Ende der Erde

Da dieses Geschehen mit dem jüdischen Tempelfest »Schavuoth« (= Pfingsten) zusammenfiel, waren, neben den Besuchern aus Städten und Dörfern des Landes Israel, unzählige Juden aus dem ganzen römischen Weltreich und selbst aus Ländern darüber hinaus nach Jerusalem zu Besuch gekommen. Diese Juden konnten die vielen Fremdsprachen, welche die für ihre fehlende Formalbildung bekannten Galiläer sprachen, verstehen. Dies brachte die Hörer in Verlegenheit. Die Einheimischen konnten damit allerdings gar nichts anfangen. Sie taten das Phänomen mit dem Verweis auf Trunkenheit spottend ab.

Pfingsten war die Umkehrung der babylonischen Sprachenverwirrung. Babel bedeutete Trennung und dass man sich nicht mehr verstehen konnte. In Jerusalem kam es im Kontrast dazu an Pfingsten zu einer Zusammenführung und Vereinigung in Christus. Durch das Evangelium sollten Kultur-, Rassen- und Sprachbarrieren abgebrochen werden. An Pfingsten 32 n.Chr. wurde dies zum ersten Mal zeichenhaft demonstriert.

Der Arzt Lukas beschrieb das Wunder des Sprachenredens in Verbindung mit dem Pfingstereignis im zweiten Teil seines biblischen Doppelwerks (Apg 2,1-21):

»Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle einmütig an einem Ort beisammen. Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem daherfahrenden, gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen. Und sie wurden alle mit Heiligem Geiste erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer, von jeder Nation derer, die unter dem Himmel sind. Als sich aber das Gerücht hiervon verbreitete, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, weil jeder Einzelne in seiner eigenen Mundart sie reden hörte. Sie entsetzten sich aber alle und verwunderten sich und sagten zueinander: Siehe, sind nicht alle diese, die da reden, Galiläer? Und wie hören wir sie, ein jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind: Parther und Meder und Elamiter, und die Bewohner von Mesopotamien und von Judäa und Kappadocien, Pontus und Asien, und Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden von Libyen gegen Kyrene hin, und die hier weilenden Römer, sowohl Juden als Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden!  Sie entsetzten sich aber alle und waren durcheinander und sagten einer zum anderen:
Was soll dies wohl sein? Andere aber sagten spottend: Sie sind voll süßen Weines. Petrus aber stand auf mit den Elfen, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Männer von Judäa, und ihr alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, dies sei euch kund, und nehmt zu Ohren meine Worte! Denn diese sind nicht trunken, wie ihr meint, denn es ist die dritte Stunde des Tages; sondern dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist [Joel 3,1-5]:
›Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, dass ich von meinem Geiste ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Träume haben; und sogar auf meine Knechte und auf meine Mägde werde ich in jenen Tagen von meinem Geiste ausgießen, und sie werden weissagen. Und ich werde Wunder geben in dem Himmel oben und Zeichen auf der Erde unten: Blut und Feuer und Rauchdampf; die Sonne wird verwandelt werden in Finsternis und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt. Und es wird geschehen, ein jeder, der irgend den Namen des Herrn anrufen wird, wird errettet werden.‹«

Beim Sprachenreden am Pfingsttag handelte es sich offensichtlich um eine Erscheinung, die in ihrem Wesen deutliche Parallelen und Kontraste mit dem nachsintflutlichen Ereignis der Sprachenverwirrung aufweist. In gewissem Sinn könnte man das Pfingstereignis als Umkehrung der Turmbaugeschichte aus 1. Mose bezeichnen. Apg 2 bildet den neutestamentlichen Kontrapunkt zu 1Mo 11.

Die Jünger Jesu redeten in allen möglichen existierenden Fremdsprachen. Die Juden aus dem Ausland hörten die Jünger Jesu in vielen verschiedenen Sprachen und Dialekten ihrer Herkunftsländer sprechen (Apg 2,5-12). Es handelte sich nicht um ein Hörwunder, wie zuweilen aufgrund von Apg 2,8 fälschlicherweise behauptet wird, sondern tatsächlich um ein Sprechwunder, denn Apg 2,4 bezeugt klar, dass sich die Jünger Jesu in fremden Sprachen artikulierten.

f) Apostelgeschichte 10,44-48

Bis zu dem in Apg 10 beschriebenen Zeitpunkt herrschte unter den messianisch-gläubigen Juden die Meinung vor, dass Nichtjuden, die zum Glauben an den Erlöser Jesus Christus gekommen waren, durch eine Proselyten-Taufe zum Judentum übertreten sollten. Nur auf diese Weise sollte es möglich sein, dass auch sie den Heiligen Geist empfangen würden, so wie dies mit den jüdischen Christen am Pfingsttag geschehen war (Apg 2).
Als der Apostel Petrus jedoch das Evangelium nach langem Zögern dem römischen Hauptmann Kornelius und denen, die ihm nahe standen, verkündigte, empfingen diese den Heiligen Geist, sobald sie die Frohe Botschaft im Glauben angenommen hatten. Dies entspricht dem apostolischen Lehrgrundsatz aus Eph 1,13-14: Auf den rettenden Glauben an das Evangelium folgt die Versiegelung mit dem Heiligen Geist. Was davon abweicht, ist als Sonderfall anzusehen. Vgl. Apg 2,38: Von den Juden am Pfingsttag wurde mehr verlangt als von den Heiden in Apg 10, nämlich das zuvor erfolgte Taufbekenntnis zu dem verworfenen Messias. Apg ,14-17: Samariter, die als mit den Juden verfeindetes Volk zuerst durch Handauflegung die Einheit mit den jüdischen Gläubigen anerkennen mussten.

Der Beweis dafür war die Tatsache, dass diese Römer begannen, in für sie selbst bislang fremden Sprachen Gott zu loben, und dies zu Beginn noch ohne dass sie getauft worden waren. Die jüdischen Begleiter des Apostels hörten und verstanden diese Gebete. Sie gerieten außer sich, da sie so etwas als unmöglich angesehen hatten. Weil diese Juden die Fremdsprachen – (Plural »Sprachen« in Apg 10,46) – der Römer im Haus des Kornelius verstanden hatten, liegt es auf der Hand, dass es sich wohl um Hebräisch und sogenanntes jüdisch-palästinensisches Aramäisch gehandelt hat, was im Mund dieser Heiden damals wirklich etwas Besonderes war. Dieses Ereignis sollte demonstrieren, dass Gott bekehrte Heiden in seine Kirche / Gemeinde aufnimmt, und zwar ohne dass sie zuvor durch eine Proselyten-Taufe Juden werden mussten.

Apg 10, 44: Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten. Und die Gläubigen aus der Beschneidung, – (d.h. die Gläubigen aus dem Judentum, in dem man die Knaben am 8. Tag nach der Geburt zu beschneiden pflegte (3Mo 12,3) – so viele ihrer mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich, dass auch auf die Nationen (d.h. auf die Heiden, die nichtjüdischen Völker) die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war; denn sie hörten sie in Sprachen reden und Gott erheben. Dann antwortete Petrus: Könnte wohl jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft würden, die den Heiligen Geist empfangen haben, gleichwie auch wir? Und er befahl, dass sie getauft würden in dem Namen des Herrn. Dann baten sie ihn, etliche Tage zu bleiben.«

g) Apostelgeschichte 19,1-7

Als Paulus um 54 n.Chr. nach Ephesus gekommen war, begegnete er etwa zwölf Jüngern von Johannes dem Täufer. Diese Gläubigen hatten den Heiligen Geist nie empfangen. Das Pfingstereignis (Apg 2) war ihnen fremd und wohl noch vieles andere, was mit der Lehre des Christentums zentral in Verbindung steht. Paulus führte sie weiter. Als Zeichen seiner Identifikation mit ihnen, die darauf von Paulus die apostolische Evangeliumsverkündigung angenommen hatten, legte er ihnen die Hände auf. – (Im israelitischen Opferdienst spielte die Handauflegung eine sehr wichtige Rolle. Durch sie machte sich der Opfernde mit dem Opfer eins. Anstelle des Opfernden starb darauf das Opfer 3Mo 1,4; 4,29). – Dadurch, dass diese Männer die apostolische Handauflegung akzeptierten, machten sich diese bis dahin alttestamentlich Gläubigen ihrerseits mit den neutestamentlich Gläubigen eins. Als sie den Heiligen Geist empfingen, begannen sie in anderen Sprachen zu sprechen.

Hier steht das Sprachenreden in Verbindung mit diesem dramatischen Schritt, wo Gläubige im Sinn des AT Gläubige im Sinn des NT wurden:

[1] Es geschah aber, während Apollos in Korinth war, dass Paulus, nachdem er die oberen Gegenden durchzogen hatte, nach Ephesus kam. Und nachdem er etliche Jünger gefunden hatte,
[2] sprach er zu ihnen: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid? Sie aber sprachen zu ihm: Wir haben nicht einmal gehört, dass der Heilige Geist da ist.
[3] Und er sprach zu ihnen: Worauf seid ihr denn getauft worden? Sie aber sagten: Auf die Taufe Johannes’.
[4] Paulus aber sprach: Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volk sagte, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm käme, das ist an Christus Jesus.
[5] Als sie es aber gehört hatten, wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft;
[6] und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und weissagten.
[7] Es waren aber insgesamt etwa zwölf Männer.«

Es fällt auf, wie stark die drei einzigen Stellen, die in der Apostelgeschichte vom Sprachenreden handeln, in Verbindung mit der Anfangszeit des Christentums stehen:

• In Apg 2 haben wir den Beginn der Gemeinde vor uns.
• In Kapitel 10 werden die Nichtjuden zum ersten Mal offiziell in die
   Gemeinde eingeführt.
• In Apg 19 geht es um den Übergang vom AT zum NT.

h) 1. Korinther 12-14

Paulus belehrte die Christen in Korinth allgemein über das Thema der geistlichen Gaben. Neben vielen anderen Manifestationen des Heiligen Geistes wird hier in allen drei Kapiteln über die Gabe des Sprachenredens gesprochen. In Korinth gab es diversen Missbrauch der Gaben und ebenso unordentliche Anwendungen derselben. Daher sind diese Kapitel charakterisiert durch allgemeine Belehrung einerseits und spezifische Korrektur andererseits. Über das innere Wesen des Sprachenredens erfahren wir allerdings nirgendwo im NT so viel Detailliertes wie hier, und zwar insbesondere in 1Kor 14.

In Kapitel 12 geht es um die Vielfalt der Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Diese Vielfalt äußert sich in einer Vielfalt von verschiedenen Gaben, Diensten und Wirkungen.

In 1Kor 13 geht es um die Wichtigkeit der Liebe. Die Liebe Gottes muss das Motiv sein beim Gebrauch der von ihm gewirkten Gaben.

In Kapitel 14 geht es um das Thema des Nutzens. Die Gaben müssen in den Gemeindezusammenkünften so eingesetzt werden, dass sie anderen Menschen zur Erbauung gereichen. Es darf niemals um Selbstdarstellung gehen. Mit den Gaben soll man nicht sich selbst dienen, sondern anderen Menschen, den Mitgeschwistern und den Ungläubigen.

Um dieses Thema prägnant darstellen zu können, wählte Paulus zwei Gaben aus, die er einander gegenüberstellte:
das Sprachenreden und die Weissagung, d.h. das durch den Geist Gottes geleitete Reden zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung.

Wenn keine fremdsprachigen Personen anwesend sind – so die Belehrung des Apostels –, nützt das Sprachenreden gar nichts.
Der Sprachenredner selbst hat zwar einen Nutzen (1Kor 14,4a), weil er – und dazu natürlich auch Gott, der Hörer von Gebet – genau weiß, was er sagt (1Kor 14,2). Aber die anderen Menschen werden – im Gegensatz zu ihm – nicht erbaut (1Kor 14,4.6.17), weil das Gesagte für sie ein sprachlich codiertes Geheimnis ist (1Kor 14,2), die Hörer haben keinen Nutzen, weil sie nicht wissen, was geredet wird (1Kor 14,9).
Der Redende ist für sie ein Barbar (1Kor 14,9). Sie nehmen die Stellung von Unkundigen ein (1Kor 14,16). Deshalb können sie die Sprachenrede auch nicht mit einem bekräftigenden »Amen« (= »so sei es!«) bestätigen (1Kor 14,16).

Die Hörer können also so nicht unterwiesen werden (1Kor 14,19). Fällt hier nicht auf, dass einzig und allein nur von den anderen, den Zuhörern, gesagt wird, dass sie beim Sprachenreden einen Nachteil haben können, niemals aber von dem Redenden? Wie kann man da noch der Meinung sein, der Sprachenredner wüsste nicht, was er sagt? Eine solche Auffassung widerspricht dem gesamten Text in 1Kor 14!
Der Sprachenredner zu biblischen Zeiten wusste immer, was er sagte,
er wurde erbaut, und zwar durch den Inhalt des Gesagten. Es ist ja offensichtlich nicht das übernatürliche Phänomen an sich, das Auferbauung bringt, sondern die dadurch vorgebrachte Aussage.
Sobald die Sprachenrede für die Hörer durch Übersetzung verständlich gemacht werden konnte, wurde auch ihnen Auferbauung zuteil (1Kor 14,5).
Der Redner selbst erhielt aber in jedem Fall Auferbauung (1Kor 14,4). Doch pure Selbstauferbauung ist ein zu geringes Ziel. Jede Ausübung einer Gabe soll den anderen im Auge haben.

Der Bibeltext spricht mit keinem Wort von besonderen Gefühlen, auch nicht von all den in Kapitel 1 dieses Buches genannten so hoch gepriesenen Wirkungen, die Charismatiker ihrem Zungenreden zuschreiben. Diese Zuschreibungen sind reine Fantasie, die man nicht in den Aussagen des Wortes Gottes finden kann, weder in 1Kor 14 noch irgendwo sonst in der Bibel!

Es folgt der Text von 1Kor 12-14:

12,1 Was aber die geistlichen (Wirkungen = griech. pneumatikos = Offenbarung/Gabe) betrifft, Brüder, so will ich nicht, dass ihr unkundig seid.
2   Ihr wisst, dass ihr, als ihr von den Heiden wart, zu den stummen Götzenbildern hingeführt wurdet, so wie ihr irgend [zu ihnen] hingerissen wurdet.
3   Deshalb tue ich euch kund, dass niemand, im Geist Gottes (in der Kraft) redend, Jesus verflucht nennt, und es kann niemand Jesus Herrn nennen als nur im Heiligen Geist.
4   Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, (Griech. charisma = unverdientes Geschenk. Vgl. Röm 6,23; 1Kor 7,7) aber es ist derselbe Geist;
5   und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und doch ist es derselbe Herr;
  und es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt.
7   Einem jeden aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben.
8   Denn einem wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist;
9   einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen in demselben Geist,
10 einem anderen aber Wunderwirkungen, einem anderen aber Weissagung, einem anderen aber Unterscheidungen der Geister; einem anderen aber [verschiedene] Arten von Sprachen, –
     (Griech. glossa = Sprache, Fremdsprache, Zunge (als Organ im Mund) – einem anderen aber Übersetzung der Sprachen.
11 Alles dieses aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will. (Der Heilige Geist ist eine Person. Eine Person besitzt Wille (»wie er will«), Gefühl (Eph
     4,30; Röm 15,30) und Handlungsfähigkeit (»wirkt«; »austeilend«).
12 Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des einen Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch der Christus. (»Christus« hier = der Leib = Christus vereinigt mit
     den Erlösten der Gemeinde (vgl. 1Kor 1,13; Eph 3,4-6).
13 Denn auch in (d.h. in der Kraft) einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle zu einem Geist getränkt worden.
14 Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.
15 Wenn der Fuß spräche: Weil ich nicht Hand bin, so bin ich nicht von dem Leib; ist er deswegen nicht von dem Leib? (das Problem des Minderwertigkeitskomplexes).
16 Und wenn das Ohr spräche: Weil ich nicht Auge bin, so bin ich nicht von dem Leib; ist es deswegen nicht von dem Leib?
17 Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn ganz Gehör, wo der Geruch?
18 Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen an dem Leib, wie es ihm gefallen hat.
19 Wenn aber alle ein Glied wären, wo wäre der Leib?
20 Nun aber sind der Glieder zwar viele, der Leib aber ist einer.
21 Das Auge kann nicht zu der Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füssen: Ich bedarf euer nicht; – (das Problem des Überlegenheitskomplexes).
22 sondern vielmehr die Glieder des Leibes, die schwächer zu sein scheinen, sind notwendig;
23 und die uns die unehrbareren des Leibes zu sein dünken, diese umgeben wir mit reichlicherer Ehre; und unsere nichtanständigen haben desto reichlichere Wohlanständigkeit;
24 unsere wohlanständigen aber bedürfen es nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt, indem er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat,
25 damit keine Spaltungen in dem Leib seien, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten.
26 Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit.
27 Ihr aber seid Christi Leib, (Es heißt hier nicht »Ihr seid der Leib Christi«, sondern »Ihr seid Leib Christi« (ohne Artikel). Die Ortsgemeinde ist nicht der Leib Christi, sondern nur Teil davon. Alle
     Christen auf der ganzen Welt bilden zusammen den Leib Christi) – und Glieder insonderheit.
28 Und Gott hat etliche in der Gemeinde gesetzt: erstens Apostel, – (Die Apostel – die Zwölf für Israel und Paulus für die Heiden – hatten keine Nachfolger, vgl. Eph 2,20. Diese Gabe hat aufgehört.
     Wir müssen daher zwischen temporären und permanenten Gaben unterscheiden!) – zweitens Propheten, drittens Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen,
     Hilfeleistungen, Regierungen, (verschiedene) Arten von Sprachen.
29 Sind etwa alle Apostel? – (Das Wort »etwa« drückt aus, dass diese rhetorische Frage mit »Nein!« beantwortet werden muss) –  Sind etwa alle Propheten? Sind etwa alle Lehrer? Haben etwa alle
     Wunderkräfte?
30 Haben etwa alle Gnadengaben der Heilungen? Reden etwa alle in Sprachen?
31 Übersetzen etwa alle? Eifert aber um die vorzüglicheren Gnadengaben; und einen noch weit vortrefflicheren Weg zeige ich euch:

13,1 Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel redete (Dieser Satz besagt nicht, dass Engel andere Sprachen als die Menschen reden. Es geht einfach um die Sprachen, die sowohl
        Engel als auch Menschen sprechen (vgl. Jes 6; Dan 9; Luk 1; Apg 10; Off 4 etc.) aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.
Und wenn ich Weissagung hätte und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis wüsste, und wenn ich allen Glauben hätte, so dass ich Berge versetzte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts.
3  Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeilte, und wenn ich meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, aber keine Liebe hätte, so nützte es mir nichts.
4  Die Liebe ist langmütig, ist gütig; die Liebe neidet nicht; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf,
sie gebärdet sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihrige, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu,
sie freut sich nicht Über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, sie erträgt alles,
7  sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Die Liebe vergeht nimmer; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden; (Griech. katargeo = wörtl. herabmachen, sodann: vernichten, zerstören (vgl. Heb 2,14) seien es Sprachen,
     sie werden abklingen; (Griech. pauo = aufhören, abklingen (vgl. das allmähliche Abklingen des Tumults in Ephesus, Apg 20,1: »aufhören« = pauo). Die Sprachenrede sollte nicht bei der
     Entrückung in einem Nu weggetan werden (wie z.B. Erkenntnis und Weissagung), sondern zu einem früheren Zeitpunkt allmählich abklingen (mit dem Sterben derer, die diese Gaben haben) sei
     es Erkenntnis, sie wird weggetan werden.
9   Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise;
10 wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, (Zur Zeit der Entrückung (1Thess 4,13ff; 1Kor 15,51 ) dann wird das, was stückweise ist, weggetan werden (Griech. katargeo = wörtl.
     vernichten, zerstören (vgl. Heb 2,14).
11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich war.
12 Denn wir sehen jetzt durch ein Fenster, (Die Fenster im Altertum bestanden aus halbdurchsichtigem Glas) undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, (D.h.
     »ich« als Subjekt) dann aber werde ich erkennen, gleichwie auch ich erkannt worden bin.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

14,1 Strebt nach der Liebe; eifert aber um die geistlichen [Wirkungen], vielmehr aber, dass ihr weissagt.
2 Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist (D.h. in der Kraft) aber redet er Geheimnisse. (In Korinth hatte man normalerweise nicht die ideale Situation von Jerusalem zur Zeit von Pfingsten (Apg 2; viele Ausländer anwesend). Wenn man in Korinth z.B. Arabisch sprach, verstanden es die Menschen in Korinth normalerweise nicht. Das Gesprochene war für sie ein Geheimnis. Nur Gott verstand die Aussage.)
3 Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung.
4 Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; (Da der Sprachenredner seine Sprache beherrschte, wurde er stets durch die geistliche Aussage selbst erbaut (so wie jeder Betende oder jeder Prediger von seinen eigenen Aussagen oft am meisten profitiert), aber die Liebe (1Kor 13) gebietet, dass man anderen zum Nutzen sein soll, nicht nur sich selbst) wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde. (Der Nutzen der Weissagung ist nicht situationsabhängig. Diese Gabe kann allezeit zum Nutzen der anderen eingesetzt werden.)
5 Ich wollte aber, dass ihr alle in Sprachen redetet, vielmehr aber, dass ihr weissagtet. Denn wer weissagt, ist größer, als wer in Sprachen redet, es sei denn, dass er es übersetze, damit die Gemeinde Erbauung empfange. (Ein übernatürliches Phänomen an sich (z.B. Sprachenrede) erbaut nicht. Nur der Inhalt des Gesprochenen vermag geistlich weiterzuführen / zu erbauen.)
6 Jetzt aber, Brüder, wenn ich zu euch käme und in Sprachen redete, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch redete, entweder in Offenbarung oder in Erkenntnis oder in Weissagung oder in Lehre?
7 Doch auch die leblosen Dinge, die einen Ton von sich geben, es sei Flöte oder Harfe, wenn sie den Tönen keinen Unterschied geben, wie wird man erkennen, was auf Flöte oder auf der Harfe gespielt wird?
8 Denn auch wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampfe rüsten?
9 Also auch ihr, wenn ihr durch die Sprache nicht eine verständliche Rede gebt, wie wird man wissen, was geredet wird? Denn ihr werdet in den Wind reden.
10 Es gibt wohl so und so viele [verschiedene] Arten von Stimmen in der Welt, und von ihnen ist keine ohne bestimmten Ton.
11 Wenn ich nun die Bedeutung der Stimme nicht weiß, so werde ich dem Redenden ein Barbar sein, und der Redende für mich ein Barbar. (Griech. barbaros (lautmalerisch von barbarbarbarbarbarbarbar. So klingt für den Unkundigen eine fremde Eingeborenensprache).
12 Also auch ihr, da ihr um geistliche [Wirkungen] eifert, so sucht, dass ihr Überströmend seid zur Erbauung der Gemeinde.
13 Darum, wer in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze. (oder auslege. Unter Beachtung der Durativformen muss dieser Vers wie folgt lauten: »Darum, wer [immer wieder] in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze.«)
14 Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, (= der Geist des Menschen (vgl. 1Thess 5,23; Ps 77,7; Röm ,16). Der Geist des Menschen hat – im Gegensatz zum Tier (Jes 31,3)  – die Fähigkeit zum höheren Denken, zum Forschen und zum Begreifen. Der Geist Gottes vermittelt dem Geist des Menschen göttliche Erkenntnis)  – aber mein Redesinn [od. meine Aussage] (= Griech. nous mou = »Sinn / Bedeutung / Aussage / Aussagekraft/ Redesinn von mir« (d.h. der Inhalt dessen, was ich aussage); Das Wort nous bedeutet meistens »Verstand«, »Gesinnung«, »Vernunft«. Doch hier steht nous im Gegensatz zu pneuma (Geist). Verstand kann aber nicht ein Gegensatz zum Geist des Menschen sein. Deshalb kommt hier eine andere Bedeutung von nous zum Zug, die dem Textzusammenhang gerecht wird) – ist fruchtleer [für die Zuhörer].
15 Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Redesinn; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Redesinn.
16 Sonst, wenn du mit dem Geist preisen wirst, wie soll der, welcher die Stelle des Unkundigen einnimmt, das »Amen« (Hebr. = Wahrhaftig! / Wahrlich! / So sei es! / So ist es! / Jawohl!) sprechen zu deiner Danksagung, da er ja nicht weiß, was du sagst? (Der Redner weiß, was er sagt, der Sprachunkundige hingegen nicht. Der Sprachenredner kann »Amen« (= hebr. Wahrhaftig! / So sei es! sagen, im Gegensatz zum sprachunkundigen Hörer.)
17 Denn du danksagst wohl gut, aber der andere wird nicht erbaut.
18 Ich danke meinem Gott, ich rede mehr in Sprachen als ihr alle. ( Paulus hatte auf seinen vielen Missionsreisen mit allen möglichen Sprachgruppen zu tun (vgl. die Barbaren auf Melite, Apg 2,1, die Lykaonisch sprechenden Heiden in Lystra, Apg 14,11, etc.)
19 Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Wörter (Ein Beispiel für 5 Wörter: »Der HERR ist mein Hirte« (Ps 23,1) reden mit meinem Redesinn, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Wörter in einer Sprache.
20 Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand, (Griech. phrén; so auch 2x in diesem Vers. Dieses Wort erscheint im NT nur hier. Es wurde hier verwendet, weil das übliche Wort für »Verstand« in den Versen davor in der selteneren Bedeutung »Redesinn« verwendet wurde) – sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber werdet Erwachsene (Glauben und Denken sind an sich keine Gegensätze! Im Christentum darf der (gesunde) Verstand nicht an den Nagel gehängt werden.)
21 Es steht in dem Gesetz (gesamte AT) geschrieben:
»Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen (Im Hebr. des AT gibt es zwei Wörter für »Sprache«: laschon = Zunge; saphah = Lippe) zu diesem Volke reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.« (Zitat aus Jes 28,11-12. Diese Prophezeiung hatte sich in besonderer Weise am Pfingsttag in Jerusalem erfüllt: Gott sprach zu Israel durch viele fremde Sprachen. Dennoch kehrte die Nation nicht um, nur ein Überrest von 3000 Menschen kam zur Bekehrung.)
22 Daher (Mit dem Wort »daher« leitet Paulus aus Jes 28 ab, dass die Sprachenrede von Gott insbesondere für Ungläubige bestimmt war) – sind die Sprachen zu einem Zeichen, (Ein Zeichen ist ein Hinweis, ein Signal. Die Sprachenrede war ein Hinweis in Bezug darauf, dass Gott ab Pfingsten (Apg 2) die Sprachen in aller Welt mit dem Evangelium erreichen wollte) -nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen (D.h. insbesondere für die Ungläubigen aus Israel); -die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.
23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Orte zusammenkäme und alle in Sprachen redeten, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid? (Obwohl die Sprachenrede für Ungläubige bestimmt ist, hat sie in einer Situation, in der die Ungläubigen die betreffende Fremdsprache nicht verstehen, gar keinen Sinn. Sie ist dann sogar kontraproduktiv.)
24 Wenn aber alle weissagten, (Griech. propheteuo = weissagen / prophezeien; pro-pheteuo = wörtl. »herausreden«, d.h. etwas Verborgenes durch die Rede ans Licht bringen (unabhängig davon, ob das Verborgenene in der Vergangenheit [vgl. Jes 14,12ff.; Hes 2,12ff.], in der Gegenwart [Joh 4,17-19] oder in der Zukunft [Off 1,1ff.] liegt) – und irgendein Ungläubiger oder Unkundiger käme herein, so würde er von allen überführt, von allen beurteilt;

25 und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar werden, und so würde er auf sein Angesicht fallend Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist. (Obwohl die Weissagung insbesondere für Gläubige bestimmt ist, ist sie dennoch auch für Ungläubige stets von Nutzen.)

26 Was ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder von euch (So war es normalerweise in Korinth der Fall. Es gab keine Spur von einem Ein-Mann-System) einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache, hat eine Offenbarung, hat eine Übersetzung. Alles geschehe zur Erbauung!

27 Wenn nun jemand in einer Sprache reden will, so sei es zu zwei oder höchstens drei und nacheinander, und einer lege aus.

28 Wenn aber kein Übersetzer da ist, so schweige er in der Gemeinde, rede aber sich selbst und Gott.

29 Propheten aber lasst zwei oder drei reden, und die anderen lasst urteilen.

30 Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung wird, so schweige der Erste.

31 Denn ihr könnt einer nach dem anderen alle weissagen, damit alle lernen und alle getröstet werden.

32 Und die geistlichen Wirkungen der Propheten sind den Propheten untertan (Vgl. den Kontrast zum Heidentum gemäß 1Kor 12,2).

33 Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens (Der Ablauf der Gemeindezusammenkunft war nach biblischer Weisung nicht im Voraus festgelegt. Es sollte eine Freiheit des Dienstes geben)

Wie in allen Gemeinden der Heiligen (In allen christlichen Gemeinden damals galt das Schweigen der Frauen im Gottesdienst, Korinth machte sich jedoch zu einem Sonderfall)

34 sollen [auch] eure Frauen schweigen (sigao = schweigen, stumm od. ruhig sein;  sige = Schweigen, Stillschweigen, Stille, Ruhe; 10x: Luk 9,36; 18,39; 20,26; Apg 12,17; 15,12.13; Röm 16,25; 1Kor 14,28.30.34) in den Gemeindezusammenkünfte (»in den Versammlungen«, griech. en tais ekklesiais (V.33+34); vgl. 4x en ekklesia: 1Kor 11,19; 14,19.28.35). Das Schweigegebot beschränkt sich auf die offiziellen Zusammenkünfte der Gemeinde. Nicht jede Zusammenkunft von Christen ist eine Zusammenkunft als Gemeinde (vgl. Hauskreis, Frauentreffen, Jugendgruppe, Sonntagschule, Familienandacht etc)

denn es ist ihnen nicht erlaubt ( »nicht erlaubt« = griech. ou … epitrepetai) = in göttlicher Verfügung verboten; vgl. Apg 14,16; 16,7; Mark 10,4 etc) zu reden, (laleo = sprechen, reden etc.; dasselbe Wort wird gebraucht für Gott (1Kor 14,29), für solche, die beten, weissagen, lehren, in Sprachen reden und zur Erbauung sprechen; 21x in 1Kor 14! Die Umschreibung »nicht erlaubt zu reden« erklärt die Bedeutung des Wortes »schweigen«) sondern unterwürfig zu sein, wie auch das Gesetz sagt. (Vgl. 1Mo 3,16. Es geht hier nicht um das Gesetz vom Sinai (2Mo 19.), unter dem nur Israel steht, sondern um Gottes Gebot an die Urahnen der Menschheit, das als Schöpfungsordnung universelle Bedeutung hat).

35 Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen; denn es ist für Frauen schändlich (»schändlich« = aischros; 4x: 1Kor 11,6; 14,35; Eph 5,12; Tit 1,11.) in der Gemeinde zu reden.

36 Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? (Ironische Frage: In allen Gemeinden schweigen die Frauen. In Korinth ist es anders. Vielleicht ist diesbezüglich in Korinth eine anders lautende Offenbarung empfangen worden, welche die anderen Gemeinden leider nicht kennen); Oder ist es zu euch allein gelangt? (Ironische Frage: In allen Gemeinden schweigen die Frauen. In Korinth ist es anders.)

37 Wenn jemand sich dünkt, ein Prophet zu sein oder geistlich (Ein Prophet oder allgemein jemand, der sich durch den Geist Gottes leiten lässt, sollte in der Lage sein, zu erkennen, dass diese Anweisungen vom Herrn stammen), so erkenne er, dass die Dinge, die ich euch schreibe, Gebote des Herrn sind.
38 Wenn aber jemand [dies] nicht versteht, so verstehe er es nicht!
39 Daher, Brüder, eifert danach zu weissagen, und wehrt nicht, in Sprachen zu reden.
40 Alles aber geschehe anständig und in Ordnung.

 

4. Sprachliche und exegetische Hinweise

Nachfolgend stelle ich einige Bemerkungen philologischer und exegetischer Natur zu den neutestamentlichen Stellen über das Sprachenreden zusammen. Durch das gründliche Herausarbeiten einiger Feinheiten kann das Wesen des biblischen Sprachenredens besser erfasst und gesamtbiblisch eingeordnet werden:

»Sprachenreden« kontra »Zungenreden«

Das Wort »Sprache« im NT ist die Übersetzung des griechischen Wortes glossa. Das Wortfeld glossa umfasst u.a. folgende Bedeutungen:

a) Zunge (als Organ)
b) Sprache / Fremdsprache

Im Zusammenhang mit dem Sprachenreden finden sich im griechischen Grundtext folgende Wendungen:

a) glossé lalein, (1.Kor 14,27)
b) lalein en glossé, (1. Kor 14, 19)
c) lalein glossé, bzw. lalein glossais (Apg 2,4)
d) und glossais lalein. (Markus 16, 17; 1. Kor 12,30; 13,1; 14,6.18).

Im Deutschen können wir die Ausdrücke a)-c) wiedergeben mit: »eine (Fremd)-Sprache sprechen«. Die Wortkette d) bedeutet: »(Fremd)-Sprachen sprechen«.

Die Übersetzung mit »in Zungen reden« ist sachlich falsch und weckt irrige Assoziationen mit fremd gesteuerter Zungenakrobatik oder mit ekstatischem Lallen. Derartige Gedankenverbindungen mit diesen vier verbalen Wortketten waren den ursprünglichen Griechisch sprechenden Lesern der neutestamentlichen Schriften mit Sicherheit fremd.

H. Glück umschreibt den Begriff »Glossolalie« (»Zungenreden«) in dem linguistischen »Metzler Lexikon der Sprache« wie folgt:

»In (religiöser) Ekstase hervorgebrachte unartikulierte Lautproduktionen, hinter denen göttl. Botschaften vermutet und gesucht werden (z.B. 1. Kor. 14,2: »Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist Geheimnisse«).

Man fragt sich wirklich, mit welchem Recht er zu solchen Schlussfolgerungen gekommen ist. Der biblische Text spricht in Verbindung mit Sprachenreden nie von »Lallen«, »Stammeln« oder »Ekstase«. Es ist nahe liegend, dass der falsche Begriff »Zungenreden« bei diesem Missverständnis einen gewissen Beitrag dazu geleistet hat.

Aufschlussreich ist, was G. Hörster dazu schreibt:

»Während in den älteren Übersetzungen und Kommentaren der Begriff Zungenrede vorherrscht, hat sich inzwischen bei den Exegeten die Überzeugung durchgesetzt, dass dieser Begriff unangemessen und irreführend ist. … Sie erweckt den Eindruck, als würde bei diesem Charisma die Zunge als Organ, von einer anderen Macht beherrscht, unartikulierte Laute bilden.«

»Neue Sprachen«

In Mark 16,17 kündigte der auferstandene Christus seinen elf Jüngern und denen, die durch sie zum Glauben kommen würden, verschiedene Zeichen und Wunder an, u.a. auch das Phänomen der Sprachenrede. In diesem Zusammenhang redete der Herr von »neuen Sprachen«. Man könnte leicht auf die Idee kommen, dass dies besage, Sprachenredner würden in neuartigen Sprachen reden, die es zuvor noch nie gegeben habe. In diesem Fall müsste man im griechischen Text jedoch viel eher das Adjektiv neos erwarten. Dieses Wort bedeutet insbesondere »neu« im Sinn von »jung«, »frisch« oder »neuartig«. Der Begriff neos weist auf Dinge hin, die erst vor kurzem ins Dasein gekommen sind. Markus verwendet an der besagten Stelle allerdings das Wort kainos, das insbesondere »neuartig«, »ungewohnt«, »fremd« bedeutet und oftmals Dinge bezeichnen kann, die schon längst bestanden haben, aber erst vor kurzem bekannt geworden sind. So bringt kainos hier in unserem Kontext zum Ausdruck, dass diese Sprachen, obwohl sie schon früher existiert haben, neu für die Sprechenden sein würden. Mark 16 kündigte an, dass gewisse Menschen plötzlich Sprachen beherrschen würden, die sie früher nicht sprechen konnten und die zum Zeitpunkt ihrer ersten Anwendung für die Sprechenden daher in diesem Sinn »neu« sein würden. Die Sprechenden sollten die gleichen Erfahrungen machen wie einst Adam und später die Menschen beim Turmbau zu Babel. Genau in diesem Sinn sprachen die Jünger am Pfingsttag in »neuen« Sprachen (Apg 2). Für die Sprechenden waren die Sprachen neu, für die Hörenden jedoch altbekannt.

Menschliche Sprachen und Dialekte

Klanglich korrekte Aussprache

Aus den detaillierten geographischen Angaben in Apg 2,8-11 geht hervor, dass die Redner am Pfingsttag aus weiten Teilen des damals zum Römischen Reich gehörigen Mittelmeerraumes Nordafrikas und Europas, der heutigen Türkei sowie dem darüber hinausgehenden Bereich des Nahen Ostens (u.a. aus Gebieten, die heute zu Persien und zum Irak gehören) herstammten.

Nicht nur Sprachen an sich, sondern sogar verschiedene Dialekte konnten die Jünger sprechen (Apg 2,8).152 Dies ist sehr beachtlich. Somit beherrschten sie nicht allein auf verständliche Weise einfach völlig verschiedene Sprachsysteme, sondern jeweils auch die genaue Aussprache mitsamt lokal ausgeprägtem Akzent, was exakte Klangfarbe und richtige Betonung mit einschloss. Beim Sprachenwunder des NT handelte es sich also ganz eindeutig um wirkliche, bereits existierende menschliche Sprachen und Dialekte.

Der soeben hervorgehobene Punkt erfährt durch Apg 2,4 eine weitere Bestätigung. Dort verwendete Lukas das Verb apophthengomai, was »aussprechen«, »geradeheraus sagen«, »betont deklarieren« bedeutet. Dieses Wort hat einen besonderen Bezug zum lautlichen und klanglichen Aspekt der Sprache. Der Heilige Geist bewirkte somit auch die korrekte Aussprache, mitsamt korrekter Intonation und richtigem Akzent.

Zwei verschiedene Gruppen von Zuhörern

Das Publikum am Pfingsttag war zweigeteilt: Es gab einerseits die fremdsprachigen Auslandsjuden und andererseits die Einheimischen. Die Auslandsjuden konnten mit dem Sprachenreden der Jünger problemlos etwas anfangen. Sie wurden dadurch betroffen, indem sie sich entsetzten und in Verlegenheit gerieten (Apg 2,12). Sie hörten klipp und klar, wie durch das Sprachenreden »die großen Taten Gottes« verkündigt wurden (Apg 2,11). Die Einheimischen dagegen verstanden die für sie fremden Sprachen nicht. So bezichtigten wohl insbesondere viele von ihnen zynisch spottend die Sprachenredner der Trunkenheit (Apg 2,13). Für diese Gruppe war der Inhalt der Sprachenreden gewissermaßen ein »Geheimnis«, mit Ausnahme von denen, die über Sprachkenntnisse verfügten, die über das Normale hinausgingen.

Die Situation der Einheimischen entsprach exakt der später in Korinth allgemein üblichen. Paulus schreibt daher in 1Kor 14,2:

»Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist aber redet er Geheimnisse.«

Der Heidenapostel musste sich alle Mühe geben, um der Gemeinde in Korinth klar zu machen, dass die Sprachenrede nur dann einen Sinn hatte, wenn Fremdsprachige anwesend waren oder wenn zumindest die fremdsprachige Botschaft für alle verständlich Übersetzt wurde. Hierin liegt der Grund, weshalb in 1Kor 14 aus der in Kapitel 12 aufgeführten Fülle von Gaben speziell zwei ausgewählt wurden, Sprachenrede und Weissagung, um anhand dieser beiden Musterbeispiele klar zu machen, dass Verständlichkeit des Gesprochenen zu den obersten Prioritäten gehört.

Nur ein Typ von Sprachenreden im NT

Im Allgemeinen haben Zungenredner von heute keine Mühe, zuzugeben, dass sie – im Gegensatz zu den Sprachenrednern in Apg 2 – nicht in der Lage sind, fremdsprachige Menschen anzusprechen und so die großen Taten Gottes in real existierenden Sprachen zu verkündigen (vgl. Apg 2,8.11). Das ist jedoch eigentlich höchst eigenartig. Millionen von Menschen können heutzutage zwar in Zungen reden, aber diese selben Millionen sind völlig unfähig, das Pfingstphänomen von Apg 2 zu praktizieren! Man spricht in der Charismatischen Bewegung von der endzeitlichen Wiederherstellung aller Gaben, wie sie im NT beschrieben werden, von einer Neuausgießung des Heiligen Geistes wie zur Zeit der Apostel, und doch würde kaum einer der heutigen Zungenredner behaupten, er könne das, was die Sprachenredner von Apg 2 in aller Perfektion ausübten. Diese Fakten können Zungenredner in innere Schwierigkeiten bringen, sodass sie sich ernsthaft fragen müssen, ob das, was sie tun, wirklich der Bibel entspricht.

Viele versuchen diesem Konflikt zu entgehen, indem sie behaupten, dass es zwei verschiedene Arten des Zungenredens gäbe:

1. die Sprachengabe am Pfingsttag von Apg 2 mit real existierenden menschlichen Sprachen und

2. ein unverständliches Lallen gemäß 1Kor 14,2-20.

Es ist jedoch völlig abwegig, zwei verschiedene Arten von Sprachenreden im NT unterscheiden zu wollen. In allen Stellen verwendet die Bibel denselben Begriff glossa. Aus 1Kor 14,21-22 geht zudem deutlich hervor, dass die Sprachenrede in 1Kor 14 dasselbe Phänomen ist wie das in Apg 2, indem es in erster Linie ein Zeichen in verständlichen realen Sprachen für das ungläubige Volk Israel sein sollte:

»[21] Es steht in dem Gesetz geschrieben [Jes 28,11-12]:

›Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.‹

[22] Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Dies entspricht exakt dem, was wir in Apg 2 in Verbindung mit dem Pfingsttag vorfinden. Die Worte aus 1Kor 14,21-22 bilden eine direkte Brücke zwischen Apg 2 und 1Kor 12-14. Durch den darin enthaltenen Hinweis auf Jes 28,11-12, wo alttestamentlich bezeugt wird, dass das Sprachenreden ein Zeugnis für Israel sein sollte – so wie sich dies schließlich am Pfingsttag auch tatsächlich erfüllte –, wird deutlich, dass das Sprachenreden im 1. Korintherbrief nicht ein anderes Phänomen sein kann als das Sprachenwunder in der Apostelgeschichte.

 

Was ist ein wirkliches Wunder – Sprachenreden oder Zungenreden?

Das Phänomen von Apg 2 kann man nicht imitieren, unverständliches Zungenreden kann dagegen problemlos auch von solchen, die nicht behaupten, in Zungen zu reden, ausgeübt werden. Eindrücklich wäre, wenn heute Millionen von Menschen das Phänomen von Apg 2 praktizieren könnten. Aber genau das können diese Massen nicht!

Für den Redner unverständliches Zungenreden praktizieren auch Hindus, Spiritisten und Medizinmänner (Schamanen). Auch Charismatiker sind der Ansicht, dass solche Zungenredner unter dem Einfluss von Dämonen stehen.

Als okkultes Phänomen ist es auch möglich, dass jemand nicht einfach lallend, sondern tatsächlich in einer für ihn fremden menschlichen Sprache spricht, die er aber selbst nicht versteht und nicht beherrscht. Der Geist des Redners ist dabei passiv. Er wird von Dämonen als Medium verwendet. Doch offensichtlich kann Satan eines im Zusammenhang mit unserem Thema nicht: Er kann nicht Menschen eine neue Sprache eingeben, die sie selbst beherrschen. Könnte er es, so würde er es wohl tun. Aber bitte – wo sind die Beispiele dafür, oder besser gesagt, wo sind die Abertausenden von Esoterikern, Gurus, Spiritisten, die das könnten? Im Gegensatz dazu kann der allein wahre Gott genau dies: Er gab Adam die erste Sprache, er wies den Urstämmen von Babel ihre Sprachen zu, er gab den Jüngern in Apg 2 die Fähigkeit, den ausländischen Juden in ihren Sprachen und Dialekten Gottes Größe zu bezeugen. Satan will Menschen als Medien benutzen, Gott jedoch erhält ihre Identität und Persönlichkeit. Warum kann die unzählbare Masse von Charismatikern das Zeichen, das am Pfingsttag eindrücklich Gottes Größe manifestierte, nicht praktizieren? Warum können sie nur das, was menschlich oder dämonisch problemlos ausgeübt werden kann? Das ist doch höchst sonderbar!

Zur Inspiration der Bibel

In diesem Zusammenhang ist es von Nutzen, sich einige Gedanken über die Inspiration der Heiligen Schrift zu machen. Bei der Inspiration des ewig gültigen und unfehlbaren Gottesworts haben wir mit Gewissheit die vollkommenste Form der göttlichen Inspiration vor uns. Doch: Wurden die Bibelschreiber so inspiriert, dass ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigener Verstand beiseite gesetzt wurden? Nein! Jeder Schreiber hatte einen eigenen Stil. Das lässt sich z.B. schon ganz einfach anhand der Wortwahl feststellen. Die Schriften des Johannes beispielsweise enthalten viele typische immer wiederkehrende Vokabeln, die man bei Paulus so nicht vorfindet. Das Johannesevangelium hat einen Wortschatz von ca. 800 Wörtern, was der Vokabulargröße eines Kleinkinds entspricht. Natürlich hat er keine Kleinkinder-Sprache benutzt. Denn er verwendet viele Wörter, die man erst lernt, wenn man größer wird oder erwachsen ist. Aber es ist schon erstaunlich, dass Johannes bei einem derartigen Tiefgang der Botschaft ein ganz einfaches und schlichtes Vokabular mit kurzen Sätzen verwenden konnte, ganz im Gegensatz zu den Briefen des Paulus, wo z.B. Epheser 1,3-14 im Griechischen ein einziger Satz ist. Paulus war im Gefängnis, wo er über Gottes Gnade und Segen jubelte. Sein Herz war so voll von Gottes herrlichem Ratschluss, dass er in seinen Ausführungen ab Eph 1,3 immer wieder einen weiteren Satzteil anhängte, bis sich der Satz schließlich über ganze 12 Verse erstreckte. Auch Paulus besaß einen ihm eigenen Schreibstil.

Hoseas Schreibweise wirkt oft unruhig und aufgewühlt (er war ein Mann, dessen Frau ihm untreu war), während Jesajas Texte vielfach eine majestätische und Trost vermittelnde Ruhe ausstrahlen. So könnte man fortfahren und den Stil jedes Bibelschreibers in seiner Eigenart beschreiben.

In 1. Korinther 14 geht es u.a. um die Weissagung, um das Reden zur Auferbauung, Tröstung und Ermahnung. Paulus verglich das Reden in der Gemeinde mit verschiedenen im Tempel verwendeten Musikinstrumenten wie Posaune, Harfe oder Flöte. Dies ist ein sehr interessanter Vergleich, denn jedes Musikinstrument hat ja eine andere Klangfarbe. Wenn ich auf der Harfe ein a‘ zupfe, handelt es sich um die exakt gleich schnelle Schwingung von der Tonhöhe her, als wenn man auf der Flöte ein a‘ bläst (ca. 440 Hz). Doch jeder merkt sofort, dass der Ton auf der Flöte nicht das Gleiche ist wie der entsprechende Ton auf der Harfe. (Der Unterschied hängt zusammen mit der unterschiedlichen Struktur der Obertonreihe.) So ist es auch mit den Bibelschreibern. Jeder hat eine andere »Klangfarbe«. Johannes klingt ganz anders als Paulus, aber sie ergeben zusammen keinen dissonanten Lärm. Zusammen geben sie ein vollkommen harmonisches und wohltuendes Konzert. Wir müssen ein Gespür für die Vielfalt und für die Unterschiede in der Bibel bekommen. Dann wird die Klangvielfalt ein wahrer Genuss.

In der Zeit der Reformation wurde Luther – nachdem er durch den Römerbrief die »Rechtfertigung aus Glauben allein« entdeckt hatte – von den Papst-Anhängern mit dem Jakobusbrief gestichelt. Im Jakobusbrief geht es um die Rechtfertigung aus Werken. Calvin hat in seiner »Institutio« auf wunderbare und ganz ruhige Weise beschrieben, dass diese Unterschiede zwischen dem Römer- und dem Jakobus-Brief gar kein Problem sind. Es handelt sich nur um zwei verschiedene »Klangfarben«. Paulus betonte im Römerbrief, dass ein Sünder vor Gottes Augen nur durch den Glauben an Jesus Christus für gerecht erklärt wird (= gerechtfertigt wird). Man kann selbst nichts dazu beitragen. Jakobus sagte aber: Wenn du behauptest, du seiest ein Gläubiger, dann müssen wir Menschen das an deinen Taten und an der Art, wie du lebst, sehen können. Wenn deine Werke wirklich christlich sind, dann kannst du quasi vor den Augen der Menschen für gerecht erklärt werden (= gerechtfertigt werden), weil dann die Menschen die Auswirkungen eines echten Glaubens sehen können.

Verschiedene Schreibstile?

Weshalb kann es in der Bibel eigentlich so verschiedene Schreibstile geben? Wenn die ganze Bibel wirklich – Wort für Wort – von Gott inspiriert ist, wie sie dies selbst bezeugt (2Tim 3,16), müsste doch alles völlig gleichförmig sein. Warum haben wir denn solche Unterschiede? Warum schreibt Paulus anders als Johannes, warum Obadja anders als Salomo und Josua wiederum ganz anders als die Söhne Korahs?

In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass wir zwischen der Inspiration Gottes und der Inspiration der Dämonen unterscheiden. Wenn Menschen von Dämonen inspiriert sind und Bücher schreiben, wird deren Persönlichkeit eingeschränkt oder sogar ausgeschaltet. Manche Okkultisten besitzen die Gabe des automatischen Schreibens. Wenn ein Medium in Trance Botschaften ausspricht, ist das Bewusstsein ausgeschaltet oder eingeschränkt. Die Dämonen haben immer ein Interesse daran, unsere Kontrollinstanz zu beseitigen, damit sie uns als ihre Werkzeuge missbrauchen können (vgl. auch die Wirkungsweise von Drogen, von Alkoholmissbrauch und von östlicher Meditation etc.). Aber wenn Gott Menschen benutzen möchte, will er sie als vollständige Personen in seinem Dienst einsetzen, mit Geist, Seele und Körper. Gott, der Schöpfer, hatte Johannes genau so geformt, wie er ihn als Gefäß zu seiner Ehre haben wollte (vgl. Jer 18; Röm 9,19-24). Auch die ganze Entwicklung in seinem Leben war so in der führenden souveränen Hand Gottes, dass er Griechisch als Fremdsprache genau in der Weise lernen konnte, wie Gott es wollte. Als Johannes dann mit vollem Bewusstsein und ohne irgendwelche Einschränkung seiner Persönlichkeit seine Briefe, das vierte Evangelium und die Offenbarung schrieb, war seine von Gott geheiligte Persönlichkeit nicht ausgeschaltet. Nein, sie wurde zu 100 % von Gott gebraucht. Ja, das Eindringen von Irrtum und Falschem war 100 %ig ausgeschaltet. Das aber, was Johannes schrieb, stimmte genau mit dem überein, was der Geist Gottes, der ihn in seiner Aufgabe »trieb« (2Pet 1,21), sagen wollte. Das ist ein Wunder Gottes! Wenn man dies gut beachtet, kann dadurch oft auf ganz einfache Weise dämonische Inspiration, die dazu völlig im Kontrast steht, entlarvt werden.

Nun sehen wir auch, dass heutige Zungenbotschaften von ganz anderer Art sind als die Inspiration der Bibel. Beim Zungenreden wird der eigene Verstand übergangen. Der Redende versteht die Laute, die er äußert, nicht. Diese Art von Inspiration ist der biblischen Inspiration diametral entgegengesetzt! So etwas kommt nicht von dem Gott der Bibel.

Engelsprachen

Zur Bedeutung von 1Kor 13,1

In 1Kor 13,1 wird sowohl von »Sprachen der Menschen« als auch von »Sprachen der Engel« gesprochen:

»Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel redete, aber keine Liebe hätte, so wäre ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel.«

Dies ist die einzige Stelle in der Bibel, wo der Begriff »Engelsprachen« vorkommt. Da die Heilige Schrift sich nur so spärlich zu diesem Thema äußert, ist es schwierig, mit Absolutheit Genaueres zur Natur der Engel-Kommunikation zu sagen.

Es gibt manche Stellen, in denen Engel mit Menschen sprechen, und da benutzen diese Boten natürlich immer menschliche Sprachen. – (Vgl. z.B. Dan 10,12-15; 10,20-12,4. In diesen Stellen wurde sehr wahrscheinlich Hebräisch gesprochen. In Apg 10,3ff. sprach der Engel wohl Latein oder Griechisch). – Selbst in Fällen, wo Engel zueinander oder gar direkt zu Gott sprachen, konnten Menschen ihr Reden verstehen.

Es gibt keine Stelle in der Bibel, aus der hervorgehen würde, dass Engel wirklich andere Sprachen reden als Menschen. Rein sprachlich gesehen, ist es eigentlich ganz nahe liegend, dass der Ausdruck »Sprachen der Menschen und der Engel« in 1Kor 13,1 die Bedeutung hat: »die Sprachen, welche sowohl die Menschen als auch die Engel sprechen«.

Die Annahme – allein aufgrund von 1Kor 13,1 –, dass Gott den Engeln eine Vielzahl von Sprachen gegeben habe, wäre problematisch. Eine Vielzahl von Sprachen drückt ja Spaltung und Gericht aus. Für die Menschen von Babel war die Sprachenverwirrung ein Gericht (vgl. 1Mo 11). Gott gab der Menschheit ja ursprünglich nur eine einzige Sprache (1Mo 2; 11,1).

Natürlich, man könnte spekulieren, dass es seit dem Fall Luzifers (Jes 14,12ff.; Hes 28,12ff.) vielleicht auch in der Engelwelt eine Sprachenverwirrung gegeben habe. Dabei muss jedoch Folgendes beachtet werden: Die gefallenen Engel sind nicht in eine Vielzahl von »Völkern« aufgespalten worden wie die Menschen nach dem Turmbau zu Babel. Satan bildet mit den gefallenen Engeln ein einheitliches Reich der Finsternis, ohne Zerteilung (vgl. Mat 12,25-27). Gut, vielleicht gibt es einfach zwei Sprachen, die Sprache der gefallenen und die Sprache der treu gebliebenen Engel. Aber dann würde dies heißen, dass Sprachenredner – weil sie ja in den Sprachen (Plural!) der Engel reden, u.a. die Sprache der Dämonen sprechen würden. Das wäre auch undenkbar. Merken wir, wie spekulativ alles wird, wenn man aufgrund des Wortlauts von 1Kor 13,1 eine Lehre über Engelsprachen aufbauen will? Dies ist aus dem einfachen Grund so, weil die Heilige Schrift nichts davon sagt, dass Engel eigene Sprachen hätten. In der Bibel sprechen sie – auch wenn sie sich direkt an Gott wenden – stets Sprachen, die von den Menschen auch verstanden werden. Daher entspricht die schlichte, oben bereits erwähnte Auffassung – ohne irgendwelche Spekulationen – dem gesamtbiblischen Befund: Der Ausdruck »Sprachen der Menschen und der Engel« in 1Kor 13,1 hat die Bedeutung: »die Sprachen, welche sowohl die Menschen als auch die Engel sprechen«.

Ein Wenn-dann-Satz

Ferner ist darauf zu achten, dass durch 1Kor 13,1 in keiner Weise die real gemeinte Aussage gemacht wird, Paulus habe in Engelsprachen geredet. In den Versen 1-3 haben wir eine Reihe von Wenn-dann-Sätzen, die zum Teil offensichtlich irreale Bedeutung haben. Ein Beispiel vermag dies sofort zu verdeutlichen: Paulus hatte nur stückweise Erkenntnis (1Kor 13,9.12), und dennoch heißt es in 1Kor 13,2:
»Und wenn ich … alle Erkenntnis wüsste …«

Paulus hatte auch nie seinen Leib der Verbrennung hingeben müssen, dennoch sagte er (1Kor 13,3):
»… und wenn ich meinen Leib hingäbe, damit ich verbrannt würde, …«

Lallen – keine höhere Kommunikation

Ich komme hiermit zu folgendem Schluss: Aufgrund von 1Kor 13,1 ist es nicht zulässig, zu behaupten, dass es sich bei dem in der Bibel erwähnten Sprachenreden um nicht-menschliche, überirdische Sprachen gehandelt habe. Der Hintergrund dieser Behauptung besteht nämlich in Folgendem: Es gibt Unzählige, die heutzutage Zungenreden in Form von unverständlichem Lallen mit fehlender Prosodie praktizieren.  –  (Die Prosodie beinhaltet den rhythmischen und metrischen Aspekt der Sprache im Zusammenhang mit Ton, Intonation, Akzent und Länge. In der Prosodik, einem Teilgebiet der Phonologie, beschäftigt man sich mit diesem Gebiet. Die gesprochene Sprache zeichnet sich klanglich u.a. durch Rhythmus und Betonung sowie durch Heben und Senken der Stimme aus. Dadurch werden u.a. sinngebende Einheiten strukturiert. In der Schrift wird solches z.T. durch Satzzeichen (Kommas, Punkte, Ausrufe- und Fragezeichen) sowie durch Absätze etc. verdeutlicht. Bei dem heutzutage von Millionen praktizierten Zungenreden fällt das Fehlen prosodischer Elemente auf.) –

Da es sich in diesen Fällen offensichtlich nicht um bestehende Fremdsprachen handelt, möchte man diese Praxis mit dem Hinweis auf Engelsprachen als ein biblisches Phänomen darstellen. Doch: Soll man wirklich glauben, dass Engel, die in der Bibel verschiedenste menschliche Fremdsprachen – d.h. wunderbare, komplex aufgebaute Codesysteme – beherrschen, unter sich keine höhere Kommunikation besitzen als nur gerade ein Lallen, wie es Millionen von Zungenrednern heute praktizieren?

Ganz abgesehen davon widerspricht es dem gesunden, von Gott geschenkten Denken, ein Lallen, unartikulierte Laute, unstrukturierte Äußerungen als »den menschlichen Kommunikationsmitteln überlegene übernatürliche Sprachen« zu bezeichnen. Eine solche Meinung beinhaltet letztlich – ohne dass man dies beabsichtigt – eine Verachtung der von Gott dem Menschen geschenkten Sprachen! Bedenken wir gut, dass gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift nicht der Mensch, sondern vielmehr Gott der Urheber der Sprachen ist. Die Bibelsprachen Hebräisch, Griechisch und Aramäisch, so sehr es sich auch um von Menschen gesprochene und geschriebene Sprachen handelt, und auch alle anderen Sprachen sind im Grunde genommen göttliche Sprachen. Sie sind daher ideale Gefäße, um Gottes Botschaft an die Menschheit weiterzugeben.
Deshalb kann die Bibel, Gottes vollkommen inspiriertes Wort, in jede der ca. 6800 existierenden menschlichen Sprachen übersetzt werden. Der Schöpfer wusste genau, welche Mittel angemessen sind, um seine Gedanken dem menschlichen Geschöpf zu vermitteln. Da die menschlichen Sprachen von Gott als offene Systeme geschaffen worden sind, können fehlende Begriffe in eine bestimmte Sprache durch Neologismen (neue Wortschöpfungen) eingeführt werden, genauso wie Adam in 1Mo 2 das Vokabular der Ursprache durch neue Tiernamen erweitern konnte. Deshalb kann man sagen, dass in jeder Sprache jeder beliebige Gedanke ausgedrückt werden kann!
Von Sprache zu Sprache sind die Mittel dazu jeweils sehr unterschiedlich, aber es sind im Prinzip überhaupt keine Schranken in den Möglichkeiten, jeden Inhalt zu übermitteln, gesetzt.

Zur Bedeutung von Röm 8,26-27

Manche Charismatiker bringen die in Röm 8,26-27 erwähnten »unaussprechlichen Seufzer« des Heiligen Geistes mit dem Lallen des Zungenredens in Verbindung:

»Desgleichen aber nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheiten an; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sich’s gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern. Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Sinn des Geistes ist, denn er verwendet sich für Heilige Gott gemäß.«

Diese Stelle hat jedoch nichts mit Sprachenreden zu tun. Das Adjektiv »unaussprechlich« bringt ja gerade zum Ausdruck, dass es sich hier um eine stumme und wortlose Kommunikation handelt, d.h. um eine Kommunikation ohne Sprache, also auch ohne Sprachenrede! Sprachenrede ist gerade nicht »wortlos«, sondern Kommunikation mit Wörtern – ob laut ausgesprochen oder nicht. Das mit »unaussprechlich« übersetzte griechische Wort alaletos bedeutet nämlich »wortlos« oder »stumm«.

In Röm 8,26-27 geht es um ein Wirken des Heiligen Geistes, das jedem Erlösten zukommt. Beim Sprachenreden handelt es sich jedoch um eine Gabe, die nie für alle Kinder Gottes vorgesehen war, wie wir weiter unten noch darlegen werden.

Keine Bewusstseins-Einschränkung

Beim biblischen Sprachenreden handelte es sich niemals um ekstatische Zustände. Niemals gab es dabei ein eingeschränktes Bewusstsein. Dies wäre grundsätzlich im Widerspruch zur Lehre der Heiligen Schrift. In 2Tim 4,5 befahl Paulus: Du aber sei nüchtern in allem …«

Das mit »nüchtern sein« übersetzte Verb nepho bedeutet gemäß dem neutestamentlichen Standardwörterbuch zum griechischen NT von Walter Bauer:
»… frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, von Überschwang, Leidenschaft, Überstürzung, Verwirrung, Exaltiertheit«.

In 2Tim 4,5 handelt es sich um ein neutestamentliches Gebot. Die verwendete Verbform ist ein Imperativ. Wir realisieren damit, dass all der für die Charismatische Bewegung so typische leidenschaftliche Überschwang ein klarer Verstoß gegen ein ausdrückliches Gebot des Neuen Testaments darstellt. Was ist ein Verstoß gegen biblische Gebote? Sünde gegen Gott!

Große Freude ist selbstverständlich biblisch (vgl. z.B. Ps 100,1-2; Phil 4,4), aber niemals in unnüchterner Weise, niemals in einer Art, bei der die Selbstkontrolle irgendwie eingeschränkt oder gar aufgehoben wird, niemals in der Art, dass die menschliche Würde dabei berechtigterweise darunter leidet. Das NT ruft noch weitere 10-mal zur Nüchternheit auf:

• 1Kor 15,34: »Werdet rechtschaffen, nüchtern [eknepho] und sündigt nicht, denn etliche sind in Unwissenheit über Gott; zur Beschämung sage ich’s euch.«
• 1Thes 5,6-8: »Also lasst uns nun nicht schlafen wie auch die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein [nepho]. Denn die da schlafen, schlafen des Nachts, und die da trunken sind, sind des Nachts trunken.
Wir aber, die vom Tag sind, lasst uns nüchtern sein [nepho], angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit.«
• 1Tim 3,2: »Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern [nephalios],besonnen, sittsam, gastfrei, lehrfähig; …«
• 1Tim 3,11: »Die Frauen desgleichen, würdig, nicht verleumderisch, nüchtern [nephalia],treu in allem.«
• 2Tim 2,24-26: »Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streiten, sondern gegen alle milde sein, duldsam, er in Sanftmut die Widersacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit, und sie wieder nüchtern werden [ananepho] aus dem Fallstrick des Teufels, die von ihm gefangen sind, für seinen Willen.«
• Tit 2,1-2: »Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt: dass die alten Männer nüchtern [nephalios] seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren; …
1Pet 1,13: »Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern [nepho] und hofft völlig auf die Gnade, die euch gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi; …«
1Pet 4,5: »Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern [nepho] zum Gebet.
• 1Pet 5,8: »Seid nüchtern [nepho], wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge …«

Ferner findet sich im NT 14x der Befehl »Wacht!« Das NT lehnt jegliche Passivität des Geistes ab und ruft die Gläubigen zu Wachheit und gesunder Aktivität auf, und zwar mit Befehlen wie z.B. »Widersteht, »Kämpfe!« usw.

Dies steht deutlich im Gegensatz zur Mystik in allen möglichen mit der Bibel unvereinbaren religiösen Praktiken wie Transzendentale Meditation, Traumreisen, Yoga, Autogenes Training, Rockmusik, Drogen etc., wo Einschränkungen des Bewusstseins in allen möglichen Abstufungen eine wesentliche Rolle spielen.

Als die Beatles mit ihrem Song »Let It Be« an die Öffentlichkeit traten, wollten sie die Jugend nicht dazu aufrufen, das Leben doch ein bisschen lockerer zu nehmen und nicht alles gar so schwer aufzufassen. Nein, sie riefen damit zur Passivität des Geistes auf, wie dies in den fernöstlichen Religionen im Zusammenhang mit der Meditation praktiziert wird. »Let It Be« meint »Lass dich – in Passivität – gehen, schalte den Verstand ab!«. Im Songtext wird des Weiteren gesagt »… whisper words of wisdom …« (»… flüstere Worte der Weisheit …«).
Damit war die stete Wiederholung von Mantras gemeint. Indem man bestimmte Wörter oder Wendungen – oft ohne deren Bedeutung zu kennen – dauernd wiederholt, kann man den menschlichen Geist passiv machen, sodass andere Geister (sprich: Dämonen) die Kontrolle Übernehmen können. Die Hindus würden sagen, »damit man mit den Göttern in Kontakt treten kann«.
Der Heilige Geist ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ein »Geist der Besonnenheit«, der Kraft gibt zur Selbstbeherrschung, Mäßigung und zum gesunden Verstandesurteil (vgl. 2Tim 1,7).

Er führt den Menschen niemals in einen Trance-Zustand. Wenn Paulus in 1Kor 12 über die geistlichen Gaben zu sprechen beginnt, macht er gerade in dieser Hinsicht einen auffälligen Unterschied zum Heidentum deutlich (1Kor 12,2):
»Ihr wisst, dass ihr, als ihr von den Heiden wart, zu den stummen Götzenbildern hingeführt wurdet, so wie ihr irgend [zu ihnen] hingerissen wurdet.«

 

Erbauung durch Sprachenreden

Spezialfall Korinth

Beim Pfingstereignis in Apg 2 waren viele fremdsprachige Menschen zugegen. Für sie erwies sich das Sprachenreden als perfektes Kommunikationsmittel. In Korinth gab es indessen oft Verständnisprobleme. Was nützte dort das Sprachenreden in den Fällen, wo keine Fremdsprachigen da waren? Wenn die Korinther, von denen ja viele aus der Unterschicht kamen, die Fremdsprachen nicht verstanden, so gab es keine Erbauung. Daher war in diesen Fällen »Auslegung» bzw. »Übersetzung» absolut notwendig. Einzig und allein durch die Übersetzung bekam die Gemeinde »Erbauung» im Glauben (1Kor 14,5). Daraus erkennen wir: Nicht das Sprachphänomen an sich, sondern allein die dadurch übertragene Botschaft war erbauend.

Keine Erbauung durch den Sprachklang

Man kann das eben Gesagte an einem Beispiel verdeutlichen: Die Psalmen sind ursprünglich auf Hebräisch verfasst worden. Nach dem Selbstzeugnis der Heiligen Schrift sind sie vom Geist Gottes inspiriert, so wie alle Bibelbücher (2Tim 3,16). Das Hebräische der Psalmen ist daher gewissermaßen Sprache des Heiligen Geistes. Man könnte die Psalmen im Gottesdienst auf Hebräisch rezitieren. Obwohl die Sprache der Propheten zweifellos wunderschön und feierlich klingt, wird keiner der des Hebräischen nicht mächtigen Gottesdienstbesucher davon irgendeinen geistlichen Nutzen haben. Die Sprachlaute sind Träger von Information. Wer die Laute jedoch nicht aufschlüsseln kann, vermag nichts von der Information aufzunehmen. Die Laute an sich sind keine Kommunikation. Nur wenn der Inhalt einer Botschaft übermittelt wird, hat der Empfänger einen Gewinn davon. Wir machen ein Beispiel:

’aschrei ha’ish ’asher lo halakh ba’atzath resha’im
uvederekh chata’im lo’amad
uvemoshav letzim lo jashav
ki ’im bethorath ’adonai chevtzo
uvethoratho jehegeh jomam valailah
vehajah ke’etz shatul ’al palgei majim
asher pirjo jithen be’itho ve’alehu lo jibbol …

Die eben zitierten Sätze sind perfektes Reden des Heiligen Geistes. Sie sind zu 100 % von ihm inspiriert (2Tim 3,16). Aber was nützt dies dem Leser und denen, die ihm zuhören, wenn sie alle diese Sprache gar nicht verstehen? Es bringt gar keine Erbauung. Doch sobald wir die Übersetzung vorbringen, gibt es echte Erbauung:

Psalm 1

Glückselig der Mann, der nicht wandelt im Rat der Gesetzlosen,
und auf dem Weg der Sünder nicht steht,
und auf dem Sitz der Spötter nicht sitzt,
sondern am Gesetz des HERRN seine Lust hat,
und über sein Gesetz nachsinnt Tag und Nacht.
Und er wird sein wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen,
der seine Frucht gibt zu seiner Zeit
und seine Blätter verwelken nicht,
und alles, was er tut, gelingt.
Nicht also die Gesetzlosen,
sondern sie sind wie die Spreu, die dahintreibt der Wind.
Darum werden nicht aufstehen die Gesetzlosen im Gericht,
und die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Denn es kennt der HERR den Weg der Gerechten;
aber der Weg der Gesetzlosen wird zugrunde gehen.

Was ist Kommunikation?

Gesprochener Dialog unter Menschen geschieht beim Reden so: Der Sender besitzt oder bildet in seinem Inneren Information. Er verschlüsselt sie in Code-Zeichen, und zwar in Form von Schallwellen, die er an einen Empfänger Übermittelt. Der Empfänger entschlüsselt die Code-Zeichen und nimmt die Information in sich auf. Nun kann er darauf reagieren, und so wird er in der eben beschriebenen Form selbst zum Sender, während der vorherige Sender die Möglichkeit hat, auf Empfang umzuschalten.

Verfehlte Kommunikation

Wenn beim Zungenreden der Sprechende gar nicht wirklich versteht, was er sagt, so wird hier am Wesen der Sprache als Kommunikationsmittel vollständig vorbeigeschossen.
Der sich meines Erachtens fälschlicherweise auf 1Kor 14,2 berufende Zungenredner steht ja beim Beten überhaupt nicht in einer Kommunikation mit Gott. Was er tut, verfehlt vollständig die von dem Schöpfer gewollte und von ihm so hoch eingeschätzte Sprache als Verständigungsmittel zwischen Gott und Mensch. Gott spricht doch zu uns durch sein geschriebenes Wort. Wir dürfen ihm durchs Gebet antworten, und zwar indem wir bei vollem Bewusstsein von Herzen auf das reagieren, was er uns sagt. Dies ist Kommunikation. Alles andere liegt unter der Würde des Menschen. Bileams Eselin beherrschte die Sprache, die sie redete, nicht (4Mo 22,28-30). Doch vergessen wir nicht: Sie war ein Tier und kein im Bild Gottes geschaffenes Wesen (vgl. 1Mo 1,27)!

Sprachverständnis und Sprachbeherrschung

Der menschliche Geist = Aktivist der Sprachenrede

Wer in einer Sprache betete, wusste genau, was er sagte. Für ihn war die Sprache nicht unverständlich: Er erbaute sich selbst (1Kor 14,4). Soeben haben wir gesehen, dass nicht das Übernatürliche Phänomen erbaute, sondern der Inhalt, das Kommunizierte, sonst wöge ja auch die Gemeinde jeweils erbaut worden, wenn keine Auslegung da war (1Kor 14,17), nämlich einfach durch das Übernatürliche Geschehen.

Beim Sprachenreden betete nach 1Kor 14,14 der menschliche Geist. Der Geist des Menschen hat die Fähigkeit, zu »erkennen«, zu »forschen« und zu »verstehen«. Er ist der Sitz des menschlichen Intellekts. Beim Sprachenreden war das Organ des Denkens und des Verstehens nicht passiv, sondern im Gegenteil vollständig aktiv, ja sogar Quelle der Kommunikation. Der Sprachenredner konnte das sagen, was er wollte. Gemäß Apg 2,4 befähigte der Heilige Geist zur richtigen Aussprache. Doch aus 1Kor 14,14 geht hervor, dass der Geist des Menschen jeweils der Sprecher war. Biblisches Sprachenreden hat nichts mit Medialität gemein, wo der Geist des Menschen passiv ist und ein anderer Geist aktiv durch ihn spricht.

Nur der unkundige Zuhörer verstand nichts

In 1Kor 14 heißt es Übrigens nicht vom Sprechenden, sondern vom Zuhörer: Er ist ein Barbar, der nichts versteht (1Kor 14,11), er kann nicht »Amen« sagen zur Bestätigung (1Kor 14,16), er nimmt die Stellung des Unkundigen ein (1Kor 14,16). Der Sprecher wusste selbst genau, was er sagte. Er war der Aktive. Aber der nicht-fremdsprachige Zuhörer konnte mit der Mitteilung des Sprachenredners jeweils gar nichts anfangen.

Beten um die Gabe der Auslegung?

Aufgrund von 1Kor 14,13 könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Sprachenredner zwar nicht wusste, was er sagte, dass ihm jedoch die Möglichkeit offen stand, um den Empfang der Gabe der Auslegung zu bitten. Es heißt dort:
»Darum, wer in einer Sprache redet, bete, damit er es übersetze.«
Beim Studium dieses Satzes im griechischen Original wird aber deutlich, dass dem nicht so ist. Die von Paulus benutzten Zeitformen weisen nicht auf ein einmaliges Ereignis hin. Der Apostel benutzte Durativ-Formen, die ein wiederholtes Handeln ausdrücken. Unter Berücksichtigung der griechischen Aspekte übersetze ich daher wie folgt:
»Darum, wer [immer wieder] in einer Sprache redet, bete [immer wieder], damit er es [immer wieder] übersetze.
Es geht nicht darum, eine bestimmte Gabe zu erbitten. Der in Sprachen Redende weiß ja genau, was er sagt. Doch er soll Gott um Hilfe bitten, um anderen das Gesagte möglichst klar verständlich zu machen.
In der gleichen Weise bittet man auch um Gelingen, wenn man jemanden z.B. bei einem biblischen Vortrag, sagen wir mal von Englisch auf Deutsch, Übersetzt. Auch wenn man zwar beide Sprachen perfekt beherrscht, so ist man doch jedes Mal von der Gnade und Hilfe Gottes abhängig, um einen solchen Dienst möglichst gut und gewinnbringend für die Hörer auszuführen.

Eine Gabe für alle Christen?

Die Fragen »Reden alle in Sprachen? und »Legen alle aus? (1Kor 12,30) verlangen eine verneinende Antwort. Fragen, die mit der griechischen Partikel mè gestellt werden, was an dieser Stelle der Fall ist, sind rhetorische Fragen, die ein »Nein» als Antwort verlangen. Daraus folgern wir: Nicht alle Christen hatten die Gabe der Sprachenrede!
Die unter gewissen Charismatikern vertretene Meinung, dass eigentlich alle wahren Gläubigen in Zungen reden sollten, steht also in völligem Widerspruch zu den Aussagen des Wortes Gottes.

Verantwortlichkeit beim Sprachenreden

Unter Berücksichtigung von all dem bisher Ausgeführten wird klar, dass es biblisch nicht zu verantworten ist, die Zungenrede von heute, bei der die Redner sich selbst nicht verstehen und somit auch nicht wissen, was sie sagen, mit dem Sprachenreden der Heiligen Schrift in Verbindung zu bringen. Nicht minder unbiblisch sind die heutigen Zungen-Ausleger, welche die Zungenredner auch gar nicht verstehen (!), sondern aus einer, wie auch immer gearteten Eingebung heraus – z.B. indem sie ohne zu denken einfach ihrem Redefluss freien Lauf lassen und dabei auf »Inspiration« zählen – eine Deutung geben wollen.

Der Verstand darf nie und nimmer ausgelöscht oder eingeschränkt werden. Die Gläubigen sollen vielmehr »Erwachsene / Vollkommene am Verstand« sein (1Kor 14,20). Der Mensch ist eine von Gott geschaffene Einheit von Geist, Seele und Leib (1Thess 5,23). Kein Aspekt des Menschen darf verachtet und vernachlässigt werden.

Der Herr Jesus Christus lehrte, dass wir für all unsere Worte, die wir reden, verantwortlich sind (Mat 12,36-37): Ich sage euch aber, dass von jedem unnützen Worte, das irgend die Menschen reden, sie von demselben Rechenschaft geben werden am Tag des Gerichts; denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.«

Diese Verse helfen uns zu verstehen, dass es niemals Gottes Wille sein kann, dass wir Laute aussprechen, von denen wir gar nicht wissen, was sie eigentlich bedeuten. Auf diese Weise wären sie ja unserer Kontrolle und Verantwortung entzogen. Wenn der Herr von uns Christen verlangt, dass wir Verantwortung für alle unsere Worte ablegen werden, so wird er uns niemals ein Zungenreden geben wollen, bei dem unser Verstand und unser Verständnis abgehängt sind.

»Geist« kontra »Verstand«?

In 1Kor 14,14.15 werden die sich überschneidenden Begriffe »Geist« und »Verstand« scheinbar als Gegensatzpaare behandelt:
»Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstand.

Zum Bedeutungsfeld von nous

In dieser Stelle scheinen die Begriffe »Geist« (pneuma) und »Verstand« (nous) Gegensätze zu sein. Dies überrascht, denn diese Konzepte können doch eigentlich gar keine Gegensätze sein! »Verstand« ist doch gerade eine Fähigkeit des Geistes (Ps 77,6). Deshalb fragen wir uns: Was kann mit nous denn sonst noch alles ausgedrückt werden? Das Wortbedeutungsfeld von nous ist sehr groß, folgende Bedeutungen seien daraus herausgegriffen: »Verstand«, »Gesinnung«, »Gemüt«, »Absicht«, »Zweck (bei Handlungen)«, »Sinn«, »Redesinn«, »Aussage«, »Bedeutung (von Wörtern« etc.).

Was bedeutet »fruchtleer«?

Nun stellt sich die Frage: Was bedeutet eigentlich »fruchtleer« in 1Kor 14,14? Die Antwort ergibt sich aus dem Kontext und dem gesamten Gedankenverlauf des Kapitels: »keine Frucht bringen für andere«. Man beachte, wie oft in diesem ganzen Abschnitt Über den anderen bzw. die anderen gesprochen wird. Die Zielrichtung in 1Kor 14 ist im gesamten Textverlauf diese: Wer eine geistliche Gabe besitzt, soll sie zur Auferbauung anderer einsetzen. Es ist darauf zu achten, dass das Kommunizierte, das Mitgeteilte zum Nutzen anderer richtig ankommt (vgl. 1Kor 14,12). Es reicht nicht, dass man sich selbst weiterbringt und nur selbst versteht, was man ausspricht (1Kor 14,4).

Übersetzung von 1Kor 14,14-15

Paulus’ Aussage in 1Kor 14,14-15 lässt sich somit wie folgt umschreiben: »Ich will mich zwar in Fremdsprachen ausdrücken, jedoch möchte ich auch, dass andere mich dabei verstehen.« Das Wort nous bedeutet daher in unserem Kontext »Bedeutung«, »Sinn« oder »Aussagekraft des durch Fremdsprachen Ausgesagten«.

Ich übersetze daher 1Kor 14,14-15.19 wie folgt:
»Denn wenn ich in einer Fremdsprache bete, so betet mein Geist, aber mein Redesinn [od. meine Aussage] ist [dabei] fruchtleer [für die Zuhörer]. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Redesinn; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Redesinn. …[19] Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Redesinn, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache.«

Zur Opposition zwischen nous und phrên

Da, wo es in 1Kor 14 eindeutig um intellektuelle Verstandeskraft geht, gebrauchte Paulus auffälligerweise nicht nous, sondern ein anderes Wort, das so selten verwendet wird, dass es im gesamten NT nur hier vorkommt. Durch diese semantische Opposition, wie man dies in der Linguistik nennt, entsteht eine deutliche, Missverständnisse verhütende Begriffsunterscheidung im Kontext. Dadurch wird die Verständlichkeit der Aussage erhöht. Diese Opposition kommt beim Übergang von 1Kor 14,19 zu 14,20 wirkungsvoll zum Tragen:
»[19] Aber in der Gemeinde will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Redesinn [= nous], damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Fremdsprache.
[20] Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand [= phren], sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand [= phren] aber werdet Erwachsene.«

Die Bedeutung des Verstands wird hier betont: Christen sollen den Verstand niemals ausschalten. Sie sollen am Verstand »Erwachsene« sein. Wenn man an dieser Stelle nochmals bedenkt, dass das mit »Erwachsene« übersetzte griechische Wort teleioi die Nebenbedeutung »Vollkommene« besitzt, so wird die Aussage weiter zugespitzt. Christen sollen ihren Verstand gebrauchen. Gerade dadurch vermögen sie u.a. einzusehen, dass das Reden in Fremdsprachen ohne Übersetzung völlig sinnlos ist, da die rein klangliche Seite der Sprachen den Hörenden nichts bringt und mit Kommunikation, der Zielsetzung der Sprachen, nichts zu tun hat.

In manchen Religionen hat das Rezitieren von unverständlichen Wörtern, Sätzen und Texten eine ausgesprochen wichtige Bedeutung. Man denke z.B. an die Mantras und die vedischen Opfertexte im Hinduismus sowie an das Rezitieren des Korans in der Grundtextsprache bei Muslimen, die kein Arabisch können. In diesen Religionen wird dem Wort als Lautgestalt übernatürliche, sprich magische Bedeutung zugeschrieben. Das biblische Christentum distanziert sich jedoch völlig von aller Art der Magie, und damit auch von der Wortmagie.

Quellen falscher Sprachenrede

Wir haben gesehen, dass es sich beim biblischen Sprachenreden um die Beherrschung von Fremdsprachen handelt, die man vorher nie gelernt hat. Dies hebt sich markant von allem Lallen des Zungenredens, der so genannten »Glossolalie«, ab, wo die Redenden sich der Passivität hingeben und wo sie ihre Laute nicht einmal verstehen. Diese Art von Zungenreden findet man übrigens in mystischen Praktiken verschiedenster Kulte, so z.B. im Hinduismus, im Spiritismus, in den alten Mysterienkulten etc. Auch im Schamanismus, d.h. in animistischen Stammesreligionen, ist das Zungenreden ein bekanntes Phänomen, das eingesetzt wird, um Besessenheit, d.h. Machtergreifung durch einen Geist, auszulösen. Ferner kann es sich dort auch als Folgeerscheinung von Besessenheit einstellen, neben Phänomenen wie Zittern, Zucken, Umfallen, Vonsichgeben von Tierstimmen und unkontrolliertem Lachen etc.

Aus welchen Quellen kann die »Glossolalie« in christlichem Umfeld entspringen? Es kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage:

a) Es kann sich um ein selbst produziertes Lallen oder Stammeln handeln.

b) Die Glossolalie kann aus bestimmten seelischen Zuständen heraus entstehen. Sie ist ein in der Psychiatrie bekanntes Phänomen, das z.B. wohl aus seelischer Überspanntheit heraus erklärbar sein kann.

c) Zungenreden kann auch dämonischen Ursprungs sein. Ein deutliches »christliches Beispiel aus der Zeit der Camisarden (Die Camisarden bildeten eine entartete Bewegung, die sich aus dem Hugenottentum entwickelte) vermag dies ein wenig zu verdeutlichen: Ein Mädchen aus sozial einfachstem Umfeld pflegte damals im Trance-Zustand Hochfranzösisch zu sprechen. Diese Sprache konnte sie im Wachzustand nicht sprechen. In ihren Botschaften forderte sie die Camisarden zu Mord auf. (In diesem Fall handelte es sich nicht lediglich um ein Stammeln, sondern um eine wirkliche Sprache. Zwei Aspekte machen jedoch deutlich, dass es sich dennoch nicht um das biblische Sprachenreden handelte: 1. Nicht sie sprach, sondern ein Geist sprach aus ihr heraus. Sie wirkte als Medium, indem ihr Verstand abgekoppelt war. 2. Ihre Aussage stand deutlich im Widerspruch zur Bibel (Mat 5,44).

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei echten Christen prinzipiell mit dämonischem Einfluss gerechnet werden kann. Aufgrund verschiedener Hinweise aus dem NT muss man dies leider mit »Ja« beantworten. In Mat 16,16 sprach Petrus kraft göttlicher Offenbarung (vgl. Mat 16,17) ein wunderbares Bekenntnis zu dem Messias aus – doch seine Aussage in Mat 16,22 ging auf teuflische Eingebung zurück (Mat 16,23). Der Herr rügte Petrus mit aller Schärfe (Mat 16,23):
»Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnest nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.«

Die »Heiligen« und »Treuen« in Ephesus (vgl. Eph 1,1) werden gewarnt, dem Teufel keinen Raum (griech. topos) zu geben (Eph 4,27).

Der Apostel Petrus warf Ananias vor, dass er dem Teufel sein Herz geöffnet hatte (Apg 5,3):
»Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und von dem Kaufpreis des Feldes [etwas] für dich beiseite geschafft hast?«

Paulus musste bei den Korinthern von einem derart miserablen Zustand ausgehen, dass er ihnen vorwerfen konnte, sie seien durchaus bereit, einen fremden Geist zu empfangen (2Kor 11,4):
»Denn wenn der, welcher [zu euch] kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertrüget ihr es gut.«

Sprachenrede wozu?

Ein Zeichen für Israel

Wie schon weiter oben ausgeführt, bestand der erste Sinn des Sprachenredens in einem zeichenhaften Hinweis für den ungläubigen Teil des Volkes Israel, der Mühe hatte, zu akzeptieren, dass in dem Zeitalter der Weltmission (Das gegenwärtige Zeitalter der Weltmission von Pfingsten bis zur Entrückung der Gemeinde wird in 2Kor 6,2 »die wohlangenehme Zeit« und »der Tag des Heils« genannt), das gewissermaßen mit Pfingsten 32 n.Chr. begonnen hatte, Nichtjuden durch reuiges Sündenbekenntnis und Glauben an den Messias Jesus direkt mit Gott ins Reine kommen könnten, ohne den Weg über das Judentum gehen zu müssen.

In 1Kor 14,21-22 erklärte Paulus die Zeichenbedeutung des Sprachenredens, indem er auf eine diesbezügliche prophetische Stelle aus dem Buch Jesaja hinwies:
»[21] Es steht in dem Gesetz (Hier bezeichnet der Begriff »Gesetz« das gesamte AT) geschrieben [Jes 28,11-12]: ›Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volke reden, und auch also werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.‹
[22] Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.«

Gott spricht zu allen Völkern

Das Zeichen der übernatürlichen Sprachenrede war ein symbolischer Hinweis auf die damals für Juden unheimlich schwer fassbare Tatsache, dass Gott sich nun nicht mehr nur einem einzigen Volk in besonderer Weise mitteilen würde. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus sollte allen Völkern in ihrer Sprache gebracht werden, ganz gemäß dem göttlichen Auftrag des Messias in Jes 49,6:
»Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.«

Die Bibel für alle Völker

Durch eine unermüdliche Pionierarbeit konnten die ganze Bibel bzw. einzelne Bibelteile bis heute in über 2300 Sprachen übersetzt werden. Damit sind die Sprachgrenzen auf allen fünf Kontinenten derart durchbrochen worden, dass heute fast alle Menschen Gottes Wort verständlich hören könnten. Diese gewaltige Übersetzungsarbeit ist allerdings im Lauf der Kirchengeschichte ohne die Gabe des Sprachenredens vonstatten gegangen. Es war eine Arbeit von unvorstellbaren Mühen, Gefahren und aufopfernder Hingabe. Es ist keine Frage: Gott hätte dieses Werk durch Sprachenreden in grandioser Weise vereinfachen können. Er hat es aber nicht getan. Weshalb nicht? Ganz einfach deshalb, weil sein souveräner Wille es anders wollte! Das Sprachenreden war nur ein Zeichen, ein Hinweis auf eine wunderbare heilsgeschichtliche Entwicklung: Die ganze Welt soll Gottes Reden in der Heiligen Schrift vernehmen, entsprechend dem Auftrag des Auferstandenen (Mat 28,19-20; Mark 16,15-16; Luk 24,46-49; Joh 20,21; Apg 1,8).

Die Sprachenrede sollte einmal abklingen

Zur Opposition zwischen katargeô und pauô.

In 1Kor 13,8.10.13 wird erklärt, dass geistliche Gaben wie Weissagung und Erkenntnis, samt allem, was »stückweise« ist, einmal »hinweggetan« werden sollen (1Kor 13,8-13):

8 Die Liebe vergeht nimmer; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden (katargeô); seien es Sprachen, sie werden aufhören [pauô]; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden (katargeô)
9 Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise;
10 wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, dann wird das, was stückweise ist, weggetan werden (katargeô).
11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg (katargeô), was kindlich war.
12 Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie auch ich erkannt worden bin.
13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.

Das in der Elberfelder Übersetzung mit »hinwegtun« übersetzte griechische Wort katargeô bedeutet u.a. auch »vernichten, »abschaffen, »zunichte machen« (vgl. Heb 2,14), »entfernen. Die Grundbedeutung ist »herabmachen« (kata=herab; argeô=machen). Dieser starke Ausdruck deutet ein plötzliches, unmittelbares Beseitigen an, das bei der Wiederkunft Christi stattfinden soll, »wenn … das Vollkommene gekommen sein wird (1Kor 13,10) – dann, wenn Gläubige ihren Herrn »von Angesicht zu Angesicht« sehen werden (1Kor 13,12).  Könnte aber mit dem »Vollkommenen« nicht etwa die Zeit ab der Vollendung des Kanons der biblischen Bücher gemeint sein, d.h. die Zeit ab ca. 98 n.Chr., als der Apostel Johannes sein letztes Bibel¬buch verfasste und der Heiligen Schrift abschließend hinzufügte? Nein! Mit dem Abschluss des Kanons kam zwar Gottes schriftliche Offenbarung zu seinem Ende. Das stellte heilsgeschichtlich einen entscheidenden Einschnitt dar. Doch seither ist die Erkenntnis des einzelnen Gläubigen immer noch »stückweise« geblieben. Paulus sagt ja gewissermaßen subjektiv (1Kor 13,12): »Jetzt erkenne ich stückweise …« »Das Vollkommene« wird erst dann gekommen sein, wenn der Einzelne persönlich vollkommen erkennen kann (1Kor 13,12): »Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht.«

Während das Wort katargeô in 1Kor 13 im Zusammenhang mit »Weissagung« (1Kor 13,8), »Erkenntnis« sowie mit dem, was »stückweise« , und dem, was »kindlich« ist, viermal vorkommt, wird indessen in Verbindung mit dem Ende des Sprachenredens ein ganz anderes Tätigkeitswort verwendet, nämlich der Begriff pauô, der »aufhören« oder »abklingen« bedeutet. Durch katargeô wird eher eine abrupte Handlung ausgedrückt, durch pauô hingegen ein Prozess. In Apg 20,1 wird dieses Wort von Lukas bei der Beschreibung eines Volkstumults, der sich langsam beruhigte, gebraucht. Es leuchtet ein, dass bei der Wiederkunft Christi die Gaben in einem Nu zu ihrem Ende kommen werden. Wenn Paulus in Verbindung mit dem Sprachenreden jedoch im Prinzip von einem allmählichen Abklingen spricht, so können wir daraus schließen, dass diese Gabe irgendwann im Lauf der Kirchengeschichte vor der Wiederkunft Christi verstummen würde, und zwar in einem Prozess.

Kirchengeschichtliche Zeugnisse zum Aufhören des Sprachenredens

In diesem Zusammenhang ist es allerdings bemerkenswert, dass es eine Reihe von kirchengeschichtlichen Zeugnissen aus der nachapostolischen Zeit gibt, die verdeutlichen, dass mit dem Sterben der Apostel und derer, die durch sie zum Glauben gekommen waren, die Zeichen und Wunder der Frühzeit tatsächlich verschwanden. Augustinus schrieb um 392 n.Chr.:

»Warum geschehen heute solche Dinge nicht? Sie würden niemanden bewegen, wenn sie nicht wunderbar wären. … Gott ist darum in Weisheit mit uns umgegangen, indem er sie ein für alle Mal gab, um die Welt zu überzeugen, damit sie sich in der Folge auf die Menge verlasse, die auf diese Weise überführt wurde.«

Augustinus äußerte sich nicht allein zu den apostolischen Zeichen im Allgemeinen, sondern ebenso speziell zum Zeichen des Sprachenredens. Dieser bedeutende Kirchenlehrer seiner Zeit erklärte, dass durch die Sprachenrede das Kommen des Heiligen Geistes durch ein sichtbares Zeugnis unter Beweis gestellt worden war. Ferner habe das Sprachenreden Gottes Plan der Weltmission deutlich gemacht, dass nämlich die Frohe Botschaft von Jesus Christus nun allen Menschen in allen Sprachen verkündigt werden sollte. Das Zeichen der Sprachenrede habe sich ereignet, doch danach sei es verschwunden:
»Denn es war nötig, dass der Heilige Geist so mit allen Sprachen zei¬chenhaft bezeugt würde, weil Gottes Evangelium mit allen Sprachen dem ganzen Erdkreis zulaufen sollte. Jenes wurde zeichenhaft bezeugt, und (danach) verging es.«
Chrysostomos, der große Prediger des 4. Jahrhunderts, äußerte sich im Blick auf die Wunder zur Zeit der ersten Christen wie folgt:
»Behaupte nicht, Wunder geschahen damals nicht, weil sie heute nicht geschehen. … In jenen Tagen waren sie nützlich, heute sind sie es aber nicht. Von Wunderkräften ist nicht die geringste Spur geblieben.
Isidor von Pelusium (4. Jh.) spekulierte: »Vielleicht würden heute auch Wunder geschehen, wenn das Leben der Lehrer dem der Apostel an Bedeutung entspräche.«
Sogar noch im 7. Jahrhundert, als Aberglaube und Jagd nach Übernatürlichem längst einen großen Platz in der römischen Kirche eingenommen hatten, schrieb Isidor von Sevilla:
»Der Grund, warum die Kirche heute nicht die Wunder wirkt wie zur Zeit der Apostel, ist der, dass die Wunder damals notwendig waren, um die Welt von der Wahrheit des Christentums zu Überzeugen; jetzt steht ihr zu, nachdem sie überzeugt ist, durch gute Werke zu leuchten. … Wer heute als Gläubiger nach Wunderkräften strebt, trachtet nach eitler Ehre und menschlichem Beifall.«

 

5. Schlussfolgerungen und Konsequenzen

Beim biblischen Sprachenreden konnten Menschen ohne vorherigen Lernprozess plötzlich ihnen bis dahin unbekannte Sprachen beherrschen. Selbst der Akzent war perfekt. Es handelte sich um ein heilsgeschichtliches Zeichen, insbesondere als Zeugnis für das Volk Israel: Gott will zu allen Menschen in allen Sprachen reden, nicht mehr nur in einer Sprache zu einem Volk!
Das Sprachenreden vermittelte eine missionstheologisch tief gehende Aussage mit gewaltigen kirchengeschichtlichen Konsequenzen.

Beim Sprachenreden in der Zeit der Apostel geschah im Prinzip dasselbe wie bei der Erschaffung der ersten Menschen (1Mo 2) und bei der Sprachenverwirrung zu Babel (1Mo 11). Auch damals konnten Menschen eine neue Sprache sprechen, ohne sie vorher lernen zu müssen. Während jedoch in 1Mo 11 bei denen, die neue Sprachen redeten, das alte Sprachsystem gelöscht war, blieb es bei den Sprachenrednern des NT erhalten.
Ein weiterer Unterschied war der: Die Menschen zu Babel konnten jeweils nur eine Sprache sprechen, während neutestamentliche Sprachenredner unter Umständen befähigt waren, eine Vielzahl neuer Sprachen zu beherrschen (1Kor 14,18).

Das Sprachenreden der Bibel ist etwas grundsätzlich anderes als das heute in der Pfingstlich-Charismatischen Bewegung praktizierte Zungenreden. Das heutige Zungenreden ist ein misslungener Kopieversuch des in der Bibel bezeugten Sprachenwunders der Apostelzeit (1. Jh. n.Chr.).

Das Zungenreden, bei dem das bewusste Verstehen keinen Platz hat, der Verstand ausgeschaltet wird, ist eine in vielen nichtchristlichen Religionen und im Okkultismus ausgeübte Praxis. In der Christenheit sollte sie gar nichts zu suchen haben.

Das Zungenreden ist eines der auffälligsten Kennzeichen der »Pfingstlich-Charismatischen Bewegung. Durch die vorliegenden Ausführungen sollte aber deutlich geworden sein, dass das Zungenreden dieser Bewegung völlig unbiblisch ist. Damit wird die gesamte Bewegung aus biblischer Sicht grundsätzlich in Frage gestellt, mitsamt all ihren zahlreichen Sonderpraktiken und Sonderlehren, auf die im Rahmen dieser Ausführungen nicht weiter eingegangen werden konnte.

Wer das Zungenreden selbst praktiziert hat und nun erkennt, dass dies ein Irrweg ist, muss sich davon distanzieren. Gott bietet die Vergebung für alle unsere Verirrungen an. In 1Joh 1,9 lesen wir die ermutigenden Worte: »Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.«

Man braucht dazu keinen speziellen Befreiungsdienst. Wir dürfen unsere Schuld Gott reuig bekennen und seine Vergebung und Reinigung dankend annehmen. Danach gilt es, sich ganz nach dem Wort Gottes auszurichten.

Die Hervorhebungen sind von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, den 20. 2. 2007

Der Autor
HD Dr. theol. Roger Liebi (Dipl. Mus., B.Th., M.Th., Th.D.), Jahrgang 1958, verheiratet, sechs Kinder, studierte Musik (Konservatorium und Musikhochschule Zürich, Violine und Klavier), Sprachen der biblischen Welt (Griechisch, klassisches und modernes Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch) und Theologie. Doktoralstudium und Promotion am Whitefield Theological Seminary in Florida mit einer Dissertation über den Zweiten Tempel in Jerusalem (Fachbereiche: Judaistik und Archäologie des NT). Er ist als Referent und Bibellehrer in verschiedenen Ländern tätig. Als Hochschuldozent hält er Vorlesungen im Bereich Archäologie und Geschichte Israels (STH Basel). Aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und mit angrenzenden Gebieten ist eine Rei¬he von Veröffentlichungen hervorgegangen. Das Themenspektrum umfasst u.a.: Bibelauslegung, Kulturanalyse, Ursprung der Sprachen, Prophetie, Israel, Archäologie und Apologetik des christlichen Glaubens. Als Bibelübersetzer hat er bisher im Rahmen von drei Projekten mitgewirkt.

www.horst-koch.de
info@horst-koch.de

 




Seelsorge

Dr. theol. Kurt E. Koch

Seelsorge  und Okkultismus

– Die seelsorgerliche Behandlung der Menschen, die durch die Beschäftigung mit okkulten Dingen seelisch angefochten oder erkrankt sind –

 

Vorwort
Die Flutwelle leiblicher und seelischer Erkrankungen steigt in einem erschreckenden Ausmaß. Angesichts dieser Nöte verdient jeder unser Gehör, der als ehrlicher Helfer sich zum Wort meldet. Der Verfasser der vorliegenden Untersuchung hat Jahrzehnte in evangelistischer Arbeit gestanden. Dabei sind ungezählte belastete Menschen durch seine seelsorgerliche Betreuung gegangen. In erstaunlich vielen Fällen ergab das Beichtgespräch, dass die Hilfesuchenden entweder aktiv auf dem okkulten Gebiet experimentiert hatten oder dass sie im passiven Sinn solchen Beeinflussungen unterworfen worden waren. Die Wirkungen aber zeigten sich jedes mal in der gleichen Weise: die Menschen gelangten wohl auf diesen Wegen zu bestimmten Wunscherfüllungen, mussten sie aber mit seelischen Belastungen aller Art in Gestalt von Schwermut, Lebensüberdruß, Selbstmordgedanken, Zwangslästerungen, Tobsucht oder lüsternen Perversionen bezahlen.
Der Verfasser verfügt über ein sehr beachtliches medizinisches, psychiatrisches, psychologisches und psychotherapeutisches Fachwissen. Und es ist dem Verfasser der überzeugende Nachweis gelungen, daß nur eine mehrdimensionale Betrachtung diesem ungeheuren Problemkreis gerecht zu werden vermag. …
Adolf Köberle – Tübingen

Leicht gekürzt, auch die Hervorhebungen sind von mir, Horst Koch, 2010 –

I.    EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDSÄTZLICHE BEHANDLUNG DER OKKULTEN
       PHÄNOMENE
II.   SEELSORGERLICHE FÄLLE AUS DEM GEBIET DES OKKULTISMUS IM
       BLICK A
UF DAS ZIEL DER UNTERSUCHUNG

III.  DIE ZUSAMMENFASSUNG DER BEI OKKULTEN FÄLLEN BEOBACHTETEN
       HÄUFIGKEITSBEZIEHUNGEN
IV.   DER WEG DER BEFREIUNG AUS OKKULTER BEHAFTUNG

 

I. EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDSÄTZLICHE BEHANDLUNG DER OKKULTEN PHÄNOMENE

. . . Es ist dem Verfasser der überzeugende Nachweis gelungen, dass nur eine mehrdimensionale Betrachtung diesem ungeheuren Problemkreis gerecht zu werden vermag. Der Theologe muss lernen, die biologischen und psychologischen Grundlagen der okkulten Struktur zu erkennen.

Der Arzt und Seelenarzt aber sollte dahin kommen, dass er die Tiefe der religiösen Schuld und Verfehlung bei all diesem Geschehen ermessen lernt. Der Antrieb, der zur Wahrsagerei und zur magischen Besprechung führt, ist immer der Wille zur Macht, ist das Wissend-Sein-Wollen wie Gott. Der Mensch erzwingt sich seine Wünsche. Er durchbricht mit Gewalt die ihm von Gott gesetzten Schranken. Er erreicht vielleicht auch sein Ziel, verliert aber darüber das höchste Gut, dessen der Mensch fähig ist, die Gemeinschaft mit Gott

Diese Entsicherung des menschlichen Daseins durch die düsteren weltpolitischen Aspekte, die wirtschaftlichen Nöte, die Existenzlosigkeit, die Ehekrisen und dergl. mehr ist der Hintergrund, der günstige Nährboden für Neurosen aller Art. Der Fachmann spricht geradezu von einer Volksseuche der Neurosen oder von psychischen Epidemien. Dieser Neurosenseuche, mit der es der Psychotherapeut zu tun hat, entspricht auf der seelsorgerlichen Ebene die vermehrte Flut seelischer Störungen, die in vielen beobachteten Fällen in merkwürdigen Häufigkeitsbeziehungen zu der gesteigerten Welle okkulter Praktiken stehen.

Eine exakte medizinisch- psychologische Erforschung der sogenannten okkulten Phänomene ist auch für den Theologen als Voraussetzung seiner Beurteilung unerläßlich. Zudem darf bei dem noch weitgehend ungeklärten Fragenkomplex keine Flucht ins Übersinnliche erfolgen, solange noch stichhaltige rationale Erklärungsmöglichkeiten bestehen. Gott hat uns den Verstand gegeben, dass wir ihn brauchen.  . . .

II. DIE FORMALE GESTALTUNG DER ABHANDLUNG


1. Der Impuls zu der Behandlung des vorliegenden Themas kam, wie oben gesagt, aus der Praxis. Fünfzehnjähriger evangelistischer Dienst vermitteln erschütternde Einblicke in seelische Erkrankungen, die zum Teil in das Gebiet des Facharztes gehörten, in vielen Fällen aber auch mit okkulter Betätigung zusammenhingen. Seit Jahren habe ich die schwersten und seltsamsten Fälle solcher Erkrankungen aufgezeichnet und gesammelt. Die drängende seelische Problematik der Hilfesuchenden gab den Anstoß, aus dem vorliegenden Material etwa 600 Fälle okkulter Behaftung herauszugreifen und sie einer kritischen Auswertung zu unterziehen.


2. Das Ziel der Abhandlung ist die Darstellung eines speziellen Anliegens der praktischen Theologie: Es soll den durch okkulte Betätigung seelisch Erkrankten in ihrer Not geholfen werden. Die Erfahrung der seelsorgerlichen Aussprachen mit solchen Hilfesuchenden lehrt, dass diese besondere Aufgabe seelsorgerlicher Tätigkeit nicht nur im aufmunternden Zuspruch und teilnahmevollen Trost besteht. Nein, es geht darum, dass diese okkult Behafteten aus dem Kerker seelischer Verkrampfung und dem Zwang unerklärlicher Beziehungen wirklich frei werden. Um dieses seelsorgerliche Bemühen noch deutlicher zu machen, muss gesagt werden, dass es sich nicht allein um die Gesundung seelisch Kranker handelt, sondern vor allem um die Hinführung des Angefochtenen zu dem großen Befreier Jesus Christus.


3. Das Problem der Abhandlung ist dreigestaltig:
a.
Es geht erstens um die Feststellung, ob es eine sogenannte okkulte Behaftung
    überhaupt gibt.
b. Weiter muss die noch sehr umstrittene Beziehung zwischen okkulter
    Behaftung und seelischer Erkrankung zur Diskussion gestellt werden.
c. Zuletzt handelt es sich um die vordringliche Frage des Problems, ob dem
     okkult Angefochtenen vom Seelsorger entscheidende Hilfe gebracht werden
     kann, oder ob der Seelsorger jeden seelisch Kranken ausschließlich dem
     Facharzt zu überweisen hat.


4. Aus dieser Problemlage kristallisieren sich die verschiedenen Aufgaben der Abhandlung:
a.
Es muss durch eine große Zahl seelsorgerlicher Beispiele ein Einblick in die okkulte Behaftung gegeben werden, um die Folgen der Beschäftigung mit okkulten Dingen aufzuzeigen.
b. Es ist nicht zu umgehen, nach den Ursachen okkulter Behaftung zu forschen; denn ohne klare Erkenntnis der Wurzeln seelischer Erkrankungen ist keine Heilung und Hilfe möglich. Wie die Voraussetzung jeder medizinischen Behandlung die eingehende und richtige Diagnosestellung ist, so ist es unerläßlich, dass der Seelsorger den Hintergrund der seelischen Erkrankungen im Zusammenhang mit okkulter Betätigung durchschaut.
c. Es muss ferner nach einem Weg der Befreiung aus okkulter Behaftung gesucht werden. Das ist das eigentliche seelsorgerliche Anliegen, um das sich alle Teilaufgaben gruppieren.


5. Die Methode der Behandlung dieser Aufgaben wurde schon angedeutet. Es wird zunächst der Weg vom Menschen her, von der seelsorgerlichen Erfahrung her, beschritten, und dann werden die Ergebnisse der praktischen Beobachtung geprüft. Dieser Arbeitsgang ist der Weg der Induktion: Aus den speziellen Fällen wird das Allgemeingültige herausgearbeitet.


6. Der Aufbau der Untersuchung richtet sich nach den zu behandelnden Teilgebieten. Im ersten Teil wird von der seelsorgerlichen Praxis her durch etwa 120 Beispiele die seelsorgerliche Notlage bei okkulter Behaftung gezeigt.
Im zweiten Teil werden die Beiträge der wissenschaftlichen Grenzgebiete zur kritischen Prüfung dieser seelsorgerlichen Fälle herangezogen. Vor allem müssen die speziellen seelischen Erkrankungen, wie sie der Evangelist als Folge okkulter Behaftung kennen lernt, dem Feuer medizinisch wissenschaftlicher Kritik konfrontiert werden. (Dieser Aspekt der wissenschaftlichen Vergleiche wurde aus Raumgründen gekürzt. H.Koch)


7. Die Fixierung des Themas ergibt sich aus der seelsorgerlichen Fragestellung unseres Anliegens. Der Evangelist trifft fast überall in der Seelsorge auf viele seelische Erkrankungen, die oft im Zusammenhang mit okkulter Behaftung stehen. Aus dieser Häufung spezieller seelsorgerlicher Notfälle formt sich ohne weiteres das Unterthema: die seelsorgerliche Behandlung der Menschen, die durch die Beschäftigung mit okkulten Dingen seelisch angefochten oder erkrankt sind. In dieser Formulierung müssen vier Begriffe zur Vermeidung von Mißverständnissen kurz abgegrenzt werden:

a. Wenn hier von seelsorgerlicher Behandlung die Rede ist, dann ist damit nicht eine medizinische Heilbehandlung, etwa eine psychotherapeutische Aussprache, gemeint, sondern eine neutestamentlich ausgerichtete, theologische Seelsorge.

b. Wenn in dieser Abhandlung der Terminus „okkult“ verwendet wird, so soll damit das Randgebiet der sinnlichen Erfahrung gekennzeichnet werden: Die rational kaum noch erfaßbaren Phänomene, die Erscheinungen, die in den metaphysischen und metapsychischen Bereich hinübergreifen, die Beziehungen zwischen dem sinnlichen und übersinnlichen Raum.

c. Der dritte Begriff, der kurz deutlich gemacht werden muss, ist die Beschäftigung mit okkulten Dingen. Der Terminus „Beschäftigung“ umfaßt sowohl das aktive Experimentieren auf okkultem Gebiet als auch das passive okkulte Beeinflußtwerden. Sowohl die aktive als auch passive Beteiligung, sowohl das Subjektsein als auch Objektsein auf okkultem Gebiet schafft eine okkulte Behaftung, um deren seelsorgerliche Behandlung es hier geht.

d. Zuletzt bleibt noch der Begriff der seelischen Anfechtung und der seelischen Erkrankung. Der Terminus „seelisch“ hat in dieser Abhandlung zwei Bedeutungen. Zunächst ist damit rein psychologisch oder fachtechnisch die inwendige Natur des Menschen gemeint: das Psychische als Partner des Somatischen. Ferner umfaßt der Begriff der seelischen Erkrankung aber auch das religiöse Problem des Krankseins vor Gott. Die seelische Erkrankung in diesem Sinn ist nicht nur ein naturhaft biologischer Tatbestand, sondern eine Störung der Grundhaltung des Menschen zu seinem Schöpfer. Unter seelischer Erkrankung ist hier also sowohl eine Störung auf psychosomatischer als auch religiöser Grundlage gemeint.

8. Das christozentrische Vorzeichen der Abhandlung

Vom Neuen Testament aus kommt nur ein positives Vorzeichen vor dieses rätselhafte Gebiet des Okkultismus, nämlich, dass Jesus Christus auch in diesem Labyrinth ungeklärter Fragen das letzte Wort behält. Er ist das „Ende der Dämonen“. Diese Tatsache wird durch den Sprachgebrauch der Urgemeinde klar bezeugt, die nur von einem Kyrios redet, vom Herrn Jesus Christus. Der Heroldsruf, dass Christus der Sieger über alle geheimnisvollen Kräfte und dunklen Mächte ist, bedeutet die beherrschende Mitte dieser Untersuchung.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass in den letzten Jahren das Reden über okkulte und dämonische Dinge zu einer Zeitkrankheit, ja zu einer gewissen Sucht geworden ist.
Das letzte seelsorgerliche Ziel der Abhandlung ist, den Weg der Befreiung aus okkulter Behaftung zu weisen.

III. SEELSORGERLICHE FÄLLE AUS DEM GEBIET DES OKKULTISMUS IM BLICK AUF DAS ZIEL DER UNTERSUCHUNG

A. System der Darbietung der seelsorgerlichen Beispiele


1. Das Gebiet der okkulten Phänomene ist so mannigfaltig, dass eine Ordnung nach vereinheitlichenden Gesichtspunkten unerläßlich ist. Das einfachste Schema wäre eine alphabetische Reihenfolge der mehr als 20 Teilgebiete. Bei dieser Anordnung würden aber zusammengehörige Gebiete auseinandergerissen werden.

Wir kommen einen Schritt weiter, wenn wir fragen, um welche Probleme es bei den okkulten Phänomenen geht. Im wesentlichen handelt es sich bei den okkulten Vorgängen um zwei Bereiche: 
die Wissensfrage und die Machtfrage.


Es sind dies die beiden Grundprinzipien der Urversuchung in 1. Mose 3, 5: Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Frei übersetzt heißt das: Ihr werdet mächtig sein wie Gott und wissend.

Diese Urversuchung hat also den doppelten Inhalt: die Erhebung des Menschen zur Macht und zur letzten Schau der Dinge und beides mit einem antitheistischen Vorzeichen. Übertragen auf das okkulte Gebiet heißt das: Der Mensch löst sich aus der Bindung zum Schöpfer; er will die gottgesetzten Schranken durchbrechen und Verborgenes oder Zukünftiges ergründen. Es handelt sich hier also um die außersinnliche Wahrnehmung.

Der heimliche Hintergrund dieses Strebens nach okkultem Wissen ist die Gier nach Macht. Der Mensch will sich gegen Gott und gegen den Menschen behaupten und im Machtkampf die Oberhand gewinnen. . . .  Damit haben sich durch eine einfache Überlegung drei Hauptgebiete herauskristallisiert:

a. Die außersinnliche Wahrnehmung   (ASW)
b. Die außersinnliche Beeinflussung    (ASB)
c. Die außersinnlichen Erscheinungen (ASE)

2. Der Aufbau der Einzelbeispiele

Eine seelsorgerliche Aussprache bei seelisch Angefochtenen vollzieht sich im allgemeinen in folgendem Rahmen:
 Zuerst hat der Hilfesuchende das Wort. Er darf alles berichten, was ihn bewegt und seelisch belastet. Auf der Seite des Seelsorgers will da rechtes Hören gelernt sein. Zur Vervollständigung des Berichtes werden in geeigneter Form kurze Zwischenfragen gestellt. Bei der Darstellung des Hilfesuchenden hat der Seelsorger die erste Möglichkeit, einen Gesamteindruck von der Persönlichkeit des Berichtenden zu bekommen. … Diesem Bericht des Angefochtenen schließt sich der Versuch an, in behutsamem Vortasten eine Krankengeschichte zu erarbeiten. Zuerst folgt die eigene Anamnese: bisherige Krankheiten, organische Leiden, Neurosen usw. Auf seiten der Frauen spielt noch eine abnorme psychische Reaktion bei Menstruation, Gravidität, Klimakterium eine Rolle. Bei Männern ist die seelische Labilität bei Alkoholismus, perverser Sexualität, Klimakterium virile usw. zu beachten.

An die eigene Anamnese schließt sich die Familienanamnese an: Psychosen, Erbkrankheiten, Todesursachen, Selbstmordfälle bei Geschwistern und Vorfahren.

Nach Feststellung des medizinischen Befundes folgt eine Anamnese okkulter Beziehungen: 
Teilnahme an spiritistischen Sitzungen, Besuch bei Besprechern, Wahrsagern, Kartenlegern, Pendlern usw. Auch sind nicht nur die eigenen okkulten Erlebnisse, sondern auch die der Vorfahren von entscheidender Bedeutung.
 – Schon hier sei folgendes vorweggenommen: Ergibt sich aus der Anamnese, dass die Ursachen der seelischen Erkrankung medizinischer Art sind, dann wird der Angefochtene zwar aus dem Wort Gottes gestärkt, aber zur eigentlichen Behandlung dem Facharzt überwiesen.

Weiter sei als kurze Vorbemerkung erwähnt, dass alle Beispiele, die aus der Seelsorge kommen, mit B1, B2, B3 usw. nummeriert werden. Alle Beispiele, die vergleichsweise aus der Literatur übernommen werden, sind mit E1, E2, E3 usw. bezeichnet.

B. Der Einblick in die seelische Not der okkulten Fälle

1. Die außersinnliche Wahrnehmung (ASW)

Der Spiritismus

Als erstes Teilgebiet soll der Spiritismus durch seelsorgerliche Beispiele beleuchtet werden. Es geht hier nicht darum, die Entstehung und die Geschichte des Spiritismus klarzustellen. Darüber haben schon viele Sachkenner Gründliches geschrieben. Die folgende Darstellung ist beherrscht von einem praktischen Anliegen der Seelsorge: die Folgen der Beschäftigung mit okkulten Dingen zu zeigen. Die klargefaßte Formulierung Prof. Tischners soll uns in medias res führen: „Der Spiritismus stellt eine geistige Bewegung dar, begründet auf der Überzeugung, dass die Menschen über bestimmte Personen, die ,Medien‘, mit den Verstorbenen in Verbindung treten und so Offenbarungen aus dem Jenseits erhalten können.“


Damit ist zugleich das Hauptmotiv für die Beteiligung an spiritistischen Sitzungen gekennzeichnet. Viele Menschen wünschen etwas über das Jenseits zu erfahren oder mit ihren verstorbenen Angehörigen oder Freunden in Verbindung zu treten. Wie die Verwirklichung dieses Zieles im einzelnen gesucht wird, soll an fünf Arten spiritistischer Praxis gezeigt werden.

a. Die Totenerscheinung

B 1 Bei einer Evangelisation kommt eine siebzigjährige Frau zur seelsorgerlichen Aussprache. Sie ist eine treue Kirchgängerin und seit 40 Jahren Mitglied einer lebendigen Gemeinschaft. Wie von anderer Seite bezeugt wurde, hat sie sich als Christin bewährt. Sie klagt über Schwermut, Selbstmordgedanken, Unlust zum Beten und Bibellesen. Sie fügt hinzu, sie habe das früher nie gehabt, auch nicht nach dem Tode ihres Mannes. Es drängen sich ihr ungewollt Gedanken auf, deren sie sich schäme. Die Frau bietet ihrer Konstitution nach das Bild einer kräftigen, gesunden Bauersfrau. Nur der etwas bekümmerte Gesichtsausdruck lässt auf seelische Konflikte schließen.
Zunächst wird durch Fragen festgestellt, ob die Hilfesuchende nicht an Alterserscheinungen, etwa an Arteriosklerose oder sonst einer organischen oder nervösen Erkrankung leidet. Nach negativem Bescheid wird noch nach Erbkrankheiten und Todesursachen der Eltern geforscht. Auch hier ergeben sich keine besonderen Anhaltspunkte.
Es folgt nun die Anamnese okkulter Betätigung. Auf eine diesbezügliche Frage gesteht die Frau, dass sie nicht wisse, was das sei. Nach einigen Erläuterungen kommt doch eine typisch okkulte Geschichte ans Licht, die in das Gebiet des Spiritismus gehört.
Die Frau erzählt, dass ihr Gatte ein Trinker und unchristlicher Mann gewesen sei. Da sie ihn aber trotzdem liebgehabt habe, sei sie nach seinem Tode um sein Ergehen in der Ewigkeit besorgt gewesen. Im Gebet habe sie daher Gott oft angefleht, Er möchte ihr im Traum ihren Mann erscheinen lassen.
Da erklärt ihr eines Tages eine fremde Frau, sie könne ihren Wunsch erfüllen. Sie möge sich abends bei ihr einfinden. Die Siebzigjährige kommt dieser Aufforderung nach. Nach verschiedenen frommen Zeremonien – so hat es wenigstens den Anschein – wird eine Wand des Zimmers hell erleuchtet. Im Lichtkreis kommt der verstorbene Mann mit einem fürchterlichen Gesichtsausdruck auf einem Ziegenbock reitend ihr entgegen. Die Frau erschrickt und verzichtet von da an auf den Wunsch, jemals wieder ihren Mann zu sehen.

Auf die Frage, ob ihre Schwermut vor oder nach diesem Erlebnis eingesetzt habe, bejaht die Patientin, dass kurz nach diesem seltsamen Erlebnis die Selbstmordgedanken und der Widerwille gegen das Wort Gottes eingesetzt haben. Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung, dass es sich bei jener fremden Frau, welche die Totenerscheinung „inszenierte“, um die berüchtigte Leiterin eines spiritistischen Zirkels handelt. Sie ist mit ihrer unheilvollen Tätigkeit dem Autor seit 22 Jahren gut bekannt.

Dieses Beispiel wird an dieser Stelle noch nicht voll ausgewertet. Es werden lediglich die Probleme angedeutet, um die es hier geht.
Den Mediziner interessieren hier im wesentlichen vier Fragen: Haben die psychischen Störungen der Frau eine organische Erkrankung als Ursache?
Oder handelt es sich um eine reaktive, psychogene Depression mit dem schweren Erlebnis bei der Spiritistin als Anstoß?
Könnte nicht die Totenerscheinung einfach eine Halluzination sein?
Ist die Koinzidenz (Zusammentreffen zweier Ereignisse) der seelischen Erkrankung mit jener Totenerscheinung real oder imaginär?

Den Parapsychologen wiederum interessieren im wesentlichen drei Fragen:
Ist auf die Totenerscheinung die Betrugshypothese anzuwenden?
Ist dieses Phänomen die Auswirkung einer Hypnose oder Suggestion?
Gilt hier vielleicht sogar die spiritistische Hypothese?


Den Seelsorger interessieren neben den medizinischen und parapsychologischen Problemen die Fragen nach den Folgen okkulter Betätigung und nach dem Weg seelsorgerlicher Hilfe.

Bei diesem Kreis der verschiedenen Fragen muss in diesem Kapitel folgendes festgehalten werden: Die Siebzigjährige nahm nach erfolglosem Beten die Hilfe einer Spiritistin in Anspruch, ohne zu ahnen, dass sie „die Geister, die sie rief, nicht mehr loswerden“ sollte. Als Folgen dieses okkulten Erlebnisses stellten sich hinterher Störungen des seelischen Lebens und ihrer religiösen Haltung ein. Die anderen hier auftauchenden Probleme werden in späteren Kapiteln gesondert untersucht.

b. Das Glasrücken

B 2 Bei einer Bibelwoche berichtete ein Reichgottesarbeiter, ein Akademiker, folgendes Erlebnis: Der Wunsch nach der Erforschung der spiritistischen Phänomene führte ihn zur Teilnahme an Séance. Die Glieder des Zirkels saßen um einen Tisch, auf dem ein großes Alphabet auslag. Die Buchstaben waren mit einer Glasplatte abgedeckt, auf der ein Likörgläschen stand. Nach der Eröffnung der Sitzung mit einem philosophisch-religiösen Gebetswunsch wurde ein Geist zitiert. Die Anwesenden richteten dann an den unsichtbar gegenwärtigen Geist Fragen, die damit beantwortet wurden, dass das Likörgläschen auf dem Alphabet tanzte und auf einzelnen Buchstaben stehen blieb. Die zusammengeschriebenen Buchstaben ergaben die Antwort auf die gestellten Fragen.
Der Berichterstatter mühte sich zunächst um die Feststellung, welche Energiequelle hinter den einzelnen Bewegungen des Gläschens stand. Seine Untersuchung führte in vielen Sitzungen zu keinem Erfolg. Er befand sich zuletzt vor der Alternative, entweder mit der Geisterhypothese oder mit dem wesentlich verständlicheren Phänomen der Telekinese zu rechnen.

Die Teilnahme an diesen spiritistischen Sitzungen, die lediglich dem Studium der okkulten Phänomene dienen sollte, hatte bei dem Experimentator schwerwiegende Folgen. Das Interesse für das Wort Gottes schwand. Wenn er am Sonntag den Gottesdienst halten sollte, stellten sich merkwürdige seelische Anfechtungen ein. Es galt immer einen furchtbaren inneren Widerstand niederzuringen, wenn er den Altar oder die Kanzel betreten wollte. Diese Anfechtungen steigerten sich so sehr, dass diesem Mann zuletzt nichts mehr anderes übrig blieb, als bei der Kirchenbehörde um seine Entlassung zu bitten, die ihm ungern gewährt wurde.

Nach der medizinischen Seite hin ergab sich bei diesem Akademiker kein Anhaltspunkt für seine seelischen Störungen. Er war in seinem Leben selten krank. Nerven- oder Gemütskrankheiten lagen nicht vor. Nach seiner Entlassung aus dem Kirchendienst ergriff er einen anderen Beruf, dem er jetzt noch ohne Hemmungen nachgehen kann. …

In seelsorgerlicher Hinsicht geht es in erster Linie um die Auswirkungen der okkulten Betätigung in der seelischen Verfassung des Experimentators: die totale Abstumpfung gegen das Wort Gottes und die unerklärlichen Anfälle, wenn er in der Kirche seines Amtes walten wollte.

B 3 Eine zweite Art von Glasrücken bringt neue Momente in die Diskussion. Eine junge Frau pflegte privatim das „Gläseln“ auf einer mit Buchstaben versehenen kreisrunden Scheibe. Sie wollte damit für alle Entscheidungen und Fragen, ganz gleich welcher Art sie sein mochten, Klarheit schaffen. Diese private Praxis entwickelte sie aus den in spiritistischen Sitzungen gesammelten Erfahrungen. Das Besondere war, dass die junge Frau der Meinung war, sie könne sogar große Persönlichkeiten wie Luther, ja sogar Paulus und Christus aus dem Jenseits rufen. Sie pflegte das Glasrücken mit Gebet einzuleiten und war von der Religiosität ihres Treibens überzeugt. Im Dorf galt sie als treue Kirchgängerin. Gelegentlich beriet sie auch Bekannte mit Hilfe ihrer magischen Scheibe. Sie benutzte dabei als geläufige Redewendung die Formel: „Warte, ich will mal den Heiland fragen.“

Dieser Spiritistin war eine nur kurze Lebensdauer beschert. Im besten Alter wurde sie unerwartet krank. Sie ahnte ihr bevorstehendes Ende und redete davon, dass der Heiland sie holen würde. Eine im Sterbezimmer anwesende Hausgenossin berichtete von den letzten Augenblicken der Hinscheidenden. Die Sterbende äußerte in der Agonie plötzlich: „Jetzt holt mich der Heiland.“ Sie blickte gespannt zum Fenster hin. Die Augenstellung verriet das Näherkommen eines Unsichtbaren. Da veränderte sich schlagartig der Gesichtsausdruck zu einer angsterfüllten Grimasse, und mit einem Angstruf verschied sie. Es war nach dem Bericht der Augenzeugin eine Szene, als ob die Sterbende im Augenblick des Abscheidens von einem Wahn zu einer schrecklichen Wirklichkeit erwacht wäre.

In seelsorgerlicher Hinsicht treten hier Momente hervor, die sich bei sehr vielen okkulten Fällen wiederholen: Die Frau übte unter christlichem Gewand eine spiritistische Praxis aus. Vermutlich war sie sogar selbst von der „Christlichkeit“ ihres Handelns überzeugt. Erst vor dem Tor der Ewigkeit zerriß dieser Schleier frommen Irrwahns.

Der Mediziner wird einwenden, dass der plötzliche Umschwung im Gesichtsausdruck und der Wehruf nicht auf die religiöse Einstellung oder auf die okkulte Betätigung zurückzuführen sei, sondern auf die Agonie, auf das letzte Aufbäumen körperlicher Funktionen.

Der Parapsychologe ist desinteressiert an der ethischen Bewertung okkulter Phänomene. Ihn beschäftigt lediglich das Experiment des Glasrückens, ob hier das Phänomen des Hellsehens, des „Geisterverkehrs“ oder sonst eine Form der außersinnlichen Wahrnehmung in Frage kommt, abgesehen davon, dass es auch genug Fälle groben Schwindels und Geldmacherei gibt.
Wenn auch hier die verschiedenen Probleme nicht zur Darstellung kommen, so muss doch der doppelte Befund festgehalten werden: Die spiritistischen Manipulationen geschahen unter frommem Deckmantel. Die Ausübende erlebte einen sehr schweren, unheimlichen Todeskampf, ein Symptom, das sich bei okkulter Betätigung in allen mir bekannten Fällen einstellte. Beachtet darf werden, dass Prof. Bender, ein Fachmann auf dem Gebiet des Glasrückens, vor diesem psychischen Automatismus ausdrücklich warnt.

c. Das Tischrücken

Die okkulte Literatur ist voll von Beispielen über das Tischrücken. . . . Zu den besten Echtheitsbeweisen gehören die Sitzungen des Physikers Prof. Zöllner mit dem amerikanischen Spiritisten Dr. med. Slade.
Slades Levitationsphänomene und Apporte erregten größtes Erstaunen und konnten trotz bester Kontrollierungsmaßregeln nicht als Schwindel entlarvt oder rational erklärt werden. Wie bei allen Beispielen dieser Untersuchung geht es hier nicht darum, das Phänomen der Levitation zu untersuchen, sondern nur die psychischen Verwirrungen aufzuzeigen, die sich im Gefolge okkulter Betätigung einstellten.

B 4 Eine gebildete Dame aus gutem, christlichem Hause berichtete in der Aussprache folgendes Erlebnis: Sie erhielt eines Tages von dem Rektor der städtischen Schule eine Einladung zu einem gesellschaftlichen Abend. Ahnungslos nahm sie die Einladung an. Es war ein Kreis von etwa sieben Personen im Hause des Rektors zusammen. Nach dem Essen schlug der Hausherr ein unterhaltendes Gesellschaftsspiel vor. Die Gäste wurden aufgefordert, mit den gespreizten Fingern eine Kette zu bilden und die Hände etwa 15 cm über die Tischplatte zu halten. Nachdem dieser Aufforderung nachgekommen war und die Sitzenden gespannt warteten, was kommen sollte, äußerte der Rektor: „Es ist ein Nichtleiter dabei.“ Eine Person wurde ausgeschieden, die sich neben die Gruppe der Teilnehmer setzte und alles mit ansehen durfte.
Nach der Ausscheidung dieses Nichtleiters spürten die Teilnehmer ein prickelndes Gefühl in den Fingern, wie wenn ein Schwachstrom durch die Kette der Hände liefe. Dem Experiment stand jetzt nichts mehr im Wege. Es wurde den Teilnehmern erklärt, dass ein Verstorbener zitiert würde, der ihre Fragen beantworten sollte. Das Erscheinen des Verstorbenen gab sich durch Klopfzeichen kund. Und nun setzte ein Frage und Antwort Spiel ein. Schließlich bat einer der Anwesenden, der Geist möchte doch seinen Namen klopfen. Die Antwort folgte unverzüglich. Da rief einer der Teilnehmer aus: „Den habe ich gekannt, der hat sich vor 20 Jahren aufgehängt!“

So verlief der Abend bei diesem seltsamen Gesellschaftsspiel. Die Berichterstatterin ging mit merkwürdigen Eindrücken nach Hause. Bevor sie sich zur Ruhe begab, griff sie, wie seit langen Jahren gewohnt, nach ihrer Bibel, um das Wort Gottes zu lesen und zu beten. Im gleichen Augenblick spürte sie einen heftigen Widerstand gegen die Bibel und empfand an der Kehle einen unerklärlichen Druck, so dass sie kein Gebet über die Lippen brachte. Bei einer seitlichen Kopfbewegung sah sie gleichzeitig zwei weiße Gestalten mit einem dämonischen Blick am Kopfende ihres Bettes stehen. Sie stieß einen Angstschrei aus, auf den sofort ihre Schwester herbeieilte. Ihre Furcht war so groß, dass die Schwester bei brennendem Licht in ihrem Zimmer schlafen musste. Diese Anfechtung dauerte viele Nächte. Erst nach einem halben Jahr waren die Auswirkungen jenes spiritistischen Abends verschwunden, und sie konnte wieder wie früher ihre Bibel lesen und beten.  . . .

. . . Der Seelsorger hat trotz der Kenntnis der medizinischen und psychologischen Fragen, die hier auftauchen, noch ein entscheidendes Wort mitzureden. Das Problem, ob die Levitation des Tisches und die Klopfzeichen Betrug oder Psychokinese oder ein spiritistisches Phänomen darstellen, interessiert ihn zunächst wenig, wenn er den empirischen Befund einer notvollen seelischen Anfechtung vor Augen hat. Da die berichtende Dame vor jener verhängnisvollen Séance körperlich und seelisch gesund war und auch ein halbes Jahr nach jenem Erlebnis ihre seelische Stabilität wiedererlangte und seither – seit 18 Jahren – nicht mehr verlor, so liegt für den Seelsorger der Schluß sehr nahe, dass jene spiritistische Sitzung diese psychischen Störungen hervorrief. Dem Seelsorger genügen solche Erfahrungen – zumal, wenn sie in Hunderten von Fällen vorliegen -, um vor jeder Teilnahme an spiritistischen Sitzungen zu warnen. Ferner weist die sich in allen Fällen wiederholende und akut eintretende Resistenz gegen das Wort Gottes und Gebet – soweit die Teilnehmer überzeugte Christen sind – noch auf einen anderen als nur psychischen Sachverhalt hin. Ein weiteres Beispiel soll die Auswirkungen des Tischrückens unterstreichen und ein neues Moment spiritistischer Praxis beleuchten.

B 5 Eine ältere Hausangestellte kommt zur Aussprache. Sie klagt über verschiedene seelische Nöte, wie Schwermut, Lebensüberdruß, Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus. Sie bekommt Anwandlungen zu Jähzorn und Neigung zu Tobsuchtsanfällen. Wenn sie beten hört, möchte sie davonlaufen, oder sie hält sich die Ohren zu und schließt die Augen. In der Gegenwart von gläubigen Christen ekelt sie alles an. Sie fühlt sich vom Wort Gottes abgestoßen. Sie spürt den Trieb in sich, alles zu zerschlagen und zu zerreißen. – Äußerlich geht es ihr gut. Sie lebt im Ausland bei einer Herrschaft in wohlhabenden Verhältnissen. Sie hat die Möglichkeit, sich gut zu verheiraten. Doch sie weiß nicht, ob sie den Bewerber mit ihrer schwermütigen Art unglücklich machen soll.
Die erste Frage, ob die Entscheidung der Verheiratung die seelischen Konflikte bei ihr ausgelöst habe, verneint sie. Einige Fragen nach bisher durchstandenen Krankheiten fördert außer geringfügigen Katarrhen nichts zutage.
Nun folgt die Anamnese okkulter Beziehungen. Zunächst zeigt sie sich bei der Frage nach okkulter Betätigung unwissend. Es bleibt nichts anderes übrig, als ihr den ganzen okkulten Katalog aufzuzählen. Sie staunt, als das Stichwort „Tischrücken“ fällt. Sie erzählt, dass sie das jahrelang geübt und für nichts Schlimmes angesehen habe. Die Dame ihres Hauses habe sie oft zu einer Gesellschaft mitgenommen, in der unter frommen Zeremonien das Tischrücken gepflegt worden sei. Eines Tages, als sie vor einer schweren Entscheidung gestanden habe, sei ihr in den Sinn gekommen, das Tischrücken privatim zu probieren. Es entwickelte sich dann nach diesem Erlebnisbericht folgendes Experiment:
Das Mädchen stellt ein Ziertischchen vor sich hin, gebraucht den gleichen frommen Spruch, den sie in der Gesellschaft gehört hat; nur der zweite Spruch ist ihr nicht mehr in Erinnerung. Das Tischchen rührt sich nicht. Da flucht sie: „Wenn nicht in Gottes Namen, dann eben in des Teufels Namen!“ Daraufhin fängt das Tischchen zu klopfen an. Dieses Erlebnis ist für das Mädchen der Start zu der jahrelangen Gepflogenheit des Tischrückens. Auf entsprechende Fragen wird noch einmal folgendes klargestellt:
Sie pflegte jahrelang das Tischrücken ganz privatim für sich. Andere Menschen beriet sie mit ihrem Tischchen nicht. Sie ließ sich in allen wichtigen Fragen und Entscheidungen vom Tischchen beraten, das bei der Antwort „Ja“ sich vor ihr verbeugte und bei „Nein“ sich seitwärts neigte. Das Zimmer wurde bei dieser Praxis nie verdunkelt. . . .

Mit welcher Hypothese man dieses Phänomen der Levitation auch erklären will, eines steht für den Seelsorger bei einer Häufung derartiger Beispiele fest, dass die aktive oder passive Teilnahme an spiritistischen Experimenten in der seelischen Struktur des Teilnehmers Spaltungen und Verkrampfungen produziert und die religiöse Haltung des Menschen antichristlich fixiert. Diese letzte These wird bei den Spiritisten viel Widerspruch hervorrufen; es muss daher in einem späteren Abschnitt darauf zurückgekommen werden.

E 1 In der Frage des Tischrückens darf aus der Literatur ein Beispiel eingefügt werden, da in der spiritistischen Praxis nicht nur die Levitation – das einfache Hochheben – des Tisches und das Klopfen bekannt sind, sondern auch das Wegrücken, das Hüpfen und Fliegen des Tisches beobachtet wurde.

Martensen Larsen berichtet von dem Physiker Barret, der dem Phänomen der Telekinese mit Skepsis gegenüberstand. Um so mehr ist zu bewerten, dass er seine Zweifel durch eine Reihe von Erlebnissen überwand. Eines schilderte der Physiker mit folgenden Worten: „Ich hatte Gelegenheit, eine Sitzung … abzuhalten. Das Zimmer war ganz erhellt, und nachdem verschiedene Klopflaute eine Mitteilung hervorbuchstabiert hatten, kam ein kleiner Tisch, den niemand berührte, über den Fußboden auf mich zugehüpft, bis er mich ganz in meinen Lehnstuhl einschloss. Es fanden sich keine Drähte oder Leitungen oder sonst Gründe für die Bewegung des Tisches vor.“

E 2 Die letzte Überspitzung dieses Phänomens des Tischrückens wurde in mündlichen Berichten von Forschern und Missionaren aus Tibet berichtet, die einstimmig bezeugen, dass viele Priester des Taschi Lama über enorme okkulte Fähigkeiten verfügen und kleine Tischchen bis zu 30 m durch die Luft fliegen lassen können. Vor allem sind die sogenannten Rotmützenmönche Experten der Telekinese, Levitation, Materialisation und der Schwarzen Magie. Eine Kontrolle dieser phantastisch anmutenden Berichte, die von den Forschern aus Tibet wiedergegeben werden, ist nicht möglich. Als Argument für die Wahrscheinlichkeit und Echtheit spricht lediglich die Tatsache, dass diese Berichte in das weltanschauliche Gesamtbild Tibets passen, das nach der Meinung der Forschungsreisenden und der Missionare unter allen Völkern und Ländern der Erde die erste Hochburg des Okkultismus ist.

Wenn sich bei diesen Beispielen aus der Literatur und der geokulturellen Sicht auch keine psychologische oder einzelseelsorgerliche Untersuchung durchführen lässt, so ist das Tibetbeispiel doch nicht ganz ohne Ausbeute. Tatsache ist, dass Tibet allen christlichen Missionierungsversuchen am längsten von allen Ländern getrotzt hat. Die Missionare wurden bis in die jüngste Vergangenheit getötet; so wahrscheinlich auch der indische Missionar Sadhu Sundar Singh. Erst 1934 haben christliche chinesische Flüchtlinge das Evangelium nach Tibet hineingetragen. Und erst 1946 bekam Tibet die Bibel. Es ergibt sich hier also religionsgeschichtlich die interessante Perspektive, dass die okkulte Betätigung und der Fortschritt der christlichen Mission sich umgekehrt proportional verhalten. Selbstverständlich ist diese Feststellung durch ein Beispiel nicht genügend erhärtet. Sie passt aber doch in das System der in den übrigen Beispielen entwickelten Gedanken. Vor allem wird diese These durch die Berichte der Missionare von China und Indien bestätigt.

d. Das Trancereden

Unter diesem Phänomen versteht man einen somnambulen Zustand, in den die Medien durch Autohypnose oder Fremdhypnose versetzt werden. Die Spiritisten sind der Meinung, dass sie mit Hilfe dieser Sprechmedien Botschaften von Verstorbenen erhalten können. Um die Auswirkungen des Tranceredens zu zeigen, sollen hier drei Beispiele aus der seelsorgerlichen Praxis folgen.

B 6 Bei einem Fahrradhändler wurde ein Einbruch verübt und viel Fahrradzubehör entwendet. Der geschädigte Geschäftsmann meldete den Diebstahl der Polizei. Darüber hinaus beauftragte er den Leiter eines spiritistischen Zirkels, in dem betroffenen Geschäft eine Séance abzuhalten, um durch ein Sprechmedium mit Hilfe der „Geister“ den Täter beschreiben zu lassen. Die Sitzung fand im Beisein von sechs Personen statt. Das Medium beschrieb den Täter, und man bekam dadurch auf einen verschuldeten Arbeiter starken Verdacht.

Ganz abgesehen von dem zweifelhaften Charakter eines solchen Fahndungsdienstes hatte diese Sitzung ein merkwürdiges seelsorgerliches Nachspiel. Zwei beteiligte, christliche Personen dieser Sitzung, ein Mann und eine Frau, kamen zur Aussprache und klagten wieder wie bei allen anderen Fällen über Schwermut, Lebensüberdruß und Beobachtung von Spukerscheinungen.

B 7 Ein Pfarrer berichtete mir von einem Sterbebett folgendes Erlebnis: Der Leiter einer kirchlichen Gemeinschaft lag im Sterben. Der angesehene Mann erlebte einen furchtbaren Todeskampf. Im Haus und im Garten rumorte, rasselte und krachte es so unheimlich, als ob die Hölle los wäre. Der Ortsgeistliche, der zur Stärkung des Angefochtenen geholt wurde, erzählte nach dem Tod des Mannes: „Da sieht man, dass auch gläubige Menschen auf dem Sterbebett schwer angefochten werden können.“ Diese Aussage des Pfarrers soll keineswegs bestritten werden. Nur muss zur Vervollständigung hinzugefügt werden, dass mir seit 20 Jahren bekannt ist, dass in dem Hause des Gemeinschaftsleiters mit einem Sprechmedium spiritistische Sitzungen abgehalten wurden. Von dieser Tatsache hat der herbeigerufene Ortsgeistliche nichts gewußt. …

B 8 Ein für die Untersuchung ergiebiges Beispiel, das durch ergänzende Berichte von drei Personen, die mir alle drei gut bekannt sind, bezeugt ist, soll neue Gesichtspunkte deutlich machen. In dem zweiten Stockwerk eines Hauses fanden regelmäßig spiritistische Sitzungen mit einem Sprechmedium statt. Die Hausgenossin des 1. Stockwerkes, eine christliche Frau, wurde bald auf dieses Treiben aufmerksam. Es war ihr an den betreffenden Abenden immer so unheimlich zumute. Als diese Spiritisten wieder einmal zusammen waren, ging diese Frau in ihrem Zimmer auf die Knie und betete, Gott möchte doch diesen Männern Einhalt gebieten. Während sie im Gebet verharrte, hörte sie, wie oben ein Tumult entstand, Stühle umgeworfen wurden und ein Mann die Treppe herunterstürmte. Sie vernahm, wie er sich auf sein Motorrad setzte und lossauste. Nach etwa 30 Minuten kam der Motorradfahrer mit einem Soziusfahrer zurück. Wie hinterher durch Mitglieder der Sitzung bekannt wurde, hörte das Medium, während die Frau betete, mit dem Trancereden auf und blieb in tiefer Bewußtlosigkeit. Dem leitenden Spiritisten gelang es nicht, das Medium aus dem Trancezustand zu erwecken. Darum fuhr er in ein Nachbardorf und holte einen zweiten spiritistischen Leiter. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen dann, das Medium ins Bewußtsein zurückzurufen.

Als Ergänzung folgt nun der Bericht über den Organisator dieser Sitzung. Im besten Mannesalter von nur 40 Jahren wurde er schwer krank und starb einen qualvollen Tod. Einige Tage vor seinem Hinscheiden schrie er laut vor Schmerzen, dass die Nachbarschaft es hörte. Weiteren Einblick in diesen Zirkel erhielt ich durch Angaben des leitenden Spiritisten selbst. Nach dem Tode seiner Frau war er so erschüttert, dass er eine Zeitlang für das Wort Gottes aufgeschlossen war und ein neues Leben beginnen wollte. Er gestand in dieser Zeit, dass seine Frau, die er oft als Medium benutzt hatte, durch sein Experimentieren erblindete. Er wusste um die Dämonie seines Treibens. Tagelang rang er mit seelsorgerlicher Hilfe um einen Durchbruch aus dem spiritistischen Irrgarten. Aber er war wie mit ehernen Ketten gebunden und fiel bald in sein früheres Leben zurück.

Das vorliegende Beispiel tiefenpsychologisch und parapsychologisch zu untersuchen bringt wenig Klärung in den Vorgang. Es sollen lediglich die Gesichtspunkte der seelsorgerlichen Arbeit deutlich gemacht werden: Der Christ kann mit Gebet und Glauben wirksam dem okkulten Treiben entgegentreten. Das ist eine Erfahrungstatsache der Reichgottesarbeit. Das furchtbare Ende des spiritistischen Managers ist nicht der Ausdruck einer naiven, mystischen Schwarzweißmalerei, sondern eine stets beobachtete Erfahrung. Das vorliegende Beispiel paßt in dieser Hinsicht in den Rahmen von B3 (S. 22) und B7 (S. 26). Die Erblindung des Mediums ist in der okkulten Praxis kein seltenes Phänomen. In seelsorgerlichen Aussprachen mit Okkulten tritt das gelegentlich immer wieder in den Vordergrund. Der ergebnislose Kampf um einen religiösen Durchbruch des Spiritisten zeigt, wie okkulte Betätigung eine seelische Hörigkeit schafft. Menschen mit solcher Behaftung können sich nur sehr schwer für Jesus Christus entscheiden.

e. Das automatische Schreiben

Medial Veranlagte können im Wachzustand oder in Trance unter Ausschaltung bewußter Überlegung Sätze, Worte oder Buchstaben niederschreiben, die von den Spiritisten für Botschaften aus dem Jenseits gehalten, von vielen Parapsychologen aber als motorischer Automatismus angesehen werden. Da mir aus der Seelsorge kein markantes Beispiel zur Verfügung steht, soll eines aus der Literatur genommen werden. Tischner, der als Parapsychologe nur die okkulten Phänomene untersucht, ohne im geringsten an der seelsorgerlichen Fragestellung interessiert zu sein, bringt in seinem 1950 herausgekommenen Werk Beispiele, die dem Seelsorger von großer Wichtigkeit sind. Eines davon soll hier wiedergegeben werden. Er schreibt:

E 3 „Es ist davor zu warnen, sich dieser reizvollen Beschäftigung (= automatisches Schreiben) rückhaltlos hinzugeben! Am besten ist es, sich durch einen Fachmann beraten zu lassen, der darauf dringen wird, von vornherein die Angelegenheit mit Maß zu betreiben und nicht jedem Wunsch und Drängen nachzugeben, andernfalls kann es bald dazu kommen, dass man selbst nicht mehr der Herr im eigenen Körper ist, sondern Diener, ja Sklave, der gehorchen muss, wenn nicht Unangenehmes geschehen soll. So erlebte ich es einmal, dass eine Dame, die viel automatisch schrieb, in einem Kaffeehaus den Trieb dazu verspürte und dann, als ihr Mann sagte, das gehe hier nicht, die Hand automatisch auf dem Marmortisch laut zu trommeln anfing, so dass die Umgebung aufmerksam wurde und wir fluchtartig den Raum verlassen mussten.

Tischner ist also selbst Zeuge dafür, dass der Mensch durch okkulte Betätigung in Gefahr kommt, die Herrschaft über sich zu verlieren. Hier muss also der religiös uninteressierte Fachmann in seiner Eigenschaft als Wissenschaftler dem Seelsorger bestätigen, dass okkulte Betätigung die geschlossene seelische Struktur des Menschen aufspaltet. Okkulte Betätigung bedeutet eine Energieaufladung, welche die Stabilität der psychischen Verfassung des Menschen sprengt. Tischner’s Beobachtung wird von dem Psychiater Albert Moll bestätigt. Moll schreibt: „Etwas wesentlich anderes stellen die gesundheitlichen Gefahren des Okkultismus dar. Ich weise auf die Tatsache hin, dass schon beim automatischen Schreiben, wenn es bei krankhaften Personen geübt und ausgebildet wird, schwere Persönlichkeitsspaltungen beobachtet werden. Auch ich habe Fälle dieser Art gesehen, wo die anfangs ganz schwache Persönlichkeitsspaltung durch das automatische Schreiben so gesteigert wurde, dass schließlich geradezu eine Krankheit der Persönlichkeit auftrat … Ich habe wiederholt starke krankhafte Beeinflussung als Folge gesehen.“ . . .

Die Hyperästhesie

Die Überempfindlichkeit der Sinne ist ein Phänomen, dem neuere Psychologen und Parapsychologen weitgehend Beachtung schenken. … In der Seelsorge interessiert in erster Linie das Bild der psychischen Verfassung des mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestatteten Menschen. Die in der Seelsorge mir zugegangenen Beispiele werden unter vier Gruppen besprochen.

a. Der Wahrtraum

In der Wertbemessung der Träume gehen in der medizinischen Wissenschaft die Meinungen auseinander. Viele Psychologen sehen in den Erwachsenenträumen nur eine Summe von ungereimten Bildern und verworrenen Bruchstücken von Begebenheiten. Andere dagegen sehen in den Träumen wertvolle Brücken zur Entschlüsselung der unterbewussten Vorgänge des Seelenlebens. … Tiefenpsychologen sehen in dem Erwachsenentraum eine Kombination von „Tagesrest“ und „Kindheitswünschen“. …

Im Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Untersuchung tritt das Problem der Traumdeutung zugunsten der Behandlung eines seelsorgerlichen Anliegens zurück: Gibt es eine spezielle notvolle Beziehung zwischen der Hyperästhesie und der psychischen Verfassung des Menschen? Zur Erhellung dieser Frage werden hier Beispiele von Wahrträumen angeführt.

B 9 Eine Schweizerin erzählt in der Aussprache, wie sie eines Nachts im Traum einen Großbrand sieht. Sie kann sich viele Einzelheiten des Brandplatzes einprägen. Nach der Brandnacht bringen die Tageszeitungen Bildberichte über das Großfeuer, die mit den in dem Wahrtraum gemachten Beobachtungen haargenau übereinstimmen. Wohnort des Mädchens und Brandort liegen fast 200 km auseinander.

Den Parapsychologen interessiert die Frage, wie diese außersinnliche Übermittlung des aktuellen Ereignisses funktioniert. …
Den Seelsorger beschäftigt die Frage, ob das Mädchen im Zusammenhang mit dem Wahrtraum irgendwelche psychischen Störungen erlebt hat. Der vorliegende Fall ist in dieser Hinsicht ohne Befund.

B 11 Ein junger Mann, der mir von Kind auf bekannt ist, wurde in das Krankenhaus zur Operation eingeliefert. In der Nacht nach der Operation schrie er plötzlich so laut, dass alle Kranken im gleichen Zimmer aufwachten. Er stöhnte laut und rief mehrmals: „Ich will nicht sterben!“ Am Morgen fragte ihn ein Zimmergenosse nach der Ursache seines Rufens. Der Angeredete erzählte, wie er träumte, vier schwarze Männer hätten ihn in einen Sarg legen wollen. Nach seinem heftigen Widerstand wäre plötzlich eine weiße Gestalt erschienen, die ihm eröffnete, dass er noch ein halbes Jahr zu leben hätte. Er sollte sich besinnen und umkehren. Daraufhin wären die vier unheimlichen Männer verschwunden. Soweit geht der eigene Bericht des Betroffenen. Den zweiten Teil des Erlebnisses berichtete seine Schwester. Ganz überraschend schnell heilte die Operationsnarbe. Das schwere Traumerlebnis blieb nicht ohne Wirkung. Dem jungen Mann wurde es geschenkt, ein neues Leben in der Gottesfurcht anzufangen. Nach einem halben Jahr musste die Operation wiederholt werden. Der Chefarzt sagte dem Patienten: „Sie werden es gewiß wieder überstehen. Es sind keine Komplikationen zu befürchten.“ Der Patient widersprach und erwiderte: „Ich sterbe heute nacht.“ Der Arzt lachte ihn aus. In der Nacht verlangte der Patient seinen gläubigen Schwiegervater, der mit ihm betete. In der gleichen Nacht starb der Mann, genau ein halbes Jahr nach jener Traumankündigung.

Der Psychologe wird diesen Traum als Resultante aus den beiden Komponenten Todesangst und Schuldbewußtsein darstellen. …

Schwieriger wird dann die Deutung der religiösen Wandlung des Mannes und der Erfüllung des Traumes sechs Monate danach, wenn nur psychologische Maßstäbe angelegt werden sollen. …
In dem vorliegenden Fall wird man mit psychologischen Kategorien dem Traumgeschehen und der religiösen Erneuerung des Mannes nicht gerecht. Das kurze halbe Jahr offenbarte den Charakter einer tiefgehenden Wendung, so dass auch die Familienangehörigen durch ihn gesegnet und zur Nachfolge Jesu Christi angespornt wurden. Diese drei Beispiele, die sich um viele vermehren ließen, zeigen, dass solche Spontanerlebnisse keine Spuren okkulter Behaftung im Seelenleben zurücklassen.

b. Die Telepathie

Mit Telepathie wird das Phänomen bezeichnet, dass „Wissen ohne die Zuhilfenahme der Sinne erlangt werden kann“. Man unterscheidet Gedankensenden, Gedankenlesen, … weiter die psychometrische Telepathie, bei der „medial begabte Personen an Hand eines Gegenstandes paranormale Angaben über seinen Besitzer machen“. Wie bei allen parapsychologischen Phänomenen interessieren hier nicht die telepathischen Experimente, sondern die Personen mit telepathischen Fähigkeiten. Wenn hierin nach seelsorgerlichen Gesichtspunkten gegliedert werden soll, so sollen die Spontanerlebnisse und die telepathischen Experimente unterschieden werden. Zunächst folgt eine Reihe von Spontanerlebnissen.

B 12 Ein evangelischer Pfarrer sah während des Krieges plötzlich seinen Sohn, der an der Ostfront kämpfte, in seinem Blute vor sich liegen. Der Vater dachte sofort, dass dem Sohn etwas passiert wäre. Nach drei Wochen kam dann die Todesnachricht. Todestag und Stunde stimmten mit der visionellen Erscheinung überein.

B 13 Ein katholischer Priester sah nachts seinen Vater, der ihm erklärte, er wäre soeben gestorben. Der Priester schaute auf die Uhr und merkte sich die Zeit. Am nächsten Tag kam das Todestelegramm. Die Todesstunde stimmte zeitlich mit dem nächtlichen Erlebnis überein.

B 14 Eine Missionsschwester war in ihrem Zimmer im Gebet versunken. Da ging die Tür auf, und ihr Bruder, der an der Westfront weilte, trat ein. Die Schwester rief ihn an: „Na, Herrmann, hast du Urlaub?“ Bei dieser Frage verschwand die Gestalt. Einige Zeit später kam die Todesnachricht. Todestag und Stunde stimmten mit dem Erlebnis überein.

B 15 Ein evangelischer Pfarrer ging zu Dienstgeschäften weg. Zehn Minuten vom Haus entfernt packte ihn eine große Unruhe. Er kehrte um und strebte seiner Wohnung zu. Da bemerkte er zu seinem Entsetzen, dass sein fünfjähriger Sohn auf dem Dach des hohen Hauses herumturnte. Der Junge wollte da oben Kaminfeger spielen. Der Vater konnte das Kind aus seiner gefahrvollen Lage retten.

B 16 Eine seltsame und sehr prägnante Form von Telepathie wurde mir in der Schweiz bei einer Aussprache berichtet. Eine Missionarsfrau wohnte in dem Vorort einer Großstadt. Ein ihr befreundeter, christlicher Mann besorgte ihr in der Stadt oft die Einkäufe, ohne dass er die Missionarsfrau vorher fragte, was sie benötigte. Sie war jedesmal überrascht, wie er alle Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände brachte, an die sie beim Hantieren in der Küche gedacht hatte. Dieser Mann und die Missionarsfrau haben beide eine mediale Veranlagung. Sie gaben auch sonst Beweise für übersinnliche Fähigkeiten.

E 4 Ein charakteristisches, historisches Beispiel steht in Jung-Stillings Geisterkunde. König August II. von Polen war mit König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und seinem Feldmarschall von Grumbkow befreundet. Am 1. Febr. 1733 um 3 Uhr bemerkte von Grumbkow plötzlich bei dem Schein der Nachtlampe, dass die Gestalt König Augusts sein Schlafzimmer betrat und die Bettvorhänge öffnete. König August sagte dem erstaunten Grumbkow: „Mon cher Grumbkow! Je viens de mourir ce moment à Varsovie“. Der Feldmarschall schrieb den Vorfall sofort nieder und sorgte für die Verständigung des preußischen Königs. 46 Stunden später kam der Meldereiter von Warschau, der die Nachricht vom Tode des polnischen Königs überbrachte. Das nächtliche Erlebnis und die Todesstunde stimmten genau überein.

Wenn die fünf eigenen Beispiele nun kurz zusammengefasst untersucht werden, so könnte man B 12 – B 14 unter die Rubrik „Gedankensenden“ nehmen. Die sterbenden Menschen haben in der Todesstunde an ihre Lieben gedacht und ihnen einen letzten Gruß gesandt. B15 wäre zur Not ein Beispiel von Gedankenlesen. Der Vater erfaßt die gefahrvolle Situation des Sohnes. B16 ist ein Beispiel für den zusammenwirkenden Akt des Gedankensendens und Gedankenlesens.

Bei der Rubrizierung dieser Beispiele darf nicht vergessen werden, dass mit diesen Benennungen keineswegs das Wesen der Erscheinungen erklärt ist. Der psychisch technische Vorgang der außersinnlichen Gedankenübermittlung ist bis heute nicht erforscht. . . .

In seelsorgerlicher Hinsicht sind diese Spontanfälle ohne Befund im Blick auf unsere Untersuchung. Anders steht es bei bewußt durchgeführten telepathischen Experimenten. Langjährige Versuche auf diesem Gebiet können psychische Störungen hervorrufen, wie das folgende Beispiel zeigt.

B 17 Ein 20jähriges Mädchen war mit einem Seemann verlobt. Abends war sie mit ihren Gedanken bei dem jungen Freund, mit dem sie sich seelisch aufs innigste verbunden wusste. Eines Nachts wachte sie mit einer furchtbaren Angst um den Verlobten auf. Sie betete, Gott möchte ihn auf dem Meer in der Gefahr bewahren. Einige Zeit später erhielt sie einen Brief, in dem der Verlobte ihr mitteilte, sie hätten auf der Nordsee einen furchtbaren Sturm erlebt, den sie nicht zu überstehen glaubten. In der höchsten Gefahr hätte er nach dem Bild der Verlobten gegriffen und lebhaft an sie gedacht.

Das war bei den jungen Leuten der Anfang eines regen telepathischen Austausches. Sie konnten im Lauf der Zeit ihre Empfindungen und Gedanken telepathisch einander übertragen. Es entstand trotz der großen Entfernung eine starke seelische Hörigkeit, in deren Gefolge das Mädchen in krankhafter Weise alles mitempfand, was der Verlobte durchmachte. Wurde der Bräutigam krank, wurde sie es durch Fernübertragung auch. Litt der Verlobte Schmerzen, empfand sie den gleichen Schmerz. Nahm der Verlobte Medikamente ein, hatte sie die gleiche Geruchs- und Geschmacksempfindung. War am Anfang die Übertragung der seelischen Situation des Verlobten dem Mädchen eine Freude, so wurde ihr diese telepathische Verbindung allmählich zur Last, ja zur großen Not. Aus dem ursprünglich amüsanten Spiel wurde ein psychisches Verhaftetsein, ja sogar eine Art Besessenheit, deren sich das Mädchen nicht mehr erwehren konnte. Sie suchte einen Nervenarzt auf, der ihr durch Hypnose zu helfen suchte. Nach der Behandlung erklärte mir das Mädchen in der seelsorgerlichen Aussprache, sie wäre aus dem Regen in die Traufe gekommen. Von der seelischen Hörigkeit und dem telepathischen Austausch mit dem Verlobten wäre sie frei geworden. Sie würde aber jetzt unter dem Einfluß des Arztes stehen, an den sie immer denken müsste, obwohl sie an dem Arzt kein Interesse hätte.

Den Parapsychologen interessiert das nicht alltägliche Phänomen …

Der Mediziner wird zunächst an der Tatsache hängen bleiben, dass das Mädchen durch die Hypnose des Nervenarztes von der telepathischen Hörigkeit dem Verlobten gegenüber frei wurde, doch in Zukunft mit dem Arzt seelisch verbunden war. Diesen Vorgang nennt man in der Psychotherapie Übertragung. … Wird durch Suggestion ein seelischer Konnex gelöst, so darf nicht ein neuer dadurch entstehen. Das wäre keine Heilung, sondern nur eine psychische Verlagerung.

Dem Seelsorger genügt bei diesem Beispiel die Feststellung, dass langjähriges Experimentieren mit telepathischen Versuchen den Experimentator aus dem seelischen Gleichgewicht bringen kann. Das zeigt sich an dem Mädchen, das durch jahrelange Übung regelrecht eine mediale Fähigkeit für Telepathie erwarb. Ferner wurde mir das durch einen Arzt bestätigt, der 18 Monate lang auf diesem Gebiet experimentierte und die ungünstigen Auswirkungen auf das Seelenleben an sich selbst beobachtete.

c. Das Hellsehen

„Unter Hellsehen verstehen wir die außersinnliche Erfahrung von objektiven Tatbeständen, von denen jeweils kein Mensch Kenntnis hat, unter Ausschluß der bekannten Sinne.“ So charakterisiert Tischner die eigentümliche Gabe einzelner Menschen, in Spontanerlebnissen Verborgenes in der Vergangenheit (Retroskopie), der Gegenwart (Teleskopie) und der Zukunft (profane oder religiöse Prophetie) hellsichtig zu erfassen. Wie bisher interessiert das eigentliche Phänomen des Hellsehens nur sekundär, dagegen die Person des Hellsehers primär. Nicht das parapsychologische, sondern das seelsorgerliche Problem steht hier im Brennpunkt der Erörterung. In der Seelsorge sind in Aussprachen Hellsehphänomene auf dreifacher Basis aufgetaucht. Es sind Spontanerlebnisse auf religiöser, profaner und okkulter Ebene.

B 18 Einer meiner Freunde ging in einer Großstadt eine große Verkehrsstraße entlang. Plötzlich mitten im Menschengewühl verlor er die Umgebung um sich her aus den Augen, aus dem Bewußtsein. Stattdessen sah er sich auf einem ihm unbekannten Friedhof. Er sah vor sich eine große Trauergemeinde, einen Geistlichen, ein offenes Grab, einen Sarg und sich selbst am Grab stehen. Nach der Grabrede des Geistlichen, die seinem verstorbenen Freund galt, sagte er auf Wunsch dessen Angehörigen ein Bibelwort und sprach einige Minuten darüber. – Das war die Vision am hellen Tage mitten im Gewühl der Straßenpassanten. Wie lange ihm das normale Bewußtsein geschwunden war, wusste er nicht. Er sah sich nur besorgt um, ob die Passanten ihm diese Geistesabwesenheit angemerkt hatten. Er konnte nichts dergleichen feststellen. Er musste wohl während der Vision automatisch mit der Sicherheit eines Traumwandlers mit offenen Augen weitergegangen sein. Am gleichen Tage noch folgte des Rätsels Lösung. Es kam eine telegraphische Todesnachricht mit der Bitte der Angehörigen, am Grabe ihres Sohnes zu sprechen. Mein Freund reiste hin und erlebte am Grabe die gleiche Situation, die gleiche Aufstellung der Trauergemeinde, die gleiche Anordnung der Kranzspenden, den gleichen Verlauf der Grabfeier, wie er es zwei Tage zuvor 160 km davon entfernt in der Großstadt in der hellseherischen Vision gesehen hatte. Natürlich sprach er über den Bibeltext, der ihm in der visionären Schau mitgeteilt worden war.

Zur Vermeidung von falschen Schlüssen muss gesagt werden, dass mein Freund von der Erkrankung des Bekannten keine Ahnung hatte und nie vorher in seinem Leben den betreffenden Friedhof betreten hatte. Ferner ist er ein überzeugter Christ und ein bekannter Reichgottesarbeiter. …

Dem Seelsorger ist bei dem vorliegenden Beispiel klar, dass bei solchen visionären Erlebnissen auf religiöser Basis keine psychischen Störungen eintreten, es sei denn die Anfechtung zum geistlichen Hochmut. Schmeïng schreibt dazu: „Im allgemeinen haben die Seher, deren Visionen religiösen Charakter tragen, ein Gefühl der Auserwähltheit.“ …

Diese Auswirkung liegt aber auf der ethischen Linie, die hier nicht zur Diskussion steht. – Es sei hier zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich am Rande vermerkt, dass nicht jedes Hellsehphänomen, das einen religiösen Inhalt hat, auch auf religiöser, christlicher Basis entstanden ist. Es gibt unzählige Hellsehphänomene mit religiöser Tendenz, die auf okkulter oder eidetischer Basis entstanden sind. Ja, sie stehen in einem Mehrheitsverhältnis von 50 zu 1, d. h., auf eine echte christliche Vision kommen vielleicht 50 oder noch mehr okkulte oder eidetische Gesichte. Das ist eine merkwürdige Erfahrungstatsache der Seelsorge, die davon Zeugnis gibt, dass die Gegenwart mit den unübersehbaren Maria-, Christus- und Heiligenvisionen kein pneumatisches Geschehen, sondern eine okkulte, wenn nicht gar dämonische Überrumpelung erfährt.

Neben den Hellsehphänomenen auf religiöser Basis ist das profane Vorschau-Erlebnis viel häufiger. Oft handelt es sich bei diesen Phänomenen um vage Zukunftsprophezeiungen, oft überrascht solche profane Prophetie durch ihre präzise Genauigkeit oder Erfüllung.

B 19 1934 veröffentlichte ein Mann per Rundbrief, der mir damals im gleichen Jahr noch in die Hände kam, hellseherische und wahrsagerische Erlebnisse. Er schrieb in einem visionären Stil, dass das deutsche Heer in einem atemberaubenden Tempo Polen und Frankreich überrennen werde. Fünf und sechs Jahre später ist diese „Vorschau“ eingetroffen.

E 5 Noch interessanter ist ein Fall der Literatur. Ein Hauptmann hatte 1914 eine Vorschau. Er sah die Entwicklung des 1. Weltkrieges richtig. Vor allem erkannte er schon vier Jahre zuvor den Zusammenbruch Deutschlands auf das Jahr 1918 und die Abdankung des Kaisers. Das Wichtigste an dem Gesicht ist der Satz: „Russland erwacht und streitet mit Amerika um den Besitz der Zukunft.“

E 6 Neben diesen Spontanerlebnissen, die keine psychischen Störungen hervorrufen, gibt es Menschen mit dem „zweiten Gesicht“. Unter den Trägern dieser Fähigkeit des „zweiten Gesichts“ gibt es solche, die ihre Gabe als eine gewisse Begnadung ansehen und keineswegs darunter leiden. Es gibt aber auch solche – und es sind nach dem Bild der seelsorgerlichen Aussprachen die meisten -, deren Nervensystem stark dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird.

In seelsorgerlicher Hinsicht sind die vereinzelten Spontanerlebnisse meistens ohne psychische Auswirkung. Nur die typischen Vertreter des „zweiten Gesichts“ empfinden oft nach ihren Gesichten eine körperliche Erschlaffung und nervöse Erschöpfung. In den Fällen, bei denen die Eidetik mit magischer Praxis gekoppelt ist – eine sehr häufige Erscheinung -, treten schwere psychische Störungen auf. Das führt schon hinüber zu dem Phänomen des Hellsehens auf okkulter Grundlage. Dazu einige Erlebnisse aus der Seelsorge:

B 20 Ein typischer Fall von der Koppelung von Eidetik und Magie bot sich in der okkulten Praxis eines bekannten Schäfers. In einer Reihe von seelsorgerlichen Aussprachen wurde dieser Mann mir als Vorschauer, Vorbrandbanner, Viehbesprecher, Krankheitsbanner und Wahrsager bekannt. Er hat um seiner okkulten Fähigkeiten willen einen großen Zulauf. Weil er seine verhängnisvolle, okkulte Tätigkeit mit Bibelsprüchen verbrämt, gilt er teilweise als frommer Mann. Das ist immer der Höhepunkt der dunklen Geschäfte, dass die Leichtgläubigen durch die christliche Fassade getäuscht werden. Ein Beispiel soll in die Praxis des Mannes einführen.

Auf der Weide sah der Schäfer plötzlich in großer Wirklichkeitstreue den Hof eines Dorfbewohners in Flammen stehen. Das Vorgesicht war so lebhaft, so drastisch, dass der Schäfer dem betreffenden Hofbesitzer erklärte: „Innerhalb von vier Jahren brennt dein Haus ab. Wenn du aber das Feuer bannen willst, dann gib mir ein abgetragenes Hemd von dir, in das ich das Feuer wegbannen werde.“ Der Angeredete lachte über dieses Gesicht und die angebotene magische Abwehr. Er lehnte ab. Vier Jahre später brannte sein Hof tatsächlich ab, ohne dass etwa die Polizei die Täterschaft des Schäfers feststellen konnte. Es wäre ja immerhin möglich gewesen, dass er sich durch Brandstiftung in seinem Ruf als Vorschauer hätte festigen wollen.

Der Parapsychologe erkennt in diesem Beispiel zwei Phänomene: Erstens die Teleästhesie = die Schau des kommenden Brandes, zweitens das Angebot der magischen Abwehr. Hier wird das Gebiet der sogenannten Weißen Magie berührt, das noch behandelt werden wird.

Der Psychologe Schmeïng sieht hier einen der typischen eidetischen Fälle. Er schildert in seinem Buch, wie solche Vorbrandgesichte das Bannen des Feuers, das sogenannte „Wegversetzen“ in einen Teich oder einen Baum oder einen Stein auslöst. Es gibt in dem von ihm erforschten Gebiet eine Menge „Brandsteine“, „Brandbäume“ oder „Vorbrandseen“. Das „Wegversetzen“ soll das durch das Gesicht gefährdete Objekt vor dem Feuer feien.

Aus der Seelsorge sind mir ähnliche Geschichten bekannt, wie sie Schmeïng in seinem Buch berichtet. Im süddeutschen Raum nimmt man als Bannobjekt nicht Bäume und Steine, sondern ein abgetragenes Hemd des durch das Vorgesicht bedrohten Mannes. Der Feuerbanner trägt dieses Hemd, oder er gräbt es in das Erdreich ein. Ferner werden als Bannobjekte sogenannte „Brandbriefe“ gebraucht, die auf den obersten Balken des Hauses gelegt werden. In seelsorgerlicher Hinsicht erhielt ich durch den oben erwähnten Schäfer bedeutsame Aufschlüsse. Seit 15 Jahren bekomme ich immer wieder Menschen zur Aussprache, die sich von dem Schäfer okkult beraten oder behandeln ließen. Im einzelnen ergab sich für die vorliegende Untersuchung folgende wichtige Ausbeute:

B 21 Eine Frau, die sich von dem Schäfer besprechen ließ, geriet von diesem Tag an in schwere seelische Anfechtungen. Sie fühlte sich wie von Furien gehetzt. Nie vorher in ihrem Leben hatte sie solche Empfindungen.

B 22 Ein junger Mann wurde von dem Schäfer besprochen und tatsächlich dadurch von einer organischen Erkrankung geheilt. Von dieser Zeit an aber hatte er Tobsuchtsanfälle, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus und eine abnorme sexuelle Verwilderung.

B 23 Eine Familie ließ sich von dem Schäfer einen Diebstahl aufdecken und sonst noch das Vieh besprechen. Von dem Tag der okkulten Beratung und Hilfe beobachteten die Hausbewohner seltsame Spukerscheinungen in ihrem Haus.

So könnte die Reihe dieser Schäferaktionen fortgesetzt werden. In allen Fällen, die mir in den letzten 15 Jahren in der Seelsorge durch die Beichte der Betroffenen bekannt wurden, löste die okkulte Behandlung durch den Schäfer ganz schwere seelische Störungen aus. Das Merkwürdigste bei der okkulten Praxis dieses Mannes ist, dass ein Teil der von ihm behandelten Menschen plötzlich selbst hellsichtig werden und gewisse Spukerscheinungen sehen.

Es taucht hier das in der Seelsorge an okkult Behafteten oft beobachtete Phänomen auf, dass okkult Besprochene selbst hellsehend werden. … Die seelsorgerlich fast immer zutage tretende Tatsache von der Kombination von Eidetik und Magie soll nun in einem geradezu klassischen Fall dokumentiert werden.

B 24 Ein Mann, der Konstitution nach ein nordischer Typ, hochwüchsig, blond, mit blauen Augen, herb und verschlossen, bekam Jahre hindurch immer Nachschaugesichte. Er konnte am hellen Tag auf der Straße plötzlich seinen Schritt hemmen, wurde ganz geistesabwesend, das Gesicht bleich, das Mienenspiel erstarrt, und sah dann einen Leichenzug die Straße daherkommen. Oft waren es Gestalten mit der Kleidung der Gegenwart, manchmal auch mit Trachten aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Autos und Wagen fuhren durch die Leichenzüge hindurch, ohne dass der Geisterzug auswich. Die Gestalten warfen keinen Schatten. Es waren keine starren Bilder ähnlich den Fotografien, sondern bewegliche, lebensnahe Gestalten. Wurde der Schauer im Augenblick der Erstarrung mit Namen angerufen, dann verschwand der kataleptiforme Zustand, und er konnte dann von seinem Gesicht berichten.

Diese Nachschau- oder Vorschaugesichte waren für den Mann stets ein nervenaufreibendes Erlebnis. Hinterher stellte sich eine seelisch-leibliche Erschlaffung ein. Neben der Schau der Leichenzüge sah er auch oft sogenannte „Wiedergänger“. Er geriet dabei ebenfalls in Erstarrung, sah z. B. einen guten Bekannten, der Jahre zuvor gestorben war. Redete der Schauer den Verstorbenen an, dann verschwand das Phantom. Gelegentlich beobachtete er auch Wiedergänger bei einer zu ihren Lebzeiten typischen Beschäftigung. Er konnte z. B. einen ehemals geizigen Bauern beobachten, wie er seine Holzscheite vor dem Haus zählte, so wie es der Betreffende zu Lebzeiten immer getan hatte, um sich gegen Diebstahl zu sichern. Die meisten dieser Gesichte traten nicht in der Dämmerung auf, sondern am hellen Tage. Als eines seiner interessantesten Erlebnisse sei folgendes mit ausdrücklicher Veröffentlichungsgenehmigung hier wiedergegeben. Eines Morgens stand der Schauer in seinem Arbeitsraum. Da ging die Tür auf, und ein ehemaliger Kriegskamerad trat ein. Der Schauer begrüßte ihn sehr herzlich. Da der Angeredete aber mit fahlem Gesichtsausdruck die Antwort schuldig blieb, erschrak der Schauer, und es fiel ihm ein, dass dieser Kamerad 22 Jahre zuvor im Kriege gefallen war. Da fing dieser Wiedergänger sogar zu reden an und sagte zu ihm: „Du bist mit schuld daran, dass ich bei den Unseligen am Ort der Qual bin. Du hättest mich warnen können. Damit es aber meiner Frau nicht geradeso geht wie mir, suche sie auf und sage ihr, sie solle sich bekehren. Sie kommt sonst auch an den Ort der Qual.“ Mit dieser Aufforderung verschwand der Wiedergänger. Der Schauer war sich nun bewußt, dass es sich um eines der üblichen Gesichte, nur mit besonders starker Ausprägung handelte. Er ging daraufhin zu seinem Ortspfarrer und fragte ihn, was er mit dieser Aufforderung machen sollte. Der Geistliche riet ihm, den Auftrag auszuführen. Die Frau war von dieser Erscheinung ihres Mannes sehr bewegt. Sie ging in sich und wurde von da an eine eifrige Bibelleserin und treue Besucherin der Gottesdienste.

Die Auswertung dieses Beispiels liefert uns im Rahmen unserer Untersuchung wertvolles Material. Darum folgt hier eine etwas eingehendere Besprechung dieser Geschichte. Die Grundlage für diese Besprechung ist eine für diesen Fall gründlich durchgeführte Familienforschung durch vier Generationen hindurch.

Nachdem eine kleine Charakteristik der äußeren Konstitution des Schauers bereits gegeben ist, folgt hier die medizinische Anamnese. Bei dem Schauer liegen seit der Kindheit keine organischen oder nervösen Leiden vor. In psychischer Hinsicht ist eine gewisse depressive Veranlagung festzustellen. In der Jugend neigte der Schauer zur Schwermut und zu Selbstmordgedanken. Diese Stimmung der Lebensüberdrüssigkeit schwand, als der Schauer sich dem Christentum zuwandte. Diese depressive Stimmung hatte ihre Wurzel nicht in einer nachweisbaren Psychoneurose, Organneurose oder organischen Erkrankung, sondern in einer okkulten Behaftung, wie wir noch hören werden.

Die okkulte Anamnese ist in diesem Fall bedeutsam. Die Großmutter des Schauers hat mit Hilfe des 6. und 7. Buches Moses Vieh besprochen, Krankheiten gebannt, Schwarze und Weiße Magie betrieben und anderes mehr. Diese Frau hat ihr ganzes Geschlecht durch vier Generationen magisch infiziert. Kinder, Enkel und Urenkel hatten alle mit Lebensüberdruss, Selbstmordgedanken, mit seltsamen Hellsehphänomenen und mit der Fähigkeit des „zweiten Gesichts“ zu tun. Ferner ist die Charakteristik dieses Geschlechtes die Verbiegung des Charakters, die Retroversion aller seelischen Beziehungen. Die Abkömmlinge dieses Geschlechtes sind zum großen Teil abgekapselte, egozentrische, ungesellige, gefühllose, harte Naturen. …

Die Seelsorge hat zu dem Fall dieses Schauers einen gewichtigen Beitrag zu liefern. Bedeutsam ist wie in B21 die okkulte Wurzel des „zweiten Gesichts“. Die Großmutter des Schauers hatte eine magische Praxis. Ihre Nachkommen entwickelten bei ähnlicher okkulter Beschäftigung immer deutlicher das Phänomen des „zweiten Gesichts“. Die Tochter hatte noch keine ausgesprochene eidetische Prägung, aber sonst Merkmale einer okkulten Behaftung. Der Enkel war bereits Seher, aber einer, der nur Nachschaubilder und keine Vorgesichte hatte. Eine Urenkelin hatte dann auch Vorschaugesichte. Sie sah einmal den Tod ihres Kindes voraus, der bald darnach eintrat. Ein anderer Urenkel hatte auch eine sehr lebhafte eidetische Veranlagung, der er aber mit Macht entgegenstrebte. Der vorliegende Fall ist eines von den vielen Beispielen, die zeigen, wie das Besprechen in der Nachkommenschaft Hellseher und Eidetiker hervorbringt.

Das zweite seelsorgerliche Anliegen dieses Falles ist die Frage: War der Rat jenes Pfarrers richtig? Vermutlich ließ sich doch jener Pfarrer durch den religiösen Inhalt des Gesichtes dazu verleiten, dem Seher den Rat zu geben, diesen seltsamen Auftrag des Wiedergängers auszuführen. … Der Psychotherapeut wird unter Umständen vielleicht diese Entscheidung bejahen, weil er damit die Auflösung des Schuldkomplexes gewährleistet sieht. Es geht ja in der Psychotherapie immer darum, Komplexe aufzudecken, zu entwirren und abzubauen.

Ich möchte trotzdem aus drei Gründen diese Entscheidung in Frage stellen. Zunächst wird vom Neuen Testament her abgelehnt, dass Verstorbene als Boten Gottes gesandt werden. Auf eine derartige Bitte erhielt der reiche Mann in Lukas 16 die Antwort: „Sie haben Mose und die Propheten; auf diese sollen sie hören!“ Das NT lehnt also Botschaften durch Verstorbene mit dem Hinweis ab, dass die Lebenden das Wort Gottes haben. Da können sie sich orientieren.

Zweitens bin ich gegen die Annahme solcher Aufträge, da ich aus vielen ähnlichen Beispielen den Fortgang solcher rätselhaften Geschichten kenne. Der erste Auftrag ist vernünftig. Der zweite Auftrag ist weniger vernünftig. Der dritte ist unvernünftig. Der vierte ist widersinnig usw.. So steigern sich die Aufträge, bis der geplagte Seher in einer Zwangsneurose steckt und die unsinnigsten Befehle ausführen muss. Ich habe die Entwicklung von solchen Anankasten (jemand, der unter Zwangsvorstellungen leidet) von ihrem Anfangsstadium an verfolgt und bin der Meinung, dass solche Aufträge von Anfang an nicht anzunehmen sind, wenn sie auch noch so sehr mit einem bekannten religiösen Inhalt übereinstimmen.

Der dritte Grund für die Ablehnung derartiger Aufträge ist die Tatsache, dass der Christ nicht den Auftrag eines Wiedergängers braucht, um seine Schuldgefühle abzureagieren. Dazu gibt es biblisch einen ganz anderen Weg, den Weg zu Jesus Christus.

Das dritte seelsorgerliche Anliegen bei diesem Beispiel ist die Frage, ob der Seher von seinen Gesichten, die immer mit einer gewissen depressiven Stimmung und nervösen Erschöpfung einhergehen, befreit sein will. Bekannt ist, dass die Gabe des „zweiten Gesichts“ abnimmt oder zunimmt, je nachdem sich der Seher seiner Fähigkeit überläßt oder ihr entgegenwirkt. Ferner wird auch dauernd beobachtet, dass mit zunehmendem Alter die Gabe langsam verschwindet. Allerdings gibt es Seher, die ihre Gabe bis ins hohe Alter erhalten haben. Schmeïng berichtet auch von einem solchen 86jährigen Vorschauer. In unserem Fall war es so, dass die Gesichte des Schauers dauernd zunahmen, obwohl er ihnen widerstrebte und niemandem etwas davon erzählte. Nur die eigene Frau und der Ortspfarrer in dem einen bekannten Fall wußten von seiner Gabe. Der Schauer war mit seinen Gesichten übel geplagt. Er sah nicht nur die Leichenzüge auf der Straße, nein, in allen Häusern und Winkeln, auf Bäumen, Äckern und Wiesen, überall, wo er stand und ging, sah er Geister der Abgeschiedenen. Der Schauer kam dadurch in eine Angststimmung. In diesem Zustand hatte er eine seelsorgerliche Aussprache mit mir. Nachdem sowohl er als auch seine Frau durch verschiedene Aussprachen den Weg zu Jesus Christus gefunden hatten, stellte ich die Frage, ob er wirklich von seiner hellseherischen Gabe frei werden wollte. Nach bejahender Antwort verwies ich auf den Bibelvers Matthäus 18, 19: „Wenn zwei von euch auf Erden übereinkommen über irgend eine Sache, für die sie bitten wollen, so soll sie ihnen zuteil werden von meinem Vater im Himmel.“ Wir vereinigten uns zusammen mit der Ehefrau im Gebet, dass Gott ihn von der Gabe der Geisterseherei befreien möchte, weil das Nervensystem des Mannes sehr darunter litte. Wir wurden erhört! Seit jenem gemeinsamen Gebet im Jahr 1938 hatte der Mann nie mehr Gesichte gehabt. Er war von seiner hellseherischen Fähigkeit, die gewiß keine Begnadung, sondern der Fluch und der Bann des Besprecherunwesens seines Geschlechtes war, endgültig befreit.

d. Das Hellfühlen

Ein weiterer Fall der Hyperästhesie ist das Hellfühlen. Es handelt sich bei den in der Seelsorge bekannt gewordenen Beispielen um eine irrationale Diagnose von Krankheiten. Verschiedene Typen sind in der Seelsorge in Erscheinung getreten. Einige Beispiele sollen in die Problemlage einführen.

B 25 Ein Mann in einer ostdeutschen Universitätsstadt der Vorkriegszeit wurde durch seine verblüffende Sicherheit in der Stellung von Krankheitsdiagnosen bekannt. Er bediente sich bei seinen Diagnosen keiner medizinischen Hilfsmittel wie Bestimmung des Blutbildes, röntgenologische Untersuchung, EKG-Bestimmung usw., sondern legte nur seine Hand auf die Hand des Kranken, konzentrierte sich auf ihn und sagte dann die Diagnose, die in allen nachkontrollierten Fällen mit der Diagnose der Universitätsklinik übereinstimmte. Manchmal wollten Ärzte, um seine Fähigkeit zu überprüfen, ihn täuschen. Es gelang aber nicht.

B 26 Eine weitere parapsychologische Diagnosestellung ist die Ermittlung der Krankheiten durch das „Kristallsehen“. Ein Schwarzwälder Bauer ist mir bekannt, der auf diese Weise seine Patienten berät. Die Diagnosen dieses Hellsehers sind im Gegensatz zu B 25 nicht immer zutreffend.

B 27 Seit 20 Jahren ist mir die unheilvolle Praxis von zwei Brüdern bekannt, die ohne Berührung mit den Patienten durch einfache Konzentration mit großer Sicherheit Diagnosen stellen und dann homöopathische Heilmittel verordnen.

B 28 Eine vierte Art der Diagnosestellung wurde mir in der Praxis von Pendlern und Rutlern bekannt. Mehrmals ließ ich mir diesen Vorgang der Ruten- oder Pendeldiagnose von einem Pendler erklären. Die Rute oder der Pendel wird gegen den Körper des Patienten gehalten. An der Stelle des kranken Organs schlägt die Rute oder der Pendel aus.

B 29 Eine fünfte Art der parapsychologischen Diagnose ist das Herauspendeln der Medikamente. Hier verzichtet der Pendler auf die Feststellung der Krankheiten, es geht nur um die Bestimmung des richtigen Medikaments. Ein mir bekannter, angesehener Pendler, der zugleich Spiritist, Heilpraktiker, Magnetopath ist, also eine Reihe von okkulten Funktionen ausübt, besitzt eine quadratische Medikamentenkiste mit 225 (15 x 15) Fächern und Medikamenten. Über den Fächern ist ein Pendel angebracht. Der hilfesuchende Patient bringt mit seiner Hand den Pendel in Schwingung. Nach dem Ausschlag erhält er das für seine Krankheit geeignete Medikament.

B 30 Eine sechste Art der Krankheitsfeststellung ist das Abpendeln von Abbildungen des menschlichen Körpers und der einzelnen Organe. Während die linke Hand des Pendlers auf der Hand des Patienten liegt, führt die rechte Hand des Pendlers den Pendel. Über dem kranken Organ macht der Pendel Kreisbewegungen. Dieser Vorgang entspricht im Prinzip dem Fotopendeln, das noch besprochen werden wird.

In parapsychologischer Sicht tauchen hier verschiedene Phänomene auf, die nicht alle unter die Rubrik des Hellfühlens gehören. …

Einen Schritt weiter in dieser Untersuchung führt B 27. In der seelsorgerlichen Praxis haben mir diese beiden Brüder schon viel Not verursacht. Diese beiden Hellfühler wurden seit vielen Jahren von Tausenden von Patienten konsultiert. Wie kommt diese treffsichere Diagnose dieser beiden Nichtmediziner zustande? Mit dem Hinweis auf Scharlatanerie kommen wir hier nicht zum letzten Ziel. Nach Beobachtung vieler seelsorgerlicher Fälle kann diese Hellfühligkeit als eine mediale Veranlagung dieser Laienheilkundigen angesehen werden. Der Hellfühler ist genau wie ein Medium imstande, das Unterbewußtsein einer anwesenden Person anzuzapfen. Das nächste Problem, das bei dieser Deutung entsteht, ist die Frage, ob aus dem Unterbewußtsein eines Menschen seine Krankheit überhaupt abgelesen werden kann. …

Wir kennen in der Parapsychologie das Anzapfen des OB in dem Phänomen der Telepathie, das in der Wissenschaft anerkannt ist. Wir kennen ferner das Anzapfen des UB in dem Phänomen der Mediumität, das in den letzten acht Jahrzehnten durch Hunderttausende von wissenschaftlich geprüften oder von fachkundigen Laien durchgeführten Experimenten bestätigt ist. In der Seelsorge an okkult Behafteten wird die Tatsache der Mediumität in vielen Fällen erkannt. .  . .
Wenn über den Grad der Richtigkeit der Diagnose noch ein Urteil aus der Empirie gegeben werden soll, so muss gesagt werden, dass die Diagnose nur bei starker medialer Veranlagung des Hellfühlers medizinisch zutreffend ist. Je geringer die Mediumität ist, desto weniger zuverlässig sind die Diagnosen bis hin zu einem Tohuwabohu großer Fehlentscheidungen …
Diese okkulten Heilmethoden sind der Volksgesundheit gegenüber nicht zu verantworten. Es ist immer wieder unerklärlich, warum von staatlichen Gesundheitsämtern okkult arbeitenden Naturheilkundigen, Magnetopathen, Heilpraktikern, Pendeldiagnosten, Wunderdoktoren usw. so viel Raum zur Betätigung gelassen wird. Es wäre anzustreben, dass das Heilpraktikergesetz eine Revision erfährt.

Von der seelsorgerlichen Perspektive aus ergeben sich bei der ganzen Reihe B25 bis B30 fast immer die gleichen psychischen Auswirkungen: Schwermut, Lebensüberdruß, Beklemmungsgefühle, Abneigung gegen das Wort Gottes, Hemmungen beim Beten, keine Fähigkeit zu einer Glaubensentscheidung, mit einem Begriff zusammengefaßt, eine Erstarrung der seelischen und geistlichen Funktionen. Ein seelsorgerliches Beispiel mag das unterstreichen.

B 32 Bei einer Bibelwoche kam ein 19jähriges Mädchen zur Aussprache. Sie klagte über Melancholie, Freudlosigkeit, seltsame Anfechtungen in der Nacht, als wollte ihr jemand die Luft abschnüren, Unlust zum Beten, obwohl sie Christus nachfolgen möchte, Ekel an jeder geistlichen Betätigung. Sie begriff sich selbst nicht, da sie einerseits einen Zug zur Nachfolge Jesu hatte und andererseits einen Widerwillen davor.

Eine medizinische Anamnese förderte nichts Besonderes zutage. Das Mädchen war außer den seelischen Verstimmungen gesund. Es lagen weder organische noch neurotische Störungen vor. Sie hatte auch keinerlei aufwühlende Erlebnisse wie z. B. eine enttäuschte Liebe hinter sich. Die Schwermut setzte schon im schulpflichtigen Alter bei ihr ein. Die Eltern und Geschwister sind gesund. Bei keinem Familienglied ist je eine ähnliche Melancholie aufgetreten. Das Mädchen ist ein Einzelfall in ihrer Familie.

Auf die medizinische Anamnese folgte die Anamnese okkulter Beziehungen. Viele Fragen in dieser Richtung wurden verneint. Schließlich stießen wir auf einen entscheidenden Punkt. Als Schulkind litt sie an Appetitlosigkeit. Sie wurde von der Mutter daraufhin mehrmals zu einem „Wunderdoktor“ gebracht, der mit seinem Pendel die kranke Stelle ihres Körpers suchte. Das Mädchen erinnert sich, dass nach dieser Behandlung ihre Melancholie einsetzte.

Dieses Beispiel ist nur ein Einzelfall aus einer großen Sammlung auf diesem Gebiet. Die seelsorgerliche Praxis zeigt, dass bei allen Behandlungsarten der Laienheilkundigen, bei denen das UB der Patienten aktiv beeinflusst oder passiv angezapft wird, einschneidende Veränderungen in der seelischen Verfassung der Patienten eintraten. Es entsteht eine seelische Erstarrung, die sich nicht nur in melancholischen Verstimmungen äußert, sondern vor allem auch die Entschlußfreudigkeit in alltäglichen, kleinen Entscheidungen lähmt und auf religiösem Gebiet Glaubensentscheidungen fast nicht zustande kommen lässt. Diese seit Jahren in großer Zahl gesammelten Beispiele und Beobachtungen vermitteln ein erschütterndes Bild für die seelischen Verheerungen, die durch okkult arbeitende Laienheilkundige in allen Abarten dieser verhängnisvollen Berufsgruppe entstehen.

Die Mantik

Unter Mantik versteht man die Kunst der Wahrsagung, und zwar in der umfassenden Bedeutung, dass Verborgenes in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthüllt werden soll. Der Unterschied zum Hellsehen liegt darin, dass die Nachschau- und Vorschaugesichte der Hellseher spontane Erlebnisse sind, die ohne Vorbereitung oder seelische Disposition den Seher überfallen. Der Mantiker dagegen bedient sich gewisser Vorzeichen und Mittel – Pfeile (Babylonier, Perser), Leber, Trinkbecher (Ägypter), Eingeweide (Griechen, Römer), Buchenstäbe mit Runen (Germanen), Bergkristalle, Schneekristalle, Glaskugeln, Spiegel, Karten und Handlinien (die aufgeklärten Europäer), Haselgerte, Pendel usw. -, um eine Wahrsagung zustande zu bringen. Die Mantik findet sich in allen Epochen der Menschheitsgeschichte.

Aus dem AT wissen wir von den kanaanitischen Beschwörern, Zauberern, Zeichendeutern, Nekromanten, Rutengängern und dergleichen. … Auch über die heidnischen Wurzeln der Sterndeuterei liefert die Bibel manches Material. Es waren die Babylonier, welche die Einheit von Makrokosmos und Mikrokosmos als festen Bestandteil ihres Glaubens besaßen und lehrten, dass das menschliche Schicksal weitgehend von der Konstellation der Sternbilder zur Zeit der Geburtsstunde abhängig wäre. Das AT distanziert sich eindeutig von diesem Gestirndienst.

Aus der griechischen Welt wissen wir von der Pythonissin Kassandra und der delphischen Pythia. Paulus traf in Philippi auf eine Wahrsagerin. Die Etrusker und Römer hatten ihre Haruspizes, die aus den Eingeweiden der Opfertiere wahrsagten. Auch die Zunft der Quellensucher, der Rutengänger war in Rom zu finden. Man nannte sie die Aquileges. Juturna, die Brunnennymphe, wurde mit einer Haselgerte in der Hand abgebildet. Ein Niederschlag der römischen Wahrsagungsbräuche sind die Sibyllinischen Bücher, welche den Opferkultus weithin bestimmten. Von den Skythen wissen wir, dass sie mit der Rute die Meineidigen entdeckten. Strabo weiß von den Wahrsagerinnen bei den Cimbern. Auch die Germanen hatten ihre Wahrsagerinnen, z.B. die Veleda und Thorbjörg, von denen römische Autoren berichten. Ferner pflegten die Germanen auch die Runomantie mit ihren Runenstäben.

Die magische Linie geht durch alle Jahrtausende bis zur Gegenwart. In den beiden letzten Jahrhunderten lieferte die Missionsgeschichte wertvolles Material zu dieser Frage. Auf allen Missionsgebieten hatte sich das Christentum mit der Mantik des Heidentums auseinanderzusetzen. In Afrika waren es der Medizinmann, in Tibet die Rotmützenmönche mit ihrer okkulten Praxis, bei den Malayen war es der Pawang und in China war es neben den Götzenpriestern die noch stärkere Zunft der Geomanten mit ihrem System des Fung schui (Fung schui heißt: Wind, Wasser, ein Terminus für ein abergläubisches Wahrsagesystem der Chinesen), in Ostsibirien waren es die Schamanen, bei den Eskimos der Angekok, bei den Rothäuten die Stammes- oder Zauberpriester, die alle dem vordringenden Christentum eine starke okkulte und magische Abwehr bereiteten.

In dem aufgeklärten Europa ist die Mantik trotz Rationalismus und der Blüte der Naturwissenschaften stark heimisch. Die Zeitungen und Wochenschriften befriedigen mit ihrer astrologischen Wochenschau den Aberglauben aller Gesellschaftsschichten. Kartenlegerinnen, Wahrsager, Handlinienleserinnen, Kaffeesatztanten, Kristallmagier usw. haben ein einträgliches Gewerbe. Die Fotopendler wollen über das Schicksal der Vermissten Auskunft geben. Die abergläubische Abhängigkeit von Vorzeichen und Fetischen wie Maskottchen, Hufeisen, Silvesterblei, vierblättriges Kleeblatt, Glücksschwein, Schornsteinfeger, schwarzer Rabe, Käuzchenruf, Zahl 13 und dergleichen mehr zeigt, dass der Abfall vom Gottesglauben in magischer Verkettung und okkulter Behaftung endet.

Wie diese magische Ausrichtung des modernen Menschen sich seelisch auswirkt, ist in der Seelsorge ein ernstes Problem, um dessen Bewältigung es in dieser Untersuchung geht. Als erstes Teilgebiet soll das Kartenlegen besprochen werden.

a. Das Kartenlegen

Einige Beispiele aus der Seelsorge sollen die psychischen Auswirkungen der passiven wie aktiven Beteiligung beim Kartenlegen zeigen.

B 33 Eine junge Frau kam bei einer Bibelwoche zur Aussprache und berichtete folgendes Erlebnis. Sie war in einem pietistischen Elternhaus aufgewachsen. Mit 16 Jahren verzog sie in eine Stadt zur Annahme einer Hausgehilfinnenstelle. An einem freien Sonntagmittag wurde sie von einer Freundin in eine benachbarte Stadt zu einer Kartenlegerin mitgenommen. Die beiden Mädchen waren zum ersten Mal bei dieser Frau. Die Wahrsagerin legte den beiden die Karten und erklärte unserer Berichterstatterin: „In acht Tagen ist Ihr Vater tot.“ Das Mädchen lachte hell hinaus und sagte: „Mein Vater ist kerngesund. Das glaube ich nicht.“ Die Mädchen fuhren in ihren Wohnort zurück. Am Abend griff die Berichterstatterin, wie von Kind auf im Elternhaus gewohnt, zur Bibel, um zu lesen und zu beten. Da spürte sie plötzlich ein beklemmendes Gefühl und Druckschmerzen am Hals. Sie konnte weder beten noch die Bibel lesen. Gleichzeitig hörte sie ein Schwirren, Sausen und Huschen im Zimmer um ihr Bett herum. Sie ließ vor Angst das Licht brennen. Diese seltsamen Spukerscheinungen wiederholten sich jeden Abend. Der Höhepunkt war dann nach acht Tagen ein Telegramm von zu Hause, das sie an den Sarg des Vaters rief. Der Vater war plötzlich durch einen Herzschlag mitten aus der Arbeit und dem Leben herausgerissen worden. Sie eilte erschüttert heim und dachte, die Kartenlegerin hat also doch recht behalten. Mit dem Todestag des Vaters setzten dann noch weitere Erscheinungen ein. Jede Nacht erschien der verstorbene Vater im Traum und machte ihr Vorwürfe, warum sie ihm das angetan hätte, dass sie sich von einer Kartenlegerin hatte beraten lassen. Ein halbes Jahr kam der Vater stets im Traum, bis er dann eines Nachts erklärte: „So, jetzt ist es genug.“ Sie konnte dann hinterher wieder die Bibel lesen und beten.

Wenn zuerst der Mediziner zu Wort kommen soll, so wird es bei dem vorliegenden Fall wenig Ausbeute geben. Das Mädchen war gesund. …

Der Psychologe mit seinen Kenntnissen der untergründigen seelischen Zusammenhänge des UB wird die Spukerscheinungen aus den beiden Komponenten Angst- und Schuldgefühle – bedingt durch die christliche Erziehung – erklären. Auch der Traumanalytiker wird bei dem Phänomen der Erscheinung des Vaters im Traum den gleichen Weg gehen wollen. Das Mädchen bekam in der Jugend vom Vater immer wieder eingeschärft: „Ein Christ befasst sich nicht mit okkulten Dingen.“ Das Übertreten dieses Gebotes verdichtete sich durch die Angst vor dem Vater und dem Bewusstsein einer begangenen Sünde zu einem Schuldkomplex, der im Wach- oder Schlaftraum eine Abreaktion erfuhr.

Den Parapsychologen interessieren weniger die psychischen Auswirkungen als das Phänomen der Kartenwahrsagung. War die exakte Ankündigung des Todesfalles ein Zufallstreffer? Von einem telepathischen Anzapfen konnte keine Rede sein, da das Mädchen nur das Bild des gesunden Vaters in seinem Bewusstsein hatte. … Auch die Hypothese von dem Autosuggestionstod konnte nicht zutreffen, da das Mädchen seinen Eltern von dem verbotenen Besuch nichts geschrieben hatte. Es ist das vorliegende Beispiel ein Fall mit dem ungeklärten Rest.

In seelsorgerlicher Hinsicht fügen sich die psychischen Störungen wieder in den bisher aufgezeigten Rahmen. Der Christ nimmt bei passiver okkulter Betätigung oder Beeinflussung in seelischer wie religiöser Hinsicht Schaden. Das wird nun durch weitere Beispiele erhärtet.

B 34 Eine Braut wollte zu Beginn des Krieges wissen, ob ihr Verlobter aus dem Felde wieder heimkehren würde. Sie ging zur Kartenlegerin, die ihr sagte, dass ihr Wunsch in Erfüllung ginge. Tatsächlich kam der junge Mann heil aus dem Krieg zurück. Doch die Braut hatte von der Zeit jenes Besuches bei der Wahrsagerin an depressive Stimmungen. Sie litt an Lebensüberdruß. Als der Verlobte zurück war, schnitt sie sich eines Tages die Pulsadern auf. Zum Glück konnte sie gerettet werden.

In medizinischer Hinsicht ist dieses Beispiel in der schon mehrfach behandelten Fragestellung ohne Befund. Das Mädchen stammt aus einer gesunden, gut christlichen Familie. In parapsychologischer Hinsicht liegt nichts Besonderes vor. Auf der seelsorgerlichen Ebene ergibt sich wieder das typische Bild okkulter Behaftung und Auswirkung.

B 35 Eine junge Frau, deren Mann im Osten vermisst war, ging zur Kartenlegerin, um zu erfahren, ob der Mann noch lebe. Die Wahrsagerin erklärte ihr: „Ihr Mann ist tot.“ Die Frau wartete ein Vierteljahr und besuchte dann wieder eine Kartenlegerin, um über das ungewisse Schicksal ihres Mannes etwas zu erfahren. Wieder erhielt sie die Antwort: „Ihr Mann kommt nicht wieder.“ Sie ging verzweifelt heim und vergiftete ihre zwei Kinder und sich selbst mit Leuchtgas. Am nächsten Tag kam der Mann aus der russischen Gefangenschaft und fand die drei Leichen seiner Lieben vor.

Es ist ein erschütterndes Beispiel aus der Nachkriegszeit, das einerseits die Unzuverlässigkeit der Kartenwahrsagungen zeigt und andererseits das staatliche Verbot dieses dunklen Gewerbes zur gewichtigen Forderung erhebt.  –  In seelsorgerlicher Hinsicht wird hier wieder der Fluch der okkulten Betätigung sichtbar. Die junge Frau hat sich bei der Kartenlegerin nicht genaue Auskunft, sondern den Entschluß zum dreifachen Mord geholt.

B 36 Nach diesen Beispielen passiver okkulter Betätigung folgt nun ein Beispiel aktiver Ausübung chiromantischer Praxis. Ein Mann, der sich als Wahrsager und Kartenleger betätigte, geriet in starke Depressionen, in deren Verlauf er sich eines Tages unter den Zug legte. Seine Frau und Tochter, denen er auch oft Karten legte, sind beide schwermütig.

In der Seelsorge zeigen sich immer wieder die psychischen Auswirkungen der Mantik in der Form von Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen die Dreieinigkeit, das Gefühl wahnsinnig zu werden, jähzornige Anfälle, völlige Auflösung der Konzentration der Gedanken, Tobsuchtsanfälle, Selbstmord. Es ist mir wiederholt in der Seelsorge gesagt worden, dass der Besuch bei der Kartenlegerin aus Unwissenheit oder aus Neugierde erfolgt sei. Man hätte das gar nicht geglaubt und nicht für ernst genommen. Bei diesen Argumenten pflege ich die in der Seelsorge gemachte Beobachtung in das Gleichnis zu fassen: „Ob ich aus Unwissenheit oder aus Neugierde, im Scherz oder im Ernst eine Handgranate abziehe, die Wirkung ist immer die gleiche!“ – Ein neues Moment der Diskussion wird an einem seelsorgerlichen Beispiel des Schweizer Evangelisten Schwendimann sichtbar.

E 7 Ein Mädchen im Alter von 18 Jahren ließ sich in Liebesangelegenheiten die Zukunft deuten. Die Wahrsagerin erklärte ihr: „Sie werden Ihren 20. Geburtstag nicht überleben.“ Das Mädchen lebte zwei Jahre in der Angst vor dem bevorstehenden frühen Tod. Mit dem Herannahen ihres 20. Geburtstages steigerte sich in ihr eine ungeheure Spannung. Der von der Wahrsagerin gesetzte Termin verstrich ohne besonderen Vorfall. Das Mädchen hatte jedoch die seelische Belastungsprobe nicht überstanden. Es musste am Tage danach ins Irrenhaus eingeliefert werden und starb nach weiteren zwei Jahren.

Psychologisch ist dieser Fall ganz offenkundig. Das Mädchen geriet durch die Wahrsagerin unter einen Suggestionsbann, und dem unbewußten Zwang gehorchend, trug es zur Erfüllung der Wahrsagung bei. Der Empfänger einer Vorschau oder einer Wahrsagung setzt sich durch seine Bereitschaft, der Wahrsagung zu glauben, selbst einen Termin. Die Wahrsagerin erkennt nicht den bevorstehenden Tod, sondern sie trägt durch ihre seelische Beeinflussung zu seinem Eintritt bei. Juristisch gesehen gehören viele Fälle der Mantik genauso vor die Schranken des Gerichtes wie der Totschlag.

In seelsorgerlicher Hinsicht offenbart sich hier der Fluch der Wahrsagerei – genauer gesagt, der „Lügensagerei“. Die geglaubte Lüge wird Wirklichkeit. Das Wort Jesu Christi: „Euch geschehe nach eurem Glauben“ erfüllt sich auch in seiner Umkehrung. Die sogenannte Enthüllung der Zukunft durch die Mantiker stellt sich nur als eine ungeheure seelische Belastung heraus, der viele nicht gewachsen sind, zumal sich die Wahrsagungen meistens als willkürliche Phantasieprodukte oder als medial erfasste unterbewusste Wunschvorstellungen des Ratsuchenden entpuppen. Es ist höchst beachtlich, dass eine erfahrene Irrenwärterin berichtet, dass bis zu 60 % die Geisteskrankheiten aller Art irgendwie im Zusammenhang mit Wahrsagerei ausgelöst werden. Wenn die angebliche Enthüllung der Zukunft durch magische Praktiken eine solche Wirkung hat, dann ist die Verhüllung der Zukunft Weisheit und Barmherzigkeit dessen, der vor die Zukunft einen undurchsichtigen Schleier gelegt hat.

b. Die Chiromantie

Die Chiromantie hat mit der Graphologie nichts zu tun. Es handelt sich hier um eine wahrsagerische Handlesekunst. Die Hand wird eingeteilt in Bereiche und Linien. Es gibt einen Mondberg, Venusgürtel, Marsebene, Bereiche für Geist, Glück, Erfolg, Ansehen, Phantasie, Wille, Sinnlichkeit. Ferner beherrschen vier Linien – Herz-, Kopf-, Berufs- und Lebenslinie – die innere Handfläche. Aus diesen Anordnungen wollen nun die Handlinienleserinnen Zukünftiges erraten und wahrsagen. Was bei dieser chiromantischen Praxis in seelsorgerlicher Hinsicht herauskommt, sollen einige Beispiele zeigen.

B 37 Ein mir befreundeter Kunsthändler berichtete in einer Aussprache folgendes Erlebnis: Nach einem Geschäftsabschluß reiste er mit dem betreffenden Kunden von der Schweiz nach Mailand, um dort Diamanten im Wert von ca. 60.000,- DM zu veräußern. Der Kunde wollte diesen Kauf vermitteln. Nach zweitägigem Aufenthalt in Mailand wollte der Kunde den Kunsthändler partout zu einer Fahrt nach Venedig überreden unter dem Vorwand, der Liebhaber wäre dorthin verreist. Der Kunsthändler weigerte sich aus einem unbestimmten Gefühl heraus, diese Reise zu unternehmen. Am nächsten Tag waren ihm dann die Diamanten plötzlich gestohlen worden. Er verständigte sofort die Polizei. Inzwischen aber suchte er in Mailand eine Wahrsagerin auf, um etwas über den Diebstahl zu erfahren. Die Wahrsagerin, die sowohl Karten legte als auch aus den Handlinien las, verkündigte ihm, er hätte am Tage zuvor in einer Stadt mit vielen Wassern umgebracht werden sollen. Ferner werde er seine Diamanten heute noch bekommen. Sie lägen unter einem Karren am Domplatz. Er müsste sie aber heute noch holen; denn morgen wäre es zu spät dazu. Nach diesem erstaunlichen Orakelspruch ging der Kunsthändler in sein Hotel zurück. Zwei Detektive fanden sich zur Aufklärung des Falles dort ein. Nach einem Telefonanruf traf dann spät am Abend im Hotel jener Kunde ein, der sofort verhaftet wurde. Im Kreuzverhör gestand der Verhaftete die Komplizenschaft bei dem Diebstahl ein. In der gleichen Nacht noch wurden die Diamanten mit Hilfe des Verhafteten aus dem seltsamen Versteck geholt. Sie befanden sich genau an der von der Wahrsagerin angegebenen Stelle. Wie sich bei dem folgenden Prozess herausstellte, gehörte jener zweifelhafte Kunde einer internationalen Schmugglerbande an, die wahrscheinlich außer dem Diebstahl noch die Beseitigung des vermögenden Kunsthändlers in Venedig im Auge hatte. Bei einer nächtlichen Gondelfahrt hätte ein Schlag auf den Kopf genügt, um den Bewusstlosen dann im Wasser verschwinden zu lassen.

Das ist der aus erster Quelle verbürgte Bericht eines Ereignisses, das sich 1935 abspielte. Jenes Erlebnis mit der Wahrsagerin hatte indessen noch ein Nachspiel. Einige Wochen lang wurde der Kunsthändler von merkwürdigen Träumen geplagt. Beim Einschlafen sah er immer einen unheimlichen Hund, der ihn am Hals packen wollte und auf der Brust Druckgefühle auslöste. Dann sah er im Traum immer einen Stein durchs Zimmer schwirren, der zuerst die Gestalt eines Schlangenkopfes und dann einer grinsenden Teufelsfratze annahm, die auf den Träumenden zukam. Nach geraumer Zeit blieben diese Angstträume weg. – Fünf Jahre später erlebte der Kunsthändler eine erste Hinwendung zum Christentum. Er fing an, zu beten und die Bibel zu lesen. Doch in dieser Zeit setzten neue Anfechtungen ein. Jedes mal, wenn er betete, hatte er das Gefühl, als ob eine unheimliche Gestalt hinter ihm stände, die ihn am Gebet hindern wollte. Dieser Kampf dauerte lange Zeit. Schließlich fiel der Angefochtene wieder in das Weltleben zurück. Es ging mehrere Jahre, da wandte sich der Kunsthändler während einer Evangelisation wieder Christus zu. Er kam zu mehreren seelsorgerlichen Aussprachen, in deren Verlauf er eine Entscheidung für Christus traf. Auch bei diesem neuen Erlebnis waren allerlei seelische Störungen und Widerstände zu überwinden. Es hat jetzt den Anschein, als ob der Kunsthändler bei dieser neuen Wendung verharren würde; denn er hat vor seinen Freunden offen von seiner neuen Lebenseinstellung gesprochen. Dieses Erlebnis darf mit seiner Zustimmung veröffentlicht werden.

In medizinischer Hinsicht braucht dieses Beispiel nicht ausgewertet zu werden, da der Kunsthändler in seinem Leben nie ernstlich krank war.

Der Psychologe und Traumanalytiker wird die Angstträume mit dem vorübergehenden Verlust der Diamanten und mit der von der Wahrsagerin suggestiv mitgeteilten Bedrohung seines Lebens in Verbindung bringen. …

Nicht so einfach wie die Traumanalyse ist das parapsychologische Problem dieses Falles. Woher hat die Chiromantin das Wissen um das Versteck der Diamanten? …

Die seelsorgerliche Seite dieses Falles bringt wieder die typische Abwicklung okkulter Auswirkungen. Wie in allen anderen Beispielen zeigen sich hier folgende Symptome okkulter Behaftung: Die Resistenz gegen das Wort Gottes, das Gefühl der körperlich-räumlichen Nähe einer unheimlichen Macht, die Erschwerung einer Entscheidung für Jesus Christus, die Rückfälligkeit ins frühere Leben, die sofortige Entstehung von seelischen Störungen und Anfechtungen bei dem Entschluß einer Umkehr zu Jesus Christus. Diese sich stets wiederholenden typischen Auswirkungen ermöglichen Rückschlüsse auf das Wesen der Chiromantie. …

B 39 Ein Flüchtlings-Brautpaar kam zur Anmeldung ihrer Trauung zum Geistlichen. Beim Verabschieden griff das Mädchen plötzlich nach der Hand des Pfarrers und rief aus: „Oh, Herr Pfarrer, wie interessant!“ Sie las dann unaufgefordert aus der spontan ergriffenen Hand. Wie der Pfarrer mir bestätigte, stimmten alle Angaben im Blick auf seine Vergangenheit, und alle Voraussagen erfüllten sich im Laufe der kommenden Jahre. Dieses ungewollte Erlebnis mit einer Chiromantin brachte hinterher dem Geistlichen allerlei ein. Er erzählte mir, dass er jahrelang in seiner Seelsorge geschädigt gewesen sei. Es habe einfach eine psychische und glaubensmäßige Hemmung auf ihm gelastet. …

Auf der Ebene unserer seelsorgerlichen Fragestellung zeigt dieses Beispiel, dass unbeabsichtigt empfangene Wahrsagung die gleichen seelischen Wirkungen hervorbringt wie die bewusst gesuchte mantische Beratung. Einschränkend muss auf psychologischer Basis gesagt werden, dass bei den berichteten Auswirkungen eventuell Angstmomente eine Rolle gespielt haben könnten. Das Wissen um die psychischen Folgen okkulter Vorgänge kann bei ängstlicher Verfassung entsprechende Effekte zeitigen. Ein neues Moment chiromantischer Praxis kommt durch das letzte Beispiel, das ich auf diesem Gebiet hier gebe, zum Vorschein.

B 40 Ein bestohlener Bauer rief einen Schäfer, der als Besprecher, Hellseher und Wahrsager einen großen Zulauf hatte, zu Hilfe. Tatsächlich konnte er stichhaltige Angaben über den Dieb machen. – Die Bauernfamilie hatte allerdings von diesem Zeitpunkt der okkulten Beratung an spukhafte Phänomene im Haus. Anlässlich einer Bibelwoche baten sie um meinen Rat. …
Damit muss die Reihe der chiromantischen Beispiele abgeschlossen werden, obwohl deren eine Unmenge vorliegt.

d. Rute und Pendel

… In der seelsorgerlichen Fragestellung unserer Untersuchung interessieren nun folgende Probleme:

a. Werden mit Rute und Pendel in der Erschließung der physikalischen Bodenbeschaffenheiten echte Ergebnisse erzielt?
b. Wie ist der Übertragungsmodus vom physikalischen Störfeld auf den sensitiven Rutler? Liegt eine Naturgabe vor oder eine mediale Fähigkeit?
c. Stellen sich bei den Rutlern und Pendlern oder bei den von ihnen beratenen Menschen psychische Störungen ein?

Zur Behandlung der Probleme sollen aus der Fülle des vorliegenden Materials einige Beispiele ausgewählt werden. Es ist bekannt, dass unter den Geologen wohl die Mehrzahl gegen das Rutenphänomen steht. Ich bekenne mich auch lieber zur Geologie als zu der umstrittenen Rutengängerei. Immerhin ist es nicht wegzuleugnen, dass gute Rutengänger im Quellensuchen enorme Erfolge haben. Ein derartiges Beispiel soll hier wiedergegeben werden.

B 43 Ein mir gut bekannter Bürgermeister eines Dorfes wollte in seiner Gemeinde einen neuen Brunnen graben lassen. Es wurde ein Universitätsprofessor, Direktor eines geologischen Instituts, als Sachverständiger herangezogen. Gleichzeitig ließ der Bürgermeister einen bekannten Rutengänger holen, der nicht nur Lage der Quelle, sondern sogar Tiefe und Stärke mit großer Genauigkeit angeben konnte. Der Professor, der schon mehrmals scharfe Artikel gegen die Rutengängerei veröffentlichte, war sehr ungehalten, als er von der Hinzuziehung eines Rutengängers hörte. Die „Diagnosen“ der beiden Konkurrenten waren ganz verschieden. Der Professor erklärte die Angaben des Rutengängers für nicht zutreffend und wies einen anderen Platz zu Bohrversuchen an. Die Lage des vom Rutengänger bezeichneten Quellortes war dem Bürgermeister und seinen Gemeinderäten wirtschaftlich günstiger. So entschieden sie sich für die Angaben des Rutengängers. Sie gruben nach Anweisung sieben Meter tief; es kam aber kein Wasser. Der Rutengänger wurde erneut geholt. Er begab sich selbst auf die Sohle des Schachtes. Die Rute wurde ihm fast aus der Hand geschlagen. „Noch einen halben Meter“, gab er zuversichtlich an. Man grub weiter. Die Angabe stimmte. Es quoll so viel Wasser heraus, dass der Erdarbeiter sich eiligst aus dem schräg angelegten Schacht entfernen musste. Die Gemeinde hatte damit eine ergiebige Quelle gefunden. Der beglückte Rutengänger erlebte hinterher sogar noch den Triumph seiner Rechtfertigung. Der Professor fuhr einmal mit dem Wagen durch das Dorf und erfuhr, dass nicht seine Angaben, sondern die Vermutung des Rutengängers mit glänzendem Ergebnis befolgt worden war.  –  Die These, dass der Rutenausschlag Schwindel sei, kann durch zwei weitere Beispiele widerlegt werden.

B 44 Einer meiner Freunde war Missionar in China. Er kämpfte auf dem Missionsfeld stets gegen die Rutengängerei der Geomanten, die für Brunnen und Bauplätze das Gelände abgingen. Er sah das für Schwindel der Götzenpriester an. Eines Tages bat ihn ein Geomant, die Rute doch selber einmal zu probieren. Er willfuhr dem Bittsteller. Das Ergebnis war überraschend. Die Rute schlug kräftig aus. Er hätte sich ebenfalls als Quellensucher betätigen können.

B 45 Ein Rutengänger suchte einen Garten nach einer Quelle ab. Hinterher nahm der Besitzer des Gartens, ein Arzt, die Rute in die Hand. Sie schlug an der gleichen Stelle aus. Ein zweiter Akademiker probierte das Experiment ebenfalls mit dem gleichen positiven Erfolg. Beide Akademiker waren bis zu diesem Zeitpunkt völlig desinteressiert an der Rutengängerei. Sie waren überrascht, dass dieser vermeintliche Humbug funktionierte. Bei diesem Quellensuchen schaute ich als Unbeteiligter zu.

Das sind nur drei Beispiele aus einer großen Reihe. Vier Jahre lang hatte ich Gelegenheit, die Tätigkeit eines sehr sensiblen Rutengängers zu beobachten und kritisch zu untersuchen. Es ist mir bei diesem Rutengänger in diesen vier Jahren nur ein Mißerfolg unter einer großen Zahl von Erfolgen bekannt geworden. Wenn auch der wissenschaftlichen Geologie stets das Primat in der Erschließung der physikalischen Bodenverhältnisse eingeräumt wird, so darf man doch nicht in einer gewissen Voreingenommenheit dem Rutengänger den Erfolg absprechen. Bemerkenswert ist, dass ich auf dieser physikalischen Stufe der Rutengängerei keine seelsorgerlichen Beispiele mit psychischen Störungen vorfand. Dieses Bild ändert sich aber, wenn wir die weiteren Probleme untersuchen.

Bevor dies geschieht, muss der Vollständigkeit halber in der Form eines kleinen Exkurses die Stellung anderer Sachkenner zur „physikalischen“ Anwendung der Rute erwähnt werden. Es wurde bereits gesagt, dass viele Geologen das Rutenphänomen ablehnen. Beachtenswert ist auch die Uneinigkeit der Evangelisten auf diesem Gebiet. Eine Reihe von ihnen sehen die Rutlerei zum Wassersuchen als Naturgabe an.

Demgegenüber steht die Meinung anderer Reichgottesarbeiter. Bei einer Konferenz von Schweizer Evangelisten im Sept. 1952, an der ich teilnehmen durfte, erklärten sich die führenden Männer, Pfarrer Eichin, Leiter der Zellerschen Anstalten, Oberingenieur Suter von Zürich und andere gegen das Wassersuchen mit der Rute und gegen die Abschirmung der „Erdstrahlen“. Sie sehen in jedem Fall in der Rutenreaktion etwas Dämonisches und wissen auch um psychische Störungen als Folge der Rutenanwendung zum Wassersuchen. Diese Uneinigkeit der Wissenschaftler und der Sachkenner unter den Reichgottesarbeitern zeigt, dass auch die einfachste Anwendung der Rute zum Wassersuchen umstritten ist. Dieses Problem steht bis zur Gegenwart als unerledigt noch weiterer Erforschung und Erhellung offen.

Um dem zweiten Problem des Übertragungsmodus näher zu kommen, müssen wir uns mit den psychischen Voraussetzungen der Radiästhesie auseinandersetzen. Die erste Tatsache, die bei der kritischen Untersuchung des Rutenphänomens deutlich wird, ist die Feststellung, dass die physikalische Erklärung nur zur Hälfte dieser Reaktion gerecht wird. Das geht daraus hervor, dass in Frankreich die Rute nach oben und in Deutschland die Rute nach unten ausschlägt. Ferner pflegen manche Rutengänger einfach Landkarten nach Quellenorten zu untersuchen. Es dürfte doch wohl jedem naturwissenschaftlich Denkenden klar sein, dass Druckerschwärze, Farbstoffe und Papier der Landkarte keine physikalischen Impulse des betreffenden Geländeteils vermitteln. Das physikalische Phänomen stellt demnach bei der Rutenreaktion nur die Hälfte des Vorganges dar. Der zweite, und zwar schwierigere Teil muss vom Pendelwissenschaftler, Psychologen und Parapsychologen geklärt werden.

Wenn Glahns umfangreiche Pendellehre nach diesem Gesichtspunkt untersucht wird, dann erhalten wir wertvollen Aufschluss. Er schreibt: „Eines ist sicher, die Betriebskraft für den Pendel liefert der Pendler selbst. Fortgesetztes Pendeln entnimmt dem Körper beachtenswerte Kräfte, es ermüdet sehr. Nur gesunde Menschen dürfen pendeln. Kränklichen Menschen ist die größte Mäßigung anzuraten.“ …

Damit sind wir bei einem neuen Phänomen der Radiästhesie. Nur der Organismus des „Sensitiven“ reagiert auf empfangene Impulse. Die Rutengängerei ist Veranlagung. Die Freunde nennen sie Naturgabe, die Parapsychologen sprechen gelegentlich von Mediumität, ein Theologe nannte sie Charisma, die Feinde nennen sie Schwindel. Nun haben wir zwar die Wahl, aber noch keine Klarheit darüber. Mit welchen Unterscheidungsmerkmalen können wir den Kern der Wahrheit enthüllen? Das einfache Bibelwort „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen …“ (Matthäus 7, 16a) kann uns entscheidender Wegweiser sein. Welche Früchte der Sensitivität treten denn bei der Radiästhesie in Erscheinung? Während auf der physikalischen Stufe Erze und Quellen gesucht werden – ein Vorgang, den man noch halbwegs begreifen kann -, werden auf der psychischen Stufe der Radiästhesie Phänomene gezeitigt, die parapsychologischen Charakter haben. Ein Beispiel wurde oben angedeutet. Mit Rute und Pendel werden auf einer Landkarte Quellen oder Erz- und Ölvorkommen gesucht. …

Damit wurden einige Hauptgebiete und Probleme der Mantik untersucht. Viele Spezialgebiete konnten in dem begrenzten Rahmen dieser Untersuchung nicht berührt werden. Sie sollen nach dem mantischen Katalog Schwendimanns wenigstens erwähnt werden: Arithmomantie (Zahlenwahrsagerei), Caffeemantie (Kaffeewahrsagung), Horoskopie (Sterndeutung), Geomantie (Punktierkunst), Kartenschlägerei, Kapnomantie (Rauchwahrsagung), Katoptromantie (Spiegelwahrsagung), Kristallomantie (Kristallwahrsagung), Kybomantie (Würfelwahrsagung), Leberwahrsagung, Molybdomantie (Bleigießen), Pyromantie (Feuerwahrsagung), Selenomantie (Mondwahrsagung), Solmantie (Sonnenwahrsagung), Somnimantie (Schlafwahrsagung), Tephramantie (Aschenwahrsagung). – Es ist das feste Fundament seelsorgerlichen Bemühens auf diesem Gebiet, dass Jesus Christus uns von diesem Drachenschwanz okkulter Praktiken erlöst hat. …

2. Die außersinnliche Beeinflussung (ASB)

In dem Abschnitt über die ASW wurden Phänomene behandelt, die nicht in das bisherige physikalische Weltbild passen. Es ist eine Erfahrungstatsache, die neuerdings auch durch die exakte wissenschaftliche Forschung bestätigt ist, dass es von Geist zu Geist und von Geist zu der Materie eine erkennende Beziehung und Wechselwirkung gibt, die sich keiner bekannten physischen Vermittlung bedient. In dem folgenden Abschnitt über die ASB wird zu diesem ersten Faktum des paraphysischen Erkenntnisaktes die Tatsache des parapsychischen Beeinflussungsaktes dargestellt. Als erstes Phänomen soll der magische Mißbrauch der Laienhypnose besprochen werden.

a. Die Laienhypnose
Die drei Hauptgebiete medizinischer suggestiver Therapie sind: die Wachsuggestivtechnik, die Hypnose, das autogene Training. … Eine sehr häufige Erscheinung, um deren Verständnis es hier geht, ist die religiöse und okkulte Verbrämung der Laienhypnose. Eine Reihe von Beispielen soll nun in dieses seltsame und verworrene Gebiet einführen und die psychischen Auswirkungen zeigen.

B 47 Bei einer Evangelisation kam eine Frau zur Aussprache. Sie beichtete, dass sie und ihre Freundin unter dem Einfluss eines Mannes stehen würden, dessen Willen sie in mehrfacher Hinsicht erfüllen müssten. Dieser Mann hätte eine derartige Gewalt über sie, dass sie gegen ihren Willen oder bei gelähmtem Willen Dinge treiben müssten, die sie verabscheuten. Sie wären ihm gegenüber sexuell widerstandslos, auch würden sie Diebstähle ausführen, die sie selbst nicht begriffen. Ihre Freundin stand z. B. eines Tages in ihrem Garten. Plötzlich kam wieder ein seltsamer Trieb über sie. Sie trat in den angrenzenden, fremden Garten und stahl dort Gemüse, obwohl sie in ihrem eigenen Garten selbst das gleiche Gemüse in großer Menge besaß. Diese stehlende Frau lebte in guten Verhältnissen, hatte das Stehlen keineswegs notwendig und verabscheute solches Handeln. Nach dem Gemüsediebstahl griff sie sich an den Kopf und fragte sich selbst: „Bin ich denn von Sinnen?“

Nach mehrmaligen Aussprachen mit der berichtenden Frau kam immer mehr Licht in diese Angelegenheit. Der Mann, dessen Willen die beiden Frauen in sklavischer Hörigkeit erfüllen mussten, war Besitzer des berüchtigten Zauberbuches 6. und 7. Buch Moses. Er übte im Zusammenhang damit Suggestionen und Besprechungen aus. Bei einem Besuch gab der Mann seine okkulten Praktiken zu und fand sich nach einigem Widerstreben dazu bereit, das Zauberbuch abzugeben, das dann sofort verbrannt wurde.

Mit dem Aufdecken dieser Zusammenhänge und dem Abbrechen jeglicher Beziehungen mit dem Besprecher fühlte sich die hilfesuchende Frau erleichtert. Allerdings entstand ein regelrechter Kampf, bis sie von dieser unheilvollen Suggestion frei war. Sie wurde von dem Augenblick der Beichte an zwar nicht mehr rückfällig auf dem Gebiet des sechsten und siebten Gebotes, aber sie empfand Wochen und Monate hindurch einen Widerwillen gegen das Wort Gottes und hatte starke Glaubensnöte. Ferner wurde sie immer wieder mit Depressionen heimgesucht. Da ein kleiner Kreis treuer Christen sich in der Fürbitte ernsthaft für sie einsetzte, machte die angefochtene Frau gute Fortschritte. Sie selbst nahm wiederholt seelsorgerliche Hilfe in Anspruch, besuchte treu die Gottesdienste und Bibelstunden und las trotz anfänglichen Widerwillens fleißig Gottes Wort. Nach einem Jahr war von ihrer ursprünglich okkult-hypnotischen Beeinflussung nichts mehr zu erkennen. …

In seelsorgerlicher Hinsicht ist die von okkulten Besprechern geübte Suggestion ein häufig beobachtetes Phänomen. In B 47 ist zunächst das Problem, welche Rolle diese Suggestion in dem bekannten Krankheitsbild der psychopathischen Zwangshandlungen spielt. Zu beachten ist, dass diese Zwangsantriebe mit der Bekanntschaft jenes Okkultisten einsetzten und mit dem Brechen dieser Bekanntschaft schlagartig aufhörten. Von der ersten Beichte an kam es nicht mehr zu den erwähnten Entgleisungen.

B 48 Ein Mädchen, das ich längere Zeit in seiner inneren Entwicklung beobachten konnte, litt unter Zwangshandlungen, die sie in hysteriformen Dämmerzuständen ausführte und hinterher nicht mehr wusste. Sie konnte z. B. Salz in die Milch schütten, Kleidungsstücke in den Bach werfen, Einrichtungsgegenstände mutwillig und gewaltsam zerstören und noch vieles mehr. Auffällig ist die sonst gute moralische Einstellung des Mädchens. Sie ist für geistliche Fragen aufgeschlossen. Die Psyche erscheint nicht sonderlich krankhaft.

In parapsychologischer Hinsicht liefert dieser Fall wieder interessantes Material. Die Mutter des Mädchens hatte die gleichen Zustände. Ein Nachforschen in der Familiengeschichte brachte die Feststellung, dass in dem Elternhaus lange Jahre das 6. und 7. Buch Moses zu Suggestionen und Besprechungen benützt wurde. Es ist nun keine absurde Idee, wenn die Zwangshandlungen von Mutter und Tochter damit in Verbindung gebracht werden. Wie wir in dem Abschnitt über das Besprechen noch sehen werden, wirkt okkulte Belastung bis ins 3. und 4. Glied einer Familie. Diese Tatsache mag dem Parapsychologen teilweise unglaubhaft erscheinen. Der Parapsychologe weiß allerdings davon, dass die mediale Fähigkeit oft in den Erbgang geht.

Dem Mediziner ist die Hypothese von einer im Erbgang weiterlaufenden okkulten Behaftung ein Skandalon, da für ihn noch nicht einmal die Tatsache der okkulten Behaftung feststeht. …
Es ist ja eine durch 600 seelsorgerliche okkulte Beispiele erhärtete Tatsache, dass lange okkulte Betätigung eine entsprechende seelische Konstitution, eine Anfälligkeit, einen Nährboden für mancherlei seelische Erkrankungen schafft. In einer großen Reihe von Fällen ist es gelungen, die okkulte Behaftung als eine speziell geprägte seelische Konstitution durch vier Generationen derselben Familie festzustellen.

Die seelsorgerliche Seite von B 48 muss noch kurz beleuchtet werden. Nachdem ärztliche Hilfe mehrfach in Anspruch genommen war, erhielt ich diesen Fall in die Seelsorge. Es ist selbstverständlich, dass die theologische Seelsorge in solchen Fällen niemals die fachärztliche Behandlung ersetzen soll. Zwangsneurotiker gehören immer in speziell fachärztliche Beratung. Der Seelsorger hat trotzdem eine zweite Aufgabe zu erfüllen. Es geht darum, dass der Patient Vertrauen zu Jesus Christus gewinnt und, wenn ihm die Gnade geschenkt wird, eine Glaubensentscheidung für Christus trifft. In dem vorliegenden Fall ließen sich Mutter und Tochter willig führen. Auch die anderen Angehörigen schlossen sich mit großer innerer Bereitschaft an. So konnte aus der ganzen Familie ein Gebetskreis gebildet werden, der sich täglich unter das Wort Gottes stellte und täglich Gebetsgemeinschaft pflegte. Der Segen Gottes blieb nicht aus. Von dem Tag der Bildung des Gebetskreises an blieben die ursprünglich fast täglichen abwegigen Impulshandlungen aus. Erst zwei Monate später traten wieder im Abstand von einigen Wochen vereinzelt kleine Zwangshandlungen auf. Ob das mit dem Nachlassen der Gebetstreue des Kreises zusammenhängt oder eine medizinische Ursache hat, will ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall hat sich der Zustand der Patientin seit der Hinwendung zu Jesus Christus gewaltig gebessert. Zu einer völligen Auslieferung des Lebens an Christus ist es nicht gekommen. Das mag mit ein Grund sein, dass noch vereinzelt Reaktionen auftreten.

B 49 Ein 38jähriger Handwerksmeister, ein nüchterner, real denkender Mann, kam zur seelsorgerlichen Aussprache und bekannte, dass er seelisch angefochten werde. Nach einigen vortastenden Fragen kam eine seltsame Lebensgeschichte zum Vorschein. Sein Vater war ein Spiritist, Astrologe, Magnetiseur und Hypnotiseur. Er führte mit seinen Angehörigen Experimente durch und wollte auch seinen heranwachsenden Kindern die okkulten Praktiken beibringen. Die Geschwister und die Tochter des Mannes beteiligten sich. Der Sohn – unser Handwerksmeister – lehnte diese Dinge ab und fühlte sich mehr zu der frommen Mutter hingezogen. Diese Ablehnung reizte den Vater, und er machte nun den Sohn zum Objekt seiner hypnotischen Experimente. Jahrelang wollte es ihm nicht gelingen, und er äußerte sich einmal verärgert, dass er den Sohn nicht unterkriege. Schließlich erreichte der Hypnotiseur beim Sohn einen zunehmenden Schlafzustand. Der Sohn begab sich daraufhin in nervenärztliche Behandlung, die den hypnotischen Zustand des Patienten bestätigte… Der Schlafzustand besserte sich rasch, als der Sohn dem Einfluß des Vaters entzogen war. Nach seiner Rückkehr von der Nervenklinik verschlimmerte sich wieder der Zustand. Doch bald gab es in der Familie einen Wandel durch den Tod des Vaters.

Der Sohn schilderte die merkwürdigen Begleitumstände seines Sterbens. Am Todestag saß der Sohn beim Vater und hielt dessen Hand. Da spürte er, wie aus den Fingerspitzen ein Schwachstrom oder eine gewisse magnetische Kraft entströmte. Auch sah er am Kopfende des Bettes eine höhnisch grinsende Gestalt stehen, die sich auf den sterbenden Vater herunterbeugte. Jedesmal, wenn die grinsende Gestalt sich niederbeugte, bekam der Sterbende Atemnot. 14 Tage nach dem Tod erschien der Verstorbene, von einer schwarzen Gestalt begleitet, die dem Sohn zurief: „Nimm dir das Leben! Dein Leben hat keinen Wert.“ Der Sohn fühlte eine Kälte an seinem Körper aufsteigen und seinen Willen erlahmen. Da rief ihm der Schwarze zu: „Hänge dich auf!“ Schließlich konnte der Angefochtene den Luthervers zitieren: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es muss uns doch gelingen.“ Bei diesen Worten verschwand die schwarze Gestalt. Die Erscheinungen des Vaters, manchmal mit, manchmal ohne den Schwarzen, dauerten 1½ Jahre. Diese Visionen traten des Tages bei der Arbeit oder in der Nacht auf. Einmal gab ihm der Verstorbene den Auftrag: „Geh hin zu Luise (die Tochter des Verstorbenen) und sage ihr, sie soll aufhören mit der Astrologie und dem anderen Kram. Dann soll sie zum Pfarrer gehen und beichten, damit sie frei wird. Sonst kommt sie an den gleichen Ort, wo ich bin. Hier ist es nicht schön. Wenn du diesen Auftrag nicht ausführst, dann wirst du tödlich verunglücken. Erfüllst du den Auftrag, dann wirst du den Leuten Vergangenheit und Zukunft wahrsagen können.“ …

Nach einem Besuch bei einem Seelsorger hörten die Erscheinungen auf. In großen Zeitabständen setzten dann noch geringe seelische Anfechtungen ein. In einer solchen Krise kam er zu mir zur Aussprache. …

In seelsorgerlicher Hinsicht ist bedeutsam, dass der Angefochtene bei den unheimlich wirkenden Halluzinationen durch ein Bibelwort oder einen Liedervers der beunruhigenden Erscheinungen Herr wurde. Ferner ist zu beachten, dass bei Inanspruchnahme von seelsorgerlicher Hilfe die Halluzinationen ganz aufhörten und jetzt seit acht Jahren nicht wiederkehrten. Der Glaube an Jesus Christus und das damit verbundene persönliche Vertrauen auf eine tatkräftige Hilfe erweist sich immer wieder bei psychischen Störungen als ein beruhigendes und entspannendes Moment.

Es wären noch andere Formen des Mißbrauchs der Hypnose zu erwähnen. Es finden sich in der Seelsorge gelegentlich Beispiele für sexuelle und finanzielle Ausbeutung, obwohl das seltene Fälle sind, doch es ging in diesem Abschnitt nur um die gefährliche Kopplung von Magie und Laienhypnose. Wo diese beiden Gebiete zusammen zur Anwendung kommen, da entsteht bei den Betroffenen eine latente Behaftung, die für mancherlei psychische Störungen einen Nährboden darstellt. Es wäre deshalb wiederum im Interesse der seelischen Gesundheit unseres Volkes, dass die Gesundheitsämter eine gesetzliche Regelung anstrebten, nach der alle laienhafte Literatur zur Erlernung der Hypnose verschwindet. Nicht oft genug kann von der Seelsorge her das Unwesen der Scharlatane bloßgestellt werden.

b. Der Heilmagnetismus

Eine weitere Form der ASB ist die Anwendung der magnetischen Bestreichung. Geschichtlich ist dazu folgendes zu sagen: 1771 führte der französische Abbé Lenoble eine neue Heilbehandlung durch Belegen oder Bestreichen der kranken Körperstellen mit Stahlmagneten ein. Man könnte Lenoble daher als den Begründer von der Heilwirkung des unbelebten Magnetismus bezeichnen. Einen Schritt weiter in dieser Frage führte Mesmer, der die Lehre vom animalischen oder tierischen Magnetismus vertrat. Mesmer lehrte, dass der gesunde Mensch sich aus dem magnetischen Kraftfeld der Erde magnetisch volladen und dann durch Bestreichen mit den Händen kranke Menschen heilend beeinflussen könnte.

Lenobles und Mesmers Anschauungen wurden von dem englischen Arzt Braid in andere Bahnen gelenkt. Er erklärte, es handle sich nicht um eine magnetische, sondern um eine seelische Beeinflussung und nannte das Hypnose. Von dieser Zeit an lagen beide Richtungen im Widerstreit. Die Vertreter der Hypnose sagen, der animalische Magnetismus sei nur eine Vorstufe des Hypnotismus. …

E 10 Einer tief hypnotisierten Dame gab er ein gefülltes Glas Wasser in die Hand und ließ sie ihre „Nervenkraft“ in das Glas Wasser ausscheiden. Nach fünf Minuten stellte er das Glas zu gleichen Gläsern auf die Seite und ließ eine dritte Person hereinkommen und die Gläser durcheinander stellen. Darauf stach Tischner mit einer Pinzette in die Gläser. Die VP gab jedes mal genau an, in welches Glas ihre Nervenkraft ausgeschieden war. Die Versuchsbedingungen, die hier nicht alle beschrieben werden, waren so angeordnet, dass die Phänomene wie Telepathie oder unwillkürliche Muskelbewegungen nicht in Frage kamen. Worin die Ladung des Glases bestand, konnte Tischner nicht sagen. Nur die Tatsache stand fest, dass die Ausscheidung einer Substanz erfolgt war.
Diese Experimente sollen nur die Voraussetzung für die Behandlung der seelsorgerlichen Probleme im Zusammenhang mit dem sogenannten Heilmagnetismus schaffen. In der Seelsorge geht es nicht um „magnetische Experimente“, sondern nur um die Behandlung der psychischen Störungen, die eventuell einer Heilbehandlung durch einen Magnetiseur folgen. Ein Beispiel soll die Reihe der Fragen eröffnen.

B 50 Eine Frau mit nervösen Herzstörungen ließ sich vom Magnetiseur wöchentlich zweimal magnetisch bestreichen. Der Magnetopath fuhr mit den gespreizten Fingerspitzen der Wirbelsäule der Frau von oben nach unten entlang und machte dann mit der Hand Schleuderbewegungen, als wollte er etwas aus den Fingern schütteln. Die Frau spürte bei dieser Behandlung eine wohltuende Entspannung. …

In seelsorgerlicher Hinsicht sind viele solcher magnetischen Beahndlungen ohne Befund. Es lassen sich dann nur psychische Störungen nachweisen, wenn der Heilmagnetismus mit magischen Praktiken gekoppelt wird, ein Phänomen, das sehr häufig beobachtet wird. Ein derartiges Beispiel soll folgen.

B 51 Ein Student kam zur Aussprache und bekannte seine seelischen Nöte. Er litt unter Depressionen, vereinzelten Zwangsvorstellungen, Widerwillen und Ekel gegen Gottes Wort, obwohl er Theologie studierte. Wenn er beten wollte, schnürte es ihm die Kehle zu. Diese Zustände hatte er als Kind, als Schüler und beim Beginn des Studiums nicht gehabt. Eine nervenärztliche Untersuchung führte zu keiner Klärung seines Leidens. …

Da ruckartig einsetzende Depressionen und Zwangsvorstellungen bei vorher nichtpsychotischen und nichtpsychopatischen Menschen häufig ein Symptom einer okkult bedingten psychischen Störung sind, wurde in dieser Richtung eine Anamnese durchgeführt. Es kamen erstaunliche Dinge ans Licht. Der Student geriet in einen Kreis junger Männer, in dem ein starker Magnetiseur verkehrte. Dieser Magnetiseur gab in diesem Kreis oft Beweise seiner magnetischen Kraft. Wer seine gespreizten Finger berührte, fühlte einen Schwachstrom pulsieren. Der Student geriet unter den Einfluß dieses Magnetiseurs und erlitt eine starke seelische Bindung. Die Hörigkeit wurde so stark, dass er schon nach Art einer telepathischen Fernwirkung (Mentalsuggestion) das Eintreffen des Magnetiseurs spürte. Einmal war ich selbst Zeuge dieser Vorahnung. Auf dem Weg zum Gottesdienst sagte der Student plötzlich zu mir: „Er kommt wieder.“ Wir setzten uns auf die Empore der Kirche, und obwohl der Magnetiseur ein völlig unkirchlicher und unchristlicher Mann war, tauchte er doch in der Kirche auf und ging an uns vorüber. Später war ich dann noch einmal im Kreis einiger Studenten Zeuge von dieser merkwürdigen, starken magnetischen Kraft dieses Mannes. Durch die Not des Studenten veranlaßt und durch die persönliche Bekanntschaft des Magnetiseurs angespornt, war es mir ein großes Anliegen, dass der Student aus dem Bann suggestiver Verhaftung dem Magnetiseur gegenüber frei wurde. Acht Monate lang war ich fast zweimal in jeder Woche mit dem angefochtenen Studenten zusammen. Schließlich wurde er durch den Glauben an Jesus Christus von dieser Hörigkeit los. Damit verschwanden auch die Depressionen, Zwangsvorstellungen, Widerwille gegen Gottes Wort und Gebet.

Es ist eine Erfahrungstatsache der Seelsorge, dass in allen Fällen, bei denen Heilmagnetismus mit Magie oder Spiritismus gekoppelt wird, die schon zur Genüge bekannten Nachwirkungen auftreten. Oft sind die Magnetiseure geradezu gezwungen, außer dem Magnetisieren noch andere okkulte Praktiken wie Besprechen, Pendeln usw. auszuüben. Von vier Patienten, für die der tägliche „magnetische Vorrat“ reicht, kann der Magnetiseur nicht leben. Wenn er dann nicht als erfolgloser Heilpraktiker gelten will, muss der Magnetiseur sich noch anderen Heilmethoden zuwenden. Da viele Magnetiseure und Magnetopathen daher außer der Anwendung der natürlichen magnetischen Kräfte noch okkult arbeiten – zum Beispiel einen medialen Magnetismus entwickeln – ist vor jeder Behandlung durch solche Heilpraktiker gründlich die geistliche Einstellung des Betreffenden zu prüfen.

c. Das magische Besprechen

Der Internist Prof. Dr. Walter Seitz, München, erklärte in einem Vortrag: „Die psychosomatische Betrachtungsweise, d. h. die Erkenntnis von den Zusammenhängen zwischen dem Seelenleben und den körperlichen Vorgängen, hat in der Medizin eine große Wende hervorgerufen. Wir sind wieder zu der Erkenntnis gekommen, dass Störungen des Seelenlebens oft die Ursache für sehr schwere körperliche Erkrankungen sein können.“

Dieser Konnex zwischen dem seelischen und organischen Bereich wurde bereits in dieser Untersuchung zu der These von dem Kreislauf der psychoorganischen Korrespondenz geformt. Über den Weg der seelischen Kräftepyramide können Erkrankungen im organischen Bereich Störungen des Seelenlebens hervorrufen. …

Die psychosomatische Schule hat den Vorgang des Besprechens bereits in den Kreis ihrer Forschung einbezogen. Als Beispiel aus der Praxis sei folgendes angeführt:

B 52 Ein mir gut bekannter Arzt fragte einen Universitätsprofessor, der die psychosomatische Betrachtungsweise pflegt, nach einem wirksamen Mittel gegen Warzen. Er erhielt prompt die Antwort: „Das einzig gute Mittel dagegen ist das Besprechen.“

Dieser medizinische Besprechungsvorgang wird nicht in diese Untersuchung einbezogen. Er ist lediglich ein Beispiel dafür, dass man sich der Verbindung zwischen Körper und Seele immer mehr in der Geschichte der Medizin bewußt wurde.

An dieser Stelle soll im Anschluß an B52 in Form eines Exkurses auf den Einwand eines anerkannten Sachkenners der parapsychologischen Probleme eingegangen werden. Er widerspricht der Anschauung, dass der Gebrauch okkulter Fähigkeiten eine Übertretung des ersten Gebotes darstellt, und dass die okkulte Betätigung notwendig seelische Störungen mit sich bringt. Dazu ist von der Sicht dieser Arbeit folgendes zu sagen: Es werden in dieser Untersuchung neutrale Naturkräfte nicht geleugnet. Unter den gesammelten 600 Fällen sind diagnostische Beispiele mit der Rute, ferner telepathische, teleästhetische, heilmagnetische u. a. Fälle ohne erkennbare psychische Störungen. …

Außerdem besitze ich Beobachtungen, dass auch Tiere solche geheimnisvollen Naturkräfte besitzen, wenn sie z. B. auf Reizstreifen der Erdoberfläche oder auf Erscheinungen, die dem Menschen unsichtbar bleiben, reagieren. Im Blick auf diese neutralen Kräfte ist der obige Einwand berechtigt. Wenn es sich aber in 15jähriger systematischer und exakt kritischer Beobachtung herausgestellt hat, dass beim Heilmagnetismus die neutrale zur okkulten Anwendung sich etwa wie 1 zu 10 verhält, dann ist hier höchste Alarmstufe gegeben. Aus diesem Grunde ist in der vorliegenden Arbeit die neutrale Anwendung der geheimnisvollen Naturkräfte nur am Rande vermerkt.

In dem Begriff „okkult“ ist daher der neutrale Faktor entsprechend dem Gewicht, den er in der Praxis hat, wenig berücksichtigt. Das muss bei der Beurteilung der erzielten Ergebnisse berücksichtigt werden. Die Berechtigung dazu liegt in folgender Beobachtung. Den Parapsychologen interessiert zum größten Teil nur die wissenschaftliche Erforschung der okkulten Phänomene, ohne dass er auf die psychischen Begleiterscheinungen wesentlich achtet. Diesem Übelstand hat der Seelsorger zu begegnen aus der Überzeugung heraus, dass der lebende Mensch, das Geschöpf Gottes, über die Probleme der Wissenschaft geht.

Hier in diesem Abschnitt über das magische Besprechen geht es um das magische, antigöttliche Besprechen. Für dieses Besprechertum liegt eine schier unerschöpfliche Fülle von Material vor.
Viele evangelistische Dienste in Süddeutschland, Schweiz und Österreich in den letzten 15 Jahren brachten in der Seelsorge eine große Zahl von Besprechungsfällen, die ein Studium des Besprechungsvorganges ermöglichten. Im Vergleich zu anderen okkulten Phänomenen steht das Besprechen an erster Stelle.

Bevor jedoch zur grundsätzlichen Erörterung übergegangen wird, sollen einige Beispiele in die Problemlage einführen.

B 53 Bei einer Evangelisation kam ein junger Mann zur Aussprache. Er klagte über Lästergedanken, Schwermut, starke sexuelle Anfechtungen, Jähzorn und andere Störungen seines inneren Befindens. Außerdem erlitt er seltsame Anfechtungen, die er nicht näher beschreiben konnte. Um Epilepsie handelte es sich nicht, da er bei vollem Bewußtsein blieb und auch nicht dabei zu Boden fiel.

In medizinischer Hinsicht blieb eine Anamnese ohne besonderen Befund. …

Auf einen psychopathischen Befund könnten die Lästergedanken hinweisen, die von den Psychotherapeuten als ein Symptom der Zwangsneurose angesehen werden. Ich will dieser medizinischen Beurteilung nicht widersprechen, aber zu denken gibt mir, dass alle Fälle mit Lästergedanken, die ich beraten musste, okkulte Erlebnisse im Hintergrund hatten.

In parapsychologischer Sicht war dieser Fall ein typischer Besprechungsfall. Der junge Mann wurde als Kind bei einer organischen Erkrankung von seinem Vater zu einem Schäfer gebracht, der den Jungen besprach. Die organische Krankheit verschwand, dafür aber traten seelische und charakterliche Störungen auf.

Auf der seelsorgerlichen Ebene müssen wir uns mit diesem Fall noch einmal besonders befassen. Soviel kann jetzt schon gesagt werden, dass der junge Mann durch die Hinwendung zu Jesus Christus seelisch gesund wurde.

B 54 Eine junge Frau war gelähmt. Ihre Mutter wollte die Gesundung der Tochter erzwingen und ließ sie, wie sie es bei allen Kindern zu tun pflegte, besprechen. Die Gesundung trat ein, aber nach dem Besprechen setzten Bewußtseinsstörungen mit Tobsuchtsanfällen ein. Die Frau musste in eine Pflegeanstalt verbracht werden. Die anderen besprochenen Töchter und der Sohn haben ebenfalls psychische Störungen.

B 55 Bei einer Evangelisation erschien eine sechzigjährige Frau und klagte über seelische Nöte mancherlei Art: Depressionen, Widerwillen gegen Gottes Wort, obwohl sie unter Tränen den Weg zu Christus suchte und Ihm nachfolgen wollte. Seit 45 Jahren begehrte sie Vergebung ihrer Schuld und konnte einfach nicht glauben.

Nach einer medizinischen Anamnese, die vor allem auf die Ursachen der Depression abgestimmt war, erfolgte eine Anamnese der okkulten Beziehungen. Die Frau erzählte, dass sie als Kind bei einer Augenerkrankung vom Vater zu einer alten Besprecherin, zur „alten Winklere“, gebracht wurde, die das Augenübel durch Besprechen und Wegblasen tatsächlich beseitigte. Später wurde das Kind bei Erkältungskrankheiten wieder mit raschem Erfolg besprochen.

Auf seelsorgerlicher Ebene fällt auf, dass das Mädchen, das schon in der Konfirmandenzeit suchend und erweckt war, nicht glauben konnte, obwohl es Jesus Christus nachfolgen wollte. Wenn man auch in Erwägung zieht, dass Depressive besondere Glaubensnöte haben, so ergibt sich hier wieder das typische Bild okkulter Behaftung, die sich in einem Widerwillen gegen das Wort Gottes und das Gebet und in einer Unfähigkeit zu einer Glaubensentscheidung bemerkbar macht.

B 56 Eine Missionarsfrau berichtete, dass sie als Kind bei heftigen Zahnschmerzen von einem Mann besprochen wurde. Der Besprecher ritzte sich mit einem Messer ein Kreuz auf die Brust und nahm mit seinem Schmerz die Schmerzen des Kindes weg. Die Zahnschmerzen ließen sofort nach. Später wurde bei anderer Gelegenheit wieder okkulte Hilfe in Anspruch genommen. Bei dem besprochenen Mädchen entwickelten sich mediale Fähigkeiten, vor allem Hellsichtigkeit und Telepathie. Diese Hellsichtigkeit, die sich vor ihrer Lebenswende zu Christus hin auf profane Dinge erstreckte, wandte sich nach ihrer Bekehrung religiösen Inhalten zu.

Hier ergibt sich in parapsychologischer Hinsicht das sehr häufige Phänomen, dass der Besprechungsvorgang die Entwicklung medialer Fähigkeiten, vor allem der Hellsichtigkeit, begünstigt. Beachtenswert ist der Ritus der Schmerzübertragung, der bei den Primitiven in ähnlicher Weise vorkommt. Es handelt sich hier um eine Art Analogiezauber.

B 57 Ein Mann ging zum Besprecher, ließ sich von ihm beraten und nahm dessen Arznei. Das körperliche Leid verschwand, dafür stellten sich psychische Störungen und die Auslösung der Hellsichtigkeit ein. Der Sohn dieses Mannes litt von Jugend auf an Schwermut, Lästergedanken, periodischen Depressionen und Anfechtungen mancherlei Art.

In parapsychologischer und seelsorgerlicher Hinsicht treten hier bedeutsame Phänomene zutage: die Entwicklung zur Hellsichtigkeit, die Verlagerung vom körperlichen zum seelischen Leid, die psychischen Störungen im Leben des Sohnes. Das sind alles Symptome, die zum typischen Bild der Besprechungsfolgen gehören.

B 58 Ein fünfzigjähriger Fabrikant kam zur Aussprache. Er litt periodisch vor allem in hellen Mondnächten an depressiven Zuständen mit Jähzorn- und Tobsuchtsanfällen, Zerstörungswut, Ekel vor Gottes Wort und Selbstmordgedanken. Nach der Vollmondnacht waren die Anfälle vorüber. Der Mann war dann religiösen Fragen gegenüber aufgeschlossen, las das Wort Gottes und wollte Jesus Christus nachfolgen.

In der parapsychologischen Fragestellung ist beachtenswert, dass der Fabrikant als Kind in einer Vollmondnacht besprochen wurde. Welche Zusammenhänge bestehen nun zwischen der medizinischen und der parapsychologischen Diagnose?

Eines ist klar, dass der Fabrikant kein Schizophrener und kein Psychastheniker war. Ob eine endogene Depression vorlag, ist ebenfalls fraglich. Auf seelsorgerlichem Gebiet ist bedeutsam, dass der Mann im Verlauf vieler seelsorgerlichen Aussprachen und durch Einsatz eines Gebetskreises ohne ärztliche Behandlung durch die Hinkehr zu Jesus Christus frei wurde und seit 16 Jahren frei blieb.

B 59 Eine Frau mit einem organischen Leiden ließ sich besprechen und erfuhr damit eine rasche Heilung. Doch von dieser Zeit an stellten sich psychische Leiden, vor allem Wahrnehmungsstörungen in Form von akustischen Halluzinationen, ein. Sie hörte und sah Spukerscheinungen, von denen sie jahrelang gequält wurde. Schließlich hatte sie noch einen außergewöhnlich schweren Todeskampf.

Parapsychologisch und seelsorgerlich ist wieder die Folge von organischer Gesundung und seelischer Erkrankung festzuhalten. Der Besprechungsvorgang ist fast immer nur eine Transformation vom Organischen zum Psychischen. In den folgenden Besprechungsbeispielen soll das in einigen Fällen schon angedeutete Phänomen von dem in drei bis vier Generationen der Besprecherfamilien durchlaufenden Bild seelischer Störungen deutlich gemacht werden.

B 60 Ein Mann berichtet in der seelsorgerlichen Aussprache, in der es um psychische Störungen des Hilfesuchenden ging, folgenden Sachverhalt: „In unserem Dorf gab es keinen Arzt. Meine Urgroßmutter verstand sich auf allerlei absurde Heilkünste, vor allem auf das Besprechen. Sie war die viel zu Rate gezogene ,Ärztin‘ des Dorfes. Daneben galt sie als fromme Frau, weil sie bei dem Besprechungsvorgang die drei höchsten Namen nannte. Obwohl sie für alle Krankheiten an Mensch und Tier einen Zauber hatte, konnte sie doch nicht den seelischen Leiden in der eigenen Nachkommenschaft steuern. Von ihren Kindern bis zu ihren Urenkeln sind die mannigfachsten psychischen Störungen vertreten.“

B 61 Ein Mädchen klagte in der Aussprache über verschiedene seelische Anfechtungen wie Glaubensnöte, Jähzorn, starke Geschlechtlichkeit, Depressionen usw. Die Anamnese okkulter Beziehungen ergab ein interessantes Bild. Die Großmutter war eine langjährige Besprecherin. Ihr ältester Sohn, der Vater des Mädchens, wurde von Selbstmordgedanken geplagt. Der zweite Sohn hängte sich auf. Ihre erste Enkelin hatte Tobsuchtsanfälle. Die zweite Enkelin ist unser B 61.

Bei allen diesen Beispielen ist die Fragestellung: Was ist das Primäre, die okkulte Betätigung oder irgendeine Psychopathie oder Psychose?

B 62 Ein Schwarzwälder Viehbesprecher arbeitete mit dem 6. und 7. Buch Moses. Er leitete seinen Besprechungsvorgang mit drei Teufels Namen ein. Nach jahrelanger erfolgreicher Heiltätigkeit verwirrte sich sein Geist. Er kam in eine Irrenanstalt. Zwei seiner Kinder erlitten das gleiche Los. Die ganze Familie hatte psychische Störungen in mehreren Gliedern der Nachkommenschaft.

B 63 Eine christliche Frau erzählte in der Aussprache von den tiefen seelischen Nöten ihrer Familie. Der Großvater arbeitete mit Zauberbüchern und führte okkulte Experimente durch. Schließlich wurde er blind. Er verbrannte seine Zauberbücher und warnte seine Kinder, sie möchten nicht seine okkulte Praxis weiterführen, er wäre davon blind geworden. In der Nachkommenschaft ergab sich ein erschütterndes Bild psychischer Abnormitäten. Der Sohn war Trinker. Die Enkelin ist hellsichtig. Sie sieht die Luft, das Haus, die Straßen voll mit Geistern. Fünf seiner Urenkel sind alle geistig nicht normal, teils auf psychopathischer, teils sogar auf psychotischer Basis. Nur ein Glied aus dieser okkult behafteten Ahnenreihe fand den Weg zu Jesus Christus, unser B 63. Da sie im Hause mit den anormalen Angehörigen zusammenleben muss, ist sie großen seelischen Belastungen ausgesetzt. Wenn in der Nacht die geisteskranke Nichte fürchterlich zu lachen anfängt, dann betet sie mit ihrem christlich eingestellten Mann. Es ist daraufhin Poltern zu hören, dann wird es wieder still im Hause.

Der Psychiater wird in den Gehörshalluzinationen der einzig normalen Person dieser kranken Ahnenreihe vielleicht eine psychische Ansteckung erblicken, wenn er sie nicht gar als induziertes Irresein oder als genuine Wahrnehmungsstörungen diagnostizieren will. Zu betonen ist, dass diese Poltergeräusche nicht nur von dieser Frau, sondern auch von ihrem Mann und den anderen Angehörigen gehört werden.

B 64 Bei einer Evangelisation suchte eine Bauersfrau Rat und Hilfe in seelischer Anfechtung. Von ihrem 40. Lebensjahr an war sie schwermütig, hatte Selbstmordgedanken, Lästergedanken gegen Gott und Jesus Christus, obwohl ihr das leid tat. Sie besuchte stets die Kirche und die Bibelstunden einer Gemeinschaft. Sie wollte oft beten, konnte aber nicht. Ihre Tochter hatte die gleichen seelischen Störungen schon von dem 12. Lebensjahr an. Die Frage nach okkulten Beziehungen brachte wieder das übliche Bild. Der Großvater, also der Urgroßvater des zwölfjährigen Mädchens, war Besprecher und „Arzt“ seiner eigenen Kinder. Er besaß nur einen „kräftigen Spruch“, der immer half, und der jeweils vom Vater auf den ältesten Sohn weitergegeben wurde. Neben dieser Heiltätigkeit durch das Besprechen las die Familie täglich Morgen- und Abendsegen und betete. Das Besprechen wurde für nichts Böses angesehen. Ein Zusammenhang zwischen der okkulten Heilmethode und den psychischen Störungen der Familie wurde nicht erkannt.

B 65 Bei einer Bibelwoche kam ein 21jähriger junger Mann zur Aussprache. Von Jugend an litt er unter Schwermut, psychogenen Dyskinesien wie Tremor und Ticbewegungen, gesteigerte Sexualität usw.. Medizinisch ließe sich das depressive Syndrom leicht unter der Melancholie und die Dyskinesien unter der Hysterie einordnen. Die spezielle Ausprägung der psychischen Störungen veranlaßten mich aber doch, die Anamnese der okkulten Beziehungen durchzuführen. Die mit Hilfe des jungen Mannes angestellte Nachforschung in der Familiengeschichte brachte erstaunliches Material zum Vorschein. Bis in das vierte Glied dieser Familie lassen sich aktive okkulte Praktiken nachweisen. Der Urgroßvater (1. F. Gl.) war ein Experte auf dem Gebiet okkulter Praxis. Er beherrschte das Besprechen von Menschen, Tieren und Pflanzen mit Hilfe des 6. und 7. Buches Moses, ferner die Telekinese. Später schaffte er seine Zauberbücher fort. Dieser Mann starb unter fürchterlichen Schmerzen und unter Verbreitung eines penetranten Geruches. Seine Schwester (2. F. Gl.), die den magischen Sprüchen gegenüber skeptisch war und sie als Humbug ansah, benutzte einige Male im Scherz die Besprechungsformeln des 6. und 7. Buches Moses. Sie spürte im Laufe der folgenden Wochen eine Veränderung ihres seelischen Gleichgewichtes, wurde irrsinnig, erlitt Tobsuchtsanfälle, hörte Stimmen, führte Zwangshandlungen aus und endete in der Pflegeanstalt. In der großelterlichen Reihe lief die magische und psychische Linie weiter. Die Großmuter (Tochter vom 2. F. Gl.) hatte Tobsuchtsanfälle und Zerstörungswut. Sie zerschlug ihre Möbel und war zweimal in der gleichen Nervenheilanstalt wie die Mutter. Ihre Schwester (4. F. Gl.) hatte visuelle, und akustische Halluzinationen und Verfolgungswahn. Sie gab ihrem Enkel wiederholt den Auftrag, den Menschen zu sagen, sie sollten sich zu Jesus Christus bekehren, es wäre entsetzlich, von bösen Geistern geplagt zu sein. In Momenten der Bewußtseinstrübungen legte sie sich auf die Straße und schrie laut. Eine weitere Schwester der Großmutter (5. F. Gl.) hörte Stimmen, die ihren Tod ankündigten. Die unglückliche Frau kam ebenfalls in die Nervenheilanstalt. Bei einer vorübergehenden Besserung wurde sie wieder entlassen. Da stürzte sie sich mit ihren beiden fünf- und achtjährigen Kindern einen 40 m hohen Felsen hinunter. Alle drei waren tot.

In der elterlichen Reihe ging die gleiche Tradition weiter. Die Schwester der Mutter (6. F. Gl.) war Kartenlegerin, Pendlerin und Besprecherin in Mondnächten. Als Pendel benutzte sie ein dickes Gebetbuch, auf dem über Kreuz der Hausschlüssel gebunden war. Ihre Besprechungsformeln leitete sie mit den drei höchsten Namen ein. In der geschwisterlichen Reihe herrschten die gleichen psychischen Nöte. Der älteste Bruder des Berichterstatters war hellsichtig, Sprechmedium und erlebte Spaltungserscheinungen. Er experimentierte auf dem Gebiet der Exkursion der Seele und wollte im Zustand der psychischen Partizipation China und Indien besucht haben. Er kam später wegen Verfolgungswahn und wahrscheinlich wegen Schizophrenie in die Nervenheilanstalt. Die älteste Schwester (8. F. Gl.) des Berichterstatters ließ die jüngste Schwester (9. F. Gl.), die an Lungentuberkulose erkrankt war, in einer Vollmondnacht besprechen. Man hieß den Besprechungsvorgang in ihrem Heimatort „Messen gehen“. Diese Besprecherin hatte, wie verschiedene Glieder dieser Ahnenreihe, uneheliche Kinder. Als das zehnte Familienglied in dieser magischen und psychotischen Ahnenreihe war unser Berichterstatter mit psychischen Störungen behaftet. Bemerkenswert ist noch, dass nicht nur die Menschen seltsame Phänomene erlebten, sondern auch in dem Haus objektive Spukerscheinungen gesehen und gehört wurden. Ab 7 Uhr abends setzte ein Krachen ein, wie wenn jemand von der Decke auf den Steinboden aufschlagen und sich den Schädel zerbrechen würde. Dann wurde der Schemel hochgeschleudert und mit Wucht auf den Boden geschlagen. Auch andere Spukerscheinungen zeigten sich in verschiedenen Generationen dieser Sippe.

Für den Psychiater scheinen diese Fälle klar zu sein. Er wird ohne Zweifel zuerst an die erbliche Schizophrenie denken und das hemmungslose magische Brauchtum mit als ein Symptom und als eine Folge der Psychose ansehen.

In seelsorgerlicher Hinsicht ist ein hoch zu bewertendes Faktum, dass unser Berichterstatter als Nachkomme einer so kranken Ahnenreihe nach verschiedenen seelsorgerlichen Aussprachen den Weg zu Jesus Christus fand und eine volle seelische Gesundung erlebte. Diese seelische Heilung ist eine Erfüllung des Petruswortes:  „… losgekauft … von den Vätern überlieferten Wandel, …“ (1. Petrus 1, 18)

B 66 Eine junge Frau kam während einer Evangelisation zur Aussprache. Sie klagte über seelische Anfechtungen und Lebensüberdruß. Dann wurde sie ferner von Anfällen heimgesucht, die nach Aussage des Arztes nicht epileptischer Natur waren. Der Arzt bezeichnete sie als Angstanfälle. Da die ärztliche Behandlung zu keiner Linderung ihres Leidens führte, begehrte sie seelsorgerlichen Rat. Die Anamnese der okkulten Beziehungen brachte seltsame Zusammenhänge zum Vorschein. Der Urgroßvater war Besprecher. Er hängte sich auf. Der Großvater setzte die väterliche Tradition fort. Er wurde eines Tages von einem umstürzenden Heuwagen totgedrückt. Das Leben seines Bruders endete durch den Hufschlag eines Pferdes. Dessen Sohn war erfolgreicher Viehbesprecher, der von den Bauern stets geholt wurde. Drei Viertel der Ställe des Dorfes wurden von ihm besprochen. Sein Ende war schrecklich. Er erwürgte seine Frau und tötete dann sich selbst. Seine Schwester sprang in den Ziehbrunnen vor dem Haus und ertränkte sich. Im vierten Glied stand die junge Frau, die unter psychischen Störungen und Angstanfällen litt. Ein Mord, zwei tödliche Unglücksfälle, drei Selbstmorde ist die schreckliche Bilanz dieser Familie.

In medizinischer Hinsicht ist zu beachten, dass es sich in B 66 nicht um schizophrene Menschen handelt wie vielleicht in B65. Diese Männer standen als tatkräftige Bauern im Leben. Von depressiven Zuständen war wenig zu beobachten.

Als bemerkenswertes Faktum auf seelsorgerlichem Gebiet ist zu verzeichnen, dass die junge hilfesuchende Frau sich Jesus Christus zuwandte und daraufhin einige Monate von Anfällen frei blieb. Wie es heute um diese Frau steht, ist mir unbekannt, da ich keine Verbindung mit ihr habe. Ein weiteres schon mehrfach angedeutetes religionsgeschichtliches Phänomen ist die starre Abwehr gegen Gottes Wort, wo Besprechungsvorgänge in großer Häufigkeit geübt werden. Das Dorf, in dem jener bekannte Viehbesprecher drei Viertel aller Viehställe besprochen hatte, ist wie ein ehernes Bollwerk gegen Kirche, Gottes Wort und christlichen Veranstaltungen jeder Art.

Nach diesen 14 Beispielen aus erster Hand soll nun die Problematik des Besprechungsvorganges untersucht werden. Die erste Frage ist der Modus des Besprechens. Es gibt analog zu dem Ritus der Schwarzen und der Weißen Magie einen „schwarzen“ und einen „weißen“ Besprechungsvorgang. Das schwarze Besprechen wird mit drei Teufels Namen eingeleitet und wendet sich an die finsteren Mächte, das weiße Besprechen wird mit den drei höchsten Namen eröffnet und soll die „göttlichen“ Kräfte in den Dienst des Menschen stellen. Der Zauberspruch, der zur Anwendung kommt, wird meist nur halblaut gesprochen und gemurmelt. Das Zauberwort wird gelegentlich mit einer Zauberhandlung unterstrichen oder mit einem Übertragungszauber oder Schutzzauber verknüpft.

Zauberhandlungen sind: Bestreichen, Anblasen, Bespucken, mit „Osterwasser“ besprengen, mit Asche einer verbrannten Schlange, Kröte, Fledermaus oder mit Knochenkohle beräuchern uam.

Der Übertragungszauber hat den Sinn, die Krankheit eines Menschen auf einen Hund, eine Leiche, einen Stein usw. zu „bannen“, d. h. zu übertragen. Beim Schutzzauber gibt es wieder Schwarze und Weiße Magie. Ein schwarzer Schutzzauber ist z. B. das Tragen eines Wappen-Amuletts von Luzifer. Ein weißer Schutzzauber ist z. B. das Tragen eines Amuletts, auf dem der Psalm 29 geschrieben steht.

Viele Amulette religiösen Inhaltes haben nur die Bedeutung eines magischen Schutzzaubers, ganz gleich, ob sie einen Bibelspruch oder ein Heiligenbild oder einen religiösen Weihspruch zur christlichen Verbrämung haben. Die Verwendung der drei höchsten Namen oder der religiösen Symbole ist eine verhängnisvolle Tarnung und Irreführung, der viele Christen weithin zum Opfer fallen.

Die Äquivalenz des schwarzen oder weißen Besprechungszaubers zeigt sich zunächst in den gleichgerichteten psychischen Auswirkungen. Ferner ist die Gleichwertigkeit dieses Vorganges in einer einfachen theologischen Überlegung erfaßbar. Der Besprecher, der mit Hilfe Gottes oder des Teufels eine Heilung erzwingen will, steht diesen transzendenten Mächten als einer gegenüber, der über sie verfügen will. Das wird in dem bekanntesten Besprechungsbuch 6. und 7. Buch Moses im 1. Kapitel deutlich, wo Anleitung gegeben wird, sich den Hilfsgeist zu unterwerfen und die transzendente Macht zu überwältigen. Theologisch gesehen ist ein solches Unterfangen die Urrebellion: Der Mensch befiehlt der transzendenten Macht, der Mensch will über die Gottheit verfügen. Diese Hybris ist die Grundposition der Magie, die dem Theologen das Verständnis des Wesens des magischen Besprechungsvorganges leicht macht.

Die nächste Frage befaßt sich mit den Objekten des Besprechens. Zum überwiegenden Teil werden vor allem kranke Menschen und nächtlich schreiende Säuglinge besprochen. Dann kommen in zweiter Linie wertvolle kranke Haustiere wie Pferde und Rinder in Frage. Während meiner Amtszeit im Schwarzwald und auf der Baar beobachtete ich vielfach das Viehbesprechen. Viele Bauern sind der Meinung, das Besprechen sei billiger als der Tierarzt und helfe schneller. In der dritten Reihe werden Pflanzen (Obstbäume) besprochen, damit der Ertrag größer werde. In der vierten Reihe werden Katastrophen, Großfeuer im Dorf, Waldbrände, Hochwasser, Vulkanausbrüche besprochen. …

Das nächste Problem ist die Frage nach den Effekten des Besprechungsvorganges. Die Auswirkungen, die aus der jahrelangen Beobachtung seelsorgerlicher Beispiele als Regelfälle des Besprechens auftreten, lassen sich nach verschiedenen Richtungen hin gruppieren.

In charakterlicher Hinsicht zeigen sich akute und pertinente Affektsteigerungen. Magisch besprochene Menschen neigen zu Jähzorn, explosibler Reizbarkeit, mimosenhafter Empfindlichkeit, gesteigerter Sexualität. Die ganze Gefühlswelt zeigt eine gewisse extreme Note. Magisch Besprochene werden zu labilen Charakteren, die durch geringe seelische Belastungen aus dem Gleichgewicht kommen und dranghaften Verstimmungszuständen mit dem Charakter der affektiven Tenazität unterworfen sind. Es handelt sich hier um eine Art vorpsychopathische Stufe mit nicht genau abgrenzbaren, fließenden Übergängen und Ansatzpunkten zur Psychopathie.

In pathologischer Hinsicht entwickeln sich bei den magisch Besprochenen Symptome, die sich psychiatrisch nur teilweise in das Krankheitsbild der Melancholie einfügen lassen wie Schwermut, Trübsinn, Depressionen, Lebensunlust, Selbstmordgedanken usw. Diesem Krankheitsbild nicht adäquat sind die ungehemmten geistigen Fähigkeiten.

In geistlicher Hinsicht treten Symptome auf wie Resistenz gegen Gottes Wort und Gebet, Immunität gegen das Pneuma, antichristliche Fixation – Momente, die sich nicht alle unter nur psychischen oder psychiatrischen Sachverhalten unterbringen lassen. Selbstverständlich wird zugegeben, dass normale Fälle der Depressionskranken mit ihren Denk- und Willenshemmungen auch im geistlichen Leben Glaubenshemmungen haben.

In parapsychologischer Hinsicht zeigt sich bei den magisch Besprochenen die Entwicklung medialer Fähigkeiten. In großer Häufigkeit findet sich als sekundäre Auswirkung gewöhnlich erst in der zweiten und dritten Besprechergeneration, selten schon in der ersten Generation die Hellsichtigkeit. Es ist eine empirische Tatsache, dass in vielen Fällen, wo das UB einer VP wiederholt magisch angesprochen wird, sich Hellsichtigkeit entwickelt. In den bisherigen seelsorgerlichen Beispielen ist das in B1, B4, B20, B24, B33, B37, B40, B49, B56, B57, B59, B63, B65 ersichtlich. Außer diesem Phänomen entwickelt sich in vielen Fällen eine allgemeine Mediumität zusammen mit der Fähigkeit der psychischen Partizipation. Der Grad der Mediumität entspricht der Intensität der Mobilisation des UB.

In tiefenpsychologischer Hinsicht zeigt sich als Folge magischer Besprechung das außerordentliche Phänomen, dass die psychischen Auswirkungen bis in die dritte und vierte Generation weiterlaufen. Um dieses Phänomen deutlich zu machen, soll zuerst einiges über die Struktur des UB gesagt werden. Prof. Brauchle unterscheidet drei Schichten des UB: „Die oberste Schicht ist das persönliche UB, in dem Kindheitserinnerungen, vergessenes und verdrängtes Erlebnisgut aufbewahrt wird. Die Mittelschicht enthält die Eingrabungen der Familien-, Stammes- und Rassengeschichte. Familienerlebnisse gehen als Runen des Schicksals in den Erbgang und werden in der Geschlechterfolge festgehalten.“ – „Manchmal ist die Färbung einer seelischen Erkrankung deutlich familiär bedingt“ (Brauchle). …

Es geht hier nun um das in den Fällen B 24, B 60, B 61, B 62, B 63, B 64, B 65, B 66 aufgezeigte Phänomen der Vererbung psychischer Störungen in der Form einer seelischen Konstitution oder einer ausgeprägten psychischen Erkrankung wie z. B. Depression. Magisches Besprechen hinterläßt bei intensiver Durchführung in der mittleren Schicht des UB Engramme, die in den Erbgang gehen und für die nächste Generation einen latenten Herd für seelische Erkrankungen darstellen. Diese seelische Konstitution erfährt um so sicherer eine Entfaltung in den nächsten Generationen, wenn eine weitere psychische Provokation durch okkulte Betätigung der Nachkommen hinzukommt. Engramme können durch Nachlassen okkulter Betätigung in den folgenden Generationen schnell abklingen, andererseits durch magisch arbeitende Nachkommen übersteigert und als dominante Anlage in den nächsten Erbgang gehen. Auf diese Weise lässt sich die Entwicklung starker Medien erklären.

Wenn drei Generationen alle aktiv magisch gearbeitet haben, tritt in der vierten Generation eine intensive Mediumität auf. Zwei oder drei hintereinanderfolgende Besprechergenerationen entwickeln, wie schon gesagt, in erster Linie Hellsichtigkeit, dann aber auch Somnambulismus, psychische Partizipation und eine allgemeine gesteigerte Sensivität für paranormale Phänomene. Magisches Besprechen hat also nach den bisherigen Ergebnissen als Primäreffekt psychische Störungen, als Sekundäreffekt die Entwicklung medialer Fähigkeiten. …

In medizinischer Hinsicht muss noch auf den Heilungsvorgang eingegangen werden. Es liegen Berichte über eine große Zahl von Heilungen vor, die im Zusammenhang mit magischer Besprechung erfolgten. Bei allen von mir auf lange Zeit beobachteten Fällen handelt es sich um Scheinheilungen. Entweder die Erkrankung trat nach längerer Pause wieder auf, oder es war nur eine Verlagerung erfolgt, eine Transformation vom Organischen zum Psychischen.

Eine solche Verschiebung der Symptome kennt die Psychotherapie ebenfalls als Ergebnis der Suggestivbehandlung. Nach diesem medizinischen Hinweis muss noch einmal der tiefenpsychologische Problemkreis der magischen Besprechung angeknüpft und weitergeführt werden. …

Die letzte Frage im Zusammenhang mit dem magischen Besprechen schneidet zwei schon aufgezeigte Probleme dieser Untersuchung an:

Erstens: Gibt es eine sogenannte okkulte Behaftung?

Zweitens: Welche Beziehung besteht zwischen der okkulten Behaftung und den seelischen Erkrankungen?

Nach den bisherigen Darlegungen ist dazu folgendes zu sagen: Wenn unter okkulter Behaftung ein neues Krankheitsbild psychischer Störungen verstanden werden soll, so ist nach rein medizinischen Gesichtspunkten diese Annahme als Fiktion abzulehnen. Fast alle psychischen Störungen, die sich in den seelsorgerlichen Beispielen zeigen, lassen sich in irgendein Krankheitsbild der Psychiatrie oder Neurologie einordnen, wenn man von den theologischen Momenten des psychischen Störungsbildes absieht. Lediglich hinsichtlich der Ursachen solcher Störungen richtet die Seelsorge gegenüber der Medizin ein Ausrufezeichen auf. Wenn die medizinische Wissenschaft in der Kernpsychik die gleiche rapide Entwicklung nimmt wie die Naturwissenschaft in der Kernphysik, dann werden wir noch eine Reihe von Überraschungen erleben.

Was die Seelsorge in einer Zusammenschau vieler seelsorgerlicher Fälle ahnt und weiß, dass es eine suggestive Steuerung psychischer und organischer Vorgänge gibt, findet heute in der psychosomatischen Betrachtungsweise seine Entsprechung. In dieser Hinsicht ist die Medizin mit der theologischen Seelsorge einig. Noch zu wenig beachtet wird von der Medizin die magische Form der Suggestion in allen parapsychologischen Phänomenen, die das UB des okkulten Praktikers oder des okkult Beeinflußten als Medium benutzen.

Die psychischen Komplikationen, die aus dieser magischen Besprecherpraxis entstehen, nennen wir okkulte Behaftung.

Damit es in Zukunft zwischen der Theologie und Medizin keine Mißverständnisse und keine Kompetenzstreitigkeiten gibt, muss hier ausdrücklich gesagt werden, dass es sich bei dem Begriff „Okkulte Behaftung bzw. Belastung“ um einen theologischen Begriff handelt. Es klingen allerdings innerhalb dieses theologischen Begriffes eine Menge von medizinischen Fragen auf, wie die bisherige Untersuchung zeigt.

In dem zweiten Problem geht es um das Verhältnis zwischen der okkulten Behaftung und den seelischen Störungen. Der Kernpunkt ist die Frage nach causa und effectus. Sind die psychischen Störungen Folge okkulter Betätigung, oder ist der Wust magischen Brauchtums Folge einer psychischen Störung, etwa eines hemmungslosen Psychopathen oder der Süchtigen, die sich gern der Zauberpraktiken bedienen?

Von biblischer Warte aus ist als Hauptargument das zweite und erste Gebot entgegenzuhalten. Wer mit den drei höchsten Namen Weiße Besprechungsmagie treibt, will über Gott verfügen. Er setzt sich über Gott und kann nicht dem Gericht der Worte entrinnen: „ … Denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht. … Denn Ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied derer, die Mich hassen, …“.

d. Die Fernbeeinflussung (Mentalsuggestion)

Bei dem Phänomen der Fernbeeinflussung handelt es sich um eine Fernübertragung von seelischen Kräften. Dieses Phänomen ließe sich zur Spezialbehandlung unter der Rubrik der Telepathie, der Hypnose und des Magnetismus einordnen, da die bei der Fernbeeinflussung auftretenden Symptome sich auch in jenen Teilgebieten finden.

B 67 Bei zwei Evangelisationen in Bern erfuhr ich von einem befreundeten Missionar und noch einem anderen Gewährsmann folgende Tatsache: In der Nähe des Thunersees lebt und wirkt ein viel zu Rate gezogener Heilpraktiker. Name und Wohnort ist mir bekannt. Da die schweizerischen Gesetze es nicht zulassen, dass Besprecher und andere okkulte Scharlatane für ihre Konsultationen Honorare nehmen, beschreitet dieser Besprecher andere Wege, um sich finanziell zu sichern. Wer nach der Behandlung nicht freiwillig die fünf oder zehn Franken hinlegt, kann auf dem Bahnhof nicht in den Zug steigen. Durch Fernbeeinflussung hat der magische Besprecher seine Patienten in der Gewalt. Die Bahnbeamten wissen von dieser Tatsache und sagen lachend solchen Reisenden: „Bringen Sie erst dem … fünf Franken, dann können Sie abreisen!“ Soweit der Bericht der beiden Gewährsleute.

Beispiele über finanzielle und sexuelle Ausbeutung durch Suggestion tauchen in der Seelsorge gelegentlich auf. Es sind allerdings seltene Fälle. Bei der Sichtung solcher Beispiele müssen selbstverständlich Psychotische mit ihrem sexuellen Verfolgungswahn ausgeschieden werden. Es geht hier nur um Fälle, wo sonst gesunde Menschen durch Suggestion mißbraucht werden. In B47 und B51 tauchte bereits das Problem der Fernbeeinflussung auf. Ein weiteres Beispiel über suggestive sexuelle Vergewaltigung soll folgen.

B 68 Ein lediger Akademiker gewann im Zusammenhang einer seelsorgerlichen Beratung das Vertrauen eines unbescholtenen, anständigen Mädchens. Es entstand im Laufe der Zeit eine seelische Freundschaft, bei der sich bei dem Mann, aber nicht beim Mädchen, erotische Gefühle entwickelten. Aus der seelischen Freundschaft entwickelte sich ein suggestiver Einfluß des Mannes auf das Mädchen. Es kam so weit, dass das Mädchen unter dem suggestiven Einfluß des Mannes wie in Schlaftrunkenheit sich dem Mann hingab. Hinterher griff sie sich in jähem Entsetzen an den Kopf. Doch sie vermochte sich nicht mehr seinem suggestiven Einfluß zu entziehen. Sie wurde sogar nachts suggestiv von dem Manne gerufen. Sie ging dann im somnambulen Zustand nachts in die Wohnung des Mannes. Nach dem Erwachen packte sie Angst und Ekel. Sie sprach sich daraufhin bei einem älteren Evangelisten, einem Freund von mir, aus. Es war dem Mädchen ein ehrliches Anliegen, aus der suggestiven Gewalt des Mannes frei zu werden. Sie vereinbarte mit dem Evangelisten folgenden Weg der Hilfe. Der Evangelist wachte nachts in einem Sessel im Vorzimmer sitzend, durch welches das Mädchen bei ihren somnambulen Gängen stets ging. Tatsächlich öffnete sich zu vorgerückter Nachtstunde die Türe. Das Mädchen schritt murmelnd durch das Vorzimmer und flüsterte halblaut vor sich hin: „Du rufst mich, und ich soll den Brief mitbringen …“ Der wartende Evangelist rief die Somnambule mit Namen. Sie zuckte zusammen, ließ einen Brief fallen und wachte auf. Der Evangelist durfte den Brief, den das Mädchen gerade an jenem Tag erhalten hatte, lesen. In dem Brief ersuchte jener Mann das Mädchen, über ihre Beziehungen zu schweigen. Er bot ihr als Entgelt 200,- Mark an. Vermutlich war sich der Mann der Gefährlichkeit des Briefes als Beweismittel gegen ihn bewusst geworden, weil er am gleichen Tag dem Mädchen mental suggerierte, sie sollte kommen und den Brief mitbringen.

In seelsorgerlicher Hinsicht ist zu erwähnen, dass das Mädchen aus dieser suggestiven Hörigkeit völlig frei wurde. Der Evangelist hatte allerdings von dem Tage an einige Zeit lang seltsame Verfolgungserlebnisse. Der Verdacht lag nahe, dass jener Mann die Kraft der Fernbeeinflussung zur Rache an dem Evangelisten einzusetzen versuchte.

In der Literatur über die okkulten Fragen findet sich in Holmstens Buch ein Beispiel von sexueller Hörigkeit durch Suggestion. Ferner bringt er ein Beispiel zu der in die Ferne wirkende Kraft der Gedanken mit der von K. F. Meyer erwähnten Episode von dem ferngelenkten Buchhalter. Derartige Phänomene finden gegenwärtig ihre Bestätigung in den Berichten über den Führer einer amerikanischen Sekte von Schwarzen, der sich Father Divine anreden lässt und bekannt ist durch seine Mentalsuggestion. Wenn erkrankte Glieder der Sekte an Father Divine einen Telefonanruf oder ein Telegramm abgehen lassen, soll nach Eintreffen der Nachricht der Erkrankte gesund werden durch mentalsuggestive Fernheilung bzw. magische Fernbesprechung. … Beruhigend ist nur zum Teil die Tatsache, dass die Fähigkeit der Fernbeeinflussung ein sehr seltenes Phänomen ist.

e. Schwarze und Weiße Magie

In der Seelsorge treten vor allem Fälle auf von Formen der Schwarzen und Weißen Magie. Die Schwarze Magie verwendet für den Zauberspruch und die Zauberhandlung als magisches Vorzeichen die Anrufung des Teufels oder der Dämonen. Die Weiße Magie verwendet in magischer Form die drei höchsten Namen, Bibelsprüche, ganze Psalmen oder sonstige geistliche Symbole. In der Seelsorge finden sich unter beiden Formen der Magie folgende prinzipielle Anwendungsgebiete:

Schwarze Magie – Verfolgungszauber, Rachezauber, Abwehrzauber, Heilungszauber usw.

Weiße Magie – Schutzzauber, Abwehrzauber, Heilungszauber, Fruchtbarkeitszauber usw.

Der Verfolgungs- und Rachezauber findet sich nur unter der Schwarzen Magie. Hierher gehört auch der Todeszauber bei den Primitiven, z. B. bei den Papua auf Neu-Guinea. Die anderen Zauberpraktiken finden sich unter beiden Formen. Einige Beispiele sollen in die Problematik und in die Fragestellung des seelsorgerlichen Anliegens einführen.

B 69 Eine Frau berichtet in der seelsorgerlichen Aussprache, dass ihr zwölfjähriger Junge eine Zeitlang nachts immer um die gleiche Zeit fürchterlich schrie. Da der Junge tagsüber keine Beschwerden hatte, kam der Mutter diese nächtliche Szene unheimlich vor. Sie ging zu einer Okkultistin, die ihr erklärte: „Ihr Sohn wird magisch verfolgt. Sie müssen einen Abwehrzauber gebrauchen. Legen Sie abends vor dem Schlafengehen eine gespreizte Schere auf die Fensterbank, dann wird der Verfolgungszauber unwirksam.“ Die Mutter handelte nach diesem Rat. Verblüffend war nur, dass die nächtlichen Schreiszenen tatsächlich aufhörten.

Medizinisch ist zu diesem Fall wenig zu sagen. Es handelt sich hier kaum um die Wirksamkeit einer schwarzen Verfolgungsmagie und Abwehrmagie, sondern um irgendeine Schlafstörung des Sohnes, wie z. B. nächtliches Aufschreien, Angstträume, Sprechen im Schlaf usw..

Seelsorgerlich zeigten sich keine psychischen Schäden. Es war ein menschliches Verschulden der Mutter, dass sie nicht den Arzt konsultierte und eine Schuld vor Gott, dass sie ihre Zuflucht zur Magie nahm.

B 70 Ein Bauer, der nie in seinem Leben psychische Störungen hatte, kam früh aus der Kriegsgefangenschaft heim. Sein Kamerad, ein Nachbarssohn, war noch vermißt. Dessen Mutter trug schwer an dem Schicksal ihres Sohnes und gönnte nicht dem Heimkehrer aus der Nachbarschaft seine Freude. Aus dieser menschlich verständlichen Spannung heraus entwickelten sich bei dem Heimkehrer Angstträume. Er hatte im Schlaf das Gefühl, die Nachbarin würde ihn erdrosseln. Manchmal sah er sie im Traum und hörte sie sprechen: „Du mußt noch verrecken!“ Der angefochtene Mann suchte einen Okkultisten auf, der ihm erklärte: „Du wirst von der Nachbarin magisch verfolgt. Ich tue etwas dafür. Gehe heim. Die Sache macht sich.“ Tatsächlich blieben die Angstträume von da an aus.

Einige Zeit später erschien der Heimkehrer wieder beim Okkultisten und erklärte ihm, dass er zwar von der Verfolgung frei wäre, aber jetzt wäre die Nachbarin hinter dem Vieh her. Ein Stück nach dem anderen würde eingehen. Der Besprecher versprach, diese Angelegenheit auch zu erledigen. Er gab ihm Zettel mit einem Zauberspruch mit. Diese sollte er dem Vieh unter das Futter mischen. Es geschah so. Und wieder trat der verblüffende Erfolg ein. Die Viehseuche verschwand. Im dritten Akt dieser magischen Tragödie entstanden dann bei dem Heimkehrer Anfechtungen, in deren Verlauf er zur seelsorgerlichen Aussprache kam. …

In seelsorgerlicher Hinsicht liegen bei der Beratung des Heimkehrers zwei Fragen vor. Erstens der Hinweis, dass er sich mit seinen seelischen Komplikationen an den Arzt wendet und sich gründlich untersuchen und beraten lässt. Zweitens hat der theologische Seelsorger die Aufgabe, dem Mann die Verwerflichkeit und Gefährlichkeit seiner magischen Beratung zu zeigen. Die Nachbarin hätte dabei ja ungerechterweise in den Ruf der Hexerei geraten können. Ferner ist ihm der Weg zu Jesus Christus zu zeigen. Wie die Schwarze Magie praktisch gehandhabt wird, soll jetzt ein Beispiel zeigen.

B 71 In einem Dorf soll ein großes Obstbaumgrundstück verkauft werden. Es sind mehrere kauflustige Interessenten dafür da. Schließlich gelingt einem reichen Bauern der Kauf. Eines Morgens jedoch stellt er mit Entsetzen fest, dass 30 junge Obstbäume auf dem gekauften Grundstück abgesägt sind. Er erstattet sofort Anzeige. Der Polizei gelingt es nicht, den Täter zu ermitteln. Da greift der Geschädigte zu einem Verfolgungszauber der Schwarzen Magie. Er nimmt nach der Hausschlachtung den frischen Schweinenabel und hängt ihn mit einem Verwünschungsspruch in den Kamin. So wie der Nabel im Rauch langsam verschmort, so soll der unbekannte Täter in langsamem Siechtum dahinsterben. Ein halbes Jahr nach diesem Zauber stirbt einer der Interessenten jenes Grundstückverkaufes. Der „Schwarze Magier“ ist nun überzeugt, dass seine Rache den Täter erreicht habe. – Für so dunkle abergläubische Volksgebräuche erübrigt sich jede Erklärung. Auf diesem Weg entstand Hexenwahn und Hexenverbrennung, eines der dunkelsten Kapitel der menschlichen Kulturgeschichte.

Ein weiteres Beispiel zeigt einen Brauch der magischen Abwehr:

B 72 Eine Frau stellte die Untreue ihres Mannes fest, der sich eine Freundin hielt. In ihrer Not suchte sie eine magisch arbeitende Okkultistin auf, die ihr einen Abwehrzauber verriet. Die betrogene Frau vergrub in einer Vollmondnacht mit einem Zauberspruch ein Hemd ihres Mannes. In dem Maße, wie das Hemd in der Erde vermoderte, sollte die Liebe ihres Mannes zu seiner Freundin abnehmen.
Das Schlimme an solch magischen Praktiken ist die Leichtgläubigkeit und die Bereitschaft der Hilfesuchenden, solchen Unfug mitzumachen, statt auf vernünftigen Wegen Rat und Hilfe zu suchen.
Häufig findet sich die Schwarze Magie in Verbindung mit Experimenten nach dem 6. und 7. Buch Moses. Ob das folgende Beispiel dazugehört, ist nicht ganz erwiesen.

B 73 Eine Frau klagte in der seelsorgerlichen Aussprache über Schwermut, Lebensüberdruß und dergleichen. Auch ihr Kind sei so geplagt. Nachts würde das Kind pünktlich um 12 Uhr zu schreien anfangen. Um 1 Uhr würde man dann die Stimme der Schwiegermutter, die 80 km weit weg wohnte, hören: „Schweig!“ Dann würde das Kind sofort verstummen.

In parapsychologischer Hinsicht ist bedeutsam, dass starke okkulte Beziehungen vorliegen. Die Frau war jahrelang aktive Kartenlegerin. Ihre Schwiegermutter besaß das 6. und 7. Buch Moses und übte magische Besprechungen. Die Möglichkeit besteht am Rande, dass der pavor nocturnus des Kindes, der immer eine Stunde dauert, durch Mentalsuggestion beendet wird. Diese Möglichkeit wird nur deshalb erwähnt, da in der Seelsorge die außerordentlich seltene Fernbeeinflussung fast immer mit der Besprechungspraxis im Zusammenhang mit dem 6. und 7. Buch Moses auftritt. Wer von der suggestiven Kraft der Experimentatoren mit dem 6. und 7. Buch Moses nichts weiß, muss natürlich diese Annahme, die nur als letzte Möglichkeit erwähnt wird, als absurd ablehnen.

In seelsorgerlicher Hinsicht ist beachtenswert, dass die Frau sich Jesus Christus zuwandte und zusehends von ihrer depressiven Behaftung frei wurde.

B 74 Ein Mann in der Schweiz war Besprecher und Experimentator auf dem Gebiet der Schwarzen Magie. In dem Haus, in dem er seine schwarze Kunst trieb, sahen die Angehörigen, insgesamt vier Personen, Spukerscheinungen wie z. B. einen großen Hund, eine alte Frau, einen weißen Mann, Schlangen usw..

Da diese Spukerscheinungen nur von den Angehörigen des Magiers gesehen wurden, lag subjektives Geschehen vor. Es war vermutlich eine Bewußtseinsstörung mit irgendeiner exogenen Ursache. Beachtlich ist die ermüdende Häufigkeit derartiger Phänomene im Zusammenhang mit okkulter Betätigung. Die bisherigen Fälle waren alle noch einigermaßen einfach gelagert. Es gibt aber auf dem Gebiet der Schwarzen und Weißen Magie so verworrene Dinge, dass es sich nicht mehr die Mühe lohnt, alle Teilphänomene zu entwirren. Ein solches Beispiel soll den Schluß dieser Reihe bilden.

B 75 Bei einer Evangelisation in der Schweiz kam eine seelisch angefochtene Frau zur Aussprache. Sie entrollte ein völlig okkult verseuchtes Familienleben. Ihre Großmutter war eine Besprecherin. Man verdächtigte sie deshalb in der eigenen Familie, sie würde nachts die elf Kinder ihres Sohnes plagen. Als es den Eltern der nächtlich schreienden Kinder zu schlimm wurde, suchten sie drei Solothurner Mönche auf, die im Ruf standen, sie würden Weiße Magie treiben. Die Mönche versprachen Abhilfe in kurzer Frist. Seltsamerweise starb drei Tage später die Besprecherin. Der Vater der elf Kinder – Sohn der Besprecherin – behauptete, er habe zur Todesstunde seiner Mutter zwei schwarze Frauen vom Hause wegeilen sehen. Soweit der Bericht der angefochtenen Frau über ihre Familie. Dann fügte sie noch ein persönliches Erlebnis bei. Ihre Großmutter brachte ihr als Schulkind einen Besprechungszauber, einen Bannspruch bei, den sie einmal noch als zwölfjähriges Kind mit Erfolg anwandte. Sie schritt einer ihr verhaßten Frau drei Schritte genau in ihren Fußstapfen nach und murmelte dabei den Bannspruch. Darauf sollte die Frau stehen bleiben müssen. Der Spruch funktionierte. Die Frau blieb stehen, drehte sich um und rief: „Du Teufelskröte, mach, dass du fortkommst!“ Sie sprang vor Angst weg. Dann konnte die Frau weitergehen.

Das ist ein Beispiel, das die Form der Schwarzen Magie durch die alte Besprecherin und die Weiße Magie in dem Abwehrzauber der Solothurner Mönche enthält. Die okkult Gläubigen schwören darauf, dass diese Zauberpraktiken funktionieren. Für unsere Untersuchung genügt die Feststellung, dass es immer seelisch zerrüttete Familien sind, die auf diese Weise magisch arbeiten. Der wissenschaftlichen Forschung wird von diesen okkulten Vorgängen nur sehr wenig standhalten. Der geringe Rest echter Phänomene wird in seinem Prinzip noch besprochen werden.

Die Weiße Magie hat den gleichen Charakter wie die Schwarze Magie, nur dass sie unter religiösem Gewand erscheint, eine Tatsache, die viele irreführt. Hier handelt es sich um eine raffinierte Tarnung der Magie. Paulus sagt dazu: „Wie stimmt Christus mit Belial überein? …“ (2. Korinther 6, 15a). Es ist schon gesagt worden, dass es ein Faktum der Urrebellion darstellt, wenn der Mensch versucht, Gott seinen Plänen gefügig zu machen. Tatsächlich zeigt sich auch in der Seelsorge, dass die psychischen Auswirkungen der Schwarzen und Weißen Magie die gleichen sind.

Es müssen nun einige grundsätzliche Fragen der Schwarzen und Weißen Magie besprochen werden. Zuerst soll uns wieder der Modus des magischen Vorganges interessieren. Die magische Handlung besteht aus dem Vorzeichen (Anrufung des Teufels oder Gottes), dann Spruch und eventuell noch eine Symbolhandlung. Ein Übertragungszauber der Schwarzen Magie ist z. B.: Schweinefleisch im Urin eines Kranken kochen und dann unter einem Heilspruch einem Hunde füttern. Der Hund soll daraufhin eingehen, und der Kranke soll genesen. Ein Heilungszauber der Weißen Magie ist z. B.: Walnußblätter mit einem aufgeschriebenen Bibelspruch ungelesen essen. Ein Fruchtbarkeitszauber der Weißen Magie zur besseren Trächtigkeit des Viehs z. B. ist, Frauenhaare zwischen zwei Brote legen und dem Vieh füttern. Das Wesen der Magie besteht aber nicht in Heilungssprüchen, sondern in der Verfolgung von verhaßten Personen und in der Abwehr solcher Angriffe von Feinden.

Damit kommen wir zum Unterscheidungsmerkmal von der einfachen magischen Besprechung der Krankheiten. Das magische Besprechen bezweckt nur die Heilung, die Fruchtbarkeit und Abhilfe gegen Naturkatastrophen, aber nicht die Verfolgung und Abwehr von Feinden. Obwohl die Schwarze und Weiße Magie auch Heilungs- und Fruchtbarkeitszauber hat, ist das Kernproblem dieses Zweiges: Bannen und Lösen.

Das schwierigste Problem der Schwarzen und Weißen Magie ist die Frage nach der Echtheit der Phänomene. Hat man es hier in allem nur mit einem törichten Volksaberglauben zu tun, oder wird hinter diesen Phänomenen eine unbekannte Kraft wirksam? Geht vom okkulten Experimentator eine Energie aus, die zum Angriff und zur Abwehr benutzt werden kann? …

Für biblisch orientiertes Denken ist die Schwarze und Weiße Magie ein Skandalon. Vorzeichen, Inhalt, symbolische Gestaltung der magischen Sprüche stehen in extremer Opposition zum Geist des Wortes Gottes. Wo Teufel oder Gott zum Handlanger des Menschen gemacht werden sollen, da spielt sich der Mensch als Herr auf, da ist Empörung gegen die Schöpfungsordnung. Wo der Mensch seine Flucht zur Dinglichkeit wie Sargnägeln, Leichenwagen, Sargholz, vergrabenen Hemden, Amuletten jeder Art, Vollmondzauber, Osterwasser, Fetischen, Frauenhaar, Speichel, Urin, Knochenkohle, Tierleichen usw. nimmt, da ist Flucht vor dem Schöpfer, da ist Götzendienst, da ist Belial und nicht Christus! Bei dieser Sachlage spielt die naturwissenschaftliche Beurteilung der Magie eine untergeordnete Rolle; denn da rückt dieses Phänomen in den Bereich des Gottesglaubens, in die Domäne der Theologie.

In der seelsorgerlichen Fragestellung geht es also im zentralen Anliegen nicht um die Echtheit der magischen Phänomene, nicht um Erfolg oder Mißerfolg, sondern um die dabei entstehenden psychischen Störungen und ihre seelsorgerliche Behandlung. Es ist eine empirische Tatsache der Seelsorge: Wo Schwarze und Weiße Magie betrieben wird, sind psychische Störungen in der Familie.

f. Blutsverschreibungen

Eines der seltsamsten Gebiete des Okkultismus sind die Blutsverschreibungen. Bevor mir dieses Phänomen in der Seelsorge begegnete, hielt ich es nur für Auswüchse des mittelalterlichen Teufelsglaubens. Bereits in der Legende von Theophilus von Adana trat das Motiv des Teufelspaktes auf. In der Epoche des Hexenglaubens wurde dieses Motiv allgemein bekannt. In der profanen Erzählliteratur ist der Teufelspakt ein Motiv der Raubrittergeschichten. Aktuell und Gegenstand ernsthafter Beratungen wurde die Blutsverschreibung erst bei der Berührung mit diesem Phänomen in den Beichten. Einige Beispiele sollen in dieses Problem einführen.

B 76 Ein Flüchtlingsmädchen ohne Heimat, ohne Eltern, ohne Existenz geriet in ihrer seelischen Not auf schlechte Wege. Sie verdiente sich zur Nachtzeit ein bitteres Brot. Da wurde sie eines Tages von einer Polizeistreife aufgegriffen und dem Gesundheitsamt zugeführt, das eine ansteckende Hautkrankheit feststellte. Das Mädchen erhielt einige Wochen Gefängnis. In der Zelle kam das Mädchen auf eine seltsame Idee. Sie nahm ein Blatt Papier, ritzte sich den Finger an und schrieb mit ihrem Blut einen Vertrag mit dem Teufel. Vertragsbedingungen waren: Der Teufel sollte ihr zu einem annehmbaren Leben verhelfen; sie würde ihm dafür ihre Seele verschreiben.

Nach der Haft kam das Mädchen in ein evangelisches Heim für gefährdete Mädchen. Man nahm sich ihrer dort sehr liebevoll an. Sie war aber verschlossen, unempfänglich für alle Liebe und völlig abwehrend gegenüber dem Wort Gottes. Da bildete sich ein kleiner Gebetskreis, der sich in gemeinsamer Fürbitte für das Mädchen einsetzte. Es war auch das ohne Erfolg. Das Mädchen war wie mit ehernen Riegeln verschlossen.

B 77 Ein Mädchen, das im Dritten Reich eine führende Stellung hatte, war durch den Zusammenbruch ihrer Ideale und den Verlust ihrer Stellung so verzweifelt, dass sie in ihrer Not mit ihrem eigenen Blut einen Vertrag mit dem Teufel schrieb. Hinterher stellten sich psychische Störungen ein. Sie bekam visuelle Halluzinationen, sah alle Straßen, Häuser, Bäume voll mit Geistern, erlitt Tobsuchtsanfälle, erlebte Spukphänomene mancherlei Art. In ihrem Verstand blieb sie vollständig klar. Ihre Angaben waren überlegt und sachlich. Hysterie schied aus. Ihre Anfechtungen trieben sie zu einem Nervenarzt. Dieser Arzt bekam den Eindruck, dass seelsorgerliche Hilfe eher angebracht wäre, und er überwies seine Patientin nach erfolgloser Behandlung dem Seelsorger. Frei wurde das Mädchen aber bis jetzt noch nicht.

B 78 Es folgt nun ein Beispiel, das für den gesunden Menschenverstand die stärkste Zumutung darstellt. Bei einer Evangelisation brachte ein Mann seinen seelisch kranken Vetter zur Aussprache. Da eine schwere okkulte Geschichte angekündigt war, wurde ein Kirchengemeinderat, ein treuer Christ, zur geistlichen Hilfe zugezogen. Es saßen also in diesem Kreis der Pfarrer, der Kirchenälteste, der Handwerker, der okkult Behaftete. Da es dunkel war, wurden die Holzläden vor den Fenstern geschlossen und Licht gemacht. Dann erzählte der okkult Behaftete folgendes Erlebnis: Im Jahre 1935 wollte er heiraten. Weder seine Braut noch er besaßen Geld zu einem Schlafzimmer. In einem Gasthaus riet ihm ein Bekannter: „Schreibe einen Blutsvertrag mit dem Teufel und bitte um 500 Mark. Lege den Vertrag um Mitternacht auf den Tisch und rufe bei abgedunkeltem Zimmer dreimal: „Luzifer komm!“ Der so beratene Mann ging auf diesen Vorschlag ein. Er ritzte sich einen Finger an und schrieb ein Gesuch um 500 Mark mit der Verpflichtung, seine Seele dafür zu geben. Um Mitternacht rief er dreimal: „Luzifer komm!“ Es wurde ihm danach plötzlich sehr unheimlich. Er sah zwei rotglühende Augen über sich. Danach fuhr eine fahle Hand über den Tisch. Der erschrockene Mann machte Licht. Da lag ein Bündel Banknoten im Wert von 500 Mark auf dem Tisch. Der erste Zettel war verschwunden. Dafür lag ein zweiter Zettel da: „Komme morgen um Mitternacht an den Kreuzweg oberhalb des Dorfes!“ Der Mann war von diesem Zeitpunkt an sehr unruhig. Er beschloß, am nächsten Abend nicht zum Kreuzweg zu gehen. Als der zweite Abend herankam, wurde er aber mit großer Gewalt innerlich gedrängt, doch den Kreuzweg aufzusuchen. Er steckte eine Pistole zu sich und ging. Am Kreuzweg sah er eine scheußliche Gestalt, halb Mensch, halb Tier. Er schoß sein ganzes Magazin auf die Gestalt los, die dann vor seinen Blicken verschwand.

Das Rätselhafte an der ganzen Geschichte war dem Mann selbst, dass er noch immer die 500 Mark hatte und niemand kam, um sie ihm wieder abzunehmen, etwa mit der Erklärung, man hätte sich einen Scherz mit ihm erlaubt. Der Mann kaufte sich das Schlafzimmer und heiratete. Er wurde aber seine innere Unruhe, die er von dem Augenblick des Geldempfanges an verspürte, nicht mehr los. Er hatte oft Stunden, wo er meinte, von Furien gehetzt zu sein. Sein Blick wurde flackernd, sein Gesicht zerfurchte sich, er bekam weißes Haar. Im Alter von 43 Jahren, zur Zeit der Beichte, sah er aus wie ein Siebzigjähriger.

Während der Beichte, die 2½  Stunden dauerte, wurden die vier Männer von Zeit zu Zeit erschreckt durch ein Klopfen an die Fenster. Das Seltsame war, dass die Holzläden zu waren, das Klopfen aber nicht das dumpfe Klopfen auf Holz, sondern auf Glas war. Der angefochtene Mann wurde trotz der Beichte von seiner Unruhe nicht frei.

Es soll hier nicht das ganze Beispiel besprochen werden. Es werden nur die Hauptphänomene kurz erwähnt. Der Mann war vor diesem Erlebnis seelisch gesund. Auch hinterher konnte keine Psychose festgestellt werden. Der Geldempfang ließ sich zur Not als schlechter Scherz jenes Bekannten, der ihm den Rat zum Blutsvertrag gab, verstehen. Zu bemerken ist nur, dass jener Bekannte auch ein armer Tropf war. Ein Psychologe, den ich dieser Geschichte wegen konsultierte, meinte, vielleicht hat der Geldempfänger diesen Betrag im somnambulen Zustand irgendwo gestohlen. Das scheint doch sehr unwahrscheinlich zu sein; denn der Bestohlene hätte sich bestimmt gerührt und den Diebstahl angezeigt. Die seltsamen Erlebnisse mit den feurigen Augen, der fahlen Hand und der scheußlichen Gestalt könnten Halluzinationen auf Grund der Angst gewesen sein. Die vorzeitige, frühe Vergreisung ist ein in der Medizin bekanntes Phänomen. In der Sitzung der Wiener Gesellschaft der Ärzte im Frühjahr 1952 z. B. wurde den Fachzuhörern ein zweijähriges Mädchen vorgestellt, das alle Anzeichen einer Greisin aufwies: Einen fast kahlen Kopf, zahllose Falten im Gesicht, die charakteristischen Adernbildungen des Alters, degenerierte Ausbuchtungen usw. Der vortragende Arzt, Dr. Klöbl von der Wiener Universitätsklinik, erklärte, dass in der ganzen medizinischen Literatur bisher nur 23 Fälle von Kindervergreisung bekannt wären. Das wiederholte dreimalige Klopfen während der Beichte müsste vielleicht als Massenhalluzination angesehen werden oder als Energieumsetzung einer psychischen Abspaltung des Beichtenden, wenn hier den Rationalisten alles erklärt werden müsste. Damit wären die vier hervorstechenden Phänomene auf einen rationalen Nenner gebracht. Und doch kommt man mit diesen billigen Erklärungen in diesem Fall nicht durch. Der okkult Behaftete hatte nie in seinem Leben vorher Halluzinationen. Der Pfarrer, der Kirchenälteste, der ein nüchterner Geschäftsmann ist, und der Vetter des seelisch Kranken, der ebenfalls ein realdenkender Handwerker ist, hatten nie in ihrem Leben vorher oder nach den Klopfzeichen irgendwelche Halluzinationen. Diese drei Männer lassen es sich nicht ausreden, dass diese Klopfzeichen übernatürlichen Ursprungs waren. Eine befriedigende Antwort kann auf diese Geschichte nicht gegeben werden.

B 79 Bei einem Jugendtreffen kam ein 17jähriger Junge zu dem evangelistischen Vortrag in folgender Ausrüstung: In der linken Tasche hatte er ein Neues Testament und in der rechten Tasche ein schwarz gebundenes 6. und 7. Buch Moses im gleichen Format wie das NT. Mein Mitarbeiter bei diesem Jugendtreffen nahm dem Jungen das 6. und 7. Buch Moses ab. Wir blätterten das Zauberbuch schnell durch und entdeckten, dass der Junge sich unter dem Luziferbildnis mit Unterschrift dem Teufel verschrieben hatte. Danach verbrannten wir das Buch. Die Eltern, die von dem Zauberbuch ihres Sohnes nichts wußten, gaben auf Befragen eine typische Auskunft. Der Junge litte an seltsamen Tobsuchtsanfällen und habe auch sonst ein merkwürdiges, finsteres, unruhiges Wesen. Sie würden aus dem Jungen nicht klug.

Diese vier Beispiele haben eine Reihe von Symptomen gemeinsam. In medizinischer Hinsicht ist zu beachten, dass alle vier okkult Behafteten vor der Blutsverschreibung keine seelischen Störungen hatten. Nach der Verschreibung traten psychische Komplikationen auf, die sich nicht eindeutig unter einem bekannten Krankheitsbild der Psychopathie oder Psychiatrie unterbringen lassen. In dem einen Fall gab der Nervenarzt die Behandlung auf, weil er die Zuständigkeit des Seelsorgers erkannte.

In seelsorgerlicher Hinsicht ergibt sich hier ein Phänomen, das schon Jahrtausende alt ist. Bereits Jesaja spricht von denen, die mit der Hölle einen Vertrag gemacht haben. Bezeichnend in unseren vier Fällen ist die Tatsache, dass die vier okkult Behafteten nicht frei wurden. Das hat verschiedene Gründe. In der Seelsorge ist es ein empirisches Faktum, dass der an Zaubereisünden gebundene Mensch ohne radikale Beichte und bewußte abrenuntiatio diaboli nicht frei wird. Ferner ist es eine häufige Beobachtung, dass Blutsverschriebene sehr schwer frei werden. Man muss hier einfach mit einer dämonischen Bindung rechnen. Damit taucht in der vorliegenden Untersuchung ein neuer Terminus auf.

Dieser Terminus ist in der Medizin wie in einer besonderen theologischen Richtung sehr umstritten. Die diesem Begriff koordinierten Fragen werden noch in einem besonderen Kapitel kritisch untersucht. Hier soll nur die Stellungnahme eines in christlichen und ärztlichen Kreisen bekannten Psychiaters, Dr. Lechler, wiedergegeben werden. Er schreibt in einem Vortrag über Dämonie und Psychopathie folgendes:

„Was ist denn nun als Ursache der dämonischen Bindung wie auch der Besessenheit anzusehen? Fragt man solche Menschen, die die eben erwähnten Merkmale an sich tragen, eingehender aus, so findet man in der Vorgeschichte sehr häufig den Gebrauch von Zaubermitteln, wie sie in der Schwarzen Magie angewandt werden: das Besprechen oder Besprochensein, die Sünde der Wahrsagerei oder den Besuch von Wahrsagerinnen und Kartenlegerinnen, wie auch die Teilnahme an spiritistischen Sitzungen. Die Schwarze Magie ist viel häufiger, als gewöhnlich angenommen wird … Sehen wir in die Bibel hinein, so kennt auch die Schrift die Zauberei sehr gut, sie wird in Apostelgeschichte 19 als ‚vorwitzige Kunst‘ bezeichnet (an dieser Stelle ist auch von Zauberbüchern die Rede). Sie nimmt mitsamt der spiritistischen Betätigung eine Sonderstellung gegenüber andern Sünden ein, wenn es sich dabei um eine Inanspruchnahme von Diensten Satans oder gar um einen förmlichen Vertrag mit Satan handelt. Auch davon berichtet die Schrift (Jesaja 28, 15-18). Denn mit der Inanspruchnahme Satans liefert der Mensch sich unzweideutig Mächten der Finsternis aus, indem er durch Zauberei mit Hilfe satanischer Mächte etwas zu erlangen sucht, was Gott ihm versagt hat.“

Diese Aufklärung aus dem Munde eines Psychiaters muss von jedem Seelsorger beachtet werden. Theologisch ist hier nichts mehr hinzuzufügen. Damit erübrigt sich die seelsorgerliche Erhellung der vier oben stehenden Beispiele.

g. Der Fetischismus

Der Fetischismus ist der abergläubische Kult um Fetische, Amulette, Talismane. Man versteht religionsgeschichtlich unter einem Fetisch einen künstlichen Gegenstand, der als beseelt, als kraftbegabt angesehen, zur persönlichen Sicherung als Schutz getragen oder verehrt wird. Der Fetischismus ist die gläubige Haltung diesen vermeintlichen Kraftträgern und Schutzsymbolen gegenüber.

„Amulett“ kommt vom lateinischen amuletum und bedeutet Abwehrmittel. Ein Amulett ist ein kraftgeladener Gegenstand zum Schutz gegen magische oder dämonische Gefahr. „Talisman“ kommt vom arabischen tilasmun und vom griechischen télesma und bedeutet zunächst Vollendung, Weihe, dann auch Aneignungszauber. Als Amulette und Talismane kommen alle Gegenstände und Teile aus der organischen wie anorganischen Welt in Frage, denen der antike, primitive – oder moderne – Mensch eine Kraftladung zumisst. Die Wirkung der Fetische, Amulette, Talismane wird erhöht durch Inschriften, vor allem durch das Zauberwort. Wichtig für die Behandlung dieses Fetischismus heute ist die Tatsache, dass dieser Kult in der Magie des Heidentums seine Wurzeln hat.

Der Fetischismus ist nicht nur eine Erscheinung der antiken und primitiven Religionen, sondern auch ein Phänomen des Aberglaubens in der Gegenwart. Die Verehrung von Haaren, Federn, Nägeln, Hörnern, Klauen, Zähnen, Spinnen, Skarabäen, Schweinchen, Lorbeer, Knoblauch, Halmen, Fäden, Schnüren, Quasten, Bändern, Feuersteinen, Speerspitzen usw. in der Antike und bei den Primitiven hat ihre Parallele in derselben dinglichen Vergötzung von vierblättrigen Kleeblättern, Glückspfennigen, Glückspilzen, Glücksschweinchen, Hufeisen, Glücksbriefen, Amuletten, Reliquien, Osterwasser, Maskottchen, Bordtieren, Schornsteinfegern als Symbolzeichen des Glückes, ferner in der Furcht vor Käuzchen, Raben, Spinnen, schwarzen Katzen, alten Frauen, Stillstand der Uhr, Zahl 13 und dergleichen mehr als Unglücksboten. Einige Beispiele sollen die Situation dieses modernen Aberglaubens und Fetischdienstes einmal deutlich machen.

B 80 In meiner Studentenzeit bewohnte ich in einem Studentenheim ein Zimmer Nr. 12a. Bei einer Kontrolle stellte ich fest, dass 12a der Ersatz für 13 war. Es gab also Zimmernummern 12, 12a, 14 – und das in einer aufgeklärten Universitätsstadt. Die Geschichte dieses Zimmers ist aber noch nicht zu Ende. Später wollte der Leiter des Studentenheimes dieses Zimmer beziehen. Er ließ einen Maler kommen und trug ihm auf, die Zahl 12a in 13 umzuwandeln. Der Maler fragte daraufhin: „Was soll das für ein Zimmer geben?“ Der Hausherr erwiderte: „Mein Schlafzimmer.“ Der Maler weigerte sich dann, die Abänderung der Zahl vorzunehmen mit der Begründung: „Ich will nicht schuld sein, wenn Ihnen in diesem Zimmer etwas passiert.“ Der Maler hatte also von der Sonne der Aufklärung der benachbarten Universität nichts abgekriegt.

B 81 Einer Tageszeitung entnahm ich im Januar 1950 folgenden Bericht, für den ich mich natürlich als einer Pressenachricht nicht verbürgen kann. Das englische Unterseeboot „Laurentius“ sollte am Freitag, den 13. 1. 1950 in See gehen. Der Kapitän verschob die Abfahrt vom Freitag auf den Samstagmorgen, da ein Freitag und dazu noch der dreizehnte Monatstag unbedingt eine unglückliche Fahrt bringen müsste, weil damit ein doppeltes Unheilsomen gegeben wäre. Da aber der Kurs des U-Bootes für den 13. und nicht für den 14. bekannt gegeben war, stieß das U-Boot mit einem schwedischen Schiff zusammen und sank sofort. Es gab nach dem Pressebericht auf dem U-Boot 90 Tote. Hier wurde also der Aberglaube zum Verhängnis.

Ein besonderes Kapitel ist die Verwendung von Glücks- und Abwehrzaubern zum Schutz gegen Brand, Unfall und Kriegsverletzungen. Brandbriefe werden unter das Gebälk des Daches gelegt. Amulette sollen vor feindlichen Kugeln schützen. Das silberne Hufeisen an der Uhrkette oder am Schlüsselbund schützt vor Einbruch oder Diebstahl. Das Heiligenmedaillon, im Boden des Viehstalles vergraben, soll vor Viehseuchen schützen. Der mit Reliquien bestrichene Ehering soll den Träger des Ringes vor Ehebruch bewahren. Das im Acker vergrabene Medaillon mit dem Heiligenbild soll den Ertrag des Feldes segnen. So ließe sich die Reihe beliebig fortsetzen. Vielleicht hat auch das am Halskettchen getragene Kreuz magische Bedeutung. Eine Reihe von Reichgottesarbeitern sieht es so an. Es wird hier deutlich, wie das Christentum heidnisch-magischen Einflüssen erlegen ist. In neutestamentlicher Sicht ist dieser Einbruch magischer Elemente eine Verdinglichung, eine Vergötzung des Christusglaubens. Die Erfahrung der Seelsorge zeigt in vielen Fällen, wie dieser Aberglaube den Menschen in einen Bann schlägt und unter magische Beeinflussung bringt. Es ist sogar kein seltenes Phänomen, dass mit Brandbriefen und anderen Fetischen und Amuletten geschützte Häuser gern Spukhäuser werden. …

Noch schwieriger wird das Problem der Bildverhaftung, wenn zu der Abhängigkeit von den Wirkungsmächten der Bilder der zauberhafte Verspruch an den Urgrund aller Magie tritt. Es handelt sich hier um das unheilvolle Gebiet der Amulettverschreibungen, die den Blutsverschreibungen parallel laufen. Dazu einige Beispiele:

E 12 Das beste Beispiel auf dem Gebiet der Amulettverschreibungen dürfte wohl Samuel Kellers Bericht über Frau Brandstätter sein. Frau Brandstätter hatte morgens und abends um 9 Uhr Anfälle, bei denen eine Männerstimme aus ihr sprach. Während des Anfalles konnte sie Pfr. Keller Dinge berichten, von denen sie unmöglich wissen konnte. Sie sprach auch in diesem Zustand ein fließendes Hochdeutsch, das sie sonst als Krimdeutsche nicht beherrschte. Charakterlich war sie völlig umgewandelt. Im Normalzustand war sie demütig, bescheiden, anständig, während des Anfalles war sie roh, unanständig, tobsüchtig und hatte unheimliche Kräfte. Eines Tages sah Pfr. Keller ein Ledersäckchen am Hals der Frau. Er packte es, um es abzunehmen. Da schrie eine Männerstimme, die sich sonst als die Stimme eines Zigeuners Elkimo ausgab: „Gib das Säckchen nicht her!“ Keller riß es ab. Der Anfall ließ sofort nach, und die Frau wurde restlos gesund. In dem Säckchen war ein Zettel mit einem Verschreibungszauber. Am Anfang standen einige sinnlose hebräische Redensarten. Dann folgte in lateinischer Schrift: „Ich bin es, der die sieben Fieber in seiner Hand hat und die sieben Kräfte kann ausgehen lassen, und wenn du dies verbirgst und in meinem Namen lebst, wird dir alles gelingen, und ich werde dich behüten.“ Den Schluß bildeten wieder einige hebräische Worte. Frau Brandstätter bekannte, dass sie einige Jahre zuvor dieses Amulett von einem Zigeuner gekauft hätte. – Keller schreibt dazu: „Offenbar lag hier ein Zusammenhang vor zwischen abergläubischem Gebrauch solcher Zaubermittel und der Einwirkung dunkler Mächte.“

Das Problem dieser Besessenheitszustände wird später noch einmal kritisch untersucht werden. Hier muss aber schon festgehalten werden, dass die Frau sofort gesundete, als der Verschreibungszauber abgelegt wurde. Ein ähnlicher Fall spielte sich in den letzten Jahren in einem bekannten christlichen Heim ab.

B 82 Eine Mutter zog für ihr 12jähriges, krankes Töchterchen viele Ärzte zu Rate. Alle Behandlungen hatten keinen Erfolg. Schließlich wandte sie sich an einen Reichgottesarbeiter, der sie sowohl in eigenem Anliegen als auch in dem Krankheitsfall des Kindes beraten sollte. Die Mutter blieb wochenlang in dem Heim, ohne daß in dem merkwürdigen Zustand des Mädchens eine Besserung eintrat. Eines Tages beobachtete der Seelsorger an dem Hals des Kindes ein Kettchen mit einem Amulett. Er bat die Mutter um dieses Metallkapselchen. Die Frau weigerte sich zuerst mit dem Hinweis, es sei ihr stark anbefohlen worden, das Amulett nie von dem Hals des Kindes zu entfernen, sonst würde der Zustand des Kindes noch schlimmer werden. Der Seelsorger, der sich in den okkulten Praktiken auskannte, schöpfte Verdacht, klärte die Mutter auf und erhielt dann die Kapsel. Er entnahm tatsächlich einen Verschreibungsspruch, den er der erstaunten Frau vorlas und dann vernichtete. Von diesem Tag an wurde das Befinden des Kindes besser, und es konnte geheilt das Heim verlassen.

In diesen Zusammenhang des Fetischismus und der Amulettverschreibung gehört auch das indirekte Verschreiben durch den Besitz und die Aufbewahrung von Zauberbüchern. Unter die Zauberbücher, die im Volke im Umlauf sind, gehören folgende Titel: „Tennenbronner Zaubersprüche“, „Romanus-Büchlein“, „Der schwarze Rabe“, „Heiliger Segen“, „Der wahrhaftige, feurige Drache“, „Der wahre, geistliche Schild“, „Das siebenmal versiegelte Buch“, „Engelshülfe“, „Geheime Kunstschule“, „Der Gesundbetungspsalter“, „Das 6. und 7. Buch Moses“, „Das 8. bis 13. Buch Moses“. Das weit verbreitete und in seinen unheimlichen Auswirkungen am besten zu verfolgen ist das sogenannte 6. und 7. Buch Moses. Wenn in diesem Abschnitt von der indirekten Verschreibung die Rede ist, so kann das mit diesem 6. und 7. Buch Moses belegt werden.

In dem 6. Kapitel des 6. Buches wird folgender Vertrag gemacht: Dem jeweiligen Besitzer des Buches verspricht Luzifer zu helfen und alle seine Befehle auszuführen, aber nur, solange er das Buch besitzt.
Wenn nun diese Beziehungen, die hiermit zwischen dem Buchbesitzer und Luzifer angekündigt werden, alle aus Dummheit und törichtem Volksaberglauben geboren sind, wenn der Teufelsglaube nur der bemitleidenswerte Wahn einer unerleuchteten Zeit ist, so kann man das mit einer Handbewegung abtun. Im rationalen Zeitalter hält man sich dann nicht mehr über solche Banalitäten auf. Merkwürdig ist allerdings die seelsorgerliche Beobachtung, dass in allen Häusern und Familien, in denen das 6. und 7. Buch Moses aufbewahrt oder gar damit gearbeitet wird, seelische Erkrankungen mancherlei Art zu finden sind. Unter den vielen Beispielen, die in der Seelsorge bekannt geworden sind, soll eines herausgegriffen werden.

B 83 Ein Kirchenältester, der jahraus, jahrein treu zum Gottesdienst kam, lag auf dem Sterbebett. Der Mann, der sonst immer die Haltung des kirchlichen Menschen einnahm, ließ auf dem Sterbebett die bisher gewahrte Haltung fahren. Er fing an, schrecklich zu fluchen und Gott und Jesus Christus zu lästern. Er wehrte den geistlichen Zuspruch seiner Angehörigen ab, wollte nichts mehr wissen von Gottes Wort und Gebet und verschied unter schrecklichen Verwünschungen. Nach seinem Tode fand man im Nachlaß das 6. und 7. Buch Moses.

Wenn man die Besitzer dieser Zauberbücher nach einheitlichen Gesichtspunkten zusammenfassen will, so schälen sich drei Typen heraus. Die erste Gruppe arbeitet unter frommem Deckmantel. Sie hält das Zauberbuch für ein frommes Buch. In allen mir bekannten Fällen fiel dann auf dem Sterbebett die fromme Maske ab. Die zweite Gruppe ist von der Verwerflichkeit ihres Treibens überzeugt. Sie hält den Besitz des Buches ängstlich geheim. Oft weiß niemand in der ganzen Familie, außer dem Besitzer, von der Existenz des Buches. Vor dem Tod wird dann das Buch dem Ältesten übergeben, der dann in diese Geheimnisse eingeweiht wird. Die dritte Gruppe wagt es, vor dem Angesicht der Ewigkeit das finstere Treiben zu offenbaren. Sie ruft vom Sterbebett aus die Familie zusammen, enthüllt das okkulte Treiben und bittet darum, die Zauberbücher zu verbrennen. Allen drei Gruppen gemeinsam ist das Behaftetsein mit mancherlei seelischen Störungen. In den vielen in der Seelsorge kennengelernten Beispielen ist kein Besitzer des 6. und 7. Buches Moses dabei, der ohne seelische Komplikationen ist. Es ist auf Grund dieses empirischen Befundes nicht möglich, diese Häufigkeitsbeziehungen zu verharmlosen und sie einfach als Auswirkung einer Dämonengläubigkeit abzutun. Merkwürdig ist im Blick auf diese beobachteten psychischen Störungen die Tatsache, dass die Auswirkungen der direkten und der indirekten Verschreibung fast die gleichen sind. Es ist lediglich ein kleiner Unterschied in der Intensität zu bemerken.

h. Incubi, Succubae

Die Behandlung der Spukphänomene im Zusammenhang mit sexuellen Erlebnissen ist wohl das widerlichste Gebiet der Seelsorge. Es gibt schwer angefochtene Menschen, die in der Nacht sexuelle Spukerlebnisse haben und damit gequält werden. Es handelt sich dabei nicht um die Sexual- oder Ejakulationsträume oder um die sexuellen Halluzinationen Schizophrener, sondern um Wacherlebnisse. Religionsgeschichtlich ist dieses Phänomen bekannt unter der Bezeichnung Incubi und Succubae. Es handelt sich dabei um verführende männliche oder weibliche Dämonen. In der Bibel steht ein solcher Bericht in 1. Mose 6, 4. Es wird dort berichtet, wie Gottessöhne sich mit Menschentöchtern vereinigten. Es würde sich hier also um das Phänomen der Engelehe handeln. Bei den alten Völkern lassen sich solche Vorstellungen auch nachweisen. Die Babylonier und Assyrer hatten Mythen von den sogenannten Nachtmädchen, ardat lili, die in der jüdischen Tradition als Lilith weiterlebten. In der christlichen Zeit lief dieses Motiv der Dämonenehe weiter. In der Legende vom hl. Antonius erscheint der Teufel unter anderem in der Gestalt einer verlockenden Frau. Im Volksglauben des Mittelalters hielt sich dieses Motiv. Im 6. Buch Moses im 6. Kapitel wird berichtet, wie die Dämonen in schöner Mädchen- und Jünglingsgestalt die Menschen nachts sexuell heimsuchen. In der Gegenwart tritt dieses Phänomen in der Seelsorge immer wieder auf. Einige Beispiele sollen in andeutender Form die psychische Not solcher Angefochtenen zeigen.

B 84 Eine Frau erlebt oft nächtliche Spukszenen. Im Wachzustand sieht sie fünf Eber auf sich zustürzen, die sie schänden wollen. Die Frau schreit darüber laut um Hilfe. Es gelingt ihrem Ehemann kaum, sie zu beruhigen. Der Mann sieht die Eber nicht. Er hört nur seltsame Geräusche.

B 85 Ein Freund von mir, der in China Missionar war, berichtete mir von ähnlichen Dingen unter den Chinesen. Es handelt sich um das in der Missionsgeschichte bekannte Problem der Fuchsbesessenheit. Mädchen, die tagsüber psychisch völlig normal sind und ihrer Arbeit nachgehen, werden nachts sexuell von Spukgestalten geplagt. Es tauchen Gestalten auf mit Fuchsköpfen. Sobald diese Gestalten sich den Mädchen nähern, verwandelt sich der Fuchskopf in einen schönen Männerkopf. Die Mädchen leiden furchtbar unter diesen nächtlichen Besuchen. Bemerkenswert ist, dass Mädchen, die sich zu Christus bekehren, davon frei werden. Christliche Chinesinnen werden nicht davon befallen.

B 86 Ein junger, christlich gesinnter Mann verlor seine Frau. Nach 1½ Jahren heiratete er wieder. Mit der zweiten Frau lebte er in guter, glücklicher Ehe, nur wurde er von seiner zweiten Verheiratung an nachts von Spukphänomenen geplagt. Seine verstorbene erste Frau erschien ihm des Nachts im Wachzustand und versuchte, sich ihm sexuell zu nähern. Er empfand diesen Spuk als Belästigung und kam zur seelsorgerlichen Aussprache. Er beichtete und entschloß sich, Jesus Christus nachzufolgen. Es war sein dringender Wunsch, von der nächtlichen Belästigung frei zu werden. Der Seelsorger, ein weithin bekannter Volksmissionar, setzte sich in der Fürbitte für den Mann ein. Der Erfolg war, dass der Fürbittende seltsame Anfechtungen erlebte. Eines Nachts kam der Höhepunkt dieser Anfechtung. Der betende Volksmissionar spürte im Rücken einen Starkstrom, der näher kam. Der Angefochtene „gebot“ daraufhin im Namen Jesu. Der Spuk verschwand. Von dieser Nacht an war der bedrängte Ehemann frei von den sexuellen Spukerscheinungen seiner verstorbenen Frau.

Diese drei Beispiele werden nun kurz kritisch untersucht.

In psychiatrischer Hinsicht muss noch einmal betont werden, dass es sich hier nicht um Wahnideen oder sexuelle Halluzinationen psychotischer Menschen handelt. …

In tiefenpsychologischer Hinsicht könnte der Einwand gebracht werden, dass diese Spukphänomene vielleicht der Ausdruck unerfüllter Sexualwünsche oder nicht gelöster Sexualbindungen darstellen können. …

Allerdings enthält diese tiefenpsychologische Deutung entscheidende Lücken. Christliche Chinesinnen werden von der Fuchsbesessenheit nicht befallen, und sich bekehrende Chinesinnen werden davon frei. Der erwähnte Volksmissionar, ein hochgebildeter und seelsorgerlich erfahrener Akademiker, erlebte in der Fürbitte Anfechtungen bis zu dem Zeitpunkt des Befreiungserlebnisses. … In diesen Lücken der tiefenpsychologischen Deutung liegt der starke Hinweis zur Transzendenz der erwähnten sexuellen Spukphänomene. …

In seelsorgerlicher Hinsicht ist das Faktum bedeutsam, dass der Christusglaube mit diesen sexuellen Spukphänomenen fertig wird. Wenn zu der causa des sexuellen Spuks mit vielleicht dämonischem Charakter etwas gesagt werden darf, so legte sich rein empirisch der Verdacht nahe, dass die Koppelung von Sodomie und okkulter Betätigung vielleicht der Grund solcher sexuellen Spukphänomene sein könnte. Es kann ja immer wieder in der Seelsorge beobachtet werden, dass in christlichen Ehen, wo ein Teil eine gesetzlich enge, negativistische Einstellung zur Sexualität hat, der unbefriedigte Partner gelegentlich nicht nur dem Ehebruch, sondern sogar der Sodomie verfällt. Tritt zu dieser Sodomie durch okkulte Betätigung eine magische Bindung, dann sind psychologisch und parapsychologisch die Voraussetzungen zu sexuellen Spukphänomenen gegeben.

Eine zweite Möglichkeit wäre noch die Annahme, dass eine okkulte Behaftung die causa exsolvens beider Phänomene, der gesteigerten, widernatürlichen Sexualität, wie z. B. der Sodomie und der sexuellen Spukphänomene, darstellt; denn okkulte Betätigung bringt immer charakterliche Extreme und psychische Extravaganzen hervor. …

3. Die außersinnlichen Erscheinungen (ASE)

In den nun folgenden Abschnitten treten wir in das umstrittenste Gebiet der Parapsychologie ein, das Gebiet der parapsychischen Erscheinungen. Zeigten die Abschnitte über ASW und über ASB Beispiele, die nur innermenschliche Vorgänge betrafen, so nehmen die Phänomene dieses Gebietes objektiv wahrnehmbaren Charakter an. Sie sind aber deshalb nicht minder umstritten, sondern noch heftiger angefochten als die bisherigen Fälle. Es sollen vor allem zwei Phänomene zur Darstellung kommen: Die Materialisation und der Spuk.

a. Die Materialisation

Das seltsamste Gebiet der Parapsychologie sind die Materialisationsphänomene. Prof. Messer definiert dieses Phänomen als ein unerklärliches Auftreten und Verschwinden materieller Gebilde. In dieser Definition fehlt jedoch die Angabe, dass solche Phänomene nur im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Mediums entstehen. Genauer ist die Erklärung, die Prof. Gruber in seinem Buch über parapsychologische Erkenntnisse gibt: „Telekinese und Materialisation sind naturwissenschaftliche Tatsachen. Bestimmte Menschen haben unter besonderen Umständen die Fähigkeit, ohne die Zuhilfenahme irgendeiner bekannten körperlichen Funktion auf Gegenstände ihrer Umgebung bewegend oder formverändernd einzuwirken, sowie aus unbekanntem Stoffe außerhalb ihres Körpers sichtbare und greifbare, manchmal mit Eigenlicht ausgestattete (effloreszierende Substanz), mehr oder weniger hoch organisierte Neubildungen zu schaffen, für die in vielen Fällen der menschliche Körper in Teilen oder im Ganzen das Vorbild abgibt. Diese Materialisationen entstehen und verschwinden rasch.“  …

4. Das vierte Stadium zeigt das Materialisationsphänomen in Verbindung mit Telekinese. Das Medium ist in der Lage, mit einer unbekannten, fernwirkenden Kraft Energieäußerungen zu zeigen. Die modernen Parapsychologen nennen diese Kraftäußerungen Telekinese oder Psychokinese. …

5. Die fünfte Stufe der Materialisation ist die Durchdringung der Materie. Hierher gehören die rätselhaften „Apporte“, von denen in der parapsychologischen Literatur vieles zu lesen ist, ferner die vierdimensionalen Fähigkeiten mancher Medien. Unter „Apport“ versteht man das Erscheinen und Verschwinden von Gegenständen in abgeschlossenen Räumen und Behältern. Bekannt sind derartige Phänomene durch die Versuche, die der Leipziger Physiker Zöllner mit dem amerikanischen Arzt Dr. Slade angestellt hat. Aus verschlossenen und verklebten Schachteln wurden eingelegte Geldstücke herausgeholt, oder es fielen Steine oder andere Gegenstände unerklärlich von der Decke herab. Solche Phänomene sind recht häufig. In dieses Stadium gehört auch die stark bestrittene Fähigkeit mancher Medien, im Trancezustand feste Materie zu durchdringen. Aus Larsens Buch sei ein Beispiel angeführt.

E 13 „In zwölf Sitzungen, die mit dem Medium Madame d’Espérance abgehalten wurden, kam es vor, während das Medium im ,Kabinett‘ saß, dass sich eine Materialisation auf dem Fußboden außerhalb des Kabinetts aufbaute und sich schließlich zu einem weiblichen Wesen gestaltete, das zwischen den Sitzungsteilnehmern umherging. Sie reichte einem von ihnen die Hand, und während dieser die Hand hielt, trat die Dematerialisation vor aller Augen ein, und der betreffende Herr – eine bekannte Persönlichkeit – rief aus: ‚Nun wird die Hand kleiner und kleiner! Nun ist nichts mehr da!‘ Schließlich war nur noch eine kleine Kugel auf dem Fußboden, und die rollte ins Kabinett hinein.“

6. Die sechste Stufe der Materialisationen stellt auf dem parapsychologischen Gebiet wohl die stärksten Anforderungen an den gesunden Menschenverstand. Es handelt sich um die vereinzelt bezeugten Metamorphosen in Tiergestalten. Tischner berichtet solche Phänomene bei den Medien Guzi und Kluski. Ferner berichtet Dr. med. Leubuscher von dem unter den Tonarbeitern Abessiniens auftretenden Phänomen der Hyänomanie. Die meisten Zeugnisse für dieses seltsame Phänomen finden sich in dem schon erwähnten Werk von Prof. Oesterreich über das Problem der Besessenheit.
 Bei dem Phänomen der Tierverwandlungen lässt sich nach den Berichten der Ethnologen, Religionswissenschaftler, Missionare und Forschungsreisenden eine psychische und eine organische Metamorphose unterscheiden. Auf der psychischen Stufe findet nur eine Einfühlung in tierische Individualitäten statt. Psychisch abnorme Menschen glauben, in ein Tier verwandelt zu sein und ahmen Tierstimmen und Tierbewegungen nach. So berichtet Hieronymus (gest. 420) in seiner Biographie der hl. Paula, dass sie in der Nähe von Samaria Besessenen begegnete, die sich wie Tiere verhielten (Zooanthropie) und wie Wölfe (Lykanthropie) heulten, wie Hunde bellten, wie Löwen brüllten oder wie Schlangen zischten. Ferner berichtete ein Autor Dom Calmet, dass Nonnen eines deutschen Klosters bei einer Besessenheitsepidemie sich in Katzen verwandelt glaubten und miauten. Es finden sich auch Besessenheitsfälle mit dem Wahn, in Hunde (Cynanthropie), Dachse, Füchse, Affen usw. verwandelt zu sein. Nach den Berichten der beiden Livingstone besteht in Südafrika der Glaube, dass manche Menschen sich zeitweise in Löwen verwandeln können. Neben dieser psychischen Vorstufe der Tierverwandlungen gibt es auch Berichte von der Metamorphose in die leibhaftige Tiergestalt. Bei den Pygmäen findet sich die Vorstellung, dass Zauberer imstande sein sollen, sich in verschiedene Tiere zu verwandeln und in dieser veränderten Gestalt ihren Mitmenschen zu schaden. Diese pygmäische Überlieferung deckt sich inhaltlich mit der abessinischen Hyänomanie. Der Wahn, in Tiere verwandelt zu sein, findet sich auch bei der Schizophrenie. Diese Berichte der Tierverwandlungen zu untersuchen, erübrigt sich. Sie werden nur erwähnt, damit deutlich wird, dass die mediumistischen Kapriolen der M.-Phänomene in spiritistischen Kreisen bei den Primitiven ihre entsprechenden Parallelen haben.

Diese verschiedenen Stadien der M.-Phänomene werden hier nicht untersucht, sondern nur zur Orientierung ohne eigene Stellungnahme referierend angedeutet. Mannigfaltig sind die Hypothesen zur Erklärung dieser rätselhaften Erscheinungen des physikalischen Mediumismus. Ohne Zweifel wird sich vieles als Betrug, als Volksaberglauben oder als Gauklertricks abtun lassen. Damit wird man aber den echten M.-Phänomenen nicht gerecht. In der parapsychologischen Forschung setzten sich im allgemeinen fünf Theorien zur Erhellung der M.-Phänomene durch:

Die spiritistische Hypothese besagt, die Geisterwelt würde die Odkraft der Medien benutzen, teleplastische Gebilde entstehen zu lassen. Auf gleichem Weg würden auch materielle Gegenstände an einem Ort aufgelöst und an dem anderen Ort wieder zur Materie verdichtet werden. Der Physiker Zöllner sah die Durchdringung der Materie als Bestätigung der vierten Dimension an. Nach seiner Meinung wäre also die Materie für die vierte Dimension offen, so wie die Fläche für die dritte Dimension offen ist.

Von den Erkenntnissen der Kernphysik her ist das Verständnis der Durchdringung der Materie möglich, da ja die Zwischenräume zwischen Atomkern und den kreisenden Elektronen viel größer als ihre Masse sind. Was wir Materie nennen, ist in Wirklichkeit viel mehr leerer Raum als kompakte Masse, so dass eine Durchdringung der Materie nicht unmöglich zu sein scheint.

Die moderne Parapsychologie hat vor allem durch die Versuche Rhines den Beweis erbracht, dass die Reichweite des menschlichen Geistes und die Fähigkeiten der menschlichen Seele wesentlich größer sind, als bisher in der Wissenschaft bekannt war. Das zerebrozentrische Menschenbild muss allmählich einem psychozentrischen Menschenverständnis weichen. Was die Parapsychologie damit entdeckte, ist die Parallele zu dem physikalischen Gesetz der Energieumwandlung. Wie in der Physik schon vor 200 Jahren das Gesetz für den Umsatz der potentiellen zur kinetischen Energie erkannt wurde, so stellte die Parapsychologie bei den okkulten Phänomenen – vor allem bei der Telekinese – die Umwandlung der psychischen Energie in eine physische Tätigkeit fest.

Die Physik sagt uns, dass es theoretisch möglich ist, Masse in Energie und Energie in Masse zu verwandeln. Auf die M.-Phänomene übertragen heißt das: Es kann psychische Energie materialisiert und Materie in Energie dematerialisiert werden. Über den Modus dieser Vorgänge wissen wir noch wenig Bescheid. Wir sehen nur die praktische Verwirklichung für einige Minuten in den M.-Phänomenen der starken Medien.

Religionsgeschichtlich gibt es auch einige Beispiele für Dematerialisationen. Weil sie ein interessantes Phänomen sind, sollen zwei Beispiele dafür gegeben werden.

B 87 Ein Missionar erzählte mir, dass in Japan heidnische Priester sich auf der Spitze eines Berges dematerialisieren und auf einem anderen Berg sich rematerialisieren. Das wäre also das Phänomen der Entrückung im heidnischen Gebiet. – Man sagt ja, der Teufel ist der Affe Gottes.

E 14 Lukas, der Arzt, berichtet in der Apostelgeschichte 8, 39-40a: „Als sie aber aus dem Wasser heraufgestiegen waren, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; denn er zog voll Freude seines Weges. Philippus aber wurde in Asdod gefunden, und er zog umher …“ Gaza ist von Asdod ca. 40 km entfernt. Wenn zur Vermeidung von einem Mißverständnis ein erklärendes Wort zu beiden Beispielen gesagt werden darf, so muss darauf hingewiesen werden, dass das NT Wunder Gottes und Wunder Satans (z. B. Markus 13, 22) kennt.

Neben dieser Skizze der grundsätzlichen M.-Phänomene muss noch die kurze Darstellung eines charakteristischen Merkmals des Teleplasmas folgen, weil sich daran das Verständnis besonderer seelsorgerlicher Fälle knüpft. Es handelt sich um die unter dem vierten Stadium erwähnte Schmerzempfindlichkeit des Teleplasmas und damit des Mediums. Sowohl Schrenck-Notzing als auch der Pariser Arzt Dr. Geley, die beide bedeutende Versuche auf dem Gebiet der M. Phänomene angestellt haben, bezeugen, dass Gewaltanwendung gegen das Teleplasma zu Verletzungen beim Medium führt. Wird zum Beispiel das Teleplasma mit einer Nadel gestochen, dann treten am Körper des Mediums die entsprechenden Stichstellen auf. Wird das Teleplasma mit einer Kerzenflamme angebrannt, dann entstehen am Körper des Mediums Brandstellen und Brandblasen. Werden die „fluidalen“ Fäden, die gelegentlich zwischen Medium und Teleplasma beobachtet werden, mit einer Schere durchschnitten, dann stöhnt das Medium unter den entstehenden Schmerzen auf, und es zeigen sich sogar Schnittwunden am Körper des Mediums. Auf dieser Beobachtung, dass physikalische Energieanwendung gegen das Teleplasma Verletzungen des Mediums zur Folge haben, beruhen die im Volk herrschenden zahlreichen Abwehrpraktiken gegen Angriffe auf mediumistischer Basis. Ein seelsorgerliches Beispiel soll das deutlich machen.
B88 Im Verlauf einer Evangelisation kam eine Frau zur Aussprache und bekannte ein seltsames Erlebnis. Nach ihrer Verheiratung stellte die junge Frau fest, dass die Mutter ihres Mannes sich äußerlich und innerlich nicht von ihrem Sohn lösen konnte. Die junge Ehe war gleichsam eine Ehe zu Dritt, die dadurch stets gefährdet wurde. Dieses Verhältnis besserte sich auch nach der Trennung der Mutter von dem jungen Ehepaar nicht. Jahrelang stand der Mann noch in der Hörigkeit zu seiner Mutter. Er pendelte zwischen seiner Mutter und seiner Frau hin und her. Die junge Frau litt unter diesem Zustand. Als erschwerender Umstand kam die Tatsache dazu, dass die Schwiegermutter mediale Fähigkeiten besaß. Oft, wenn die junge Frau sich abends zur Ruhe begab, kamen vom Gang her runde Lichtscheiben ins Zimmer, die sich ihrem Bett näherten. Nachdem sie wochenlang so geängstet und geplagt worden war, holte sie sich eines Tages bei Spiritisten Rat. Sie wurde gründlich ausgefragt, und man erklärte ihr dann, sie könne diese medialen Angriffe abwehren. Sie solle einen Lederriemen nehmen, drei Knoten daran machen und dann den Riemen gegen die auftauchenden Lichtscheiben schlagen. Das betreffende Medium, das ihr diese Unruhe mache, würde durch diese Abwehr dann blutige Striemen am Leibe bekommen. Die angefochtene Frau befolgte den Rat mit dem verblüffenden Erfolg, dass mit dieser magischen Abwehr schlagartig die Belästigung durch die Lichtscheiben aufhörte und die Schwiegermutter am Tage danach Striemen von Peitschenhieben am Körper trug.

Zu dieser Vorstellung, dass Medien durch psychische Abspaltungen mißliebige Personen belästigen und verfolgen, aber auch magisch abgewehrt werden können, gibt es in okkult arbeitenden Kreisen des Volkes eine Menge Beispiele. Viele dieser Fälle sind noch seltsamer als B88. Ein solches absurd anmutendes Beispiel soll wiedergegeben werden.

B 89 Eine Bauersfrau erlebte mit ihrer Gänseherde, dass jeden Tag vor ihren Augen ein Tier unter seltsamen Umständen einging. Die Gänse verdrehten die Hälse wie eine Spirale, dann wurden die Hälse nach dem Rücken zu abgeknickt, und die Tiere verendeten. Da die Frau keine Abhilfe wusste, ließ sie sich von einer Spiritistin beraten. Es wurde ihr gesagt, sie solle eine Gans in dem Augenblick der komischen Halsverrenkungen packen und über das offene Herdfeuer halten. Dann würde der Urheber dieser offensichtlich magischen Verfolgung Brandblasen bekommen und sein Spiel aufstecken. Die Bäuerin behauptete, dieses Rezept hätte geholfen. Nachprüfen kann ich diese Aussage nicht.

Diese mehr als seltsamen schon an Spuk oder an Schwarze Magie grenzenden Beispiele sollen nicht untersucht werden. Es liegt in allen diesen Erscheinungen der Gedanke zugrunde, dass Menschen durch psychische Abspaltungen, durch Materialisation psychischer Energie Unheil anrichten, aber auch selbst im Zustande der Materialisation leicht verletzt werden können.

Was bisher in diesem Abschnitt außer der grundsätzlichen Einführung in die verschiedenen Stadien der Materialisationsphänomene gebracht wurde, sind zwar nur Randsituationen der M. Phänomene, die aber im Volk häufiger anzutreffen sind als das „Erscheinen von Verstorbenen“ in den spiritistischen Sitzungen. Damit ist das eigentliche Gebiet der M.-Phänomene genannt. Die Frage nach der Echtheit der von den Medien inszenierten Reinkarnation von Verstorbenen hat unter namhaften Naturwissenschaftlern Verfechter und Widersacher gefunden. Im wesentlichen stehen sich zwei Theorien gegenüber, die spiritistische und die animistische. Um einen Einblick in die Form der Reinkarnation der Verstorbenen zu geben, folgt ein Beispiel aus Olhavers Buch.

E 15 Das Medium, Frl. Tambke, ließ in einer einzigen Sitzung sieben Verstorbene erscheinen. Zuerst eine weiße Frauengestalt, die zwischen den Stuhlreihen der 18 Teilnehmer hin durchging und einen kranken Kaufmann durch Handauflegung magnetisierte. Der Mann spürte einen Schwachstrom durch sich hindurchströmen. Dann folgte die Materialisation einer verstorbenen Frau, die sich dem anwesenden Gatten auf den Schoß setzte. Die dritte Erscheinung war Olhavers (Autor des Buches) Vater, der seinen Sohn auf die Stirn küßte. Dann erschien die Tochter eines anwesenden Herrn. Zuletzt kam ein sechsjähriger Knabe, der seinen anwesenden Bruder küßte. Nach den sieben Erscheinungen war die Kraft des Mediums erschöpft. Es musste geweckt werden.
Olhaver versucht, mit einer Tabelle der verschiedenen Größen von 115 bis 181 cm, der verschiedenen Haarfarben, Haartrachten und Händeformen den Echtheitsbeweis für diese „Reinkarnationen“ von sieben Verstorbenen zu erbringen. Bemerkenswert ist auch, dass die Anwesenden ihre erscheinenden Angehörigen an Stimme, Ausdrucksweise und charakterlicher Eigenart erkannt haben. Und trotzdem vermag Olhaver nur die spiritistischen Gläubigen zu überzeugen. …

In seelsorgerlicher Hinsicht zeigt sich bei Medien und Sitzungsteilnehmern das gleiche Bild wie bei den Besprecherfamilien: psychische Störungen der verschiedensten Art, auch wenn Spiritisten und Nichtseelsorger das nicht wahrhaben wollen oder vor Übertreibung warnen. Besonders häufig finden sich permanente Dissoziationserscheinungen in zwei Richtungen. Der spiritistisch Beeinflusste erlebt nicht nur innerhalb seiner eigenen Person Prozesse der Abspaltung, sondern es zeigen sich auch in seiner häuslichen Umgebung Spukphänomene. Unter dem Kapitel „Der Spuk“ werden solche besprochen. Die Loslösung eines Menschen vom Spiritismus und die Hinwendung zu Jesus Christus erfolgt in nur wenig Fällen, da der Spiritismus selbst mit christlichen und unterbiblischen Motiven durchsetzt ist und der Behaftete dadurch seinen Irrweg nicht einsieht.

b. Der Spuk

Prof. C. G. Jung erklärte in seinem Vorwort zu Dr. F. Mosers Werk über den Spuk: „In bezug auf die Erforschung der parapsychologischen Phänomene stehen wir noch ganz am Anfang. Wir sind noch nicht einmal über den ganzen Umfang des in Betracht kommenden Gebietes unterrichtet. Daher ist die Sammlung von Beobachtungen und möglichst zuverlässigem Material eine hochverdienstliche Sache.“ Eine solche Sammlung seelsorgerlicher Fälle wird in diesem Abschnitt wiedergegeben. Wieder ist nicht die Erforschung des Spuks die Tendenz, die hier verfolgt wird, sondern die Voraussetzung für eine seelsorgerliche Hilfe zu schaffen. Bei der Verfolgung dieses Zieles ist allerdings die wissenschaftliche Erhellung dieses Gebietes, soweit das überhaupt möglich ist, eine unumstößliche Notwendigkeit.

Um das hier folgende Material einheitlich zu gruppieren, werden folgende Unterscheidungen getroffen. Hinsichtlich des Beobachtungsgrades kann der subjektive und objektive Spuk unterschieden werden. Im Blick auf Tatort und Charakter des Spuks wird von Sachkennern allgemein der ortsgebundene und der personengebundene Spuk unterschieden.

Ein Beispiel wird am schnellsten den Sachverhalt klären.

B 90 Prof. Bender von der Universität Freiburg berichtete auf einer Tagung der Evang. Akademie in Tutzing folgenden Fall: Eine Studentin beobachtete längere Zeit einen Mann, der sie verfolgte. Von anderen Menschen konnte diese Beobachtung nicht gemacht werden. Dieser verfolgende Mann sagte wiederholt zu dem Mädchen: „Nimm dir das Leben!“ Dieser visuelle und akustische „Spuk“ verschwand, als die Studentin in fachärztlicher Beratung aufgeklärt wurde. Dieser subjektive „Spuk“ war die Projektion ihres Verfolgungswahnes nach außen, also ein subjektiver Vorgang, der nach einer Außenkurve als objektives Erlebnis wieder erlebt wurde. – Die meisten Halluzinationen lassen sich auf diese Weise erklären.

In den nun folgenden Beispielen werden solche subjektiven Spukerlebnisse nicht berücksichtigt. Es geht hier um die objektiven von jedem Menschen beobachtbaren Spukereignisse. Der objektive Spuk muss also ohne diese Faktoren von nicht eingeweihten Personen oder fotografisch oder von Tieren beobachtet werden können. Zunächst folgen einige Spukfälle, die an einen bestimmten Schauplatz der Handlung gebunden sind, also ortsgebundene Spukphänomene.

B 91 Ein bekannter Evangelist berichtete mir ein eigenartiges Erlebnis, das hier veröffentlicht werden darf. Als junger Pfarrer wurde der Berichterstatter in eine unkirchliche Gemeinde versetzt. Gottes Wort galt wenig bei den Dorfbewohnern. Dafür aber waren allerlei abergläubische Bräuche im Gange. Der Besprecher galt mehr als der Veterinär. Der Magnetiseur hatte mehr zu tun als der Arzt. Die Kartenlegerin im Dorf wurde mehr aufgesucht als Rathaus oder Pfarrhaus. Der junge Pfarrer fühlte sich anfangs in seinem neuen Wirkungskreis nicht wohl. Im Pfarrhaus wurden verschiedene merkwürdige Beobachtungen gemacht, die rational nicht zu erklären waren. Wiederholt äußerte die junge Pfarrfrau zu ihrem Mann, dass in dem Hause etwas nicht geheuer sei. Der Mann wehrte lachend ab mit dem Hinweis: „So etwas gibt es nicht. Das ist doch Humbug und Schwindel. Entweder handelt es sich um Sinnestäuschung, oder ein besonderer ‚Freund‘ des Pfarrhauses spielt uns einen Schabernack.“ Der durchaus nüchterne Mann schenkte den Vorgängen im Pfarrhaus keine weitere Beachtung. Eines Nachts jedoch wurde er durch ein merkwürdiges Ereignis gezwungen, sich mit den seltsamen Vorgängen des Hauses zu befassen. Der Säugling, der neben dem Elternschlafzimmer schlief, fing plötzlich mörderisch zu schreien an. Die junge Frau eilte durch die offenstehende Türe in das anstoßende Gemach, um das Kind zu beruhigen. Entsetzt fuhr die junge Mutter zurück und rief ihren Mann. Beide Eltern sahen, dass das Kind aus der Windelpackung herausgezogen war, umgekehrt im Bettchen lag und blutunterlaufene Fingerspuren am Körperchen aufwies. Der Mann dachte zunächst nur an einen frechen Streich. Er prüfte sorgfältig den Verschluß der Fenster, der Zimmertüre zum Korridor hin und leuchtete dann mit einer Taschenlampe das ganze Zimmer ab. Auch die Windeln wurden nach einer möglichen Ursache der Druck- und Kratzwunden untersucht. Die Eltern fanden jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Erklärung des Vorganges.

Die Mutter packte den Säugling wieder ein und beruhigte ihn. Sie legten sich wieder zur Ruhe. Da setzte schon wieder das entsetzliche Wimmern und Schreien ein. Gemeinsam eilten die Eltern in das Nachbarzimmer. Wieder war das Kind nicht aufgewickelt, sondern nur aus der Packung herausgezogen und umgekehrt in das Bettchen gelegt. Das Körperchen zeigte erneut Spuren eines gewaltsamen Griffes mit typischen Merkmalen einer menschlichen Hand. Dem Ehepaar wurde es unheimlich. Sie nahmen das Kind in ihre Betten. Der Mann erklärte seiner Frau: „Hier scheinen doch rätselhafte Dinge vorzuliegen. Wir wollen beten.“ Die beiden jungen Menschen flehten dann um den Schutz Gottes und stellten sich im Glauben bewußt unter die Obhut ihres Herrn. Darauf legten sie sich ruhig nieder und wurden im Schlaf nicht mehr gestört.

Früh am Morgen gab es neue Aufregung. Der Mann beobachtete, wie aus dem Fenster des benachbarten Bauernhauses Flammen herausschlugen. Er eilte mit seiner Frau rasch hinüber, um bei dem vermeintlichen Brand zu helfen. Doch sie staunten, als im Nachbarhaus alles ruhig war. Der Feuerschein war weg. Kopfschüttelnd gingen sie ins Pfarrhaus zurück. Einige Stunden herrschte Ruhe. Da wurden sie erneut alarmiert. Der Bauer kam verstört zu seinem Seelsorger und berichtete, dass seine Tochter einen Tobsuchtsanfall hätte, wild um sich schlagen würde und nicht bei Sinnen wäre. Der Geistliche begleitete den bekümmerten Mann und beobachtete das tobsüchtige Mädchen. Es war ihm fast zur Gewißheit geworden, dass mit dem Pfarrhaus und mit dem Bauernhof irgend etwas nicht stimmte. Was vorlag, wusste er allerdings nicht.

Einige Monate waren über diesen Vorgängen verstrichen. Es war im Bauernhof und im Pfarrhaus alles wieder ruhig geworden, obwohl die Bauerntochter leider in die Nervenheilanstalt hatte verbracht werden müssen. Der Pfarrer hatte bewußt alles Sprechen über diese seltsamen Vorgänge im Dorf vermieden. Doch er suchte insgeheim nach einer Spur, um diese rätselhaften Dinge zu ergründen. Da kam ihm eines Tages ein alter Kirchenältester zu Hilfe. Dieser greise Mann berichtete ihm in einer vertraulichen Aussprache, dass der frühere Pfarrer, der fast ein Menschenalter der geistliche Hirte des Dorfes war, im Pfarrhaus 28 Jahre lang einen spiritistischen Zirkel unterhielt und auf dem okkulten Gebiet experimentierte. Zunächst wollte dem jungen Pfarrer der Zusammenhang zwischen diesen Versuchen auf dem Gebiet des Okkultismus und den seltsamen Vorgängen, die er in dem Pfarrhaus erlebt hatte, nicht einleuchten. Er war wie viele andere ein Akademiker, der die abergläubischen Dinge nicht für bare Münze nahm, sondern höchstens für einen interessanten Hokuspokus ansah. Im Laufe seiner Amtszeit aber, als er zu vielen Evangelisationen gebeten wurde, gewann er einen Einblick in diesen unheimlichen Bereich.

Dieses Erlebnis, das im Blick auf die Wahrhaftigkeit und Urteilsfähigkeit des Berichterstatters klar verbürgt ist, stellt doch hinsichtlich eines rationalen Verstehens eine ganz starke Zumutung dar. Es erhebt sich darum die Frage, wie der Vorfall in den beiden Häusern eintaxiert werden soll. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden seelsorgerlichen Beispiel sind folgende Einzelfragen zu erwägen:
War die Pfarrersfamilie einer groben Sinnestäuschung erlegen? Handelte es sich bei der Beobachtung dieses Feuerscheines um eine reine Halluzination? Waren die zehn blutunterlaufenen Fingerabdrücke nur Insektenstiche? Hatte der Säugling sich nur losgestrampelt und sich über dem Schmerz der Stiche umgedreht? Waren die Feuerflammen aus dem Fenster des Nachbarhauses etwa der Lichtschein der aufgehenden Sonne oder nur das flackernde Herdfeuer der Bäuerin? Nach der Lage des Hauses und der Anordnung der Wohnräume entfällt dieser Einwand. – Oder handelt es sich hier um ein Vorbrandgesicht, wie sie Dr. Schmeïng in seinem Buch vielfach schildert? Bestand zwischen den Vorgängen im Pfarrhaus und dem Tobsuchtsanfall der Bauerntochter ein Zusammenhang? Gibt es auf okkultem Gebiet eine Übertragung von Mensch zu Mensch? Gibt es ein Überspringen der Spukvorgänge von Ort zu Ort? Können Menschen durch uns unbekannte Mächte leiblich und seelisch angegriffen werden? Gibt es psychische oder magische Verfolgung? War das okkulte Experimentieren des alten Pfarrherrn die Ursache der seltsamen Vorgänge im Pfarrhaus? Hinterlassen Versuche auf dem okkulten Gebiet auch nach dem Tod des Ausübenden noch seltsame Wirkungen? Gibt es tatsächlich Spukhäuser? Müssen alle solche Wahrnehmungen nicht einfach als Humbug und Schwindel abgetan werden, oder ist eine rationale Erklärung aller dieser Phänomene möglich? Handelt es sich bei allen Erscheinungsformen des Okkultismus nur um ein Aktivwerden psychischer, innermenschlicher Kräfte, oder gibt es Einbrüche aus dem Bereich jenseitiger Mächte? Gilt also die animistische oder spiritistische Hypothese oder sonst eine Auffassung? Lässt sich das Rumoren im Pfarrhaus erklären als eine Abtrennung gewisser Seelenkräfte, die ein rätselhaftes Sonderdasein führen? Das wäre entweder das Problem der Depersonalisation oder der psychischen Abspaltung.
Dieser Einwand entfällt, da die jungen Pfarrersleute seelisch gesunde und ausgeglichene Menschen sind. Wenn diese okkulten Erscheinungen reale Geltung haben sollten, gibt es dann einen Schutz oder eine Befreiung auf diesem Gebiet?

Diese ganze Reihe von Fragen soll keine Einzeluntersuchung erfahren, sondern nur die schwierige Situation andeuten, in der sich der Beurteiler der Spukphänomene befindet. Dem psychologisch oder parapsychologisch geschulten Beobachter wird es bei solchen Spukerlebnissen deutlich, dass solche Phänomene vor dem Forum rationaler Ergründung nicht bewältigt werden können.
In seelsorgerlicher Hinsicht steht fest, dass dieses Erlebnis für die Pfarrfamilie eine starke Anfechtung war, mit der sie nicht ohne weiteres fertig wurde. Aus dem Wirrwarr ungeklärter Fragen schälte sich aber die Tatsache heraus, daß der Glaube an Jesus Christus den Bedrängten Hilfe brachte.

B 92 Auf einem Schloss wurde ein mir gut bekannter, überdurchschnittlich begabter Hauslehrer angestellt. Bald nach seiner Ankunft erfuhr er von seltsamen Spukgeschichten des Schlosses. Er lächelte überlegen. Eines Abends lief das Schloßpersonal wie schon oft vorher auf dem Schloßhof zusammen. Es zeigte sich wieder die schon oft beobachtete weiße Gestalt. Der Hausmeister verständigte den Lehrer. Dieser steckte seine Pistole zu sich und begab sich an den Spukort. Eine überlebensgroße weiße Gestalt bewegte sich langsam auf die Schar der Neugierigen zu. Es war ein Kreis von etwa zehn Menschen. Der Lehrer trat vor und forderte die weiße vermummte Gestalt auf, die Tarnung abzuwerfen. Er hob die Pistole und drohte zu schießen. Dann gab er einen Schreckschuß ab und wiederholte seine Drohung. Die weiße Gestalt reagierte nicht. Dann schoß er zuerst tief auf die Beine und zuletzt jagte er aus ca. 4 m Entfernung die beiden Magazine, insgesamt 14 gutgezielte Schüsse, mitten in die Gestalt, die sich dann verbeugte und auflöste. Außer dem Lehrer ist das ganze Schloßpersonal Zeuge dieses Vorfalles. Eine weitere Zeugin für die anderen Spukphänomene des Schlosses ist eine Diakonisse, die ohne jede Kenntnis der Vorgänge zur Pflege des sterbenden Schloßherrn von einem Mutterhaus anreiste. Die Schwester wachte eine Nacht und verließ bereits am Morgen, ohne den Tod des Adeligen abgewartet zu haben, fluchtartig das Schloß. Sie hatte in der Nacht erschreckende Spukgeschichten erlebt.

B 93 Bei einer Tagung der Evang. Akademie in Bad Herrenalb wurde in der Diskussion zwischen Pfarrern und Ärzten auch das Problem des Okkultismus gestreift. Der anwesende Schriftleiter eines großen Wochenblattes erzählte, daß seine Schwester als Herrin eines schlesischen Schlosses oft eine nächtliche Spukerscheinung erlebte. Eine junge Frau eilte um Mitternacht aus einem Gemach kommend die Treppe hoch und verschwand oben im Korridor. Die Geschichte interessierte mich zunächst nicht sonderlich, da derartige Ahnfrauengeschichten genug kursieren. Plötzlich fiel jedoch der Name des Schlosses, Lubowitz. Da erinnerte ich mich an einen Bericht aus Eichendorffs Tagebuch über dieses Schloss. Eichendorff wachte mit einigen Freunden vor dem Spukgemach. Während sie von gleichgültigen Dingen plauderten, ging die Türe auf, und eine schlanke junge Dame trat heraus und eilte leichtfüßig die Treppe hoch. Ein an diesem Tag erst eingetretener Diener, der von dem Spuk nichts wusste, folgte der Frau mit dem Leuchter nach, um ihr zu leuchten. Da durchgellte ein durchdringender Schrei das Schloss. Eichendorff und seine Freunde eilten, sobald sie sich im ersten Schrecken gefasst hatten, die Treppe hoch. Der Diener lag tot auf dem Boden mit dem Ausdruck fürchterlichsten Entsetzens im Gesicht. Eichendorff erlebte diese Spukgeschichte im Jahre 1810. Die letzte Schloßherrin von Lubowitz verließ 1944 beim Herannahen der Russen das Schloss. Somit ist hier ein gleichbleibendes Spukphänomen für den Zeitraum von 134 Jahren verbürgt.

B 94 In einem Pfarrhaus zog ein junger Pfarrer ein. Bald stellte er und seine Frau fest, dass manchmal abends ein rothaariger Mann in einem Zimmer stand, der beim Eintritt von Personen dann verschwand. Außer dieser Erscheinung wurden auch kratzende und fegende Geräusche auf dem Gang gehört. Dieses Phänomen wurde auch von Besuchern des Pfarrhauses gelegentlich beobachtet. Nach vorsichtig angestellten Erkundigungen legte sich die Vermutung nahe, daß der rothaarige Mann mit einem früher in diesem Pfarrhaus wohnenden Pfarrer identisch war, der nach dem Urteil der alten Leute im Dorf ein sehr schlechtes Leben geführt hatte. Der junge Pfarrer begnügte sich nicht mit diesen Erkundigungen. Er rief einige treue Christen zum anhaltenden Gebet ins Pfarrhaus zusammen mit dem Erfolg, dass die Spukphänomene aufhörten.
B95 Bei einer Evangelisation in Bern wurde mir ein Spukhaus gezeigt, das geschlossen wurde, weil alle Bewohner von dem nächtlichen Spuk belästigt wurden. Das Haus steht nun schon seit Jahren unbewohnt da.

E 16 Jung-Stilling berichtet in seiner Theorie der Geisterkunde von einem Spukhaus, das 300 Jahre hindurch von einem nächtlichen Hausgeist heimgesucht wurde. Zur Nachtzeit hörte man oben im Obergeschoß schwere Schritte wie eines Sackträgers. Einige Male zeigte sich auch eine Gestalt in Mönchskutte.

Ein besonderes Kapitel des ortsgebundenen Spukes ist der sogenannte Stallspuk, der mir in vielen Fällen aus dem Gebiet des Schwarzwaldes bekannt wurde. Neben den zahllos kursierenden Stallspukgeschichten verfüge ich über Beispiele aus erster Hand.

B 96 Bei einer Evangelisation wurde ich in das Haus christlich gesinnter Menschen gerufen. Sie klagten darüber, dass ihr Vieh immer durch nächtlichen Spuk beunruhigt wurde. Die Schwänze von den Pferden und Kühen würden am Ende geflochten, die Kühe wären manchmal morgens schon ausgemolken, obwohl beide Stalltüren des Nachts fest verschlossen wären.

Wer solche Spukgeschichten zum ersten Mal hört, ist geneigt, sie als schlechten Scherz anzusehen. Diese Erlebnisse sind aber in vielen Fällen einwandfrei bezeugt. Im allgemeinen schämen sich solche Bauernfamilien, diese Belästigungen publik zu machen. Man erfährt nur im Vertrauen solche Spukphänomene.

B 97 Einer meiner Amtsnachbarn im Schwarzwald wurde eines Tages auch zu einem Hof gebeten. Der Viehstall wurde nächtlich immer heimgesucht. Die Schwänze der Tiere waren morgens geflochten, außerdem waren die Kühe ausgemolken. Der Bauer hatte beide Zugänge zum Stall doppelt gesichert und sogar nachts manchmal einen Knecht zum Wachen eingestellt. Auch er selbst blieb gelegentlich nachts im Stall. Es war alles umsonst. Der Spuk blieb. Da wusste er sich keinen anderen Rat mehr, als den Pfarrer zu holen, damit er im Stall bete und um den Schutz und Segen Gottes bitte. Der Pfarrer musste mehrmals zu dieser geistlichen Handlung gebeten werden, bis die Intensität des Spukes nachließ.

Das charakteristische Phänomen des Stallspukes ist die Querverbindung: Spukphänomen und Magie. In allen Spukfällen, die ich untersuchen konnte, liegen dem Spukphänomen okkulte Praktiken zugrunde. In B96 wurde festgestellt, dass die Familie vor Beginn des Stallspukes einen magischen Besprecher zu Rate zog und sich von ihm helfen ließ. Dr. F. Moser berichtet bei einem Stallspuk, dass ein Volksmagus zu Hilfe geholt wurde, der sofort wirksam helfen konnte. Wenn in einem Haus mit Besprechern gearbeitet wird, dann ist auch anzunehmen, dass vorher schon solche Hilfe in Anspruch genommen wurde. Weitere Fälle dieser Querverbindung werden in den folgenden Beispielen gegeben.

Es werden jetzt Fälle berichtet, die zur Kategorie des personengebundenen Spuks gehören. Beide Fälle wurden von mir zusammen mit Polizeibeamten und mit Amtsbrüdern untersucht.

B 99 In einer geistig hochstehenden Familie zeigten sich häufig abends nach 11 Uhr spukhafte Phänomene. Während die Familie noch versammelt war und die Großmutter noch in der Bibel las, gingen die Türen auf, ohne dass ein Windstoß oder eine menschliche Hand die Ursache war. Oft zeigten sich auch vor dem Fenster, wenn die alte Dame sich zur Ruhe begab, menschliche Köpfe, obwohl das bei dem im dritten Stock liegenden Zimmer nicht möglich war. Auch sonst machten sich in dem Hause verschiedene Spukphänomene bemerkbar. Der Hausherr, der ursprünglich diesen Dingen gegenüber sehr skeptisch war, sprang schon zur Türe, wenn sie sich öffnete, um die Ursache zu ergründen. Manchmal wurden auch auf dem Gang Männerschritte gehört, die näher kamen, obwohl das Haus verschlossen war. Im Zusammenhang mit diesen Erlebnissen schaffte sich der Hausherr einen scharfen großen Hund an. Das Merkwürdige bei diesem Tier war die Beobachtung, dass es bei jedem Menschen, der das Haus betrat, sofort anschlug, aber bei dem Spuk winselte und sich verkroch.

Als mir diese Dinge in dem betreffenden Hause erzählt und nach meiner Meinung gefragt wurde, stellte ich die Frage, ob in dem Hause schon spiritistische Sitzungen abgehalten wurden. Es wurde verneint. Dann fragte ich weiter, ob eines der Familienmitglieder an spiritistischen Sitzungen außerhalb teilgenommen habe. Diese Frage wurde von der alten Dame bejaht. Sie habe in der Jugend als Mädchen öfters an einem Gesellschaftsspiel, dem sogenannten Tischrücken, teilgenommen. Diese Antwort genügte mir, da ich schon oft derartige Häufigkeitsbeziehungen zwischen Spuk und okkulten Praktiken erlebte.

B 100 Eine durch Spukfälle stark in Mitleidenschaft gezogene Familie bat um Hilfe. Ich reiste hin und sah mir die Zerstörungen selbst an. Schuhe, Hemden, Leintücher waren in den Ofen gesteckt und angezündet, Tinte war über das Rauchfleisch oder in den Mostkrug gegossen, Schnaps und Wasser in die Betten geschüttet, Gewichte ins Mehl geworfen, Eier im Hühnerstall zerquetscht oder gestohlen, Geld, Hausschlüssel, Gebrauchsgegenstände aller Art verschwanden plötzlich ohne ersichtlichen Grund, Drahtreifen wurden zerschnitten, Kleidungsstücke zerrissen usw. Die Familie wurde in einigen Monaten um einige hundert Mark geschädigt.

Durch das Vertrauen und Entgegenkommen der Familie war es mir möglich, mit jedem einzelnen Familienmitglied gesondert zu sprechen. Für die Zuverlässigkeit der Aussagen spricht der ehrliche, aufrichtige Charakter dieser treuen Menschen. Der Großvater dieses Hauses war Besprecher mit dem 6. und 7. Buch Moses. Drei Nachkommen von ihm haben besonders geprägte psychotische Störungen, die auf die okkulte Tradition hinweisen. Bedeutsam war, dass die Familie nach eingehender seelsorgerlicher Beratung sich zur täglichen Gebetsgemeinschaft zusammenschloß. Schlagartig gingen die Zerstörungen bis auf kleine Reste zurück, die nach einigen Monaten vollends verschwanden.

Bei den aufgezählten Spukfällen ist die Psychologie und die Parapsychologie bei dem gegenwärtigen Stand mit rationalen Erklärungen am Ende.

Für die hier geführte Untersuchung muss noch einmal der Tatbestand herausgestellt werden, dass alle Spukfälle, auch die hier nicht angeführten, die ich selbst zu untersuchen Gelegenheit fand, im Hintergrund eine okkulte Betätigung irgendeines Hausbewohners hatten. Aus diesem Grunde werden die Spukphänomene auch als Auswirkung der okkulten Praktiken unter den gleichen Perspektiven wie das andere magische Treiben gesehen. Bei Spukfällen, die sich über große Zeiträume von mehr als einem Menschenleben erstrecken, liegt der Verdacht transzendenter Wirkungszentren sehr nahe.

III. DIE ZUSAMMENFASSUNG DER BEI OKKULTEN FÄLLEN BEOBACHTETEN HÄUFIGKEITSBEZIEHUNGEN

1. Die Auswirkungen am okkult Beeinflussenden

Unter dieser Gruppe sind solche Okkultisten gemeint, die in aktiver Weise als spiritistische Leiter, als Medien, als ausübende Mantiker, als experimentierende magische Besprecher eine okkulte Praxis betreiben. Die Familiengeschichte und das Ende dieser okkulten Aktivisten nimmt in vielen mir bekannten Fällen einen so tragischen Verlauf, dass von einer Zufälligkeit nicht mehr die Rede sein kann.

a. Das Ende der okkulten Aktivisten

In dem Abschnitt über das magische Besprechen wurden bereits viele Beispiele über das tragische Ende der magischen Besprecher gegeben. Selbstmorde, tödliche Unglücksfälle, Psychosen oder entsetzliche Sterbeszenen zeigen sich in vielen Fällen. Abgesehen von den in dieser Untersuchung wiedergegebenen Fällen sind mir noch zahlreiche Beispiele dieser Art bekannt, z. B.: Der Leiter eines spiritistischen Zirkels in Südwürttemberg hängte sich auf, die Leiterin eines anderen Zirkels kam ins Irrenhaus. Vielleicht gehören auch die Beispiele der Literatur hierher. Das berühmte Medium Dr. Slade erlitt zwei Schlaganfälle, ein Pionier auf dem Gebiet der Parapsychologie, Crawford, der Erforscher des Mediums Kathleen Goligher, nahm sich im Jahr 1920 das Leben. In der parapsychologischen Literatur finden sich immer wieder solche Notizen eingestreut.

b. Das Verhängnis in ihrer Familie und Nachkommenschaft

Auf dem Gebiet der Vererbung zeigt sich bei den okkulten Aktivisten eine Kohärenz bis ins 3. und 4. Glied, die den Auswirkungen bei Trunksucht, Lues und Psychosen im Blick auf die Reichweite in der Geschlechterfolge nicht nachsteht. In der vorliegenden Untersuchung ist bereits in etlichen Beispielen gezeigt, wie die psychischen Störungen und die durch okkulte Praxis entwickelte Mediumität bis ins 3. und 4. Glied durchdringen. Ein Beispiel in Form einer Skizze soll das noch einmal unterstreichen:

B 101 Der Großvater einer magischen Besprecherlinie arbeitete mit dem 6. und 7. Buch Moses. Sein Sohn führte diese Tradition weiter. Während der Großvater außer sich anbahnenden psychischen Verwicklungen noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, entwickelten sich beim Sohn Zwangsdenken und religiöse Wahnideen. Der Enkel wurde noch ein fanatischerer Anankast als sein Vater. Der Enkel verschaffte sich bei dem Kirchendiener der zuständigen Kirchengemeinde einen Schlüssel zur Kirche. Nachts um 12 Uhr predigte er dann in der Kirche. Auch drang er gelegentlich in den Hauptgottesdienst ein, stellte sich auf den Altar oder auf die Kanzel, um zu predigen. Er wollte damit, wie er sich ausdrückte, den Fluch der Beschäftigung mit dem 6. und 7. Buch Moses in seiner Familie überwinden. Einige Männer holten dann den Störenfried vor versammelter Gemeinde von der Kanzel herunter und schafften ihn mit Gewalt hinaus, da er sich im Guten nicht wegbringen ließ. Im vierten Glied sind die Nachwirkungen nicht festzustellen, da dieser Anankast keine Nachkommen hat.

c. Die Entwicklung medialer Fähigkeiten

Es war bei den vielen magischen Besprechungsfällen eine überraschende Entdeckung, dass als Sekundäreffekt sich nach einer oder mehreren magischen Besprechungen in der 2. bis 4. Generation die Hellsehfähigkeit entwickelte. Bei den Blutsverschreibungen und Amulettverschreibungen zeigt sich ebenfalls gern die Entwicklung der Hellsichtigkeit vor allem in der Ausprägung der Geisterseherei. Auch von Teilnehmern der spiritistischen Sitzungen hörte ich immer wieder, dass sie jahrelang, nachdem die Teilnahme an den Séancen schon längst aufgehört hatte, immer noch Geister und Spukgestalten sahen, anscheinend nach Goethes Satz im Zauberlehrling: „Die Geister die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los.“

Außer der Entwicklung der Hellsichtigkeit zeigt sich bei okkulter Praxis auch die Zunahme der Mediumität. Es wurde bereits davon gesprochen, dass die Mediumität bei entsprechendem ablehnendem Verhalten oder bei weiterer okkulter Praxis entweder rezessiv oder dominant in den nächsten Erbgang geht. Mediumität ist abbaufähig und entwicklungsfähig. Wenn vier Generationen alle aktiv okkult arbeiten, dann entwickeln sich sehr starke Medien. Die Mediumität kann bei der Umkehr eines medial veranlagten Menschen zu Jesus Christus erhalten bleiben oder verschwinden. Beispiele dafür sind B24, wo die Mediumität bei der Hinwendung zu Christus verschwand, ferner B16 und B56, wo die Mediumität erhalten blieb und sich manchmal auf geistliche Inhalte umstellte. Die in dem letzten Beispiel erwähnte Missionarsfrau, die als Kind besprochen wurde, hatte nie die Ursache ihrer Mediumität und Hellsichtigkeit erkannt, darum gab sie sich ohne Bedenken dieser Fähigkeit hin. Aus Gründen der Diskretion wurde in dem Beispiel B56 nicht alles gesagt. Nach dem Beispiel aus Apostelgeschichte 16, 16 ist es besser, wenn medial veranlagte Christen um die Befreiung von dieser Fähigkeit beten, zumal die Entstehung der Mediumität okkulte Wurzeln hat. Selbstverständlich ist damit nichts gegen das pneumatische visionäre Geschehen, das einen ganz anderen Ursprung hat, gesagt. Doch ist religiöses visionäres Geschehen in seelsorgerlichen Beispielen mit großer Vorsicht zu behandeln, da es nicht nur pneumatischen, sondern auch medialen Charakter haben kann.

2. Die Häufigkeitsbeziehungen am okkult Beeinflussten

Nach der Darstellung der Auswirkungen bei den okkulten Aktivisten müssen die Häufigkeitsbeziehungen an den passiven Okkultisten gekennzeichnet werden. Es muss betont werden, dass es hier nur um die Feststellung von Häufigkeitsbeziehungen geht und es sich nicht darum handelt, etwa ein Kompendium der Psychiatrie ex occultismo zu geben. In den vielen seelsorgerlichen Fällen der letzten 15 Jahre zeigte sich die okkulte Behaftung im Zusammenhang mit psychischen Störungen in folgender Prägnanz:

a. Verbiegung des Charakters: Harte, egoistische Menschen, Ungesellige, finstere Naturen.
b. Überhöhte Leidenschaftlichkeit: Abnorme Geschlechtlichkeit, Jähzorn, Streitsucht, Hang zu Süchten, Geiz und Kleptomanie.
c. Seelische Erkrankungen: Zwangsdenken, Schwermut, Selbstmordgedanken, Angstanfälle.
d. Besessenheit: Zerstörungssucht, Tobsuchtsanfälle, Neigung zu Gewalttaten und Verbrechen, Innewohnung von Dämonen.
e. Geisteskrankheiten
f. Antichristliche und antigöttliche Verkrampfung: Bewusster Atheismus, Scheinfrömmigkeit, Unlust zu Gottes Wort und Gebet, Lästergedanken, Religiöser Wahnsinn.

VI. DIE OKKULTEN PHÄNOMENE IN DER SICHT DER BIBEL

Dem rationalen Hinweis auf außersinnliche Wirkungszentren entspricht in der Bibel das Geheimnis der überpersönlichen Mächte. Da es sich in unserer Untersuchung um Kräfte mit destruktiver Wirkung auf das Seelenleben der Menschen handelt, sind die mit dem Schöpfer zerfallenen Mächte, Satan und die Dämonen, gemeint!

Ein Reden vom Satan und den Dämonen ist jedoch hier zunächst nicht erforderlich, denn der magisch arbeitende Mensch ist mit seinen okkulten Praktiken vor das Angesicht Gottes und nicht vor das Forum Satans oder der Dämonen gestellt. Der magisch operierende Okkultist hat es zunächst allein mit dem Schöpfer zu tun, darum wurde bisher in unserer Untersuchung ganz bewußt auf die Entfaltung einer Dämonentheorie als Erklärung okkulter Vorgänge verzichtet.

Wir untersuchen nun die Aussagen des AT und NT im Rahmen unserer Fragestellung. Es geht dabei nicht um das Problem, alles aus AT und NT zu erheben, was über die okkulten Phänomene darin gesagt ist. Wer dieser Frage nachgehen will, kann die Abschnitte über Dämonen und Zauberwesen in der Theologie von H. Müller „Das Reich Gottes und die Dämonen“, Mager „Mystik als seelische Wirklichkeit“, E. Sauer „Satan – der Gegenspieler Gottes“, Heitmüller „Engel und Dämonen“ – um nur einiges zu nennen – zur weiteren Klärung dienen.
Hier in diesem Abschnitt soll nur die Frage der biblischen Einordnung der okkulten Phänomene, soweit sie für das Ziel dieser Arbeit von Interesse sind, untersucht werden.

1. Der Befund des Alten Testaments

Im AT wird sowohl in der mosaischen als auch prophetischen Zeit der Kampf gegen einen synkretistischen Prozeß mit den Religionen der Nachbar- oder Wirtsvölker geführt. Die religiösen Führer oder Berater Israels suchen stets eindringende heidnische Elemente auszumerzen. Diese Auseinandersetzung ist eine Fundgrube für die magischen und mantischen Praktiken aus Israels Umwelt. Im einzelnen werden folgende heidnische Bräuche abgelehnt und bekämpft:

a. Der Spiritismus
Deutlich wird diese Abwehr in 5. Mose 18, 10-12. Die Geschichte der Hexe von Endor (1. Samuel 28) ist sehr umstritten. Wir entnehmen aber eines mit Sicherheit. Saul hat sich bei dieser Spiritistin das Todesurteil geholt. Das Befragen der Toten wird ferner auch in der prophetischen Zeit abgelehnt. Jesaja fragt: „… oder soll man die Toten für die Lebendigen befragen?“ In einer Linie mit der Totenbefragung steht auch die Götzenbefragung. König Ahasja sandte in seiner Krankheit Boten nach Ekron, um Baal-Sebub zu fragen. Er hat sich mit dieser Götzenbefragung sein Todesurteil geholt wie Saul in Endor.

b. Die Mantik
Die mantischen Praktiken sind die häufigsten im antiken Heidentum. Das AT enthält darüber viele Spuren, z. B. 1. Mose 44, 5; 3. Mose 19, 31; 3. Mose 20, 6; 5. Mose 18, 10-12; l. Chronik 10, 13; Jesaja 44, 25; Jeremia 29, 8-9; Hesekiel 21, 26; Hosea 4, 12; Micha 3, 6-7; Sacharja 10, 2. Unter diesen Belegstellen sind verschiedene Formen der Mantik wie Becher-, Stab-, Pfeil-, Los-, Leber-, Traumwahrsagung, das Achten auf Vogelgeschrei, Unglückstage und andere Zeichen. Besonders vermerkt ist der Gestirnsdienst, die Astrologie (5. Mose 17, 2; 2. Könige 17, 16; Jesaja 47, 9). Auf das Abgleiten in die heidnische Mantik steht in der Thora die Todesstrafe (2. Mose 22, 17; 3. Mose 20, 6; 5. Mose 17, 5).

c. Die Magie
Die Beschwörer bildeten im antiken Heidentum wie heute noch bei den Primitiven eine abgegrenzte Berufsgruppe. Moses bekam mit ihnen in Ägypten zu tun (2. Mose 7, 11; 8, 3). Es ist unveräußerlicher Bestand der Thora (5. Mose 18, 10-11) wie der prophetischen Religion (Jesaja 47, 9-15), dass diese Zunft der Beschwörer in Israel kein Daseinsrecht hat. Um dieser Magier willen kommt Gottes Zorn über sein Volk.

d. Die Einordnung dieser Phänomene in die Theologie des AT

Der Angelpunkt für das theologische Verständnis der heidnischen Magie im Raume Israels ist 3. Mose 19, 31: „Ihr sollt euch nicht an die Geisterbefrager wenden, noch an die Wahrsager; ihr sollt sie nicht aufsuchen, um euch an ihnen zu verunreinigen; denn Ich, der HERR, bin euer GOTT!“ Alle magisch-mantischen Praktiken des AT werden von der Situation des ersten Gebotes aus verstanden. Der Israelit hat es in erster Linie nicht mit den Ascherabildern, den Spukgeistern oder gar mit Dämonen zu tun, sondern er ist mit dem heidnischen Brauchtum vor die Schranke seines Gottes gerufen. Er muss sich entscheiden, ob Jahwe sein Herr ist oder nicht. Er muss sich mit der Wirklichkeit Gottes auseinandersetzen und nicht mit der Existenz von Geistern und Dämonen. Die Magie des AT ist daher keine Dämonenfrage, sondern eine Gottesfrage. Das wird nicht nur im 1. Gebot, sondern noch in anderer Beziehung deutlich.

In der heidnischen Umwelt Israels spielt der Namenkultus eine große Rolle. Der Gottesname bleibt möglichst geheim. So war es bei den Ägyptern, bei den Römern; vielleicht weist auch der Altar für den unbekannten Gott in Athen darauf hin (Apostelgeschichte 17, 23). Wer aber den Gottesnamen kennt, verfügt über Zauberkräfte. Das Wesen dieses Namenkultus ist also ein Macht- und Zauberglaube. Im AT sucht man vergeblich nach Beispielen zauberhaften Gebrauchs des Gottesnamens. Der Jahweglaube distanziert sich von der Namenmagie des Heidentums. Es geht im AT nicht um den magischen Namenverkehr mit Gott, sondern um einen personhaften Verkehr des Menschen mit seinem Herrn und Schöpfer.

Das ist der Sinn des 2. Gebotes: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen!“ Auch in der Situation des 2. Gebotes wird es deutlich, dass mit der Abwehr des magischen Namenverkehrs und der Erziehung zum personhaften Gottesverkehr die Magie eine Gottesfrage darstellt. Der Glaube des Israeliten unterscheidet sich vom Glauben des Heiden darin, dass die Gottesvorstellung des Israeliten von der unbekannten „Es-Beziehung“ des Heidentums sich absetzend auf einer personhaften „Du-Beziehung“ fußt. Die Wirklichkeit ist für ihn das „Du“ Gottes, wie es im 1. Gebot in der Zusage „dein Gott“ sichtbar wird. An diesem „Du“ müssen sich alle anderen Fragen, auch der magisch-mantische Komplex, scheiden und entscheiden.

2. Der Befund des NT

Die okkulten Phänomene, die im NT ihren Niederschlag haben, können nur in dem heilsgeschichtlichen Zusammenhang der Sendung Jesu Christi verstanden werden.


a. Die Sendung Jesu Christi und ihr Widerspruch

Das Erscheinen Jesu Christi bedeutet den Anbruch der Basileía toū Theoū (Reich Gottes) auf Erden. Diese Basileía erweist sich in der neuen Heilswirklichkeit: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt (Matthäus 11, 5), die Gefangenen werden los, die Zerschlagenen werden frei, das angenehme Jahr des Herrn ist angebrochen (Lukas 4, 18-19). Dieser Basileíawirklichkeit gegenüber holt der Widersacher zum Gegenschlag aus. Alles setzt er gegen Jesus Christus in Bewegung: die Landesregierung, die Theologen, die Priester, das Volk, den eigenen Jünger, den römischen Richter usw.. Woher diese Todfeindschaft? Die Macht der Finsternis sieht ihr Reich bedroht, die Civitas Diaboli ist gefährdet, darum wird alle Macht zur Gegenwirkung aufgeboten. Der Exousia des Gottessohnes (Matthäus 7, 28-29) wird die Exousia (Herrschaft, Vollmacht) der Finsternis (Lukas 22, 53) entgegengesetzt. Diese Frontstellung ist bereits im Ansatz überwunden. Jesus Christus sagt: „Wenn Ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen!“ Mit diesem Jesuswort ist die Sachlage der Dämonischen, des Exorzismus, der okkulten Betätigung und Behaftung grundsätzlich zwischen Seiner Ankunft und Seiner Parusie geklärt.


b. Der Aspekt des Dämonischen im NT

Mit dem Sachverhalt der Sendung Jesu Christi wird damit die Frage und das Rätseln um die finsteren Mächte beantwortet. Karl Heim schreibt: „Die Beseitigung der Verwirrung, die durch die satanische Empörung angerichtet worden ist, ist also der letzte Sinn der Sendung Christi auf Erden. Hätte diese satanische Revolution gegen Gott nicht stattgefunden, so wäre die Sendung Christi auf die Erde nicht erfolgt.“ Heim sieht diese Auffassung der Sendung Jesu Christi bestätigt in der Ausführung des Paulus in 1. Korinther 15. Dort wird gesagt, dass Jesus Christus so lange die Basileía ausüben muss, bis Er alle Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt haben wird. Dann hat Jesus Christus Seine Mission erfüllt, und Er kann dem Vater Sein Mandat zurückgeben. Wir können an dem Ausmaß der von Jesus Christus ausgeübten Basileía rückschließend uns ein Bild von der satanischen Empörung machen. Die Wirkungsmacht Jesu Christi erhellt die Macht Seines Widersachers. Das Verständnis der Finsternismächte ist also im NT eine Frage des Christusverständnisses, kurz gesagt, die Dämonenfrage ist eine Christusfrage.

Damit sind wir bei einem ähnlichen Ergebnis wie zuvor beim AT. Prof. Hahn schreibt, dass die Dämonologie aus dem christologischen Tatbestand abzuleiten ist. Bei dem Fragen nach den dämonischen Hintergründen okkulter Phänomene steht im Vordergrund immer zuerst die Christusfrage. Wo das übersehen wird, hat jegliche Meinung vom Dämonischen ein verschobenes Blickfeld. Das muss vor allem da gesagt werden, wo aus primitiver Biblizität heraus ein naiver Teufels- und Dämonenkult entsteht. Es muss also wie oben von seiten der Grenzwissenschaften aus hier von theologischer Sicht aus vor einer voreiligen Dämonentheorie gewarnt werden.

c. Der Doppelcharakter von semeion (Zeichen)

Im AT herrscht schon die Überzeugung, dass der Charakter des Zeichens (oth) nicht eindeutig ist. Man weiß in Israel, „dass etwas Überraschendes und Faszinierendes auch von anderen Mächten als von Gott, von Zauberern oder von anderen Elohim-Mächten gewirkt sein könnte, ja, dass Gott auch einem gefährlichen Menschen einmal ein Wunder gelingen lassen könnte, um seine Anhänger auf die Probe zu stellen“. Im NT ist diese Situation noch heikler.

Semeion wird bald von Gotteswundern (Markus 16, 17; Johannes 2, 23; 4, 54; 6, 2; 9, 16; 11, 47; Apostelgeschichte 4, 16; etc.), bald von dämonischen Wundern gebraucht (Matthäus 24, 24; 2. Thessalonicher 2, 9; Offenbarung 13, 13; 16, 14; 19, 20). Die Doppelbedeutung dieses Terminus zeigt die schwierige Situation der Beurteilung der Zeichen. Thielicke schreibt dazu: „Satan hat die Leidenschaft und die Sachkenntnis eines Renegaten, deshalb tut er Wunder wie Christus selber. In allem, was er tut, und wie er es tut, ist er der Affe Gottes.“ Wir erkennen an der Doppelsinnigkeit von semeion das Widerspiel der Sendung Jesu Christi unter der Gegenaktion Satans. Das semeion ist auch kein Hinweis, unter welchen Vorzeichen es sich ereignet. Es muss das Wort Gottes als klärender Faktor, als formales Prinzip herangezogen werden.

3. Die Synopse der Befunde und ihre Auswertung für unsere Untersuchung

Die Zusammenschau der bisher geltend gemachten Gesichtspunkte ergibt für das Formalprinzip unserer Untersuchung folgende Sachverhalte:

a. Der magisch-mantische Komplex des AT hat eindeutig seine Wurzeln im Heidentum der Umwelt Israels. Die Auseinandersetzung mit diesem heidnischen Einflußbereich ist ein Problem der Gottesfrage unter dem Gesichtswinkel des 1. und 2. Gebotes.

b. Auf der Ebene des NT lassen sich die okkulten Phänomene nur auf Grund der Sendung Jesu Christi verstehen. Jesus Christus ist der Basileus, der den Griff Satans nach der Alleinherrschaft Gottes abwehrt. Der Kampf zwischen der Civitas Dei und der Civitas Diaboli enthüllt Existenz, Wesen und Macht der finsteren Kräfte, deren Verständnis eine Seite der Christusfrage darstellt.

c. Machtäußerungen der beiden Reiche wie Zeichen und Wunder haben durch ihre Doppelsinnigkeit keinen direkten Offenbarungscharakter. Es gilt hier: „ … prüft die Geister, ob sie aus Gott sind!“ (1. Johannes 4, 1b)

In Form einer Skizze sei ein kleiner Exkurs hier angefügt. Die Bibel kennt im Gegensatz zu den okkulten Phänomenen die pneumatischen Phänomene:

Botschaften aus der Welt Gottes – statt Spiritismus

Prophetie im AT und NT – statt Hellsehen

Weissagung – statt Wahrsagung

Geisterprüfung – statt medialer Fähigkeiten


Gebet des Glaubens – statt Magie

Glaubensheilung – statt Besprechen

Geistesausgießung – statt Psychokinese

Auslieferung an Jesus Christus – statt Blutsverschreibung

Gewissheit göttlichen Schutzes – statt Aberglauben

Dienstbarkeit himmlischer Boten – statt Spuk

Verankerung unserer Seele in Jesus Christus – statt Exkursion der Seele


d. Wer mit seinen okkulten Praktiken an der Christusfrage nicht zur Entscheidung kommt, verfällt dem Nichtigen, dem Chaos, gerät in Abhängigkeit der finsteren Mächte. Die Umkehr bedeutet: Wer Jesus Christus zum Kyrios annimmt, steht in der Gefolgschaft des Siegers, der gekommen ist, die Bollwerke der Finsternis zu zerstören.


e. Magisches, okkultes Handeln in der Gegenwart ist ein Brennpunkt, an dem die Frontstellung Civitas Dei – Civitas Diaboli deutlich wird, und zwar heute genauso aktuell wie in der Zeit Jesu Christi. Wir stehen ja noch immer im Anbruch der Gottesherrschaft bis zu ihrer Manifestation vor aller Welt bei der Parusie. Am okkulten Handeln wird der letzte Kampf zwischen Gottesherrschaft und Finsternismacht sichtbar. Hier sind die Bastionen, an denen die geballte Widerstandskraft des Feindes deutlich wird, der trotz allen Ansturms als Besiegter nur Nachhutgefechte leisten kann. Dieser Widerstandsmacht gegenüber gibt es keinen Friedensschluß unter Bedingungen, sondern nur totale Unterwerfung, keinen Kompromiß, sondern nur bedingungslose Kapitulation.

 

V. DER WEG DER BEFREIUNG AUS  OKKULTER BEHAFTUNG

1. Der medizinische und theologische Aspekt der Befreiung aus okkulter Behaftung

Nach der Klärung des grundsätzlichen Verhältnisses der Psychotherapie zur Seelsorge muss die Zuständigkeit des Heilbemühens hinsichtlich der okkulten Behaftung abgegrenzt werden. Wir stellten bei der kritischen Prüfung der seelsorgerlichen Fälle fest, dass die okkulte Behaftung ein theologisches Problem mit einer medizinischen Außenseite darstellt, um eine Metapher zu gebrauchen, ein geistliches Krankheitszentrum mit einer medizinischen Metastase. Hier kann en passant wieder ein aktueller Problemkreis beobachtet werden: Ein psychosomatischer Zusammenhang, der Schuld-Krankheit-Konnex, die starke Bezogenheit von Theologie und Medizin.

Es entspricht nun der sauberen Trennung von Psychotherapie und Seelsorge, daß versucht wird, den medizinischen „Ableger“ der okkulten Behaftung nach medizinischen Gesichtspunkten zu behandeln und das Hauptproblem als geistlich-seelsorgerlich-theologische Fragestellung zu untersuchen. Nach den zur okkulten Behaftung gegebenen Definitionen stellt sich der Heilungsvorgang unter einem medizinischen und theologisch-seelsorgerlichen Aspekt dar. Das heißt, eine biblisch fundierte und theologisch ausgerichtete Seelsorge hat nun das Wort.

2. Die Seelenführung vom NT her in der Frage der Befreiung

Bevor wir in die Erörterung der seelsorgerlichen Fragestellung eintreten, muss zunächst der Begriff „Seelenführung“ kurz abgegrenzt werden. Asmussen unterscheidet in seinem Buch zwischen Seelsorge und Seelenführung in dem Sinne, dass die eigentliche Seelsorge die Wortverkündigung und die Seelenführung den Komplex der Erziehungsfragen darstellt. Er definiert: „Seelenführung ist die bewußt und unbewußt geschehende Erziehung der Gemeinde.“ Bei dieser Unterscheidung spielt die Voraussetzung mit, dass die Seelsorge nur das Anliegen des Evangeliums und die Seelenführung die Belange des Gesetzes zu vertreten habe. Wenn hier vorweggenommen wird, dass Seelsorge die Ausrichtung der Botschaft des Evangeliums an den einzelnen bedeutet, so soll in diesem Abschnitt die Seelenführung nur einen Modus dieser Ausrichtung darstellen.

Von dieser Sicht aus ist es verständlich, dass die Seelsorge zwei Seiten hat, den Wegweiserdienst, den Hinweis auf die Objektiva des Wortes, auf die Indikative des Evangeliums und die Seelenführung als die Tatsache, dass der vom „guten Hirten“ an der Hand Geführte die freie Hand dem Bruder weiterreicht. So verstanden ist Seelenführung nicht das Werk des Seelsorgers, sondern die Schicksals- und Lebensgemeinschaft des Sünders mit dem Sünder, die beide sich unter die Führung des Hirten stellen.

In den folgenden Abschnitten wird nun an der seelsorgerlichen Behandlung der okkult Behafteten praktisch gezeigt, wie sich die Seelenführung der seelisch Angefochtenen gestaltet. Diese Darstellung beschränkt sich ausschließlich auf das Problem unserer Untersuchung. Es wird also nicht etwa ein Kompendium der allgemeinen Seelsorge gegeben, sondern ein aus der Praxis geborener Überblick über die cura specialis an okkult Behafteten. Zunächst soll der heilsgeschichtliche Zusammenhang eines solchen besonderen Seelsorgerdienstes gezeigt werden.

3. Die Grundlegung der Seelsorge an okkult Behafteten

Es wird hier vorausgesetzt, was vorher über die okkulten Phänomene in der Sicht der Bibel gesagt ist. Der Befund im  NT zeigt den Hintergrund der okkulten Behaftung als Gliedschaft in der Civitas Diaboli, der Herrschaft Satans.. Der Weg der Befreiung gestaltet sich daraufhin als Rettung aus der Civitas Diaboli in die Civitas Dei. Die christliche Seelsorge bedeutet demnach, den Behafteten in die Basileía toū Theōū (Reich Gottes) zu retten und in ihr zu bewahren. So formuliert auch Fendt: „In das Reich Gottes retten (auch, wenn erst der Anbruch des Reiches gekommen ist) und darin bewahren: das ist das Urbild der christlichen Seelsorge.“

Seelsorge ist also nur eine Seite der Reichgottesdynamis. Das rettende und bewahrende seelsorgerliche Handeln ist nur auf dem Hintergrund des Anbruchs des Reiches Gottes durch Jesus Christus zu verstehen. Seelsorgerliche Hilfe an dem okkult Behafteten bedeutet, ihn aus der Reichgottesferne hereinzuholen und ihm zur Gliedschaft im Reich Gottes, in der Gemeinde, am Leib Christi zu verhelfen, mittels der Gnade Gottes.

Diese finale Bestimmung des seelsorgerlichen Handelns ist aber nur eine Seite der Reichgottesdynamis. Die Befreiung aus dem Bereich der Civitas Diaboli ist dabei nicht nur eine Zielsetzung, sondern bereits ein perfektes Ereignis durch die Erlösungstat Jesu Christi. Jesus Christus ist gekommen, die Bollwerke der Finsternis zu zerstören! Die Schlacht ist entschieden. Der Sieg ist da.  „Fürchte dich nicht, denn Ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist Mein“ (Jes. 43,1). Das seelsorgerliche Geschehen der Befreiung aus okkulter Behaftung ist nichts anderes als die Realisierung dieser vocatio.

Wenn jetzt in den folgenden Abschnitten der spezielle seelsorgerliche Dienst an den okkult Behafteten dargestellt wird, so kann das nur unter dem Vorzeichen geschehen, dass die Befreiung schon vollzogen ist, ehe der Seelsorger und der seelisch Kranke sich dessen bewußt werden.

4. Die persönlichen Voraussetzungen für den seelsorgerlichen Dienst an okkult Behafteten

Diese Formulierung kann einen Impuls zum Abgleiten in schwärmerische Vorstellungen abgeben. Darum muss von vornherein eine grundsätzliche Feststellung getroffen werden. Die Wirksamkeit der Gnade Gottes hängt nicht ab von unserer Würdigkeit oder Unwürdigkeit.

„Gold bleibt nichts weniger Gold, ob es gleich ein Bube mit Sünden und Schanden trägt“. So sagte es Luther. Diese Klammer der göttlichen Souveränität, die alles menschliche Handeln in der Reichgottesarbeit umfasst, schließt allerdings die Pflicht zum inneren Bereitwerden für den seelsorgerlichen Dienst nicht aus, sondern ein. Wenn hier von einigen Voraussetzungen gesprochen werden soll, so kommen nicht alle menschlich-seelsorgerlichen Qualitäten wie: Hören können – schweigen können – Gabe der Einfühlung usw. zur Sprache. Diese Punkte werden in der Fachliteratur zur Genüge abgehandelt. Es geht hier nur um einige grundsätzliche Anliegen.

a. Die pneumatische Existenz des Seelsorgers

Dr. O. Riecker schreibt in seinem Buch Das evangelistische Wort:  „Die Grundvoraussetzung jedes geistlichen Wirkens ist der pneumatische Stand des Trägers. Das Werkzeug ist nur dann ein zureichendes Vermittlungsorgan des reichen Maßes pneumatischer Lebens- und Gestaltungsauswirkungen, wenn es selbst dem Wirken des Pneuma untersteht und in seinem Leben und Tun bestimmend von diesem getragen ist.“ Die Erkenntnis, dass der pneumatische Lebensstand für ein geistlich-seelsorgerliches Wirken unerläßlich ist, wird von vielen bekannten Seelsorgern zum Ausdruck gebracht. Pfr. Schnepel stellt in diesem Zusammenhang zwei Grundsätze auf: „Dass ich selbst bei Jesus bin, und dass ich in der persönlichen Seelsorge Jesu bleibe.“ Er schreibt dazu: „Es ist ein irrationaler, geheimnisvoller Vorgang, der uns in die Gemeinschaft mit Jesus bringt. Die Bibel nennt ihn Wiedergeburt. – Nur wem selbst diese Wiedergeburt widerfuhr, weiß um diesen Lebensvorgang und hat einen Blick für ihn auch bei anderen Menschen. Da alle Seelsorge diesen grundlegenden Lebensvorgang als Zielpunkt hat, vermag Seelsorgedienst nur der zu tun, der um das Geheimnis der Wiedergeburt aus eigener Erfahrung weiß und die verborgene Beziehung eines Menschen zu Christus aus täglichem Umgang kennt.“

Thurneysen schreibt: „Der Seelsorger muss selber im Wort und in der Gemeinde wurzeln und aus dem Glauben an die Vergebung leben.“ Hierher gehört auch das geflügelte Wort Thimmes: „Seelsorger sind Menschen, deren eigene Seele versorgt wurde.“

Das stärkste Zeugnis zu den persönlichen Voraussetzungen findet sich bei keinem Geringeren als August Vilmar. Er schreibt: „Ach, du sollst ja nicht von der Stärke der Seele, vom Mut und von der Geduld und von der Unsterblichkeit der Seele mit den Kranken und Sterbenden reden, sondern du sollst ihnen Stärke, Mut, Geduld und vor allem ewiges Leben selbst geben. Hast du Stärke, so gibst du Stärke, hast du Mut und Geduld, so gibst du Mut und Geduld, hast du ewiges Leben in dir, so gibst du ewiges Leben.“ Dieser streng konfessionell ausgerichtete Lutheraner bezeugt, dass der Seelsorger nur das zu geben vermag, was er selbst hat. Das stimmt mit dem Petruswort überein: „… was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazareners steh auf und geh umher!“

b. Die Ausrüstung des Seelsorgers

Der Handwerker kennt sein Werkzeug, das zu bearbeitende Material und beherrscht die Technik der Bearbeitung. Im übertragenen Sinn sollte eine solche Sachkenntnis auch dem Seelsorger zu eigen sein. Eine Seelsorge bleibt dilettantisch, wo eine gründliche Sachkenntnis fehlt. Dr. Genrich schreibt: „Da jedes Einwirken auf einen Menschen über die Seele geht, ist ohne Kenntnis des Seelenlebens eine wissenschaftliche Seelsorge nicht möglich.“ In allen modernen Werken der Seelsorge wird mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der psychologischen Kenntnisse hingewiesen. Bovet sagt in der Einleitung zu seinem Buch über die Seelsorge: „Die tägliche Erfahrung zeigt, dass die Seelsorge oft daran scheitert, dass dem Theologen die genügende Kenntnis des Menschen mangelt, so dass sein Wort am Menschen vorbeigeht.“ An anderer Stelle schreibt er: „Der Theologe kennt das Wort Gottes, aber leider fehlen ihm oft die nötigen psychologischen und anthropologischen Kenntnisse.“ Viele voreilige und manchmal gänzlich unzutreffende Diagnosen sind auf Unkenntnis des psychologischen Sachverhaltes zurückzuführen. In diesem Sinne schreibt der Nervenarzt Dr. March: „Seelsorgerliche Mißgriffe erwachsen aus psychologischer, medizinischer und pädagogischer Unwissenheit oder Überheblichkeit.“

Deutlich betont Prof. Hahn dieses Anliegen, wenn er schreibt: „Tatsache ist eine rapide Schrumpfung der Seelsorge. Dagegen drängen die modernen Menschen zum Psychotherapeuten. Das hat nicht nur darin seinen Grund, dass dieser die Komplikationen des Menschen auf medizinisch-psychologischer Ebene sieht, während vom Pfarrer eine moralisch-religiöse Zensur befürchtet wird. Es ist vielmehr so, dass der Pfarrer mit dem hilfesuchenden Menschen meist nichts anzufangen weiß: Weder vermag er psychologisch den Fall zu erkennen und so zu einer richtigen Diagnose zu kommen, noch weiß er, wie er dem Menschen in dieser Lage vom Evangelium aus zu begegnen hat. Auf beides ist sein Studium nicht eingegangen.“

Wenn in diesem Abschnitt nach der Zurüstung des Seelsorgers für seinen Dienst an okkult Behafteten gefragt wird, so muss grundsätzlich das Schema aufgestellt werden: Es gibt keine Hilfe ohne eine klare Diagnose, es gibt keine einwandfreie Diagnose ohne eine gründliche Kenntnis der Ursachen okkulter Behaftung.

Wenn Sachkenntnis im Blick auf die psychologischen Zusammenhänge gefordert wird, so ist das eine wissenschaftliche Aufgabe. Dieser Aufgabe entledigt man sich durch Studium medizinischer, psychiatrischer, psychologischer, psychotherapeutischer, parapsychologischer Fachliteratur und durch Sammlung, kritische Prüfung und Auswertung von praktischen Fällen aus dem alltäglichen und seelsorgerlichen Menschenumgang. Dieses Erarbeiten einer Sachkenntnis auf dem okkulten Gebiet – natürlich nur in genügender persönlicher Distanz und ohne jede Teilnahme an okkulten Experimenten – heißt natürlich nicht, dass der Seelsorger ein medizinischer oder psychologischer Dilettant werden soll. Es geht nur um eine reinliche Scheidung der Aufgaben. Das Erfassen der transzendenten Zusammenhänge okkulter Behaftung geht über die Grenzen einer wissenschaftlich erarbeiteten Sachkenntnis hinaus. Wir betreten hier die Domäne des Glaubens, ja vielleicht das Gebiet charismatischer Begabung.

Paulus bringt unter den Geistesgaben 1. Korinther 12, 7-11 auch das Charisma der Geisterunterscheidung. Es gehört in der Tat neben der psychologischen Sachkenntnis ein Charisma dazu, in den Irrgängen der seelischen Erkrankungen ursächlich den medizinischen und den okkulten Bereich voneinander zu scheiden. Es gehört neben einer exakten Differentialdiagnostik unbedingt ein Charisma dazu, den Einsatzpunkt für den Logos psychikós und den Logos pneumatikós klar zu erkennen. Wenn also die Zurüstung des Seelsorgers speziell für den Dienst an okkult Behafteten auf eine Formel gebracht werden soll, so heißt sie: Sachkenntnis und Charisma.

Es ist von praktischem Wert für die Seelsorge, wenn das Verhältnis der beiden Gebiete zueinander bestimmt wird. Sachkenntnis ohne das Charisma – weithin der Irrweg der Grenzwissenschaften unseres Untersuchungsobjektes – führt zur Negation der okkulten Behaftung. Die Schlagworte heißen hier: Humbug, Schwindel, okkulte Gläubigkeit, Volksaberglauben, Hexenwahn, finsteres Mittelalter usw..
Charisma ohne Sachkenntnis – der Zustand mancher Seelsorger- kann zur Verteufelung des seelisch Kranken führen, auch wenn keine okkulte Behaftung vorliegt. Es liegt hier die Gefahr nahe, dass alle unverstandenen seelischen Erkrankungen auf einen dämonischen Nenner gebracht werden.

Ein weiterer Vergleichspunkt bei der Zuordnung „Sachkenntnis und Charisma“ ist die gegenseitige Bewertung. Der Charismatiker ist in der Gefahr der Überheblichkeit mit dem Hang, die exakt wissenschaftlich erarbeitete Sachkenntnis gering zu schätzen. Der Sachkenner ist in der Gefahr, die charismatischen Belange zu verkennen; denn er hat ohne das Pneuma kein Erkennungsorgan dafür. Damit sind wir bei dem Kernproblem dieses Abschnittes. Über dieser Untersuchung stehen die Leitsprüche: „Ins Innere der Natur dringt kein erschaffner Geist“; „das Pneuma aber erforscht alle Dinge; der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Pneuma; der pneumatische Mensch aber beurteilt alles.“

Damit ist vom NT her das Verhältnis zwischen Sachkenntnis und Charisma eindeutig bestimmt. Wenn die okkulte Behaftung unter diesem Gesichtswinkel zur Diskussion steht, so lässt sich mit Müller sagen: „Der Mensch ist als Gottes Geschöpf ein so tiefes Geheimnis, dass er nur von Gott erkannt wird und echte Menschenkenntnis sich aller bloßen Vernünftigkeit versagt. Menschliches Denken vermag dieses Geheimnis nur da aufzuhellen, wo es den Geist empfangen hat, der alle Dinge erforscht, auch die Tiefen der Gottheit“.

Die Sachkenntnis ist der menschlichen ratio zugänglich. Das Charisma der Geisterunterscheidung dagegen ist nicht erwerbbar. Es ist souveränes Gnadengeschenk, über das der Mensch nicht verfügen kann. Charisma erlangt keiner durch das theologische Studium, aber auch nicht durch Verachtung der Theologie. Das Charisma ist Geistesgabe, die der gibt, der das Pneuma schenkt. Es steht nur eine Tür dazu offen: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Über dieser Bitte steht die Verheißung in Lukas 11, 13b: „… wie viel mehr wird der Vater im Himmel [den] Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!“ – Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei hier folgendes angefügt. Wenn in dieser Untersuchung vom Pneuma gesprochen wird, so soll damit stets ein theologischer Befund ausgedrückt werden. Pneuma als anthropologischer Begriff, wie er sich bei Paulus neben der anderen Beziehung in 1. Korinther 7, 34; 2. Korinther 7, 1 auch findet, wird in dieser Untersuchung nicht gebraucht.

c. Die persönliche Haltung des Seelsorgers

Es wurde gezeigt, dass die charismatische Ausrüstung das Kernproblem der christlichen Seelsorge darstellt. Das bedeutet, dass christliche Seelsorge im Grunde genommen nicht gelernt werden kann. Das ist der fundamentale Unterschied zur psychotherapeutischen Seelenbehandlung. Die Psychotherapie mit all ihren Methoden der zudeckenden und aufdeckenden Therapie in allen Spielarten der Persuasion (Überredung), Suggestion, Hypnose, des autogenen Trainings, der Arbeitstherapie, Narkoanalyse, Psychoanalyse usw. ist erlernbare Technik. Seelsorge dagegen ist Gnade. Das bezeugt Erich Schick einem Pfarrer gegenüber, der über seine Seelsorgeunfähigkeit klagte. Er schreibt: „Es ist die erschütternde Erkenntnis, dass hier mit theoretischer Belehrung, mit Wissenschaft, mit Technik, ja sogar mit praktischer Anleitung nicht geholfen ist, dass Seelsorge nicht etwas ist, das gelernt werden kann neben anderem, sondern höchstens auf Grund von anderem.“ Theologisch noch schärfer und klarer sagt es Thurneysen: „Die Türe der Seelsorge ist eine unheimlich verschlossene Türe, verschlossen auch und gerade für den sich als Fachmann in Seelsorge fühlenden Theologen. Sie öffnet sich nicht von außen, also nicht durch unser Können und Vermögen, sie öffnet sich nur von innen, und das heißt: Wo und wie es Gott gefällt.“

Es ist außerordentlich erfreulich, daß diese Auffassung der Seelsorge auch bei bekannten Ärzten zu finden ist. Prof. Schultz schreibt: „Jede Heilung kann nur durch Gnade geschehen.“ Der Züricher Nervenarzt Dr. Maeder sagt es noch deutlicher: „Ich kam zu der Überzeugung, dass der Mensch sich selbst nicht erlösen kann, respektive, dass der Mensch einem anderen nicht letztlich helfen kann. Er steckt so tief in der Absonderung drin, dass nur eine demütige Selbstübergabe an Gott, an den persönlichen Gott, wirklich befreien und die Umkehr schaffen kann … Diese entscheidende Wendung in meinem Leben hat mir den Zugang zu einer anderen Art seelisch-geistiger Hilfe aufgetan. Neben der ärztlichen Psychotherapie gibt es eine religiöse Seelsorge.“ Der Berliner Nervenarzt Dr. March soll dieses Bild abrunden. In einem Aufsatz „Was ist eigentlich Seelsorge“, den jeder Theologe lesen sollte, schreibt er: „Wahre, christliche Seelsorge ist letztlich ein Geschehen, das jenseits aller Bewußtheit wirksam wird, unabhängig von irgendwelchem planvollen, seelsorgerlichen Bemühen. Seelsorge, so verstanden, steht jenseits aller Psychotherapie und aller Diskussion. Von hier aus gibt es auch keinen berufsmäßigen Seelsorger.“

Ein anderes Bild bringt Erich Schick. Er schreibt: „Jeder geistig Helfende muss im Leben des anderen Menschen die Rolle der Unbekannten in der algebraischen Gleichung spielen. Die Unbekannte muss eliminiert werden.“ So muss der Seelsorger wieder nach seinem Dienst abtreten. Das lehrt auch die Psychotherapie, bei der als Grundsatz gilt, dass alle Übertragungen zwischen Patient und Arzt mit der Beendigung der Behandlung abgebaut sein müssen. So dürfen auch bei der Seelsorge keine menschlichen Bindungen, keine psychische Hängerei zurückbleiben. Ein Hörigkeitsverhältnis zum Seelsorger bedeutet vielfach eine schwere Schädigung und führt zu einem Menschenkultus, zur Sektiererei statt zur Gemeinschaft mit Christus. Der Seelsorger ist von sich aus nicht der Wissende, der Habende, der Besitzende, sondern nur der „unnütze Knecht“, auch wenn er alles getan hat (Lukas 17, 10). In dieser Gesinnung gilt ihm die Verheißung von Psalm 34, 19: „Der HERR ist nahe denen, die zerbrochnen Herzens sind, und Er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind.“

5. Die seelsorgerliche Führung der okkult Behafteten

Die eigentliche Praxis, die Durchführung des seelsorgerlichen Dienstes an okkult Behafteten steht nun zur Erörterung. Wenn in der folgenden Darstellung systematisch vorgegangen wird, so soll das nicht heißen, dass die vom Leben diktierte Mannigfaltigkeit in ein Schema gefaßt werden soll. Ein Schema kann Hilfe aber auch Erstarrung und Tod der Seelsorge bedeuten. Trotz dieser Bedenken erfolgt die Darbietung nicht ohne das Sichtbarwerden einer gewissen Methodik, die sich im Verlauf von vielen seelsorgerlichen Aussprachen herausgebildet hat. Der Seelsorger ist zuerst ein Hörender, ein Sehender, ein Wartender, der den Fußspuren des Gotteswirkens am Beichtenden zu folgen hat und nicht selber Schrittmacher sein will. Wir gehen wie bei der ganzen vorliegenden Untersuchung davon aus, dass ein seelisch erkrankter Mensch zur seelsorgerlichen Aussprach kommt. Wenn der Hilfesuchende nicht sofort durch eine spontane Beichte, bei der das Schuldbekenntnis mit elementarer Gewalt aus dem Herzen des seelisch Kranken bricht, den Verlauf des seelsorgerlichen Gesprächs selbst bestimmt, dann hat der Seelsorger zunächst eine diagnostische Aufgabe. Darüber soll zuerst gesprochen werden.

a. Die Differentialdiagnose bei seelischen Erkrankungen

Die Kernfrage der Diagnose bei seelischen Erkrankungen ist die Feststellung, ob die Ursachen rein medizinischer Art sind, ob eine okkulte Behaftung oder ein Mischtypus vorliegt. Es wurde bereits aufgezeigt, daß die Frage nach den medizinischen Ursachen bei dem seelisch Kranken im Vordergrund steht. Ergibt sich hier ein stichhaltiger Befund, so wird der Patient einem Facharzt zugewiesen. Liegt ein Mischtypus vor, das heißt, sind medizinische und okkulte Wurzeln nachweisbar, dann ist die Zusammenarbeit mit einem Facharzt, der auch die geistliche Fragestellung des Phänomens anerkennt, angezeigt. Ist bei seelischen Erkrankungen ohne medizinischen Befund eindeutig eine okkulte Behaftung nachweisbar, dann verzichte ich auf fachärztliche Hilfe. Selbstverständlich wird in allen Zweifelsfällen auf den christlichen Facharzt verwiesen. In allen Fällen aber wird nie auf die spezifisch christliche Allgemeinseelsorge verzichtet. Die cura specialis (spezielle Sorge) an okkult Behafteten kommt nur unter eindeutigen Voraussetzungen zur Anwendung. Wie sich eine solche Anamnese im einzelnen vollzieht, soll an einem kurz zusammengedrängten Beispiel gezeigt werden.

B 124 Nach einem Evangelisationsvortrag, der das okkulte Gebiet überhaupt nicht berührte, meldete sich ein Mann zur Aussprache an. Er erklärte, er wolle eine Generalbeichte ablegen. Durch besondere Zeitumstände bedingt kam es erst zwei Tage später zu dieser Aussprache, zu der der betreffende Mann von seinem Wohnort mit dem Wagen anreiste. Die Unterredung begann damit, dass der Hilfesuchende, ein bekannter und vermögender Geschäftsmann, spontan von seinen seelischen Nöten berichtete. Er gab an, dass er ohne äußeren Grund an seelischen Verstimmungen leide. Er könnte dann tagelang sich in ein dunkles Zimmer zurückziehen, habe keine Lust und kein Interesse an der Arbeit. Alles sei ihm verleidet. Das Essen schmecke ihm dann nicht. Entscheidungen im Geschäftsleben fielen ihm in solchen Zuständen schwer usw.

Die Beobachtung während des Berichtes gab durch den schmerzlichen, ängstlichen mimischen Ausdruck mit geringer Beweglichkeit und der typischen Veraguthschen Falte des Oberlides den Hinweis auf Melancholie. In diesen ersten Eindruck fügten sich die mangelnde Entschlußfähigkeit, das Gefühl der Kraftlosigkeit, die gelegentlichen Versündigungs- und Verarmungsideen bei bester Vermögenslage, die periodischen depressiven Phasen, die „schwarze Brille“, mit der alles gesehen wird, als weitere Symptome, um die Diagnose auf Melancholie zu stützen. Bemerkenswert ist das Fehlen des manischen Temperamentes in den Intervallen und ferner die kurze Dauer der depressiven Phase von etwa 1-2 Wochen. Zwischen den depressiven Phasen geht er seiner Arbeit nach und kann seinem Geschäft wohl vorstehen. Besonders ausgeprägt ist auch die Ansprechbarkeit für religiöse Dinge.

Trotz dieses medizinischen Befundes einer periodischen Melancholie hatte ich in diesem Falle den unbestimmten Eindruck von okkulten Zusammenhängen. Eine diesbezügliche Frage wurde verneint. Die Vorfahren wären alle fromme Menschen, treue Kirchgänger gewesen. Ich ließ mich noch nicht überzeugen und führte die Anamnese hinsichtlich der Familienglieder und Vorfahren weiter, mit folgendem Ergebnis: Ein Neffe hat die gleichen melancholischen Verstimmungszustände. Eine Schwester und eine Tante nahmen sich das Leben. Der Großvater starb im Irrenhaus.

Ursächlich ist dem Psychiater diese familiäre Häufung endogener Depression ein typisches Bild für die Vererbung des manisch-depressiven Irreseins, wenn auch die Art des Erbganges noch nicht sicher ist. Nicht weniger charakteristisch ist dieses Bild in der Seelsorge an okkult Behafteten. In Besprecherfamilien, deren Geschichte ich in drei und vier Generationen verfolgen konnte, ist die Folge von Tod im Irrenhaus, von Schwermut und Selbstmord und tödlichen Unglücksfällen ein stets wiederkehrendes Bild. Die bei fast allen Besprechergenerationen zutage tretenden derartigen Symptome lassen mich stets hellhörig werden. So entließ ich bei dieser ersten Aussprache außer dem Zuspruch mit dem Wort Gottes den Geschäftsmann mit dem Hinweis, dass ich vermute, dass in der großelterlichen Reihe okkulte Aktivisten, möglicherweise Besprecher waren. Er lehnte das nochmals als unmöglich ab. Zwei Stunden später erhielt ich von ihm einen Telefonanruf mit der überraschenden Meldung, dass nach sofort eingezogener Erkundigung feststeht, dass sein Großvater, der im Irrenhaus starb, Krankheitsbanner und Viehbesprecher war.

Es kann hier dieser Fall nicht weitergeführt werden. Es folgten noch viele Aussprachen, die den Tatbestand klärten, dass die seelische Erkrankung des Mannes mit der okkulten Betätigung der Vorfahren direkt oder indirekt gekoppelt ist. Da es sich bei diesem Fall um einen Mischtypus handelt, ist zunächst von psychiatrischer Sicht aus eine Konvulsionstherapie angezeigt und in seelsorgerlicher Hinsicht eine spezielle Führung erforderlich. Dieses Beispiel sollte nur zeigen, dass der Seelsorger eine schwierige differentialdiagnostische Aufgabe hat und erst sorgfältig, mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln gerüstet, die Zusammenhänge der seelischen Erkrankung aufdecken muss, bevor er zur Hilfeleistung die weiteren Maßnahmen trifft.

b. Die Beichte

Seelsorge bedeutet nicht, über unsaubere Geschwüre leichtfertig fromme Spruchpflaster zu kleben. Darum müssen nicht nur auf wissenschaftlich neutraler Ebene diagnostisch die Zusammenhänge erfaßt, sondern auch die Wunden freigelegt und die religiösen Konflikte erhellt werden, ehe ein Heilungsprozeß beginnen kann. Das heißt auf seelsorgerlichem Gebiet, die Sünde erkennen und beichten. Was bedeutet diese Beichte im Rahmen der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten?

Vor der Klarstellung der Bedeutung der Beichte in dem vorliegenden speziellen Anliegen muss die scharfe Abgrenzung zur Aussprache bei der psychotherapeutischen Behandlung vollzogen werden. Bei der Psychoanalyse sollen Verdrängungen, Verklemmungen, unterbewußte Spannungen, Komplexe durch Bewußtmachen der Ursachen und falschen Weichenstellungen abreagiert werden. Es wird also nach dem sokratischen Prinzip eine Entspannung, eine klärende Verarbeitung und Überwindung vor dem Forum der ratio gesucht. Die analytische Methode ist auf Arzthilfe und Eigenhilfe abgestimmt.

Beim Beichtvorgang stehen Seelsorger und Beichtender vor dem Angesicht Gottes und erwarten und erhalten von dorther Hilfe. Soviel Beziehungspunkte beide Gebiete haben, so müssen sie doch klar auseinandergehalten werden. Das kommt in einem Aufsatz der Nervenärztin Dr. Enke „Psychotherapie und Beichte“ zum Ausdruck. Diese scharfe Abgrenzung schließt natürlich nicht aus, dass ein christlicher Arzt auf Grund des Priestertums aller Gläubigen außer der psychotherapeutischen Behandlung zusätzlich christliche Seelsorge übt. Wenn hier die Psychoanalyse und die christlich verstandene Beichte einander gegenüberstehen, so muss an dieser Stelle auch einmal auf die eventuelle Gefährlichkeit der Psychoanalyse hingewiesen werden, nachdem sie so oft schon erwähnt wurde. Es ist mir bekannt, dass christliche Akademiker die Gefährlichkeit einer Analyse für ihr Glaubensleben erfuhren. Ein junger christlicher Psychiater z. B. bekannte mir, dass er nach den Sitzungen bei einem bekannten nichtchristlichen Psychoanalytiker sich oft stundenlang mit Wort Gottes und Gebet gegen unheimliche Gewalten in seinem Seelenleben wehren musste. Dieser Psychiater steht seither der analytischen Methode sehr kritisch gegenüber. Es ist ja psychologisch sehr einsichtig, was dabei herauskommt, wenn ein antichristlich eingestellter Psychotherapeut den Wesenskern eines christlichen Patienten analysiert. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, was der Psychotherapeut Dr. Tournier sagt: „Das christliche Bekenntnis führt zu den gleichen psychischen Befreiungen wie die besten psychoanalytischen Behandlungen.“

Nach dieser Klärung wenden wir uns der christlichen Beichtpraxis zu. Es werden gewöhnlich drei Arten der Beichte unterschieden: Beichte vor Gott allein oder Herzensbeichte, Einzelbeichte, Beichtfeier der Gemeinde.

Bei der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten kommt nur die Einzelbeichte oder Privatbeichte in Frage. Bei der Darstellung der seelsorgerlichen Führung werden nur die speziellen Probleme behandelt.
Ein Schriftbeweis der Beichte lässt sich zunächst einmal mit folgenden Stellen erbringen: 4. Mose 5, 7; Psalm 32, 5; Sprüche 28, 13; Matthäus 3, 6; Apostelgeschichte 19, 18; 1. Johannes 1, 9; Jakobus 5, 16. Dazu kommen ferner: Das Schuldbekenntnis vor Nathan (2. Samuel 12), des verlorenen Sohnes vor dem Vater (Lukas 15), des Zachäus (Lukas 19), der Samariterin (Johannes 4), der großen Sünderin (Lukas 7), des Schächers am Kreuz (Lukas 23). Im Grunde genommen bedarf es aber keines besonderen Schriftbeweises. Es liegt im Wesen des Wortes Gottes, dass der Mensch aus der Gottesferne, aus der Sünde zurückgerufen wird in die Gemeinschaft Gottes. Die beiden wesentlichen Pole der biblischen Botschaft sind Gericht und Gnade.

In dieser Botschaft ist die Aufforderung zur Beichte wesentlich mit eingeschlossen. Die Gottesferne ist Finsternis, die Gottesgemeinschaft ist Licht. Beichten heißt nichts anderes, als die Flucht in die Finsternis aufzugeben, offenbar zu werden vor Gott, ins Licht zu kommen. Verankert ist dieser Sinn der Beichte in 1. Johannes 1, 7: „… wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist …“

Eine besondere Bedeutung hat dieser Vorgang bei der seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten. Okkulte Betätigung stellt in besonderer Weise einen Vertragsschluß mit dem Reich der Finsternis dar. Das wird vor allem deutlich bei den Bluts- und Amulettverschreibungen und bei dem formalen und realen Teufelsanruf, etwa beim magischen Besprechen und der Schwarzen Magie. Für den okkult Behafteten besteht die Beichte darin, dass er die Zugehörigkeit zum Reich der Finsternis sieht und sich entschließt, zum Licht zu kommen. Es ist ein interessanter Tatbestand, der sich mir bei allen okkult Behafteten darbot, dass bei okkulter Behaftung eine Beichte unumgänglich ist.

In der allgemeinen Seelsorge steht es dem Hilfesuchenden stets frei, ob er beichten will oder nicht. Bei okkulter Behaftung wird stets beobachtet, dass die Hilfesuchenden, die eine Generalbeichte, welche nicht nur die okkulte Betätigung, sondern auch das übrige Leben betrifft, scheuen, nicht frei werden. Kein Beichtgespräch mit okkult Behafteten führt zu einer Befreiung, wenn dem Hilfesuchenden nicht durch die Gnade Gottes Herz und Lippen zum Schuldbekenntnis geöffnet werden.

Hinter diesem Tatbestand steht ein doppeltes Gesetz. Zunächst hat die Beichte psychologische Bedeutung. Ein Schuldbekenntnis hat entspannende, entlastende Wirkung. Es wird eine klare Atmosphäre geschaffen. „Solange die Sünde geheim bleibt, breitet sie sich aus, greift sie um sich. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, dass sie offenbar werde“.

So schreibt auch Trillhaas: „Die Sünde ist das Geheime schlechthin. Sie sucht sich zu verbergen, wie wir das an Adam und Eva nach dem Sündenfall wahrnehmen.“ – „Erst wer diesen Zwang zum Geheimen in der Sünde erkannt hat, versteht, welche Bedeutung das Aussprechen, das Offenbarwerden und Bekennen der Sünde in der Beichte hat.“

Damit sind wir schon bei dem zweiten Gesetz. Dieses Faktum der Flucht ins Geheime ist ein charakteristisches Merkmal der Finsternismacht. Köberle schreibt dazu: „Der dämonische Versucher lebt ja immer von dem Geheimnis, das zwischen ihm und uns besteht. Solange es gewisse verschwiegene Dinge in unserer Lebensführung gibt, die kein Mensch wissen darf, solange hat auch der arge Feind über unsere Seele Gewalt. In dem Augenblick aber, wo das Geheimnis ausgesprochen und verraten ist, verliert die Finsternismacht ihren Herrschaftsanspruch über uns.“

Die Beichte ist deshalb die Aufkündigung dieses Herrschaftsanspruches, die Gegenaktion gegen das Reich der Finsternis. Weil diese finsteren Mächte zur Abwehr der Beichte alles aufbieten, fällt dem Menschen das lösende Wort so schwer. Thurneysen schreibt dazu: „Es ist ein Muss, etwas wie ein dämonischer Bann, das über dem Menschen liegt und ihn davor zurückhält, hinzutreten vor Gott, um sich seiner Gnade zu übergeben.“ Beichte ist also ein Ausbruch aus der Gefangenschaft der Civitas Diaboli. Dieses Ausbrechen ist Wirkung der Gnade, darum kann Beichte niemals erzwungen werden, genauso wenig, wie sich Sündenerkenntnis und Buße kommandieren lassen. Erzwungenes führt nur zu Verkrampfungen und Verbiegungen im Seelenleben. Der Seelsorger kann nur dem alleinigen Schrittmacher folgen. Über den Bußbegriff wird hier nicht gesprochen, weil bei echter Beichte echte Sündenerkenntnis und echte Buße, die passiva contritio (passive Zerknirschtheit, Reue), die zur confessio (Bekenntnis) führt, vorausgesetzt ist.

c. Die Absage an den Teufel

Das Problem der abrenuntiatio (Absage) war in der Geschichte der Taufpraxis von jeher umstritten. Der Schriftbeweis für die Lossagung vom Teufel wird gewöhnlich in Matthäus 25, 41; Johannes 12, 31; Epheser 6, 11-12; 1. Johannes 2, 13; 5, 19 gesehen. Begründet wird der Ritus der abrenuntiatio mit dem Hinweis, dass die heidnischen Täuflinge sich vom Dämonenkult des Heidentums lossagen müssten. Der Götzendienst wird ja im NT als Dämonendienst (1. Korinther 10, 19-20; Offenbarung 9, 20) bezeichnet.

Bei der Hilfe an okkult Behafteten ist die abrenuntiatio (Absage) keine liturgische sondern eine seelsorgerliche Frage. In dem Abschnitt über die Beichte wurde gesagt, dass die okkulte Betätigung einen Vertragsschluss mit dem Reich der Finsternis darstellt. Dieser Vertrag muss aufgehoben, annulliert, gelöst werden durch eine bewusste Lossprechung von seiten des okkult Behafteten, nachdem von Jesus Christus schon die objektiven Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Während ich in der allgemeinen Seelsorge bisher völlig auf die abrenuntiatio verzichtet habe und es auch weiterhin tun werde, so verzichte ich auf Grund entsprechender Erfahrungen in manchen Fällen nicht mehr ganz auf die abrenuntiatio bei okkult Behafteten. Es ist die übereinstimmende seelsorgerliche Beobachtung vieler Evangelisten, dass die bewusste Lossprechung von seiten des Behafteten zu einer gewissen Befreiung führt. Der Evangelist Pfarrer Hans Bruns pflegt diese Lossprechung, indem er den okkult Behafteten sagen lässt: „Ich entsage dem Teufel und allem seinem finsteren Wesen und Werken und übergebe mich Dir, dreieiniger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, und will Dir im Glauben und Gehorsam treu sein bis an mein Ende.“ Die gleiche Auffassung vertritt Dr. Otto Riecker. Er schreibt: „Überall, wo magische, okkulte oder zauberhafte Handlungen vorgenommen wurden, kann auch ein offizielles Bekenntnis der Loslösung von allen dämonischen Mächten, eine Absage an den Teufel notwendig werden: Ich entsage dem Teufel und allen seinen Werken.“ Die gleiche Haltung hat auch Dekan F. Hauß, der Leiter des volksmissionarischen Amtes von Baden, wie ich durch das persönliche Gespräch weiß.

Was bedeutet die abrenuntiatio in der Seelsorge an okkult Behafteten? Die Absage an den Teufel enthält zunächst ein psychologisches Moment. Was bisher „in occulto“, im Verborgenen lag, wird nunmehr durch festen Willensentschluss bewusst verarbeitet. Hier zeigt sich ein Stück psychotherapeutischer Heilmethode, die hier natürlich niemals in die Tiefe des Problems vordringt.


Zweitens vollzieht sich in der Absage an den Teufel eine Entmythologisierung gerade im Gegensinn zu Bultmann. Der Teufel wird seines mythischen Charakters entkleidet und als furchtbare Realität erkannt und genannt. Kein Gebiet zeigt so drastisch die Unhaltbarkeit der Bultmannschen Theologie wie gerade die Seelsorge an okkult Behafteten. Die Bultmannsche These: „Erledigt ist durch die Kenntnis der Kräfte und Gesetze der Natur der Geister- und Dämonenglaube“ geht an der Wirklichkeit der Mächte vorbei.
Drittens ist die abrenuntiatio eine offizielle Erklärung vor Zeugen. Sie schafft damit in der congregatio sanctorum das Faktum der öffentlichen Lossagung, der Lostrennung vom Reich der Finsternis.

Ferner hat die abrenuntiatio die gleiche Bedeutung wie die Absage der heidnischen Katechumenen der alten Kirche. Dort wurde die Lostrennung von dem dämonischen Götzenkult vollzogen. Bei der Absage des okkult Behafteten geht es in gleicher Weise um die Lösung vom Teufelskult; denn Magie ist Teufels- und Dämonenkult.

d. Die Absolution

Zur Beichte und Abrenunziation gehört die Absolution. Trillhaas fasst beide Vorgänge zusammen in dem Kapitel über die Beichte. Er schreibt: „Die Beichte ist das persönliche Bekenntnis der Sünde und der Zuspruch der Vergebung auf Grund der Vollmacht Jesu.“ – „Die Beichte vollendet sich in der Absolution.“ Der Zuspruch der Vergebung durch den Seelsorger an den Beichtenden ist in der Einzelbeichte besonders notwendig, da hier gewöhnlich Sündenerkenntnis und Sündenbekenntnis in ausführlicher Beichte und Einzelangaben konkrete Formen angenommen haben. Ihre biblische Verankerung hat die Absolution zunächst in der Vollmacht Jesu Christi zur Sündenvergebung (Matthäus 9, 6a) und dann als deren Folge in der Schlüsselgewalt, die Jesu Christus Seinen Jüngern und damit Seiner Gemeinde gegeben hat (Matthäus 18, 18-20; Johannes 20, 21-23).
Die Vergebung der Schuld ist der tiefste, tragende Grund, dem der Christ sein Leben verdankt, der zentralste Vorgang in der Seelsorge, der entscheidende Punkt bei der Hilfe an okkult Behafteten. Darum muss hier besonders das Augenmerk darauf gerichtet werden.

Die Absolution steht zwischen zwei Irrwegen: Ihre gesetzliche Verengung oder ihre voreilige Erteilung. Beide Irrwege können bei dem Dienst an okkult Behafteten zu einem Verhängnis führen. Thurneysen schreibt: „Das unterscheidet das evangelische vom katholischen Beichtgespräch, dass es keinerlei Bedingungen kennt.“ Die Absolution ist nicht an die Erfüllung verschiedener vorlaufenden oder nachfolgenden Verpflichtungen geknüpft. Die Absolution ist ein Kernstück des Evangeliums, das nicht durch das Gesetz abgeschwächt werden darf.

Diese Erkenntnis schließt allerdings das Extrem des zweiten Missbrauches nicht aus. Ein leichtfertiger Zuspruch, eine voreilige Absolution führt zur falschen Sicherheit und zur Selbsttäuschung. Es handelt sich hier um das Problem, wie und woran man die Berechtigung zur Erteilung der Absolution erkennt. Thurneysen schreibt: „Hier ist es mit dem bloßen Sagen (scil. Zuspruch der Vergebung) nicht getan. Denn gerade hier hängt alles an dem Gesagtbekommen von seiten Gottes selber.“ Um dieses Problem geht es speziell bei dem Hilfsdienst an okkult Behafteten. Es wird nun ganz praktisch gezeigt, wie bei diesem besonderen seelsorgerlichen Dienst vorgegangen werden kann.

Nach der Beichte und eventuell nach der Absage lese ich mit dem Hilfesuchenden Bibelstellen zur Sündenvergebung, etwa Jesaja 1, 18; 43, 25; 44, 22; Jeremia 31, 34b; Micha 7, 18-19; Matthäus 9, 2b; 26, 28; Lukas 7, 48; Johannes 1, 29; Römer 5, 20; Galater 1, 4; Epheser 1, 7; Kolosser 1, 14; Hebräer 1, 3; 1. Petrus 1, 19; 2, 24;1. Johannes 1, 7-9; 2, 2; Offenbarung 1, 5. An die Betrachtung dieser Stellen in der besonderen Anwendung für den Beichtenden schließt sich die Frage an: „Kannst du das glauben?“ Diese Frage nach dem Glauben soll nicht bedeuten, dass die Absolution in den Glauben des einen Mannes hineingestellt werden soll, der doch gekommen ist, von außen her Hilfe zu bekommen. Wenn alles von ihm verlangt werden soll, dann ist die seelsorgerliche Hilfe wiederum Gesetz und nicht Evangelium. Diese Frage hat nur den Sinn, festzustellen, ob dieses „Gesagtbekommen von seiten Gottes“ vorliegt. Wie das „Beichten können“ Gnade Gottes ist, so ist das „Glauben können“ auch gratia und Zeichen, dass die göttliche Absolution schon zugesprochen ist. 
Wenn der Seelsorger dieses „Glauben können“ merkt, so steht dem Zuspruch der Vergebung nichts entgegen. Dieser einfache seelsorgerliche Fall kommt bei okkulter Behaftung ganz selten vor. Manchmal ist es so, dass man bei Beichtenden beobachtet, dass nach der Betrachtung der Vergebungsstellen ein ganz kleines Glaubensfünklein zu glimmen beginnt. Da kann der Seelsorger dann getrost handeln. In dem menschlich-seelsorgerlichen „Du“ des Zuspruches: „Dir sind deine Sünden vergeben“ verwirklicht sich das „Du“ des göttlichen Zuspruches, und das glimmende Glaubensfünklein wächst beim Zuspruch zum festen Glauben. Der Regelfall bei okkulter Behaftung ist allerdings, dass solche Hilfesuchende überhaupt nicht glauben können.
Man steht an dieser Stelle einfach vor einem toten Punkt in der Seelsorge an solchen Angefochtenen. Das Beichtgespräch ist damit zunächst festgefahren, weil der Hilfesuchende das Evangelium, die Vergebung seiner Schuld nicht fassen kann. Es ist dadurch dem Seelsorger die Aufgabe gestellt, dem „Stecken-bleiben“ dieses Beicht- und Absolutionsvorganges sachlich richtig und – si gratia efficit (wenn die Gnade es wirkt) – charismatisch zu begegnen. Im einzelnen können dann folgende Punkte zur Behandlung stehen:

Das erste Problem wird ein medizinisches sein. Hat der Beichtende irgendeine Thymopathie, die bestimmte Willens- und Denkhemmungen oder mangelnde Entschluss- und Entscheidungskraft im Gefolge hat? Die Behandlung der medizinischen Frage erübrigt sich, da ihr der Abschnitt über die Differentialdiagnose gewidmet ist. Die nächste Frage ist die Überlegung, ob der Beichtende allgemein ein schwerfälliger Mensch ist, der zur Erfassung der Vergebung eine besondere Brücke braucht. In solchen Fällen hat sich das Lesen von Vergebungsstellen in der Ichform bewährt. Zum Beispiel liest der Hilfesuchende Jesaja 53, 4-7: „Fürwahr, Er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf Sich geladen; wir aber hielten Ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch Er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf Ihm, damit wir Frieden hätten, und durch Seine Wunden sind wir geheilt worden. Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der HERR warf unser aller Schuld auf Ihn. Er wurde misshandelt, aber Er beugte sich und tat Seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut.“

Diese Art der Hilfe, die z. B. auch von dem Gründer der Liebenzeller Mission, Pfarrer Cœrper, geübt wurde, soll nur eine kleine psychologische Brücke sein. Eine weitere Hilfe zur Überwindung des „Stecken-bleibens“ ist der Hinweis auf die Perfecta (vollendete Erlösung) der Heilstatsachen. In diesem Zusammenhang wird auf Johannes 19, 30 und andere Schriftstellen hingewiesen, in denen von den Perfecta die Rede ist. Diese Heilswirklichkeiten werden in unserem Leben durch das bewusste Nehmen und Danken realisiert. Das Lutherwort mag darin Wegweiser sein: „Denn, ob Christus tausendmal für uns gegeben und gekreuzigt würde, wäre es alles umsonst, wenn nicht das Wort Gottes käme und teilte es aus und schenkte mir’s und spräche: ‚Das soll dein sein, nimm und habe.‘“

Das Nehmen, die Akzeption der Perfecta, lässt sich seelsorgerlich unschwer an folgenden Schriftstellen klarmachen: Jesaja 55, 1; Lukas 11, 10; Johannes 1, 16; 16, 24; Epheser 6, 17; 1. Timotheus 6, 12; Offenbarung 22, 17. Die Imperative: Kommt, esset, nehmt, ergreifet, sind in diesem Fall keine Termini des Gesetzes, sondern Potenzen des Evangeliums. Dieser Vorgang des Nehmens lässt sich dem Hilfesuchenden auch leicht mit drastischen Beispielen aus dem Alltag untermalen. Gern frage ich manchmal scherzhaft den, der nicht glauben kann: „Kann der Rußlandheimkehrer in seiner Heimat vor einem reichgedeckten Tisch verhungern?“ Ja, wenn er nicht zugreift. Glauben heißt nichts anderes als die Perfecta: Vergebung, Erlösung, Kindschaft Gottes, Gliedschaft am Leibe Jesu Christi, ewiges Leben, Gewissheit des Heils annehmen und dafür danken. Glauben heißt zugreifen und handeln.

Wenn trotz eines handgreiflichen Angebotes des Evangeliums der Hilfesuchende nicht glauben kann, dann muss nach den weiteren Ursachen geforscht werden. Vielleicht wurde bei der Beichte gerade das Schwerste bewußt verschwiegen; vielleicht sucht der seelisch Kranke nur seine psychischen Anfechtungen loszuwerden, ohne Jesus Christus nachfolgen zu wollen; vielleicht liegen geheime Bindungen vor, mit denen der Hilfesuchende nicht brechen will.
Köberle schreibt dazu: „Wird der Bruch mit der Sünde nicht ganz vollzogen, so geht der Glaube zuletzt verloren.“ Hier würde das heißen: „Wo nicht wenigstens der Wille da ist, mit der Sünde zu brechen, da kann kein Glaube entstehen.“ Vielleicht hat der Hilfesuchende einen falschen Glaubensbegriff, dass er Gefühlsreaktionen erwartet, statt sich nur auf das Wort Gottes gründen zu wollen. Wenn all diese Gesichtspunkte und noch andere durchgesprochen sind, so ergeben sich manche Anhaltspunkte, deren Bereinigung den toten Punkt überwinden lässt. Wird aber nach dieser Richtung kein besonderer Tatbestand sichtbar, und der Hilfesuchende kann einfach nicht glauben, dann liegt der Verdacht auf jenen hintergründigen Widerstand vor, den wir Resistenz nannten. Die seelsorgerliche Behandlung dieses Faktums wird in dem folgenden Abschnitt beschrieben.

Wenn hier der Einwand erhoben werden sollte, der Absolution würde eine lange Stufenleiter von Einzeluntersuchungen vorgeschaltet, so ist folgendes zu erwidern. Die Praxis der Seelsorge an okkult Behafteten lehrt, dass eine voreilige Absolution hier keine Hilfe, sondern nur neue Anfechtungen zeitigt. Auch tritt bei dem Vergebungszuspruch an okkult Behafteten keine Befreiung ein, solange nicht der Wirrwarr dunkler Verknotungen im Lichte Gottes entwirrt ist.

Der Wille zur echten Hilfe, die Angst vor seelsorgerlichen Mißgriffen, das Wissen um die Verantwortung, die Scheu und die Achtung vor dem Heiligtum der Seele des Bruders, der seelsorgerlichen Dienst begehrt, erfordern diese Sorgfalt. Trillhaas schreibt dazu: „Wer für diese Verantwortung kein Empfinden hat, soll die Finger davon lassen. Es wird damit zu rechnen sein, dass für das Abnehmen der Beichte und für das Wahrnehmen der Vergebungsvollmacht eine besondere Gnadengabe (Charisma) nötig ist.“ Es gibt nur ein Durchhauen des gordischen Knotens, wenn der Kyrios selbst in der Exousia Gottes quer durch alles menschlich-seelsorgerliche Bemühen hindurchschlägt und den Gefangenen in die Freiheit führt.

e. Der geistliche Kampf

Die Resistenz ist ein evidentes Symptom der okkulten Behaftung. Sie ist, wie schon angedeutet, in vielen Fällen die causa des toten Punktes beim Beichtgespräch. Der Seelsorger muss bei Vorliegen dieses Befundes seine ganze Kraft für die nun bevorstehende Aufgabe einsetzen. Wenn für diesen Teil des seelsorgerlichen Dienstes der Terminus „geistlicher Kampf“ gewählt wurde, so soll das nicht heißen, dass das Ringen des Seelsorgers den okkult Behafteten befreien müsste. Hier gilt das Wort aus Psalm 49, 8: „Und doch vermag kein Bruder den anderen zu lösen; Er kann Gott das Lösegeld nicht geben.“ Befreiung aus der Gefangenschaft persönlicher oder fremder Mächte gibt es nur durch Jesus Christus. Sein Sieg ist die Voraussetzung des seelsorgerlichen Ringens um den Bruder. Es gibt auf dieser Stufe der cura specialis (Spezialseelsorge) drei Momente des Helfens:

Beten und Fasten, die Fürbitte eines christlichen Kreises, Handauflegung nach Markus 16, 18b und die Austreibung.

Der seelsorgerlich-persönliche Einsatz für den Hilfesuchenden findet seinen schönsten Ausdruck im Beten und Fasten als Hilfestellung für den Angefochtenen. Jesus Christus sagte Seinen Jüngern angesichts ihrer Vollmachtlosigkeit einem Kranken gegenüber in Matthäus 17, 21: „Aber diese Art fährt nicht aus außer durch Gebet und Fasten“. Schick nennt dieses Gebiet der Seelsorge eines der zentralsten Geheimnisse alles geistlichen Kampfes und Sieges.

Die Einzelseelsorge wird bei der cura specialis an okkult Behafteten oft wirksam durch einen Kreis treuer Christen unterstützt, die sich zur Unterstützung des Seelsorgers für den Angefochtenen verantwortlich wissen. In der christlichen Bruderschaft, die sich zur gemeinsamen Fürbitte für den Angefochtenen verbindet, wird Jesus Christus mit Seinen befreienden Kräften offenbar. Was hier geschieht, ist ein Stück Realisierung der Gemeinschaft der Heiligen, von der im dritten Glaubensartikel die Rede ist, eine actio congregationis sanctorum.

Wenn in den modernen psychologischen und medizinischen Schulen also vom Helfersystem und von der Gemeinschaft als einer Kraftquelle für den einzelnen gesprochen wird, so ist das eine Erkenntnis, die im Christentum schon zwei Jahrtausende praktiziert wird und in der speziellen seelsorgerlichen Hilfe an okkult Behafteten besonderes Gewicht hat.

Es sind mir Fälle bekannt, dass eine Gruppe von nüchternen Christen – nicht von Schwärmern – sich zu Fast- und Gebetszeiten zusammenschloß und erleben durfte, dass schwer Angefochtene frei wurden. Im allgemeinen reden Seelsorger ungern über dieses Gebiet. Wo aus solchen Befreiungen Sensationen gemacht werden, da ist „der Tod im Topf“ (siehe 2. Könige 4, 40). Es wird hier also von allen marktschreierischen Machenschaften sektiererischer oder schwärmerischer Richtungen ausdrücklich Distanz genommen.

Eine weitere Möglichkeit der Hilfe ist die Handauflegung unter Gebet. Das NT kennt die Handauflegung in verschiedenen Formen. Der vorpfingstliche Jüngerkreis erhält von Jesus Christus die Verheißung: „… Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.“ (Markus 16, 18b). Der nachpfingstliche Jüngerkreis legt die Hände zur Mitteilung des Heiligen Geistes auf (Apostelgeschichte 8, 18; 9, 17; 19, 6). Ferner werden Charismata geweckt oder gegeben nicht allein durch Handauflegung des Apostels (2. Timotheus 1, 6), sondern auch durch Handauflegung der Ältesten (1. Timotheus 4, 14). Timotheus erhält ferner von Paulus den seelsorgerlichen Rat, niemand die Hände zu früh aufzulegen (1. Timotheus 5, 22). Für unsere Untersuchung wird Markus 16, 18 und zum Vergleich Jakobus 5, 14 herangezogen.

Diese kleine exegetische Besinnung hat folgenden Sinn. Darf der Seelsorger nur bei physisch Kranken oder auch bei psychisch Kranken unter Handauflegung beten, wenn er darum gebeten wird? Ein schweizerischer Evangelistenkreis forderte bei einer Konferenz Zurückhaltung bei seelischen Erkrankungen, sofern sie okkulte Wurzeln haben. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die beiden Schriftstellen oben für diese Einschränkung exegetisch keinen Raum haben. Allerdings lassen sich vielleicht solche Schlüsse aus der Haltung Jesu Christi ziehen. In den Evangelien fällt auf, dass Jesus Christus bei Besessenen nur gebietet (Matthäus 17, 18; Markus 5, 8), während er physisch Kranke auch anrührt (Matthäus 8, 15; 9, 29; Markus 7, 33; 8, 23). Dieses Verhalten kann für den seelsorgerlichen Dienst an okkult Behafteten richtungweisend sein. Hier gilt also ganz besonders der Rat des Paulus, niemand zu früh die Hände aufzulegen. Und dennoch darf daraus kein neues Gesetz gemacht werden. Wenn die Not des schwer angefochtenen Bruders uns ans Herz geht, und die innere Freiheit geschenkt wird, dann kann ein solcher Dienst erfolgen. In einigen Fällen übte ich diesen Hilfsdienst aus unter Hinzuziehung von zwei treuen Christen.

Zur Abgrenzung gegen Mißbrauch ist zu sagen, dass diese – selten geübte – Handauflegung sich scharf gegen alle magische Gesundbeterei abgrenzt. Es ist ein schmaler, aber scharftrennender Grat zwischen Charisma und Gebetszwängerei, zwischen Pneuma und psychischer Hochspannung, zwischen dem stillen Hilfsdienst in der Verborgenheit und dem marktschreierischen Gebaren der Wunderheiler. Aber, abusus non tollit usum, muss hier wieder gesagt werden.

Die nächste Stufe des Helfens ist der Exorzismus. Da es sich hier um den größten Zankapfel der christlichen Seelsorge handelt, soll er kurz in seiner Entwicklungsgeschichte dargestellt werden, ehe er in seiner Bedeutung in der Seelsorge an okkult Behafteten behandelt wird. Gutes Beispielmaterial von psychiatrischer und christlicher Bedeutung hat Dr. Lechler. Der Exorzismus der bei den Nachfolgern Jesu Christi hat seine Wurzeln in den Austreibungen Jesu Christi und nicht in den religionsgeschichtlichen Parallelen. Jesus Christus, dessen Kommen den Anbruch der Basileía toū Theoū darstellt, trieb die Teufel aus (Matthäus 12, 27; Markus 1, 27; Lukas 4, 36; 11, 19) und gab Seinen Jüngern die gleiche Vollmacht (Matthäus 10, 1 und 8; Markus 16, 17).

Es wurden bisher in diesem Abschnitt drei Arten der seelsorgerlichen Hilfe beschrieben. Die letzte Hilfe ist das Austreiben finsterer Mächte in der von Jesus Christus geschenkten Exousia. Bei diesem letzten Hilfsdienst muss gesagt werden, dass es der allerseltenste Fall seelsorgerlicher Hilfe ist, der gewöhnlich nur bei Besessenheitsfällen zur Anwendung kommt. Da reine Besessenheitsfälle nur einen verschwindend kleinen Prozentsatz der okkulten Fälle darstellen, tritt der Exorzismus nicht häufig in Erscheinung. Ferner muss dieser Hilfsdienst unbedingt in der Stille geschehen. Jeder Zug ins Sensationelle bedeutet gerade das Gegenteil der erstrebten Hilfe. Diese Feststellung bedeutet eine Abwehr gegen die veräußerlichten, exorzistischen Schauhandlungen der mittelalterlichen Kirche. Diese Einschränkung bedeutet aber auch eine Abwehr gegen den Pseudoexorzismus mancher christlicher Kreise und vor allem gegen die sektiererischen Richtungen der Gegenwart. Wenn diese Abgrenzungen gegen exorzistische Mißbräuche vorgenommen werden, so heißt das natürlich nicht, dass durch die Abwehr das eigentliche Anliegen erstickt werden darf.

Es gibt in der Gegenwart nur wenige Seelsorger, die dem Exorzismus in der Seelsorge an okkult Behafteten eine biblische Beurteilung zuteil werden lassen. Erich Schick sei erwähnt, der ganz generell zu dieser Frage schreibt: „In der heimischen Christenheit wie auf den Missionsfeldern tritt die Realität und Macht übersinnlicher und übermenschlicher Mächte immer stärker in die Erscheinung. Der Seelsorger ist also wesentlich Exorzist, Teufelsaustreiber.“

Thurneysen gibt zum Exorzismus eine biblisch fundierte Definition: „Hinter der Gefangenschaft des Menschen unter die Sünde sieht die Heilige Schrift ein unsichtbares Reich böser Geister und Gewalten. Aber auch in diesen verborgenen Tiefen wird Gott Meister in Jesus Christus. Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Satans Reich zu Ende … Ein Wörtlein kann ihn fällen. Weil die Seelsorge dieses Wort ausrichtet, darum ist ihr Werk zu verstehen als das Werk der Austreibung der Dämonen …“

Einen ganz großen Dienst hat Dr. Lechler als Psychiater und Christ allen Reichgottesarbeitern getan mit den beiden oft zitierten Vorträgen. Er stellt in dem einen über „Dämonie und Seelenstörung“ drei Besessenheitsfälle dar und zeigt, dass sie vom psychiatrischen Standpunkt aus nicht in befriedigender Weise zu erklären waren. Er schließt seine Differentialdiagnose ab mit den Sätzen: „Dass es sich in Anbetracht dieser Sachlage um eine Besessenheit handelte, war mir nun nicht mehr zweifelhaft. Da der Zustand trotz eingehender Seelsorge sich nicht bessern wollte, wurde zur Austreibung geschritten. Es kam dabei mehrmals zu heftigen Kämpfen von mehrstündiger Dauer mit Umsichschlagen, Schreien, Schimpfen, Fluchen, besonders, wenn vom Blut Jesu die Rede war. Dabei bewies sie eine ungewöhnlich große Körperkraft. Plötzlich spürte sie eine Befreiung und konnte gleich darauf loben und danken.“

Im Blick auf die seelsorgerliche Hilfe an okkult Behafteten lässt sich im Zusammenhang mit dem Exorzismus aus der Praxis folgendes sagen: Im Exorzismus vollzieht sich ein Nahkampf des Seelsorgers mit den finsteren Mächten. Eine befreiende Hilfeleistung ist nur aus vollmächtiger, charismatischer Seelsorge heraus möglich. Diese Vollmacht ist keine menschliche Qualität, sondern ein entscheidendes Durchbrechen des Heiligen Geistes in der Glaubenstat des Seelsorgers, der mit Jesus Christus ein Geist ist (1. Korinther 6, 17). Souveränes Subjekt der lösenden Hilfe ist nie der Seelsorger, sondern Jesus Christus, dessen Realpräsenz im Heiligen Geist Ereignis wird.

f. Die Resistenz des Befreiten

Der Terminus „Resistenz“ in dieser neuen Beziehung bedarf der Klärung. Bei dem Phänomen der okkulten Behaftung stellt die Resistenz die unheimliche Front und eherne Mauer gegen alles Göttliche dar. Diese Resistenz wird von dem okkult Behafteten manchmal als eine fremde Macht empfunden. Nach der Befreiung ist es unbedingt erforderlich, dass diese dämonische Resistenz eine Umkehr zur pneumatischen Resistenz erfährt. Ein Frontwechsel um 180° ist notwendig! Der okkult Behaftete, der in der militia Diaboli (Schlachtordnung Satans) stand, kämpft nun als echter Überläufer in der militia Christi gegen das ehemalige Lager. Es wäre nicht sehr schwer, für diese neue Abwehrfront einen neuen Begriff zu wählen, doch wird der alte Begriff beibehalten, weil es sich um parallele Vorgänge mit entgegengesetzten Vorzeichen handelt.

Wenn für diesen Terminus in der neuen Bedeutung eine Schriftstelle genannt werden soll, so kommt Epheser 6, 13 in Frage: „Ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes…, damit ihr das Feld behalten könnt.“ Dieses Wort stammt aus dem Abschnitt, in dem Paulus von der Finsternismacht der bösen Geister unter dem Himmel spricht und deshalb zum Anlegen der Waffenrüstung mahnt. Diese Mahnung des Apostels entspricht keiner leeren Theorie, sondern einer seelsorgerlich erfahrenen und glaubensmäßig erkannten Wirklichkeit. Die actio resistendi ist die notwendige Folge der Abrenunziation und des Exorzismus. Das wird auch an dem Jesuswort in Matthäus 12, 43-45 deutlich. Der ausgefahrene Geist will zurückkehren, und wenn das gelingt, so wird es mit dem Menschen schlimmer, als es zuvor war. Stauffer schreibt dazu: „Das Ringen mit den Dämonen der Geschichte ist ein Kampf mit der Hydra. Eine Vielzahl neuer Köpfe droht an der Stelle des abgehauenen Kopfes emporzuschießen.“

Es handelt sich nun um die Frage, wie dieser Abwehrkampf nach der Befreiung geführt wird. Grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass der Mensch von sich aus immer auf einem verlorenen Posten steht. Keiner kann den Kampf von sich aus führen. Ferner ist zu konstatieren, dass die Schlacht seit Golgatha und der Auferstehung schon geschlagen und gewonnen ist. So stellt sich dieser Kampf als das Faktum dar, dass der Mensch durch seine Hingabe an Jesus Christus mit in die Tat von Golgatha und der Auferstehung hineingenommen wird. Das heißt, der Mensch erlebt in seiner Koinonia (Gemeinschaft) mit Jesus Christus den Vorgang des Mitsterbens und des Mitauferstehens, das Geheimnis eines Lebens mit Christus. Paulus hat diesen Tatbestand in Römer 6 und Kolosser 2 dargestellt und auf die Taufe bezogen. Der Christ, der zur „neuen Schöpfung“ (2.Kor. 5,17) erneuert ist, ist mit Jesus Christus gekreuzigt, gestorben, auferweckt, zum Leben gebracht, in den Himmel versetzt und mit Ihm Erbe geworden. Es entspricht dieser inneren Linie, dass der Christ in der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus auch Sieger ist, der, „als Er die Herrschaften und Gewalten entwaffnet hatte, sie öffentlich an den Pranger stellte und an demselben über sie triumphierte.“ (Kolosser 2, 15)

Der Christ steht mit Jesus Christus auf Siegesboden, darum hat der Abwehrkampf des Befreiten von vornherein ein positives Vorzeichen. Die Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus ist die Gewähr, dass der Befreite in den Nachhutgefechten bewahrt bleibt. Die wichtigste Waffe in diesem Kampf ist das Wort Gottes. Gerade die Seelsorge an okkult Behafteten lehrt mit instruktiver Deutlichkeit, dass nicht Gefühlsstürme den Kampf bestehen lassen, sondern das Bauen und Trauen auf das Wort Gottes.

Paulus nennt das Wort Gottes das Schwert des Geistes, mit dem der Angefochtene den Kampf bestehen kann. Der Seelsorger hat darum das Amt der Verwaltung des Wortes und den Auftrag, den Beichtenden ins Wort Gottes hineinzuführen. In der Praxis mache ich es sehr oft so, dass ich zunächst dem Hilfesuchenden nach der Aussprache eine Anleitung zum Bibellesen gebe. In besonderen Fällen schreibe ich einen kleinen Leseplan auf, den ich zusammen mit dem Hilfesuchenden lese. Die Gemeinsamkeit stärkt den Angefochtenen zum treuen Lesen. Außer dieser generellen Hinführung zum Wort ist es wichtig, dass der aus okkulter Behaftung Befreite die Waffe des Wortes Gottes zunächst einmal zu seinem persönlichen Schutz führen lernt. Das ist kein individualistisches Ziel, sondern nur ein elementares Gebot der Abwehr der Mächte, denen er früher verknechtet war.

Zu dieser Waffenführung gehört die Einprägung von besonderen Kernworten, die der Befreite bei wiedereintretenden Anfechtungen betet, z. B.: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ (Psalm 139, 5); „… und Ich selbst, spricht der HERR, will eine feurige Mauer um es her sein und Herrlichkeit in seiner Mitte.“ (Sacharja 2, 9); ferner 5. Mose 31, 6; Josua 1, 9; Psalm 91, 1-2; Jesaja 41, 10; Matthäus 28, 20b; Psalm 23 usw..

Es erweist sich bei solchem Abwehrkampf, dass das Wort Gottes ein Mittel ist, die Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus zu verwirklichen und zu bestärken, ferner aber auch die Verteidigungswaffe, die „eine von der Herrschaft der Dämonen und dieses Äons befreiende Wirkung hat“.

Es sind besonders zwei Anwendungsformen des Wortes Gottes, die sich bei dieser Abwehr des Befreiten bewährt haben: Erstens das im Glauben vergegenwärtigte Perfectum der Erlösung und zweitens das Gebieten im Namen Jesu Christ auf Grund Seines Sieges. Um es noch deutlicher zu machen. Ich lese mit dem Befreiten Bibelstellen, die vom Blut Jesu Christi als dem wirkungskräftigen Zeichen und Sinnbild der Erlösung handeln, z. B.:

Petrus 1, 2b: „… zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi: …“
Petrus 1, 19a: „… (losgekauft) mit dem kostbaren Blut des Christus …“
 Johannes 1, 7b: „… das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“
Hebräer 10, 22b: „… durch Besprengung der Herzen …“
Hebräer 12, 24: „ …ihr seid gekommen zu Jesus, dem Mittler des neuen Bundes, und zu dem Blut der Besprengung…“
Offb. 1, 5: „… Ihm (Jesus Christus), der uns geliebt hat und uns von unseren Sünden gewaschen hat durch sein Blut.“

Die Beschäftigung mit solchen Stellen, die Formulierung solcher Worte zu einem Gebet hat die Bedeutung der Vergegenwärtigung der Erlösung im Glauben. Das Gebet über solche Stellen bringt die freimachende und bewahrende Kraft des Opfertodes Jesu Christi in unser Leben. Selbstverständlich muss auch hier wieder die Grenzlinie gegen alle Blutsmystik und Blutsschwärmerei gesehen und scharf beachtet werden. Doch darf die Angst vor Schwärmerei und Sektiererei nicht dazu führen, dass wir Kraftquellen des Wortes ungenutzt und unser Glaubensleben verkümmern lassen.

Eine weitere Abwehrform gegen sich wiederholende Anfechtungen ist das Gebieten im Namen Jesu Christ! In der allgemeinen Seelsorge weise ich Beichtende nicht auf diese Form der Hilfe hin. Bei schwerer okkulter Behaftung wird nach der Befreiung, wenn die Hydra wieder ihr Haupt erhebt, das Gebieten („im Namen Jesu Christi gebiete ich euch Finsternismächte zu weichen“) zu einer wirksamen Abwehrwaffe. Die Jünger Jesu übten das Gebieten nach dem Wort ihres Meisters. Jesus Christus selbst gebot in der Anfechtung dem Widersacher „Weiche, Satan!“ (Matth.4,10). Paulus wehrte sich damit in Philippi gegen die Bedrohung seines Dienstes. Männer wie Blumhardt, Seitz und andere halfen sich damit in schweren seelsorgerlichen Kämpfen. Dem ursprünglich okkult Behafteten, der sich völlig Jesus Christus ausgeliefert hat, darf diese letzte Abwehrwaffe nicht verwehrt werden, wenn er im Glauben die innere Freiheit dazu hat.

Es ist interessant, dass andere Seelsorger und Evangelisten, die Seelsorge an okkult Behafteten haben, aus dem Wort Gottes und aus der Praxis heraus zu gleichen Ergebnissen gekommen sind. Der Leiter des volksmissionarischen Amtes in Baden, Dekan Hauß, erzählte mir, dass er bei der Fürbitte für ein okkult angefochtenes Ehepaar in der Nacht unheimliche Anfechtungen erlebte. Als er im Namen Jesu Christi gebot, wich diese Finsternismacht. Schweizerische Evangelisten, die noch mehr Seelsorge an okkult Behafteten haben als die deutschen Evangelisten, erklärten bei einer Konferenz in Männedorf, dass sie diese beiden oben geschilderten Anwendungsformen des Wortes Gottes genauso üben, wie es hier dargestellt wurde. So sind Reichgottesarbeiter aus verschiedenen Kreisen und Völkern in gleicher Weise geführt worden.

Zur Abwehr von Mißbräuchen sind noch drei Dinge zu erwähnen. Wie die Geschichte der „Skevassöhne“ zeigt, gibt es auch angemaßte Vollmacht. Wer nicht realiter in der Gleichzeitigkeit, in der Gemeinschaft mit Jesus Christus steht, kann nicht gebieten. Angemaßte Vollmacht führt nur zur intensiveren Bedrohung, weil das eine Herausforderung der Mächte darstellt. Das soll aber nicht heißen, dass der Angefochtene nun erst krampfhaft, ängstlich und gesetzlich seinen eigenen Zustand erforschen muss, bevor er gebieten darf. Nein, wenn er im Glauben auf Jesus Christus blicken kann, dann fahre er zu. Wer rückwärts auf sich blickt, ist immer unterlegen. Die Abwehr finsterer Mächte ist ein Christusgeschehen und nicht menschliches Beginnen, sonst wäre der Mensch immer verloren. Das Gebieten ist Ausfluß des Evangeliums und nicht des Gesetzes. Gebieten wurzelt in Golgatha und der Auferstehung und nicht im Sinai.

Ferner muss das Gebieten vor jeder Veräußerlichung und voreiligen Wiederholung bewahrt bleiben. Wenn der durch Jesus Christus aus okkulter Behaftung befreite Mensch nicht mehr die Situation von Matthäus 12, 43-45 erlebt, dann ist das Gebieten nicht erforderlich. Als letztes ist zu sagen, dass durch die Darstellung dieser speziellen Anwendungsformen des Wortes Gottes keine Gewichtsverschiebung erfolgen darf. Wenn biblische Wahrheiten überbetont werden, dann ist der Ansatz zur Irrlehre da. Deshalb müssen alle speziellen Hinweise für die Seelsorge an okkult Behafteten in der gesunden Spannung zu den anderen Schriftaussagen stehen. In der allgemeinen Seelsorge kommt man mit den in Apostelgeschichte 2, 42 genannten Gnadenmitteln – Wort Gottes, Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen (Abendmahl), Gebet – als den Mitteln zur Verwirklichung der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus aus. Bei dem Hilfsdienst an okkult Behafteten gelten die gleichen Grundelemente, wenn auch in spezieller Prägung und Anwendung.

Nach dem Wort Gottes ist als zweite Stärkung in dem Abwehrkampf des Befreiten nach dem soeben zitierten Wort aus Apostelgeschichte 2, 42 die Gemeinschaft, die congregatio sanctorum, zu nennen. Bei „kirchlich“ uninteressierten Leuten hört man bei Einladungen zum Gottesdienst das geflügelte Wort: „Kirchgang macht nicht selig.“ Dieses Wort verrät die Unkenntnis des organischen Gefüges des Leibes Jesu Christi. Das Glied, das vom Leibe getrennt wird, stirbt ab. Die Kohle, die aus dem Feuer genommen wird, verlöscht nach und nach. Isolation innerhalb der Gemeinde bzw. des Leibes Jesu Christi führt oft zum geistlichen Tod. Wenn der Schreiber des Hebräerbriefes mahnt, „(seine) eigene Versammlung nicht zu verlassen, wie es einige zu tun pflegen, …“ (Hebr.10, 25), so weist er sich mit dieser Ermahnungsrede als Seelsorger aus. Der aus okkulter Anfechtung Befreite muss treu in der congregatio sanctorum stehen, um dort an den Kraftstrom angeschlossen zu sein, der vom Haupt der Gemeinde auf alle Glieder fließt. Die Erfahrung der Seelsorge lehrt, dass zur wirksamen Resistenz der Befreiten normaler Gottesdienstbesuch im allgemeinen nie genügen wird. Es wird deshalb die Bildung von Kleinkreisen treuer Christen befürwortet, die als Sauerteig in der großen Versammlung wirken und seelsorgerliche Nacharbeit übernehmen können.

Einmal übergab ich nach einer Evangelisation eine okkult schwer angefochtene Frau einem solchen Kreis zur weiteren Betreuung. Ein ganzes Jahr trug dieser Kreis in der Fürbitte die Angefochtene durch, bis sie ganz frei war. Solche Kreise sind Kraftstationen, in denen ein aus okkulter Behaftung Befreiter zum Widerstand den Rücken gestärkt bekommt. Die Kleinkreise haben also sowohl im Befreiungskampf, wie oben dargestellt wurde, als auch im Abwehrkampf ihre seelsorgerliche Bedeutung. Es muss in diesem Zusammenhang en passant über die Nacharbeit der cura specialis an okkult Behafteten und Befreiten etwas gesagt werden. Der Seelsorger darf im Rahmen einer Evangelisationswoche nach seelsorgerlichen Aussprachen nicht denken, seine Hilfeleistung sei abgeschlossen. Dr. Lechler sagte: „Wer die Seelsorge vorzeitig abbricht, gleicht dem Chirurgen, der die Wunde vernäht, noch ehe der Eiter sich vollständig entleert hat.“ Die seelsorgerliche Nacharbeit ist immer die crux einer Evangelisation. Dieser Not versuche ich gewöhnlich dadurch zu begegnen, dass ich die Namen der Hilfesuchenden aufschreibe und dem Ortspfarrer mitteile. Der Hilfesuchende muss ja seiner Heimatgemeinde eingegliedert werden.

Die nächste Hilfe für die pneumatische Resistenz des Befreiten ist das Abendmahl. Emil Brunner nennt diese Praktiken die Klammern, die der Herr seinem Bau mitgab, um ihn vor dem Zerfallen zu schützen. Der aus okkulter Behaftung Befreite braucht diese Klammern, die ihn mit Jesus Christus und seiner örtlichen Versammlung fest verbinden. Wenn wir kurz über das Wesen des Abendmahls unter dem seelsorgerlichen Aspekt unserer Untersuchung nachdenken, so kann diese Besinnung nach den von Prof. Hahn gegebenen Perspektiven erfolgen. Hahn stellt eine dreifache Bedeutung des Abendmahles heraus.

„Erstens ist im Abendmahl der neue eschatologische Bund mit Gott, der die Erfüllung der alttestamentlichen Heilsgeschichte ist, gesetzt. Dieser Bund ist nur in diesem Blute Wirklichkeit, d. h. im Kreuzesgeschehen Jesu Christi. Es ist das auf Golgatha vergossene Blut Jesu Christi, um dessentwillen und in dem der Neue Bund seine Wirklichkeit hat.

Dieses Blut hat auch die andere Aufgabe des Passahblutes: Es ist Schutz gegen den Würgeengel, gegen die Dämonenherrschaft. Wer an diesem Blut Anteil hat, ist gegen die Machtwirkung der Dämonen gedeckt, wenn auch nicht in magischer Weise, sondern im jeweiligen neuen Ergreifen der im Blut Christi geschenkten eschatologischen Möglichkeit.

Als drittes dem Passahblut entsprechendes Moment tritt die an diesem Blut haftende Verheißung für die Zukunft hinzu: Das Blut ist die Versicherung der Teilhabe am Gelobten Land, an der Parusie.“
Diese Darlegungen können sich nicht besser in den Rahmen unserer Untersuchung einfügen. Im Abendmahl wird der aus okkulter Behaftung Befreite in das Christusgeschehen einbezogen. Der Befreite erlebt unter sichtbaren Zeichen die Gemeinschaft mit Leib und Blut Christi, die Einverleibung in die Gemeinde Christi, die Realisierung der Gliedschaft in der Basileia und damit die Stärkung seiner pneumatischen Resistenz gegen dämonische Einflüsse und Anfechtungen. Das Abendmahl ist ein Brennpunkt der Reichgottesdynamik, in dem das Heraustreten aus der Civitas Diaboli und das Hineintreten in die Civitas Dei dem Angefochtenen und dem Befreiten zum Ereignis wird. Darum empfehle ich dem aus okkulter Behaftung Befreiten den häufigen Abendmahlsbesuch. Am Rande sei hier vermerkt, dass in den Versammlungen der Abendmahlsbesuch noch mehr als bisher möglich gemacht werden muss.

Als weiteres Mittel zur Stärkung der pneumatischen Resistenz des Befreiten wäre das persönliche Gebetsleben zu nennen, das die Bitte „Veni creator spiritus“ zu einem täglichen Anliegen macht. Wie das Wesen der Besessenheit die Innewohnung von Dämonen ist, so ist das Wesen des gennethēnai ánothen (geboren werden von oben her-Joh. 3,3) die Innewohnung des Heiligen Geistes. (Joh.14,23) Die Realisierung der Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus, des „in-Christus-sein“, (2.Kor.5,17) ist nur durch den Heiligen Geist möglich(1.Kor.12,3). Prof. Allwohn schreibt in diesem Zusammenhang: „Es muss demnach das Ziel der seelsorgerlichen Volksmission sein, zum Empfang des Heiligen Geistes zu verhelfen. Es mag hier der Einwand erhoben werden, dass dieses Ziel zu hoch gesteckt ist. Wer könnte und dürfte sich anheischig machen, den Heiligen Geist zu übermitteln? Gewiss bestehen hier keine menschlichen Möglichkeiten; und doch sollen wir mit festem Glauben auf der Verheißung stehen, dass der Vater den Heiligen Geist denen geben wird, die ihn bitten.“ (Luk.11,13) Pneumatische Resistenz ist nur möglich durch das Pneuma. Das Pneuma wird geschenkt verbo divino et sacramentis.
Zusammenfassend lässt sich von der seelsorgerlichen Praxis her das Wesen der Resistenz in folgender Weise charakterisieren: Im Exorzismus hat sich durch das Auftreffen des Heiligen Geistes bei dem okkult Behafteten und Befreiten ein Herrschaftswechsel vollzogen. Dem Freiwerden folgt das Freibleiben als ein dauerndes Stehen unter der Christusmächtigkeit, deren Wirklichkeit im Wort Gottes, in der Ekklesia, im Abendmahl, im Glaubens- und Gebetsleben erfahren wird. In der akuten Abwehr der Nachhutgefechte des finsteren Widersachers erweist sich die Zuflucht unter das Blut Jesu Christi als das Zeichen des vollkommenen Sieges am Kreuz und das Gebieten im Namen Jesu Christi als wirksame Verteidigung bei der Resistenz des Befreiten.

Die Befreiung aus okkulter Behaftung erweist sich als ein Spezialproblem der Seelsorge mit folgenden Stationen des Beichtgespräches: Differentialdiagnose, confessio (Sünden-Glaubensbekenntnis), Absage, Absolution, Exorzismus, pneumatische Resistenz. Der Dienst an okkult Angefochtenen kann nur aus gründlicher Sachkenntnis und mit charismatischer Ausrüstung erfolgen. Damit ist angezeigt, dass die Befreiung des okkult Behafteten nicht die Frucht seelsorgerlichen Ringens, sondern eine Tat Jesu Christi ist. Eine Befreiung des Angefochtenen erfolgt daher nur über die Verwirklichung der Gleichzeitigkeit – der Koinonia – des okkult Behafteten mit Jesus Christus.

6. Welche Perspektiven ergeben sich aus dieser Untersuchung für den Seelsorger an okkult Behafteten?

Nach den in der Untersuchung schon gegebenen Richtlinien bleiben am Rande noch einige Probleme offen, die im Ansatzpunkt schon erwähnt wurden, aber noch einmal herausgestellt werden müssen. Die erste Frage soll mit einer ironischen Kritik umrissen werden. Ist die Seelsorge an okkult Behafteten nicht „die Marotte eines Außenseiters, der gern seine Nase in dunkle Dinge steckt“?


a. Die Notwendigkeit einer klaren Diagnostik

Eine Frage löst der Einwand aus, warum manche Seelsorger wenig mit okkult Behafteten zu tun haben. Das mag verschiedene Gründe haben: Geringe Sachkenntnis, Nichtbeachtung und das Nicht-ernst-nehmen dieses Problems, geringe Seelsorgetätigkeit, apriorische Ablehnung usw.. Der wesentliche Punkt wird die von Gott geschenkte Lebensführung sein. Es gibt vom NT her verschiedene Gaben und Ämter. Jeder Christ hat sozusagen seine Platzanweisung. Jeder hat seinen besonderen Auftrag, den er treu erfüllen soll. Wem Gott das Charisma der Geisterunterscheidung(1.Kor.12,10) gegeben hat, der hat zu dieser Gabe die Aufgabe, sich mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln in das Gebiet der Differentialdiagnostik einzuarbeiten. Die Kompliziertheit der mancherlei seelischen Erkrankungen im Zusammenhang mit okkulter Betätigung macht die Notwendigkeit einer klaren Diagnostik deutlich.

b. Die Forderung des rechten Verhältnisses von Gesetz und Evangelium im seelsorgerlichen Dienst

Eine der brennendsten Fragen ist die Bedeutung von Gesetz und Evangelium in der Seelsorge an okkult Behafteten. Hier liegt ein entscheidender Prüfstein, ob ein Seelsorger dem Hilfsdienst an okkult Behafteten gewachsen ist oder nicht. Gesetz und Evangelium haben in der cura specialis ihren bestimmten Ort. Jede Verwechslung, jede Vermischung wirkt sich in diesem schwierigsten Gebiet der Seelsorge verhängnisvoll aus. Das Gesetz hat hier nur seine Berechtigung in der Diagnose, in der es darum geht, die okkulten Zusammenhänge aufzudecken. Die Verkündigung des Gesetzes hat das Ziel, dem okkulten Praktiker zu zeigen, dass er sich mit seinem okkulten Treiben, ganz gleich ob aktiver oder passiver Art, durch Übertretung des ersten und zweiten Gebotes außergöttlichen Mächten verschrieben hat und unter dem Gericht Gottes steht. Es handelt sich hier um das Gesetz als Zuchtmeister auf Christus hin, die von der Sünde überführende Bedeutung des Gesetzes, durch den der okkult Behaftete seiner Sünde überführt werden soll. Damit ist die Verkündigung des Gesetzes in der Seelsorge an okkult Behafteten abgeschlossen.

Nun hat im Beichtgespräch mit dem okkult Behafteten uneingeschränkt das Evangelium das Wort. Dem Angefochtenen ist das Wort von der Vergebung und Erlösung auszurichten im Sinne von Epheser 1, 7: „In Ihm (Jesus Christus) haben wir die Erlösung durch Sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade, …“. Eine pharisäische, gesetzlich-dränglerische Seelsorge hat beim Hilfsdienst an okkult Behafteten keinen Raum. Der seelisch Angefochtene ist gewöhnlich so zerschlagen, daß ihn eine gesetzliche Seelsorge nur tiefer in die Verzweiflung hineintreibt.

Wo die Sünde genannt, erkannt und bereut ist, gilt allein der Trost des Evangeliums. Jesu Christi Seelsorge am Gichtbrüchigen, an der großen Sünderin, an Zachäus ist dafür maßgebend. Hier gilt nur ein Imperativ: „Komm, es ist alles bereit, nimm, iß, trink. Es gehört dir!“

Das Gesetz zeigt uns, was wir angerichtet haben, das Evangelium zeigt uns, was Gott „angerichtet“ hat. Dieser Unterschied darf in der Seelsorge nicht aufgehoben werden. Wenn nun im Blick auf die Seelsorge an okkult Behafteten das Verhältnis von Gesetz und Evangelium bestimmt werden soll, so ist folgendes zu sagen: Wer in der Seelsorge an okkult Behafteten nur eine Beschwichtigungs- und Beruhigungstherapie anwendet, nivelliert die Bedeutung des Gesetzes, deckt nicht die Tiefen der Schuldzusammenhänge okkulter Betätigung auf und verflacht damit auch das Evangelium; denn wo keine Schuld ist, ist das Evangelium gegenstandslos. Man kommt bei diesem schwierigen Hilfsdienst ohne das Gesetz nicht aus, da sonst der okkult Behaftete seine seelische Not auf die Ebene der medizinisch diagnostizierbaren Gemütskrankheiten schiebt und sich damit einen Schlupfwinkel vor Gottes Zugriff schafft. Das Gesetz darf vom Evangelium nicht getrennt werden.

Die zweite Aussage bezieht sich auf die Reinhaltung des Evangeliums. Um Golgatha darf kein Zaun gemacht werden. Das Evangelium ist keine nova lex (neues Gesetz), deren Erfüllung dem okkult Angefochtenen Befreiung bringen soll. Nein, hier ist alles auf Gottes Tat in Jesus Christus gestellt. Jedes Hineintragen von Bedingungen, denen zuvor genügt werden muss, stellt eine Verwässerung, Vermischung, Vergesetzlichung des Evangeliums dar. Der Seelsorger muss eine heilige Furcht davor haben, nicht das Evangelium durch das Gesetz zu verfälschen. Nicht der geistliche Kampf des Seelsorgers führt zur Befreiung, sondern allein Jesus Christus. Gesetz und Evangelium können nicht vermischt und nicht auseinandergerissen werden. Die Auflösung dieser Einheit ist eine tödliche Gefahr der Seelsorge. Darum erfordert der Hilfsdienst an okkult Behafteten die Fähigkeit, Gesetz und Evangelium im rechten Verhältnis zu verkündigen.

c. Jesus Christus – das Ende der Dämonen

Ohne Zweifel liegt natürlich in der Seelsorge an okkult Behafteten auf der Ausrichtung des Evangeliums das größte Gewicht. Nicht der Nachweis dämonischer Bindungen und der Besessenheit ist das Ziel dieser Untersuchung, sondern die Verkündigung ihrer Überwindung und Heilung. Wo das seltene Phänomen der Besessenheit als äußerste Manifestation der dunklen Herrschaft des Bösen tatsächlich auftaucht, da ist die Botschaft von der Befreiung dagegenzusetzen. Darum ist diese Untersuchung nicht ein neues „okkultes Buch“ in der Flut okkulten Schrifttums, sondern ein Buch von der Befreiung von allen dunklen Mächten durch Jesus Christus!

Seit Golgatha und der Auferstehung ist Satans Macht nur eine Scheinmacht. In Wirklichkeit sind in Jesus Christus alle Dämonen schon besiegt. Jesus Christus ist dem Starken ins Haus gebrochen (Markus 3,27) und hat ihm den Raub abgenommen. Der Sohn Gottes hat die Bollwerke der Finsternis gesprengt. (1. Joh. 3, 8) Diese Siegesbotschaft ist in der Seelsorge dem okkult Behafteten zu überbringen. Sie bedeutet dem Angefochtenen die Teilhabe an dem Sieg, die Sprengung der Gefängnistore seelischer Leiden. Diese Siegesnachricht ist das Ende der Zwingherrschaft Satans, da der Christus Gottes der Kyrios und der Heiland der Welt ist!

Die Hervorhebungen im Text habe ich vorgenommen, sowie eine ganz geringe Kürzung. Horst Koch, Herborn, im März 2010

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Aberglaube – A. Lüscher

Albert Lüscher

IM BANNKREIS DES ABERGLAUBENS UND DER ZAUBEREI

 


Was ist Aberglaube und Zauberei?

Aberglauben im allgemeinen und im besonderen
Zauberei

Die Wirkungen des Aberglaubens

Der Spiritismus
Die Christliche Wissenschaft

Die Anthroposophie

Die Psychoanalyse

Die Magnetopathie

Die Augendiagnose

Was sagt die Bibel?

Wie werde ich frei? . . . »


Es ist sehr gewagt, im heutigen Zeitalter über etwas zu schreiben, das schon längst als mittelalterlicher Spuk “erkannt” und “überwunden” worden ist. Man kommt dadurch in den Verdacht der Unnüchternheit, der Schwärmerei und wie die Schlagwörter alle heißen. Trotzdem wollen wir die Aufmerksamkeit auf ein Gebiet lenken, das sehr wenig bekannt ist. Es ist das furchtbare Gebiet der Zauberei und des Aberglaubens. Bevor wir jedoch das eigentliche Thema behandeln können, müssen wir uns vorerst mit einer Tatsache auseinandersetzen, mit der man sich nicht gerne auseinandersetzt, nämlich mit der Realität Satans.

Wer heute noch an einen Satan glaubt, gilt als rückständig, gilt als “erledigt”; denn die Wissenschaft der Philosophie, der Psychologie, der Psychoanalyse und vornehmlich auch der Theologie hat zur Genüge “bewiesen”, was Satan ist. Satan ist nach diesen Wissenschaften eine Idee, das Prinzip des Bösen im Gegensatz zum Prinzip des Guten, oder der böse Trieb im Menschen, oder das verdrängte Triebleben* usw. (*Freud, der Begründer der psychoanalytischen Methode, sagt, daß Satan nichts anderes sei als das verdrängte Triebleben. Zahlreiche Theologen haben dieser “Lösung” begeistert zugestimmt, wie sie sich denn überhaupt mit dem psychoanalytischen Gift infizierten. Was sagen wohl die begeisterten Befürworter der Freudschen Erfindung, wenn man ihnen sagt, “daß die Psychoanalyse in Freuds letzten Schriften eine groß angelegte Offensive gegen jede Form religiöser Überzeugung unternommen hat”? Darin wird das religiöse Bewußtsein als Kollektivneurose der Menschheit gedeutet!)

Religionsgeschichtlich wird versucht, die Gestalt Satans aus dem Einfluß der iranischen Religion abzuleiten, und behauptet, daß im Judentum “durch eine Wandlung im Innern des Gemüts das Eindringen einer so grausigen Gestalt vorbereitet wurde”. Das Christentum, wird weiter gesagt, übernahm diese Vorstellung und baute sie weiter aus. Der Aufklärung war es dann vorbehalten, mehr Licht in dieses dunkle Gebiet zu bringen, indem sie bewies, “daß der Teufelsglaube ein bemitleidenswerter Wahn einer unerleuchteten Zeit sei”. Und irgendwo steht der sonderbare und sehr bezeichnende Satz: “Die Auflösung des Glaubens an Teufel, Hölle und Dämonen schreitet mit der Fortbildung der aufgeklärten Theologie von Stufe zu Stufe.” Gott sei Dank, daß es neben der aufgeklärten Theologie noch eine unaufgeklärte gibt.

Professor Pieper sagt in seinem Aufsatz: “Aber er (Satan) hört nicht auf, eine furchtbare Realität zu sein, gegen die Jesus dauernd weiterkämpft, ja weiterkämpfen muß.”

Das ist’s: Satan ist weder eine Idee noch ein Prinzip noch der böse Trieb im Menschen noch das verdrängte Triebleben noch eine importierte Gestalt, sondern eine furchtbare Realität, eine Person, mit der zu rechnen ist.

Der Unglaube wird sich selbstverständlich gegen diesen ..mittelalterlichen” Unsinn, der nur im Gehirn hysterischer Nonnen und weltfremder Mönche spukt, wie er behauptet, wehren. Nun ja, das ist eine der vornehmsten und erfolgreichsten Kampfesarten Satans, daß er sich selbst bei den Menschen in Frage stellt, um sie seinem Willen desto gefügiger zu machen. Satan, als Fürst dieser Welt, ist eine Macht, von der sich unsere armselige Schulweisheit nichts träumen läßt. Wir meinen, mit unserem alles durchdringenden Geist”, der doch vom Gift der Schlange durchseucht ist, Letztes und Tiefstes erforschen zu können. Dabei gehen wir wie Blinde an der Tatsache vorüber, daß Satan die Macht hat, unseren Intellekt, unsere Gefühle, unser Wollen, unser Wissen zu beherrschen wie der Klavierspieler sein Instrument; d. h. die Einwirkungen Satans auf das Gefühl und die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen sind derart unverdächtig, daß jeder meint, in seinem Denken und Handeln selbständig zu sein. ja, Satan hat sogar die Macht, dem Menschen in logischer Selbstverständlichkeit Gedanken aufzunötigen, daß der Betreffende meint, sie selber gedacht zu haben. Wir brauchen deshalb keineswegs überrascht zu sein, wenn die Behauptung immer wieder ihre eifrigen Befürworter findet: “Es gibt gar keinen Teufel.”

Es ist nicht zufällig, daß im Volke von einem “armen” oder “dummen Teufel” gesprochen wird. Psychologisch liegt diesen Ausdrücken der Gedanke zugrunde, daß es wohl einen Teufel gibt, der aber so dumm ist, daß man ihn an der Nase herumführen könne. Diese Meinung findet, unbewußt, ihre schärfste Konsequenz in jenen Veranstaltungen (wie Maskenbälle usw.), die irgendein “Motiv” aus der Hölle zum Gegenstand haben. Wohl die wenigsten haben eine Ahnung, welch unheimliches Verschleierungsspiel Satan selbst in all diesen Verspottungen spielt: Ihm ist es ein Hauptanliegen, von den Menschen nicht ernst genommen zu werden, damit er sie um so sicherer in seine mannigfaltigen Fallen locken kann.

Dann wieder wird, wenn irgendein Mensch eine gewissenlose, gemeine Tat vollbrachte (wie z. B. der Massenmörder Kürten), von teuflischer Bosheit gesprochen. Damit will man andeuten, daß nur ein Teufel so grauenhafte Taten auszuführen imstande sei. Der Hinweis aber, daß damit ja ein personhaftes Satan Wesen angenommen werde, wird mit der üblichen Oberflächlichkeit übergangen. Auch hier finden wir wieder das Verschleierungsspiel der Finsternismacht; und die Menschen lassen sich immer mehr und immer hartnäckiger in den Glauben hineinführen, daß Satan nur eine dunkle, unbestimmte mythische Figur sei, der keine Wirklichkeit zukomme. Indessen geht Satan, der Fürst dieser Welt, in listiger Verschlagenheit zu Werk und sorgt in erster Linie dafür, daß das Interesse für das Wort Gottes abhanden kommt, um so den Boden vorzubreiten für den Aberglauben, für die Zauberei, den Spiritismus usw.

Was ist Aberglaube und Zauberei?

Aberglaube und Zauberei können nur da entstehen, wo der lebendige Gottesglaube fehlt. Noch jeder, der ohne Gott durch sein Leben gehen wollte, fiel dem Aberglauben anheim. Es ist bezeichnend, daß gerade diejenigen, die in ganz besonderer Weise berufen waren, die Welt “aufzuklären”, vom Aberglauben geradezu geknechtet waren, wie z.B. ein Voltaire. Dieser “Mann seines Jahrhunderts” kam immer betrübt von seinem Spaziergang heim, wenn er die Raben auf dem Felde zur Linken hatte krächzen hören. Auch der geniale englische Dichter Lord Byron war im höchsten Maße abergläubisch. Zeitlebens trug er an einer goldenen Kette eine goldene Kapsel auf der Brust. Nach seinem Tode wurde die geheimnisvolle Kapsel geöffnet, und was fand man? Eine winzige Pergamentrolle, die, in arabischer und türkischer Sprache abgefaßt, einen Vertrag zwischen König Salomo und dem Teufel enthielt. Man sollte meinen, daß Wissenschaft und Aufklärung, überhaupt die Bildung, vor Aberglauben schützen. Die Wirklichkeit zeigt jedoch in erschreckender Deutlichkeit, wie sich das Krebsübel des Aberglaubens und der Zauberei bis in die “höchsten” und “gebildetsten” Gesellschaftsschichten eingefressen hat.
Das, was die Bibel verkündet, wissen sie nicht. Was aber z. B. die Zahl 13 zu sagen hat, wissen sie sehr gut und richten sich mit erstaunlicher Genauigkeit danach ein. Wie ist es möglich, daß Menschen, sonst mit normalem Verstand, sich von einem Zahlengebilde derart versklaven lassen? Wo liegen da die  Ansatzstellen, die uns diese krankhaften Erscheinungen im Seelenleben erklären könnten? Wir wollen ja nicht in den alten Fehler verfallen und entweder den Aberglauben als einen Humbug darstellen oder verlachen, oder ihn psychologisch erklären, weil diese Methoden an der Sache vollständig vorbeizielen. Zudem wäre das Geheimnis der unglaublichen Beharrlichkeit, womit der Aberglaube sich in der Seele des Menschen festnistet, nicht erklärt. Denn es soll nur einmal ein vom Aberglauben Versklavter aus eigener Kraft versuchen, den Aberglauben von sich zu weisen; er wird das Vergebliche seines Bemühens bald einsehen müssen.

Der Aberglaube und jegliche Zauberei ist nichts anderes als ein Gewächs der Hölle, eine Folge der intensiven Tätigkeit Satans, die Menschen von Gott wegzuziehen und sie zur Unfreiheit und zuletzt zum seelischen Tod zu führen, damit, wenn die Stunde des Sterbens kommt und die Sündenerkenntnis wach wird, jede seelsorgerliche Hilfe vergeblich ist. Auf unglaublich geschickte Art stellt er die Schlingen des Aberglaubens und der Zauberei, und wehe dem, der von ihnen gefangen wird; die Folgen sind furchtbar.

Wir wollen nun unser Augenmerk auf die charakteristischen satanischen Schlingen richten, und möge uns Gott sehende Augen geben, die Hintergründe der Hölle zu erkennen!
 
Aberglauben im allgemeinen und im besonderen

Wenn vier Personen einander über das Kreuz die Hand reichen. Weiße Rosse in die Hand stempeln. Aufgestengelter Kaktus. Die weißen Blätter bestimmter Pflanzen. Fallen eines Messers auf den Boden, das steckenbleibt. Der fallengelassene Brocken in die Tasse. Ohrenläuten. Ein kleines Kind darf nicht durchs Fenster ins Haus oder aus dem Haus genommen werden. Begegnung mit einer Frau als erste Person beim Ausgang. Die schwarze Katze, die über den Weg springt. Das Liegen der Nägel mit der Spitze nach oben oder nach unten. Drei blühende Kornähren durch den Mund gezogen. Gesangbuch oder Bibel unter dem Kopfkissen. Wenn das Antlitz einer Leiche auf einen Spiegel fällt. Die Seelen ungetaufter Kinder. Das Schließen der Türen in “Gott’s Namen”. Legen von Brandbriefen in das Gebälk; Legen von Äpfeln; das Vergraben bestimmter Gegenstände u. a. m.

All diese Handlungen, Vorfälle und Begebenheiten haben ihre besonderen Bedeutungen, die gewöhnlich peinlich genau beachtet werden und die weitgehend den Menschen in seiner Handlungsweise beeinflussen.
Man könnte diesen Katalog des Aberglaubens beliebig vermehren und ganze Seiten voll schreiben. Die wenigen Beispiele mögen jedoch genügen und uns zeigen, wie unheimlich üppig das satanische Unkraut wuchert.

Hufeisen an Türen oder Schwellen befestigen. Damit soll das Unglück vom Hause gebannt und dem Glück Tür und Tor geöffnet werden. Sehr oft werden die Hufeisen auch an Sträuchern auf dem Felde oder im Garten aufgehängt gegen Unwetter oder anderen Schaden.

Tagewählen. Um gewisse Handlungen oder Reisen zur Zufriedenheit und mit Erfolg ausführen zu können, werden ganz bestimmte Tage ausgewählt. An einem Mittwoch z. B. darf nicht geheiratet werden. Der Montag soll immer ein Unglückstag sein, und am Freitag kann eine Reise unglücklich enden.

“Unberufen.” Aussprechen dieses Wortes, um damit zu verhüten, daß das Unglück oder die Krankheit usw., von der man gerade spricht, einen selbst anfällt.

Unglückszahlen. Die sieben und vornehmlich die 13. Viele von der Zahl 13 Belastete würden nie in einer Gesellschaft mitmachen, wenn sich zufälligerweise diese Gesellschaft aus 13 Personen zusammensetzt, weil sonst irgendein Unglück eintreten könnte. In zahlreichen Hotels sucht man vergeblich nach dem Zimmer Nummer 13, da eine sehr große Zahl der Reisenden das Risiko nicht auf sich nehmen will, in einem Zimmer Nummer 13 zu schlafen.

Himmelsbriefe. Es sind dies Briefe, die angeblich vom Himmel gefallen sein sollen; sie werden gerne gekauft von denen, die von ihnen Schutz erhoffen. Der Himmelsbrief ist besonders im Weltkrieg von den Soldaten getragen worden als Talisman gegen Kugeln und Granaten.

Kettenbriefe, die einem von unbekannter Seite zugesandt werden mit der Aufforderung, sie abzuschreiben und an sieben oder neun verschiedene Adressen weiterzusenden. Wird die Kette unterbrochen, dann folgt “unfehlbar” die Strafe; wird sie nicht unterbrochen, so wird am siebten bzw. neunten Tag oder innerhalb eines bestimmten Termins die Belohnung folgen.

Vogelgeschrei. Rufe des Kuckucks haben ihre besondere Bedeutung, der krächzende Laut der Krähe hat eine andere und der Schrei des Käuzleins wieder eine andere. Ängstlichen Herzens werden die verschiedenartigen Schreie gedeutet, und die Furcht will nicht aus der Seele weichen, bis die Gefahr vorüber oder das gefürchtete Ereignis eingetreten ist.

Bleigießen in der Neujahrsnacht, um auf Grund der verschiedenen Figuren festzustellen, was einem im neuen Jahr erwartet.
Traumbücher zur Deutung der Träume. – Punktierbücher, aus denen man in schwierigen Fällen “Rat” holen kann, indem man sie mit Nadeln durchsticht; wo die Spitze hinkommt, steht die Auskunft.
Werfen von Münzen und dergleichen Gegenständen, um den Entscheid herbeizuführen bei schwierigen Fragen.
Zukunft befragen in irgendeiner Form, wie z. B. auf Jahrmärkten oder bei anderen Gelegenheiten, wo man sich Briefe oder Zettel durch einen Papagei geben läßt oder selber zieht.
Astrologischer Kalender.
Siderischer Pendel. Pendeln über Lebensmitteln, Medizinen, Photographien, Hühnereiern (zum Erraten des Geschlechts). Pendeln über Kranken zur Bestimmung der Krankheit usw.
6. und 7. Buch Mose.
Christliche Wissenschaft, die durch ihr Gesunddenken nicht nur leidende Menschen “gesund” macht, sondern auch krankes Vieh zu “heilen” weiß. Theosophie, Anthroposophie, Bibelforscher, Adventisten, Christliche Wissenschaft, Mazdaznan, Neuapostolen, Mormonen, Neugeistbewegung, Lorber, Yoga.  – All diese Irrlehren sind im Grunde abergläubische Lehren und bewirken einen Bann.

Zauberei

a) Mantik (Wahrsagerei)  –  Wahrsagen aus den Karten, aus den Linien der Hand; wahrsagen auf Grund der Maximplanchetten, des Wahrsagespiegels, eines Kristalls, zweier Stäbchen, des Kaffeesatzes, der aufsteigenden Perlen im Wein usw.

Astrologie (Sterndeuterei). Sie sagt durch Horoskope die Zukunft voraus und gibt Anleitung, welche Handlungen mit Erfolg gekrönt sind und welche Angelegenheiten erst später erledigt werden dürfen.

Spiritismus: Verkehr mit Geistern. Dazu gehört: Tischrücken, Tischklopfen, Psychographie (Vermittlung schriftlicher Kundgebungen aus dem Geisterreich vermittelst eines kleinen Tischchens oder mit einem storchschnabelähnlichen Apparat, auf den man die Hand legt).  –  Wünschelrute und Siderisches Pendel (gehören zugleich in das Gebiet der Magie).


b) Magie

Amulette tragen am Halse oder Körper. Auch Fingerringe und Ohrringe tragen gegen böse Augen gehört hierher.
Sympathie: auch “Büßen”, “Böten”, “Brauchen”, “Bepusten”, “Vertun”, “Segnen”, “Besprechen” genannt. Bei Krankheiten in der Familie oder im Stall wird zu diesen Mitteln gegriffen, sei es, daß man selber die vorgeschriebenen Formeln hersagt und die geheimnisvollen Riten vornimmt, sei es, daß man sich an einen Besprecher (Wunderdoktor) wendet oder bei einer “weisen” Frau Hilfe holt.
Heilmagnetismus. Das Bestreichen Kranker mit den Händen.  –  Hypnose, Suggestion, Autosuggestion (Couéismus).

Die Wirkungen des Aberglaubens

Der Aberglaube ist die Religion Satans, und wer dieser Religion Glauben schenkt, bekennt sich zu ihrem Urheber. Der Abergläubische will davon allerdings nichts wissen, weil er seinen Aberglauben als harmlos betrachtet, und sehr oft begegnet man der Merkwürdigkeit, daß gerade die, die vom Aberglauben stark belastet sind, behaupten, nicht abergläubisch zu sein. Andere sehen im Aberglauben nur eine Spielerei, die nicht ernst zu nehmen ist. Und wieder andere meinen, daß im Aberglauben doch erfahrungsgemäß etwas Wahres enthalten ist. So wogen die Meinungen, Ansichten, Vorstellungen und Behauptungen hin und her, ohne daß je eine klare Einsicht gewonnen würde. Wir können denn nicht umhin, die satanische Hintergründigkeit des Aberglaubens aufzudecken.

Aberglaube bedeutet in der Begriffsbestimmung: ein Zuviel des Glaubens. Das will nicht heißen, daß der, der vielen und großen Glauben hat, abergläubisch sei. Das “Zuviel” des Glaubens als Aberglaube wird uns erst verständlich, wenn wir die Heilige Schrift, als die Offenbarung Gottes, zum Maßstab unseres Glaubens nehmen. Damit wird sofort deutlich, was zuviel, d. h. was in unserem Glauben Aberglauben ist. Der Aberglaube ist somit nichts anderes als eine vom Wort Gottes losgelöste Glaubensmeinung. Im Paradies nahm der Aberglaube seinen Anfang. Dort setzte der Satan dem Wort Gottes das ..aber” entgegen: “Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.” Adam und Eva glaubten dem satanischen “Zuviel” und fielen.

Der Aberglaube ist bis heute ein sehr wirksames Mittel in der Hand Satans geblieben, die Menschen von Gott fernzuhalten. Der Fürst dieser Welt ist Psychologe genug, um zu wissen, daß der Mensch einen Gegenstand des Glaubens haben muß; denn es gibt schlechterdings keinen einzigen Menschen, der nicht an irgend etwas glaubt. Sogar der Atheist glaubt an seine Gottlosigkeit. Deshalb kann das “Organ” des Glaubens dem Menschen zum Segen gereichen oder aber, wenn es irregeleitet wird, zum Fluch, zur Verdammnis. Mit großer Geschicklichkeit weiß Satan sich dieses Organ dienstbar zu machen. Er bietet ihm einen Ersatz, ein Zuviel an, das nach außen sehr harmlos ist, im Grund aber nichts anderes bedeutet als Trennung von Gott, Unfähigkeit, die göttlichen Wahrheiten aufzunehmen und zu verstehen. Die Erfahrung bestätigt immer wieder die Tatsache, daß Menschen, die vom Aberglauben besessen sind und nicht davon lassen wollen, nie zum wahren Christusglauben durchzudringen vermögen.

Immer führt der Aberglaube in Gebundenheiten hinein, die in einer knechtischen Furcht zum Ausdruck kommen, wie z. B. bei der Zahl 13, oder wenn eine schwarze Katze den Weg kreuzt, oder beim Vogelgeschrei usw. Aber nicht die Zahl 13, die schwarze Katze oder das Vogelgeschrei an sich erzeugen die Furcht, die Angst, die Gebundenheit im Menschen, sondern die teuflische Macht, die dahintersteckt, die nichts unversucht läßt, die Menschen in ihre Gewalt zu bringen.

Nicht nur die sklavische Furcht ist eine Wirkung des Aberglaubens, sondern auch das Unvermögen, diese Furcht durch einen Willensakt von sich zu weisen.

Eine andere Wirkung des Aberglaubens ist die Unfähigkeit, einer ernsthaften biblischen Auseinandersetzung zu folgen. Gewöhnlich fehlt das Konzentrationsvermögen, so daß schon nach einigen Minuten der Gedankengang wie ein Kleid am Dornstrauch hängenbleibt und nicht mehr weiterkann; oder es wird versucht, unvermittelt auf ein anderes Thema überzuspringen. Dann wieder gibt es Abergläubische, die wohl   und das oft mit großer Vorliebe   auf religiöse Gespräche eingehen. Aber das Endergebnis ist immer der Anfang¬ der Unklarheit, Unerlöstheit, ein Durcheinander von Vernunft, religiösen Empfindungen und unverstandenen Bibelsprüchen. Die biblischen Wahrheiten vermögen weder Trost noch Wegleitung in die gottentfremdeten Herzen zu bringen; denn der Aberglaube wirkt wie ein Panzer, an dem die Pfeile des göttlichen Wortes abprallen.

Die Wirkungen der Zauberei

a) Mantik (Wahrsagerei)

Die Zauberei ist der in die Tat umgewandelte Aberglaube. Es genügt Satan nicht, daß der Mensch auf der “Vorstufe” des Aberglaubens stehenbleibe, er will ihn noch mehr in seine Gewalt bekommen; deshalb gibt er ihm Gelegenheit, seinen Aberglauben in die Tat umzusetzen, sei es auf dem Weg der Mantik oder der Magie.

In einem der neuesten Pariser Adreßbücher zählt man über 4000 Wahrsager und Kartenschläger. Leipzig kennt deren 250. Schon nur diese beiden Zahlen lassen uns aufmerken; denn wenn in einer Stadt so viele Wahrsager existieren können, dann müssen sie auch ihre Kundschaft haben. Und sie haben ihre Kundschaft, diese Wahrsager, vom ärmsten Straßenkehrer bis zum “vornehmsten” Reichen; sie alle wollen den Schleier ihrer Zukunft gelüftet wissen.

Gewöhnlich wird die Wahrsagerei von denen, die ihre furchtbare Wirklichkeit nicht kennen, als Unfug oder Bauernfängerei bezeichnet. Diese Urteile sind oberflächlich. Wir brauchen nur die Frage zu stellen, woher es denn komme, daß die Wahrsager oft mit unheimlicher Genauigkeit über die Vergangenheit und Zukunft ihres Klienten Auskunft wissen, um zu zeigen, daß die Wahrsagerei kein Unfug und keine Bauernfängerei ist. Gewiß trifft das “Wahrgesagte” in unzähligen Fällen nicht ein. Das will jedoch nicht sagen, daß der Wahrsager nicht wahr gesprochen hätte. Diese Bemerkung mag in ihrer geheimnisvollen Wendung etwas wichtig klingen. Doch wir werden bald erfahren, was damit gemeint ist.

Die Wahrsager stehen ausnahmslos unter der Führung und Leitung der Macht der Finsternis. Diese ist es, die ihnen das unnatürliche Wissen vermittelt. Zum näheren Verständnis sei Epheser 6,12 erwähnt: “Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.” Was uns zunächst an dieser Bibelstelle auffällt, ist der Schluß: “Mit den bösen Geistern unter dem Himmel.” Die bösen Geister unter dem Himmel sind es, die uns kontrollieren in all unserem Tun und Lassen, in all unserem Denken und Handeln. Sie kennen unsere Vergangenheit und Gegenwart besser als wir selber. Die bösen Geister sind es also, die den Wahrsagern ihr Wissen über uns vermitteln. Was nun die Zukunftswahrsagerei anbelangt, so haben die bösen Geister über die, die sich durch die Sünde des Wahrsagenlassens dem Fürsten der Finsternis auslieferten, eine gewisse Macht, d.h. die Finsternisgeister vermögen die Zukunft jedes durch die Wahrsagerei gebundenen und geschwächten Menschen entscheidend zu beeinflussen. Insofern ist die Zukunftswahrsagung, wenn sie auch nicht eintrifft, doch wahr, weil die bösen Geister, wenn ihnen die göttliche Macht nicht entgegenträte, die Wahrsagung wahr machen würden. Nichtsdestoweniger hat auch eine “unwahre” Wahrsagung ihre furchtbare Wirkung. Denn letztlich kommt es in der Wahrsagerei nicht darauf an, ob das Wahrgesagte in Erfüllung geht oder nicht, sondern darauf, daß der Mensch in die Gewalt Satans kommt, und das ist immer der Fall, wenn sich ein Mensch wahrsagen läßt.

Eine besondere Art des Wahrsagens ist die Astrologie mit ihren Horoskopen, die auf “wissenschaftlichem” Boden arbeitet. Wie bei der Sympathie Satan sich hinter einer religiösen Maske verbirgt, so versteckt er sich bei der Astrologie hinter die “Wissenschaftlichkeit”. Der Fürst dieser Welt ist in allen Lagen allen Menschen, allen Wünschen gewachsen. Wenn das eine nicht verfängt, so doch ganz sicher das andere. Für jede Kopfgröße, ob dumm oder gebildet, hat er eine Kappe. Wehe aber, wer sich auf diesem “wissenschaftlichen” Weg eine Teufelskappe anziehen läßt! Er hat es seelisch und körperlich, zeitlich und ewig zu büßen. Wie heißt es doch Jesaja 47, 13. 14: “Du hast es dir sauer werden lassen mit deinen vielen Beratungen: laß sie doch auftreten und dich retten, die Himmelsvermesser, die Sterngucker, die nach den einzelnen Neumonden feststellen, von wo die Geschicke dich treffen! Fürwahr, sie sind wie Spreu geworden, die das Feuer verzehrt hat; sie können ihr eigenes Leben nicht von der Gewalt der Flammen retten” (Menge Übersetzung). Und heißt es da nicht aufmerken, wenn wir weiter in Jesaja 44, 24. 25 lesen: “Ich bin der Herr, der alles tut, der den Himmel ausbreitet allein und die Erde weit macht ohne Gehilfen; der die Zeichen der Wahrsager zunichte und die Weissager toll macht; der die Weisen zurückkehrt und ihre Kunst zur Torheit macht, bestätigt aber das Wort seines Knechts.”

Auch das Handlesen und das Kartenschlagen haben Wirkungen, die erschütternd sind. Da kommt eines Tages eine Witwe weinend in die Sprechstunde. Die Schwermut hatte, trotzdem sie ein Kind Gottes war, ihr ganzes Aussehen gekennzeichnet. Auf meine Frage, was ihr fehle, antwortete sie, daß ihr Mann und ihr einziger Sohn innerhalb von drei Monaten gestorben seien; sie wisse sich nicht mehr zu helfen. Nun wurde mir aber klar gezeigt, daß nicht die beiden Todesfälle die Ursache der Schwermut waren, sondern etwas ganz anderes. Ich fragte sie ganz unvermittelt: Haben Sie sich in früheren Jahren einmal die Hand lesen lassen?” Nach kurzem Besinnen antwortete sie, daß sie dies als zweiundzwanzigjährige Tochter tatsächlich getan habe. Ich machte sie dann darauf aufmerksam, daß nicht der Tod ihrer beiden Lieben sie in den Zustand der Schwermut gebracht hätte, sondern ihre Sünde des Unglaubens und der Zauberei. Sie beugte sich und tat Buße. Ein Jahr später erhielt ich einen Brief, worin sie mir mitteilte, daß sie, trotzdem sie einsam sei, in ihrem ganzen Leben nie so glücklich gewesen sei wie jetzt, nachdem der Bann von ihr gewichen sei.

So gibt es viele Gotteskinder, die in ihrem Alter wegen irgendeines äußeren Anlasses in die Schwermut hineingeraten. Weil sie nicht erkennen, wo die eigentliche Ursache verborgen ist, laufen sie zu Nervenärzten, ohne daß ihre Not gelindert würde! Sehr oft meinen diese bedauernswerten Opfer Satans, daß eine in der Jugend begangene Zaubereisünde im Alter sicherlich keinen Einfluß mehr haben könne. Nun, Satan hat bei dieser Witwe 43 Jahre lang gewartet, bis er seine Attacke ausführte. Er wartet oft deshalb so lange mit seinen Angriffen, damit die begangene Sünde möglichst der Vergessenheit anheimfalle, auf daß eine Rettung nicht mehr möglich sei.

Ein anderes Beispiel möge zeigen, wie entsetzlich gefährlich sich die Zauberei auswirken kann. Ein älteres Fräulein besuchte meine Sprechstunde. Ihr ganzer Körper wurde von Weinkrämpfen erschüttert. Endlich sagt sie, daß sie nicht mehr schlafen könne und daß böse Geister sie beunruhigen. Im Laufe des Gesprächs stellte es sich heraus, daß sie sich tief im Sumpf des Aberglaubens und auch der Zauberei befand. Sie bekannte alles, aber sie konnte die Erlösung nicht fassen. Ich versuchte mit ihr zu beten; doch spürte ich sofort die unheimliche dämonische Macht. Nach acht Tagen suchte sie mich wieder auf. Ihr Aussehen hatte sich zum Erschrecken verändert   sie wurde unaufhaltsam von den Dämonen in Besitz genommen. Ich konnte ihr keine Hilfe mehr bringen. Zwei Monate später sah ich sie im Spital; sie lachte in einem fort ins Leere; es war ein entsetzliches Lachen. Kurz darauf mußte sie der Irrenanstalt überwiesen werden!

b) Die Magie

Die Magie ruft durch die dunkeln Mächte Wirkungen hervor, die dem Menschen in seiner Not oder in seiner Krankheit helfen sollen. Eins der gewöhnlichsten Mittel ist das Umhängen von Amuletten. Sie werden immer von Wunderdoktoren oder “weisen” Frauen verkauft, und ihre Wirkungen sind oft verblüffend. Hier zwei Beispiele. Ein Mädchen litt an einer gefährlichen Krankheit. Nachdem die ärztliche Kunst versagt, bringen es die Eltern zu einem Besprecher, der dem Kind ein Amulett um den Hals hängt. Das Mädchen wird bald darauf gesund. Nach einigen Jahren kommt die junge Tochter in eine Evangelisation unter das Wort Gottes; sie wird innerlich geweckt, kann aber keinen Frieden finden. Schließlich bekennt sie, daß sie ein Amulett um den Hals trage. Als man es öffnete, fand man einen Streifen Papier, darauf geschrieben stand: “Satan, ich gebiete dir, diese Seele zu verschonen, bis du sie in den Abgrund holst.”

Ein Missionar litt während einer Eisenbahnfahrt an starken Zahnschmerzen. Ein Mitreisender bot ihm einen unbedeutenden Gegenstand an, mit dem er die schmerzhafte Stelle bestreichen solle. Gesagt, getan; der Schmerz war weg. Im Gasthof, wo der Missionar übernachtete, öffnete er den Gegenstand und fand darin geschrieben: “Im Namen Gottes verschreibe ich mich dem T . . .” Er bat Gott um Vergebung für die unbewußte Sünde und um Rückkehr der Schmerzen, die sich wieder einstellten.

Es handelt sich also hier nicht um einen psychologisch verständlichen Vorgang, wie die Wissenschaft beliebt anzunehmen, sondern um eine Einwirkung satanischer Kräfte und Mächte, die vom Menschen dadurch Besitz nehmen, daß sie ihm in seiner Not helfen.

Ein weiteres Mittel Satans, die Menschen unter seine Gewalt zu bringen, ist die Sympathie (auch Büßen, Böten, Bepusten, Brauchen, Segnen, Besprechen genannt). Das Mittel der Sympathie findet seine Anwendung gewöhnlich bei Krankheit, sowohl bei Menschen wie beim Vieh. Wenn die ärztliche Kunst versagt, wird die Zuflucht zu einem Wunderdoktor oder zu einer “weisen” Frau genommen.

In den meisten Fällen wird die Sympathie in enge Verbindung gebracht mit der heiligen Dreieinigkeit oder mit der Bibel. Dadurch werden viele irregeführt, indem sie meinen, wenn etwas im Namen Gottes oder gar in den drei höchsten Namen gemacht werde, könne es doch nicht böse sein. Diese Meinung ist eine der gefährlichsten Irreführungen Satans. Wenn das Besprechen in Teufels Namen geschähe, würden wohl alle vor dem Mittel der Sympathie zurückschrecken. Weil es aber mit dem frommen Mittel religiöser Formen geschieht, sieht man darin nichts Verdächtiges. So verstellt sich der Satan auch hier in einen wohltätigen Engel des Lichts und bringt mit seiner frommen Maske Tausende und Millionen unter den furchtbaren Bann der Zauberei, und zwar nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder, die von ihren Eltern in unverantwortlich sündhafter Weise zum Besprecher gebracht wurden. Es ist oft herzzerreißend, sehen zu müssen, wie besprochene Kinder, die später vom Wort Gottes ergriffen, lange vergeblich nach Frieden ringen. Ihr Eltern, welch un¬geheure Verantwortung! Eure eigenen Kinder werden euch dereinst anklagen und wider euch zeugen.

Weit verbreitet unter dem Volk ist die Anwendung von Sympathie durch die Zauberbücher (wie 6. und 7. Buch Mose u. a.), wie denn überhaupt das Zauberbuch das Lehrmittel für die Zauberei ist. Da gibt es ein Zauberbuch, betitelt: “Heiliger Segen zum Gebrauch frommer Christen”, und als Untertitel führt es an: “Um in allen Gefahren, worin sowohl Menschen als Vieh oft geraten, gesichert zu sein.” Ist es zu verwundern, wenn so viele “fromme Christen” in guten Treuen zu einem solchen Buch greifen, um so mehr, da die darin enthaltenen Formeln gespickt sind mit “heiligen” Worten? Am Schluß einer Zauberformel heißt es z.B., daß noch drei Vaterunser gesprochen werden müssen, oder um einen anderen Zauberspruch wirksam zu machen, sei es nötig, dreimal des Morgens und des Abends zu sprechen: “Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.” Wieder ein anderes Rezept schreibt vor, einen Zettel, auf dem gewisse Zauberworte geschrieben stehen, zwischen die Blätter der Bibel zu legen, um von gewissen Krankheiten los zu werden.   Auf diese Weise kommen ganze Familien, ganze Dörfer, ja ganze Gegenden unter den Bann der Zauberei, unter die Gewalt Satans.

Die Heilungen, sowohl bei Menschen als beim Vieh, durch das Mittel der Sympathie, gleichgültig, ob durch die Wunderdoktoren, die “weise” Frau oder von einzelnen angewandt, sind oft überraschend prompt. Aber die, die sich mit der Sünde der Zauberei beflecken, wissen nicht, daß sie im wahren Sinn des Wortes den Teufel durch Beelzebub austreiben und daß sie durch diese Abgötterei ihr Herz geradezu zu einer Residenz Satans machen.

Ein rechtschaffenes, gläubiges Ehepaar befand sich ständig unter einem Schwermutsdruck. Sie weinten viel: er oft im Stall, sie in der Wohnung und manchmal beide miteinander. Sie konnten sich ihren Zustand einfach nicht erklären. Nach einer gründlichen Aussprache bekannten sie mir folgendes: Das erste Kind, das ihnen geboren wurde, wies einen starken Leistenbruch, der eine Operation nötig machte, auf. Eine “weise” Frau, die das hörte, gab dem Ehepaar den Rat, dem Neugeborenen etwas von seinen Haaren und Fingernägeln abzuschneiden und beides in ein Stück Papier zu wickeln und das Weitere möchte ich lieber nicht erzählen. Als der Vater, nachdem er genau nach Vorschrift der “weisen” Frau gehandelt hatte, um Mitternacht nach Hause kam, da war der Leistenbruch geheilt. Ein zweites Kind wurde ihnen geschenkt, das ebenfalls den Leistenbruch aufwies. Wiederum handelte der Vater genauso wie beim ersten Kind, und der Leistenbruch war von Stund an beseitigt. Genau dasselbe geschah bei dem dritten Kind. Die beiden Eltern hatten sich böser Zaubereisünden schuldig gemacht. Kein Wunder, daß die Schwermut sie heimsuchte und sie immer mehr in ihre Gewalt bekam. Sie wurden dann frei, nachdem sie ihre Zaubereisünde dem Herrn bekannten und sich vom Blut Jesu Christi reinigen ließen.

Hier ein weiteres sehr instruktives Beispiel von einem Prediger. Er schreibt mir:

“Um meine dreißiger Jahre herum war ich gesundheitlich sehr angegriffen. Ärzte, die ich besuchte, konnten mir nicht helfen. So entschloß ich mich, in Bern einen Spezialisten aufzusuchen. Ich begab mich eines Tages auf die Reise. Unterwegs traf ich einen Freund, einen eifrigen Versammlungsbesucher. “Wo willst du hin?” redete er mich an. “Zu einem Spezialisten für Magen, Darm und Herz , war meine Antwort. “Höre auf meinen Rat”, entgegnete er. “Fahre sogleich nach F. zu einer Frau St. Sie ist eine eifrige Katholikin, aber fromm und gottesfürchtig.”

Ich beschaffte mir sofort eine Fahrkarte nach F. und kam um den Mittag sehr elend beim “Doktorhäuslein” an. Frau St. empfing mich mit den Worten: “Mein Herr Sie hatten die höchste Zeit, zu mir zu kommen; denn Sie sind am Rand des Todes.” Man führte mich ins Zimmer und hieß mich auf das Ruhebett abliegen. Ein zubereitetes Medikament sollte mich stärken. Unterdessen rüstete sie auch die Medikamente, die ich mit nach Hause nehmen sollte: Tee und Tropfen. Nach drei Wochen war ich wirklich ein ganz anderer Mensch. Es dünkte mich, ich möchte springen und über Zäune hüpfen, und ich hatte volles Vertrauen zu dieser Frau, die so schön über Gott und seine Führungen zu mir sprach. Nach drei bis vier Wochen ging ich wieder und wollte eine fromme leidende Tochter mitnehmen. Aber am Tag vorher sagte sie, sie hätte nicht Freudigkeit; sie hätte darüber gebetet und könne nicht kommen. Ich ging allein. In Freiburg angekommen, bemerkte mich die Frau St. nicht, da ich ja das Wartezimmer kannte. Wie ich da sitze, höre ich, wie die Frau St. bei einer Patientin schimpfte und fluchte. Das gefiel mir nicht. Wieder rüstete sie für mich die Mittel, und etwas entrüstet verließ ich das Haus. Es vergingen wieder drei bis vier Wochen.
Guten Muts verließ ich eines Tages meine Wohnung, um im benachbarten Dorf Besuche zu machen und Versammlung zu halten. Schon im Lauf des Nachmittags überfiel mich eine ungeheure Angst. Als ich nach der Abendversammlung den langen Heimweg antrat, kam die Angst wieder. Abends  20 Uhr kam ich nach Hause. Wie ich die Treppe hinaufsteige, die Türfalle in der Hand halte, war es mir, ich vernehme eine deutliche Stimme, die rief: “Heute nacht mußt du sterben.” In meinem Zimmer sah ich noch einige Korrespondenzen nach und ging dann ins Bett. Es fehlte mir weiter nichts. Kaum eine Viertelstunde im Bett, kam die ungeheure Angst wieder. Ich spürte, wie das Leben in meinen Füßen wich; sie waren eiskalt und weiß. Ober den Rücken liefen mir kalte Schweißtropfen. Ich sagte zu meiner Frau: “Ich muß sterben; betet für mich!” Sie holte im Nachbarhaus nachts 12 Uhr fromme Geschwister, um für mich zu beten. Bevor aber diese da waren, wurde mein Leib zum Spielball der bösen Mächte. Ich zitterte an allen Gliedern so mächtig, daß es das Bett schüttelte und sogar auch meine Frau schüttelte, die wieder neben dem Bett stand. Die Geschwister kamen und beteten, und ich wurde wieder ruhiger. Morgens 7 Uhr kam der Arzt. Er untersuchte mich und sagte: “Ich finde nichts; Sie müssen irgend etwas erlebt haben, das auf Sie mächtigen Einfluß hat.” Ich sagte, es sei mir nichts bekannt. Nach einigen Tagen wiederholte sich dasselbe. Wieder war der Arzt zugegen. Er sah, wie mein Körper zitterte; und wie ich wieder ruhiger wurde, meinte der Arzt: “Herr R., ich hab’s gefunden. Ich sehe, Sie sind ein ernster Mann, Sie nehmen die Sache zu ernst; lassen Sie fünfe grade sein!” Der Arzt glaubte also, daß es sich hier um Schwermut handeln könnte, was aber nicht der Fall war.

Ich dachte der Sache nach und kam zu der Erkenntnis, daß es sich hier um satanische Mächte handeln mußte, die mich töten wollten. Aber Gottes Gnade waltete über mir und wollte mich retten. Daraufhin nahm ich die vorhandenen Mittel und warf sie zum Fenster hinaus. Ich nahm meine Zuflucht zum Blut Jesu, das mich völlig rettete.

Mein Erlebnis erzählte ich dann meinem Freund (der mich zu dieser Frau St. nach F. wies) und warnte ihn vor dieser “frommen” Frau; doch wollte er nicht hören. Einige Wochen darauf erkrankte dieser mein Freund. Der ihn behandelnde Arzt Dr. K. äußerte sich zu Pfr. G., er glaube nicht, daß X. Y. selig sterben werde, es seien ganz böse Mächte über ihn gekommen.”

Dieses Beispiel zeigt so recht deutlich, wie auch gläubige Menschen vielfach die große Gefahr der Zauberei, die überall von diesen düsteren “Wundermannli” und “Doktorinnen” ausgeübt werden, nicht erkennen, um dann, wenn sie für diese Sünde nicht Buße tun, trotz “Bekehrung” verlorenzugehen.

Überall, in der ganzen Schweiz, sind diese gefährlichen Heilkünstler vertreten.

Eine besondere Gruppe der Zauberei (Magie) bildet der Heilmagnetismus und die Hypnose. Beide segeln, wie die Astrologie, unter der Flagge der Wissenschaftlichkeit. Wie lassen sich doch die armen kranken nach Heilung suchenden Menschen von der Finsternis beeinflussen. Gott, die lebendige Quelle, verlassen sie und suchen Heilung in den giftigen, stinkenden Gewässern. Wohl werden viele durch die Hypnose und durch den Magnetismus geheilt. Aber diese Gesundung ist teuer erkauft; denn auch hier bestätigt es sich, daß der Teufel durch den Beelzebub ausgetrieben wird.

Sehr zu warnen ist auch vor der Hypnose als Belustigung, wie dies in allen größeren Städten und Dörfern von Hypnotiseuren von Zeit zu Zeit praktiziert wird. Einsichtige Ärzte warnen davor, indem sie von einer Schädigung des Gemüts und des Willens sprechen. Doch was nützt das, wenn “sachverständige” Professoren in ihrem wissenschaftlichen Übereifer z. B. einen Sabrenno mit ihrer Autorität decken!
Matuschka, der Eisenbahnattentäter von Bia Torbagy und Jüterbog, ist wohl allen bekannt. Was hat ihn denn mit unheimlicher Gewalt zu den Eisenbahnschienen hingezogen und was hat ihn zum Verbrecher gemacht? Es war ein Hypnotiseur, der ihn als fünfzehnjährigen Jungen zur Belustigung der Zuschauer auf einem Stuhl Eisenbahn fahren ließ. Seit jener Stunde war der bedauernswerte Knabe vollständig verändert. Jahrzehnte später, nachdem Matuschka zum willenlosen Werkzeug der Finsternismächte herangebildet worden war, geschahen die schrecklichen Unglücke, worüber sich die ganze Welt entsetzte. Dort auf jener Dorfbühne unter dem Einfluß des Hypnotiseurs geriet Matuschka unter die satanische Macht, und jener “Geist”, von dem er in den Gerichtsverhandlungen immer wieder redete, war nicht ein Phantasiegebilde oder eine Halluzination, sondern furchtbare, satanische Wirklichkeit, die allerdings von M. nicht und noch weniger von den Richtern erkannt wurde. Muß es nicht auffallen, daß der unglückliche Mensch immer von einem Zwang redete, der ihn so und nicht anders handeln ließ? Wer und was war dieser Zwang? Doch davon später.

Dr. Remmy schreibt über den Hypnotismus:

“Ob die Hypnose gesundheitsschädlich sei oder nicht, wird von den einen heftig bestritten, von den anderen als sicher bejaht. Tatsache ist, daß eine häufigere Vornahme der Hypnose nicht ohne Einwirkung auf das Nervensystem bleibt und der Anlaß für mancherlei Störungen werden kann. So hat man gerade nach solchen öffentlichen Vorführungen bei verschiedenen Personen Kopfschmerzen, Zittern, tagelanges Übelbefinden, Benommenheit, nervöses Zucken, alle möglichen angstvollen Zustände bemerkt. Sie litten an Einbildungen aller Art; vor allem aber glaubten sie noch in der Hypnose zu leben oder die Stimme des Hypnotiseurs zu hören, seine Augen oder seine Hand zu sehen, ja es wurden sogar hysterische Blindheit, schwere Erregungszustände aller Art mit erheblicher Erwerbsund Arbeitsstörung beobachtet. Es handelt sich dabei um Nervenstörungen, die in langwierige Geisteskrankheiten übergehen können.”

Spezielle Gebiete der Zauberei und des Aberglaubens


Rutengängerei

Viele sehen in der Rutengängerei (Wünschelrute) eine besondere Begabung; wenige wissen, daß die Wünschelrute nicht etwa auf besondere Erdstrahlungen in Verbindung mit den magnetischen Kräften des Menschen reagiert, sondern daß ganz andere Ursachen die Rute zum “Ausschlagen” bringen. Ein früherer Rutengänger schreibt mir:

“Ich muß Ihnen gestehen, daß ich viele Jahre selbst in der Rutengängerei gefangen war. Ich wurde als vierjähriger Bub von meinem Großvater mitgenommen, wenn er etwa eine streitige Marche mit der Rute suchen mußte. Ich war wohl über zwanzig Jahre alt, als mir der Gedanke “gegeben” wurde, ob mir wohl die Rute auch ziehen würde. Und richtig, sie funktionierte. Als junger Anfänger verlor ich einmal meinen Glaserdiamant, der mich Fr. 20 gekostet hatte. Das war damals für mich ein Kapital. Jetzt kam mir der Gedanke an die Rute, und siehe, sie zeigte mir den Platz, wo der Diamant lag.

Verheiratet, kaufte ich in der Gemeinde W. ein Heimetli. Der Brunnen war so vierzig Meter unter dem Haus. Mit der Rute fand ich dreißig Meter ob dem Haus eine alte Brunnenhöhle. Niemand wußte etwas davon; denn sie war eingestürzt.

Ohne von irgendeiner Seite aufmerksam gemacht zu werden, nur durch Gottes unbegrenzte Gnade, wurde ich unruhig, und ich erkannte, daß geistige Mächte mitwirken müssen. Ich verabscheute die Rute. Als ich in Zweifel und schließlich zum Entschluß kam, damit zu brechen, war aber der Teufel, dem ich gedient habe, nicht zufrieden. Er hätte für seine Hilfe auch gern den richtigen Lohn gehabt. Ich wies ihn auf den Hügel Golgatha, dort möge er den Lohn holen; mein Bürge bezahle ihn, ich sei bankrott. Der Teufel kam in stillen Nächten an mein Bett, blätterte laut in einem großen Buch, kratzte an den Wänden, warf kleine Steine mit Wucht im Zimmer herum. Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist. „Jetzt habe ich Ruhe.“

Derselbe schreibt in einem anderen Brief noch folgendes:

“Ich kannte einen Mann in der Gemeinde E., der, wenn er Besuch erwartete und nicht sicher war, ob er kommen würde, die Rute fragte, und sie gab ihm Auskunft. ja, er fragte sie auch bei einem Kuhhandel, ob er handeln solle oder nicht. Und jedesmal gab sie ihm Antwort.”

J. Meyer gibt in seinem Büchlein “Tust du es auch?” folgenden Brief seines Pfarrers wieder, der seiner Zeit versucht hatte, mit der Wünschelrute im Pfarrhaus eine Quelle zu suchen, wobei die Rute “tadellos” funktionierte:

“Als Sie mir in Ihrem Brief in liebenswürdiger Weise die Tatsache zu verstehen gaben, daß ich schon unter dämonischem Einfluß stehe, mußte ich lächeln. Ich bin 62 Jahre alt und kämpfe schon seit Jahrzehnten rücksichtslos gegen alles Dämonische und habe allerlei Erfahrungen gesammelt über dies unheimliche, aber wirkliche Gebiet. Als ich Ihre Broschüre gelesen hatte, hatte sie mich nicht überzeugt, daß auch hier Dämonisches vorliege. Aber nach langjähriger Erfahrung wandte ich mich in diesem zweifelhaften Falle an Jesus und bat ihn, daß, wenn etwas Dämonisches dabei sei, er die Wünschelrute unwirksam machen möge, nahm dann die Rute und ging mit ihr über die bekannten Wasserläufe, die sie seit zwei Wochen mit unfehlbarer Sicherheit immer auf derselben Stelle angesagt hatte, und sie funktionierte nicht mehr, worauf ich sie zerbrach und ins Feuer warf, wiederum um eine Erfahrung reicher, wie listig der Satan es anzufangen weiß, um die Menschen, die Jesus aus seiner grauenhaften Gefangenschaft in seine eigene herrliche Gefangenschaft gebracht hat am Kreuz, wieder zu gewinnen. Er mußte bei mir wieder fliehen.   Bei den Ausstrahlungen, die Sie erwähnten, erinnere ich mich daran, wie der listige Feind mir auch bei der Rute Ausstrahlungen plausibel machen wollte. In der Küche mit Zementfußboden, unter der ein Wasserlauf in der Tiefe sein sollte, standen über demselben zwei gefüllte Emailwassereimer. Rund um diese Eimer schlug die Rute kräftig nach unten, aber über den zwei Eimern reagierte sie nicht. Er wollte mir dadurch vortäuschen, daß Ausstrahlungen da wären, aber das Email die Strahlen abschirme.”

Wir sehen, daß die Rutengängerei ein gefährliches Ding ist. Wenn man auch versucht, der Wünschelrute das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umzuhängen, so ist und bleibt die Wünschelrute eben doch eins der vielen Mittel zum Zweck, nämlich die Menschen unter die Gewalt der Macht der Finsternis zu bringen.

Das Siderische Pendel

Wie die Wünschelrute, so spielt auch das Pendel eine große Rolle. Man glaubt, daß es auf Grund bestimmter Strahlungen von Gegenständen im Zusammenhang mit dem sogenannten tierischen Magnetismus möglich sei, Krankheiten zu diagnostizieren, Wasser  und Ölquellen zu finden und dergleichen mehr. Die oft großartigen und überraschenden Erfolge legen dem oberflächlichen Beobachter die Vermutung nahe, daß es sich um eine wissenschaftliche Entdeckung von großem Ausmaß handle.

Ein berühmter Pendler zeigt in seinem Buch “Comment j’opère”, was er durch das Pendel alles fertiggebracht habe, natürlich auf dem Weg “echter Wissenschaftlichkeit”. Hier mag eine kurze Auswahl der unglaublichsten Experimente folgen:

Auf Grund einer Photographie, die bependelt wurde, wurde eine Wasserquelle mit drei Minutenlitern in der Nähe des Hauses gefunden.

In Popoyan, Südamerika, steht ein Gymnasium vor dem Ruin, weil kein Wasser mehr vorhanden ist. In der Verzweiflung schreibt der Direktor dem berühmten Pendler in der Schweiz, daß er doch nach Popoyan kommen möchte, um nach Quellen zu forschen. Der Pendler hat keine Zeit hinzugehen, verlangte aber einen Plan des Besitztums, der ihm auch postwendend zugestellt wird. Nachdem der Plan (!) bependelt war, gab der Priester (es handelt sich bei diesem berühmten Pendler um einen katholischen Priester) genau den Ort und die Tiefe (28 Meter) einer Quelle an, die sich auf dem Besitztum vorfand. Sofort wurden Grabungen vorgenommen, und genau an dem bezeichneten Ort und in der angegebenen Tiefe sprudelte die Quelle, laut Bericht des Rektors Hermano Anaclet.

Das Pendel des berühmten Priesters vermag auch Krankheiten festzustellen; aber es ist nicht immer nötig, dag die Patienten anwesend sind; ein Photo des Kranken genügt, ja, wenn kein Photo zu haben ist, so genügt auch ein Kleidungsstück der kranken Person.

Weiter ist es dem Pendler möglich, auf Grund des Pendels festzustellen, ob jemand noch Besitzer des Blinddarms ist oder nicht.

Einmal hat einer seinen goldenen Ring in einer felsigen Gegend verloren. Nachdem ein Photo dieser Gegend bependelt wurde, konnte die genaue Stelle, wo der Ring sich befand, angegeben werden.
Eine junge epileptische Tochter ist eines Tages verschwunden. Die Mutter sendet die Photos ihrer Tochter nebst einigen Ansichtspostkarten des Wohnorts und der Umgebung dem Pendler. Die Antwort nach der Pendelarbeit lautete: “Ihre Tochter ist gestorben, und ich glaube am Rand eines Abgrunds von 30 Meter Tiefe, an dem Ort, den ich mit einem Kreuz auf einer der Ansichtskarten bezeichnet habe.” Die Antwort der Mutter lautete: “Mein armes Kind wurde gefunden. Der Körper war genau in der mir von Ihnen angegebenen Tiefe des Abgrunds, in den sie in einem Anfall hinunterstürzte”*. (*Das Pendel wird auch benutzt, um, pendelnd über eine geographische Karte von Europa, die wichtigsten Ereignisse, die sich das Jahr hindurch ereignen sollen, “herauszulesen”. Die Schweizer Illustrierte Zeitung (Nr. 53, 1937) brachte in großer Aufmachung die hellseherischen Ereignisse ihres Gewährmannes Wladimir Iwanoff, die dieser Pendler für das Jahr  ic)38 “prophezeit”. Wenn doch nur mehr Einsicht vorhanden wäre, solch seelenvergiftende Erzeugnisse in den Papierkorb wandern zu lassen, statt sie den Lesern vorzusetzen!)

Ein Geistlicher möchte gern Nachrichten von seiner Nichte haben. In Ermangelung eines Photos und eines Kleidungsstücks befiehlt der Pendler dem Geistlichen, die Augen zu schließen und konzentriert an seine Nichte zu denken. Nach einer Minute lautete die Antwort, wiederum auf Grund des Pendels: “Ihre Nichte befindet sich 1600 Kilometer nördlich von Genf; sie ist in diesem Augenblick in sitzender Stellung und ist herzkrank.” Diese Angaben entsprachen vollständig der Tatsache. Die Nichte befand sich in Stockholm, war herzkrank und saß gerade um die angegebene Zeit (15.30 Uhr), indem sie für sich nähte oder strickte.

Wer diese wenigen Fälle aufmerksam studiert, erkennt sofort den dämonischen Hintergrund des Siderischen Pendels; er sieht, wie die Dämonen der Luft zu dienstbaren Geistern werden, indem sie dem Pendler, gemäß einer bestimmten Gesetzmäßigkeit (der Teufel kann auch gesetzmäßig sein, wenn er seine Absichten verwirklichen möchte), die gewünschten Nachrichten zutragen (ohne daß er es merkt) und ihn so zu einem Wahrsager machen.

Unzählige sind schon dem Pendel verfallen und treiben damit vorwitzige Kunst, die einen mehr, die anderen weniger. Aber bezeichnenderweise sind alle der Meinung, daß es sich um eine wissenschaftliche Errungenschaft oder doch zum mindesten um eine harmlose Angelegenheit handle. Doch mögen auch die ersten Versuche mit dem Pendel, beispielsweise das Bestimmen des Geschlechts beim Ei usw., noch so harmlos scheinen, so ändert es nichts am dämonischen Charakter des Pendels. Denn wer die satanische Gesetzmäßigkeit, die auch in den harmlosesten Versuchen verborgen ist, sieht, der wird das Siderische Pendel wie eine feurige Kohle meiden. Alle, die sich durch das Pendel ihre Krankheit bestimmen lassen, geraten in einen Bann, der sich wie ein eiserner Ring um sie legt, ohne daß sie es vorderhand merken, um dann später mit Schrecken zu erkennen, was für eine furchtbare Fessel sie gefangenhält.

In dem schon erwähnten Buch wird auch folgender Fall erzählt: “Wir waren eines Tages in den Bergen. Ein Arzt unserer Reisegesellschaft wurde von einem Unwohlsein befallen, und er bedauerte es sehr, so weit von einer Apo¬theke weg zu sein. Ich (der Pendler) sagte zu ihm: Herr Doktor, auf dem Lande haben wir die Apotheke immer in der Nähe; suchen wir! Und das Pendel zeigte zehn Meter von hier an, daß in der angegebenen Richtung sich ein wirksames Heilmittel für sein Unwohlsein befinde. Er pflückte und aß die durch das Pendel angegebene Pflanze, und einige Stunden später beglückwünschte der Arzt den Pendler für seine glückliche Idee.”

Damit kommen wir auf ein Gebiet zu sprechen, das in unheimlicher Verborgenheit eingebettet ist: Es ist dies das Suchen der Heilpflanzen mit dem Pendel einerseits und andererseits das Bestimmen der Pflanzen durch das Pendel als Heilmittel gegen die verschiedenen Krankheiten.

Zum besseren Verständnis dessen, was wir ausführen möchten, sei vorerst folgende Stelle aus Pfarrer Blumhardts Schrift zitiert:

“Am nächsten daran, wiewohl vielleicht immer noch betrogen, sind diejenigen, welche vom Teufel, daß ich so sage, geradezu Geister zu Ratgebern erhalten, und die den Namen und das Alter von den hilfesuchenden Leuten verlangen, vermittelst deren sie sich bei den Geistern befragen. Diese Dämonen erscheinen ihnen durch gewisse Mittel, die sie anwenden.”

Weiter sei eine Stelle wiedergegeben aus “Der Geisterhannesle”: “Schon in früher Kindheit hatte er Erscheinungen von Abgeschiedenen und fühlte früh einen Zug nach oben. In seinem sechzehnten Jahr erschien ihm zuerst im Traum, dann aber offenbar bei Nacht ein Geist, ehrwürdig gekleidet, der ihm freundlich zusprach und das Ansinnen an ihn stellte, ein Wohltäter der Menschheit zu werden, wozu er berufen sei. Aus der Bitte wurde bald ein Befehl. Der Geist beschrieb ihm ganz deutlich, welche Pflanzen und wo er sie im Walde zu suchen habe, gab ihm auch Anleitung, sie zu Getränken und Salben zu bereiten. Er fand die Pflanzen immer leicht. Die ersten proben an den Kranken gelangen. Wenn er nun um Heilmittel angegangen wurde, hieß er die Leute bis zum Morgen warten; in der Nacht erhielt er dann jedesmal Auskunft von dem Geist. So ging es etwa zwei Jahre lang fort. Er erhielt immer mehr Zulauf, ohne daß er Erwerb dabei suchte, was er auch nicht nötig hatte. Doch fühlte er immer etwas Unheimliches dabei, welche Empfindung sich steigerte, je tiefer er in die Sache hineinkam und je zudringlicher der Geist wurde. Er wurde auch viel magerer und bekam Erstickungsanfälle. Der Stiefvater schöpfte Verdacht und wollte, Johannes solle den Geist fragen, ob er ein guter Geist sei, was dieser dann bejahte. Auch alte Brüder warnten ihn. Johannes, schon von den Leuten der Geisterhannes” genannt, betete ernstlich darüber, fiel in wahre Todesangst und wehrte sich gegen den knechtischen Geist. Der Geist schmeichelte und tröstete zuerst, drohte aber dann und gebärdete sich zuletzt scheußlich, als er die Entschiedenheit des Jünglings wahrnahm, die unter den Drohungen nur wuchs. Nun wurde er eine Zeitlang schrecklich geplagt und mußte Unerhörtes sehen und ausstehen. Weil er aber im Gebet standhaft blieb und von dem Geist nichts mehr annahm, auch keine Anweisung mehr befolgte, wurde er zuletzt des aufdringlichen Geistes los. Er erklärte ihm frei, er sei ein falscher Geist, worauf derselbe verschwand, das Haus aber furchtbar krachte, als wollte es einstürzen.”

Aus diesen beiden charakteristischen Zitaten ersehen wir, daß Satan seine Helfershelfer hat, die sich darum bemühen, besonders empfängliche Menschen zur Zauberei zu verleiten, um auf diesem verborgenen Weg unzählige Menschen in einen satanischen Bann zu stürzen. Was uns aber jetzt besonders interessiert, ist die schauerliche Tatsache, daß viele Pillen, Salben, Tränke, die von Wunderdoktoren und vielen sogenannten Naturärzten usw. ab¬gegeben werden, auf diesem direkten Weg (Mitteilung durch einen Geist) oder indirekten Weg (Gebrauch des Pendels oder sonst irgendeines Gegenstandes; es kann auch ein Kristall sein) zusammengestellt werden, und wer sie genießt, konunt dadurch, ohne eine Ahnung zu haben, unter einen satanischen Bann*.

Gewiß, Gott läßt die vielen Heilkräuter für die Menschen wachsen, und wir dürfen uns ihrer dankbar bedienen. Sobald aber direkte oder indirekte satanische Hilfe mit im Spiel ist, da wirkt der Genuß solcher Heilmittel verheerend. Wohl mag dabei die Krankheit verschwinden; aber was nützt das letzten Endes, wenn die Seele dadurch in die Hände des Teufels gelangt?

Mit dem Pendel werden auch immer wieder die berühmten Wasseradern, die unter vielen Häusern hindurchgehen sollen, aufgespürt, deren schädliche Ausstrahlungen angeblich durch Abschirmgeräte neutralisiert werden können. Unzählige haben sich schon ein Kästchen aufschwatzen lassen. Obschon diese Abschirmgeräte kaum 50 Rappen wert sind – ihr Inhalt spottet oft jeder Beschreibung -. werden sie doch um teueres Geld gekauft. Viele haben schon bekannt, daß sie, seitdem das Kästchen in ihrem Haus aufgestellt sei, gesund geworden seien. Dieselben Menschen wundern sich dann, wenn sie eines Tages   vielleicht erst nach Jahren  innerlich unruhig werden und der Schwermut verfallen und vielleicht gar ins Irrenhaus gebracht werden müssen!

Dr. A. Ebert, Bezirksgeologe, Berlin, schreibt:
1. Wasseradern und Untergrundströme im Sinne der Rutengänger gibt es nicht.
2. Die durchdringende Erdstrahlung ist die Gammastrahlung. Eine andere ist noch nicht erwiesen.
3. Die Gefährlichkeit der Gammastrahlen in der von der Natur erzeugten Dosis ist nicht erwiesen, sie wird nur behauptet.
4. Außer Blei sind alle Stoffe in praktisch anwendbaren Dicken, also auch alle “Abschirmapparate”, unwirksam, sie werden durchstrahlt.

Der Spiritismus

Der Spiritismus hat sich in den letzten Jahrzehnten, besonders seit dem Weltkrieg, in gefährlichem Ausmaß entwickelt, hat er doch in Europa 60 Millionen Anhänger.

Der Spiritismus sucht eine Antwort zu geben auf die Frage: “Wo sind die Toten?”, indem er sagt, daß sie leben und daß man sich mit ihnen in Verbindung setzen könne. Daß die Toten leben, wissen wir auch ohne Spiritismus. Die Behauptung jedoch, daß man sich mit dem Geist der Verstorbenen in Verbindung setzen könne, ist eine Lüge, eine ungemein gefährliche Irreführung.

“Der moderne Spiritismus nahm seinen Anfang in Hydesville (Nordamerika). Im Hause des Farmers Fox in H., eines angesehenen Mitgliedes der Methodistenkirche, vernahm man in der Nacht vom 31. März auf 1. April 1848 merkwürdige Klopflaute an Türen, Wänden und Möbeln. Auf diese Geräusche wurden zuerst aufmerksam Frau Fox und ihre beiden Töchter Leah und Katie. Rasch war zwischen ihnen und dem sich kundgebenden Geist   man dachte nicht anders, als dag es sich um einen solchen handle   eine Verbindung hergestellt. Die genannten weiblichen Wesen im Hause Fox wurden die Mittelspersonen (Medien), durch die der klopfende “Geist” sich offenbarte. Man verabredete mit ihm eine Klopfzeichensprache. An verschiedenen Abenden wurde der Geisterverkehr hergestellt. Auf Befragen gab sich das klopfende Wesen für den Geist eines Verstorbenen aus, eines Hausierers, der vor fünf Jahren von dem früheren Besitzer des Hauses ermordet und in dem Keller verscharrt sei. Und wirklich fand man an der bezeichneten Stelle einen Unterkiefer und einige Haare, ohne daß im übrigen festgestellt worden wäre’ dag der Fund wirklich von einem menschlichen Leichnam herrührte. Die Vorkommnisse erregten nicht geringes Aufsehen. Man hielt die Familie Fox für besessen und schloß sie aus der Methodistenkirche aus. Sie zog nach Rochester, woselbst die Tischklopferei oder, spiritistisch ausgedrückt, “Geisterklopferei” eifrig betrieben wurde und von wo aus sie ihren Siegeszug durch Amerika antrat.”

Wie wir aus Epheser 6, 12 wissen und wie wir bereits sagten, besitzen die bösen Geister eine genaue Kenntnis der Vergangenheit und Gegenwart jedes Menschen. Auch ist ihnen das Vermögen eigen, Gestalt, Stimme, Gebaren der Verstorbenen nachzuahmen. Auf diese Weise werden die armen, im Spiritismus Trost suchenden Angehörigen getäuscht und genarrt. Wohl behaupten Unzählige, durch den Spiritismus in ihrer Verzweiflung Trost gefunden zu haben. Trotzdem: es ist eitel Blendwerk, grausame satanische Täuschung, die früher oder später als Höllenbetrug entlarvt wird.

Es gibt einen gröberen und einen feineren Spiritismus, Spiritualismus genannt. Der feinere Spiritismus unterscheidet sich vom gröberen darin, daß die “Geister” Mitteilungen scheinbar auf einer religiös hohen Stufe stehen und in ihrer irreführenden Verborgenheit nur schwer zu erkennen sind. Dabei spielt der Gedanke eine außerordentlich wichtige Rolle, daß die Überlebenden an den unerlöst Verstorbenen, welche von der Erde nicht allein loskommen, eine Aufgabe haben, mindestens die der Fürbitte, während die seligen Geister umgekehrt einen segensvollen belehrenden Einfluß auf die Überlebenden ausüben sollen.”

Um zu zeigen, wie der feinere Spiritismus “arbeitet”, mögen einige Briefe folgen, die vom “Geist Andreas” einem Trance Medium diktiert wurden (Martensen Larsen: Bekenntnisse einer Spiritisten):
Liebe Freunde!
Friede mit uns allen! Amen. Gnadenreicher Gott, gib uns Licht in des Geistes Finsternis, gib uns Willen und Kraft, dein Werk zu tun, dir ein Wohlgefallen zu sein! Amen!
Friede sei in den Seelen! Das ist mein Gebet, das ist meine Hoffnung für euch. Friede auf der Seele tiefem Grunde, das ist es, das größte der Güter, von Gott gesandt, das Menschen zuteil wurde. Aber nur wer seiner Pflicht treu ist, hat den Frieden in seinem Herzen.
Liebe Freunde!
Habt ihr den Frieden in euren Herzen? Seid ihr treu eurer Pflicht gegen Gott? Kämpft ihr für die Sache, der eure Kräfte zu weihen ihr mir gelobt habt? Tatet ihr eure Arbeit mit Frieden im Herzen? O möchtet ihr die Gewißheit in euren Herzen fühlen, daß Gott euch auf euren Wegen folgt, daß ihr Gottes Wege geht!

Liebe Freunde!
Laßt mich nicht im Stich!
Seid treu in eurem Werk! Und so gebe Gott seine Stärke, daß wir ein Werk in seinem Namen tun, das Evangelium des Friedens über die Erde ausbreiten können. Aber da darf nicht gefragt werden, ob es uns wohlgefällig ist; jeder muß sich dem Gebot der Pflicht beugen. Du, dem ich meine Kräfte weihe, alle meine guten Gedanken gaben dir den Auftrag, nicht zu weichen von dem Weg, auf dem ich dich begleitet habe dem Weg zu deinem Gott!
So komme denn der Friede zu uns! Gottes Gnade sei mit uns allen! Amen.  Andreas
Welch konfuses Zeug! Wer nur einigermaßen die Heilige Schrift kennt, erkennt sofort, wie hier ein Lügengeist mit frommklingenden Worten am Werk ist.
Besonders auffallend in ihrer irreführenden Feinheit sind die Worte, die der Schutzgeist “Agnete” durch das Medium zu dem bekannten Spiritisten Albert Carolsfeld-Kraus (der später mit Gottes Hilfe aus den satanischen Schlingen frei wurde) sagte (Martensen Larsen: Bekenntnisse einer Spiritisten):
“Und du, Albert, du Kind aus Erde mit dem Sehnen nach uns, sei gesegnet für dein Werk, weiche nicht von der Sache, die du liebst; steh fest trotz Spott, trotz Widerstand! Gebe Gott, daß du ein Werkzeug werden möchtest für Gottes heilige Sache und daß deine Standhaftigkeit und Pflichttreue ein Vorbild für viele werden möchte! Sei gesegnet im Namen des Herrn!”
Der Spiritualismus kommt, wie wir sehen, religiös gesinnten Gemütern sehr entgegen, besonders wenn die Sitzungen im Namen Jesu, mit Gebet und Gesang und Verlesen eines Bibelabschnittes begonnen und geschlossen werden. Darüber lesen wir das Bekenntnis eines Bischofs, der als eifriger Spiritist sagt: “Wir begannen alle unsere Sitzungen mit Gebet und Gesang. Dies taten wir auf Aufforderung des Hauptkontrollgeistes. Wenn wir zu den Sitzungen nicht mit der gleichen Ehrfurcht gingen wie zu einem Gottesdienst, erklärte er, so wolle er auch die Experimente von der anderen Seite her nicht kontrollieren.”
Und von Pastor Wynn, der wie Conan Doyle in aller Welt für den Spiritismus missionierte, bringt die Zeitschrift “Lysgover Landet” folgenden Bericht:
“Sein Besuch in unserer Stadt (Südafrika) war ein großes Ereignis, und das gleiche wird in ganz Südafrika der Fall sein. Sein erster Vortrag hier war von etwa 2000 Personen besucht, und als das letzte Lied: “Gott mit uns, bis wir uns wiedersehen”, erklang, sah man dies als den allseitigen Wunsch an, Pastor Wynn bald wieder zu sehen. Er ist ein liebenswerter Mann. Er ist ein genialer Spiritist, kämpft aber wie ein Löwe für Christus. Wir haben die Kraft göttlichen Geistes in seiner Rede gespürt.”
So verseucht dieses feine Gift Millionen. Der naiv gläubige Mensch weiß nicht, daß ihn weder Christus noch die Anrufung seines heiligen Blutes noch Gebet noch Gesang noch das Lesen in der Bibel vor den Folgen einer Berührung mit den Dämonen zu schützen vermag, wenn er sich nicht endlich von diesem Blendwerk des Teufels lossagt. Denn wo dem Feind nur die geringste Handhabe geboten wird, kann der angerufene göttliche Schutz nicht wirksam sein. jene “Beweise”, wonach frühere Ungläubige durch den Spiritismus gläubig geworden sind, sind nichts anderes als Musterbeispiele Satans, um die Masse der Spiritisten einerseits zu beruhigen und andererseits Skeptiker entweder für den Spiritismus zu gewinnen oder ihnen wenigstens den Zweifel zu nehmen. Besonders zeitgemäß ist die Tatsache, daß überall, unter der Führung von Medizinern, Psychologen, Physikern und Theologen, Parapsychologische Gesellschaften gegründet werden, die sich zur Aufgabe machen, den Phänomenen des Spiritismus wissenschaftlich auf den Grund zu gehen – als ob es möglich wäre, den Spiritismus wissenschaftlich erfassen und erklären zu können. Auf jeden Fall ist es eine sehr geschickte Taktik Satans, einer derart gefährlichen Angelegenheit das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umzuhängen und etwas zu verharmlosen, das jeden, der sich mit diesen Dingen abgibt, unfehlbar unter einen Bann bringt. Es gilt auch da, besonders jenen Theologen, die da mitmachen, das Wort: “Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, daß sie der Lüge glauben, auf daß alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit” (2. Thess. 2, 11.  12).
Wie stark der feinere Spiritismus (Spiritualismus) zu einem verhängnisvollen religiösen Erlebnis werden kann, zeigt folgender Brief an Dr. Martensen Larsen, weiland Dompropst:
“Ich kann es nicht unterlassen, meinem Kummer darüber Ausdruck zu geben, dag ein Mensch wie Sie, dessen Verkündigung mich so sympathisch berührt, unsere Erlebnisse mit unseren sogenannten “Toten” als ein Blendwerk bezeichnen kann. Ich kann mir das gar nicht erklären; denn dieses Blendwerk ist ja unseres, meiner Frau, meiner überlebenden Kinder und meines eigenen Lebens vollste Wirklichkeit. Die Gewißheit darüber ist für uns ebenso unerschütterlich wie die Gewißheit unserer eigenen Existenz. Diese Gewißheit hat uns zurückgeführt zu Gott und zu Christus; sie hat unsere Seelen dem Licht erschlossen, sie hat uns kindlich beten gelehrt und uns unsere Toten zurückgegeben, sowohl unsere beiden Söhne als auch die vorausgegangenen Lieben; sie hat unser trauriges Leben in ein Leben der Freude verwandelt dadurch, daß wir einen Blick tun durften in die Welt, in der sie jetzt wirken, in der das ganze Dasein ein Gottesdienst ist.
Zweimal waren unsere Söhne bei uns und haben sich unserer Tochter in ihrer jetzigen strahlenden Gestalt gezeigt. Sie sowohl als auch andere liebe Verstorbene, zum Teil auch uns Unbekannte, haben durch den Mund unserer Tochter mit uns gesprochen. Wenn Sie bei diesen ganz spontanen Erlebnissen anwesend gewesen wären, könnten Sie nicht an ihrer Echtheit zweifeln. Diese unsere Gewißheit in eine Illusion zu verwandeln, das würde ebenso unmöglich sein, wie die Erkenntnis vom Sinn des Lebens, die uns in wunderbarer Klarheit aufgegangen ist, wieder zu verdunkeln. Denn das, was wir erlebten, war ja nichts anderes, als daß wir einen Schimmer sehen durften von Gottes wunderbarem, ewig fortschreitendem Schöpfungswerk hinter dem Vorhang, das durch Myriaden von dienenden Geistern vollführt wird.”
Das ist es ja gerade, was der Apostel Paulus sagt, daß sich Satan in einen Engel des Lichts verwandelt. Und wer Augen hat zu sehen, wird diesen Erzbetrüger auch hinter den schönsten religiösen Bekenntnissen, wie sie gerade in diesem Brief zum Ausdruck kommen, erkennen können. In diesem Zusammenhang sei noch auf eine Gefahr hingewiesen, die besonders gläubige Kreise betrifft. Es kann vorkommen, daß, wo eine Erweckung im Gang ist, Satan versucht, sie auf raffinierte Weise abzustoppen. Wenn es ihm nicht gelingt, die Gläubigen zur Uneinigkeit oder auf irgendein Nebengleis zu führen, so tritt er oft selber als wunderwirkender Prophet auf, so daß es schon tiefer geistlicher Erkenntnis bedarf, um das “wunderbare” Licht als satanisches Blendungsmanöver zu erkennen und zu entlarven. Das folgende, sehr lehrreiche Beispiel eines deutschen Evangelisten zeigt uns, wie der Spiritismus in¬mitten einer von Gott gesegneten Erweckung wie Unkraut emporschießt:
“Ich vereinigte mich mit einer Anzahl von Brüdern und Schwestern während einer ganzen Woche in jedem Monat, um von Gott die Ausgießung eines größeren Maßes seines Geistes, seiner Gaben und Kräfte zu erflehen. Nachdem wir dies längere Zeit hindurch voller Inbrunst getan hatten, fanden derart wunderbare und mächtige Kundgebungen Gottes und des Heiligen Geistes (angeblich) statt, daß niemand unter uns zweifelte, Gott habe unser Gebet erhört und sein Geist sei auf unsere Versammlung herabgekommen. Unter anderem gebrauchte dieser Geist, den wir für den Heiligen Geist hielten, ein 15jähriges Mädchen als sein Werkzeug, durch welches alle Sünden und Gewissenslasten der Anwesenden in der Versammlung offenbar gemacht wurden. Niemand konnte unter uns bleiben, ohne daß dieser Geist seine Sünden aufdeckte. Z. B. ein geachteter Herr aus der Nachbarschaft kam in die Versammlung, und alle seine Sünden wurden von dem 15 jährigen Mädchen vor den Anwesenden aufgedeckt. Völlig gebrochen nahm der Herr mich ins Nebenzimmer und gestand unter Tränen, er habe alle diese Sünden begangen, die das Mädchen genannt hatte. Er bekannte alles und was er sonst noch wußte. Dann betrat er aufs neue den Versammlungsraum; aber kaum war er erschienen, so rief ihm dieselbe Stimme zu: ,Ha! Du hast nicht alles gestanden, du hast zehn Mark gestohlen. Das hast du nicht gestanden.’ Darauf nahm mich der Herr aufs neue ins Nebenzimmer und sagte: ,Es ist wahr, ich habe auch dieses getan.’ Dieser Herr hatte das 15 jährige Mädchen noch nie gesehen und sie ihn auch nicht.
Ist es verwunderlich, daß infolge solcher Erlebnisse wir unter dem Eindruck standen, der sich am besten mit den Worten beschreiben läßt: Wer ist unter uns, der bei einem verzehrenden Feuer wohnen möge? Wer ist unter uns, der bei der ewigen Glut wohne? Zittern ist die Heuchler angekommen.’ Ein Geist aufrichtigster Anbetung war ersichtlich, und wer sollte noch zweifeln, da selbst die Starken zusammenbrachen und niemand, der ein Hindernis war, es ertrug, unter uns zu bleiben?
Und dennoch mußten wir diesen Geist, der alles dies zuwege gebracht hatte, als eine furchtbare Finsternismacht entlarven. Ich hatte ein so beunruhigtes Gefühl des Mißtrauens, welches ich nicht überwinden konnte. Als ich dies zum erstenmal einem älteren Bruder und Freund mitteilte, sagte er: Bruder S., wenn du dem Unglauben nachgibst, kannst du die Sünde wider den Heiligen Geist begehen, die nicht vergeben wird.’ Das waren schreckliche Tage und Stunden für mich; denn ich wußte nicht, ob wir es mit der Kraft Gottes zu tun hatten oder mit einem verkleideten Teufelsgeist; nur eins war mir klar, nämlich daß wir uns nicht von einem Geist leiten lassen würden, ohne vollständig gewiß zu sein, ob er von oben oder von unten stamme. Darauf nahm ich die leitenden Brüder und Schwestern mit in das obere Zimmer des Hauses, eröffnete ihnen meine Stellung und sagte ihnen, wir müßten jetzt alle flehen und bitten, daß Gott uns befähigen möge, zu prüfen, ob es sich um eine Macht des Lichtes oder der Finsternis handle.
Als wir herunterkamen, rief die Stimme dieser Macht, indem sie das 15 jährige Mädchen gebrauchte: ,Was bedeutet diese Rebellion in eurer Mitte? Ihr werdet schwer bestraft werden für euren Unglauben.’ Ich antwortete der Stimme, ich wisse allerdings nicht, mit wem wir es zu tun hätten. Wenn es sich um einen Engel oder um den Geist Gottes handle, so wollten wir nicht gegen ihn sündigen; aber von einem Teufel wollten wir uns nicht betrügen lassen. Wenn du die Kraft Gottes bist, so wirst du damit einverstanden sein, daß wir das Wort Gottes befolgen, das da lautet: Prüfet die Geister!’ Dann knieten wir alle nieder und beteten und flehten inbrünstig, Gott wolle uns offenbaren, mit wem wir es zu tun hätten. Und da mußte sich die Kraft selber verraten. Durch die Person, welche sie als Werkzeug gebrauchte, machte sie so abstoßende und schreckliche Grimassen und schrie in durchdringendem Ton: ,Nun bin ich erkannt worden, nun bin ich erkannt worden!’
 
Astrologie
Interessant und wichtig ist es, wie der bekannte Astronom Dr. P. Stuker in Zürich über die Astrologie urteilt. Er schreibt mir:
„Der astrologische Unfug macht sich je länger, je mehr in ganz unglaublichem Maße breit. Merkwürdigerweise ist das nicht etwa bloß in den Schichten des einfachen Volkes der Fall, sondern auch zahlreiche „Gebildete”, wie Ärzte, Pfarrer, Lehrer, machen getreulich mit, so daß man sich nur kopfschüttelnd fragen kann, wie so etwas überhaupt möglich sei. Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um eine nicht leichtzunehmende Dekadenzerscheinung. Die Geschichte zeigt nur zu deutlich, daß immer vor dem Niedergang eines Volkes ein unheimliches Anschwellen dieser und ähnlicher Erscheinungen stattfand.
Ich habe mich eingehend mit der Geschichte und Praxis der Astrologie befaßt. Als Antwort auf Ihre Frage könnte man leicht ein dickleibiges Buch schreiben. Ich will Ihnen hier einige Punkte herausheben.
1. Alte und moderne astrologische Werke sind inhaltlich restlos gleich. Höchstens werden heute noch eine Prise indischer Philosophie und eine Handvoll unverstandener moderner Psychologie beigemengt. Eines kennzeichnet die neuzeitlichen Bücher alle: Das moderne Weltbild, wie es die Forschungen gezeichnet haben, wird völlig außer acht gelassen. Die Geistesarbeit und das gesicherte Wissen ganzer Forschergenerationen wird wissentlich übersehen oder man sucht es lächerlich zu machen. Der Astrologe arbeitet nicht mit dem wirklichen Sternenhimmel, sondern mit einem rein imaginären Gebilde. Ich habe oft feststellen können, daß Leute, die komplizierte Horoskope bauen, keine Sternbilder kennen und nicht sagen können, daß der helle Stern da oben der Jupiter ist. Karten oder Bleigießen oder Kaffeesatz vermöchten also genau die gleichen Dienste zu leisten.
2. Wenn die Namen von sogenannten Professoren, Doktoren zu Werbezwecken ausgeschlachtet werden, so ist dabei nicht zu vergessen, daß diese Leute immer in astronomischen Dingen ebenso völlig Laien sind wie der einfache Mann.
3. Es ist nicht wahr, daß die Astrologie eine Erfahrungswissenschaft ist, wie das immer wieder von neuem behauptet wird. Die Grundlage einer solchen ist doch das mehrmalige Eintreffen der nämlichen Erscheinung. Eine heute stattfindende Himmelskonstellation kehrt niemals wieder. Vom himmelsmechanischen Standpunkt aus ist das eine wichtige Erkenntnis und der Ausdruck für die Stabilität des Planetensystems.
4. Die Entdeckung neuer, großer Planeten hat das Wahrsagesystem nicht beeinflußt.
5. Zu gleicher Zeit werden die verschiedensten astrologi¬schen Systeme angewendet, die alle angestaunte “Resultate” ergeben. Nur zwei grundverschiedene seien genannt: Geburtenhoroskop und Empfängnishoroskop.
6. Infolge der Präzession verschiebt sich der Frühlingspunkt als Nullpunkt der astrologischen Zählweise (die Zeichen). Die Sterne, denen man früher die und die Einflüsse zugeschrieben hat, befinden sich demnach längst nicht mehr an dem Ort, mit dem gerechnet wird. Mehrere Systeme arbeiten ohne Berücksichtigung dieser Präzessionsverschiebung.
7. Eine Sternenkonstellation überstreicht ohne merkliche Veränderung infolge der Achsendrehung der Erde gewaltige Länderstrecken. Alle Geburten gleicher Ortszeit erfolgen also unter den nämlichen astrologischen Bedingungen. Diese Geburtenzahl ist übrigens sehr groß. Trotzdem hat es nur einen Michelangelo, Newton, Napoleon, Mozart, Schiller usw. gegeben.
8. Die Sonne beherrscht alles auf der Erde. Astrologisch aber wird der Sonneneinfluß gleich behandelt wie der irgendwelcher Planeten. Nachgewiesenermaßen hat die Jahreszeit, und vielleicht sogar der Sonnenstand, merklichen Einfluß auf das Neugezeugte oder Neugeborene. Tierzüchter wissen das längst. Der Astrologe teilt die Menschen in zwölf Typen ein mit einem möglichst geheimnisvollen Drum und Dran. Diese Typeneinteilung ist wohl die festeste Stütze der Astrologie. Warum bringt man die tatsächlich vorliegende Erscheinung nicht in einfachen Zusammenhang mit der Sonne? Aber eben, dieses Verfahren würde viel zu einfach und einleuchtend sein, und vor allem würde es sich nicht mehr eignen, Kapital herauszuschlagen. Tatsächlich sind wir mit dem Kosmos verbundene Geschöpfe. Aber diese Allverbundenheit hat mit astrologischen Lehren nicht das geringste zu tun.
9. Psychologische Momente spielen m zähen Glauben an astrologische Dinge die Hauptrolle. Wie bei jedem Aberglauben liest der Gläubige das heraus, was er sucht und herauslesen will. Vor kurzer Zeit zeigte mir jemand sein Horoskop mit der Behauptung, es stimme merkwürdig genau. Ich konnte ihm mit Leichtigkeit zeigen, daß es auch für mich stimmt. Es kommt ja nur auf die Interpretation an. Eine weitere Merkwürdigkeit, wenn man das so nennen will, ist zu gleicher Zeit der Grund der Zählebigkeit aller Wetter  und Bauernregeln: Treffer bleiben im Gedächtnis haften, Fehlschläge dagegen wurden entweder völlig übersehen oder zum mindesten leicht vergessen.
10. Es gibt ernsthafte Astrologen, wirkliche Sucher, die auffällig viel Treffer erzielen. Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um Leute mit einer gewissen Intuition. Sie sind überzeugt, ihre Kenntnisse mit Hilfe astrologischer Systeme gewonnen zu haben. Sicher würden solche Personen die genau gleichen Ergebnisse mit Karten oder anderen Hilfsmitteln erzielen. Die Quellen ihres Wissens fließen ganz anderswo und haben mit den rein äußerlichen Hilfsmitteln nicht das geringste zu tun.”
Hier folgt ein erschütternder Bericht eines Gatten und Familienvaters, dem das Horoskop seiner Frau das Eheglück zerstört hat:
“Lange Jahre habe ich geschwiegen und das Unglück und den Ärger, den mir so eine Sterndeuterin eingebracht hat, unter meiner Weste herumgetragen; aber nun, da sich endlich der Deckel über diesem so ekelhaften und schwindelhaften Hafen zu lüften beginnt, bitte ich, auch meinen Beitrag über das traurige Lügengewebe untersuchen zu wollen. Wohl nur ein einziges Muster; solche Vorkommnisse existieren indessen zu Hunderten, und es dünkt mich unglaublich, was ein einziges derartiges Weib für Familienzerrüttung heraufbeschwört. Mein Drama rührt noch aus dem letzten Jahrzehnt. Fünf Jahre war ich mit meinem lieben, hübschen Weib verheiratet; zwei herzige Kinder versüßten unser auch durch nichts gestörtes Familiendasein. Wie aus heiterem Himmel kamen plötzlich, hervorgerufen durch einen teuren Hausfreund, Vorwürfe, Verdächtigungen usw., so daß sich unser Familienband sichtlich zu lockern anfing. Bald war Erntezeit für den Glückzerstörer gekommen. Nachdem er meinem lieben Weib die ersten Zweifel sorgfältig eingepflanzt, wurde die Astronomie zu Hilfe gerufen, die natürlich von diesem Menschen wohl orientiert war, und richtig, in drei Monaten, nach fünfjährigem glücklichen Ehelenz, folgte die Scheidung auf dem Fuße.
Diese ging aber nicht so leicht, wie sich das Pärchen vorstellte, und erst anderthalb Jahre später, nachdem sie auf die lieben Kinder Verzicht leistete oder ihrem Gentleman zuliebe leisten mußte, trat ich auf freiwillige Scheidung ein, damit sie endlich ihren Verehrer heiraten konnte. Hätte mir meine liebe, unvergeßliche Frau beizeiten von diesem Wahrsageschwindel gesagt, hätte sich das Gericht bei den damaligen Verhandlungen vielleicht etwas näher damit befaßt. Aber das erfuhr ich erst einige Jahre später von dem unglücklichen Weib, als wir zufällig auf der Eisenbahn zusammentrafen, wo sie mir auch viel von ihrem wahrgesagten Glücksstern bekannte. Eine Kartenlegerin und eine andere Wahrsagerin hatten meiner Frau verkündet, ich hätte sie hintergangen, es sei aus den Karten und aus dem Horoskop ersichtlich. Dann erklärten auch alle beide, eine nach der anderen, es werde sich da ein Liebhaber einfinden, und den müsse sie nehmen, weil es in den Karten und in den Sternen stehe, daß dieser sie glücklich machen und besser pflegen werde als der bisherige. Meine Frau glaubte so sehr daran, daß sie kalt wurde gegen mich und ich böse gegen sie. Und ein Wort gab das andere. Und wenn sie dann wieder zu den verfluchten Weibern ging, war das Elend viel größer. Ich aber wußte von allem nichts.
Nun wächst schon lange Gras auf dem Hügel meiner unglücklichen Frau; ich und meine Kinder bewahren ihr hingegen heute noch ein liebes Andenken; denn sie war ja leider nur ein bedauernswertes Opfer der in unserer Stadt so üppigen Wahrsagekunst.¬
Wie die Sterndeuter dem göttlichen Fluch nicht entgehen, so werden auch alle, die sich mit diesen Verführern eingelassen haben, unter das Gericht Gottes gestellt.
Es ist fast nicht zu glauben, und doch ist es Wahrheit, daß eine einzige holländische Horoskop Firma nur in Zürich jährlich bis 120.000 Franken verdient.
Wie sind doch unsere schönen Schweizer Städte und Dörfer verseucht von diesem höllischen Pestgift der Zauberei und des Aberglaubens! Und wie schweigen doch die Wächter zu diesen schrecklichen Sünden! Welche Verantwortung!
Sage nur niemand, der sich auf diese oder jene Art hat wahrsagen lassen, er hätte es aus Ulk getan oder aus “Gwunder”, folglich sei die satanische Wirkung bei ihm gleich null. Wie verblendet ist doch dieses Denken! Versuche doch mit einem weißen Kleid in ein Kohlenbergwerk zu steigen! Du wirst die Wirkung bald sehen, auch dann, wenn du nur in der Absicht hinabgestiegen bist, “einmal” zu sehen, wie es drinnen aussieht. jedes bewußte oder unbewußte, jedes absichtliche oder unabsichtliche Hinzutreten in den Kreis der Wahrsagerei bewirkt einen unsichtbaren Bann, der die Seele festhält und sie gegen die göttliche Wahrheit abstumpft.
 
Die Christliche Wissenschaft
Die Christliche Wissenschaft ist im höchsten Maß eine Wissenschaft aus dem Abgrund. Sie behauptet, daß Christus nie in das Fleisch gekommen sei. Nach ihrer Lehre besteht also ein Unterschied zwischen jesus und Christus. Jesus wäre demnach “die fehlerhafte, materielle Menschlichkeit”, Christus aber das “fehlerlose, geistige Prinzip”. Mit dieser Trennung der Person Jesu von dem “geistigen Prinzip” Christus fällt die Kreuzigung, fällt die Auferstehung, fällt die Himmelfahrt dahin.
Was nun die Trennung der Person Jesu von dem “geistigen Prinzip” Christus anbelangt, können wir nicht umhin, auf folgendes hinzuweisen: Schon in früher Zeit, bereits einige Jahrzehnte nach dem Tod Christi, drangen Irrlehrer in die christlichen Gemeinden ein mit der seltsamen Behauptung, daß Jesus nicht der Christus sei, daß Christus nur einen Scheinleib gehabt hätte, also nicht nach Johannes 1,14 Fleisch wurde (genau das, was die Christliche Wissenschaft heute auch behauptet). Dieser antichristlichen Lehre widersetzte sich der greise Apostel Johannes mit den Worten: “Wer ist ein Lügner, wenn nicht, der da leugnet, daß jesus der Christus sei?” (1.Joh. 2, 22). Und 1.Johannes 4, 2: “Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeglicher Geist, der da bekennt, daß jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, daß er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt.” Demnach ist der Geist, der in der Christlichen Wissenschaft herrscht, der Geist des Anti¬christs.
Weiter leugnet die Christliche Wissenschaft das ganze Versöhnungswerk Jesu Christi, wenn sie sagt: “Ein Opfer, noch so groß, ist unzulänglich, die Sündenschuld zu sühnen”, oder: “Das materielle Blut Jesu war nicht wirksamer, von der Sünde zu reinigen, nachdem er am Kreuz gestorben war, als da es durch seine Adern floß und er täglich der Arbeit seines Vaters nachging.”
Nicht nur die Versöhnung wird geleugnet, sondern auch die Sünde, und zudem sind Krankheit und Tod nach der Christlichen Wissenschaft keine Wirklichkeiten. Merkwürdige Logik! Bis jetzt sind noch alle Christlichen Wissenschaftler gestorben, selbst die Gründerin, die vergötterte Frau Eddy, und das an einer recht schmerzhaften Krankheit, dem Brustkrebs.
Aber, wird immer wieder bemerkt: Und die vielen Heilerfolge – sogar bei Tieren?” Ja, merkt man denn nicht, daß die Christliche Wissenschaft dasselbe tut wie der “Wunderdoktor” oder die “weise Frau”, nur mit dem Unterschied, daß sie keine Mittel verabfolgt, sondern mit Bibelsprüchen “wirkt”, was ja das viel verbreitete, Unheil stiftende Zauberbuch, das 6. und 7. Buch Mose, zum Teil auch tut?
Wer immer sich mit der Christlichen Wissenschaft einläßt und sich von ihr heilen läßt, gerät, wie bei der Zauberei, unter einen Bann, der sich zur gegebenen Zeit verheerend auswirkt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß bei Christlichen Wissenschaftlern, die auf das Sterbebett kamen, die Gnade Gottes nicht mehr waltete, trotzdem sie sich in ihrer großen Unruhe nach dem Herzensfrieden sehnten. Entsetzlich sind solche Erlebnisse. Es erfüllt sich eben auch hier das Wort: darum daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, daß sie der Lüge glauben, auf daß sie alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen an der Ungerechtigkeit gefunden haben” (2.Thess. 2, 9 12).
Andererseits ist es erschütternd, zu erleben, wie Menschen, die aus dem satanischen Irrtum der Christlichen Wissenschaft zu jesus fliehen, oft Wochen   Monate   ja Jahre lang von den Mächten der Finsternis verfolgt werden. Es bedarf da immer eines harten Kampfes, bis der Sieg errungen ist   ein Beweis mehr, wie sehr die Christliche Wissenschaft eine satanische Lehre ist!
Eine gebildete Frau, die jahrzehntelang eifriges Glied der Christlichen Wissenschaft war und jetzt im Blut des Lammes Vergebung der Sünden erhalten hat, schreibt:
“Beim Blättern in jenem Kimbal Buch, das die Lehre der Christlichen Wissenschaft besonders deutlich machte, durfte ich aber doch sehen, daß Gott mir die Falschheit dieser Lehre schon vorher immer deutlicher gezeigt hatte. Aber jetzt, wie ich so recht in die Tiefe mußte (Krankheit), ist es mir noch klarer geworden, wie in der Christlichen Wissenschaft durchs Verneinen von allem Bösen usw. das ganze Lebenswerk Jesu, die Erlösung, auch meine Erlösung, verneint wird, wie Gethsemane und Golgatha und überhaupt das Neue Testament in dieser Lehre sinnlos sind und sie (die Christliche Wissenschaft) teuflisch ist und das direkte Gegenteil einer Verherrlichung Jesu.”
 
Die Anthroposophie
Die Anthroposophie (Weisheit vom Menschen) ist Okkultismus im höchsten Sinn des Wortes. Sie führt, wie selten eine Lehre, planmäßig zur Dämonisierung des Menschen. Denn gerade die Technik, um zum Hellsehen zu gelangen, ist dazu geeignet, die Menschen unter die satanische Macht zubringen. Selbstverständlich werden die Anhänger der Anthroposophie mit Entrüstung eine solche radikale Beurteilung ihrer Lehre ablehnen. Indessen wollen wir noch einen Schritt weitergehen und beweisen, daß die anthroposophische Lehre nicht nur eine schlimme okkulte Angelegenheit ist, sondern dazu noch eine antichristliche Lehre. Die Anthroposophie sagt (ähnlich wie die Christliche Wissenschaft), daß der Mensch Jesus ein besonderes Dasein geführt habe. Erst durch die bei der Jordantaufe erfolgte Vereinigung des “Sonnen Ich” des Christus mit dem Menschen jesus sei der Christus entstanden. Bei der Gefangennahme habe das Christus Ich den Leib Jesu wieder verlassen. Wiederum müssen wir auch hier, wie bei der Christlichen Wissenschaft, jene wichtige Stelle in 1.Johannes 2, 22 erwähnen: “Wer ist ein Lügner, wenn nicht, der da leugnet, daß jesus der Christus sei? Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet.” Die Anthroposophie trennt jesus von dem Christus; deshalb ist sie eine ausgesprochen (wie die Christliche Wissenschaft) antichristliche Lehre, ein Ausfluß Satans, um so mehr, da die Anthroposophie behauptet, die zwölf jünger seien zwölf Inkarnationen Jesu, also zwölf seiner eigenen Leben, durch die er selbst hindurchgegangen sei. Teuflischer könnte man das Kommen Jesu auf diese Welt nicht mehr beschreiben. Man denke: Judas eine frühere Inkarnation Jesu!
Weiter behauptet die Anthroposophie, daß jeder einzelne Mensch den Weg der Reinkarnation, also der Wie¬derverkörperung, gehe. Den Vorgang könne man sich im einzelnen so vorstellen  “Nach dem Tod kehre der Geist ins Geisterland zurück. Der Körper bleibe auf der Erde. Die Seele, mit der der Geist zunächst verbunden bleibe, mache einen Läuterungsprozeß durch, um sich von den sinnlichen Schlacken zu befreien. Wenn dies geschehen sei (nach wenigen Jahren), dann trennen sich Geist und Seele. Letztere löse sich in die Seelenwelt auf. Der Geist gehe befreit von ihr ins Geisterland, wo er die Erfahrungen des letztvergangenen Lebens verarbeite, um sich dann in einer neuen Verkörperung ein neues Karma zu bilden.” Zuletzt gehe dann der Mensch in das Nirwana ein, d. h. in Gott, den allgemeinen Weltgeist. Diesem echt diabolischen (verwirrenden) Geisteserzeugnis wollen wir nur eine Bibelstelle entgegenstellen: “Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, darnach aber das Gericht” (Hebr. 8, 27).
Die Verheißung Gottes erfüllt sich wieder einmal mehr “Darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben der Lüge, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit.” Und wie das Gericht sein wird, wird uns neben vielen Stellen auch in 2. Thessalonicher 1, 7. 8 geoffenbart: ” . . . wenn nun der Herr Jesus wird offenbar werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft und mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus, welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn und von seiner herrlichen Macht, wenn er kommen wird, daß er herrlich erscheine mit seinen Heiligen und wunderbar mit allen Gläubigen.”
Die legitime Tochter der Anthroposophie ist die Christengemeinschaft von Rittelmeyer. Die Christengemeinschaft, die wie die Anthroposophie Selbsterlösungslehre ist, ist ebenfalls ein Erzeugnis des Antichrists.
 
Die Psychoanalyse
Die Psychoanalyse ist wohl eine der “wissenschaftlichsten” Methoden, womit Satan die Menschen in seinen Bann zieht. Allerdings wird der Psychoanalytiker ob dieser Erklärung ein mitleidiges Lächeln nicht unterdrücken können, weil er doch glaubt zu wissen, daß es keinen Satan gibt.
Sehr bezeichnend ist es, daß die Psychoanalyse im großen und ganzen alles auf einen Nenner zu bringen versucht, nämlich auf den des Sexuellen. In der Bibel sehen wir folgende vielsagende Stelle (der Wichtigkeit wegen folge hier der ganze Abschnitt):
“Es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten; weil das von Gott Erkennbare ihnen offenbar ist; denn Gott hat es ihnen offenbart,   denn das Unsichtbare von ihm, sowohl seine eigene Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, wird geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien; weil sie, Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten, noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Oberlegungen in Torheit verfielen, und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde: indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unverweslichen Gottes verwandelt in das Gleichnis eines Bildes von einem verweslichen Menschen und von Vögeln und von vierfüßigen und kriechenden Tieren. Darum hat Gott sie dahingegeben in den Gelüsten ihrer Herzen in Unreinigkeit, ihre Leiber untereinander zu schänden; welche die Wahrheit Gottes in die Lüge verwandelt und dem Geschöpf mehr Verehrung und Dienst dargebracht haben als dem Schöpfer, welcher gepriesen wird in Ewigkeit. Amen. Deswegen hat Gott sie dahingegeben in schändliche Leidenschaften; denn sowohl ihre Weiber haben den natürlichen Gebrauch in den unnatürlichen verwandelt, als auch gleicherweise die Männer, den natürlichen Gebrauch des Weibes verlassend, in ihrer Wollust zueinander entbrannt sind, indem sie Männer mit Männern Schande trieben und den gebührenden Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfingen. Und gleichwie sie es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt; erfüllt mit aller Ungerechtigkeit und Bosheit, Gier, Schlechtigkeit; voll von Neid, Mord, Streit, List, Tücke; Ohrenbläser, Verleumder, Gottverhaßte, Gewalttäter, Hochmütige, Prahler, Erfinder böser Dinge, Eltern Ungehorsame, Unverständige, Treulose, ohne natürliche Liebe, Unbarmherzige; die, wiewohl sie Gottes gerechtes Urteil erkennen, daß, die solches tun, des Todes würdig sind, es nicht allein ausüben, sondern auch Wohlgefallen an denen haben, die es tun” (Röm. 1, 18 32).
Hier wird uns gezeigt, warum eine “Wissenschaft”, wie die Psychoanalyse eine sein will, aufkommen konnte. “Gleichwie sie es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat sie Gott dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun, was sich nicht geziemt.” Wohlverstanden, die Psychoanalyse steckt nicht in dieser grob materiellen, perversen Ausschweifung drin, wie sie Paulus oben beschrieben hat; wohl aber, und das ist der bedeutsame Hintergrund, ist die Psychoanalyse in einer ebenso schlimmen geistigen Ausschweifung gefangen. Was jene in ihrer perversen Sexualität tun, tun diese in geistiger Beziehung.
Es gibt eben auch noch ein geistiges Dahingegebenwerden und  sein, von dem allerdings der Schritt zur Tat nur noch ein kleiner ist.
Das ist eine Seite. Die andere Seite der Psychoanalyse ist die, daß sie eine ausgesprochen dämonische “Wissenschaft” ist. Das zeigt sich in folgenden Behauptungen:
1. Daß Satan das verdrängte Triebleben sein soll.
2. Daß das religiöse Bewußtsein als Kollektivneurose der Menschheit gedeutet wird.
3. Daß die biblischen Wahrheiten von der psychoanalytischen “Schau” aus erklärt werden.
Zum Beispiel: Folgende Bibelstellen: Mark. 8, 3 1 ff.; Matth. 8, 22; 10 2 1; 10, 35 37; 19, 5; 19, 29; 23, 9 sollen auf die Beseitigung der Oedipusbeziehung* hinweisen. (*Eine griechische Sage erzählt, daß Laios seinen Sohn als neugeborenes Kind mit durchstoßenen Fußgelenken auf dem Kithäron aussetzen ließ, weil ihm das Orakel verkündete, sein Sohn würde ihn einst töten. Ein Hirt von Korinth findet das Kind und bringt es seinem Herrn. Der kinderlose König und seine Gattin ziehen den Knaben, den sie wegen der geschwollenen Füße Oedipus (Schwellfuß) nennen, an Sohnes Statt auf. Zum Jüngling herangewachsen, erhält Oedipus in Delphi das Orakel, er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten, und er beschließt, nicht mehr nach Korinth zurückzukehren. Unterwegs erschlägt er seinen Vater, ohne ihn zu kennen. Nach Theben gelangt, löst er das Rätsel der Sphinx und erhält zum Lohn die Herrschaft und die Hand der Königin, seiner Mutter, ohne zu wissen, daß es seine Mutter ist. In glücklicher Ehe werden ihm vier Kinder geschenkt. Als später Theben eine Pest heimsucht, befiehlt das Orakel in Delphi, den Mörder des Laios aus Theben zu entfernen. Die Nachforschungen nach diesem bringen die schreckliche Wahrheit an den Tag, worauf Akoaste, die Mutter und Gattin des Oedipus, sich erhängt und er selbst sich eigenhändig blendet.)
Oder es wird bei der Erzählung vom verlorenen Sohn vom “Glauben an unbewußte, also geistige pathogene Mächte” gesprochen, d. h. der verlorene Sohn soll durch den Glauben an krankhafte geistige Mächte, die ihren Ursprung letzten Endes wieder im Sexuellen haben, krank geworden sein, und die Heilung sei durch “die affektvolle Aussprache” im Bekenntnis . “Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße” (Luk. 15, 21) erfolgt.
Oder Matthäus 18, 3 deutet die “Zurückführung in die Kindheit” an.
Wer erkennt da nicht deutlich den satanischen Charakter dieser “Wissenschaft”!
Es ist höchst erschreckend, wie viele christliche Nervenärzte sich diese ausgesprochen dämonische psychoanalytische Methode zu eigen gemacht haben. Wohl sagen viele von ihnen, daß sie Freud und seine Methode ablehnen. Mit dem ist aber nicht gesagt, das sie auch die psychoanalytische Methode überhaupt ablehnen, um so mehr, da es eine “Edel Psychoanalyse” gibt, die den Schmutz der Psychoanalyse liegenläßt und das “Gute” daraus verwertet. Doch ich denke, die Gefahr wird gleich groß sein, ob jemand in eine Pfanne voll Milch einen Eßlöffel voll Arsen streut oder nur einen Kaffeelöffel voll! Und zudem: Kann man auch von “Dornen Feigen lesen”? Es gibt eben keine christlichen Nervenärzte, es sei denn, sie gründen ihre psychologischen Erkenntnisse nur und allein auf die Psychologie der Heiligen Schrift und nicht auch noch auf “Erkenntnis” Methoden, die dem Menschen scheinbar aus seiner Not helfen, aber die Seele nicht retten.
Folgendes Erlebnis eines Opfers der Psychoanalyse möge die Gefährlichkeit der Psychoanalyse illustrieren:
“Meine Erfahrungen mit der Psychoanalyse und mit anderen psycho therapeutischen Methoden. Im Sommer 19.. begab ich mich in die Behandlung eines Nervenarztes wegen “Nervosität”. Neben Elektrotherapie und anderen physischen Methoden kam besonders die Psychoanalyse zur Anwendung, und zwar hauptsächlich nach der Technik von Freud. Es sollen vor allem Erlebnisse der frühen Kindheit, die ich möglicherweise verdrängt hätte, ins Bewußtsein gehoben werden. Die Ausbeute aber war sehr gering, und die Analyse wurde nach drei Monaten wieder aufgegeben. Dagegen ging die allgemeine seelische Beratung weiter. Der Arzt vertrat die Auffassung, daß Selbstbefriedigung etwas “Normales” sei, daß sich weder leiblicher noch seelischer Schaden als Folge davon nachweisen lasse; daß die Einehe ein von der christlichen Kirche verschuldeter Irrtum sei, der sich früher oder später rächen müsse; daß ferner sexuelle Perversionen erlaubt seien. Die Trunksucht war ir bedenklich wegen der Existenzgefährdung. Parallel zu diesen Beratungen praktizierte ich die Autosuggestion nach Coué, wogegen der Arzt nichts einzuwenden hatte. Ich erinnere mich deutlich, daß ich mehrmals nach solchen analytischen Sitzungen oder nach Beratungen von furchtbarer Unruhe umhergetrieben und von Selbstmordgedanken gequält wurde. Da ein Erfolg ausblieb   trotzdem ich mich während mehrerer Jahre des Alkohols enthalten konnte  , suchte ich einen anderen Nervenarzt auf. Seine Methode war die Psychokatharsis (Reinigung der Seele) nach Frank. Die Technik war folgende: Vollständige Entspannung aller Muskeln, mit dem Blick einen Punkt fixieren, und in diesem Zustand etwa eine halbe bis eine ganze Stunde verharren. Der Zweck war: Abreaktion der gestauten Affekte mit Erinnerung an ein primäres, affektbildendes Erlebnis. Es traten bei mir jedesmal tobsuchtähnliche Anfälle auf, auch wenn ich zu Hause praktizierte, wozu mir der Arzt Anleitung gegeben hatte. Da der erhoffte Erfolg, insbesondere die mit Spannung erwartete Erinnerung, ausblieb, die Anfälle aber heftiger wurden, sistierte der Arzt plötzlich diese Behandlung und begnügte sich ebenfalls mit gelegentlicher Beratung.
Als die nervösen Zustände wieder einmal unerträglich wurden, suchte ich Hilfe bei einem “praktischen” Psychologen. Die Behandlung war folgende: Psychoanalyse nach Jung, verbunden mit allgemeiner Beratung. Die Wirkung war eine entschiedene körperliche und seelische Lockerung, andererseits aber eine ungeheure “Inflation des Ichs” (um einen beliebten Terminus der Analytiker zu gebrauchen), Vernachlässigung der Berufspflichten, beinahe hemmungsloses Triebleben, allmähliches Zurückgleiten in die Trunksucht.
Im ganzen habe ich   mit einigen Unterbrechungen von mehreren Monaten   zehn Jahre in solchen “psychotherapeutischen” Behandlungen gestanden. Zeitweise waren es eine oder zwei Sitzungen pro Woche, im Anfang eine oder zwei täglich. Die Kosten beliefen sich auf 4000 Franken. Die erhoffte Heilung trat nicht ein.
Ich bin jetzt froh, daß keine Art der Behandlung zum Erfolg geführt hat. Ich weiß jetzt, daß nur Jesus die kranke Seele heilt. In jenem Sommer 19.. hatte ich mehrmals ein unbestimmtes Sehnen meiner Seele verspürt und den Gedanken gefaßt, einmal einem Geistlichen meine Not anzuvertrauen, obschon ich ungläubig war; aber ich kannte niemand, und so führte mich der Teufel zu den Nervenärzten.”
Gewiß . und das wollen wir nicht in Abrede stellen, die Psychoanalyse hat schon vielen “geholfen”, aber eben in dem Sinn geholfen, daß der Teufel auch hier durch Beelze¬bub ausgetrieben wurde; genauso wie die Zauberei und Sympathie auch hilft, aber immer um den Preis, daß die Seele verkauft wird.
Wir fassen zusammen: Die Psychoanalyse ist eine der gefährlichsten “wissenschaftlichen” Heilmethoden; sie bringt den Menschen, der sich ihr unterwirft, in eine Art Umsessenheit hinein. Gewöhnlich ist es ja so, daß, wer Hilfe bei der Psychoanalyse sucht, in den meisten Fällen schon unter einem Bann steht, der auf Zauberei oder Sympathie, Aberglaube oder Astrologie usw. zurückzuführen ist. Man kann sich nur mit Schaudern vorstellen, in welchen dämonischen Schmutz diese unter dem Bann stehenden Menschen durch die Psychoanalyse noch hineingestoßen werden. Und in dem allem vergessen wir nicht, daß es unreine Geister gibt, und daß die Psychoanalyse von ihnen inspiriert ist.
 
Die Magnetopathie
Die Magnetopathie (auch Mesmerismus genannt) ist ebenso gefährlich wie z.B. das Heilen mit Sympathie, weil die Magnetopathie genauso mit satanischen Kräften operiert wie die Sympathie.
Ein Magnetopath aus dem Appenzellerland, dem Eldorado der „Naturheilärzte“, begründet seine Kunst der Magnetopathie folgendermaßen:
“Jeder Mensch besitzt in sich gewissermaßen eine Batterie, die in ihm die nötige Lebenskraft erzeugt und aufspeichert. Nur wenige Menschen aber gibt es, die noch in der Lage sind, von dieser aufgespeicherten Lebenskraft, die man Lebensmagnetismus nennt, anderen Menschen abzugeben. Diese Abgabe, diese Ausstrahlungen sind stark genug, um von einer lichtempfindlichen photographischen Platte aufgenommen und wiedergegeben zu werden. Dieser Lebensmagnetismus ist eine Naturkraft, mit den gewöhnlichen Sinnen nicht wahrnehmbare Strahlungen, welche auf andere Körper wohltuend, belebend und im stärksten Maße heilend einwirken und eine regelrechte Tätigkeit in diesen hervorrufen können.”
Nun schreibt derselbe Magnetopath weiter: “Nicht zu vergessen ist, daß ich mit Hilfe dieser Heilkräfte auch Fernbehandlungen ausführen kann, wobei es auf die Distanz der Entfernung keineswegs ankommt. Senden Sie mir eine noch gut erhaltene Photographie der zu behandelnden Person, und nach kurzer Zeit werden Sie die arbeitenden Heilkräfte spüren.”
Es schaudert einen förmlich, sehen zu müssen, wie mannigfaltig und unheimlich die höllischen Methoden sind, die die Menschen in die Finsternis des Zauberbannes reißen. Wie der Pendler auf Distanz die unglaublichsten Dinge auszuführen imstande ist, so vermag der Magnetopath, ebenfalls auf Distanz, bestimmte Wirkungen hervorzurufen.
Die meisten Magnetopathen stehen unbewußt im Dienst der Finsternismacht ‘ d. h. sie erkennen nicht, wer ihnen die Kraft gibt. Andererseits stehen viele bewußt im Dienst Satans. Sie holen ihre Kraft bewußt aus der dunklen satanischen Tiefe. Doch bewußt oder unbewußt, nicht darauf kommt es an, sondern auf die vermittelte satanische Kraft, die den Menschen unter dem Deckmantel der Hilfe unter einen von Gott verfluchten Bann bringt.
Der Vollständigkeit halber müssen wir noch erwähnen, daß es auch christliche Magnetopathen gibt, die sich von den oben erwähnten Magnetopathen distanzieren. Damit wird der Anspruch erhoben, die Magnetopathie, von christlichen Magnetopathen ausgeführt, sei unschädlich. Demgegenüber möchten wir sagen, daß es weder eine christliche noch unchristliche Magnetopathie gibt, sondern nur eine Magnetopathie schlechthin. Wie heißt es doch in Römer 3, 12: “Sie sind alle abgefallen und allesamt untüchtig geworden; da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht einer”? Und heißt es nicht weiter: “Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes”? (Röm. 7, 18)*. (*Wozu braucht es christliche Magnetopathen? Haben wir denn nicht etwas unvergleichlich Besseres: die Handauflegung nach Jakobus 5,14 und Markus 16, 18? Das ist ja unser herrliches Vorrecht, das wir als Gabe Gottes besitzen, daß wir weder zu den Magnetopathen noch zu de Wunderdoktoren und Zauberern laufen müssen, sondern daß uns Gott, die lebendige Quelle, Heilung des Geistes, der Seele und des Leibes schenkt, durch Handauflegung im Namen Jesu Christi, d. h. durch das Gebet des Glaubens.)
Hüte dich deshalb, je einen Magnetopathen aufzusuchen und dich von ihm, direkt oder auf Entfernung, behandeln zu lassen; denn wie kann ein Mensch, vermöge seiner besonderen “magnetischen Begabung”, einem anderen Menschen ohne Schaden “helfen”, wenn in ihm, in seinem Fleisch, nichts Gutes ist?
Eine Tochter stand sechs Jahre lang in der Behandlung eines Magnetopathen. Sie war förmlich an ihn gekettet. In einer Evangelisation nun wurde sie erweckt, fand aber keine Ruhe. Dann suchte sie die Sprechstunde auf, und während des Gebets stieß sie fürchterliche Schreie aus, und plötzlich wurde sie in die Höhe gehoben wie ein Gummiball, die Haare flogen auf, und dann fiel sie wie gelähmt zu Boden. Gott hat sich dann ihrer erbarmt; aber sie ist noch nicht ganz frei. Dies zeigt deutlich, wie gefährlich die Magnetopathie ist.
 
Die Graphologie
Die Graphologie hat sich bereits derart als Wissenschaft eingebürgert, daß man in den Verdacht kommt, ein Kardinal der Inquisition zu sein, wenn man es wagt, an den bereits “gesicherten Ergebnissen” zu rütteln. Indessen dürfen Tatsachen nicht übergangen werden, selbst nicht auf die Gefahr hin, ein Ketzerrichter zu sein.
Vorerst mögen zwei interessante Fälle hier folgen:
Bei einem großen Unternehmen war ein Angestellter, der 15 Jahre lang einen gehobenen Posten zu voller Zufriedenheit seines Chefs innehatte, plötzlich und ohne Angabe von Gründen entlassen worden. Er erhielt eines Tages in seiner Wohnung einen Brief mit der Kündigung und gleichzeitig seine bis zum Ablauf der Kündigung zustehenden Bezüge übersandt. Ein Betreten des Geschäftshauses wurde ihm untersagt.
Der Entlassene war wie vom Donner gerührt. Er glaubte, beim nächsten Revirement einen neuen Posten zu erlangen und wußte sich die Maßnahmen der Geschäftsleitung nicht zu erklären. Alle Versuche über die Gründe seiner Entlassung etwas Näheres zu erfahren, blieben erfolglos. Da er aber ein tüchtiger Beamter war, ließ er nicht locker, und es gelang ihm schließlich, festzustellen, was die Ursache seiner Verabschiedung war.
Der eine der Inhaber des Unternehmens beschäftigte sich seit längerer Zeit mit Graphologie und glaubte, über die Handschriften auf verschiedene Veranlagungen der Schreiber schließen zu dürfen. Um sich einmal über seine Angestellten zu informieren, übergab er Schriftproben einem Graphologen, der eine genaue Beurteilung der einzelnen Persönlichkeiten vornahm.
In dieser Beurteilung kam der entlassene Angestellte sehr schlecht weg. Es wurden ihm Eigenschaften unterstellt, die tatsächlich ein längeres Verweilen in dem Unternehmen nicht opportun erscheinen ließen. Als sich der Entlassene dieses Material verschafft hatte, ließ er durch seinen Anwalt den Schriftdeuter vor Gericht laden*. (*Aberglaube, Kurpfuscherei, Seelenkunde von Dr. med. Strasser.)
Das andere Beispiel, das einer gewissen Komik nicht entbehrt, sei nur in kurzen Zügen wiedergegeben. Eine Ärztin schreibt das Anmeldeschreiben einer Buchhalterin (Fräulein gesetzten Alters) ab und sendet dieses Schreiben einer europäischen graphologischen Größe. Die ausführliche Charakteranalyse dieses “Fräuleins gesetzten Alters” trifft ein und haut so unsagbar grausam daneben, daß man sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren kann**.
Daß man aus der Schrift einiges herauslesen kann, ist sicher. So wird zum Beispiel ein nur einigermaßen geübtes Auge den Unterschied zwischen einer intellektuellen Schrift und der Schrift eines Gelegenheitsarbeiters erkennen können. Oder er wird aus einer zittrigen Schrift feststellen können, da ß es sich um eine Alterserscheinung handelt oder um ein Nervenleiden. Daß aber der Charakter oder gar verborgene Krankheiten aus der Schrift herausgelesen werden können, ist sehr fragwürdig, wie die beiden oben erwähnten Beispiele, die beliebig vermehrt werden können, zeigen, es sei denn, daß gewisse Graphologen, bewußt oder unbewußt, den Wahrsagegeist besitzen. Und es gibt Graphologen, die aus der Schrift, vermöge des Wahrsagegeistes, Merkwürdiges herauszulesen wissen.
Wie sehr oft Graphologen in Aberglauben und Zauberei verstrickt sind, zeigt folgende Stelle aus der kleinen Schrift “Psychologie des Schreibens” (von Kottonau): “Wir besitzen Neuoffenbarungen zur Ergänzung der naturwissenschaftlichen Punkte, welche in der Bibel nicht mehr vorhanden sind, da das 6. und 7. Buch Mose in der babylonischen Gefangenschaft von einer herrschsüchtigen Priesterkaste unterschlagen wurden. Diese zwei Bücher enthielten verständliche Belehrungen über die Naturordnung, von Gott selbst dem Mose diktiert, genau wie die Zehn Gebote.”
Hier ist die Graphologie mit den beiden dämonischen Büchern, 6. und 7. Buch Mose, offenkundig verquickt. Nicht überall ist die Tatsache des Okkulten in der Graphologie sichtbar. Man kann als Graphologe auch ohne 6. und 7. Buch Mose den Wahrsagegeist besitzen.
Übrigens ist die Graphologie, biblisch gesehen, nichts anderes als Zeichendeuterei.
Sehr lehrreich ist folgendes Beispiel: Eine Frau ließ sich seinerzeit vom Graphologen X. Y. ein graphologisches Urteil ausstellen. Nach einer bestimmten Zeit begann jene Handschriftenbeurteilung sie innerlich zu beschäftigen; es wurde ihr schwer, ohne daß sie jeweils eine Erklärung dafür fand. Nach der Entdeckung, wonach der betreffende Graphologe in Aberglauben und Zauberei verstrickt ist, wurde die Ursache der Unruhe gefunden. Betende Fürbitte entfernte dann den Druck für immer.
 
Die Augendiagnose
Die “Wissenschaft” der Augendiagnose ist weitverbreitet. Nach Professor Seligmann kann die Irisdeutung in Europa bis zum Jahr 1654 zurückverfolgt werden. Auch China kannte die Augendiagnose schon sehr früh. Professor Seligmann schreibt in der Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung, daß Kaiser C’hen Lung ein Werk über die Augendiagnose im Jahr 1724 herausgegeben habe. Professor Salzer stellt zu diesen Ausführungen noch folgendes fest: “Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, daß die Wurzeln der Augendiagnose noch viel weiter zurückreichen. Es ist bekannt, daß die Medizin, wie andere Wissenschaften, lange Jahrhunderte in den Fesseln der Astrologie verstrickt war. Die Wiege dieser alten Priesterlehre stand, nach ihrem besten Kenner Professor Dr. Fr. Boll (Sternglaube und Sterndeutung, Berlin 1919) und seinem Mitarbeiter Professor Dr. K. Bezold, in der sonnendurchglühten Zweistromebene des Euphrat und Tigris. Vom Orient kam die Astrologie zu den Griechen und von den Griechen über Ägypten nach Rom, von wo sie über Byzanz die ganze Kulturwelt überschwemmte.   Aus dieser Weltanschauung stammen im Grunde nicht nur die Augendiagnose, sondern noch andere Bestandteile der okkulten Medizin, und es ist durchaus kein Zufall, daß die alte Chaldäerlehre, die jetzt wieder zu neuem Leben galvanisiert wird, mit schwesterlichen Gefühlen die Augendiagnose in die Arme schließt.”
Wenn man sich vergegenwärtigt, was alles aus dem Zweistromland Euphrat und Tigris, d.h. Babylon, stammt, dann muß man sich nicht wundern, daß nicht nur die Astrologie, sondern auch die Augendiagnose wie eine unausrottbare “Seuche, die am Mittag verderbet”, sich behauptet hat. Bekanntlich ist Babylon nach Offenbarung 17, 4-5 das Mysterium, die Mutter der Hurerei und der Greuel auf Erden! Von dort hat sich die Götzendienerei mit ihren mannigfaltigen Geheimlehren über die ganze Welt verbreitet und sich auch weitgehend der christlichen Kirche bemächtigt. Babylon, unter Nimrod und Semiramis, ist nicht nur der Ursprung der Mysterien, d. h. des Götzenkultes, sondern auch die Brutstätte der Zauberei und des Aberglaubens, der schwarzen Magie überhaupt.
Die Augendiagnose kann nicht, wie es immer wieder geschieht als Scharlatanerie abgetan werden, trotz der unendlichen Zahl von Fehldiagnosen. Denn es gibt Augendiagnostiker, die es tatsächlich so weit bringen, daß sie mit merkwürdiger Sicherheit ein mehr oder weniger deutliches Krankheitsbild, auf Grund der Irisflecken, zu diagnostizieren imstande sind.
Der Augendiagnostiker versichert seinen Patienten, die ihn fragen, ob denn alles mit rechten Dingen zugehe, daß die Augendiagnostik eine Wissenschaft sei und deshalb mit Okkultismus nichts zu tun habe. Dazu ist zu bemerken, daß die Grenzen, wie z.B. auch bei der Graphologie und Handlesekunst, fließend sind. Das heißt: Wer immer sich mit diesen Dingen beschäftigt, kann nicht sagen, wo die „Wissenschaft“ aufhört und wo das Okkulte beginnt. Auf jeden Fall gerät jeder, der sich mit der Augendiagnose beschäftigt, früher oder später in das dunkle Gebiet des Okkulten, wo er von den bösen Geistern, die in der Luft herrschen (Eph. 6, 12), bestimmt wird. Der Augendiagnostiker wird in diesem Fall, ohne daß er es weiß, zum Hellseher oder Wahrsager, dem die Iris des menschlichen Auges das ist, was der Hellseherin oder Wahrsagerin der Kristall!
Bedeutsam ist die aufschlußreiche Feststellung von Professor Salzer, wenn er sagt:
“Es lohnt sich nun nicht auf die späteren Bearbeiter der Augendiagnose einzugehen. Sie streiten untereinander erheblich über die Lage der Abgrenzung der einzelnen Felder und über die Bedeutung der Zeichen, aber jeder versichert, daß die Augendiagnose ein untrügliches Mittel sei, um Krankheiten zu diagnostizieren.”
Diese Feststellung zeigt klar, daß die Augendiagnostiker nach verschiedenen Systemen, die in ihren Feldern völlig voneinander abweichen, arbeiten. Nun, letztlich kommt es nicht auf das System an, so wenig es beim Pendeln auf die Art des Pendels (Uhr, Ring etc.) ankommt. Die Hauptsache ist, daß auf irgendeine Art die Menschen unter einen Bann gebracht werden. Vielsagend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung der Frau Pastor Madaus, die in ihrem Buch versichert, daß manche Iriszeichen die Form von Heilpflanzen aufweisen, die gegen die betreffende Krankheit wirksam sind. Die Augendiagnose gehört somit, wie die Handlesekunst, Graphologie und Psychophysiognomik usw. in das Gebiet der Zeichendeuterei.
Immer wieder kommen seelisch Kranke in die Seelsorge, die Augendiagnostiker konsultiert haben, und immer muß ich feststellen, wie ein Bann sie festhält, sei es daß eine mehr oder weniger starke Schwermut ihr Gemüt belastet oder sei es, daß eine nervöse Störung sich bemerkbar macht oder sei es, daß sie im Glaubensleben nicht vorwärtskommen.
 
Was sagt die Bibel?
Der denkende Bibelleser wird sich schon oft gefragt haben, warum im Alten Testament das Volk Israel von Gott den Befehl erhielt, die im Lande Kanaan ansässigen Völkerstämme mit Stumpf und Stiel auszurotten. Bei Unkenntnis der Sache könnte man leicht in den bösen Fehler verfallen, Gott der Grausamkeit zu bezichtigen. Wer jedoch genau die Heilige Schrift durchforscht, wird sofort innewerden, daß alle die zu vernichtenden Völker von den Greueln des Wahrsagens, der Zauberei, des Spiritismus und des Dämonenkultes völlig durchseucht waren. Israel mußte deshalb, um nicht angesteckt zu werden, mit rücksichtsloser Strenge vorgehen. Später allerdings kam das auserwählte Volk, weil es dem Befehl Gottes ungehorsam war, selber in die von Gott verfluchte Abgötterei, so daß das göttliche Zorngericht sich auch an ihm erfüllte.
5. Mose 18, 9 14: “Wenn du in das Land kommst, das der Herr, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dich nicht daran gewöhnen, die Greuel der betreffenden Völkerschaften nachzuahmen. Es soll sich niemand unter dir finden, der seinen Sohn oder seine Tochter als Opfer verbrennen läßt, niemand, der Wahrsagerei, Zeichendeuterei oder Beschwörungskünste und Zauberei treibt, niemand, der Geister bannt oder Totengeister beschwört und einen Wahrsagegeist befragt oder sich an die Toten wendet. Denn ein jeder, der sich mit solchen Dingen befaßt, ist für den Herrn ein Greuel, und um dieser Greuel willen ver¬drängt der Herr, dein Gott, diese Völker vor dir her. Du sollst dem Herrn, deinem Gott, gegenüber unsträflich sein. Denn diese Völkerschaften, die du verdrängen wirst, hören auf Zeichendeuter und Wahrsager; dir erlaubt der Herr, dein Gott, etwas Derartiges nicht” (Menge).
3. Mose 20, 27: “Wenn ferner ein Mann oder ein Weib einen Geist der Totenbeschwörung oder einen Wahrsagegeist in sich hat, so sollen sie unfehlbar mit dem Tode bestraft werden; man soll sie steinigen: Blutschuld lastet auf ihnen” (Menge).
3. Mose 19, 31: “Wendet euch nicht an die Totenbeschwörer (Spiritisten!) und an die Wahrsager; sucht sie nicht auf, damit ihr nicht durch sie verunreinigt werdet; ich bin der Herr, euer Gott.”
3. Mose 20, 6: “Wenn sich jemand an die Totenbeschwörer und Wahrsager wendet, um Götzendienst mit ihnen zu treiben, so will ich mein Angesicht gegen einen solchen Menschen kehren und ihn aus der Mitte seines Volkes ausrotten” (Menge).
Die Offenbarung Johannes vergegenwärtigt uns das Gericht über die Zauberei und jegliche Abgötterei in einer unmißverständlichen Sprache, wenn sie sagt:
Offenbarung 21, 8: “Der Verzagten aber und Ungläubi¬gen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zau¬berer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.”
Offenbarung 22, 15: ” Denn draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Totschläger und die Abgöttischen und alle, die liebhaben und tun die Lüge.”
Lukas 16, 17: “Es ist aber leichter, daß Himmel und Erde vergehen, denn daß ein Pünktlein vom Gesetz falle.”
“Wer Ohren hat zu hören, der höre!”

Was die Kirchenväter sagen
Tertullian ( 160 – 220): Nach dieser Zeit aber wurde Simon Magnus (Apg. 8), bereits Christ, verflucht und durch die Apostel vom Glauben zurückgewiesen, als er noch auf Ausübung seines Gauklergewerbes bedacht war und sich zu den Kunststücken seines Handwerks den Heiligen Geist vermittelst der Handauflegung erhandeln wollte. Ein anderer Zauberer (Apg. 13, 6), der sich bei Sergius Paulus aufhielt, wurde, weil er demselben Apostel entgegenarbeitete, durch den Verlust des Augenlichts bestraft. Dasselbe Schicksal würde, glaube ich, auch die Astrologen getroffen haben, wenn diese mit den Aposteln in Berührung gekommen wären. Wenn nun die Magie bestraft wird, wovon die Astrologie eine Spezies ist, dann findet ohne Zweifel die Spezies in der Gattung ihre Verdammung. Nach dem Auftreten des Evangeliums begegnet man keinem Sophisten, keinen Chaldäern, Besprechern, Sterndeutern und Magiern mehr, oder sie werden bestraft. Wo findet sich irgendein Weiser, ein Literat, wo ein weltlicher Forscher? Hat Gott die Weisheit dieser Welt nicht zur Torheit gemacht?” (1.Kor. 1,20.) Astrologe, wenn du nicht wußtest, daß du ein Christ werden wirst so verstehst du nichts. Wenn du dies wußtest, so hättest du auch wissen müssen, daß du nichts mehr in dieser Kunst zu tun haben würdest. Sie, die dich die Komplikationen anderer kennen lehrt, würde dich doch dann auch über die bevorstehende eigene Gefahr unterrichtet haben. Für dich ist bei jenen Berechnungen “kein Teil und kein Los da”. Derjenige, dessen Finger und Quadrant mit dem Himmel Mißbrauch treibt, der darf auf das Himmelreich nicht hoffen.
Origines (185 – 254): Erwäge doch bei dir selbst, welche Person vor dem allmächtigen Gott, dessen Macht jede andere in jeder Hinsicht übertrifft und der den Menschen an Leib und Seele und auch mit den Dingen außerhalb wohlzutun vermag, mehr Gnade finden wird: etwa der Mensch, der sich ihm in allen Dingen gläubig hingibt, oder der andere, der sich unnützerweise mit “den Namen von Dämonen” und ihren Kräften und Handlungen und mit Zaubersprüchen und Pflanzen beschäftigt, die ihnen angehören, und mit Steinen und den in sie eingegrabenen Zeichen*, die den überlieferten sinnbildlichen oder wie nur immer gearteten Gestalten der Dämonen entsprechen. Wer nur ein wenig zu urteilen vermag, wird einsehen, daß ein einfacher und ungekünstelter Sinn, der eben deshalb sich dem allmächtigen Gott hingibt, Gott und allen, die sich ihm anvertrauen, willkommen sein wird; dagegen wird ein Sinn, der sich wegen körperlicher Gesundheit und Liebe zum Irdischen und des in gewöhnlichen Verhältnissen (erhofften) Glücks unnützerweise um Namen von Dämonen kümmert und danach trachtet, wie er die Dämonen mit gewissen Zaubersprüchen gewinnen kann, von Gott als schlecht und ruchlos und eher dämonisch als menschlich angesehen und den Dämonen überlassen werden, die der Sprecher solcher Zauberworte sich erwählt hat, um dann von den Gedanken, die ihm ein jeder Dämon eingibt, oder aber auch von anderen Übeln geplagt zu werden.
(* Ein solches eingegrabenes Zeichen liefert Gyr Niederer, Kräuterhaus in Gais, seinen Kunden. Er schreibt in seinem Prospekt: “Wir haben jetzt gesehen, wie die kosmischen Zahlen in unserem Leben eine Rolle übernommen haben und daß das mystische Pentagramm nicht umsonst an den Kopf dieser Seite gesetzt wurde. Dieses Sinnbild soll auch für den Leser zum Glücksymbol im täglichen Leben werden, indem ich jedem meiner Kunden das Pentagramm, eingeprägt in einem Stämmchenabschnitt der höchst seltenen Zwergkoniferen, auf Wunsch und bei größerer Bestellung von Kräuterprodukten geschenkweise überlasse, solange der Vorrat reicht.   Greifen Sie heute noch zu! Dieser Talisman ist später nicht mehr lieferbar.” Der Talisman bedeutet ja nichts anderes als ein zauberhaftes Schutzmittel, ähnlich wie das Amulett.)
Chrisostomus (gest. 407): Du gebrauchst nicht nur Amu¬lette, sondern auch Zauberformeln, indem du trunkene und taumelnde Weiber in dein Haus einführst. Und du schämst dich nicht, dich zu solchen Dingen zu wenden? Man glaubt sich damit zu entschuldigen, daß das Weib eine Christin ist und nichts anderes spricht als den Namen Gottes. Gerade deshalb hasse und verabscheue ich sie desto mehr, weil sie den Namen Gottes schändet und, während sie sich eine Christin nennt, heidnische Werke treibt.   Die Priester hängen den Menschen Schutzmittel um den Hals. Einige ein Stück des Evangeliums. Sage, du törichter Priester: Wird nicht täglich das Evangelium in der Kirche gelesen und gehört? Wenn nun das Evangelium, das zu seinen Ohren dringt, nichts nützt, wie wird es ihn retten, so es ihm um den Hals gehängt ist? Ferner: Worin besteht die Kraft des Evangeliums? Im geschriebenen Buchstaben oder im Geist? Wenn im Buchstaben, dann hängst du es füglich um den Hals, wenn aber im Geist, dann ist es heilsamer, wenn du es zu Herzen nimmst, als wenn du es um den Hals hängst.
Augustin (354 – 430): Es ist etwas Großes, dies auf dem ganzen Erdkreis zu sehen, wie der Löwe durch das Blut des Lammes besiegt, die Glieder Christi den Zähnen des Löwen entrissen und mit dem Leib Christi verbunden wurden. Also ich weiß nicht, was ein gewisser Geist nachgeahmt hat, daß er durch Blut sein Scheingebilde erkauft haben wollte, weil er wußte, daß durch das kostbare Blut irgendeinmal das Menschengeschlecht erlöst werden solle. Es machen sich nämlich die bösen Geister gewisse Schattenbilder von Ehre, um so diejenigen zu täuschen, die Christus anhängen. Bis zu dem Grade, meine Brüder, daß jene, die durch Amulette, durch Zaubersprüche, durch Kunstgriffe des Feindes zu verführen suchen, ihren Zaubersprüchen den Namen Christi beimischen   weil sie die Christen schon nicht mehr so verführen können, daß sie ihnen Gift geben, fügen sie etwas Honig hinzu, damit durch das Süße das Bittere verborgen bleibe und getrunken werde zum Verderben.
Johannes Mandakuni (armenischer Kirchenvater, fünftes Jahrhundert): Warum hast du, bedauernswerter Unglücklicher, Gott, den Schöpfer, den Arzt, das rettende Kreuz verlassen und zur törichten Zauberei Zuflucht genommen, die von den Dämonen in das Verderben gestürzt wurden? Wohlan, siehe, was der Zauberer treibt! Er zaubert, durch den Fluß gehend, und während er seine Zauberei treibt, nahen sich ihm die Dämonen, und während er geht, wird er von ihnen ergriffen; nach links treibt er Zauberei, nach rechts speit er aus, schwört dem Kreuze ab und wird an Christus zum Feind und weiß es nicht.
Sie verachten die Gnadengeschenke. Denn es heißt: “Ist jemand krank unter euch, so rufe er die Ältesten der Gemeinde; sie sollen über ihn beten und salben mit Öl im Namen des Herrn; und das Gebet im Glauben wird dem Kranken zum Heil gereichen” (Jak.5,14 f.). Für jene aber, welche der böse Feind quält, hat er auch Befehl gegeben, und sie trieben ihn aus durch Fasten und Gebet im Zeichen des Kreuzes, das alles besiegt. Von jenen aber, die dem rettenden Kreuz abschwören, die Gnade Jesu Christi verachten und zu den Zauberern laufen, um Zauberei zu treiben und die Amulette, Zaubermittel und Zauberschriften um sich zu hängen, sagt Jesus: “Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer; ich kenne euch nicht!”   weil sie taten, was er ihnen nicht geboten hat.
Ja, so weit treibt Satan die Menschen in ihrer Verwegenheit, daß sie den heiligen Namen Gottes in ihre Zauberbücher schreiben und ihn in Verbindung bringen mit den Zaubermitteln. Ja, sie werden noch verdammungswürdiger, weil sie Gott in den Zaubermitteln und Zauberbüchern mit den Dämonen vermengen, ohne auf die unsichtbaren Pfeile Satans zu achten. Denn die Zaubermittel und Zauberschriften sind Anordnungen des Satans, nicht Gottes. Deshalb läßt Satan auch seine verderblichen Pfeile nicht merken; denn boshaft läßt er den heiligen Namen Gottes mit seinen Befehlen vermengen, damit sie, durch den Namen Gottes irregeführt, seine schwarzen Pläne nicht merken können. Denn töricht, wie sie sind, behalten sie zwar Christennamen noch bei, in ihren sinnlosen Handlungen aber erniedrigen sie sich derart, als würden sie Satan bekennen.
Ein Zauberer macht sich erkenntlich durch Aberglauben, Wahrsagerei, Zauberei, durch Beschwörung, durch Befragen, im Schneiden (Zauberei am Brot) durch Vogelschau, durch Schütteln des Siebes, durch Würfellose, durch Erprobungen mit Flüssigkeiten, durch Zauberei mit Büchern, durch Sterndeuterei (Astrologie, Horoskope), durch Befragen der Geister, durch abergläubische Beobachtungen von Tagen und des Mondes, durch Talisman*, durch allerlei zauberische Bewegung mit den Talismanen (Pendel), durch Zauberei mit Salz, Eisen, Wasser, Farben, Öl, Gerste, Perlschnüren (Halsketten), Wachs, dem Haupthaar und mit all den Unreinigkeiten, womit sie die Seelen derer beflecken und zugrunde richten, die sich ihnen fügen.
Wissen wir aber einmal, daß Gott allein der Schöpfer ist, warum wollen wir uns die Fesseln der Zauberer und Wahrsager anlegen und uns dadurch versündigen, daß wir die Tage abergläubisch unterscheiden? Und du glaubst, daß von ihm aus Schaden oder Förderung das Gras, die Reben, die Früchte der Ernte, der Weinlese, der Same und all die Arbeiten, die euch durch die Hände gehen, erfahren? Wie magst du nur auf den Aberglauben und die Unterscheidung der Tage verfallen? Wohlan, gib mir Antwort. Wodurch soll denn der Samstag und Mittwoch schädlich sein? Der Name allein ohne Licht und Wärme kann weder etwas vernichten noch ins Leben rufen; Licht und Wärme aber kommen von der Sonne. Die Sonne geht nicht am Mittwoch und am Samstag so auf und an den anderen Tagen anders; vielmehr ist der Aufgang der gleiche, und er bleibt immer derselbe. Wenn nun aber der Sonnenaufgang am Mittwoch und Freitag, am Samstag und Sonntag der gleiche ist, wie sollen denn bei einem und demselben Aufgang die einen schädlich sein, die anderen dagegen nicht? Gib Antwort, du törichter Zauberer, Diener der Mantik, der du die Gnade Gottes verloren hast! Sind denn nicht alle Tage des Herrn, und haben wir nicht alle Tage das Gute, das wir vollbringen, unserer guten Neigung und dem Willen Gottes, und das Böse, das wir verüben, unserer Bosheit und der Langmut Gottes zuzuschreiben? Gott ist der Vollbringer des Guten, wir aber sind fähig des Bösen. Wie also sollte der Name des Mittwochs oder Samstags imstande sein, etwas zu fördern oder zu vernichten, der doch ganz machtlos ist? Der Name hat ja keine Seele und keinen Verstand, und wie sollte der imstande sein, etwas zu schaffen, der keine Seele und keinen Verstand hat? Doch der Satan hat dich betört, dieses zu denken, auf daß du Gott die Ehre als Schöpfer entziehest und sie weihst den toten Namen des Samstags und Mittwochs, und du mit den Götzendienern (als Götzendiener) verurteilt wirst.
 
Die Folgen
Pfarrer J. Chr. Blumhardt schreibt:
“Noch muß ich etwas Zusammenfassendes mitteilen, das zwar auffallen wird, aber keineswegs von mir verschwiegen werden kann. Es wurde mir erkennbar, daß unsere Zeit an einem Übel leidet, das allmählich, ohne daß jemand darauf mit Ernst geachtet hätte, wie ein heimlich nagender Wurm fast die ganze, auch die evangelische Christenheit durchfressen hat, nämlich, daß ich so sage, die Sünde der Abgötterei, die stufenweise die Zauberei und vollendete Schwarzkunst treibt, von deren schauerlichem Eingang mir nur allzu gewisse Kunde geworden ist. Unter Abgötterei mag jedes Vertrauen auf eine übernatürliche, unsichtbare Kraft verstanden sein, auf welche gestützt ein Mensch Gesundheit, Ehre, Gewinn und Genuß sich zu beschaffen bemüht ist. Aber auch jeder abergläubische Gebrauch von scheinbar frommen Worten, besonders wenn die drei höchsten Namen dazu angewendet werden’ ist Abgötterei, weil der lebendige Glaube an Gott, sowie die Hoheit und Majestät Gottes dadurch in ein Zerrbild verwandelt werden. Hierher gehört alle und jede Art von sogenannter Sympathie, deren Wirksamkeit von Hohen und Niederen immer entschiedener anerkannt wird und die daher von jedermann, wenigstens in ihren scheinbar unschuldigen Sphären, angewendet wird, ohne daß man überlegt, welchen Abfall von Gott solche gedankenlose Herabwürdigung des Namens und der Kraft Gottes voraussetzt und welches eigentlich in solchen Fällen die unsichtbar wirkende Kraft ist und allein nur sein kann. Sowohl hierdurch als auch durch manches andere hängt sich der Mensch mindestens an eine unmittelbare Naturkraft, kehrt seinen Glauben ans Unsichtbare von Gott ab und an eine Art Naturgeist hin, wodurch er in den Augen des eifrigen Gottes, der seine Ehre keinem anderen läßt, wie das Alte Testament redet, nur Abgötterei treibt. Soll eine unsichtbare, unmittelbare Kraft helfen, warum will sich der Mensch nicht an den halten, der die Kraft selber ist?   Noch weniger ist aus dem Gebiet der Abgötterei die sogenannte Transtantion auszuschließen, bei welcher man einen Schmerz oder eine Krankheit durch allerlei Manipulationen, mit und ohne Formeln, auf Bäume oder Tiere übertragen sich bemüht. In die fürchterlichen Folgen aller dieser Abgötterei lernte ich allmählich einen Blick tun. Die nächste Wirkung ist die, daß der Mensch mehr oder weniger an eine satanische Macht gebunden wird, indem irgendein Dämon, durch den Akt der Abgötterei herbeigelockt, Einfluß auf ihn gewinnt. Dieser Einfluß kann physisch sein und namentlich allerlei Nervenleiden, Krämpfe, Gicht und andere Gebrechen zur Folge haben, bei weichen auch die Ärzte wenig Rat wissen. Ferner kann dieser Einfluß Melancholie und Schwermut wecken oder grobe Leidenschaften nähren, Wollust, Geiz, Trunkenheit, Neid, Zorn, Rachsucht und dergleichen mehr, die dem Menschen oft zur Last werden, ohne daß er darüber Herr zu werden vermöchte. Was Paulus im Römerbrief von den Folgen der Abgötterei schreibt, als eine Verwandlung der Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in allerlei Torheiten, geht auch bei unserer christlichen Abgötterei buchstäblich in Erfüllung, wenn Christen ihr Vertrauen auf ihre sündlichen Sprüche, auf geheime Formeln und Zeichen, auf gewisse Tage und Stunden und Zettelchen setzen, die sie sich umhängen wie die Neger ihre Ringe, oder sie verschlingen neben anderen eigentlichen Greueln, welche hier auseinanderzusetzen zu weit führen würde. Eine weitere Folge ist die Unempfindlichkeit gegen das Wort der Wahrheit, Gleichgültigkeit gegen die Sünde, Stumpfheit des Geistes für höhere Empfindungen und Gedanken und Sicherheit in Beziehung auf die Ewigkeit und umgekehrt, daß in der Trübsal kein Trost haften will, namentlich die evangelische Freiheit bei Anklage des Geistes nicht festwurzeln kann. Die traurigste Folge für den Menschen, wenn er obige Abgötterei nicht bekennt und bereut, kommt nach dem Tod und ist zunächst das, was ich mit Schaudern auf allerlei Weise in meinen Kämpfen erfahren habe, nämlich: Das Band, mit dem er sich an die finstere Macht gebunden hat, ist noch nicht gelöst, und der Mensch, der eben glaubte, reif für die Freude zu sein, wird festgehalten und, je nachdem er sich verstrickt hat, gezwungen, auch wider seinen Willen zur Qual der Lebendigen dem Teufel zu dienen.”
Wer Blumhardt kennt, weiß, daß seine Worte ein Gewicht haben, und dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein, wie Gott durch diesen besonders Berufenen uns sein Wort über den Aberglauben und die Zauberei in seinen furchtbaren Folgen auslegt.
Die unmittelbare Wirkung des Aberglaubens und jeglicher Zauberei besteht, wie wir bereits betont haben, darin, daß die Dämonen und die bösen Geister Seele und Leib in Besitz nehmen dürfen. Daraus entsteht eine unheimliche Mannigfaltigkeit von Folgen, wie wir sie zum Teil aus Blumhardts Bericht ersehen. Wir wollen nun diese Folgen, um einigen Überblick zu gewinnen, einteilen in Störungen seelischer und körperlicher Art.
 
1. Die seelischen Störungen
Ablehnung des Göttlichen. Daraus aber dürfen wir nicht etwa den falschen Schluß ziehen, als ob die Ehrfurcht vor dem Göttlichen das Waten im Sumpf des Aberglaubens und der Zauberei ausschließen würde. (Siehe Spiritismus!) Was uns jedoch bei dem Hinweis, daß der Abergläubische und von der Sünde der Zauberei behaftete Mensch das Göttliche ablehnt, ganz besonders bewegt, ist die Absicht, eine der Hauptursachen der immer mehr überhandnehmenden Gottlosigkeit aufzudecken. Unzählige haben keine Ahnung, warum sie sich gegenüber dem Wort Gottes so ablehnend, ja sogar feindselig verhalten müssen. Und viele, die sich mit ihren freidenkerischen Auffassungen brüsten, sind durch Aberglauben und Zauberei Gefangene der Finsternismacht.
Hochmut und Selbstgerechtigkeit. Durch den satanischen Bann wird, entsprechend der Charakteranlage des Menschen, auch Hochmut und Selbstgerechtigkeit ausgelöst. Es gibt Menschen, die eine höchst beleidigende Selbstgerechtigkeit und einen fast stinkenden Hochmut an den Tag legen. Sie sind derart von sich eingenommen, daß in ihren Augen die Mitmenschen, oder wenigstens die “unteren” Schichten des Volks, nur Menschen zweiter Klasse sind. Hochmut ist eine Eigenschaft Satans. Durch Hochmut fiel er aus seiner Höhe in die schauerliche Tiefe, und durch Hochmut und Selbstgerechtigkeit reißt er Tausende und aber Tausende von Gott los, in das Verderben.
Völlige Gleichgültigkeit gegen die Sünde. Jesus sagt an vielen Stellen im Neuen Testament: “Wer Augen hat zu sehen, der sehe!” Diese Augen, die zum Sehen da sind, werden durch Satan mit Blindheit geschlagen, daß die Sünde nicht als Sünde empfunden und erkannt wird. Die Absicht ist eindeutig. Der unter dem Satansbann stehende Mensch soll ohne Gewissensbisse in immer größere und schlimmere Stricke fallen, bis er derart gefesselt ist, daß jede Flucht unmöglich ist. Es ist selbstverständlich, daß Satan, wo immer ihm eine Handhabe geboten wird, den Blick für die Sünde verschleiert; und was ist Zauberei und Aberglauben anderes als von Gott verfluchte Sünden, die indessen bezeichnenderweise als solche nicht erkannt werden!
Geiz. Eine Frau hat, um es “zu etwas zu bringen”, viel Sympathie getrieben, und zwar so, daß sie jeweils, wenn sie im Frühling gärtnete”, den Samen oder die Setzlinge in den drei höchsten Namen in Verbindung mit irgendeiner Zauberformel aussäte und setzte. Alles gedieh immer prächtig. Die Jahre kamen und gingen; sie “brachte es zu etwas”. Aber in ihrem Herzen nagte der Geiz. Dann kam die Katastrophe. Der Geizteufel überredete sie, einen Strick zu nehmen und sich zu erhängen. In einem unbewachten Augenblick ging sie hin und hängte sich an einem Nagel auf. Noch in der letzten Sekunde konnte sie vom Strick losgeschnitten werden. Grauenhaft waren die darauffolgenden Tage und Wochen. Satan, wütend, daß ihm sein Opfer diesmal entronnen war, quälte die arme Frau derart, daß sie oft schrie: “Helft mir! Es ist mir, als ob mein ganzer Körper auseinandergerissen würde!”   Furchtbar ist es, so in die Hände Satans zu fallen.
Zwang zum Stehlen (Kleptomanie). Ein unwiderstehlicher Drang zwingt den Menschen zu stehlen, was ihm unter die Finger kommt, selbst Gegenstände, die für den Kleptomanen absolut wertlos sind.
Schwermut. Die Schwermut kann selbstverständlich auch andere Ursachen haben als Aberglauben, Zauberei usw. Wo aber die Schwermut die unmittelbare Folge von Zauberei und Aberglauben ist, wird kein menschliches Heilmittel nützen. Diese Schwermut ist in ihren Folgen unberechenbar wie der Kugelblitz. Es kann Zeiten geben, wo sie sich in die hintersten Örter des Gemüts zurückzieht, um dann unvermutet wie ein Sturmwind hervorzubrechen in der Absicht, den armen Menschen zu vernichten, oft durch Selbstmord oder durch Besessenheit.
Neigung zu Verbrechen. Matuschka ist ein entsetzliches Beispiel dafür. Mit unheimlicher Deutlichkeit wird uns in diesem Leben offenbar, wie durch die Sünde der Zauberei die Finsternismacht ihr unumschränk¬tes Besitzrecht geltend macht. Sie ist es, die dem Menschen die verbrecherischen Gedanken suggeriert und ihn nicht nur zum Verbrechen veranlaßt, sondern auch dazu zwingt. Jener fremde Unbekannte, der Geist, von dem Matuschka redete, war der satanische Geist, der von seinem Opfer in den kritischen Stunden völlig Besitz nahm und es benutzte wie der Handwerker sein Werkzeug. Es handelt sich hier nicht um Spaltung der Persönlichkeit, sondern um die furchtbaren Wirkungen des durch die Hypnose bewirkten satanischen Bannes.
Sehr oft liest man in Gerichtsurteilen: “Der Mörder hat im Affekt gehandelt”, d. h. er war seiner nicht mehr mächtig, er wußte im Augenblick der Handlung nicht mehr, was er tat. Dieser Affekt ist in den meisten Fällen nichts anderes als eine aktive Besessenheit. Es würde sich lohnen, den Lebenslauf dieser vom “Affekt” überraschten Verbrecher auf Zauberei, Spiritismus, Hypnose, Suggestion näher zu untersuchen.
Religiöser Wahnsinn. Der religiöse Wahnsinn wird von Unwissenden als eine Folge allzu übertriebener Religiosität betrachtet. Aber wahrer Christusglaube hat noch nie zum religiösen Wahnsinn geführt, wohl aber und gerade die Zaubereisünden aller Art, die durch das unerbittliche Licht des Evangeliums aufgedeckt wurden, d. h. wenn ein in Zaubereisünden verstrickter Mensch vom Wort Gottes aufgeweckt wird und erkennt, daß er sich bekehren soll, und widerstrebt dem Heiligen Geist, dann geschieht es oft, daß sogenannter religiöser Wahnsinn den Widerstrebenden befällt. Dieser Wahn äußert sich manchmal so gotteslästerlich, daß sich die Feder sträubt, ihn näher zu beschreiben oder ein Beispiel anzuführen.
Besessenheit. Wenn man die genaue Lebensgeschichte jedes Irren kennte, wieviel Irrsinn müßte auf das Konto der Zauberei, des Hypnotismus, der Suggestion, des Spiritismus geschrieben werden! Die moderne Wissenschaft hat den biblischen Ausdruck “Besessenheit” mit Irrsinn vertauscht, weil sie, von ihrem erkenntnistheoretischen Materialismus befangen, die Einwirkung böser Geistwesen auf den Menschen verneinen muß. Dadurch wird im Volk die Meinung geweckt, Irrsinn beruhe auf einer Störung der zentripetalen Funktionen. Hinter dieser Wissenschaftlichkeit kann sich unerkannt das grauenhafte Heer der dämonischen Geister verbergen und mit Leichtigkeit ihr furchtbares Spiel mit den Menschen treiben.
Gewiß, es gibt viele Fälle, da primär der Irrsinn von einer Störung der zentripetalen Funktionen herrührt, z. B. bei Sturz oder Schlag und direkter Verwundung des Gehirns. Aber bei dem weitaus größten Teil der Irrsinnigen liegt Besessenheit zugrunde. jedenfalls ist es sehr bezeichnend, daß es dem Irrenarzt unmöglich ist, jeden Fall genau zu klassifizieren, weil die Mannigfaltigkeit des Irrseins, der Besessenheit zu groß ist.
Unreine Gedanken. Unzählige Menschen sind von unreinen Gedanken und schmutzigen Phantasien völlig durchseucht. Alles, was ihre Zunge berührt, wird beschmutzt. Sie können nicht anders, sie müssen wie das Borstentier immer im Schmutz wühlen. Vielen mag das alles rätselhaft sein. Wir aber wissen, daß es unreine Geister gibt, die auf dem Weg der Hypnose, der Suggestion, des Spiritismus und der Zauberei sich der Menschen bemächtigen und sie zur Wollust, Hurerei, Sodomie, Päderastie und zu allen anderen sexuellen Perversitäten und sadistischen Verbrechen verführen.
Lästerungen. Nicht nur unreine und andere Geister nehmen auf den von Gott verfluchten Wegen Besitz vom Menschen, sondern auch die Lästergeister. Sie zwingen ihn, gotteslästerlichen Gedanken nachzuhangen, heilige Dinge mit dem Geifer lästerlicher Vorstellungen zu verunreinigen. Sie quälen und verfolgen ihre Opfer, gleich Erinnyen, bis sie vor Erschöpfung und Verzweiflung seelisch und körperlich zusammenbrechen oder dann in ihrer überhitzten und vergifteten Phantasie als Verbrecher enden.
Ein Evangelist erzählt:
“Ich wurde einst von einem gläubigen Mann zu seiner kranken Frau gerufen. Weinend sagte die Frau zu mir: Herr R., Sie wissen, daß ich so gern in die Versammlungen und Bibelstunden gegangen bin, und jetzt ist es mir, als ob ich fortwährend lästern und fluchen sollte, was ich ja nie tat. Was ist jetzt das?’ Ich sagte: So wie ich die Sache ansehe, zwingt es mich zu denken, daß Sie Ihre Zuflucht zu einem Zauberdoktor genommen haben’   was sie lebhaft bestritt. ich beharrte darauf. Nun sagte sie: Mein Mann und ich sind nicht hingegangen; aber ein Nachbar kam und sagte, er wolle zum X., ob er ein Mittel für unsere Kuh heimbringen solle. Wir bejahten.”‘
Der Bann wurde dann durch Gottes Hilfe gelöst.
Stumpfheit des Geistes. Die Stumpfheit äußert sich in der Unmöglichkeit, einer Predigt oder dem Wort Gottes überhaupt folgen zu können. Eine kurze Zeitlang gelingt es, die Aufmerksamkeit auf das verkündete Wort zu konzentrieren; aber dann bricht der Faden ab, und die Gedanken schweifen in offensichtlicher Langeweile irgendwohin in die Ferne. Dazu kommt sehr oft anhaltendes Gähnen und Schlafsucht (sofern keine körperliche Anstrengung vorliegt) oder Verlassen des Gottesdienstes während der Predigt.
Unmöglichkeit, zum lebendigen Glauben durchzudringen. Der durch die Zauberei und den Aberglauben auf dem Menschen lastende Bann offenbart seine furchtbare Wirklichkeit in besonderer Weise auch dann, wenn das Wort Gottes als greller Lichtstrahl in dunkle Sündentiefen hinableuchtet. Satan, der fürchten muß, dadurch sein Opfer losgeben zu müssen, versucht in seiner teuflischen Art das letzte. Er reißt, wie es in Matthäus 13,19 heißt, immer wieder das Wort Gottes hinweg, und zwar so, daß er zugleich eine unerträgliche, oft bis zum Wahnsinn sich steigernde Unruhe und Qual hervorruft. Versucht man mit solch armen Gebundenen zu beten, dann unterbrechen sie sehr häufig mit wilden, trotzigen Worten das Gebet oder springen auf und wollen fliehen. Andere wieder werden von den Qualen dieser Art satanischer Angriffe verschont, gelangen aber trotzdem nicht zum Herzensfrieden. Sie suchen und ringen, sie beten und lesen in der Bibel. Es nützt nichts, Zweifel quälen sie; sie stehen wie vor einer unsichtbaren Wand, die sie nicht zu durchbrechen vermögen; es ist der satanische Bann, der sie nicht losläßt. So gibt es eine sehr große Zahl sogenannter “entschiedener” Christen oder Gläubiger, die noch das Brandmal der Zauberei, des Aberglaubens usw. in ihrem Gewissen tragen, die, genauer gesagt, als “Christusnachfolger” immer noch dem Aberglauben und der Zauberei huldigen. Man möchte versucht sein, diese Dinge in Abrede zu stellen, wenn man nicht in erschreckend häufiger Weise in die Seelenabgründe dieser Gläubigen blicken müßte, die vom Satan in unerhört raffinierter Bosheit in ihrer Frömmigkeit geblendet werden, daß sie die Gefahr, in der sie schweben, absolut nicht zu erkennen vermögen.
Viele Gläubige wollen sich aber trotz Warnung nicht belehren lassen. Wenn dann ein harter Schicksalsschlag an die Tür ihres Lebens wuchtet, geraten sie außer Rand und Band. Die Sorge, die Furcht, die Angst treiben sie ruhelos, jammernd, klagend umher. legliches Zureden ist umsonst, jeder Trost gleitet an ihnen ab. Schlaflose Nächte wechseln mit düsteren Tagen ab. Der Fluch des Bannes! Es ist wohl unnötig zu bemerken, daß die unter dem Bann stehenden “Gläubigen” im Glaubensleben zur Unfruchtbarkeit verurteilt sind, und sie sind es denn auch, die zum größten Teil das zersetzende Ferment bilden in den Gemeinschaftskreisen, Streitigkeiten hervorrufen, das Evangelium in Mißkredit bringen und aller Welt ein Ärgernis sind.
Nach meinen Berechnungen und Erfahrungen stehen ungefähr 60 bis 70 Prozent der Bekehrten unter einem noch nicht gelösten Bann der Zauberei oder des Aberglaubens. Eine geradezu erschütternde Feststellung! Wer trägt da wohl die Verantwortung? Sicher in erster Linie die Prediger des Evangeliums, die diesem so überaus wichtigen Gebiet keine Bedeutung beimessen, weil viele von ihnen, wie auch da wiederum die Erfahrung zeigt, oft selbst irgendwie noch belastet sind.
Da kommt eine Dame zu einem Prediger und fragt ihn, ob denn das Pendeln über Kranken zur Feststellung der Krankheit usw. nicht etwas Gefährliches sei. Darauf meinte der Prediger, daß er nicht glaube, daß das unerlaubt sei. Ja, im Hosea heißt es nicht umsonst: “Mein Volk geht mangels an Erkenntnis zugrunde.”
Wenige dürften wissen, daß ganze Dörfer, ja sogar ganze Landstriche unter schwerstem satanischen Bann stehen. Es gibt Gegenden, wo jedes Haus vom Bann der Zauberei behaftet ist. Dies erhellt, warum da und dort dem Evangelium Jesu Christi oft geradezu teuflischer Widerstand entgegengesetzt wird.
Wir dürfen   und damit möchte ich alle einsichtigen gläubigen Pfarrer und Prediger herzlich bitten, sich diesen Tatsachen nicht ungläubig zu verschließen   nicht übersehen, daß der Widersacher, Satan, sein Reich ausbaut, und das in besonderer Weise mit dem furchtbaren Mittel der Zauberei und des Aberglaubens. So wie Satan in der alten Welt bei den Stämmen Kanaans in Form von Zauberei auf dem Plan war, genauso ist er auch heute noch wirksam und bringt ganze Gegenden, Dörfer und Städte durch Aberglauben und Zauberei unter seine Hand.
All diese Tatsachen sollten die “Wächter auf Zions Mauern” aus dem religiösen Hinträumen aufschrecken und, die große Gefahr wahrnehmend, den Kampf gegen diese verborgenen und von Gott verfluchten satanischen Machenschaften aufnehmen lassen.
 
2. Körperliche Störungen
Den seelischen Störungen folgen gewöhnlich auch körperliche Störungen wie:
Chronische Kopf , Magen  und Nervenleiden. Die Ärzte sind gegenüber diesen von der Zauberei hervorgerufenen Leiden völlig machtlos. Keine Pillen allopathischer und homöopathischer Art, keine Elektrotherapie, keine Bäder, nichts hilft, weil die satanischen Geister sich auf diese Weise nicht vertreiben lassen.
Herzbeklemmungen und Angstzustände (sehr oft Ohnmachten). Sprachlosigkeit, Taubheit, Fallsucht, Lähmungen. Akute Fieberzustände. Verkrümmung und Verkürzung oder Steifheit der Glieder. Darüber schreibt Blumhardt: “Es geschah, daß Gottliebin zu einer vollkommenen Gesundheit gelangte. Alle ihre früheren Gebrechen, die den Ärzten wohlbekannt waren, wurden ganz aufgehoben, so die hohe Seite, der kurze Fuß, die Magenübel usw. Dabei wurde ihre Gesundheit immer fester und dauerhafter, und jetzt steht es seit geraumer Zeit so, daß sie, in jeder Hinsicht vollkommen hergestellt, als ein Wunder Gottes betrachtet werden kann.”
Diese Aufzählung körperlicher Störungen ist ein kleiner Ausschnitt aus der ungeheuren Menge anderer, ungezählter Möglichkeiten. Beherzigenswert ist, was Sanitätsrat Dr. Kayser, Augenarzt, schreibt:
„Krankheit und Sünde.“
“Ein besonders wichtiges Gebiet ist das der Zaubereisünden, die wohl einen großen Teil der Nervenkrankheiten und sonstige nervöse Zustände zur Folge haben. Näher darauf einzugehen, geht der Kürze wegen nicht an. Ich erinnere nur daran, wie viele Menschen am Leib und besonders an der Seele krank sind, weil sie sich dieser Sünde der Zauberei (Besprechen, Brauchen, Spiritismus, wozu überhaupt jeder Unglaube gehört) schuldig gemacht haben. Die meisten Ärzte haben für die Störungen des Gemütslebens, weil sie nicht bekehrt, nicht bewußt durch das Blut Jesu versöhnt sind, kein tieferes Verständnis. Bei vielen nervösen Menschen spielt Satan gleichsam Klavier auf den Nerven. Wir hören in unserer Zeit sehr viel von Nervosität, und diese ist in den meisten Fällen auf ein belastetes Gewissen zurückzuführen. Hier ist seelsorgerliche Behandlung am Platz; in vielen Fällen wird die Krankheitsmacht durch ein demütiges aufrichtiges Sündenbekenntnis gebrochen. Eine ganz besondere Rolle spielen satanische Mächte bei den Besessenheiten. Viele dieser Art Kranke sind in Irrenhäusern.”
Lieber Leser, besinne dich darauf, ob du irgendwie dem Sündengreuel des Aberglaubens, der Zauberei, des Spiritismus und all der von Gott verfluchten Abgöttereien gehuldigt hast oder noch huldigst! Und wenn du dich darin schuldig weißt, so erinnere dich, wie das göttliche Urteil lautet! Erinnere dich, daß auf alle diese Sündengreuel ewige Strafe gesetzt ist! Erinnere dich, was in 1.Chronik 10, 13-14 steht: “Also starb Saul in seiner Missetat, die er wider den Herrn getan hatte an dem Wort des Herrn, das er nicht hielt; auch daß er die Wahrsagerin fragte und fragte den Herrn nicht, darum tötete er ihn und wandte das Königreich zu David, dem Sohn Isais.” Vergiß nicht, daß Israel zur Hauptsache deshalb vom Angesicht Gottes verstoßen wurde, weil es in die Sünde des Spiritismus und der Wahrsagerei und des Aberglaubens fiel! “Aber du hast dein Volk, das Haus Jakobs, lassen fahren; denn sie treiben’s mehr als die gegen den Aufgang und sind Tagewähler wie die Philister” (Jes.2,6). Sage ja nicht: Es wird wohl nicht so gefährlich sein. Was die Heilige Schrift als gefährlich hinstellt, das mache du nicht ungefährlich, sonst wagst du es, Gott zu einem Lügner zu machen! Löse dich von der Sünde, von dem satanischen Bann, ehe es zu spät ist!
Es kann auch sein, daß du als Kind von deinen Eltern zu einem Besprecher, zu einem Wunderdoktor oder Pendler gebracht worden bist, oder man hat dir die Warzen oder das “Ohrenmüggeli” usw. besprochen. Diese Sünde haftet dir genauso an, wie wenn du selbst mit Willen und vollem Verantwortungsbewußtsein hingegangen wärest. Es nützt dir nichts zu sagen, daß dich ja keine Schuld treffen könne. Wenn eine Mutter mit ihrem Kind auf dem Arm durch ein großes Feuer geht, so wird nicht nur die Mutter den Wirkungen des Feuers ausgesetzt sein, sondern auch das Kind, und wer sich dem satanischen Feuer der Zauberei, des Aberglaubens nähert, sei es wissentlich oder unwissentlich, trägt Brandmale davon, kommt unfehlbar unter den Bann und damit unter das göttliche Zorngericht.
Ich möchte es nicht unterlassen, in diesem Zusammenhang noch auf ein ganz verborgenes Gebiet hinzuweisen, in das sicher viele nur mit leisem Frösteln hineinschauen werden.
Es gibt heutzutage scheinbar unverdächtige religiöse Strömungen und Bewegungen, in denen viele, männlichen und weiblichen Geschlechts, beanspruchen, Führer oder Führerin zu sein. Beim näheren Zusehen stellt es sich heraus, daß viele dieser Führer und Führerinnen unter schwerstem Zauberbann, ja sogar unter unauffälliger Besessenheit stehen. Alle nun, die mit diesen Führern oder Führerinnen in nähere Beziehung kommen, d.h. sich ihrem religiösen Einfluß öffnen, kommen gewöhnlich in eine Umsessenheit hinein. Es ist dies ein Zustand, der darin besteht, daß z.B. unreine Gedanken plötzlich wie eine Quelle aufbrechen oder daß sich quälende Vorstellungen oder auch ein unvermittelter Anflug von Melancholie oder ausgesprochenes Selbstbewußtsein oder hochmütige Demut oder auch eine in gewissen Abständen wiederkehrende seelischreligiöse Hochspannung, ein Ergriffensein, eine Begeisterung, die in immer tiefere Leere hineinführt, und viele andere Dinge sich zeigen. Dadurch wird um den einzelnen eine Atmosphäre geschaffen, die jedes wahre, lebendige, nüchterne Glaubensleben in Christus Jesus ausschließt. Denn gewöhnlich ist es so, daß die Umsessenen den Ursprung ihres Zustandes gar nicht zu erkennen vermögen, bis entweder dann der Zusammenbruch erfolgt oder die Umsessenheit zur Besessenheit wird und in Schwermut oder Hochmut oder gar Umnachtung hineinführt.
 
Wie werde ich frei?
Wir wissen aus der Heiligen Schrift, daß Aberglaube, Zauberei, Spiritismus sowie alle anderen verwandten Gruppen unter dem göttlichen Fluch stehen. Dieser Fluch wird erst in der Ewigkeit in seiner ganzen Furchtbarkeit eingelöst. Arme Menschen, die Sturm ernten müssen, weil sie Wind säten! Arme Menschen, an denen sich das Wort Offenbarung 21, 8 erfüllt: “Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.”
Gott sei Dank, gibt es ein Mittel, das jedermann von dem satanischen Bann befreit, wenn er sich befreien lassen will. Am Fluchholz auf Golgatha triumphierte der eingeborene Sohn Gottes, Jesus Christus, über die satanischen Gewalten, und durch seine glorreiche Auferstehung von den Toten hat er uns die Bahn in die ewige Herrlichkeit frei gemacht. Jesus hat uns erlöst durch sein heiliges Blut von aller Sünde (Röm. 3,25; Eph. 1,7; Kol. 1,14; 1,20; 1.Joh.1,7; Hebr. 9, 14 u. a.), auch von der Sünde des Aberglaubens und der Zauberei.
Willst du nun frei werden von deiner Gebundenheit, von dem Bann, der auf dir lastet, d. h. willst du dem zukünftigen göttlichen Zorn entfliehen, dann ist es nötig, daß du
1. den Greuel, den du getrieben hast, als Sünde erkennst und bekennst. Vermeide alle Winkelzüge der Selbstentschuldigungen: “Ich kann nichts dafür, ich tat es unwissentlich, man hat mir so geraten” usw. Es steht geschrieben: “Wenn jemand etwas Unreines anrührt, es sei ein Aas eines unreinen Tieres oder Viehs oder Gewürms, und wüßte es nicht, der ist unrein und hat sich verschuldet” (3. Mose 5, 2).
Ich möchte dich noch auf eine besondere satanische Taktik aufmerksam machen. Du kannst unter einem mehrfachen Bann stehen und dich möglicherweise an keine deiner Zaubereisünden erinnern. Sage deshalb nicht, dag bei dir alles in Ordnung sei, wenn du dich vorderhand an nichts Derartiges erinnern kannst! Satan will eben den Schleier der Vergessenheit darüber werfen, damit du nicht zur Buße kommst und du weiter in dem unerlösten Zustand bleibst.
Wie oft kommt es vor, daß Menschen, die behaupten, sich weiter an nichts zu erinnern, später, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes, ganze Register von Aberglauben, Sympathie und Zaubereisünden aufzuzählen wissen.
Jesus ist treu! Wer loskommen will von diesen Sündengreueln, dem deckt er auch die verborgensten und unverdächtigsten Sünden auf, damit sie ans Licht kommen und unschädlich gemacht werden.
2. Fliehe mit deinem Sündenbekenntnis zu deinem Erlöser Jesus Christus, der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit!
3. Laß dich von dem kostbaren Blut des Gekreuzigten reinigen! Merke dir aber: Solange du dich jesus nicht vollständig auslieferst und solange du Satan noch irgendwo und sei es die unscheinbarste Handhabe bietest, kann dich das Blut Jesu nicht reinigen und nicht schützen.
4. Entsage allem, und zwar gründlich, was dich unter den Bann gebracht hat! Die Traumbücher und Zauberbücher verbrenne, die Wahrsagerspiegel, Kristalle, Psychographen, Horoskope, Amulette, Hufeisen usw. vernichte*!
(* Es gibt Missionsgesellschaften, die von ihren Missionsfeldern Gegenstände der Zauberei sammeln, um sie in Europa in Wanderausstellungen in Städten und Dörfern aufzulegen. Man sollte so etwas nicht für möglich halten; denn das Sammeln und die Schaustellung solcher Gegenstände ist vor dem Herrn ebenso ein Greuel wie die Zauberei. Siehe 5. Mose 7, 25. 26: “Ihre geschnitzten Götzenbilder sollt ihr mit Feuer verbrennen; du sollst nicht nach dem Silber und Gold, das sich an ihnen befindet, Verlangen tragen und es nicht für dich hinnehmen, damit du dadurch nicht ins Verderben gerätst; denn es ist ein Greuel für den Herrn, deinen Gott. Und du sollst einen solchen Greuel nicht in dein Haus bringen, um nicht gleich ihm dem Banne zu verfallen; du sollst es vielmehr mit Ekel verabscheuen und für etwas Greuelhaftes halten; denn es ist dem Banne geweiht.”
Merkwürdigerweise gibt es Gläubige, die sagen, daß dies ja ein alttestamentliches Gebot sei, somit im Neuen Bund keine Gültigkeit mehr habe. Wirklich? Gewiß, es gibt alttestamentliche Vorschriften, die im Neuen Bund ihre Gültigkeit verloren haben. Auf keinen Fall aber hat das Verbot der Zauberei nur alttestamentliche Gültigkeit; denn Satan im Alten Testament ist derselbe auch im Neuen Testament. Apostelgeschichte 19,18 und Offenbarung 21, 8; 22,15 zeigen unmißverständlich, wie sehr 5. Mose 7, 25-26 heute noch nachgelebt werden soll.
Wer einmal im Britischen Museum in London jene Säle durchwandert hat, in denen die vielen Zaubereigegenstände aus allen Erdteilen ausgestellt sind, wird mit einem leisen Frösteln ahnen, warum Gott die Vernichtung aller Zaubereigegenstände fordert.)
Siehe 5. Mose 13, 18: “Und laß nichts von dem Bann an deiner Hand hangen, auf daß der Herr von dem Grimm seines Zorns abgewendet werde und gebe dir Barmherzigkeit und erbarme sich deiner!” Und weiter Apostelgeschichte 19,19: “Viele aber, die da vorwitzige Kunst getrieben hatten, brachten die Bücher zusammen und verbrannten sie öffentlich.” Trenne dich auch von den Freundschaften, die du auf deinem Irrweg gefunden hast! Juda 23: “Hasset auch den Rock, der vom Fleisch befleckt ist!”
Nach einem Vortrag in G. wurde ich von einer Familie zum Tee eingeladen. Das Gespräch wurde bald auf das Gebiet der Zauberei und des Aberglaubens gelenkt. Die Hausfrau bekannte dann unvermittelt, daß sie von einem “Doktor” Plus  und Minuspillen gekauft habe. Ich ließ mir dieses geheimnisvolle Schächtelchen reichen, und sofort stelle ich fest, daß es sich um schlimmen Aberglauben handelte. Der Deckel des Pillenschächtelchens war mit dem Pentagramm (Drudenfuß) versehen.
Nachdem ich die Familie von der Gefährlichkeit dieses Mittels überzeugt hatte, nahm ich das Schächtelchen mit, um die Pillen am Morgen zu vernichten. Um Mitternacht kam ich nach Hause. Meine Frau schlief schon. Am Morgen klagte sie mir, sie hätte einen sehr beunruhigenden Traum gehabt. Immer sei vor ihren Augen ein merkwürdiges Zeichen aufgetaucht und hätte sie geängstigt. Mir blitzte etwas durch den Kopf. Ich zeigte ihr das Pentagramm auf dem Pillenschächtelchen, und überrascht und ganz benommen sagte sie: “Genau dieses Zeichen hat mich so beunruhigt.”
Dieses Beispiel zeigt so deutlich, wie wichtig es ist, daß alle Mittel und Gegenstände, die mit Sympathie oder Zauberei im Zusammenhang stehen, vernichtet werden müssen.
5. Weise in deinem Geist alles Satanische zurück! Sag es laut, sag es in Gedanken, sag es im Gebet, daß du mit Satan nichts mehr zu tun haben willst, daß du alles aufs bestimmteste abweisest, das dich weiter in dem Bannkreis der Finsternis zurückhalten könnte! Treibe die Dämonen im Namen Jesu aus deinem Leibe aus!
6. Suche, wenn du dir nicht zu helfen weißt, einen erfahrenen Seelsorger auf! Gehe nicht zu Mietlingen, die dich beruhigen! Du wirst sonst mitsamt dem blinden Blindenleiter verlorengehen.
Im “Helmbrechtser Anzeiger” in Oberfranken erschien folgende öffentliche Erklärung:
“Ich erkläre hiermit in aller Öffentlichkeit einer werten Einwohnerschaft von Rodeck und der näheren und weiteren Umgebung, daß ich   selber von Lügen- und Finsternismächten irregeleitet   alle, die zu mir kamen, um aus den Karten die Zukunft zu erfahren, jahrelang belogen und betrogen und leider auch mit in den Bannkreis dieser Mächte verstrickt habe.
Durch wunderbare Gottesfügung bin ich zur Erkenntnis meines Irrtums gekommen, habe mich durch die Kraft des auferstandenen, zur Rechten Gottes erhöhten und durch seinen Heiligen Geist gegenwärtigen Heiland Jesus Christus von diesen dunklen Mächten losgesagt, von meinem sündigen Tun und Treiben abgelassen und will nun meinem Retter, ja ihm allein dienen.
Ich bitte all die lieben Irregeführten von ganzem Herzen, mir zu verzeihen und wünsche ihnen, daß der liebe Heiland auch ihnen gnädig sei und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen lassen möge, damit auch sie es am eigenen Herzen erfahren dürfen.
Rodeck, den 5. Februar 1932
sig. Frau Henriette Hohenberger.”
So wird dich Jesus Christus befreien und dir vergeben, wie er dieser Frau geholfen hat, wenn du Jesus vertraust; denn
Jesus ist Sieger!
Er wird dich erlösen aus den Banden Satans, wenn du dich aufmachst und zum Kreuz flüchtest. Fürchte dich nicht, wenn dich bei der Erkenntnis deines wahren Seelenzustandes Verzweiflung in noch tiefere Finsternis stürzen möchte! Jesus hält dich und will dich aus der Nacht zum hellen Licht seiner Gnade führen. Blick mutig vorwärts, aufwärts, bis die Fesseln fallen und dein Geist sich aus den Niederungen teuflischer Verführung emporschwingt in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes und du dereinst zu jener großen Schar gezählt werden kannst, die ihre Kleider hell gemacht haben im Blut des Lammes!
Ich möchte dich, der du wirklich von dem Bann gelöst werden willst, noch auf folgende wichtige Tatsache aufmerksam machen. Hast du nicht bemerkt, wie du beim Lesen dieser Schrift innerlich unruhig, voll Auflehnung geworden bist und wie du nur mit großer Mühe und etlichen Hindernissen zu Ende lesen konntest? Wundere dich nicht, wenn du nun unter Angstgefühlen, Herzklopfen, Übelkeit, Müdigkeit, Fieber, Gemütsdepressionen usw. leidest! Das alles sind Angriffe Satans, damit du diese Schrift unzufrieden beiseite legst oder gar zerreißest, um im alten verlorenen Zustand zu verharren.
Da kam einst nach einer Evangelisation eine Frau zu einer Unterredung. Schon ihr Äußeres verriet auf den ersten Blick Besessenheit. Im Verlauf der Unterredung wurde dann ein vielfacher Bann offenbar. Es wurde ihr erklärt, daß sie unter einem satanischen Bann stehe, daß aber Jesus gekommen sei, auch sie völlig zu erlösen. Einige Tage später wird dem betreffenden Pfarrer mitgeteilt, sie sei derart erkrankt, daß sie nicht mehr in die Sprechstunde kommen könne und wolle.
Auf diese Art versucht es Satan, seine Opfer in seiner Gewalt zu behalten. Ich bitte dich deshalb dringend, lag dich nicht durch solche Manöver von deinem Vorhaben und Wunsch, von dem Bann gelöst zu werden, abwendig machen! Denke daran   Jesus ist Sieger! Wenn es auch durch viele und schwere Kämpfe geht und du glaubst, darin untergehen zu müssen, so wisse: Jesus hält dich und führt dich zum herrlichen Durchbruch. Er löst den Bann, daß du frei wirst!
 
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Rockmusik- Fernando S. Banol

Fernando Salazar Bañol

DIE OKKULTE SEITE DES ROCK

 Inhalt

Verschiedene Arten von Musik und deren Einfluß
Die Moderne Musik
Der Mechanismus
Satanische Botschaften
Gefahren des Rock
Techniken zum Manipulieren des Unterbewußtseins
Die satanische Musik
Das okkulte Gesicht des Rock
Auch wenn sie es nicht glauben
Bibliographie

(Titel der spanischen Ausgabe: La cara oculta del Rock)

  

Vorwort

Es ist von jedem Gesichtspunkt aus beunruhigend, das Fehlen einer ernsthaften Untersuchung auf allen Bereichen – dem psychologischen, dem medizini­schen, dem musikalischen, dem soziologischen, dem religiösen etc. – über eines der wichtigsten Phänomene der letzten Zeit festzustellen. Wir sprechen von der Rockmusik.

Was verbirgt sich hinter der Rockmusik? Wie wirkt sie sich in der Psyche des Empfängers aus? Wohin treibt sie insbesondere die leichtgläubige Jugend, die auf diese Musik baut, als wäre sie eine Religion?

Gewiß, wir haben niemals über die hypnotische Macht unserer “geliebten” Rockmusik nachgedacht. Es würde uns aber auch nicht überraschen, wenn Sie, verehrter Leser, die unumstößlichen Beweise dieser großartigen Arbeit zurückweisen, die von Rockmusi­kern geliefert wurden, die selbst okkulten Bewe­gungen angehören.

Es erstaunt nicht, daß sich arglistig versteckte Inter­essen hinter dem verbergen, was harmlos zu sein vor­gibt und sogar als eine befreiende Kunst- und Kultur­bewegung erscheint. Folgenschwere negative Ein­flüsse werden bewußt auf naive Musikliebhaber ge­richtet: unsere Kinder, Freunde und schließlich wir selbst geraten durch eine Gehirnwäsche in den Zu­stand einer Entpersönlichung.

Aufgrund unserer noch bestehenden Unbewußtheit glauben wir, daß ein jeder – vermeintlich – frei ist, zu tun, was ihm gefällt; also könne man Rockmusik hören. So weit, so gut. Aber vergessen wir nicht, daß es, um frei zu sein und wählen zu können, notwendig ist, ein gründliches Wissen darüber zu haben, was man auswählt.

Erstmals finden wir ein Buch, das eine Informations­lücke füllt, was den Ge- und Mißbrauch der Rockmu­sik betrifft.

Auf objektive Art, mit wissenschaftlicher Beweisfüh­rung und durch eine klare und zusammenfassende Darstellungsweise, analysiert der Forscher und her­ausragende Professor für Musiktherapie Fernando Salazar Bañol mit höchster Sorgfalt die erschrec­kende Realität der okkulten Seite des Rock. Von daher ist dieses Werk eine sehr bedeutsame In­formation für Psychologen, Pädagogen, Lehrer, El­tern und vor allem für die am meisten Betroffenen: die Jugend.

Der Autor will in diesem Buch, ohne Absicht einer Überredung, die Ergebnisse seiner Forschung be­kanntgeben und es Ihnen, geschätzter Leser, somit frei­stellen, später nach Ihrem Gewissen zu handeln.  –  F. Hirthammer D-8000 München  

EINLEITUNG

Die vorliegende Studie ist das Ergebnis einer Ge­samtschau vielfältiger Forschungen, die ich aufgrund meiner beruflichen Aufgabe in verschiedenen Län­dern betrieben habe.

Als erstes wollen wir den Leser darauf hinweisen, daß der Autor dieses Buches nicht eine engstirnige oder traditionelle Person ist; denn ich war selbst ein fanatischer Anhänger des Rock. Z. B. gehörte zu mei­nen liebsten Themen “Sympathien für den Teufel” der Rolling Stones – die Geschichte eines jungen Man­nes, der seine Seele dem Teufel verkauft für ein paar Leute.

Ich hatte sogar meine eigene Rockgruppe, in der ich als Schlagzeuger spielte; ihr Name war “The Spea­kers”. Wir spielten Musik in verschiedenen Discothe­ken und Tanzlokalen. Ebenso organisierte ich ver­schiedene Rockfestivals, in denen ich mehrere tau­send junger Leute zu diesem gewaltigen Massenphä­nomen versammelte.

Somit können wir sagen, daß wir ein solides Fundament besitzen, um eine derartige Untersuchung der Öffentlichkeit vorzustellen. Wir wollen keine Dogmen setzen. Unser Ziel ist es, daß die Leser unsere Informationen analy­sieren und darüber nachdenken, bevor sie sie anneh­men oder zurückweisen.

Wir beabsichtigen, verschiedene Aspekte aufzuzei­gen, damit sich ein jeder sein eigenes Urteil über die­ses Thema bildet, das wir in mehreren Kapiteln und in einem zukünftigen Buch behandeln werden, in dem wir uns eingehender in diese Themen vertiefen werden.

Wir beginnen, indem wir folgende Fragen aufwerfen:

Wer verbirgt sich hinter der okkulten Seite des Rock?
Welche gewaltigen finanziellen Kräfte agieren un­ter seiner Oberfläche?
Welche okkulten und unheilvollen Ziele werden verfolgt?
Welche Absicht wird verfolgt, wenn man die abso­lute geistige Kontrolle über die Jugend anstrebt?
Sind die Jugendlichen nichts anderes als Mario­netten, deren Drähte jemand im Verborgenen zieht?
Ist die Jugend einem okkulten Willen unterwor­fen, dessen eigentliche Akteure sich überall und nirgends befinden, und der sein Werk auf dem Rücken der Masse von Rockanhängern ausführt und so die wahren Entscheidungen für ihre Zu­kunft trifft?

Vielleicht herrscht in der Geschichte des Rock nicht der Zufall, sondern ein Clan, den wir in einem Kapitel SIE nennen, und der nach seiner Willkür das Schicksal unserer zarten Jugend lenkt?

Sind SIE die Schöpfer des vergangenen, gegen­wärtigen und zukünftigen Rock’n Rolls?

Die traurige Wirklichkeit ist, daß hinter der okkulten Seite des Rocks nicht der Zufall steht, sondern eine Erscheinung mit Bewußtsein und Absicht.

Das beste Beispiel haben wir in Gene Simmons, Baß­gitarrist und Sänger der Gruppe KISS, der innerhalb seiner Gruppe eine diabolische, vampirhafte und gro­teske Erscheinung darstellt. Der Grund dafür ist, daß Gene seit seiner Jugend von Horrorfilmen, wie auch von bestimmten Zeitschriften beeinflußt wurde, de­ren Hauptinhalte Monster und Vampire sind.

Emanuel Kant sagte: “Das Äußere ist der Spiegel des Inneren.” Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Gene jene Persönlichkeitszüge trägt, die man in den USA “Batlizard” nennt. Sehen wir uns noch die Filme an, die ihn unterschwellig beeinflußt haben: Franken­stein, Nosferatu, Bridge of Frankenstein . . .

Und damit laden wir Sie, verehrte Leser, ein, sich ganz darauf einzustellen eine Welt zu betreten, in der das Unglaubliche Wirklichkeit wird.

Der Autor   

VERSCHIEDENE ARTEN VON MUSIK UND DEREN EINFLUSS

Die Tatsache, daß sich das Universum und alles, was existiert, auf das Wort, auf Schwingungen zurückfüh­ren läßt, verwundert uns nicht. Ebenso wenig ist uns neu, daß sich die verschiedenen Oktaven dieser Schwingung als Farbe, Klang, Licht und Wärme ma­nifestieren – die für unsere Sinne so vertrauten Ein­drücke.

In diesem Kapitel wollen wir uns auf jene bekannte Manifestation “Klang” konzentrieren, jedoch in sei­ner strukturierten Form als Musik, genauer: der mo­dernen Musik.

Die Macht der Musik über unsere Psyche ist eine Er­fahrung, die wir alle bestätigen können. Die Musik kann unseren Schwingungszustand verändern, in­dem sie auf unsere Gedanken, Gefühle und Handlun­gen einwirkt. Was ist der Grund dafür, daß die Musik, die so unentbehrlich in unserem Leben geworden ist, eine so große Macht über uns Menschen hat?

Die Antwort finden wir in dem alten Satz: “Im An­fang war das WORT …” Tatsächlich ist es das WORT, welches die Schöpfung erhält. Es ist aber Anfang von allem, was existiert. Das WORT ist gleichzeitig Schöp­fer und Zerstörer, je nachdem, wie es für den göttli­chen Plan dienlich ist. Wenn das WORT aufhören würde zu erschallen, würde sich die Schöpfung in nichts auflösen.

Das ist der Hintergrund der Machtworte oder Man­trams, und die Musik als eine Ausdrucksform des WORTES hat Teil an dessen schaffender, erneuernder oder zerstörender Natur.

Das erklärt uns, warum nicht jede Musik die gleichen Eigenschaften haben kann; deswegen und aufgrund ihrer Schwingungsqualität wollen wir sie wie folgt einteilen:

a) Musik von dem und für das Bewußtsein
b) körperorientierte Musik
c) Musik der Persönlichkeit
d) Musik des Ego (des niederen Ich)

 Die “Musik für das Bewußtsein” finden wir unter den bekannten Klassikern, deren größter Vertreter viel­leicht Beethoven ist. Es scheint einige Ausnahmen zu geben, wie im Fall der Musik von Paganini, dem schärfsten Rivalen des Grafen von St. Germain am Piano.

Über diese Musik zu meditieren heißt, sich mit einem Aspekt des Göttlichen durch unser Höheres Gefühls­zentrum (Centro Emocional Superior) in Einklang zu bringen.

Die “Körperorientierte Musik” treffen wir in be­stimmten, hauptsächlich östlichen Werken an, wie die ZEN-Musik, deren Ziel es ist, den Körper zu entspan­nen, damit im Zustand der Ruhe das Buddhabewußts­ein aufblühen kann. Diese Musik kann eine wertvolle Hilfe für die Vorbereitung zur Meditation sein.

Das trifft nicht zu auf die klassische Epoche der kör­perorientierten Musik, auf die Epoche des Walzers, in der die Musik und der Tanz eher ein heilsames, natür­liches und ein dem menschlichen Wesen entsprechen­des Vergnügen waren.

Die “Musik der Persönlichkeit” entdecken wir bei den Gesellschaftstänzen, den Balladen, Pasadobles etc…  Im Prinzip ist diese Musik harmlos; aber wenn wir bedenken, daß verschiedene Typen von Persönlichkeiten existieren, bemerken wir, daß diese Musik bei dem jetzigen, degenerierten Zustand der Menschheit fast immer egoistische Reaktionen nach sich zieht.

Schließlich haben wir die “Musik des Egos” (des nie­deren Ich), deren Komplexität und Gefährlichkeit für unsere Psyche einen eigenen Teil in unserer Betrach­tung erfordert; denn auch sie macht einen Teil der Modernen Musik aus.

Wir wissen, daß uns die klassische Musik gut in in­nere Harmonie bringt und daß wir auch die “Musik der Persönlichkeit” hören und sogar interpretieren können, wenn wir ihr die richtige Bedeutung beimes­sen. Aber, haben wir jemals über die “Musik des Egos” nachgedacht? Wissen wir, wie sie uns psycho­logisch vergiftet? Welches sind ihre Mechanismen und wie beeinflußt sie unsere Arbeit? 

 

Die Moderne Musik

Unsere Zeit ist von einem nie dagewesenen Phäno­men begleitet: eine Vielzahl junger Menschen lebt für die moderne Musik. Ständig sieht man sie auf der Straße mit einem Kassettenrecorder, aus dem schrille Musik tönt und nach deren Rhyth­mus sie sich bewegen; oder sie benützen Kopfhörer, die sie beim Autofahren, Spielen, Spazierenge­hen oder Schlafen wie an ihre Ohren angenäht tra­gen. Sie warten mit Spannung auf das Wochenende, um Stunde auf Stunde in überfüllten Discotheken zu verbringen. Sie gehen in Gruppen, angezogen auf eine gewisse, sehr unkonventionelle Art, und zeigen eine Gruppenpsychologie, deren hauptsächliches Merkmal der Verlust des individuellen Bewußtseins ist.

Wir können sagen, daß sie sich durch ihre gleiche, egoistische Anziehung finden und ihre Persönlichkei­ten im Ausdruck einander angleichen: die selben gro­ben Gesten, die gleichen extravaganten Vorlieben, dieselben schmutzigen Ausdrücke etc…

Alle, absolut alle verschiedenen Gruppen dieser Art haben dieselbe Musik als gemeinsamen Nenner.

Es scheint, als hätte sich ein Musikfieber ausgebreitet, das sich des schwachen Willens der verwirrten Jugend bemäch­tigt. Konkret können wir feststellen, daß die Moderne Mu­sik negative psychische Regungen verstärkt und fördert, hauptsächlich Aufbegehren und Hem­mungslosigkeit. 

Der Mechanismus

Praktisch ist die gesamte Moderne Musik eine involu­tive, komponiert von und für das niedere Ich. Diese niederen Schwingungen dringen in das Zentrum des menschlichen Organismus in dem Moment ein, in dem er sich nicht im Gleichgewicht befindet. Wenn seine Zentren zusammenarbeiten, versucht diese Mu­sik, das schwächste durch die Anziehung auf jenes niedere Niveau, das sie darstellt, aus dem Gleichge­wicht zu bringen, und, einmal eingedrungen, stimmt sie das Schein-Ego auf sich ein, dessen Erscheinung sie ins Leben ruft.

Sicherlich haben wir uns schon dabei ertappt, wie wir einen Fuß oder eine Hand zum Rhythmus einer Musik bewegten, die wir noch nicht bewußt wahrge­nommen hatten, die aber bereits in uns eingedrungen war und, wer weiß, sogar gewisse Gedanken, Gefühle etc… hervorgerufen hat.

Es gibt eine bestimmte Musik, deren spezielle Wir­kung es ist, jeden Zylinder aus dem Gleichgewicht zu bringen, wie es auch Instrumente gibt, die auf be­stimmte Teile des menschlichen Körpers einwirken.

Durch diese involutive Musik gerät das Individuum Stück um Stück, ohne es wahrzunehmen, in noch niedrigere psychologische Schwingungszustände, die ihrerseits nach noch degenerierterer Musik verlan­gen und darüber hinaus dazu führen, daß die klassi­sche Musik unerträglich wird.

Darauf aufbauend können wir innerhalb der Moder­nen Musik vier verschiedene Arten, gemäß ihrer In­volutionsstufe unterscheiden:

1) Musik des Ich
2) Musik des Abgrundes
3) Musik der Reiche von Lilith und Nahemah
4) Satanische Musik

Die “Musik des Schein-Ich” oder subjektive Musik schwingt, weil sie einem der Schein-Ich im Men­schen angehört, unvermeidlich mit einer von Dantes Sphären, ohne jedoch dabei der eigentlichen Hölle anzugehören. Zu dieser Art zählen die “Salsas”, die afrokubanischen Rhythmen, Lieder von patrioti­schem Stolz, Gesänge über Ehebruch und Rache etc…

Die “Musik des Abgrundes” ist jene, die besonders in Verbinduńg mit den höllischen Welten und in Opposi­tion zur Musik der himmlischen Sphären steht.

Die “Musik der Reiche von Lilith und Nahemah” ist charakterisiert durch ihr einschmeichelndes und ver­führerisches Wesen, nicht durch Hämmern und zer­reißenden Lärm. Diese Musik erzeugt subtilste Ten­denzen zur Wollust, die durch Phantasie und den Ge­brauch gewisser Drogen noch gefördert werden.

Möglicherweise steht sie in Verbindung mit der dunk­len Seite unseres Mondes in der Psychologie. Beispiele sind einige Stücke von Pink Floyd, Vangelis, Kiss etc… 

Die “Satanische Musik” ist die gefährlichste, die exi­stiert. Sie wird mit Bewußtsein um und für das Böse gemacht, wobei es möglich ist, daß sie, unbewußt, von Vermittlern niederer Art durch einfache Einstim­mung weitergegeben wird.Sie ist das Ergebnis der Anwendung schwarzer Ma­gie und enthält außer der niederen Schwingung der Noten eine offene oder versteckte Botschaft der Ein­ladung zu zerstörerischen schwarzmagischen Hand­lungen.

Im allgemeinen sind ihre Komponisten und Interpre­ten Anhänger satanischer Sekten, die umgedrehte Pentagramme und Namen von Dämonen aufweisen, die bei ihren Auftritten zu obszönen Praktiken reizen und mit dieser unheilvollen Macht die Massen hypno­tisieren, um sie in einen Zustand des totalen Verlusts ihrer Selbstkontrolle zu bringen, der in Hysterie und kollektiven Schreiwahn mündet, wobei das Bewußt­sein völlig ausgeschaltet wird.

Diese Musik finden wir bei Hard-Rock-, Heavy-Metal-, Punk- u.a. Gruppen.

Da dies leider erschreckende Realität und im Begriff ist, sich auszuweiten, und da sie jene Musik ist, auf die wir am meisten achten müssen, sehen wir uns deshalb die folgende, äußerst interessante Dokumen­tation an.

 

Satanische Botschaften

Der Priester Paul Crousch, der in einer englischen Radiostation arbeitet, ist als “Sucher des Teufels” be­kannt wegen seines Eifers, nach versteckten satani­schen Botschaften Ausschau zu halten. Eines Tages kam er auf die Idee, verschiedene The­men von Rockgruppen rückwärts anzuhören. Groß war seine Überraschung, als er eindrucksvolle Bot­schaften entdeckte, von denen wir hier einige Beispiele wiedergeben:

In dem Lied “Revolution No. 9” der Beatles, von John Lennon komponiert, hört man:
“Holt mich weg von hier. Heb’ mich auf, toter Mann.”

Nun, wenn das als Zufall oder zweifelhaft erscheint – auf der Platte “Leiter zum Himmel” von Led Zeppelin hört man rückwärts gespielt:

“Ich möchte in das Reich,
ich möchte in die Hölle hinabsteigen;
westlich der flachen Erde.
Ich singe, im Einklang mit Satan.
Alle Macht meinem Satan.
Er wird uns die Drei-mal-6 (die Zahl der Bestie) ge­ben.
Ihr müßt für Satan leben.”

 Ebenso hört man im Lied “Congratulations” von Pink Floyd:”Gerade jetzt hast du die geheime Botschaft des Teu­fels entdeckt; verbinde dich mit dem Alten.”

In anderen Gruppen finden wir Sätze wie die folgen­den:

“Zeige dich, Satan, manifestiere dich in unseren Stim­men. Satan, Satan, Satan ist der Gott, ist der Gott, ist der Gott.” (Danach ist ein schreckliches Aufla­chen.)

Ein jeder, der Bestätigung für das sucht, was wir ge­rade aufgezeigt haben, kann das Experiment mit dem verkehrt gespielten Band durchführen und wird, wenn er korrekt Englisch spricht, diese Botschaften vorfinden.Wie wir sehen, obwohl wir uns für freie Menschen halten und glauben, tun zu können, was wir wollen, werden wir ständig manipuliert; und, da können Sie sicher sein, wir gehorchen der Botschaft immer ir­gendwie, weil sie sehr stark und zu gut gemacht ist.

Die Moderne Musik, mit all ihren Varianten, wird – überflüssig, es zu sagen – vom “Ewigen Nächtlichen Feind” dazu benützt,
erstens jeden möglichen Lichtstrebenden vom Weg abzubringen und ihn
zweitens dann in der Finsternis zu fesseln, wie auch die Menschheit insgesamt.

Wenn auch das WORT in enger Verbindung mit dem Sex steht – Quelle des materiellen und geistigen Le­bens -, die Musik des Egos (der niederen Persönlich­keit) erleichtert dennoch die Degeneration der Men­schen so weit, daß sie in Scharen gewillt sind, hölli­sche Welten zu bewohnen. 

  

GEFAHREN DES ROCK

In dem Buch “Die Revolution der Dialektik” berichtet uns V. M. Samuel Aun Weor von den Schäden, die das Übel “Rockmusik” dem Gehirn und dem Verstand zu­fügt. Wir meinen, seine Behauptung ist nicht über­trieben.

Um das Vorherige zu bestätigen, zitieren wir Wilson Bryan Key, den Autor des umstrittenen Buches “Ge­heime Verführung”:
„Die Wertnormen sind in einem kritischen Maß wich­tig für das Überleben und das Gleichgewicht des Menschen.
Der Mensch wird in seiner persönlichen Wertein­schätzung gezielt mittels des unsichtbaren Drucks der “Kultur” auf gewisse Aspekte von Unterwürfigkeit oder einer elementaren Achtung hin erzogen. Bei­spielsweise werden die Menschen innerhalb des Kul­turkreises die gleiche Vorstellung von warm und kalt, stark und schwach, schwer und leicht, groß und klein haben. Vergleichen wir einen Bewohner von Panama mit einem Eskimo, so wird letzterer eine völlig an­dere Auffassung von warm und kalt zeigen. Die Ju­gendlichen mit ihrer Rockmusik haben einen anderen Begriff von laut und leise als die Erwachsenen.
Die Rockmusik ist ein Beispiel für das Wirken der Massenmedien, die nach einigen Jahren drastisch die Vorstellung über laut und leise geändert haben, um den lukrativen Sektor des Plattenmarktes noch mehr für sich abzugrenzen.
Eine hohe Lautstärke wirkt isolierend, gleich ob sie von Hifi-Lautsprechern oder einem Stahlwerk er­zeugt wird. Die abgegrenzten Marktbereiche sind Jagdterritorien, ausschließlich für Spezialisten der Marktwirtschaft.
Angenommen, den Massenmedien würde mehr Macht zukommen, so wäre es relativ leicht, verbale Sprachsysteme, welche die Individuen oder die Mate­rie betreffen, neu zu organisieren. Der Kandidat einer Partei könnte z. B. vertrauensvoller und aufrichtiger erscheinen, als dies sein Äußeres und seine Stimme erreichen können. Man könnte demnach zur Schluß­folgerung gelangen, daß diese Werte häufig Fiktionen innerhalb von Fiktionen sind.
Ein Grundtheorem, von der Allgemeinheit ständig aufs neue festgestellt, ist die einfache Tatsache, die be­sagt, daß die Kinder fast immer Dinge kaufen, die ihre Eltern die Wände hochgehen lassen. Wie man weiß, war dies für lange Zeit der Ausgangspunkt der Schallplattenindustrie.
Die Schallplattenfirmen haben sich an den Genera­tionsproblemen der Nordamerikaner orientiert und eine gewinnbringende Industrie geschaffen, die einen Ersatz für das anbietet, was man das Pubertätsritual bei einfachen und sippenorientierten Bevölkerungs­schichten bezeichnen kann. Das gleiche haben andere Firmen getan, die vom jugendlichen Marktbereich ab­hängen.

Wenn die Jugend ein bestimmtes Alter erreicht hat, ist es für sie von jeher eine Notwendigkeit gewesen, die Nabelschnur zu durchtrennen, um erwachsen zu werden.
Dies war eine schmerzhafte Erfahrung und sehr oft traumatischer Art – im vorliegenden Fall mehr schmerzlich. Dieser Vorgang ist ein normaler im Le­ben, zumindest war er es, bis man entdeckte, daß sich hier überraschende kommerzielle Möglichkeiten auf­tun.

Wenn ein Eingeborener von Neu Guinea in die Puber­tät kommt, wird er allein in den Urwald geschickt, um seine Männlichkeit zu beweisen. Möglicherweise wird er einen Feind im Kampf töten und einen Schrumpfkopf herstellen oder irgendeine andere Tat vollbringen, die als das Vorrecht eines erwachsenen Mannes betrachtet wird. In unserer von der Madison Avenue beherrschten Gesellschaft werden die Schrumpfköpfe in den Sprechstunden der Psychiater angefertigt. Die Schallplattenindustrie preßt das me­lancholische Seufzen der Pubertät auf Plastikschei­ben, die sich zu Millionen verkaufen.

Indem man die Lautstärke der Musik insgesamt er­höht und dadurch Aufnahmen produziert, die für die ältere Generation noch unerträglicher werden (man manipuliert gezielt den Anhaltspunkt für die Laut- ­und Leiseempfindung der beiden unterschiedlichen Altersgruppen), richtet man die Rockmusik noch aus­schließlicher auf die heranwachsende jugendliche Ge­neration.

Man manipulierte die Ansichten über die Lautstärke durch das Einführen von Tönen und Harmonien im unhörbaren Bereich. Diese Klänge, speziell die der unteren Tonskala, wurden hörbar, wenn man die Lautstärke erhöhte. Die Schallplattenproduzenten mit ihrer äußerst komplexen elektronischen Ausrüstung gleichen dem Bauern, der seinen Esel dadurch lenkt, daß er ihm eine Rübe an einem Stock vor die Nase hält. Sie greifen versteckt in den Rockmarkt ein, um mehr und mehr unterschwellig hörbare Reize erzeu­gen und so die Lautstärke kontinuierlich erhöhen zu können. Das Erhöhen der Lautstärke erweitert den Frequenzbereich, damit man sowohl auf der bewuß­ten als auch unbewußten Ebene zuhört. Dennoch kommt hier eine menschliche Grenze Bezüglich der Lautstärke zum Vorschein. Viele, seit fünf Jahren Rockfanatiker – jetzt um die zwanzig Jahre alt ; ha­ben damit begonnen, Gehörgeräte zu benützen. Einige haben schon gelernt, von den Lippen zu le­sen.”

 

 

TECHNIKEN ZUM MANIPULIEREN DES UNTERBEWUSSTSEINS

Der Rock ist viel mehr als bloß ein musikalischer Stil. Wäre er nur das, so würde man ihn nicht in einem politischen Wörterbuch antreffen. Hinter ihm ver­birgt sich eine wahre Revolution, im vollen Sinne des Wortes. Der Anfang liegt in den 50er Jahren; und seit Bill Halley und Elvis Presley bis heute hat er sich zu einer wahren – manchmal auch fanatischen – Reli­gion von Millionen von Jugendlichen entwickelt.

Er bringt massive Phänomene zustande wie das Festi­val “Rock in Rio”, das eine Menge von bis zu 250.000 Personen pro Aufführung zusammenführte. Er bringt Millionen von Dollar jährlich in Schallplatten und Shows in Umlauf und hat freien Zugang bei der großen Mehrheit von Familien durch die technische Revolution der Musikgeräte, speziell des “walkman”.

Was wenige wissen – wenn es auch die ältere Gene­ration ahnt – ist, daß viele autorisierte Meinungen be­stehen, die den Rock als schädlich auf physischer, psychischer und moralischer Ebene bezeichnen. Die Wissenschaftler haben gezeigt, daß ein Ausgesetzt­sein dieser Musik über längere Zeit Wirkungen her­vorruft, die von der Taubheit bis zur Entpersonifizie­rung und dem Auftreten von Geisteskrankheiten rei­chen. Darüber hinaus gibt es einen engen Zusam­menhang zwischen dem Rock und dem massiven An­wachsen satanischer Sekten, denen es gelingt, auf vielfältige Weise – sei es offen oder verdeckt – in ihre Opfer einzudringen.

Was immer die Meinung des Lesers über diese The­men sei: ohne Zweifel ist es notwendig zu wissen, um sich mit voller Freiheit entscheiden zu können.

 

Entstehung

Der Ausdruck “Rock’n’Roll” entstammt dem nord­amerikanischen Jargon oder Slang gewisser Viertel der Hauptstädte. Es handelt sich um eine Ghettospra­che, die sich im Laufe der Zeit allgemein in der Ge­sellschaft durchsetzte, ebenso wie der rioplatensische “lunfardo” (eine Sprache der Diebe) durch den Tango. Rock (wiegen, schaukeln) und Roll (bewegen in krei­sendem Sinn, drehen) drücken im ursprünglichen Englisch Bewegung aus, doch man gebraucht sie in verschiedenen Bedeutungen. Aber zusammenge­schrieben und in der Aussprache, die den Ghettos ei­gen ist, bezieht sich der Ausdruck auf Körperbewe­gungen um den und während des Sexualakts.

Wenn auch Bill Halley der Pionier dieser Musikart war, wer ihr zu endgültigem Ruhm auf der ganzen Welt verhalf, war Elvis Presley, den man mit einem Wortspiel “Elvis the Pelvis” nannte, aufgrund der Be­wegungen und Verrenkungen bei seinen Auftritten (Bewegungen des Beckens), die jene des Geschlechts­akts nachahmen.

Sein Erfolg war blitzartig: schon nach wenigen Jah­ren war er der “König des Rock”. Er war es auch, der ihm einige endgültige Merkmale aufprägte: den Fana­tismus für die Sänger, die tumultartigen Spekta­kel mit hysterischen Ausbrüchen, Raserei bis hin zum Selbstmord. Er starb vor wenigen Jahren wegen sei­nes Drogenkonsums, verehrt wie ein “Heiliger” der Rockmusik. Sein Haus ist das Ziel vielzähliger Wall­fahrten, hauptsächlich zu seinem Todestag. 

 

Entwicklung und Verzweigungen

Nach Presley, dessen Musik für das gegenwärtige Musikempfinden fast melodisch wirkt, hat sich der Rock in verschiedene Richtungen entwickelt. Der ur­sprüngliche Rock wurde zum “Soft Rock” (weich) in dem Augenblick, als der “Hard – ” oder “Heavy Rock” (hart oder schwer) erschien. Einer der anerkannte­sten Künstler dieser Musikrichtung: Alice Cooper (der ein Mann ist und seinen wahren Namen: Vincent Fournier zu Ehren einer Frau änderte, die im letzten Jahrhundert als Hexe (satanische Priesterin) starb und deren Geist – so versichert Fournier – er besitzt). Er verkörpert mit al­len ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den auffal­lendsten Aspekt des Rock, den “beat” (Rhythmus), d.h. den Klang des Schlagzeugs, später durch die elektrische Baßgitarre ergänzt. Seine Inspiration hierzu holt er sich durch die Verwendung des Schlag­zeugs als einen aufpeitschenden Faktor bei den Riten des Voodookultes und der schwarzen Magie der afri­kanischen und lateinamerikanischen Stämme, deren Rhythmen und Kulthandlungen in enger Verbindung zum Sexuellen stehen. Später werden wir den Einfluß dieses Umstandes auf den menschlichen Körper und Geist kennenlernen.

Eine andere Entwicklungslinie ist der „Acid Rock” (“ätzender”, scharfer Rock) (Er bezieht sich auf LSD oder Lysergsäuerediäthymalid), der die halluzinoge­nen Erfahrungsmöglichkeiten untersucht und zu ei­ner Andeutung all dessen kommt, was Bezug zur Droge hat. Der Kult der Droge wird allmählich ent­schleiert wie auch seine populärsten Vertreter: The Beatles, die ihren Namen vom oben erwähnten “beat” ableiten. Sie erzählen in ihrem Lied “The yellow sub­marine” von einer psychodelischen Halluzination (halluzinogene Visionen, Gerüche, Wahrnehmungen).

Andererseits schlagen The Rolling Stones und The Who unverblümt dieses Thema an. Die ersten briti­schen Gruppen haben in ihrem Repertoire Lieder wie “Sister morphine” (Schwester Morphium), “cousin cocaine” (Cousine Kokain) und “Stoned” (berauscht – durch Drogen).

 

Der satanische Rock

Diese Musikart, die erst versteckt begann, trat von Mal zu Mal offener zutage. Das Festival “Rock in Rio” ist ein klares Beispiel dafür, selbst wenn Übertragun­gen, die man bei uns ausstrahlte, teilweise zensiert wurden; vielleicht hat man sie als zu stark für die ar­gentinische Empfindsamkeit angesehen, die in dieser Materie noch viel zu lernen hat.

Gary Greenwald – Ex-Rockkünstler, später zum Chri­stentum konvertiert – war jener, der das Einbauen von versteckten Botschaften mit satanischem Inhalt auf Rockschallplatten preisgab. Wie man weiß, sind Rockgruppen echte Unternehmen, die durch die Welt in eigenen Flugzeugen reisen und dabei Tonnen an Ausrüstungen, Instrumenten und Sachen für Spe­zialeffekte mitschleppen; viele haben ihre eigenen Studios, Schallplattenpressen und einen Stab von Tontechnikern, Effektspezialisten usw. bis hin zu den “groupies” (fanatische junge Mädchen zu den persön­lichen Diensten der Sänger; sie wechseln ständig).

Ende der 60er begann der Verkauf der Beatles zurück­zugehen. Daraufhin entdeckten sie die Möglichkeit, Botschaften in die Aufnahmen mit dem Ziel einzu­bauen, bei den Hörern eine noch tiefere Wirkung zu erreichen, weil sie eine unwiderstehliche Anziehung ausüben. Danach erfanden sie die – heute weit be­kannte – Technik des “backmasking” oder “backward masking”, um diese Botschaften an den Mann zu bringen. Auf Kennzeichen und Wirkungen wird spä­ter eingegangen.

Nun ist es von Interesse, sich einigen aus hunderten, durch diese Technik neugewonnenen Botschaften zu­zuwenden.

Das Lied „Another one bites the dust” (Ein weiterer beißt ins Gras) in dem Album “Killers” der englischen Gruppe Queen hört man rückwärts gespielt (Technik des Backmasking) den Satz: „I start to smoke marihu­ana” (Ich beginne Marihuana zu rauchen).

Die Gruppe Black Dark Arkansas bringt in ihrem Lied “When Electric came to Arkansas” – live aufge­nommen – an einigen Stellen Schreie und zusammen­hanglose Worte Rückwärts abgespielt hört man:  „Satan… Satan… Satan… he’s God… he’s God… he’s God” (Satan… er ist Gott).

Das Album “El Dorado” der Gruppe ELO (Electric Light Orchestra) beinhaltet ein Lied mit der Botschaft: „He’s the nasty one, Christ, the infernal” (Er ist der Dreckige, Christus, der Höllische).

Man hat eine esoterische Analyse des Liedes “Stairway to Heaven” (Treppe zum Himmel) von der Gruppe Led Zeppelin durchgeführt. Wir fügen sie nicht ein wegen ihrer enormen Länge und Ausführlichkeit. Es ist jedoch sicher, daß viele Ausdrücke in den Rocktexten, anschei­nend absurd oder ohne Sinn, im Licht der okkulten Symbologie aber eine klare Bedeutung haben (Die Satansverehrung ist ein Form des magischen Kults, der viele Verzweigungen besitzt…).

Selbst ohne die Notwendigkeit, zu deuten oder zu tech­nischen Hilfsmitteln zu greifen, um versteckte Botschaf­ten zu enthüllen, ist der satanische Kult vieler Rockgrup­pen eine öffentliche Tatsache, wenn auch in unserem Land wenig bekannt. Der Name der Gruppe Kiss – man wird sich an sie wegen ihrer “Punk-Bemalung (Der Punk ist eine Subkultur, die durch eine Gewaltverherrlichung und durch eine extravagante Form des Kleidens und Schminkens ihrer Anhänger charakterisiert ist) und ihrer Extravaganzen auf der Bühne erinnern (eine der berühmtesten war das Zertrampeln Dutzender Küken, die, während sie sangen, auf die Bühne gebracht wur­den, – ist in Wirklichkeit eine Abkürzung. Kiss bedeu­tet: “Kings in Satans Service” (Könige im Dienste Sa­tans) („König“ bedeutet in der satanischen Sprache „Priester“).

Eines ihrer Lieder lautet:

I was raised by a demon
trained to reign as the one.
I’m the Lord of the waste land
A modern day man of steel.
I gather the darkness to please me
And I command you to kneel
Before the God of Thunder,
The God of Rock’n Roll.

 

Ich wurde von einem Dämon erzogen,
vorbereitet wie dieser zu herrschen.
Ich bin der Herr des öden Landes;
ein Mann dieser Zeit aus Stahl.
Ich rufe die Dunkelheit nach meinem Wohlgefallen.
Und ich befehle dir niederzuknien
vor dem Gott des Donners,
dem Gott des Rock’n Roll.

Der Name der (australischen) Gruppe AC/DC wurde interpretiert als die technische Abkürzung von Wech­selstrom/Gleichstrom (“Alternating Current/Direct Current”); man kann ihn jedoch auch lesen als: “Anti-­Christ/Death to Christ” (Antichrist/Tod dem Chri­stus). Einer der Mitglieder, nach der wahren Bedeu­tung gefragt, sagte, daß sie zur freien Interpretation bliebe.Um die Deutung zu erleichtern fügen wir die Überset­zung einer Strophe ihres Liedes “Hell’s Bells” (Glocken der Hölle) bei:Ich habe meine Glockenund ich werde dich zur Hölle führen!

Ich werde dich besitzen,
Satan wird dich besitzen!
Die Glocken der Hölle, ja
die Glocken der Hölle!

 

Der Punk-Rock

Er ist eine gewaltvolle und sadomasochistische Ver­sion. Eine typische Gruppe dafür ist Kiss. Die Auf­tritte beinhalten allgemein Szenen von Grausamkeit mit Tieren oder zwischen Sängern und Publikum: Schläge mit Armbändern, die mit Eisenspitzen be­setzt sind, oder mit Rasierklingen, mitten in der Rase­rei der Show Der Sänger Ossy Osborne tötete und verschlang Teile der Eingeweide einer Henne, die ihm das Publikum, das sich im Massendelirium befand, zuwarf. Beim Festival in Rio im Januar 1985 warf das Publikum erneut eine Henne auf die Bühne; dieses Mal – man weiß nicht warum – weigerte er sich, sie roh zu essen.

Bei manchen Auftritten gießt man Tierblut mit Einge­weiden über das Publikum, werden Instrumente zer­stört etc.. Handlungen, die eine delirische Anzie­hung auf das Publikum ausüben. Allgemein werden Gewaltakte vollzogen, die mit dem Tod durch Schläge, Erwürgen oder Zertreten von einem der As­sistenten endet.

 

Die Technik der suggerierten Botschaften

Unter “backmasking”, dem Verschleiern durch Um­kehren oder Rückwärtsspielen, versteht man eine Aufnahme, bei der ein Kanal genau umgekehrt zur normalen Richtung des Bandes oder der Platte be­spielt wird. Häufig wird in den Aufnahmestudios jede Stimme oder jedes Instrument einzeln aufgenommen und später in einem Mischpult zu einem Ganzen ge­fügt. Auf diese Art arbeitet man mit bis zu 16 ver­schiedenen Kanälen. Auf einem davon nimmt man die Botschaft auf, jedoch in umgekehrter Richtung, so daß sie unkenntlich, aber dennoch wahrnehmbar ist. Man hat wissenschaftlich bewiesen, daß ein Endkodi­fizieren (8) und Aufnehmen der Botschaft stattfindet.

 

Der mentale Mechanismus der Assimilation des Backmasking

Das menschliche Gehirn ist in zwei Hälften oder He­misphären geteilt. Die Wissenschaftler haben gezeigt, daß die linke Gehirnhälfte die rationalen oder analyti­schen Funktionen der Nervenzentren umfaßt, wäh­rend die rechte Hemisphäre der Sitz der unterbewuß­ten und instinktiven Emotionen ist und damit in Be­ziehung zu den grundlegenden Faktoren der Kunst­wahrnehmung steht.Im allgemeinen kann man sagen, daß der Mensch hauptsächlich die linke Hemisphäre benützt, wenn er erwachsen geworden ist und auf der Höhe seiner Fä­higkeiten steht. Jedoch ist in der Zeit der Kindheit und der ersten Hälfte der Jugend stärker die rechte Gehirnhälfte (mehr emotional und instinktiv als ratio­nal) aktiv In der Tat sind beide Hemisphären gemein­sam im Einsatz, wobei die eine das instinktive und die andere das rationale Leben, letztlich das Moralische und Intellektuelle formt.Die Erziehung stellt Verhaltensnormen auf und diese setzen sich im Unterbewußtsein fest; deshalb ist es nicht leicht, seinen Lebensstil radikal zu ändern, was nur durch eine Vernunfts- und Willensentscheidung oder durch eine starke emotionelle Erschütterung – bewußt oder unterbewußt – gelingt. Und hierauf, auf die verborgene emotionelle Schicht zielt das Back­masking. Da sie – scheinbar – unverständlich ist, passiert die “maskierte” Botschaft ungehindert die linke Hemisphäre (das Rationale), die der Bereich des Denkens ist. Das Verschleierte schmuggelt sich ein, weil der Verstand weder fähig ist, es zu entlarven, noch es zu erkennen.

So passiert z.B. die Botschaft “zerep rop etov” (Diese Botschaft, die durch ein Umkehren der Reihenfolge der Buchstaben

 ) den Zöllner der linken Hemisphäre; das mehr intuitive und kreative rechte Gehirn nimmt wahr, daß es sich um den möglichen Satz “Vote por Perez” (Wählt für Perez) handelt. Die Wiederholung dieser Botschaft bei einem, der sie ahnungslos hört, kann ihn – ohne daß er es merkt – dazu bringen, sein Verhalten zu än­dern. Dies ist eine Form der Programmierung oder Gehirnwäsche. Der Inhalt dieser Botschaften kann ethisch annehmbar oder verbrecherisch sein. Auf je­den Fall stellt diese Art der Mitteilung eine Verletzung des Bewußtseins, der Freiheit zu wählen, dar. 

Die besonders wehrlosen Jugendlichen

Jugendliche, Heranwachsende oder unreife Personen sind gegenüber dieser Art von Einfluß ohne Schutz, weil bei ihnen hauptsächlich die rechte Gehirnhälfte arbeitet. Bei ihnen sind Verhaltensnormen, die sie durch Eltern und Erzieher erworben haben, noch nicht tief verankert. Die genannte und andere Formen der versteckten Einflußnahme können Verhaltensano­malien und Widerspenstigkeit bis hin zu krankhaften Tendenzen erzeugen.

Wirkungen des Beat und hoher Lautstärke

Viele fragen sich, warum es den Jugendlichen gefällt, Rockmusik mit so hoher Lautstärke zu hören. Man kann sagen, daß dies gewißermaßen ein auferlegtes Verhalten ist. Tatsächlich ist eine Lautstärke von über 80 Dezibel (10) unangenehm. Bei mehr als 90 dB kommt es zu Gehörschäden (die Hörfähigkeit wird vermindert bis hin zur endgültigen Taubheit). Rock­konzerte haben eine Lautstärke von 106 bis 120 dB.

Allgemeine Folgen eines ausgedehnten oder auch ge­wöhnlichen Ausgesetztseins dieser Lautstärke wer­den von dem bekannten Musiktherapeuten Adam Knieste als: ‘Ággressivität, Erschöpfung, Narzismus, Panik, Verdauungsstörungen, Bluthochdruck etc…” beschrieben. Der “beat” (Rhythmus) des Schlagzeugs und die Tonfrequenz der Baßgitarre können bewir­ken, daß die Hypophyse – die leitende Drüse der hor­monellen Sekretion – aus dem Gleichgewicht gerät.

Eine häufige Konsequenz ist die sexuelle Erregung – die sich bis zum Orgasmus steigern kann – und eine Erhöhung des Insulinspiegels im Blut, die zum Verlust der Kontrollfunktionen und der Aufhebung des mora­lischen Empfindens führen kann, so daß man – ohne es zu wollen – irgendeine Tat vollzieht, die im Gegen­satz zu den eigenen Verhaltensnormen steht. Auch wenn diese Wirkungen bei Live-Konzerten ganz of­fensichtlich auftreten, kommt es bei anhaltendem und wiederholtem Zuhören unter ähnlichen Bedingun­gen, speziell bei Benutzung des “Walkman” (11), zu vergleichbaren Folgen. 

Stroboskopie

Sie ist das Verbinden von Licht und Klang durch das Stroboskop, das einen Effekt erzeugt, der sich aus Ton und Rhythmus zusammensetzt:

Findet ein Licht-Schatten Wechsel mit sechs bis acht Unterbrechungen pro Sekunde statt, so er­gibt sich ein Verlust der Tiefenwahrnehmung.Wird der Wechsel auf 20Unterbrechungen pro Sekunde erhöht, bewirken die Lichtstrahlen eine Interferenz (Überlagerung) mit den Alphawellen des Gehirns, die die Konzentrationsfähigkeit kon­trollieren.

Je mehr Wechsel erzeugt werden, desto größer ist der Verlust der Selbstkontrolle.

Ein anderer “strahlender” Effekt: Der Laserstrahl – er wurde bei der Vorstellung der englischen Gruppe “Yes” in Buenos Aires verwendet – bewirkt bleibende Schäden auf der Hornhaut der Augen (blinde Punkte).

Um den Leser nicht zu ermüden, lassen wir andere Techniken unerwähnt, welche die in dieser Hinsicht “künstlerischen” Gruppen benützen.

Psychologische Auswirkungen

Neuere psychiatrische Studien haben gezeigt, daß der Rock bei bestimmten Individuen die folgenden Krankheitsbilder hervorruft:

Veränderungen der emotionalen Reaktionen, die von der Frustration bis zur unkontrollierbaren Ge­Gewalttätigkeit reichen.

Der Verlust der bewußten und reflexiven Konzen­trationsfähigkeit.

Eine beachtliche Verminderung der Willenskon­trolle über unterbewußte Regungen.

Eine Überreizung des Nervensystems, die Eupho­rie, Beeinflußbarkeit, Hysterie und Halluzinatio­nen nach sich zieht.

Ernsthafte Störungen des Gedächtnisses, der Ge­hirnfunktionen und der Koordination der Bewe­gungen.

Ein hypnotischer Zustand, der die Person in eine Art Zoombie oder Roboter verwandelt.

Ein depressiver Zustand, der von der Neurose bis zur Psychose gehen kann, vor allem bei der Ver­bindung von Musik und Droge.

Mörderische und selbstmörderische Tendenzen, die durch tägliches und anhaltendes Hören ver­stärkt werden.

Selbstverstümmelung, Selbstopferung und Selbst­bestrafung, vor allem bei großen Festen

Unwiderstehliche Impulse der Zerstörung, der Verwüstung und des Unruhestiftens nach den Konzerten und Rockfestivals.  

 

Anmerkungen zum Text:(1) Satanische Priesterin.(2) Er bezieht sich auf LSD oder Lysergsäurediäthylamid, der bekannten halluzinogenen Droge.(3) Psychodelisch: psychiatrischer Ausdruck, der all das umfaßt, was sich auf halluzinogene Visionen, Gerüche und Wahrnehmungen be­zieht.(4) Die Satansverehrung ist eine Form des magischen oder satanischen Kults, der sehr viele Verzweigungen besitzt. Dennoch besteht eine ge­meinsame Tradition hinsichtlich der Anwendung kabbalistischer Be­griffe und symbolischer Ausdrücke. Es ist wichtig zu betonen, daß diese Form des Kults und seine Anhänger – mag der Leser an die Existenz geistiger Kräfte, des Teufels usw. glauben oder nicht – ebenso eine reale Tatsache sind wie der Buddhismus oder die katho­lische Kirche.(5) Der Punk ist eine Subkultur, die durch eine Gewaltverherrlichung und eine extravagante Form des Kleidens und Schminkens ihrer An­hänger charakterisiert ist.(6) “König” bedeutet in der satanischen Sprache “Priester’.(7) Dokumentation “INFORME A.LP No.2 Mensajes subliminales’ en pu­~ icidad.(8) Entkodifizieren: Das umgekehrte Anwenden einer Verschlüsselungs­form auf eine Botschaft, um deren ursprüngliche Form zu erhalten. In diesem konkreten Fall: das Entschlüsseln des Sinns der Botschaft aus den Tönen.(9) Diese Botschaft, die durch ein Umkehren der Reihenfolge der Buch­staben im Satz konstruiert wurde, ist ein Beispiel, um die Idee zu ver­deutlichen. Beim “backmasking” ist das Versteckte hörbarer und nicht geschriebener Art. Der EfFekt des Umdrehens einer Aufnahme ist vollkommen verschieden von dem, wenn geschriebene Buchsta­ben umgekehrt werden.(10) Maßeinheit der Lautstärke.(11) Der “walkman” ist ein kleiner, tragbarer Kassettenrecorder, den man am Gürtel aufhängt. Man hört durch leichte Kopfhörer, so daß man ihn beim Gehen, Arbeiten, Radfahren etc. tragen kann. Dies hat enorm den Durchschnitt an Stunden erhöht, die Jugendliche Musik hören. Dar­über hinaus sind sie gefährlich, weil sie деп Gehörsinn abstumpfen und die Reaktionsfähigkeit für gefährliche Situationen (z.B. auf der Straße) vermindern. 

 

DIE SATANISCHE MUSIK

 Alles begann Anfang der 50er Jahre in den Vereinig­ten Staaten. Im Jahre 1951 hat der junge Sänger Littlе Richard erstmals die Idee, den Rhythmus des “~ ues” zu verändern – eine Idee, die alsbald Tatsache wird. 1954 beginnen Bill Halley und seine “Kometen” mit “Rock around the Clock” einen verteufelten Tanz, in den sich die Jugend auf der ganzen Welt einreiht. 

Um diese neue musikalische Welle zu taufen, sucht ein junger Disk-Jockey aus Cleveland im Jargon der Ne­gerghettos einen Namen und wählt schließlich den Ausdruck “Rock and Roll’; weil dieser jene zwei Kör­perbewegungen beim Sexualakt beschreibt.

1955 wendet sich ein junger Sänger ohne große Um­schweife der praktischen Arbeit zu und stellt den neuen Musikstil live vor. Dieser junge Sänger ist Elvis Presley, der zum Symbol einer ganzen Jugend wird, die sich gegen alle Tabus und sexuellen Verbote eines puritanischen Amerikas auflehnt.

Der fesche Bursche Elvis, der in einer evangelischen Schule im Süden der USA erzogen wurde, zögert nicht, in seinen Texten, seiner Musik und seinen pro­vozierenden Bewegungen die Tugenden einer freien Liebe auszurufen und alles als Lüge zu bezeichnen, was irgendeine Form von Bevormundung oder Auto­rität enthält.

Der Rock’n’Roll konnte hier nicht stehen bleiben, da Elvis Presley schon ein wenig die Vorahnung von et­was Diabolischem vermittelt. Das Erscheinen der Beatles und der Rolling Stones bestätigt dies.

Die Beatles verraten sich selbst durch ihr Lied “The Yellow Submarine” – eine wirklich erlebte psychode­lische Halluzination.

Schließlich, 1968, machen andere die grundlegende Revolution; die Beatles machen in der Herstellung von Schallplatten weiter. Die Herausgabe des “Devil White Album” (Teuflisches Weißes Album) fällt mit dem Auftreten des satanischen Kultes in der Rockmu­sik zusammen, und . zum ersten Mal wirft man die Frage der versteckten Botschaft auf.

In dem Lied “Revolution No. 9” des oben erwähnten Albums hört man die Wiederholung von “… No. 9, No. 9, No. 9 …”, die übersetzt und umgekehrt abge­spielt lautet: “… Errege mich sexuell bis zum Tod .. ” Der hier angesprochene Tod hat eine Beziehung zu Christus.

John Lennon präzisierte in seiner Werbekampagne für diese Platte seine Gedanken: “Das Christentum wird verschwinden; es wird sich in verschiedene Richtungen aufspalten und dadurch an Macht verlie­ren; zur Zeit sind wir populärer als Christus. Ich frage mich, was zuerst verschwinden wird: der Rock’n’Roll oder das_.Christentum …”

Andere Gruppen, die den Beatles folgten, faßten die diabolische Aussage viel gewaltvoller auf.

Led Zeppelin singt in “Stairway to Heaven “:”… Ja zu Satan, habt keine Angst vor Satan … Ich wünsche, daß der HERR zu Füßen Satans kniet …” Kiss: ” … Wenn du mich liebst, schlage mich, es ist Satan, der dein Gott ist …”

Black Sabbath: “Jesus, du bist der Häßliche, nimm’ das Mal entgegen, es ist jenes des Antichrist, das 666 …”

In Kalifornien hat sich ein Verbraucherkomitee konsti­tuiert mit dem Ziel einer Überwachung. Dieses Komi­tee wollte die üble Gruppe entlarven und ging bis vor das Bundesparlament. Eine Kommision wurde er­nannt, um das Repertoire von Led Zeppelin und vor allem “Stairway to Heaven” zu untersuchen, dessen Text nicht unbedeutsam ist: “…I’ve got to live for Sa­tan …” (Ich muß für Satan leben). Es war das Ende von etwas im Hintergrund Lauerndem, und diese ~n­tersuchung hatte insbesondere das Verdienst, die Öf­fentlichkeit über die Existenz versteckter Botschaften zu informieren.

Eine “maskierte” Botschaft ist die Übermittlung einer heimtückischen Nachricht. Sie entzieht sich dem Be­wußtsein, um direkt auf das Unterbewußtsein einzu­wirken. Das ist das Ziel des Senders der Botschaft. Ist die kritische Intelligenz des Empfängers nicht wach­sam, dringt die Mitteilung direkt in das unterbewußte Gedächtnis des Hörers ein.

Wir dürfen nicht vergessen, daß zu allen Zeiten Hexe­rei in Verbindung mit Musik praktiziert wurde. Es ist interessant, auf den “beat” (Rhythmus) der Musik im Voodookult hinzuweisen: er ist mit dem der Rockmu­sik identisch. Die gegenwärtige Rockmusik jedoch wird massiv von gewissen Gesellschaften unterstützt, wie z. B. den “Welch Witches Society” (Gesellschaft der schottischen Hexer).

Alice Cooper bekannte:”Vor einigen Jahren nahm ich an einer spiritistischen Sitzung teil, in der Norman Buckley dem Geist befahl, sich zu manifestieren; nach einiger Zeit tat dies der Geist und sprach zu mir. Er versprach mir und mei­ner Gruppe Ruhm und Reichtum im Überfluß. Das Einzige, was er von mir als Tribut forderte, war, ihm meinen Körper zu geben. Ich bin berühmt auf der ganzen Welt. Um dies zu tun, nahm ich den Namen dessen an, durch den er sich während der Seance manifestierte: Alice Cooper.”

Eines Tages lernten Mick Jagger und Keith Richard .Anita Pallenberg und Marianne Faithfull kennen, beide aus der Musikszene. Letztere ist sehr bekannt für ihre Talente als Hexe. Sie baten einen Freund, daß er Mick und Keith die schwarze Magie beibringen möge. Mick Jagger wurde in der Sekte “M” Satan ge­weiht; er hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten als “Inkarnation” Luzifers vorgestellt. 

 

DAS OKKULTE GESICHT DES ROCK

Die Rockgruppen sind während der vergangenen 20 Jahre zu den Stars der Plakate und Poster auf der ganzen Welt geworden.

Im Hinblick auf den Rock sagte ein Journalist:„Um eine Nation zu vernichten, bedarf es keiner Atombombe; es genügt, die moralischen Strukturen der Jugend durch diabolische Musik, Drogen, Ziga­retten, Alkohol und Sex zu zerstören. Wenn wir so weitermachen, werden wir in Kürze eine Generation von Geisteskranken haben …”

 

Der Rock dient den niederen Instinkten

Die Gruppe “Black Dark Arkansas” nahm einen der größeren Erfolge auf, der für mehr als zehn Jahre auf dem Popmarkt führend war: “Satan is God” – mit entsetzlichem Gelächter. Es gibt manche, die sie ver­teidigen und ihren Text ignorieren wollen. Die grö­ßere Gefahr aber liegt im Rhythmus, in der Form ei­ner versteckten Botschaft. Ein Beispiel: Ein amerika­nischer Supermarkt ließ während mehrer Tage seine Kunden in versteckter Form die Botschaft hören: „Ich bin ehrlich, ich bin gut, ich stehle nicht…” Die Dieb­stähle gingen um 70% zurück. Die kodi%zierte Bot­schaft war wegen ihrer Geschwindigkeit nicht zu er­kennen, doch sie sprach zum Unterbewußtsein. Diese Technik ist auch bekannt unter der Bezeichnung “posthypnotische Suggestion”.

1977 setzten sich in den USA von 1000 ledigen und schwangeren Frauen 984 der Rockmusik aus, die in Verbindung zur Hypnose steht; ihre Botschaft gräbt sich tief ins Unterbewußtsein ein und richtet dabei den Fötus schrecklich zu.Der Rock befürwortet die freie Liebe, die Homo­sexualität, die Droge und den Satanskult.Monotone, anhaltende und rhythmische Töne erzeu­gen verschiedene Grade der Trance, wie man sie beim Spiritismus und anderen religiösen Riten sieht.

Das Hormon Epinephrin (Adrenalin) wird während einer Streßsituation ins Blut abgegeben oder wenn man Musik mit anormaler Lautstärke hört.

 

Aussagen von Rocksängern

Jimmy Hendrix:„Durch die Musik können wir in das Unterbewußt­sein hineinlegen, was wir wollen..”Jim Morrison:„Wir sind Politiker und Erotiker. Was uns interessiert, ist der Umsturz und das Chaos…”Frank Zappa:

„Die gegenwärtigen sexuellen Verhaltensweisen der Gesellschaft können auf die Entwicklung der Rockmu­sik zurückgeführt werden…”

 

Aussagen von Musikwissenschaftlern:

 

Gary Allen:

„Die Rockmusik entwickelte sich zu einem der größten Faktoren, der unsere Kinder und die Zukunft der jetzi­gen Nation beeinflußt. Die Rocksänger sind in ständi­ger Verbindung mit unserer Jugend, die sie zu Aktivi­täten veranlassen, welche die Länder in Aufruhr ver­setzen würden, stünden sie nicht ebenfalls unter dem Einfluß ihrer Botschaften. Bei vielen Jugendlichen ist die Musik anstelle des traditionellen religiösen Glau­bens die Quelle ihrer absoluten Überzeugungen. Sie können die Texte und die Entstehungsgeschichte der Lieder so wiedergeben, wie man früher die Bibel zi­tierte.Die Meinungsunterschiede über die Erfolgsstellung verschiedener Gruppen werden mit evangelischem Ei­fer vorgebracht und die Entdeckung einer Gruppe kann eine Inbrunst wie bei einem “religiösen Streitge­spräch” auslösen.Der intime Freund der Pop-Kultur – die Droge – hat eine große Ähnlichkeit mit der mystischen Erfahrung, und die Konsumenten der verschiedensten Drogen set­zen diese mit Wundermitteln gleich. “

Ricardo Goldstein:

„ Die Rockmusik hat umwälzenden Charakter, nicht nur, weil sie die Droge, den Sex und leichte Abenteuer legitimiert, sondern auch, weil sie ihre Zuhörer­schaft dazu animiert, ihre eigenen Vorstellungen über die Tabus der Gesellschaft in die Tat umzusetzen. Wie es John Philips in einem seiner bekannten Lieder for­dert: ‘Du mußt gehen, wohin du willst, machen, was du willst und mit wem du es willst …

‘Die Musik ist eine sinnliche Kunst mit der Fähigkeit, außergewöhnliche Reize zu vermitteln. Die gewaltsa­men und eindringlichen Rockrhythmen, die wie be­sessenen Wiederholungen von tiefen Tönen, die einfa­chen Themen und Harmonien, die schreienden Stim­men mit ihrem leidenschaftlichen Senfzen – alles will Aspekte des Sexuallebens suggerieren.Alles in allem zeigen sích die Schöpfer dieser Musik als wahre Agenten solcher Reize und machen sich durch den Mechanismus des Assozüerens zum Ge­genstand einer sexuellen Leerehrung. “

Francisco Garlock:

‘Durch die Art seiner Begleitung weiß man, wie ein Mensch ist’ – sagt eine alte Weisheit. Es wäre unmög­lich, eine vollständige Liste vorzulegen, doch hier sind einige der Vertreter des Rock: Drogenabhängige, Sa­tansverehrer, Homosexuelle und andere sexuell Ab­wegige, Aufständische aus Prinzip, Kriminelle, Blas phemiker, Morallose, Promiskanden, Anarchisten ge­genüber dem Zivilen und Militärischen etc….Die Li­ste könnte praktisch unbegrenzt fortgesetzt werden.”

Bob Larson:

“Es gibt eine klar bestimmte ethische und moralische Bedeutung der Musik. Das gesprochene Wort muß den verstand passieren, um gedeutet, übersetzt und seinem moralischen Sinn gemäß eingeordnet zu wer­den. Dies ist nicht bei der Musik, insbesondere der Rockmusik der Fall. Diese dermaßen aufdringliche Fu­rie kann diese Schutzvorrichtung umgehen.

Der Thalamus (Sehhügel) im Gehirn, der oberhalb des Cerebellum (Kleinhirn) liegt, kann die Musik als eine emotionelle Reaktion auffassen, ohne dabei auf logische Gedankengänge zurückzugreifen, und einen so zu einem Werturteil über das führen, was man ge­rade hört.

Viele Jugendliche sagen mir: ‘Ich höre die ganze Zeit Rock und es berührt mich nicht unangenehm.’ Meine Antwort ist einfach, daß sie nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob sie davon beeinflußt sind oder nicht.”

Der Heranwachsende kann diesen Prozeß völlig umkeh­ren. Es muß vor allem über die Bedeutung einer angemes­senen Ausgewogenheit im musikalischen Geschmack nachgedacht werden.” 

 

AUCH WENN SIE ES NICHT GLAUBEN

Daß sehr laute Musik unsere Hörfähigkeit beeinträch­tigt, weiß man seit langem. Die Neuheit ist aber ein Bericht, der in einer renommierten medizinischen Fachzeitschrift in den Vereinigten Staaten veröffent­licht wurde und folgendes Experiment beschreibt: 

Zehn Studenten im Alter von 17 – 19 Jahren wurde Musik mit der ertragbaren Lautstärke von 70 dB vor­gespielt. Später ging man auf 107 dB über. Nachdem der Versuch beendet wurde, stellte man fest, daß acht von zehn Studenten vorübergehend an einer be­trächtlichen Verminderung der Sehfähigkeit litten. Man will jetzt die Untersuchung ausweiten, um etwas mehr zu erfahren.

Professor Reznikokk (Professor für Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Nanterre, Frank­reich) lehrt, daß tiefe Töne niedrige Schwingungen im Menschen bewirken, während hohe Töne hohe Schwingungen erzeugen.

Die am wenigsten untersuchte Art der Übermittlung ist jene der umgedrehten Botschaft. Sie ist das Instru­ment, das die Beatles benützten; die Wirkung ist wahrhaft pervers. Das Unterbewußtsein kehrt die Botschaft um und liefert die korrekte Version. Schlecht zu hören, aber dafür um so wirkungsvoller sind die Frequenzen zwischen 17 und 20 Hertz, die ho­hen Frequenzen zwischen 17 und 20 Kilohertz, wie auch eine veränderliche Geschwindigkeit, die von Geräten mit extremer Sensibilität erfaßt werden kann.

Der starke Einfluß des Rock resultiert aus der Kombi­nation tiefer Töne mit gleichleibendem Rhythmus, die biopsychologische Effekte auslöst: Beschleuni­gung des Pulsschlags, vermehrter Adrenalinausstoß, gefolgt von sexuellem Verlangen bis hin zum Orgas­mus. Der Rock ist eine Botschaft, die sexuelles Ver­gnügen und Überaktivität des Gehirns verspricht, und wenn die Botschaft mit hoher Geschwindigkeit übermittelt wird, gelangt man zu einem Verständnis.

Auch das Licht verliert seine göttliche Eigenschaft: Die Stroboskope – Geräte, die ein Spielen mit dem Wechsel von Licht und Schatten in den Tanzsälen er­möglichen – schwächen den Orientierungssinn und die Reflexe beträchtlich, wodurch man in einen emp­fänglicheren Zustand für die versteckten Botschaften der Schallplatten gerät.

Pater Regimbald, auf Kriminalpsychiatrie spezialisier­ter Psychologe, zeigte sich bei mehreren Gelegenhei­ten beunruhigt über die moralischen Folgen, welche die Botschaften mit sich bringen.

Professor Reznikokk vertritt die Ansicht, daß wieder­holtes Hören von Rockmusik nicht ohne Schäden leibt, und daß es sich hauptsächlich um physische und sofort nachweisbare Wirkungen handelt, die Ge­genstand zahlreicher Studien sind.

Nach über 15 Jahren als Sänger, nach acht Alben mit der Gruppe Black Sabbath und drei als Solist hat sich Ossy Osborne als Superstar des Rock etabliert, der exzentrisches Verhalten an den Tag legt wie das Kahl­scheren des Kopfes, das Werfen mit Eingeweiden von Schweinen auf das Publikum oder das Abbeißen von Mäuseköpfen mit den Zähnen.

Eines seiner letzten Lieder, bekannt unter dem Titel “Bark at the Moon” (Bellen zum Mond), ist nichts an­deres als eine Invokation an niedere Naturkräfte.

Bark at the Moon (Bellen zum Mond)

Schreie brechen das Schweigen erwachend aus dem Tod der Nacht. Die Rache istRasend.Er ist zurückgekommen, um im Licht zu töten.

Und dann, wenn ergefunden haben wird, was er suchte,höre mit Zittern und Du wirst ihn hören zum Mond bellen.

In Qual verbrachte Jahre begraben in einem Grab ohne Namen .. .Jetzt ist er wiedererstanden. Es bedarf Wunder, um gerettet zu werden.

Für die, welche dieBestie sucht.Höre mit Zittern und du wirst ihn hören zum Mond bellen.voller Angstverfluchten sie ihn und begruben ihn weit weg.Sie dachten, daß seine Seele für die Ewigkeitin eine leere, brennend ruchlose Hölle gegangen sei.

Aber er ist zurückgekommen, um zu beweisen, daß sie irrten, sich soirrten .. .

Heulend in der Dunkelheit.Lebend durch einen lunaren Zauber. Er sucht seinen Himmel. Ausgespien aus dem Schlund der Hölle. 

 

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Gemeinde Jesu Christi (Sauer)

Erich Sauer

DER TRIUMPH DES GEKREUZIGTEN

Ein Gang durch die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte


Erster Teil:    Das Erscheinen des Welterlösers

Zweiter Teil: Die Gemeinde der Erstgeborenen

Dritter Teil:   Das kommende Gottesreich

https://horst-koch.de/1000jaehriges-reich/

 –  Hier nur Teil Zwei, mit ganz geringen Kürzungen. Die Hervorhebungen im Text habe ich vorgenommen. Horst Koch, Herborn, im November 2009  –

 

Teil Zwei: DIE GEMEINDE DER ERSTGEBORENEN

I. Abschnitt. Die Berufung der Gemeinde

1. Kapitel. DAS NEUE VOLK GOTTES

Durch die Welt schreitet die Botschaft vom Kreuz. Das gegenwärtige Zeitalter ist von besonderer Bedeutung. Sein Zweck ist die Berufung der Gemeinde. Daraufhin ist alles in ihm angelegt.

I. Das Ziel der Berufung

Das Programm für die Jetztzeit ist nicht Umwandlung der Menschheit und Schaffung christlicher Völker, – dies wird erst im sichtbaren, kommenden Gottesreich geschehen, Jes. 2, 3; 19, 21‑25. – sondern: »aus ihnen ein Volk zu nehmen für seinen Namen« (Apg. 15, 14 vgl. Tit. 2, 14; 1. Petr. 2, 9), nicht Christianisierung der Rassen, sondern Evangelisierung zum Zweck der Berufung eines übernationalen Gottesvolkes (Matth. 28, 19).
»Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, . . . sondern allzumal einer in Christo Jesu (Gal. 3, 28; Kol. 3, 11).

So aber entsteht, an Stelle der bisherigen Zweiteilung, eine Dreiteilung der Menschheit, und zu Israel und den Weltvölkern tritt die Gemeinde als das »dritte Geschlecht« hinzu. Fortan ist jeder, der nicht »Christ« ist im Sinne des Neuen Testaments (Apg. 11, 26), entweder Jude oder Heide. Eine vierte Möglichkeit besteht nicht. – Eine allgemeine (Namen)‑Christenheit hat im Neuen Testament keine Berechtigung. Sie ist Abfall vom Christentum und überhaupt nur eine »ungeheure Sinnestäuschung« (Kierkegaard). Vgl. Off. 3, 1.

Dies neu zu gewinnende Gottes»volk« nennt die Schrift »Ekklesia« (Eph. 1, 2). Es ist die durch die »Heroldsbotschaft« des Evangeliums (1. Tim. 2, 7) aus Juden und Heiden (Eph. 2, 11-22) »herausberufene« Schar der Erlösten, die, im Genuß des himmlischen Bürgerrechts (Phil. 3,20) dereinst die »gesetzausführende Versammlung« des Himmelreichs sein wird (1. Kor. 6, 2) (Das griechische Wort »ecclesia« kommt sprachlich von »ek« (heraus) und »kaleo« (rufen) her.

Ihr Ziel ist ihre Erhöhung und Verherrlichung in Christo. Sie lebt vom Himmlischen, im Himmlischen, zum Himmlischen hin; ihr Weg ist ewig, ihr Wesen Ewigkeit.

»Ekklesia« hatte im Alten Bunde schon Israel geheißen. Ungefähr einhundertmal kommt das Wort in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, vor, also fast genau so oft wie im Neuen Testament. Fast überall ist es die Wiedergabe des hebräischen Wortes »kahal«. Dieses bedeutet zwar zunächst ganz allgemein jede Art von »Versammlung«, hat aber einen besonderen Sinn durch seine Zuordnung zu Jahwe (Jehovah), dem Gott Israels, erhalten. »Kahal Jahwe«,»Ekklesia Gottes«, ist Israel als berufenes, versammeltes »Gottesvolk«. Seine anschaulichste Darstellung in diesem seinem Charakter findet es in der Wüste. »Um die Stiftshütte herum liegen wohlgeordnet die Zelte des zwölfstämmigen Volkes. Auf den >Ruf< der Herolde hin >versammelt< es sich auf dem Platz vor der Hütte. Hier steht es als das Volk Gottes da, um die Befehle und den Segen seines Gottes zu empfangen«.
Auch im Neuen Testament wird Israel als »Ekklesia« bezeichnet (Apg. 7, 38). Es ist das Wort für die ideale Einheit Israels als des auserwählten Volkes, auch wenn es räumlich als Kultgemeinschaft nicht »versammelt« war (2. Mose 16,3; 4.Mose 15, 15).

Aber Israel als nationale Gesamtheit beschritt gar zu bald den Weg des Abfalls. Es verlor seinen praktischen Charakter als »Volk Gottes«. Es wurde »Lo Ammi«, das heißt, »Nicht-mein‑Volk« (Hos. 1, 9). Nur ein Bruchteil, die kleine Schar der Treuen, blieb ihrem Gott ergeben. Sie wurde darum der heilsgeschichtliche Kern des Volkes, der Träger seiner Berufung, das eigentliche Israel, das wahre Volk Gottes, die tatsächliche und wesenhafte Verkörperung des alttestamentlichen Ekklesia‑Gedankens. An sie richteten sich darum auch alle Verheißungen des Gottesreiches.

Während die Gesamtheit des ungläubigen Israel dem Gerichtsurteil verfällt, wird die Schar der Getreuen als »Überrest« aus den Gerichten gerettet. Zugleich wird sie zur Grundlage der Durchführung und Vollendung des Planes eines Gottesvolkes. (Micha 2,12).
»Überrest« ist darum bei den Propheten geradezu die Sonderbezeichnung geworden für das Gottesvolk, die Ecclesia der Endzeit (Jes. 10, 20). Als solches ist sie übrigbleibender »Wurzelstock«,»heiliger Same«, aus dem neues Leben ersprießt (Jes. 6, 13), »kleine Herde«, die einst das große Reich empfängt (Micha 2, 12; Luk. 12, 32). Die Existenz und Geschichte dieses wesenhaften Kerns der alttestamentlichen »Ekklesia« ist darum die Voraussetzung und Vorbereitung eines endzeitlichen Gottesvolkes.

Dieses endzeitliche Volk Gottes zu sein, behaupten die Christen. Sie sind das Ziel der alttestamentlichen Geschichte (1. Kor. 10, 11) die messianische Gemeinde der Endzeit, die Erretteten der »letzten Tage«.
Und dies ist der Grund, warum sie sich nicht mit irgendeiner andern, zur Verfügung stehenden religiösen Gemeinschaftsbezeichnung benannten, sondern gerade mit dem Wort »Ekklesia«, also mit dem Namen der alttestamentlichen Glaubensgemeinde, deren heilsgeschichtlicher Kern, Träger und Verkörperung der »Überrest« der Getreuen war. Was damit ausgedrückt war, war nichts Geringeres als dies:
Wir sind das Gottesvolk der Endzeit, das im Alten Testament erstrebte Volk des »Überrests«, die endzeitliche Rettungsgemeinde der Vollendung.

Die ersten Christen taten damit nicht mehr und nicht weniger als Paulus, der von den Christen sagt, daß sie der Israel dem Geist nach, der Israel Gottes (Gal, 6, 16 vgl, 1. Kor. 10, 18; Gal. 4, 29), die (wahre) Nachkommenschaft Abrahams seien (Gal. 3, 29), als Petrus, der die Ehrentitel von 2. Mose 19, 6 und Jes. 43, 21 auf die Christengemeinschaft überträgt und sie nennt:
>auserwähltes Geschlecht, königliches Priestertum, heilige Nation, Eigentumsvolk< (l. Petr. 2, 9)  . . .
Das Tun des Herrn selbst mußte seinen Jüngern diese Auffassung nahebringen. Denn die Auswahl von gerade zwölf Jüngern zu Aposteln konnte von ihnen nicht anders gedeutet werden, als daß sie, wie einst die zwölf Patriarchen, Stammväter eines neuen Volkes sein sollten. Das Abendmahl war, wie das Passah, die große Volksmahlzeit und die Taufe die Parallele zum Durchzug durch das Rote Meer« (1. Kor. 10,1).

Die Sammlung dieser Gemeinde, der »Gemeinde der Erstgeborenen« (Hebr. 12, 23), ist der eigentliche Hauptzweck des gegenwärtigen Zeitalters. Sein Sinn ist kein geringerer als die Schaffung einer Königsfamilie, der Herrschaftsaristokratie für die kommenden Reichsäonen (1. Kor. 6, 2; 3). »Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben« (Luk. 12, 32).

II. Der Beginn der Berufung

In den Erdentagen des HErrn Jesu war die Gemeinde im neutestamentlichen Vollsinn noch nicht da. Darum spricht Christus von ihr als noch zukünftig und sagt: »Ich werde meine Gemeinde bauen« (Matth. 16, 18). Erst zu Pfingsten wurden die Gläubigen »durch einen Geist zu einem Leibe getauft« (1. Kor. 12, 13). Darum ist Pfingsten der Geburtstag der Gemeinde.

Dennoch geschah dieser Neuanfang zunächst auf durchaus jüdischem Volksboden. Nur Israeliten waren die Empfänger des Geistes und nur Juden und Judengenossen (d.h. Prosely­ten) die Hörer ihrer Predigt (Apg. 2, 5‑11). Auch in der Folgezeit waren es nur Angehörige der israelitischen Nation und ganz oder teilweise zum Judentum übergetretene andere, die in die Gemeinde aufgenommen wurden (Apg. 3, 12; 26; 6, 1; 8, 26‑40). Eine eigentliche Heidenmission, wo die Heiden als Vollheiden getauft werden konnten, gab es noch nicht. Alles geschah unter Angliederung und Beiordnung an Israel. Darum ist Pfingsten noch nicht allseitig der Beginn des gegenwärtigen Zeitalters. Ihm fehlt noch die weltumfassende Weite. Es liegt noch in der Übergangszeit aus der alten in die neue Haushaltung.

Ja, noch nach Pfingsten vollzog Petrus sogar ein ausdrückliches Heilsangebot auf dem Boden der israelitischen Nation. »So tut nun Buße und bekehret euch, daß eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des HErrn und er den euch zuvor verordneten Jesus Christus sende, welchen freilich der Himmel aufnehmen muß bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von welchen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat« (Apg. 3, 19‑21). Hier also läßt Gott durch Petrus dem Volk Israel verkünden, daß, falls sie noch jetzt Buße tun wollen, er ihnen den Messias vom Himmel herabsenden würde und mit ihm die »Zeiten der Erquickung« und die »volle Verwirklichung« alles dessen, wovon er im Alten Bunde geredet hatte, d. h. das sichtbare Gottesreich der Prophetie. Also noch nach Pfingsten befindet sich die neutestamentliche Heilsbotschaft durchaus auf israelitischem Volksboden, und die dann folgende Beiseitesetzung Israels kam nicht eigentlich schon wegen der Verwerfung des Messias in den Tagen seines Erdenlebens zustande (vgl. Apg. 3, 17), sondern in endgültiger und entscheidender Weise erst wegen der Verwerfung des Heiligen Geistes, der ihnen den gen Himmel gefahre­nen und erhöhten Messias verklärt hatte (vgl. Matth. 12, 32).

Schließlich hat Israel sogar den »mit heiligem Geist erfüllten« Zeugen der Auferstehung (Apg. 7, 55; 6, 5; 8; 10), Stephanus, ermordet und damit selber das Wort dieses Blutzeugen bestätigt: »Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heiligen Geist, wie eure Väter also auch ihr« (Apg. 7, 51).

Dann aber, seitdem Petrus dem unbeschnittenen Kornelius in Cäsarea die Tür des Himmelreiches aufgeschlossen hatte (Apg. 10) und der Geist Gottes als die »gleiche Gabe« (Apg. 11, 17) und »in derselben Weise« (Apg. 15, 11), ohne Unterschied auch auf die glaubenden Vollheiden gekommen war, hatte Gott den heilsgeschichtlichen Unterschied zwischen »Rein« und »Unrein« aufgehoben (Apg. 10, 11-16) und die trennende »Zwischenwand der Umzäunung« zwischen Juden und Heiden auch geschichtlich hinweggetan.

Erst von da an waren die Heiden – auch ohne Angliederung an Israel ‑ des gleichen Heiles voll mitteilhaftig (Eph. 2, 16‑22; Röm. 15, 27; Apg. 28, 28). Da aber nun gerade die Heidenberufung zum Grundwesen der Ekklesia gehört, muß gesagt werden, daß die Haushaltung der Gemeinde ihren allumfassenden Vollanfang nicht in Jerusalem (Apg. 2), sondern in Cäsarea (Apg. 10), noch genauer im Hause Simons des Gerbers in Joppe, genommen hat. (Wo Petrus seine grundlegende Offenbarung bekam (Apg. 10, 5). Abgeschlossen wurde diese Übergangszeit zuletzt durch die Offenbarungen an Paulus, dem in besonderer Weise die lehrhafte Entfaltung dieses Geheimnisses (Eph. 3, 1‑7) und die evangelistische Verkündigung der Heilsbotschaft in der Völkerwelt anvertraut war (Eph. 3, 8), »Den Juden zuerst« und dann auch die Griechen ‑ das war, wie die Missionspraxis des Paulus im einzelnen, so auch der allgemeine Gang der Heilsgeschichte in der Gesamtheit (Röm. 1, 16; Apg. 13, 46).

Zugleich aber bedeutet die Gleichstellung der Heiden mit dem alttestamentlichen Bundesvolk die Ausschaltung der jüdischen Vorrechtstellung und die Beiseitesetzung Israels als Nation (Röm. 11, 25). (Vom Standpunkt der nationalen Heilsgeschichte Israels aus gesehen ist das gegenwärtige Zeitalter also eine »Einschaltung«).

Nun können die Heiden aus dem offenen Heilsbrunnen trinken, ohne vorher die jüdische Schöpfberechtigung erlangt zu haben. Israel ist zum Teil »Verstockung« widerfahren (Röm. 11, 25), doch sein »Fall« ist der »Reichtum der Welt« (Röm. 11, 11). Die »Fernen« sind »nahe« geworden (Eph. 2,11); die gläubigen Heiden sind gleichberechtigt mit den gläubigen Juden. Sie sind »Miterben, Mitleib und Mitteilhaber der Verheißung« (Eph. 3, 6). Sie sind »Mitbürger der Heiligen« (Eph. 2, 19), ihrer »geistlichen Güter mitteilhaftig« (Röm. 15, 27) und mit ihnen zusammen der »eine neue Mensch«, der »Leib« Christi (Eph. 2, 16). In der Gemeinde aber herrscht nun kein Unterschied mehr.

III. Das »Geheimnis« der Berufung

Kein alttestamentlicher Prophet hatte je diesen Wunderbau klar geschaut (1. Petr. 1, 10; Matth. 13, 17). Obwohl ewig »in Gott« beschlossen (Eph. 3, 9), war sein Aufbau »von den Äonen her« als »Geheimnis« verschwiegen (Röm. 16, 25; Eph. 3, 5; 1. Kor. 2, 7). Nirgends ist darum auch im Alten Testament die Gemeinde in ihrem neutestamentlichen Charakter unmittelbar zu finden.

Erst seit Pfingsten  . . . war das Geheimnis der neutestamentlichen Zusammensetzung der Gemeinde, »den Menschenkindern kundgetan« (Eph. 3, 5).  . . .

Aber genau genommen ist das »Christusgeheimnis« von Eph. 3 nicht die Gemeinde an sich, sondern die gleichberechtigte Zugehörigkeit der gläubigen Heiden innerhalb der Gemeinde: »Daß die aus den Nationen mit den Gläubigen aus Israel Miterben seien und Mitleib und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christo Jesu« (Vers 6).

Paulus sagt, er habe dies Geheimnis soeben beschrieben, und schaut damit auf Eph. 2, 13‑19 zurück. Auch dort hatte er von der Unterschiedslosigkeit zwischen Juden und Heiden hinsichtlich der Heilszulassung und der Gleichberechtigung dieser beiden als geistlicher Einheit in dem »e i n e n Leib« Christi, dem »e i n e n neuen Menschen«, gesprochen, so daß nunmehr, nach dem »Abbrechen« des Gesetzes, dieser »Zwischenwand der Umzäunung«, die einst »fernen« Heiden »nahegebracht« sind und, zusammen mit den »Nahen«, den christusgläubigen Israeliten, eine organische Einheit untereinander und mit Christo bilden. Das »Christusmysterium« hier ist also nicht die Existenz des mystischen »Christus« an sich, d. h. die Existenz des Organismus der Ekklesia, auch nicht einmal die organische Einheit der »Glieder« untereinander und mit dem »Haupt«, sondern die unterschiedslose Teilnahme der Heiden an dieser Ekklesia. Es bezieht sich also weniger auf die gläubigen Juden als auf den heidenchristlichen Teil der Ekklesia. Daß die Judenchristen mit dem Erlöser in einem organischen Lebensverhältnis sein würden, hatte Christus selbst schon vorher gesagt mit dem Bild eines »Weinstocks« (Joh. 15, 1). Nicht aber auf das Bild, sondern die übersinnliche, geistliche Realität kommt es an, und diese ist von Christus klar ausgesprochen worden.

Ausgehend von der Stelle Eph. 5, 32 ist gelehrt worden, Paulus bezeichne die Gemeinde selbst als »das große Geheimnis«. Dies ist, genau genommen, jedoch hier nicht der Fall. Das »Geheimnis«, von dem der Apostel hier spricht, ist nicht die Gemeinde, sondern die Liebesbeziehung zwischen der Gemeinde und Christus, die im Verhältnis der Ehe ihr menschliches Abbild hat. »Deswegen wird ein Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein. D i e s e s Geheimnis ist groß. Ich aber sage es in bezug auf Christus u n d die Gemeinde.«  . . .

Und wenn auch in der Gegenwart die Völkerwelt tobt, wenn in Israel das »Geheimnis« der Verstockung« (Röm. 11, 25) und in den Nationen das »Geheimnis der Gesetzlosigkeit« wirkt (2. Thess. 2, 7; Off. 17, 5): Das Ziel ist gewiß: Gott wird einst alles unter ein Haupt zusammenbringen (Eph. 1, 9; 1. Kor. 15, 28). Dies ist das »Geheimnis seines Willens« (Eph. 1, 9), sein einst ewig triumphierendes Endziel (Phil. 2, 10). Bis dahin aber predigen wir den gekreuzigten Christus . . . (2. Kor. 2, 14).  . . .

Der Glaube aber ist der Schlüssel zu all diesen Geheimnissen Gottes. Für ihn sind die »Geheimnisse« keine bloßen Verborgenheiten mehr; denn »der Geist erforscht alles, auch die Tiefen der Gottheit« (1. Kor. 2, 10).

IV. Der Eintritt in die Berufung

Wunderbar ist die Erlösung. Wunderbar ist auch der Eintritt in das Heil. Der Sünder erlebt alle drei Ämter des Erlösers in ihrer eigenen, geschichtlichen Reihenfolge:

Zuerst erlebt er das Prophetische:

1. Die Hinführung zum Heil, die Berufung durch sein Wort und die Erleuchtung durch seinen Geist. »Der Glaube kommt aus der Predigt« (Röm. 10, 17). Der unter der Anklage des aufgerufenen Gewissens erschrockene, unter dem Wort Gottes zusammengebrochene Mensch darf im Evangelium von Christo das Heilsangebot erkennen. Dann kommt das Priesterliche, das Erlebnis von Golgatha.

2. Der Eintritt in das Heil durch Bekehrung und Wiedergeburt. Der Sünder empfängt die Vergebung seiner Schuld auf der Grundlage des priesterlichen Opfers, wird erneuert (Tit. 3, 5) und umgewandelt (1. Kor. 6, 11), und »aus Gott geboren« (1. Joh. 3, 9).

Wiedergeburt ist darum der eigentliche Eintritt in die Erlösung (Tit. 3, 5). Sie ist das Gegenstück zur Menschwerdung Christi, die Mitteilung seines Lebens an uns, die Toten (Kol. 1, 27). Nur in ihr werden wir »neue« Menschen (Eph. 4, 24; Kol. 3, 10).

Aber die Wiedergeburt ist unzertrennbar mit »Bekehrung« verbunden (Apg. 3, 19). Wiedergeburt ist die göttliche, Bekehrung die menschliche Seite desselben Erlebens. Beides erlebt der Mensch gleichzeitig; aber die Bekehrung ist die Bedingung der Wiedergeburt, und die Wiedergeburt ist die göttliche Antwort auf die Bekehrung. Die Bekehrung ist gleichsam die letzte Tat des alten, die Wiedergeburt die erste Erfahrung des neuen Menschen. Für die Bekehrung ist der Mensch verantwortlich; die Wiedergeburt ist Gottes Werk.  . . .

 

Die Buße ist eine Dreieinheit:

im Verstand ‑ Erkenntnis der Sünde,
im Gefühl – Schmerz und Trauer,
im Willen – Sinnesänderung (grch. metanoia) und Umkehr.

Auch der Glaube ist eine Dreieinheit:
im Verstand – das Überzeugtsein von der vollbrachten Erlösung,
im Gefühl ‑ das Vertrauen auf die rettende Liebe,
im Willen ‑ die Hingabe an den persönlichen Heiland.

So ist der Glaube die Hand des Menschen, die die Hand Gottes ergreift, keine Gefühlssteigerung, keine Selbstzerquälung, kein Abbüßen der Schuld, sondern ein persönliches Verhältnis zu Christus (Joh. 6, 29), ein bewußtes Annehmen seiner Gnade.

Erst dann, wenn dies alles vorhanden ist, kann das Erlebnis des königlichen Amtes beginnen:

3. Die Bewahrung und Weiterführung im Heil, die »Heiligung«. Wer »gerechtfertigt« ist, ist noch nicht »fertig gerecht«. Die »Heiligen« Gottes müssen »geheiligt« werden. Der in der Wiedergeburt eingepflanzte »neue« Mensch im Menschen soll als ein Ausgangs‑ und Keimpunkt den ganzen Menschen erobern. Nur so kann der Erlöser die Verklärung vollenden.

Alle Seelen, die diese Heilsordnung erfahren, stehen im »Lebensbuch des Lammes«. Sie sind
zuvorerkannte Menschen ‑ denn das Lebensbuch besteht »seit Grundlegung der Welt« (Off. 13, 8; 2. Mose 32, 32)
bluterkaufte Menschen ‑ denn es ist das Buch des »Lam­mes« (Off. 21, 27)
wiedergeborene Menschen ‑ denn es ist das Buch des »Le­bens« (Off. 20,:15)
glückselige Menschen ‑ denn ihre Namen stehen im Him­mel (Luk. 10, 20)
heilige Menschen ‑ denn alle Eingeschriebenen werden »heilig« heißen (Jes. 4,3)
zeugenfrohe Menschen ‑ denn sie trotzen selbst dem Anti­christ (Phil. 4,3)
siegreiche Menschen ‑ denn sie sind Über‑winder (Off. 3, 5)
verherrlichte Menschen ‑ denn sie gehen ein in die himmli­sche Stadt (Off. 21, 27).

2. Kapitel. DER VÖLKERAPOSTEL

Von besonderer Bedeutung für die Berufung der Gemeinde war Paulus. Er war ‑ kirchengeschichtlich gesehen ‑ bei aller Wertschätzung der anderen, »der Erste nach dem Einen«. Jesus war der »Eine«, der Grundlegende, Unvergleichliche, Unübertreffbare. Paulus war der »Erste«, der Herold, der Hauptbahnbrecher des Evangeliums in den Weiten der Völkerwelt.

I. Seine missionarische Sendung

Vier äußere Kennzeichen sind die besonders charakteristischen Merkmale seiner Missionstätigkeit.

1. Paulus war Heidenmissionar. Das war er in harmonischem Unterschied zu den Aposteln der Beschneidung (Gal. 2, 7‑10; Apg. 15). Ihm war es in besonderer Weise gegeben, »den unausforschlichen Reichtum Christi unter den Nationen zu verkündigen« (Eph. 3, 1; Kol. 1, 25 ‑ 27).

2. Paulus war Pioniermissionar. Als solcher hatte er die Heilsbotschaft in immer neue Länder einzuführen. Darum geht er vornehmlich dahin, wo das Evangelium noch nie vorher bezeugt worden war. Die eigentliche evangelistische Durcharbeitung seiner Missionsgebiete überließ er den neu gewonnenen Gläubigen. Seine Aufgabe bestand darin, Lichtzentren zu schaffen, das heißt, missionarisch gesinnte Ortsgemeinden ‑ meist in den Hauptstädten ‑, die das Licht des Evangeliums hinauszustrahlen hatten in die sie umgebenden Landesteile. War ein solches Zentrum entstanden, so zog Paulus weiter. Dann hatte er, trotz Hunderttausender umwohnender Heiden, in dem betreffenden Land »nicht mehr Raum« (Röm. 15, 23), sondern hatte in ihm »das Evangelium des Christus völlig verkündigt« (Röm. 15, 19). Alles andere war ihm, von dieser seiner besonderen Dienstberufung aus, ein »Bauen auf eines andern Grunde« (Röm. ‑15, 20). Im ganzen ist Paulus über 25 000 Kilometer gereist.

3. Paulus war Großstadtmissionar. Die Mittelpunkte seiner Missionstätigkeit waren die hellenistischen, großen Kulturzentren. Namen wie Antiochia, Troas, Philippi, Thessalonich, Athen, Korinth, Ephesus beweisen dies zur Genüge. Daher auch sein Streben nach Rom, der »Versammlung des Erdkreises«, der Metropole des Weltreichs (Röm. 1, 11; 15, 23).  – Während Jesus, der die meisten seiner Reden unter freiem Himmel zu Bauern und Kleinstadtbewohnern hielt, eine mehr ländliche Bildersprache gebraucht, hat Paulus, der Großstadtmissionar, in ausgesprochenem Maße eine Großstadt-bildersprache. Er will nicht nur ganz allgemein »den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche« sein, sondern auch ganz insbesondere den Großstädtern ein Großstädter.
Jesus spricht mehr von den Vögeln des Himmels, den Lilien auf dem Felde, dem Hirten, dem Sämann, dem Erntefeld, Paulus aber mehr von dem Freispruch des Richters, dem Schuldenerlaß des Gläubigers, der Waffenrüstung des Soldaten, ja, er zieht sogar Vergleiche aus dem Sport‑ und Theaterleben heran (Phil. 3, 14). Alles soll ihm eben helfen, den Großstädtern das Evangelium klarzumachen und ihre Herzen zu erreichen.

Daher seine zentralen Hauptbilderkreise, die alle dem Juristischen entstammen: der Freispruch, der Loskauf, der Schuldenerlaß, die Adoption. Auch für die Weltanschauung, Dichtkunst und Philosophie seiner nichtchristlichen Großstadtumgebung hat er ein offenes Auge (Apg. 17, 16‑29), ja sogar für die örtlichen Besonderheiten an Religion und Kultur. So wie er in Athen zu den Athenern von »ihrem« Altar spricht (Apg. 17, 23), so weist er die Korinther auf die bei Korinth stattfindenden »Isthmischen Spiele« hin (l. Kor. 9, 24‑27). Paulus war eben kein papierner Dogmatiker, kein Büchergelehrter und weltfremder »Theologe«, sondern er war ein für seine Zeit durchaus moderner Mensch, ein Mann aus der Großstadt (Tarsus, Apg. 21, 39).

4. Paulus war Hafenstadtmissionar. Überblickt man aber diese Großstädte genauer und insbesondere ihre geographische Lage und Bedeutung, so erkennt man: In der Hauptsache ist die Welt des Apostels da zu suchen, wo der Seewind weht. Besonders ist es der Ägäische Bezirk, dessen rund herum liegende Hafenstädte von seiner Missionstätigkeit erfaßt wurden. Der Grund war offensichtlich. Hafenstädte waren schneller zu erreichen als tief im Landinneren gelegene Provinzstädte. Auf dem Seewege kam man rascher und zuverlässiger vorwärts. So fuhr man z. B. in vier Tagen von Spanien, in zwei Tagen von Afrika nach Rom‑Ostia (nach Plinius). Zwischen Alexandria und Kleinasien bestand tägliche Schiffsverbindung.

Und in Hafenstädten war die griechische Weltverkehrssprache viel weiter verbreitet als sonst in der Welt. Damit aber fiel für den Bahnbrechermissionar das zeitraubende Hemmnis des Sprachenlernens fort, und der Siegeszug des Evangeliums konnte mehr als doppelt so schnell vorwärtsgehen.

Von Hafenstadtgemeinden konnte sich das Evangelium auch später, nach der Weiterreise des Apostels, viel schneller  ausbreiten als von Gemeinden mehr innergelegener Landbezirke. Durchreisende Kaufleute, Hafenbesucher, Seefahrer und sonstige Reisende, die bei einem solchen Hafenstadtaufenthalt vom Evangelium erfaßt worden waren, konnten, gleichsam ganz von selbst, auf ihrer Weiterreise oder nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland, zu immer neuen Bahnbrechern der Heilsbotschaft in stets neuen Ländern und Gegenden der Welt werden.

5. Die paulinische »Missionsstrategie«. Mit Recht hat man geradezu von einer »Missionsstrategie« des Apostels gesprochen. Alles ist so planmäßig, so grundsätzlich zweckdienlich, so von vornherein auf schnellste und ausgedehnteste Ausbreitung des Evangeliums angelegt, daß man eine zielbewußte Planung, die allen Missionsbewegungen des Apostels zugrunde gelegen haben muß, gar nicht verkennen kann.

Bei dem allen aber war nicht Paulus der Planende, sondern der Herr, dem er diente. Bezeichnend hierfür ist schon das Traumgesicht in Troas, durch das der Apostel, ohne eigenen Antrieb und selbständige Erwägungen, nach Mazedonien und Griechenland gerufen wurde (Apg. 16, 8‑11), so daß nunmehr, nur auf Grund göttlicher Weisung, nicht der Osten, sondern die westliche Völkerwelt zum Hauptschauplatz der Wunder des Evangeliums gemacht wurde. Es konnte aber auch geschehen und ist geschehen, daß Paulus gewisse Reisebewegungen geplant hatte, aber: »der Geist Jesu erlaubte es nicht« (Apg. 16, 6), und Paulus folgte der göttlichen Initiative. So ist es durchaus richtig, von einer Missionsstrategie im Leben des Paulus zu reden; aber der Missionsstratege war nicht Paulus, sondern Christus, der Herr der Mission. Christus war der Führende, Paulus der Ausführende; Christus war der Feldherr, Paulus sein Soldat (2. Tim. 2, 3; 4; 2. Kor. 6, 7; Eph. 6, 10‑20).

Zu diesen mehr äußeren Kennzeichen seiner Missionstätigkeit treten noch innere Wesenszüge seiner Lehrverkündigung.

II. Seine lehrmäßige Botschaft

1. Der heilsgeschichtliche Ausgangspunkt. Im Zentrum der Menschheits-geschichte steht Jesus Christus. Zwar in Israel geboren, war er doch »Heiland der Welt« (Joh. 4, 42). In ihm gelangt die Abrahamsverheißung vom Segen für alle Völker zur Vollendung (1. Mose 12, 3). Der vorübergehend eingeschaltete Nationalismus der alttestamentlichen Offenbarung wird durch Christus und sein Werk zum Universalismus der neutestamentlichen Heilsbotschaft ausgeweitet. Das Kreuz ist, als Erfüllung der alttestamentlichen Opfer, zugleich Abschaffung des Priestertums und des Gesetzes (Hebr. 10, 10‑14) und damit Aufhebung der trennenden »Zwischenwand« zwischen Israel und den Weltvölkern. Jetzt ist das Heil für alle offen.

Diese weltumfassende Bedeutung des Kreuzes trat erst nach Pfingsten geschichtlich klar in die Erscheinung. Das epochemachende Hauptereignis in dieser Entfaltung von Golgatha ist die Sendung des Petrus zu Kornelius in Cäsarea. Darum ist es in der biblischen Geschichtsdarstellung zugleich das am ausführlichsten geschilderte Geschehnis der ganzen Apostelzeit. In den Ereignissen selbst ist eine auffallende Häufung übernatürlicher Geschehnisse: das Gesicht des Kornelius, das dreiteilige Gesicht des Petrus, die Geistesausgießung und die Bewirkung des den Geistesempfang begleitenden Sprachenredens. Dies alles zeigt, welch großes Gewicht in diesen Ereignissen liegt und welche hohe Bedeutung der Geschichtsschreiber in der Ausführlichkeit seiner Darstellung ihnen zuschreibt.

Hier wird zum allerersten Mal ein Vollheide ohne Gesetz und Beschneidung, das heißt, ohne Anschluß an Israel, nur auf Grund seines Glaubens an das vollbrachte Werk Christi, des Heiligen Geistes teilhaftig, getauft und in die Gemeinde aufgenommen. Damit wird das, was auf Golgatha grundsätzlich eingeführt war, zum erstenmal geschichtliche Wirklichkeit. Damit ist die Unterschiedslosigkeit zwischen Juden und Heiden vor Gott ausgesprochen, die Sonderstellung Israels beiseitegesetzt und die Gemeinde statuiert. Das Gesicht des Petrus in Joppe und seine Sendung zu Kornelius in Cäsarea sind also der Beginn eines vollständig neuen Typs des Christentums, nämlich des völkerchristlichen, gesetzesfreien Typs, der nun ebenbürtig zu dem judenchristlichen Urtypus hinzutritt. Damit ist gleichzeitig zum erstenmal die neue Heilsgemeinschaft in dieser übernationalen, heilsgeschichtlich universalen Weite in Erscheinung getreten.
Hier zum erstenmal ist der Grundsatz geschichtlich bestätigt, daß Gott zwischen Juden und Heiden »keinen Unterschied« macht (Apg. 15, 9) Dies beweist der Satz des Lukas: »Die Apostel aber und die Brüder, die in Judäa waren, hörten, daß auch die Nationen das Wort Gottes angenommen hätten« (Apg. 11, 1). Hier zeigt der Ausdruck »die Nationen«, daß man das Ereignis sofort als ein Prinzip im Großen erkannte, das zugleich allen Heiden gelte.  . . .

Darstellung und Erweiterung dieses dem Petrus in klarer Form zum erstenmal geoffenbarten Geheimnisses und der damit zusammenhängenden neu entstandenen heilsgeschichtlichen Grundfragen war der lehrhafte Sonderauftrag des Paulus. Dazu kam noch Hinzufügung weiterer auf das Wesen und die Vollendung dieser Gemeinde sich beziehender Einzeloffenbarungen. …

So war Paulus zwar nicht der erste, dem das Geheimnis der Gemeinde in dieser ihrer neutestamentlichen Zusammensetzung kundgetan ward; dennoch wurde es ihm später noch durch direkte Sonderoffenbarung vom Herrn selbst mitgeteilt (Gal. 1, 11; Eph. 3, 3ff.). Dies war notwendig um der Selbständigkeit seines Dienstes willen und der Autorität seines Heidenapostolats. Dann aber hat er, unter der Leitung des Geistes, diese neue, große Wahrheit viel weiter und tiefgehender beschrieben als alle anderen vor oder nach ihm und ist in diesem Sinne nicht nur der Hauptherold Jesu Christi für die Völkerwelt, sondern zugleich auch der Hauptlehrer und Prophet für die Gemeinde geworden.

2. Die Zentralwahrheiten der Paulusbriefe. Im Mittelpunkt der paulinischen Botschaft steht Jesus Christus, und zwar er als der gekreuzigte und auferstandene Heiland. Sein Sühnwerk am Kreuz bringt die Tilgung unserer Sünden. Sein Leben in der Herrlichkeit ist die Kraftquelle unserer Hei­ligung. Seine »Ankunft« (Parusie) und »Erscheinung« (Epiphanie) ist das Ziel unserer Erwartung. Durch »Buße« und »Glau­ben« tritt der Sünder in seine Gemeinschaft, wird geistlich »auferweckt« und »lebendig gemacht«. Die Geschichte seines Heilands ist nun seine eigene Geschichte. Er ist »mitgekreuzigt«, »mitbegraben«, »mitauferstanden« und »mit ihm ins Himmlische versetzt« (Röm. 6; Eph. 2). So ist der erlöste Erdenmensch »im Himmel« (Phil. 3, 20) Ein Christ ist ein »Mensch in Christo« (2. Kor. 12,2).

Das Kreuz ist für Paulus also keine bloße Geschichtstatsache der Vergangenheit, sondern stets schaut er das Kreuz mit der Auferstehung zusammen. Ohne die Auferstehung ist das Kreuz für ihn kraftlos und leer, ja, Zusammenbruch und Niedergang, ja, katastrophalste Tragödie (1. Kor. 15, 14‑19). Nie hat er behauptet, daß er nur das »Kreuz« verkündige, wohl aber, daß er »den Gekreuzigten« bringe. Ihn aber dann allerdings auch ganz allein: nicht ein Ereignis, sondern eine Person, nicht rein Vergangenes, sondern einen ewig Gegenwärtigen, eben Christus, den Erhöhten, der auch in der Herrlichkeit ewig mit seiner Kreuzeserfahrung zusammengeschaut wird (vgl. Off. 5, 6).

Das ist paulinische Kreuzestheologie. Sie bewegt sich auf dem Boden der Auferstehung. Karfreitag wird im Sonnenglanz des Ostermorgens geschaut.

Diese Sonne strahlt dann in alle Welt. »Wenn ich erhöht sein werde, will ich sie alle zu mir ziehen« (Joh. 12, 32), hat Christus selber gesagt, das heißt »Juden und Heiden, ohne Unterschied der Nation«. Damit ist die Tür geöffnet für die Weltmission des Evangeliums.

Zum erstenmal tritt dies in offensichtlicher Form im Haus des Vollheiden Kornelius geschichtlich zu Tage. Das trennende Gesetz ist, als erfüllt, beiseitegetan.

Grundsätzlich ist also im Erlösungswerk Christi und der zu den Vorgängen im Haus des Kornelius führenden Petrusoffenbarung die Aufhebung der Beschneidung und des Gesetzes enthalten. Wenn aber seit Apostelgeschichte 10 Gesetz und Beschneidung tatsächlich nicht mehr Bedingung zum Eintritt in das Heil und die Heilsgemeinschaft sind, so entstand ganz von selbst die große Frage: »Wozu nun das Gesetz?«
Da ist es Paulus gewesen, der dies Problem behandelt und lehrhaft aufgeklärt hat: Das Gesetz ist als Aufdecker der Sünde (Röm. 3, 20; 7, 7) ein »Zuchtmeister auf Christus« hin (Gal. 3, 24), indem es dem Sünder seine Schlechtigkeit und Ohnmacht und damit die Notwendigkeit eines göttlichen Erlösers zeigt. Mit Seinem Erscheinen kann es darum verschwinden, und so folgt aus dem alttestamentlichen Zweck des Gesetzes die neutestamentliche Gesetzesfreiheit. Christus ist, als das »Ziel« des Gesetzes, zugleich auch sein »Ende« (Röm. 10, 4). Dies ist das Grundthema der Kernstücke des Römer- und Galaterbriefes, besonders Römer 1 bis 8, und Galater 2 ‑ 4.

Ferner lag in der praktischen Gleichberechtigung der Hei­denseit Apostelgeschichte 10 die tatsächliche Beiseitesetzung Israels als Nation. Von nun an hatten die Juden keine heilsgeschichtliche Vorrangstellung mehr, und die Frage mußte sich notwendig ergeben: »Hat Gott denn sein Volk nun verstoßen?« Auch dies ist von Paulus behandelt worden, und zwar in jenem heilsgeschichtlichen Mittelstück des Römerbriefes (Römer 9 – 11), das uns in so einzigartiger Weise in Gottes Weltregierungspläne hineinschauen läßt.

Gottes Handeln ist frei; darum hat Israel kein Recht, etwas von ihm zu erzwingen (Röm. 9).
Gottes Handeln ist gerecht; darum muß sich Israel wegen seiner Schuld unter sein Gericht beugen (Röm. 10).
Gottes Handeln ist segenbringend; darum verwandelt er Israels Fall in Segen für die Welt und einst in volles Heil für es selber. Er wird sein Volk wieder annehmen.

Und wenn weiter grundsätzlich durch Golgatha und praktisch in Apostelgeschichte 10 alle menschlichen religiösen Leistungen als Voraussetzung für das Heilserleben ausgeschaltet waren, so daß ein Vollheide ohne vorangegangene, offenbarungsgemäß geordnete Gottesverehrung, allein durch den Glauben an Christus, zum Heil und zur Gemeinde gelangen konnte, so war damit zugleich die Frage nach dem Wert alles mensch­lichen, religiösen Tuns überhaupt, aufgerollt.
Und auch hier war es Paulus, der die Antwort gegeben hat. Dies geschieht in seiner Lehre von der freien Gnade, von der Rechtfertigung ohne Gesetzeswerke, nur auf Grund des Opfers Christi, allein durch den Glauben. Dies ist das Herz und das Zentrum der ganzen paulinischen Botschaft, das große Generalthema im Römer‑ und Galaterbrief. »So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben« (Röm. 3, 28).

Die Art der Behandlung dieser Frage ist bei ihm mitbestimmt durch seine grundsätzliche Stellung zum religiösen Judentum. Daher der scheinbare Widerspruch zu Jakobus (Röm. 3, 28 vgl. Jak. 2, 24). In Wirklichkeit handelt es sich nicht um einen Widerspruch, sondern einen harmonischen Gegensatz. Dieser erklärt sich durch den Entwicklungsgang und die vorangegangene Lebensführung beider Apostel. Paulus, der ehemalige, werkgerechte Pharisäer, sieht das Werk und die Lehre Christi in ihrem großen Gegensatz zum Pharisäismus, das heißt, zum falschen J u d e n t u m.

Jakobus dagegen, der Bruder des Herrn (Gal. 1, 19), also großgeworden im engsten Kreis der Familie Jesu, das heißt, in einer Umgebung von echten Israeliten ohne Falsch, im Kreis des messiasgläubigen, getreuen »Überrests«, stellt das Werk und die Lehre Christi dar als die Vollendung des wahren Judentums. Daher betont Paulus bei der Rechtfertigungslehre ihre Freiheit von allen toten, gesetzlichen Werken; Jakobus dagegen hebt hervor, daß wahre Rechtfertigung zugleich neues Leben ist und sich daher durch lebendige Werke offenbart. Paulus schaut also verneinend den Gegensatz zum falschen Judentum; Jakobus betont bejahend die Verbindung mit dem wahren Judentum.
Daher spricht Paulus von der Freiheit vom Gesetz, Jakobus dagegen vom «Gesetz der Freiheit« (Jak. 1, 25; 2, 12). Aber im Tiefsten betreiben beide dieselbe Wahrheit. Auch Paulus betont die Notwendigkeit der Glaubenswerke (Gal. 5, 6; Tit. 2, 7; 3, 1; 1. Kor. 7, 19). Überhaupt, was Paulus bekämpft, ist nicht so sehr die Ausübung alttestamentarischer Gesetzeseinrichtungen an sich, als vielmehr das falsche Motiv dabei. Nur dann bekämpft er Beschneidung, Sabbatfeier usw., wenn man darin Rechtfertigungs- oder Heiligungsmittel erblickt, also in den pharisäischen M i ß b r a u c h des Gesetzes fällt (Gal. 5, 2; Kol. 2, 16ff. vgl. 1. Tim. 1,8). Sonst stellt der Apostel die Sabbatfeier frei (Röm. 14, 5), ja kann sogar selber die Beschneidung ausüben (eben als jüdische, nationale S i t t e, Apg. 16, 3) und mosaische Opfergesetze auf sich nehmen (Apg. 21, 26; 18,18), wenn es gilt, damit ein Seelengewinnungsmittel zu schaffen (»um der Juden willen«, Apg. 16, 3; 21, 24b; 1. Kor. 9, 20).

Und schließlich: Wenn diese beiden, die Juden und die Hei­den, in gleichberechtigte Heilsgemeinschaft hineingestellt waren, so entstand notwendig die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander und ihrem gemeinsamen Verhältnis zu ihrem gemeinsamen Erlöser. Und auch hierin ist Paulus der Hauptlehrer der Gemeinde. Er beschreibt diese Gemeinschaft unter dem Bilde eines Leibes: Christus ist das »Haupt« und die Erlösten seine »Glieder«. Hierbei ist Paulus der einzige Schreiber des Neuen Testaments, der dies Bild vom»Leib Christi« gebraucht. Er tut dies am ausführlichsten im Epheser- und Kolosserbrief, aber auch im ersten Brief an die Korinther.

So ergeben sich aus Golgatha und der Petrusoffenbarung in Joppe vier neue, große heilsgeschichtliche Grundfragen:

die Frage nach dem Zweck des Gesetzes,
der Beiseitesetzung und Hoffnung Israels,
der Rechtfertigung ohne Gesetzeswerke und
der organischen Einheit der neuen Heilsgemeinschaft,

und in allen diesen Fragen ist Paulus der eigentliche Lehrer der Gemeinde gewesen.

Die Krönung findet dies noch durch das Letzte. Dem Mann, dem in besonderer Weise die Deutung des Anfangs der neutestamentlichen Gemeinde gegeben war, wird nun auch die Schau in ihrer Vollendung geschenkt. Das gehört mit zur göttlichen Logik. So wird Paulus der Prophet von der Hoffnung der Gemeinde:

Die Auferstehung der Gläubigen,
die Entrückung der Gemeinde,
der Richterstuhl Christi,
die Verklärung der Seinen,
ihre kommende Geistleiblichkeit

‑ das sind alles Grundfragen der christlichen Hoffnung, über die wir bei keinem anderen neutestamentlichen Schreiber so deutliche und ausführliche Belehrung empfangen, wie wiederum gerade bei Paulus. Das ist die Hauptbotschaft der beiden THESSALONICHERBRIEFE und des Auferstehungskapitels 1. KORINTHER 15.

Durch dies alles wird Paulus der Prophet der Heilsgeschichte.

In Jahrtausende umfassender Völker und Zeiten umspannender Schau überblickt er Äonen und Ökonomien. Er spricht von den Anfängen der heiligen Geschichte, von Adam, dem Stammvater der Menschheit, dem Gegenstück zu Christus (Röm. 5). Er spricht von der Zeit der Patriarchen, von Abraham, dem Vater und Urbild der Gläubigen (Röm, 4). Er deutet den Sinn der mosaischen Haushaltung, die anderthalb Jahrtausende des alttestamentlichen Gesetzes (Röm. 7; Gal. 3). Er spricht von der »Fülle der Zeit«, in der Christus erschien (Gal. 4, 4), von seinem Kreuz, seiner Auferstehung, seiner Himmelfahrt und Erhöhung (Eph. 1, 20). Er lehrt die Grundsätze der Gemeinde, ihre Berufung und Stellung, die Verherrlichung der Erlösten und ihr Offenbarwerden vor Christus (2. Kor. 5, 10). Er weissagt das Kommen des Antichristen, sein Wesen und seine Macht, seinen Sieg und seinen Sturz (2. Thess. 2). Und er erwartet das Erscheinen des Herrn und die Aufrichtung seines Reiches (2. Thess. 2, 8; 1. Thess. 2, 12). Über dies alles aber geht schließlich sein Blick hinaus in die Ewigkeit, zum Jerusalem droben (Gal. 4, 26), zum Kommen der letzten Vollendung, zum Anbruch des Tages Gottes, »wo auch der Sohn selbst dem unterworfen sein wird, der ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles sei in allem« (1. Kor. 15, 28).

In dem Ganzen aber ist ihm Christus die strahlende Zentralsonne. Nur »in« Ihm, dem Lebendigen, sind alle Lebensquellen offen. Das kleine Wörtchen »in Christo«, das in seinen Briefen über 160 mal vorkommt, ist geradezu das Schlüssel- und Kernwort seiner ganzen Heilserfahrung und Lehrverkündigung. Nur für Ihn will er leben. Nur ihn will er bezeugen, nur Ihn als die größte Gottesgabe der Völkerwelt verkünden. Das ist seine Sendung. Als solcher ist er der Lehrer der Nationen, der Hauptapostel der Gemeinde, der Prophet der Heilsgeschichte, der Herold Jesu Christi, der Bannerträger des kommenden Königs.

II. Die Stellung der Gemeinde

1. Kapitel. DER GNADENHAUSHALT GOTTES

Vom hohen Stand der Ekklesia wollen wir reden. »Durch Herrlichkeit und Vollkommenheit berufen«, hat sie die »größten« Verheißungen in Besitz (2. Petr. 1, 3; 4). Gerade in dem »jetzigen« Zeitalter wird der »unausforschliche« Reichtum Christi verkündigt (Eph. 3, 8).

Zu »vielgestaltig« (Eph. 3, 10) sind die »himmlischen Segnungen« der Gemeinde (Eph. 1, 3), als daß sie durch eine einzige Beschreibung ausgedrückt werden könnten. Daher gebraucht der Geist Gottes die verschiedensten Bilder und Vergleiche, um so, wie durch ein Prisma, den Sonnenglanz ihres Ewigkeitslichtes in seine Einzelstrahlen zu zerlegen.

Zu allen drei Überpersonen des göttlichen Wesens steht die Gemeinde in Beziehung, zum Vater, zum Sohn und zum heiligen Geist. In ihrer Beziehung zu Gott ist sie ein »Haushalt«. Gott ist der »Vater« (Gal. 4, 6), und die Erlösten sind seine »Hausgenossen« (Gal. 6, 10). In ihren Pflichten sind sie seine »Sklaven« (1. Petr. 2, 16), in ihren Vorrechten seine »Söhne« (Röm. 8, 14)­

I. Die Sklavenstellung der Erlösten

Durch das Blut Jesu Christi »für Gott erkauft« (Off. 5, 9), nicht mit Silber oder Gold (1. Petr. 1, 18), sondern »um den Preis« seines Lebens (1. Kor. 6, 20), das »Lösegeld« von Golgatha (Matth. 20, 28; 1. Tim. 2, 6), sind die Erlösten nicht mehr ihrer selbst (1. Kor. 6, 19), sondern Sklaven Gottes (Röm. 6, 22) und Christi (Eph. 6, 6). Sie sind ewig sein Besitz (Tit. 2, 14), seine Werkzeuge, die er gebraucht.

II. Die Sohnesstellung der Erlösten

Aber noch höher geht Gottes Ratschluß des Heils. Die aus der Sklaverei der Sünde Befreiten sollen nicht nur seine Diener sein, die, vom Verderben erlöst, nun Täter seines Wohlgefallens sind; sondern er will sie zur Anteilnahme an ihm selber gelangen lassen, zum Teilhaftigwerden seiner göttlichen Natur (2. Petr. 1, 4). Sie sollen Kinder (Römer 8, 21), und Söhne (Hebr. 12, 23) sein.

1. »Kinder«. Dies und nichts Geringeres ist es, was die Heilige Schrift meint, wenn sie immer wieder von dem Geborensein der Erlösten aus Gott spricht; denn die Erhebung der Begnadigten in die Sohnesstellung ist nicht nur eine formelle Zu‑Söhnen‑Erklärung, eine rechtliche Erhöhung und Ernennung, gewissermaßen eine juristische Adoption, sondern eine tatsächliche Zeugung (Jak. 1, 18), ein wirkliches Umgeborenwerden, ein organisches Geborensein aus Gott (Joh. 3, 3; 1. Petr. 1, 23; Joh. 2, 29). »Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater bewiesen, daß wir Kinder Gottes heißen sollen! Und wir sind es auch!« (l. Joh. 3, 1)

2. »Söhne«. Als solche aber sind sie zugleich »mündig«. Gerade dies ist der Hauptunterschied zur alttestamentlichen Zeit. Denn wohl war die »Sohnschaft« schon ein israelitisches Gut (Röm. 9, 4; 5. Mose 14, 1). Gerade Israel war, offenbarungsgeschichtlich, Gottes »erstgeborener Sohn« unter den Völkern (2. Mose 4, 22) Aber sie war damals noch im Zustande der Unmündigkeit und unterschied sich in nichts von der Stellung eines Sklaven. Das Gläubigwerden bedeutet für einen Israeliten sein Selbständigwerden vom »Erzieher«, das heißt seine Freiheit vom Gesetz (Gal. 4, 1‑5); und da nun in der Gemeinde zwischen Juden und Heiden »kein Unterschied« mehr besteht, sind auch die Gläubigen aus den Nationen derselben Freiheit teilhaftig.

2. Kapitel. DER UNAUSFOPSCHLICHE REICHTUM CHRISTI

Unendlich mannigfaltig sind die Beziehungen zwischen Christus und seiner Gemeinde, besonders

1. Lehren und Lernen (Jüngerschaft, Schule),
2. Führen und Folgen (Herde),
3. Herrschen und Gehorchen (Staatswesen, Volk),
4. Lieben und Wiederlieben (Braut, Weib),
5. Beleben und Belebtsein (Weinstock, Leib),
6. Gründen und Aufbauen (geistliches Haus),
7. Segnen und ein Segen sein (Priestertum, Tempel).

I. Lehren und Lernen

Christus ist der Meister, und wir sind seine Schüler (Matth. 23, 8). Er sagt: »Lernet von mir« (Eph. 4, 20). Die Gemeinde ist eine Schule, eine Jüngerschaft.

II. Führen und Folgen

Christus ist der Hirt, und wir sind seine Herde. Aus der israelitischen »Hürde« und den Hürden der Weltkultur hat er die Seinen zu »einer« Herde zusammengebracht (Joh. 10, 16).

Als der »gute« Hirte läßt er sein Leben für seine Schafe (Joh. 10, 12) und als der »große« Hirte ist er der Auferstandene, kraft des Blutes des ewigen Bundes (Hebr. 13, 20)

III. Herrschen und Gehorchen

Christus ist der HErr, und wir sind seine »Diener«. Die Erlösten sind ein »Volk«. Die Gemeinde ist ein Staatswesen. Ihr »Bürgertum« ist im Himmel (Phil. 3, 20). Das »Reich Gottes« soll sie offenbar machen (Röm. 14, 17). Darum predigt sie das »Reich« (Apg. 20, 25; 28, 31)­.

Zum Reich gehört ein Gesetz, zum »Reich des Sohnes« das »Gesetz Christi« (Gal. 6, 2). Darum ist »Glauben« zugleich »Gehorchen«, und »Vertrauen« ist zugleich »Treue«. Gerade Paulus, der Apostel der Freiheit, spricht vom »Halten der Gebote« (1. Kor. 7, 19). Unglaube ist ihm dasselbe wie »Ungehorsam«. Die Bekehrung ist ihm ein Gehorsams‑ und Unterwerfungsakt (Apg. 26, 19), die Evangeliumsverkündigung ein Buße‑Gebieten (Apg. 17, 30)! Vom »Gesetz der Sünde und des Todes« erlöst (Röm. 8, 1) und auch vom mosaischen Gesetz frei (Röm. 3, 21), ist der Gläubige nun nicht etwa »ohne Gesetz« (Gal. 5, 13), sondern »Christo gesetzmäßig unterworfen« (1. Kor. 9, 21). Er hat das »Gesetz Christi« zu erfüllen und im »Glaubensgehorsam« zu wandeln.

Dieses neutestamentliche »Gesetz« ist

seinem Ursprung nach ‑ Gesetz »Christi« (Gal. 6, 2),
seinem Wesen nach ‑ Gesetz der »Freiheit« (Jak. 1, 25),
seinem Inhalt nach ‑ Gesetz der »Liebe« (Röm. 13, 8-10)
seiner Kraft nach ‑ Gesetz des »Geistes« (Röm. 8, 2),
seinem Wert nach ‑ das »vollkommene Gesetz« (Jak. 1, 25),
seiner Würde nach ‑ das »königliche Gesetz« (Jak. 2, 8).

Im Alten Testament stand der Mensch dem Gesetz Gottes als natürlicher Mensch gegenüber; er war »im Fleische«; daher die Kraftlosigkeit des Gesetzes (Röm. 8, 3. Im Neuen Bund aber ist er ein neuer Mensch; er ist »im Geiste«; daher sein Sieg (Röm. 8, 1‑4).

Im Alten Bund trat das Gesetz an den Menschen von außen heran, auf »steinernen Tafeln«, als Buchstabe, der da tötet (2. Kor. 3, 3). Im Neuen Bund ist es ihm in den Sinn gegeben (Hebr. 8, 10), geschrieben auf »fleischer­ne Tafel des Herzens und mit dem Geist des lebendigen Gottes«. So ist die Gemeinde ein wunderbares Volk, eine »heilige Nation« (1. Petr. 2, 9):

ihr Gebieter ist ‑ der HErr Christus (Jud. 4),
ihr Gesetz ‑ sein Wille (Gal. 6, 2),
ihr Reichtum ‑ seine Herrlichkeit (Eph. 3, ‑16),
ihr Ruhm ‑ seine Ehre (1. Kor. 1, 31),
ihre Volksgemeinschaft ‑ seine Liebe (Joh. 13, 34),
ihr Gebiet ‑ die ganze Erde (Röm. 10, 18),
ihre Hauptstadt  ‑ das himmlische Jerusalem (Gal. 4, 26).

IV. Lieben und Wiederlieben

Christus ist der Bräutigam, und die Gemeinde ist seine Braut (2. Kor. 11, 2). Christus ist der Eheherr, und sie ist sein Weib (Eph. 5, 31). Als Braut hat sie die reine und wartende Liebe, als Weib die besitzende und genießende Liebe. Wie Eva aus Adam war, als dieser von Gott in tiefen Schlaf versenkt worden war (1. Mose 2, 21; 1. Kor. 11, 8), so kommt die Gemeinde von Christus her, der als der Auferstandene den Todesschlaf überwunden hat.

Darum bezieht Paulus das Begrüßungswort des ersten Adam auf Christus, den letzten Adam, und sagt: »Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein« (vgl. 1. Mose 2, 23) »Um deswillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seinem Weibe anhangen und werden die zwei ein Fleisch sein (vgl. 1. Mose 2, 24!). Das Geheimnis ist groß. Ich aber sage es in bezug auf Christus und die Gemeinde« (Eph. 5, 30‑32).

Wie wenn ein orientalischer Fürst auf dem Sklavenmarkt ein Sklavenmädchen sieht und, von plötzlicher Liebe entflammt, sie um teuren Preis kauft, um sie dann reinigen und in Prachtgewänder einhüllen zu lassen (Esther 2, 3) und sie zuletzt als sein Weib auf den königlichen Thron zu erheben: also auch Christus und die Gemeinde. Er hat sie »geliebt«, sie, die einstige Sklavin der Sünde, hat sich dann selbst für sie als Kaufpreis »dahingegeben«, »reinigt« sie nun durch die Waschung mit Wasser durch das Wort und wird sie dereinst »sich selbst verherrlicht darstellen«, ohne Flecken und Runzeln, das heißt in Heiligkeit und ewiger Jugendschönheit (Eph. 5, 25‑27). So haben wir im Bilde der Ehe das ganze Werk Christi für seine Gemeinde:

ihre Erwählung ‑ durch seine Liebe (Eph. 5, 25a),
ihre Erlösung ‑ durch seine Hingabe (Eph. 5, 25b),
ihre Heiligung ‑ durch seine Herrschaft (Eph. 5, 26; 24; 33),
ihre Verherrlichung ‑ durch seine Wiederkunft (Eph. 5, 27).

Wie schon Augustinus sagt: »Wen Gott verordnet hat vorder Welt, den hat er auch berufen von der Welt, gerechtfertigt in der Welt und wird ihn verherrlichen nach der Welt«.

V. Einheit des Lebens

Der Urgrund von allem aber ist die organische Lebensgemeinschaft der Gemeinde mit Christus. Schon im Bilde der Ehe deutet sie sich an: »Die zwei werden ein Fleisch sein … ; ich aber sage es in bezug auf Christus und die Gemeinde«. Auch hier hat das Neue Testament eine reichhaltige Bildersprache:

Christus ist der »Weinstock« und wir sind die Reben (Joh. 15, 1‑5). Christus ist das »Haupt«, und wir sind die Glieder (Eph. 1, 22). Die Gemeinde ist ein Baum, »gewurzelt« in ihm (Kol. 2, 7). Der einzelne ist eine Pflanze (1. Kor. 3, 6‑9), mit ihm »zusammengepflanzt« (Röm. 6, 5). Sie alle sind »in Christo«.

A. Die Beziehungen der Glieder zum Haupt

Das wichtigste Bild ist das des Leibes. Es wird ausschließlich von Paulus gebraucht. Es stellt, wie kein anderes, die Segnungen der Christusgemeinschaft dar:

1. Zugehörigkeit zu Christo: Die Gemeinde ist »sein« Leib (Eph. 1, 23).

2. Abhängiger Dienst: In einem Leibe regiert nur ein Wille, und das Haupt ist der Wille des Leibes (Kol. 1, 18).

3. Unmittelbare Gemeinschaft: Das einzelne Glied steht in direkter Beziehung zum Haupt. Kein Mensch oder Engel steht dazwischen (1. Tim. 2, 5; Kol. 2, 18). Darum gilt es, in allem das Haupt »festzuhalten« (Kol. 2, 19).

4. Liebe und Pflege: »Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er nährt und pflegt es, gleichwie auch Christus die Gemeinde« (Eph. 5, 29). »Er ist des Leibes Heiland« (Eph. 5, 23).

5. Belebung und Aufbau: Das Haupt ist für den Leib die Quelle der Selbstauferbauung. Schon im irdischen Leib ist die Seele das leibbildende Element (Phrenologie). So wächst auch der Leib Christi »aus« dem Haupt heraus sein gottgeordnetes Wachstum (Kol. 2, 19).

6. »Fülle« des Hauptes: Nicht als göttliche Person, wohl aber als »letzter Adam« wäre Christus nicht »vollständig« ohne seinen »Leib«; das Weizenkorn ohne die Frucht wäre »allein« (Joh. 12, 24). Ein Erlöser ohne Erlöste wäre kein »Erlöser« mehr. So ist die Gemeinde »die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt«, das heißt »die volle Ausgestaltung von Ihm, der alles in allem zu voller Ausgestaltung bringt« (Eph. 1, 23). Durch dies alles ist die Gemeinde

7. Das Offenbarungsmittel des Christuslebens. Schon im irdischen Leben ist der Leib das Kundgebungsorgan des Geistes. So soll auch im Geistlichen durch die Gemeinde die gar mannigfaltige Weisheit Gottes kundgemacht werden (Eph. 3, 10). Das erhöhte »Haupt« setzt durch seinen »Leib« sein heiliges Leben hier unten fort. Die Gemeinde ist»der Lebensraum Gottes in der Geschichte«, die Fortsetzung der Menschwerdung Christi auf Erden. Sie lebt durch den Geist sein Leben hier unten weiter. Sie ist nicht nur »in Christo«, sondern Christus ist auch »in« ihr (Kol. 1, 27). Er gewinnt in ihr Gestalt (Gal. 4, 19), drückt sein Wesen in ihr aus, und das Haupt offenbart sich durch seine Glieder.

B. Die Beziehungen der Glieder untereinander

Auch hinsichtlich der Christengemeinschaft ist der »Leib« das vielsagendste Bild. (Siehe 1. Kor. 12). Die Erlösten sind eine

1. Einheit, viel tiefer als alle Volks‑ und viel weltweiter als alle Völkergemeinschaft (Gal. 6, 10). Sie sahen sich nie, und sie kennen sich doch (2. Kor. 6, 9); sie sind sich ganz fremd, und ‑ lieben sich! (Kol. 2, 1). Denn »gleichwie der Leib einer ist, obwohl er viele Glieder hat, also auch der Christus« (1. Kor. 12, 12). Er ist ein Organismus und keine Organisation, eine Schöpfung Gottes und kein Werk der Menschen. Christus, das Haupt, ist die Einheit des Leibes; sein Leib ist der »eine neue Mensch« (Eph. 2, 15).

Die Einheit der Gemeinde ist eine dreifache:

Die Einheit des Geistes »ist« da. Sie ist eine fertige Tatsache, die wir haben durch den Glauben (Eph. 4, 3);
die Einheit der Gesinnung »soll« da sein; sie ist unsere Pflicht, die wir erfüllen durch die Liebe (Phil. 1, 27; 2, 1‑4).
die Einheit der Erkenntnis »wird« da sein. Sie ist unser Ziel, ein Teil unserer Hoffnung (Eph. 4, 13)
Die Einheit des Lebens ist die »Grundlage«, die zurückschaut auf die Vergangenheit, das Werk von Golgatha;
die Einheit der Erkenntnis ist das, was wir haben werden, das »volle Maß« (Eph. 4, 13), das erreicht sein wird in der Zukunft.

Für die Gegenwart aber gilt das Wort Augustins: »Im Notwendigen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem Liebe.«

2. Mannigfaltigkeit. »Auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? So er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch?« (1. Kor. 12). Wie auf dem Brustschild des Hohenpriesters zwölf verschiedene Edelsteine glänzten, als Darstellungen der zwölf Stämme Israels (2. Mose 28, 15), so werden auch die Glieder des neuen Bundes auf der Brust des melchisedekschen Hohenpriesters getragen: Sie sind alle verschieden; aber sie alle leuchten. Und die Einheit ihres Lichtes ist die Einheit der Sonne.

3. Gegenseitige Abhängigkeit. Jeder einzelne ist einseitig. Darum brauchen sie sich alle. »Es kann nicht das Auge zu der Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht; oder das Haupt zu den Füßen: Ich bedarf euer nicht« (1. Kor. 12, 21). Nein, sie sind alle aufeinander angewiesen, auch der Größte auf den Kleinsten, und gerade die Geringsten hat Gott mit besonderer Ehre bedacht, »damit die Glieder einträchtig füreinander sorgen« (1. Kor. 12, 22 ‑ 25).

4. Gegenseitiges Mitgefühl. »So ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit, und so ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder mit« (1. Kor. 12, 26).

5. Gemeinsamer Dienst. Jedes Glied dient dem anderen und sie alle der Gesamtheit; und so wird der ganze Leib »durch die Gelenke und Bänder versorgt« (Kol. 2, 19) und »zusammengehalten mit Hilfe aller Gelenke, die ihren Dienst verrichten nach der besonderen Tätigkeit, die jedem Gliede zugewiesen ist« (Eph. 4, 16). Alle Glieder haben Aufgaben. Nicht ein einziges darf abseits stehen. Reichsgottesgemeinschaft ist Arbeitsgemeinschaft. Nur dadurch wird sie auch Siegesgemeinschaft.

6. Gemeinschaftliches Wachstum. Dies alles aber, »bis daß wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollkommenen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses in der Fülle Christi« (Eph. 4, 13).

VI. Gründen und Aufbauen

Mit dem Bild des »Leibes« ist in der Schrift eng das Bild des »Hausbaues« verbunden. Beide Bilder werden sogar ineinander verwoben: Das Haus »wächst« (Eph. 2, 21); der Leib wird »gebaut« (Eph. 4, 12).

Christus ist der »Eckstein«, und wir sind der Aufbau (1. Petr. 2, 6). Die Gemeinde ist ein Gotteshaus, ein Tempel. Dies Bild gilt in dreifacher Weise, in bezug auf die Gesamtgemeinde (Eph. 2, 2‑1; 22; 1. Petr. 2, 4; 5), die Ortsgemeinde (1. Kor. 3, 16; 17; 1. Tim. 3, :15), den Einzelchrist (1. Kor. 6, 19; Kol. 1, 27; Eph. 3, 17).

1. Die Grundlage ist der HErr selbst. Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist (1. Kor. 3).

Von ihm spricht das Zeugnis der ersten Generation. Darum ist alles, was darauf folgt, »aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten« (Eph. 2, 20). Die Wahrheit des Petrusbekenntnisses ist der Felsengrund der Gemeinde: die übergeschichtliche Gottessohnschaft und die heilsgeschichtliche Messiasschaft Jesu von Nazareth. »Du bist der Christus (der Messias), der Sohn des lebendigen Gottes!« ‑ »Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen« (Matth. 16, 16 ‑ 18).

2. Die Steine. Sie kommen aus zwei »Steinbrüchen«, den Juden und Heiden (Eph. 2, 11), und werden zu einem heiligen Tempel »zusammengefügt« (Eph. 2, 21). Sie kommen als tote Steine zu ihm, dem Lebendigen, und werden durch den Geist seines Lebens lebendig gemacht (1. Petr. 2, 4)

3. Der Zweck dieses Hauses ist, ein »Tempel« zu sein. Es ist ein »geistliches« Haus (1. Petr. 2, 5), und die »Steine« in der Wand sind zugleich »Priester« am Altar (1. Petr. 2, 5; Hebr. 13, 10), und die Führer sind »Säulen« in dem Tempel ihres Gottes (Gal. 2, 9; Off. 3, 12).

Damit ist zugleich das Letzte gesagt: Die Gemeinde ist ein Priestertum.

VII. Segnen und ein Segen sein

Christus ist der Hohepriester, und wir sind die Priester (Hebr. 8, 1; Off. 1, 6). Die Gemeinde ist ein »heiliges« Volk (1. Petr. 2, 9). Als Priester haben ihre Glieder einen vierfachen Dienst:

1. Sie opfern.

Ihr Leben ist. ‑ ein Schlachtopfer (Röm. 12,1),
Ihre Hingabe ‑ ein Brandopfer (Mark. 12, 33),
Ihr Dienst ‑ ein Trankopfer (2. Tim. 4, 6; Phil 2, 17),
Ihre Taten ‑ geistliche Opfer (1. Petr. 2, 5; Hebr. 13, 16),
Ihre Gebete ‑ ein Rauchopfer (Ps. 141, 2; Off. 8, 3; 4),
Ihre Anbetung ‑ ein Lobopfer (Hebr. 13, 15).

2. Sie beten. Sie beten für andere; sie »danksagen« für andere (1. Tim. 2, 1); im stillen Kämmerlein umspannen sie die ganze Welt, und im Himmel vertritt sie der Geist mit unaussprechlichem Seufzen und verleiht ihren Gebeten gottgemäße Kraft (Röm. 8, 26).

3. Sie zeugen. »Die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren, und das Gesetz sucht man aus seinem Munde; denn er ist ein Bote des HErrn« (Mal. 2, 7)

4. Sie segnen: »Rede zu Aaron und zu seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr die Kinder Israel segnen … Sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, und ich will sie segnen« (4. Mose 6, 23‑27). »Segnen« heißt also, »den Namen Gottes auf jemand legen«. Nur der ist ein Segen, der andere Menschen durch Wort und Wandel mit Gott in Berührung bringt.

Im Neuen Bund aber gibt es ein allgemeines Priestertum (1. Petr. 2, 9; Off. 1, 6). Sie alle genießen den Priesteranteil am Altar (Hebr. 13, 10). Sie sind alle, was Israel sein sollte, »ein Königreich von Priestern« (2. Mose 19, 6), und so kann auch im Kleinsten von ihnen die Verheißung erfüllt werden: »Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein« (1. Mose 12, 2).

3. Kapitel. DIE »NEUE« GOTTESSTIFTUNG

Alle Segnungen der Gemeinde, zusammengenommen, bilden den Höhepunkt des Heilsinhalts des »Neuen Bundes« (Matth. 26, 28). Dieser ist die himmlische Berufung des Abrahamsbundes (Hebr. 11, 10), der unausforschliche Reichtum Christi (Eph. 3, 8).

I. »Alter« und »Neuer« Bund

Aber »neu« ist er nur im Verhältnis zum »alten« Bunde (Hebr. 8, 13), und dieser war lediglich Israel gegeben (Ps. 147, 20). Die Nationen waren »Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung« (Eph. 2,12). Der Name »Neuer Bund«, »Neues Testament« drückt also schon aus, daß die Gemeinde vom alttestamentlichen Verheißungsboden nicht getrennt werden kann. »Das Heil kommt aus den Juden« (Joh. 4,22; Röm. 9, 5).

»Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich« (Röm. 11, 18). Doch seitdem das Reich Gottes auch den Heiden geöffnet ist, besteht im Genuß seiner Segnungen »kein Unterschied« mehr (Apg. 15, 9; 11, 17; 10, 47), und die Gläubigen aus den Völkern sind genau so wie die Gläubigen aus Israel teilhaftig der Heilsgüter des Neuen Bundes (vgl. Apg. 3, 25; 2,39)­

Dem Inhalt nach ist das »Neue« unendlich viel größer als das »Alte«. Dies zeigt besonders der Hebräerbrief. In siebenfacher Gegenüberstellung beweist er die Vortrefflichkeit des neutestamentlichen Heils, und zwar in namentlichem Vergleich zu vier alttestamentlichen Personen (bzw. Personengruppen) und drei alttestamentlichen Einrichtungen.

Christus ist größer

als die Engel ‑ die himmlischen Vermittler des Alten Bundes
als Mose ‑ der irdische Vermittler des Alten Bundes, der prophetische Führer,
als Josua ‑ der Ruhebringer des Alten Bundes, der politische Führer,
als Aaron ‑ der Hohepriester des Alten Bundes, der priesterliche Führer,
als die Stiftshütte ‑ die Offenbarungsstätte des Alten Bundes,
als die Opfer ‑ die Heilsvermittlung des Alten Bundes.

So ist er größer als alles, was der Alte Bund in sich schließt, und in seiner Kraft können wir auf dem »neuen und lebendigen Wege« wandeln (Hebr. 10, 20), das heißt

im Glauben, der nach oben blickt (Kap. 11),
in der Hoffnung, die nach vorne sieht (Kap. 12),
in der Liebe, die nach allen Seiten schaut (Kap. 13).

II. Der Abrahamsbund und der Davidsbund

Der Hauptsache nach ist dieser neue Bund die Erfüllung von zwei alttestamentlichen Bundesschließungen, dem Abrahamsbund und dem Davidsbund. Im Abrahamsbund lag die Weite, der Segen für alle Völker (1. Mose 12, 3); im Davidsbund lag die Höhe, der Königsthron des Messias (1. Chron. 17, 11‑14).

III. »Bund« und »Testament«

Genau genommen ist er weniger »Bund« als »Testament«. Denn

1. Ein Bund ist zweiseitig, ein »Testament« nur eine einseiti­ge Willensverfügung (»letzter Wille«). Im Heil aber geht alles von einer Seite ‑ Gott ‑ aus, und der Glaube des Menschen ist keine »Gegenleistung«, sondern einfach die Hand, die das Gebotene ergreift.

2. Ein »Bund« wird durch den Tod aufgelöst, ein »Testament« durch ihn erst rechtskräftig gemacht. Das Heil ist aber durchaus ein »Testament«, eine »letztwillige Verfügung«. Erst durch das Sterben des Gekreuzigten wird es wirksam und gültig (Hebr. 9, 15‑18). Seine Voraussetzung ist Christi »Tod«, sein Heilsgut das ewige »Erbe« und es selber eine heilige »Gottesstiftung« (Luk. 1, 72).

IV. Bundesvolk und Welt

Nach außen hin ist das Bundesvolk der Zeuge der erfahrenen Bundesgnade. Erst ist es Produkt, dann Organ, erst Gegenstand des Heils, dann Werkzeug des Heils. Diese Bezie­hung der Gemeinde zur Welt wird gerade in dem Kapitel am zusammenhängendsten zum Ausdruck gebracht, das uns am allermeisten ins innerste, in das von der Welt Abgekehrte, ins Heiligtum, führt: im Hohenpriesterlichen Gebet (Joh. 17). Hier nennt der HErr Jesus sieben Hauptbezichungen: Die Sei­nen sind

in ihrer Umgebung ‑ lebend in der Welt (V. 11),
in ihrer Stellung ‑herausgenommen aus der Welt (V. 6),
in ihrer Gesinnung ‑ geschieden von der Welt (V. 16),
in ihrem Zeugendienst‑ gesandt in die Welt (V. 18),
in ihrer Behandlung ‑ gehaßtvon der Welt (V. 14),
in ihrer Siegeskraft ‑ bewahrt vor der Welt (V. 15;

Der Urgrund des Ganzen aber ist der Liebesplan Gottes vor Grundlegung der Welt.

Der Vater hat dem Sohn die Erlösten schon vor aller Zeit als Geschenk seiner Liebe »gegeben«, und diese Liebe des Vaters zum Sohne vor Grundlegung der Welt ist das Fundament für die Verklärung der Erlösten am Ende der Welt. »Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen. . ., denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt« (Vers 24). So wölbt sich die vorzeitliche und nachzeitliche Liebe des Höchstens wie ein Regenbogen über aller Zeit. Das Ende kehrt zum Anfang zurück, weil der Anfang das Ende verbürgt (Röm. 11, 36).

In der Gegenwart aber sind die Erlösten die Boten Gottes an die Welt:

1. Der »Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit« (1. Tim. 3, 15),
2. Seine »Zeugen« (Apg. 1, 8),
3. Seine »Briefe« (2. Kor. 3, 1‑3),
4. Seine »Gesandten« an die Welt (2. Kor. 5, 20),
5. Seine »Darstellungen vom Lebenswort« (Phil. 2, 16),
6. Seine »Sterne« in dunkler Nacht (Phil. 2, 15),
7. Seine »sieben goldenen Leuchter« mit ihm selbst in der Mitte (Off. 1, 12).

4. Kapitel. DAS GEGENWÄRTIGE, PERSÖNLICHE HEIL

Die Erlösung in Christo ist ein Sein und ein Werden zugleich. Der einzelne hat durch den Glauben ein volles, freies, gegenwärtiges Heil und erlebt es dennoch zugleich nur in einer Reihe höchst wirksamer, dramatischer Spannungen.

I. Ein volles, freies, gegenwärtiges Heil

Besonders Paulus schildert sein Christuserlebnis in immer neuen Farben. Seiner Vorliebe für das juristische entsprechend beschreibt er es in fünf Hauptbilderkreisen, die sämtlich dem Rechtsleben entnommen sind. Es ist ihm Rechtfertigung, Erlösung, Vergebung, Versöhnung, Sohnesannahme. Seine Heilserfahrung ist dem Apostel wie eine helleuchtende Sonne mit dem vollen Glanz ‑ Christus ‑ in ihr selber, aber mit fünf Hauptstrahlen, die von ihr ausgehen ‑ nach allen Seiten hin, unbegrenzt, unermeßbar.

1. In der Rechtfertigung steht der Sünder als »Angeklag­ter« vor Gott und empfängt den »Freispruch« (Röm. 8, 33)­
2. In der Erlösung steht er als »Sklave« vor Gott und emp­fängt den »Loskauf« (Röm. 6, 8‑22; Gal. 3,:13).
3. In der Vergebung steht er als »Schuldner« vor Gott und empfängt den »Schuldenerlaß« (Eph. 1, 7; 4, 32).
4. In der Versöhnung steht er als »Feind« vor Gott und wird zum »Frieden« geführt (2. Kor. 5, 18‑20).
5. In der Sohnesannahme steht er als »Fremder« vor Gott und empfängt die »Sohnschaft« Eph. 1, 5).

Und doch! Obwohl alles geworden ist, ist ‑ abgesehen von der Rechtfertigung ‑ alles am Werden. Bis zur Wiederkunft Christi steht der Gläubige ‑ von ihm aus gesehen ‑ unter einer Reihe höchst wirksamer, kraftvoller

II. Spannungen

Zukunft und Gegenwart, Stellung und Zustand, Gottes Werk und unser Werk, Himmel und Erde, Ewigkeit und Zeit, Geist und Leib ‑ diese alle sind dauernd in ihm in lebendigem, noch nicht ausgeglichenem Gegensatz.

1. Zukunft und Gegenwart.

Wir »haben« die Erlösung (Eph. 1, 7) und »erwarten« die Erlösung.
Wir »haben« ewiges Leben und »ergreifen« ewiges Leben.
Wir »sind« Söhne Gottes (Röm. 8, 14) und »erwarten« die Sohnschaft (Röm. 8, 23).
Wir »sind« schon im Reich (Kol. 1, 13) und »gehen« erst ins Reich (Apg. 14, 22).
Gott »hat« uns verherrlicht (Röm. 8, 30), und er »wird« uns verherrlichen (Röm. 8, 17).

Dies ist die Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft. Wir genießen das »jetzt«, und doch ist es zugleich ein »Noch‑nicht« der Erfüllung. In Christus ist der neue Äon lebendig vorhanden, und doch besteht der alte noch fort. Das Heil ist gegenwärtig und zukünftig zugleich; denn es ist ewig.

Alles, was wir haben, erwarten wir erst; und alles, was wir erwarten, das haben wir schon. Wir sind »auf Hoffnung errettet« (Röm. 8, 24). Der Schwerpunkt liegt in der Vergangenheit (Golgatha); der Gipfelpunkt liegt in der Zukunft (Erscheinung in Herrlichkeit). Aber gerade die Zukunft ist der Hintergrund aller Gedanken des Neuen Testaments. Der Blick auf das Ziel ist der Pulsschlag aller Heiligung und Heilsgeschichte. Denn Christus ist die leibhaftige Erfüllung und die leibhaftige Verheißung zugleich.

Daher auch der Begriff des »Offenbarwerdens« im Neuen Testament (Kol. 3, 4). Denn »geoffenbart« (enthüllt) werden kann nur etwas schon vorher Vorhandenes. Die Treue und Überzeitlichkeit Gottes aber verbürgt uns das Zukünftige als schon gegenwärtig, ja als schon in der Vergangenheit geschehen. »Er hat uns verherrlicht« (Röm. 8, 30).

Gerade die Größe unseres »Heute« läßt uns sehnsüchtig ausschauen nach dem noch größeren »Morgen«.

2. Stellung und Zustand.

Wir sind gestorben (Kol. 3, 3) und »töten« unsere Glieder (Kol. 3, 5).
Wir sind »neue Menschen« (Eph. 4, 24) und werden »erneuert« (Kol. 3, 10).
Wir sind das Licht (1. Thess. 5, 5) und sollen leuchten als das Licht (Eph. 5, 9; Matth. 5, 16).
Wir sind »Heilige« Gottes (Kol. 3, 12) und wer­den »geheiligt« (1. Thess. 5, 23; Hebr. 12,:14; 2. Kor. 7,1).
Wir sind vollkommen (Kol. 2, 10) und »jagen« nach Voll­kommenheit (Phil. 3, 12).
Christus wohnt in uns (Kol. 1, 27), und er soll in uns woh­nen (Eph. 3, 17).

Dies ist die Spannung zwischen Stellung und Zustand, zwischen Würde und Verpflichtung, zwischen Wirklichkeit und Verwirklichung, zwischen Gnadenstand und Charakter. Der heruntergekommene Bettler wird, von seiner Elendshütte hinweg, unter die Fürsten gesetzt, dann aber ermahnt, sich nun auch fürstlich zu benehmen. Der Adel muß »edel« sein. Stellung verpflichtet. Hier setzt der Kampf zwischen »Fleisch« und »Geist«, zwischen dem »alten« und »neuen« Menschen ein (Röm. 6, 6), die ununterbrochene Tat des Glaubens, die Heiligung.

Aber gerade hier erleben wir immer wieder die nun folgende Spannung. Diese bezieht sich auf die Kraft.

3. Gottes Werk und unser Werk.

Es ist Gott, der alles wirkt, und auch wir sind die Wirkenden. Es ist alles »geschenkt«, und doch muß alles »errungen« werden (2. Petr. 1, 3). Die Heiligung ist ganz seine Tat (1. Thess. 5, 23) und auch ganz meine Tat (Hebr. 12, 14), ganz Geschenk und ganz Gebot, ganz Gabe und ganz Aufgabe. Bezüglich der Erwählung der Erlösten vor aller Zeit (Eph. 1, 4), der Heiligung der Erwählten im Ablauf der Zeit und der Verherrlichung der Geheiligten am Ende der Zeit gilt der gott‑menschliche, harmonische Gegensatz: »Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern; denn (!) Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen« (Phil. 2, 12). Alle menschlichen Deutungsversuche sind hier unzulänglich. Sie zeigen nur, gerade wenn sie bis aufs Letzte durchdacht werden, daß der Kern der Frage unerklärt blieb. Die Freiheit (Off. 22, 17) und Unfreiheit (Apg. 13, 48) des menschlichen Willens ist ein gottmenschliches Geheimnis des Reiches Gottes. Es sind zwei Parallelen, die sich erst in der Unendlichkeit schneiden. Der Glaube erlebt diese Spannung, ohne sie deuten zu können. Ihm genügt ihr Vorhandensein. Es ist die Spannung zwischen Gnadenwahl Gottes und Verantwortlichkeit des Menschen, zwischen Unfreiheit und Freiheit des geschöpflichen Willens, zwischen Gnade und Lohn (Röm. 4, 2‑6; 1. Kor. 3, 14; 4, 5; Kol. 3, 24; 2. Kor. 5, 10).

Die nächste Spannung ist die zwischen

4. Himmel und Erde.

Christus ist der »Erhöhte« (Phil. 2, 9) im Himmel (Eph. 1, 20) und doch zu­gleich der in uns Wohnende auf Erden (Eph. 31 17; Gal. 2, 20). Dies ist die mystisch‑transzendente Polarität zwischen Transzendenz und Immanenz Christi. Daher auch das 164malige »in Christo« bei Paulus, ebenso das 19malige »im Geist«, auch der paulinische »genitivus mysticus« (z. B. Christusfriede: Kol. 3, 15; Christussegen: Röm. 15, 29; Christusglaube: Röm. 3, 22.

Der Christ lebt hienieden auf Erden (Joh. 17, 11; Phil. 2, 15) und ist doch zugleich mitversetzt in die »himmlischen Örter« (Eph. 2, 6; Hebr. 12, 22; Phil. 3, 20)

Die Verbindung von beiden ist der Geist. Der Geist kam von oben herab, von dem »Christus über uns«, vom Himmel auf die Erde (Apg. 2, 33), und der Geist führt von unten empor, als der »Christus in uns«, von der Erde in den Himmel (Kol. 1, 27; 2. Kor. 3, 17) .

Der Urgrund des Ganzen aber ist die Spannung zwischen

5. Ewigkeit und Zeit.

Ewigkeit ist mehr als nur endlose Zeit. Sie ist nicht nur als Dauer, sondern auch als Inhalt von allem Zeitlichen wesenhaft verschieden. Sie ist ein anderes, ein Höheres. Darum ist »ewiges Leben« zwar zunächst »endloses Leben« (vgl. Matth. 25, 46), aber zugleich mehr als Unsterblichkeit. Es ist göttliches Leben.

Der Glaube aber erlebt den ewigen Gott schon innerhalb der Schranke der Zeit. Gerade das ist für ihn das Erhebende und Demütigende zugleich. Alle Gottesgemeinschaft, besonders das Gebet, ist ein Teilnehmen am Leben Gottes. In ihr steht der Mensch, mitten in der Zeit, dennoch im Zeitlosen. Mitten im Wandel und Wechsel kommt das Wandellose und Bleibende zum Durchbruch. Das übergeschichtliche wird mit­ten im Geschichtlichen, das jenseitige mitten im Diesseits erlebt.

Dies ist es, was die Heilige Schrift meint, wenn sie lehrt, daß der Gläubige das ewige Leben schon »hat«. Es beginnt nicht erst nach dem Tode, sondern schon heute auf Erden, in diesem Leben. »Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben« (Joh. 3, 36).

6. Geist und Leib.

Und dennoch geschieht dies alles in der Schranke der Zeit! Wir sind »in Christo« und doch noch »in der Welt« (Joh. 17, 11); wir sind »im Geist« (Röm. 8, 9) und doch noch »im Leibe« (2. Kor. 5, 6); wir sind todüberlegen und todverfallen zugleich (2. Kor. 4, 11). Welch schwaches Organ ‑ unsere Seele! Welch zerbrechliche »Hütte« ‑ unser Leib!

So sind wir denn beides: »Fertige und Harrende, Ausruhende und Eilende (Phil. 3, 12), Gelöste und Gespannte, Siegesjubelnde und Seufzende zugleich« (Röm. 8, 31 ‑ 39). …
Unser Schauen ist ein Emporschauen auf das Ewige als das Übergeschichtliche und ein Vorwärtsschauen auf das Ewige als das Endgeschichtliche….
Zuletzt aber wird der Tag kommen, an dem sich dies alles entspannt. Die Wiederkunft Christi ist die Lösung aller Spannungen. Die Grundspannung des gegenwärtigen Zeitalters ist die zwischen der Offenkundigkeit des Reiches Satans und der Verborgenheit des Reiches Gottes, trotz des Sieges von Golgatha! Dann aber, wenn Christus erscheint, wird dies alles gelöst. Dann kommt mit seinem Offenbarwerden (Kol. 3, 4).

Das Offenbarwerden der Geistleiblichkeit und der Eintritt der Gemeinde aus der Zeit in die Ewigkeit.

Dann wird die Gegenwart verklärt in die Zukunft hinein, und unser Zustand wird vollkommen unsrer Stellung entsprechen, und sein göttliches Werk wird unser menschliches Werk in ihm selber vollenden, und, von der Erde hinweg, werden wir emporgerückt werden in die Himmelswelt.

III. Abschnitt

Die Hoffnung der Gemeinde

1. Kapitel. DIE ENTRÜCKUNG UND ERSTAUFERSTEHUNG.

»Marana tha! Unser Herr, komm!« 1. Kor. 16, 22.

Das gegenwärtige Zeitalter ist Osterzeit. Es beginnt mit der Auferstehung des Erlösers und endet mit der Auferstehung der Erlösten. Dazwischen liegt die geistliche »Auferstehung« der zum Leben Berufenen. So leben wir zwischen zwei Ostern, als Auferstandene zwischen zwei Auferstehungen, als brennende und scheinende Lichter zwischen zwei »Erscheinungen« (Epiphanien) des ewigen Lichts. Aber in der Kraft des ersten Ostern gehen wir dem letzten Ostern entgegen. Die Auferstehung des »Hauptes« verbürgt die Auferstehung der »Glieder«. Der Lebensbaum der Auferstehung treibt vollreife Früchte.

Die Hoffnung der Gemeinde umfaßt ein Vierfaches:

Die Entrückung und erste Auferstehung (1. Thess. 4, 13 ‑18)
den Richterstuhl Christi (2. Kor. 5, 10)
die Hochzeit des Lammes (Off. 19, 7; 8)
die kommende Weltherrschaft (1. Kor. 6, 2; 3).

I. Der Zeitpunkt der Entrückung

1. Die zwei Auferstehungen.

Eine allgemeine, gleichzeitige Auferstehung aller Toten und ein einziges, umfassendes End­gericht über Gerechte und Ungerechte lehrt die Heilige Schrift nicht. Sie spricht vielmehr von einer »Auferstehung aus den Toten« (Luk. 20, 35), einer »ersten« Auferstehung (Off. 20, 6), ja, einer »Ausauferstehung aus den Toten« (Phil. 3, 11 wörtl.). Sie spricht von »Abteilungen« und »Ordnungen« innerhalb der Auferstehung (1. Kor. 15, 20‑24) und betont, daß diese durch zeitliche Zwischenräume voneinander getrennt sind: »Gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling Christus, danach die Christo angehören, wenn er kommen wird, danach das Ende (d. h. das Ende der Auferstehung, nämlich der übrigen Toten)« (1. Kor. 15, 22‑24).
Zwar wurde im Alten Testament beides – die Auferstehung »zu ewigem Leben« und die Auferstehung »zu ewiger Schmach und Schande« ‑ in einem Bilde zusammengeschaut, desgleichen in den Weissagungen des HErrn Jesu auf Erden (Vgl. Apg. 24, 15); aber beim Fortschreiten der prophetischen Offenbarung (Joh. 16, 12) traten diese beiden als zwei Haupthandlungen auseinander: die Auferstehung der Gerechten vor dem Beginn des Messiasreiches und die allgemeine Auferstehung hinterher, am Ende der Welt. Der Schlüssel ist Off. 20, 5: »Diese (die Priester Gottes und Christi) lebten und regierten mit Christo tausend Jahre. Die andern Toten aber wurden nicht wieder lebendig, bis daß tausend Jahre vollendet wurden. Dies ist die erste Auferstehung.« – »Es gehört eben mit zur Verherrlichung Christi als des >Hauptes<, dag seinen >Gliedern< eine besondere Auferstehung zuteil wird, eine Auferstehung, gleich der Seinigen, eine >Auferstehung aus den Toten<« (Mark, 9, 9; Luk. 20, 35).

Diese Auferstehung ist

ihrer Zeit nach  ‑ die »erste« Auferstehung (Off. 20, 5; 6),
ihrem Umfang nach ‑ eine »Aus«auferstehung (Phil. 3, 11; Luk. 20, 35),
ihrem Charakter nach ‑ eine Auferstehung der » Gerechten« (Luk. 14, 14),
ihrem Heilsgut nach ‑ eine Auferstehung des »Lebens« (Joh 5, 29; Dan. 12, 2).
Darum: »Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auf­erstehung!« (Off. 20, 6.)

2. Die Tage Gottes.

Mit Christi erstem Kommen beginnen im Kalender Gottes die »letzten Tage« (Apg. 2,17). Nach urchristlicher Überzeugung beginnt mit der Menschwerdung Christi die »Endzeit« (Hebr. 1,1). Denn Christus ist das Endziel, auf welches die äonenlange Vorgeschichte hinstrebte (Hebr. 9, 26). Sein erstes Erscheinen ist der Anfang des Endes, und mit seinem zweiten Erscheinen beginnt das Ende des Endes. Darum sind auch in ihm nun auf uns, die wir in der messianischen (christlichen) Zeit leben, die »Endpunkte« und »Zielpunkte« der vormessianischen (vorchristlichen) Äonen gekommen (1. Kor. 10, 11) Die Christusgemeinde ist das Ziel der Geschichte. Endgeschichte« im Sinne des Neuen Testaments ist also nicht etwa erst die Geschichte der letzten Zukunft, sondern die ganze neutestamentliche Heilsgeschichte ist stufenweise in die Vollendung eingehende Endgeschichte. In Christus ist der Anfang der Vollendung erschienen. Darum ist alles seitdem bereits »eingetretene Endzeit«. Augenblicklich ist

a) Der »Tag des Heils« (2. Kor. 6, 2), das »Heute« der suchenden Gnade (Hebr. 4,7), die »Stunde« der vollen Heilskundmachung (Joh. 16, 25), die »Stunde« der Anbetung des Vaters in Geist und Wahrheit (Joh. 4, 21‑23). Das Ziel ist

b) Der »Tag Gottes« (2. Petr. 3, 12), die Neuschöpfung von Himmel und Erde, der »Tag der Ewigkeit« (2. Petr. 3, 18)­

Dazwischen liegt

c) Der »Jüngste Tag«. Auch dieser ist eine lange Periode (vgl. 2. Petr. 3, 8). Er beginnt mit der »Auferstehung der Gerechten« (Joh. 6, 39) und endet mit dem Gericht über die Verlorenen (Joh. 12, 48). Er umfaßt also – da zwischen diesen beiden das messianische Reich liegt (Off. 20, 5) ‑ eine Zeitspanne von mehr als einem Jahrtausend (Off. 4, 1 – 20). Er beginnt mit der Entrückung, dem »Tag Jesu Christi« (Phil. 2, 16; 1, 6; 1. Kor. 1, 8; 2. Kor. 1, 14), der antichristlichen Trübsal, dem »Tag des HErrn« (2. Thess. 2, 2 ‑ 4), dem »Tage Jahwes« der alttestamentlichen Propheten (Joel 2, l; 4, 14). Er setzt sich dann fort durch das Herrlichkeitsreich des Messias, durch »jene Tage«, die Glanzzeit der alten Erde (Jer. 3, 16; Joel 3, 2; Sach. 8, 23), und er endet mit dem »Tag des Gerichts« (Matth. 10, 15; 11, 22; 12, 36), der Vergeltung für Menschen und Engel (Jud. 6), der letzten Abrechnung vor dem Großen Weißen Thron (Off. 20, 11‑15; 2. Petr. 2, 9; 3, 7; Röm. 2, 5). So gleicht er einem Tage mit dem »Morgenstern« in der Frühe (2. Petr. 1, 19; Off. 22, 16), mit Gewittersturm am Vormittag (Off. 6 – 19), mit Sonnenglanz am Mittag und Nachmittag (Mal. 3, 20, d.h. dem Tausendjährigen Reich) und mit zündendem Blitzstrahl gegen Abend, (Offb. 20, 9, d.h. Gog und Magog).
Zuletzt aber geht von neuem die Sonne auf. »Um den Abend wird es licht sein«, und aus dem Weltuntergang geht auf ewig die Weltverklärung hervor.

3. Die Vollendung des Zeitalters, die »Ankunft« und »Er­scheinung« des HErrn. Der genaue Zeitpunkt der Entrückung ist nicht zu ermitteln. »Es gebührt euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde« (Apg. 1, 7; Matth. 24, 36; Mark. 13,32).

Die biblische Prophetie ist mehr Wesens‑ als Geschichtsprophetie. Die Herrlichkeitszeit ist nahe; denn der HErr spricht: »Siehe, ich komme bald« (Off. 22, 20; 2. Petr. 3, 8). Die Herrlichkeitszeit ist fern; denn er sagt, daß der Bräutigam »verzog« (Matth. 25, 5). Der Edle, der das Reich empfängt, zog weit über Land (Luk. 19, 11), und erst »nach langer Zeit« kommt er wieder, um mit seinen Knechten Abrechnung zu halten (Matth. 25, 19 vgl. 24, 6 – 14) So verbindet sich in der prophetischen Schau Fernsicht mit unaufgehobener Kurzsicht. Der Grund aber ist, daß wir »wachen« sollen (Matth. 25, 13). Gott will bei uns Naherwartung und Ewigkeitsbereitschaft. »Die >letzten< Dinge sollten bei uns immer die >ersten< sein.« »Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren HErrn warten« (Luk. 12, 35).

In diesem Sinne schauen wir aus nach der letzten Zeit. Sie ist

in bezug auf die Weltregierung Christi die »Vollendung des Zeitalters«;
in bezug auf die Abwesenheit Christi seine königliche Ankunft (Parusie, Advent);
in bezug auf die Verborgenheit Christi (Kol. 3, 3) seine »Offenbarung« und Enthüllung (Apokalypse);
in bezug auf die Lichtherrlichkeit Christi ‑ seine glanzvolle »Erscheinung« (Epiphanie).

II. Das Wesen der Entrückung

»Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden« (1. Kor. 15, 51).
»Denn er selbst, der HErr, wird mit einem Feldgeschrei und der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden auferstehen zuerst. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen hinangerückt werden in den Wolken, dem HErrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem HErrn sein allezeit« (1. Thess. 4, 16). Die Entrückung ist, ihrem Wesen nach, ein Fünffaches; sie ist Wegrückung, Hinrückung, Verklärung, Triumph, Glück­seligkeit.

1. Wegrückung. Sie ist eine Entrückung in dem buchstäblichsten Sinne des Wortes, eine Hinwegrückung aus aller leiblichen und seelischen Not (2. Kor. 5, 2; 4; Phil. 3, 21), aus aller Verfolgung und Drangsal durch die Feinde (2. Thess. 1, 5 ‑ 10; Off. 12, 4), aus dem gesamten Bereich der Sünde und des Todes. Als solche aber ist sie eine Tat der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit, eine Tat der göttlichen Allmacht, der Allmacht, die uns verklärt zur Gleichförmigkeit mit dem Erlöser, und die uns in die verherrlichte Geistleiblichkeit erhebt. An unserm Leibe wird sich einmal die Kraft betätigen, die das gesamte Weltall bewegt!
»Er wird unsern niedrigen Leib verwandeln, so daß er seinem Herrlichkeitsleibe gleichgestaltet werde, vermöge der Kraft, mit der er vermag, sich die ganze Welt zu unterwerfen« (Phil. 3, 21). Darum gebraucht Paulus für »entrücken« auch ein ganz besonders starkes Wort, ein Wort, das eigentlich »rasch ergreifen, mit Gewalt an sich reißen« bedeutet. … Darum beschreibt er die Heimholung der Gemeinde auch durch eine Anhäufung starker, militärischer Bilder. Der HErr selbst wird vom Himmel herniederkommen unter »Alarmsignalen« und »Kommandorufen«, unter »Befehlswort« und »Feldgeschrei«, unter »Trompetenklängen« von »Gottesposaunen«, und dann wird er seine irdische Streiterschar, begleitet von den Kriegsheeren des Himmels, auf ewig mit ihm selber, dem königlichen Sieger, verbinden (1. Thess. 4, 16).

Gerade dies aber ist das Wichtigste; denn die Entrückung ist eine

2. Hinrückung, und zwar eine Hinrückung der Glieder zum Haupt; denn er »selbst« wird herniederkommen, und bei ihm werden wir sein allezeit (1. Thess. 4, 16). »Ich komme wieder und will euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seid« (Joh. 14, 2);

und die Entrückung ist eine Hinrückung der Glieder zueinander; denn die Lebenden werden »zugleich mit« den Toten emporgerückt werden, und die Gemeinde aller Zeiten und aller Länder wird zum allerersten Male beieinander sein. Als Ganzes wird die Gemeinde also zum ersten Male nicht auf der Erde, sondern in der Luft existieren. Bis dahin gibt es nur »Gemeinden« in der Mehrzahl (Off. 22, 16) und die jeweilig auf Erden lebende Gemeindegeneration. …

Aber noch mehr. Die also Emporgehobenen werden auch ihre

3. Verklärung empfangen. »In einem Nu, in einem Augenblick, bei dem Schall der letzten Posaune«, dann werden sie aus dem Niedrigkeitsleib in den Herrlichkeitsleib umgewandelt werden (1. Kor. 15, 51; Phil. 3,21), und dieses Verwesliche wird Unverweslichkeit, dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen.

Dies alles aber gerade in der Luft! (1. Thess. 4, 17.) Welch ein

4. Triumph. Denn gerade die Luft ist die »Operationsbasis« des Feindes. Von der Luft aus wird gegenwärtig die Welt von dämonischen Gewalten regiert. Darum heißt Satan der »Fürst der Gewalt der Luft« (Eph. 2, 2 vgl. 6, ‑12). … Christus hat völlig gesiegt; seine Gemeinde hat restlos überwunden. Darum findet die Krönung der Verfolgten gerade in dem »Hauptquartier« ihres niedergerungenen Verfolgers statt.

5. Glückseligkeit. Dies ist die »glückselige Hoffnung« der Erlösten (Tit. 2, 13). »Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen« (Joh. 16, 22).

III. Die kommende Geistleiblichkeit

1. Ihre Notwendigkeit. Aber warum gerade leibliche Auferstehung? Warum nicht schlechthin reine Geistigkeit? ‑ Weil der Leib nicht ein Kerker der Seele ist, sondern zum Wesen des Menschen gehört. Ohne Leib ist der Mensch »nackt« (2. Kor. 5, 3). Weil der irdische Leib schon hienieden zum »Tempel« des Geistes geadelt worden war und darum nicht wüste gelassen werden kann (Röm. 8, 11; 1. Kor. 6, 19). Weil die Trennung der Geistseele vom Leibe durch die Sünde zustandegekommen ist (1. Mose 2, 17) und folglich, ohne leibliche Auferstehung, in den Erlösten etwas von den Wirkungen der Sünde zurückbleiben würde. Gott aber hat den Menschen als Ganzes geschaffen; als Ganzes will er ihn darum auch erlösen. Bloße Fortdauer des Geistes als »Unsterblichkeit« wäre jedoch nur eine teilweise Fortsetzung des Lebens, also nur eine teilweise Erlösung. Gott aber ist ein »Gott nicht der Toten, sondern der Lebendigen« (Matth. 22, 32). Er läßt nicht fahren die Werke seiner Hände; auch der Stoff ist ein Gedanke und ein Werk seiner Schöpfermacht. Darum darf nichts von den Seinen im Tode bleiben. Nur so wird der Tod »verschlungen in den Sieg« (1. Kor. 15, 55; 2. Kor. 5, 4; Jes. 25, 8; Ps. 49, 16). Es darf nicht eine Erlösung vom Leibe, sondern muß eine »Erlösung des Leibes« sein (Röm. 8, 23). Darum sieht Christus auch die Auferweckung der Toten als sein besonderes Heilandswerk an, ja, er selber ist die leibhaftige »Auferstehung«. »Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage« (Joh. 6, 44). »Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage« (Joh. 6, 54).

2. Ihre Tatsächlichkeit. Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes. Dies beweist am deutlichsten der Auferstehungsleib Jesu. Er konnte mit den Augen »gesehen« (Luk. 24, 40) und mit den Händen »betastet« werden (Luk. 24, 39; Joh. 20, 27). Er konnte Honig und Fisch essen, ja, hatte, nach dem eigenen Zeugnis des HErrn, sogar »Fleisch und Bein«. »Sehet meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin. Betastet mich und sehet; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, daß ich habe« (Luk. 24, 39).

Der Auferstandene aber ist das Muster und Urbild aller Vollendeten am himmlischen Thron. Seinem Herrlichkeitsleibe wird der unsere einst gleichgestaltet sein. Darum können wir an seinem Leibe auch gewisse Grundzüge unseres eigenen, zukünftigen Leibes erkennen, und wenn sein Leib zur äußeren Grundlage verklärte Stofflichkeit hat, so auch der unsere. Dagegen spricht auch nicht 1. Kor. 15, 50; denn, wie der Zusammenhang zeigt, sagt Paulus dort nur von dem u n verklärten »Fleisch und Blut«, daß er das Reich Gottes nicht ererben könne. Auch die Berufung auf 1. Kor. 15, 44 ist nicht stichhaltig. Denn wohl wird dort der neue Leib ein »geistiger« Leib genannt. Das bedeutet aber nicht, daß er etwa stofflos sei und rein »aus Geist« bestehe, genauso wenig, wie der »seelische« (psychische) Leib, den wir jetzt haben, nur »aus Seele« besteht! Vielmehr soll mit »seelisch« und »geistig« hier lediglich das G r u n d w e s e n beider Leibarten bezeichnet werden. Im irdischen Leib hat die Seele, im himmlischen Leib hat der Geist die Vorherrschaft. Die »Verwandlung« des einen in den anderen aber (l. Kor. 15, 51; Phil. 3, 21) besteht nicht in einem Ausziehen des Stoffes, sondern, gerade umgekehrt, in einem »Anziehen« (l. Kor. 15, 53; 54), nicht in einem Entkleidetwerden, sondern in einem »Überkleidetwerden« dieses verweslichen Stoffes mit Unsterblichkeit und Unverweslichkeit (2. Kor. 5, 24). Das Wesen dieser Verwandlung aber ist restlos unerklärbar; es ist ein Wunder, das genauso, wie auch die Natur des himmlischen Stoffes, erst in der Ewigkeit erkannt werden wird.

Darum lehrt auch die Schrift eine Auferstehung der »Leiber« aus den »Gräbern«. »Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den >Gräbern< sind, die Stimme des Menschensohnes hören werden« (Joh. 5, 28). Dieser »Niedrigkeitsleib« wird verklärt, dieser »in Verwesung« gesäte Leib wird in Unverweslichkeit und Unsterblichkeit auferstehen (1. Kor. l5, 42; vgl. Hiob 19, 25; 26).

Wenn es aber keine Geistleiblichkeit gäbe und keine unmittelbare Beziehung des jetzigen Leibes zum zukünftigen, wozu dann das Auftun der Gräber? Wozu dann eine »Auferstehung« überhaupt? Dann wäre der neue Leib ja ein ganz anderer, nicht aber derselbe, nicht »dieser« in das Grab »gesäte« Leib! Nein, es muß ein Zusammenhang bestehen zwischen dem alten und dem neuen Leibe, ein Zusammenhang nicht nur der Seele und der Persönlichkeit, sondern gerade auch des Leibes. Zwar ist auch bei dem irdischen Leib nicht der Stoff das Entscheidende, sondern die leibbildende Kraft der Seele; – (Im irdischen Leibe sind die Atome dauernd im Fluß. Der Stoffwechsel vollzieht alle sieben Jahre eine völlige Umwandlung der ganzen stofflichen Zusammensetzung des Leibes, so daß nach dem Ablauf dieser Zeit nicht ein einziges Atom von dem früheren Stoff mehr in ihm vorhanden ist; und dennoch ist es »derselbe« Leib! Die Seele baut eben in der Kraft, die ihr der Schöpfer gibt, aus dem Stoff ihrer Umwelt fort und fort einen »neuen« Leib. Der Leib selbst aber ist der der Natur entnommene Stoff, den die Seele belebt und durchwaltet und, ihrem Charakter entsprechend, zu einer höheren Natureinheit gestaltet). –

Dennoch muß schon in dem verwesenden, alten Leibe ein unzerstörbarer Keim des Auferstehungsleibes vorhanden sein, der durch die Zeiten hindurch im Grabe bewahrt und dann bei der Auferstehung und Verklärung mit der »Behausung vom Himmel her« bekleidet werden wird (2. Kor. 5, 2). Erst so wird begreiflich, daß der alte Leib »auferstehen« muß und daß er als »Samenkorn« des zukünftigen Leibes bezeichnet werden kann (1. Kor. 15, 35-37; 42‑44). Worum es sich handelt, ist eben Abbruch und Aufbau zugleich, Auflösung und Zusammenhang, Neuschöpfung und Bewahrung in einem. Der neue Leib aber ist die Verbindung des Auferstehungskeimes des alten Leibes mit den Lichtstoffen und Lebenskräften der ewigen, himmlischen Welt.

Wie in der absterbenden Pflanze nur ein Keim zurückbleibt, welcher dann, neue Stoffe an sich ziehend, unter dem Einfluß des Lichts und der Erde sich zu einem neuen Pflanzenleibe gestaltet, der vermittels des Keimes derselbe ist mit dem erstorbenen und dennoch ein anderer, so bleibt auch nach der Auflösung des Menschenleibes ein Keim für den neuen Leib zurück mit der Möglichkeit neuer Gestaltung. Die Seele ist gleichsam der »Magnet« des Leibes, der den geheimnisvollen Zusammenschluß der Millionen seiner Atome bewirkt. Im Tode verliert er seine magnetische Kraft, und die Atome fallen auseinander; in der Auferstehung aber empfängt er sie wieder zurück, und zwar nun in weit höherem, vollendeterem Maße. Darum zieht nunmehr die Seele die himmlischen Lichtkräfte an und »umkleidet« sich (2. Kor. 5, 2‑4) mit einem neuen, vollkommenen Herrlichkeitsleibe. 

–  Über den Z w i s c h e n z u s t a n d der Seele zwischen Tod und Auf­erstehung sagt die Heilige Schrift wenig. Gewiß ist, daß die Vollendung des einzelnen an seine Auferstehung geknüpft ist, also nicht gleich beim Tode eintritt. Die Heilige Schrift aber blickt zumeist gleich auf das Endziel und übergeht die Zwischenzeit mit nur wenigen Andeutungen, legt ihr jedenfalls kein besonderes Gewicht bei. Wir sollen auf die Wiederkunft Christi warten und nicht auf den Tod. Für den gläubig Gestorbenen ist es zunächst selige Wartezeit im »Paradiese« (Luk. 23, 43), »bei Christo« (Phil. 1, 23; Apg. 7, 58), in »Abrahams Schoß« (Luk. 16, 22), wo es »weit besser« ist als hier (Phil. 1, 23) ; für den unselig Gestorbenen beginnt gleich das »Feuer« (Luk. 16, 22‑24). Für den Gläubigen ist darum nicht erst die Entrückung, sondern schon vorher ein Sterben »Gewinn« (Phil. 1, 21); für den Ungläubigen ist es ein schreckliches Erwarten des gerechten Gerichts Gottes. Die Vollendung beider aber ist die Auferstehung des Lebens bzw. des Gerichts (Joh. 5, 29). –

Von dem himmlischen »Stoff« aber fehlt uns jede Vorstellung. Nur Bildersprache ist möglich. Er verhält sich zum irdischen Stoff wie der blitzende Diamant zum dunklen Kohlenstoff, aus dem er besteht, wie der Lichtleib der Gasflamme zur finsteren Steinkohle, aus der er gemacht ist, wie der strahlende Edelstein zum lichtlosen Erdreich, aus dem er genommen ist. So aber werden die Friedhöfe der Menschheit zu »Saatfeldern der Auferstehung«, und das Leichenfeld des Volkes Gottes wird durch himmlischen Tau zum Auferstehungsgefilde der Vollendung (Jes. 26, 19).

IV. Die siebenfache Herrlichkeit des Auferstehungsleibes

Unbeschreiblich ist das Wesen des neuen Leibes. Nur bildhafte Andeutungen gibt uns die Schrift.

1. Geistigkeit. Der Niedrigkeitsleib ist ein »seelischer« Leib; der Herrlichkeitsleib wird ein »geistiger« sein (1. Kor. 15, 44‑46); das heißt, im Niedrigkeitsleib herrscht die Seele, im Herrlichkeitsleib herrscht der Geist vor.

2. Gefügigkeit. Der Niedrigkeitsleib ist oft Schranke und Hemmung; der Herrlichkeitsleib wird ganz Dienstbarkeit sein. Der Niedrigkeitsleib hat als »seelischer« Leib eine gewisse Selbständigkeit dem Geist gegenüber, eine Selbständigkeit, die sich gar oft steigert bis zum Widerstreit zwischen Körper und Geist (Röm. 7, 5; 23; 1. Kor. 9, 27; Röm. 6, 6). Der Herrlichkeitsleib aber wird vollständig vom Geiste durchwaltet sein. Er wird in restloser Abhängigkeit dem Geist zur Ver­fügung stehen und darum ein vollkommenes, über alle Raum- und Zeitgrenzen erhabenes Werkzeug des Vollendungslebens sein.

In bezug auf die Natur aber waltet das umgekehrte Verhältnis.

3. Freiheit. Der Niedrigkeitsleib, der dem Geist gegenüber selbständig ist, ist der Natur gegenüber abhängig und unfrei;
der Herrlichkeitsleib, der dem Geist gegenüber abhängig ist, ist der Natur gegenüber selbständig und frei. Daher bei ersterem die Notwendigkeit der Nahrung und die Gefahren an Krankheit und Unglück, bei letzterem jedoch seine königliche Freiheit und die Erhabenheit über Stoff, Raum und Zeit.

So kann er zwar essen, doch ohne es zu müssen (Luk. 24, 41‑43) ‑ Freiheit vom Stoff;
so kann er im Innern bei verschlossenen Türen erscheinen (Joh. 20, 19; vgl. Luk. 24, 31; 36) ‑ Freiheit vom Raum;
so ist er unsterblich in Ewigkeit (1. Kor. 15, 54; 42) – Freiheit von aller Begrenzung durch die Zeit.

4. Hoheit. Der Niedrigkeitsleib ist als »Niedrichkeitsleib« (Phil. 3, 21) ein Leib der »Unehre« (1. Kor. 15, 43). Der Herrlichkeitsleib aber wird ein Hoheitsleib sein. Das Demütigende des jetzigen Leibes beweisen Krankheit und Tod, sowie Zeugung, Geburt und die Art seiner Ernährung (1. Kor. 6, 13); zur Würde des zukünftigen Leibes gehört darum ihre Aufhebung. »In der Auferstehung werden sie weder freien noch sich freien lassen, sondern sind wie die Engel Gottes im Himmel« (Matth. 22, 30; Luk. 20,35).- (Das heißt aber nicht: »Sie werden Engel selbst«, sondern nur in diesem Punkt »wie die Engel«. Kein Mensch wird ein Engel, wenn er stirbt. Wohl werden wir in Gemeinschaft mit den Engeln sein (Hebr. 12, 22; Luk. 16, 22); aber wir sollen mehr werden als die Engel (l. Kor. 6, 2; 3). Wir sind »Erstlinge seiner Kreaturen« (Jak. 1, 18) und »Söhne Gottes« (Röm. 8, 14).

5. Seligkeit. Der Niedrigkeitsleib geht durch Kummer und Schmerz (2. Kor. 5, 2) ‑ der Herrlichkeitsleib wird voll Seligkeit sein. »Sie wird weder hungern noch dürsten« (Jes. 49, 10; Off. 7, 16). »Weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen« (Off. 21, 4). »Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft« (1. Kor. 15, 42).

6. Klarheit. Der Niedrigkeitsleib ist eine armselige Hütte, der Herrlichkeitsleib ein lichtstrahlender Palast. »Die Gerechten werden … leuchten in ihres Vaters Reich« (Matth. 13, 43):
wie blendend weißer Schnee (Mark. 9,3; Phil. 3, 21),
wie lichtstrahlender Tau (Jes. 26, 19),
wie der Mond und die Sterne (Dan. 12, 3; 1. Kor. 15, 41),
wie die Sonne in ihrer Macht (Matth. 13, 43; Off. 1, 16),
wie der Herr Christus selber in seiner Lichtherrlichkeit (Phil. 3, 21; 1. Joh. 3, 2; 2. Kor. 3, 18).
Dies ist die Schönheit, auf die wir warten. Zu ihr verhält sich der irdische Leib wie ein Samenkorn zur voll entfalteten Blüte. Sowenig man einem Mohnkörnlein ansieht, daß eine so leuchtende Pflanze darin enthalten ist, sowenig die Eichel den gewaltigen Eichbaum, der Apfelkern den Apfelbaum erkennen läßt, so wenig sieht man dem gegenwärtigen Leib die Herrlichkeit des zukünftigen an.

7. Gleichförmigkeit mit Christo. Das Herrlichste aber ist, daß die Erlösten ihm gleichgestaltet sein werden.
»Wir werden ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist« (1. Joh. 3, 2).
Wir werden verwandelt werden »zur Gleichförmigkeit mit seinem Herrlichkeitsleibe« (Phil. 3, 2:1).
Wir werden sein »Bild« an uns tragen, »auf daß er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern« (Röm. 8, 29; Kol. 1, 18).
»Der erste Mensch ist von der Erde, von Staub; der zweite Mensch ist vom Himmel. Wie aber der von Staub ist, so sind auch die, welche vom Staube sind; und wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen. Und wie wir das Bild dessen vom Staube getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen« (1. Kor. 15, 47‑49).

2. Kapitel. DER RICHTERSTUHL CHRISTI

Die Wiederkunft Christi ist »die glückselige Hoffnung« der Gemeinde (Tit. 2, 13). Dennoch ist sie nicht nur mit himmlischen Vorrechten, sondern auch mit heiliger Verantwortung verbunden. »Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse« (2. Kor. 5, 10). Ebenso wie die Entrückung erquickend ist für das Herz, so ist der Richterstuhl Christi anspornend für das Gewissen.
Sieben Tatsachen sind es, die uns die Heilige Schrift hierüber besonders erkennen läßt:

1. Die Zeit  ‑ der »Tag Christi« (1. Kor. 1, 8),
2. Der Richter ‑ Christus selbst (2. Tim 4, 8),
3. Die Personen ‑ »wir alle« (2. Kor. 5, ‑10),
4. Die Strenge ‑ sein Feuer (1. Kor. 3, 13),
5. Der Maßstab ‑ unsere Treue (1. Kor. 4, 1‑5),
6. Das Ergebnis ‑ Lohn oder Verlust (1. Kor. 3, 14),
7. Das Endziel ‑ Herrlichkeit (1. Petr‑ 5, 4).

I. Die Zeit ist der »Tag Christi«, »jener Tag« (2. Tim. 4,8), das heißt ‑ nach dem Zeugnis des ganzen Neuen Testaments ‑ die Zeit vor der Aufrichtung des sichtbaren Herrlichkeitsreiches, also vor dem Tausendjährigen Reich.

Der »Richterstuhl Christi« ist folglich von dem »Großen Weißen Thron« zu unterscheiden. Dieser wird erst nach dem sichtbaren Herrlichkeitsreich der alten Erde, ja, nach dem Untergang der ganzen, alten Welt aufgerichtet werden (Off. 20, 11). Er ist aber auch von dem Gericht am Anfang des Tausendjährigen Reiches zu unterscheiden (Matth. 25, 31‑46; Off. 20, 4). Denn dort werden, nach der Wiederkunft Christi, die dann lebenden Nationen gerichtet. Der »Jüngste Tag«, als der »Tag des Gerichts« (1. Joh. 4, 17), umfaßt also drei zeitlich zu unterscheidende Gerichte:

a) das Gericht über die Gemeinde, d. h. die Entrückten: vor dem »Richterstuhl Christi«, vor dem Tausendjährigen Reich,

b) das Gericht über die Völker, d. h. über die dann Lebenden: vor dem »Thron seiner Herrlichkeit«, zu Beginn des Tausendjährigen Reiches (Matth. 25, 31) und

c) das Gericht über die Allgemeinheit, d. h. über die Toten (Off. 20, 12). vor dem »Großen Weißen Thron«, nach dem Tausendjährigen Reich.

II. Der Richter ist Christus, »der HErr, der gerechte Richter« (2. Tim. 4, 8). Denn alles Gericht hat der Vater dem Sohne gegeben (Joh. 5, 22). Darum ist es auch vor dem Tausendjährigen Reich sowohl der »Richterstuhl Christi« (2. Kor. 5, 10) als auch der »Richterstuhl Gottes« (Röm. 14, 10).

III. Die Personen sind »wir alle« (2. Kor. 5, 10), die »Einheimischen« und die »Ausheimischen«, alle Erlösten, die dann Lebenden und die schon Entschlafenen. Wohl ist, wer an den Sohn glaubt, von dem Endgericht befreit (Joh. 5, 24; Hebr. 10, 14) (denn es gibt »keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind«, Röm. 8, 1); aber die Frage der Treue (1. Kor. 4, 2‑5) und die Festsetzung des »Lohnes« (1. Kor. 3, 14; Kol. 3, 24) oder auch des »Verlustes« (1. Joh. 2, 28) erfordert einen besonderen »Gerichtstag« (1. Joh. 4, 17) auch für die Gläubigen! Hier handelt es sich dann nicht mehr um die Frage der Errettung, wohl aber um das Maß des Lohnes der Gnade.

IV. Die Strenge. »Der HErr wird sein Volk richten« (Hebr. 10, 30). Auch für die Seinen wird der Tag »im Feuer geoffenbart« werden (1. Kor. 3, 13). Darum spricht Paulus gerade in Verbindung mit dem Richterstuhl Christi (!) von einem »Schrecken des HErrn« (2. Kor. 5, 11)! »Schaden« und »Verlust« (1. Kor. 3, 15; 2. Joh. 8), »Beschämung« von seinem Angesicht her (1. Joh. 2, 28), »Verbrennung« des ganzen Lebenswerkes (1. Kor. 3, 13), selber gerettet werden, doch nur wie ein Brand aus dem Feuer, »wie einer, der bei einem Brande nur mit dem nackten Leben davonkommt« (1. Kor, 3, 15) ‑ das sind Möglichkeiten, denen wir ins Auge sehen müssen! Brechen wir darum dem Schwert die Spitze nicht ab (Hebr. 4, 12)! Bei aller Gewißheit der Errettung und aller Alleinigkeit des göttlichen Tuns gilt das Wort: »Bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern!« (Phil. 2, 12.)

V. Der Maßstab ist die Treue (1. Kor, 4, 1‑5; Matth. 25, 21), das Ganze unseres Lebens, das Ergebnis unseres Gewordenseins. Nicht nur unsere Taten, sondern auch unsere Möglichkeiten, nicht nur, was wir waren, sondern auch, was wir hätten sein können, nicht nur unsere Handlungen, sondern auch unsere Unterlassungen (Jak. 4, 17); nicht die Arbeit, sondern der Arbeiter, nicht die Menge, sondern das Gewicht unserer Taten (1. Sam. 2, 3), nicht nur, was wir erreichten, sondern auch, was wir erstrebten. Von unseren Werken gelten vor allem die Opfer, von unserer Gesinnung nur selbstlose Liebe, von unserm Besitz nur, was wir in den Dienst stellten. Von unsern Sünden aber gilt der Satz: Was wir gerichtet haben, wird er nicht mehr richten (1. Kor. ‑11, 3‑1); was wir aufgedeckt haben, wird er zudecken (1. Joh. 1, 9; Hebr. 8, 12); was wir aber zugedeckt haben, wird er aufdecken (Luk. 12, 2)! In dem allen aber wird er auf das Innerste schauen, auf die Triebkräfte und Beweggründe, auf die Ratschläge der Herzen, auf die im Dunkeln verborgenen Geheimnisse der Seele (1. Kor. 4, 5; 1. Sam. 16, 7; Hebr. 4, 13; Psalm 139).

Vl. Das Ergebnis wird sehr verschieden sein. Auch den Sei­nen gegenüber ist der HErr »der gerechte Richter« (2. Tim. 4, 8).
Die einen haben Heu, Stroh und Stoppeln gebaut ‑ ihr Werk wird verbrennen; die andern haben Gold, Silber und kostbare Steine gebaut ‑ ihr Werk wird das Feuer bewähren (1. Kor. 3, 12‑15).

Die einen haben in Treue gedient ‑ sie werden groß sein im Reiche der Himmel (Matth. 5, 19; Luk. 19, 17); die andern haben auf das Fleisch gesät ‑ sie werden das Verderben ihres Lebenswerkes ernten (Gal. 6, 6‑8).

Die einen sind »lauter«, »tadellos« und »unanstößig« (Phil. 1, 10; 1. Kor. 1, 8) ‑ sie werden den »Kampfpreis« gewinnen (Phil. 3, 14); die andern sind arm (Off. 3, 17) und »unbewährt« (1. Kor. 9, 27) ‑ sie werden »Verlust« erleiden (1. Kor, 3, 15; 2. Joh. 8; 2. Tim. 2, 5).

Die einen haben »Freimütigkeit« am Tage des Gerichts (1. Joh. 4, 17); den andern wird »Beschämung« zuteil (1. Joh. 2, 28).

So empfängt jeder, was ihm zusteht (Hebr. 6, 10; 1. Kor. 4, 5; 2. Tim. 4, 8), »ohne Ansehen der Person« (1. Petr. 1, 17), je »nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse« (2. Kor. 5, 10; Kol. 3, 24; 25). Die »Errettung« hängt mit dem Glauben zusammen, der »Lohn« mit der Treue. Als »Söhne« empfangen wir sein Leben, als Diener seine Belohnung. »Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir« (Off. 22,12).

Aber alle werden errettet, und alle werden leuchten, wenn auch verschieden an Herrlichkeit und Glanz (1. Kor. 15, 40­42). Es wird »große« und »kleine« Gefäße dereinst geben; aber alle werden gefüllt sein. Es wird Grade und Stufen der Herrlichkeit geben (Matth. 25, 14‑30), aber unterschiedslose Glückseligkeit (Matth. 20, 1‑16)! Denn der Diener und der Dienste sind viele, aber der HErr ist nur einer.

Die Getreuen aber werden besonders gekrönt:
die siegreichen Kämpfer ‑ mit der »Krone der Gerechtigkeit« (2. Tim. 4, 8);
die zielbewußten Wettläufer ‑ mit der »unvergänglichen Krone« (1. Kor. 9, 25);
die bis zum Tode Getreuen ‑ mit der »Krone des Lebens« (Off. 2, 10; Jak. 1, 12);
die selbstlosen Arbeiter ‑ mit der »Krone des Ruhmes« (1. Thess. 2, 19 Vgl. 3‑6; Phil. 4, 1);
die Vorbilder der Herde ‑ mit der »Krone der Herrlichkeit« (1. Petr. 5, 3). 

VII. Die Herrlichkeit.

 Durch dies alles wird für die Gemeinde die Vollendung kommen. »Und ich hörte wie eine Stimme einer großen Volksmenge und wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner, welche sprachen: Halleluja! Denn der HErr, unser Gott, der Allmächtige hat das Reich eingenommen. Lasset uns fröhlich sein und frohlocken und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen und sein Weib hat sich bereitet . . . Glückselig, die geladen sind zum Hochzeitsmahl des Lammes« (Off. 19, 6‑9).

Gleichzeitig ist aber auch der große Tag angebrochen, an dem der HErr das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige der Erde auf der Erde heimsuchen wird (Jes. 24, 2‑1), und an dem es ihm wohlgefällt, das große Reich der Macht und Herr­lichkeit seiner »kleinen Herde« zu geben (Luk. 12, 32). »Ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten« (Off. 20, 4). »Die Heiligen des Höchsten werden das Reich einnehmen« (Dan. 7, 18; Off. 1, 6; 5, 10). Die vor dem Preisrichterstuhl Christi Gerichteten werden zu den Richtern der Welt gemacht werden. Sie werden die Herrschaftsaristokratie im ewigen Himmelreich sein.

Und weil sie »ein Leib« sind, darf der einzelne nicht vor der Gesamtheit verherrlicht werden (1. Thess. 4, 15). Das Ganze ist ein »Erbe der Heiligen im Licht«, und der einzelne hat nur einen »Anteil« daran (Kol. 1, 12). Sie alle zusammen sind ein »Königreich«, ein »Königtum« (Off. 1, 6; 5,10), und die einzelnen sind darin »Priester und Könige«. Das Ganze ist dem einzelnen übergeordnet. Der einzelne ist eingereiht in den Gesamtverlauf des Ganzen. Der einzelne kann darum seine Vollendung nicht haben in seiner Vereinzelung, sondern nur in persönlichem Lebenszusammenhang mit der vollendeten Gesamtheit.

Daher das Warten der Entschlafenen auf die Vollendung der kommenden Generationen (Hebr. 11, 40; Off. 6, 10).

Daher noch nicht gleich beim Tode die Umkleidung der »Seelen« (Off. 6, 9; Hebr. 12, 23) mit dem kommenden Herrlichkeitsleibe . – (Dies geschieht erst »bei seiner Ankunft« (l. Kor. 15, 23). Das Erscheinen von Mose und Elia bei der Verklärung (Matth. 17, 3) und die Auferstehung vieler alttestamentlicher Heiligen bei der Auferstehung Jesu (Matth. 27, 52) sind Ausnahmen um der persönlichen Herrlichkeit Jesu willen und des Triumphes seines Werkes von Golgatha). –

Daher das zeitliche Zusammenfallen der Auferstehung der Toten in Christo mit der »Überkleidung« (2. Kor. 5, 2‑4) der dann Lebenden bei der Entrückung (1. Thess. 4, 15). Denn das Endziel des Ganzen ist ein Organismus, nicht nur Errettung des einzelnen, sondern Verherrlichung der Gesamtheit, nicht nur persönliches Seligwerden, sondern das »Reich Gottes« (Matth. 6, 10).

Und gleichwie jetzt Gottes kosmisch‑universaler Weltenstaat unter der Verwaltung von Engelbezirksfürsten steht (vgl. Dan. 10, 13; 20), so wird dann die Schar der Erlösten über Sonnen und Welten mit Christo, ihrem Haupte, königlich regieren (Off. 22, 5). »Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden? Wisset ihr nicht, daß wir Engel richten werden?« (1. Kor. 6, 2) Darum: »Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron« (Off. 3, 21

Die Hervorhebungen im Text habe ich vorgenommen. Horst Koch, Herborn, im November 2009

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Marienerscheinungen im Licht der Bibel (E.M.Slade)

Elvira Maria Slade

MARIA

Die unbekannten Seiten der „Mutter Gottes“

Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Regieanweisung
Kapitel 2: Dramaturgie
Kapitel 3: Rollenspiele
Kapitel 4: Weltstar
Kapitel 5: Imagepflege
Kapitel 6: Dramatische Szenen 

–  Hier einige Auszüge  – 

Wie dieses Buch entstanden ist

Elvira Maria Slade, geb. 1939 in Rosenberg/Oberschlesien, war u.a. tätig als Diplom‑Bibliothekarin und Bibliotheksleiterin in öffentlichen Bibliotheken, als Bibliotheksangestellte in einer wissenschaftlichen Bibliothek sowie als Stadtarchivarin. Als solche ist sie gründliches Quellenstudium gewohnt, was die vorliegende Arbeit durch die Fülle der zitierten Belege beweist.

Die Beschäftigung mit den Marienerscheinungen entsprang nicht dem Wunsch, eine vorgefaßte Meinung zu festigen, sondern wurde aus der Absicht heraus vorgenommen, sich selbst Klarheit über den Ursprung der für die römisch‑katholische Kirche so wichtigen Marienverehrung zu verschaffen. Sie warf folgende Fragen auf:

1. Handelt es sich bei den Marienerscheinungen tatsächlich um die biblische Maria, die Mutter des Erlösers Jesus?

2. Wenn nicht, wer ist sie dann?

3. Ist ihr wirklicher Name in der Heiligen Schrift genannt?

4. Woher kommt diese Erscheinung?

5. Worauf zielt sie mit ihren Botschaften?

Bevor festgestellt werden kann, wer diese Maria ist, die seit fast 2000 Jahren die römisch‑katholische Kirche und ihre Gläubigen besucht, muß darauf hingewiesen werden, wer sie nicht ist: Deshalb bleibt sie vorerst Maria das Rätsel! Dieses Buch soll darum Information über ein Phänomen vermitteln, das die Christenheit nicht gleichgültig lassen kann, denn die Frage nach der Identität dieser Erscheinungen ist von weitreichender Bedeutung, auch im Hinblick auf die ökumenischen Bestrebungen der christlichen Konfessionen. . . .

Die wirklichen Hintergründe der Marienverehrung gehen jeden Christen an, und so richtet sich diese Untersuchung auch an alle Christen, die dem Wort Gottes verpflichtet sind. Als Argumentationsgrundlage gelten allein die beiden Aussagen der römisch‑katholischen Kirche:

• “Da sich das Neue Testament als Erfüllung des Alten Testaments versteht, kann man beide Testamente nicht voneinander trennen. Sie müssen sich gegenseitig interpretieren und bilden zusammen die eine Heilige Schrift des Alten und des Neuen Bundes. Sie ist die Urkunde unseres Glaubens, an der sich jegliche kirchliche Verkündigung nähren und orientieren muß…” (KEK Bd 1, 47 = Kath. Erwachsenenkatechismus)

• “Privatoffenbarungen, selbst diejenigen, die von der Kirche anerkannt wurden, gehören nicht zum Glaubensgut … da diese Privatoffenbarungen dem Glauben der Kirche keine neuen Wahrheiten hinzugefügt haben…”

Es ist zu überprüfen, inwieweit sich die römisch‑katholische Kirche in der kirchlichen Glaubenspraxis an ihre eigenen Vorgaben hält.

Einleitung

Um von vornherein den Vorwurf auszuschließen, die nachfolgende Ausführungen seien dazu bestimmt, die Kirche zu verleumden, soll deshalb auch für die Überprüfung aller Botschaften der Erscheinungen die Lehre dieser Kirche gelten: Der katholische Erwachsenen‑Katechismus bezeugt die Heilige Schrift als das authentische Wort Gottes. Da der Wahrheit des Wortes Gottes, als kostbarster und ältester Überlieferung, keine nachgeordnete Tradition widersprechen darf, ist auch die Marienverehrung an diesem Wort Gottes auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen. Paulus gibt ein eindeutiges Kriterium vor, an welchem jedwede Lehre zu messen ist:

“Doch wenn selbst wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben, so sei er verflucht!” (Gal. 1,8)

Maria ‑ so, wie Gottes Wort sie uns darstellt, ist also

1. die demütige Dienerin (Siehe, ich bin die Magd des Herrn …) gemäß ihrer eigenen Aussage (Lk. 1,38)

2. die Begnadete (Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft gemäß der Aussage des Engels (Lk.1,28 ff) und der Elisabeth (Lk. 1, 42 ff)

3. die Gepriesene (Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter) gemäß ihrer eigenen Aussage (Lk. 1,48)

4. die Mutter unseres Herrn, also des Messias, Erlösers, Gottessohnes, Gottmenschen Jesus

5. die Bittende bei unserem Herrn; siehe: Hochzeit zu Kana (Joh. 2, 1 ff), die aber nichts aus eigener Machtvollkommenheit bewirken kann und sich zuerst sogar abweisen lassen muß und mit den Worten auf Jesus weist: “Was er euch sagt, das tut!” (Joh. 2,5)

6. aber auch als Geschöpf Gottes ein Mensch, eine Frau, die selbst um Jesu Willen nicht allzu sehr gepriesen werden darf, denn Jesus persönlich unterbindet dies bei einer seine Mutter mit den Worten “Selig der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die dich genährt haben” (Mt. 11,2 7) preisenden Frau gegenüber, mit folgender Mahnung: “Gewiß, doch glückselig, die das Wort Gottes hören und befolgen” (Lk. 11,28) und die auch als seine Mutter hinter denen, die Gottes Willen tun, zurückstehen muß (Matth. 12,47‑50), also für Jesus zweitrangig nach seinen Jüngern kommt,

7. die Schwester im Glauben, wie von der frühen Kirche bezeugt, die mit den Fröhlichen feiert (Hochzeit zu Kana) und mit den Trauernden weint (unter dem Kreuz)

8. die Jüngerin des Herrn (“Und als sie hineinkamen, stiegen sie hinaus in das Obergemach des Hauses, wo sie sich aufzuhalten pflegten: Petrus, Johannes … Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.” (Apg. 1,13) “Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle beieinander.” (Apg. 2, 1)

9. die Betende, wie dargestellt auf einigen Bildern

10. als Spiegel der Kirche wie sie sein sollte, nämlich demütig Gott dienend und die Heilige Schrift befolgend.

Das Lehramt der Kirche dürfte demnach nicht einerseits die vollständige Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift lehren, andererseits aber sich mit seinen auf nach‑ und außerbiblische Traditionen beruhenden Lehrsätzen offen zur Heiligen Schrift in Widerspruch begeben; denn damit würde es sich der Verbreitung von Irrlehren schuldig und das Wort Gottes verächtlich machen. Da die Heilige Schrift sehr wenig über Maria berichtet und unser Herr Jesus selbst vor der übertriebenen Verehrung seiner Mutter gewarnt hat, muß gesichert sein, aus welchen christlichen, der Bibel nicht widersprechenden Quellen die Mariologie gespeist wird; ob sie beispielsweise nicht auf einer unheilvollen Kombination von Phantasievorstellungen einiger Kirchenväter, sowie aus heidnischer Tradition stammender Volksfrömmigkeit und den Offenbarungen sogenannter Marienerscheinungen beruhen, deren Herkunft nicht zweifelsfrei auf den von Christen im Glaubensbekenntnis bekannten Gott zurückgeführt werden kann.

Wenn diese Problematik nicht zufriedenstellend auf der Basis der Heiligen Schrift geklärt ist, dürfen keinem Gläubigen die Lehrsätze der Mariologie, inklusive der Mariendogmen, aufgezwungen werden, da sie nicht im Wort Gottes verankert sind, sondern allein der heimlichen Sehnsucht eines Teils der aus dem Heidentum stammenden Christen nach ihrer jahrtausendealten Verehrung einer Muttergottheit Rechnung tragen. Auch dürfte keine außerbiblische Tradition Maria als Nebengöttin aufbauen. Hätte Gott sie zu göttlichen Ehren erheben wollen ‑ Er hätte es in der Heiligen Schrift wenigstens angedeutet, denn die Heilige Schrift ist das, was Gott uns über Seinen Weg mit uns wissen lassen will. Maria, die echte Mutter des Herrn, spielt in der Heilsgeschichte Gottes die Rolle eines kostbaren Mittels zum Zwecke der Menschwerdung Christi; nicht weniger, aber auch nicht mehr. Maria bleibt auch nach der Lehre der Kirche ein Geschöpf Gottes und darf deshalb nicht göttliche Ehren genießen. …

Im Verlauf der Beschäftigung mit den Marienerscheinungen der vergangenen 2000 Jahre verstärkt sich jedoch der Eindruck, daß Maria die römisch‑katholische Kirche und ihre Gläubigen regiert: Glaube und Lehre leben von ihren Botschaften, das Leben der Gläubigen ist so eng mit der Verehrung ihrer Madonna verwoben, daß sich der Gedanke, Maria IST die katholische Kirche, unwillkürlich zu regen beginnt. Im Hinblick auf die weltweite Ausdehnung der katholischen Kirche und den Machtfaktor, den sie unbestreitbar darstellt, ist eine ausführliche Wertung der marianischen Botschaften auf der Grundlage der Bibel unbedingt notwendig. Es muß der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Marienverehrung mit dem Wort Gottes vereinbaren läßt.

Nicht nur aufgrund der sensationshungrigen Menschenmassen, die die Marienerscheinungen in Orten wie Fatima, Lourdes, Medjugorje und anderen weltweit auf sich zu ziehen verstehen, sondern auch wegen des Unterhaltungswertes dieser Ereignisse, samt der durchweg theatralischen Art, in der diese stattfinden, sind für die Strukturierung dieser Untersuchung Begriffe aus der Welt der Bühne hinzugezogen worden, um Streiflichtern aus einer anderen Sphäre als der uns alltäglich umgebenden Theaterwelt gleich ‑ ein Endzeitzeichen zu setzen. Denn da die Erscheinungsart der Maria überwiegend als spektakulär beschrieben werden kann, liegt es nahe, für diese Veranstaltungen den bildhaften Vergleich des Theaters aufzugreifen, mit dem Erdkreis als Bühne für ein faszinierendes Schauspiel, das viele Menschen weltweit in seinen Bann zieht und das seit fast 2000 Jahren inszeniert wird.

Kapitel 1: Regieanweisung

“Sein Auftreten zeigt sich entsprechend der Kraftentfaltung des Satans in jeder Art von Macht, trügerischen Zeichen und Wundern, in jeder Art böser Verführung für jene, die verlorengehen, weil sie der Liebe zur Wahrheit nicht Einlaß gaben, um gerettet zu werden. Daher schickt ihnen Gott die Kraftentfaltung der Verführung, daß sie der Lüge glauben, damit alle das Gericht erfahren, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern Gefallen hatten am Frevel.” (2. Thess. 2, 9 ‑ 12)

Unterscheidung der Geister ‑ Antichristliche Merkmale der Marienphantome

Die katholische Kirche war von Anfang an bemüht, eine wirksame Unterscheidung der Geister herauszuarbeiten. Ob aber ihren Bemühungen Erfolg zugesprochen werden kann, ist zweifelhaft, da sich die in negative und positive Kennzeichen aufgliedernden Kriterien wohl kaum dafür eignen, eine Unterscheidung zwischen himmlischen Boten und höllischen Abgesandten vorzunehmen. Als negative Kennzeichen werden in der mit Imprimatur versehenen katholischen Literatur folgende gewertet:

• ” Ist in den Worten der Erscheinung ein formeller Irrtum enthalten, der einer bestimmten offenbarten Wahrheit (nicht nur einer theologischen Ansicht) widerspricht, so kann die Erscheinung nicht von Gott kommen” ‑ Wenn aber die als Kriterium benutzte geoffenbarte Wahrheit nicht Gottes Wort entspräche, sondern einer anderen Quelle entstammen würde, so könnte auch die Entscheidung, diese Erscheinung zu senden, nicht von Gott sondern von einer anderen Macht kommen, selbst wenn die Erscheinung sich keines formalen Irrtums schuldig gemacht hätte.

“Ist bei den Erscheinungen selbst oder in deren Reden etwas enthalten, das mit der christlichen Sittenlehre unvereinbar ist, so sind die angeblichen Erscheinungen Produkt krankhafter oder perverser Veranlagung oder teuflischer Mache.” ‑ Selbstverständlich halten sich Dämonen ‑ verkleidet als Engel des Lichts ‑ an die christliche Sittenlehre! Wenn sie sich aber an diese Sittenlehre halten, jedoch den Glaubensinhalt der Heiligen Schrift in Frage stellen, wäre wiederum die Entscheidung nicht Gott, sondern einer anderen Macht zuzuschreiben.

• “Fordert die angebliche Erscheinung den Seher auf zu Ungehorsam gegen die rechtmäßige Obrigkeit, so kann hier von einer himmlischen Offenbarung keine Rede sein.” – Dieses Kriterium ist nicht schlüssig, denn die Heilige Schrift sagt ausdrücklich, daß der Mensch Gott mehr zu gehorchen habe als den Menschen (Apg. 5,39), also der Hinweis auf den Gehorsam der Obrigkeit gegenüber in diesem Falle nicht stichhaltig ist.

Von den positiven Kennzeichen werden folgende genannt:

• “Ereignen sich die Erscheinungen würdevoll und erbauend, verbreiten sie Frieden und innige Liebe zu Gott, bewirken sie eifrigeres Beten und sühnende Bußübungen, treiben sie an zu Gehorsam und Bescheidenheit, so darf eine himmlische Erscheinung angenommen werden.” ‑ Bei diesem Kriterium sind mehrfache Trugschlüsse zu verzeichnen: Es steht zu erwarten, daß sich Satan, als zum Engel des Lichts verkleidet (2. Kor. 11), in eben der oben beschriebenen heuchlerisch‑hoheitsvollen Art darstellt, sonst könnte er wohl schwerlich mit seiner Absicht zu verführen, Erfolg haben; die von ihm erzeugte Liebe ist daher eine Liebe zu einem Neben‑Gott, dem auch der Gehorsam und die Bußübungen gelten.

• “Sind die Erscheinungen ganz ausgerichtet auf Gottes Ehre statt auf persönliche Vorteile und menschliche Ziele, so wäre ein rein menschlicher und erst recht ein teuflischer Ursprung nicht leicht annehmbar.” ‑ Da alle Erscheinungen ausnahmslos nach den bei ihrer Vorstellung zur Einführung gegebenen Hinweisen auf ihre gottgesandte Botschaft die eigene Ehre fordern und menschliche Ziele, wie die Vermeidung von Krieg oder kirchliche Belange statt der Botschaft der Heiligen Schrift im Vordergrund stehen, hätte dieses Kriterium, falls es tatsächlich angewandt würde, allein schon die Möglichkeit, die Unterscheidung der Geister vorzunehmen. Aber hinsichtlich der Marienerscheinungen wirkt die katholische Kirche blind ‑ zu viele ihrer Mitglieder würden sie verlassen, wenn die Marienverehrung aufgegeben werden müßte.

• “Wenn schon eine gewisse Zeit hindurch auf Grund der Erscheinungen das Heil der Seelen mächtig gefördert wird, und manche Seele hierdurch wieder heimfindet zu Gott, so kann eine teuflische Beeinflussung bei der Entstehung dieses Gnadenortes nicht angenommen werden. Denn Satan wird sich nicht selbst schaden!” ‑ Dieses Kriterium enthält einen tödlichen Fehlschluß, da es nicht berücksichtigt, daß Satan als “Vater der Lüge” gilt. Das Heimfinden zu Gott kann von Menschen nicht eindeutig überprüft werden, denn das Anrufen Gottes besagt noch lange nicht, daß der Mensch auch den biblischen Gott, den wir anbeten, meint. Gerade das Entstehen der Gnadenorte jedoch nach Maßgabe des zum Engel des Lichts verkleideten Satans und eben nicht nach dem Willen Gottes ‑ ist Satan von größerem Nutzen, als wenn er offen als Feind Gottes auftritt. Denn schließlich sagt die Heilige Schrift, daß er auch die Gläubigen, wo möglich, verführen wolle. Und wie anders könnte er dies bewerkstelligen, als daß er sich als angeblich “von Gott gesandt” darstellt?

Die Wunder und Zeichen werden zwar nicht als Unterscheidungskriterium gewertet, wichtig ist aber, daß ihre Ablehnung folgendermaßen in der katholischen Literatur bewertet wird: “Satan liegt viel daran, wenn die außergewöhnlichen Sonnenwunder und Blumenregen von einer rationalistischen Scheinwissenschaft Massensuggestion’ und der Rosenblätterregen zu Lipa okkulte (dämonische) Materialisation) genannt werden.” Hier wird außer acht gelassen, daß Gott selbst uns vorwarnt und uns kundtut, daß auch Satan Wunder und Zeichen wirken kann und wird, demnach Satan noch mehr daran interessiert sein mag, diese seine “Wunder” als von “Gott” kommend darzustellen!

Die Ablehnung der Marienerscheinungen wird von der Kirche generell als Hinweis auf eine ungläubige oder rationalistisch‑christliche Geisteseinstellung abgetan und als Argument die Heilige Schrift zitiert: “Habt acht, daß niemand die Gnade Gottes verscherze! ‑ Seht zu, daß ihr den (bzw. Die) nicht abweist, Die da redet!’ (Hebr. 12,13.25).

Daß die Verwendung dieser biblischen Worte in dem vorliegenden Kontext unpassend ist und daß statt dessen die Warnung Pauli vor einem falschen Evangelium beachtet werden sollte, wird nicht zur Kenntnis genommen. Maria ‑ die Erscheinung ‑ wird als Vorläuferin des Herrn vor Seinem erneuten Wiederkommen gesehen, in Anlehnung an den Wegbereiter Johannes. Obwohl die Heilige Schrift den Antichristen, und nicht die biblische Maria, als Vorläufer des in der Offenbarung vorausgesagten Kommens unseres Herrn bezeichnet, wird dieser Zusammenhang übersehen. Maria wird mit einer solchen Ausschließlichkeit geliebt und verehrt, daß sogar die Wahrheit des Evangeliums zugunsten der Lüge einer marianischen Verherrlichung zurückgestellt wird. Die katholische Literatur verficht die Authentizität ihrer Marienerscheinungen folgendermaßen: “Jesus hat für die Zeit der Kirche’ vorgesorgt, er ermöglicht Begegnung mit dem Gottesgeist, indem er den Parakleten sendet, den Geist der Wahrheit, der in die ganze Wahrheit führt, der sagt, was er hört, und verkündet, was kommen wird’ (Joh. 16,13) Die vielen hundert Marienerscheinungen, die in diesem Buch gesammelt dargestellt werden, können als Teil dieses Wirkens des Gottesgeistes verstanden werden. Was damals noch nicht zu fassen war, das wird jetzt von Maria verkündet, die schon zur Zeit Jesu eine wichtige Funktion im Rahmen des Heilsplans Gottes hatte. Gerade das Wirken der Gottesmutter ging und geht in verstärkter Weise durch die Jahrhunderte bis heute weiter und ist als Dienst an der ganzen Wahrheit’ zu verstehen.” (H/N = Hierzenberger/Nedomansky – Botschaften der Gottesmutter Maria; Dokumentation durch zwei Jahrtausende, 1993) – Dieser Trugschluß ist von weitreichender Konsequenz für die korrekte Auslegung der Bibel,

• denn gemäß Heiliger Schrift kam der von Jesus versprochene Gottesgeist im Pfingstereignis und erleuchtet seither die Menschen, indem er ihnen Schritt für Schritt im Verlauf der Jahrhunderte die Heilige Schrift erschließt ‑ ein weiterer Geist ist nicht notwendig und auch nicht vorgesehen;

• die ganze Wahrheit ist in der Heiligen Schrift enthalten, die mit der von Johannes übermittelten Offenbarung Jesu Christi abschließt, daher sind weitere Zusätze nicht von Gott inspiriert;

• deshalb warnt die Heilige Schrift auch vor den Lehren der Dämonen und die Erscheinungen können eben nicht auf das “Wirken des Gottesgeistes” zurückgeführt werden, wenn ihre Botschaften die Aussagen der Bibel verändern oder Neuoffenbarungen bringen,

• Marias Stellung im Heilsplan Gottes ist in der Heiligen Schrift enthalten: sie war das von Gott erwählte Gefäß für die Menschwerdung Christi ‑ eine weitere Funktion davon abzuleiten, ist gegen die Heilige Schrift gerichtet und daher Irrlehre,

• beim Zitieren des “Geistes der Wahrheit” werden Jesu erklärende Worte verschwiegen: “Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er nehmen und euch künden.” (Joh. 16,14) Von Maria ist keineswegs die Rede und deshalb können die Marienerscheinungen nicht als “Teil dieses Wirkens des Gottesgeistes verstanden werden “, denn sie verherrlichen nicht Jesus, wie Er in dieser Zitatstelle voraussagt, sondern lediglich Maria, die Jesus fast ausschließlich entweder als hilfloses Kleinkind oder als ständig Gemarterten vorführt, wie eine Überprüfung der Erscheinungen ergibt.

• “Dienst an der Wahrheit” ist demnach: herauszufinden, zu welchem Zweck und Ziel diese nicht biblisch fundierten Botschaften der Marien verkündet werden.

Eine kritische Beleuchtung der Marien‑ und Jesus‑Erscheinungen, gemessen an ihrem eigenen Anspruch und in Beziehung gesetzt zum wahren christlichen Glauben, ergibt auf der Grundlage der Heiligen Schrift, daß die entsprechenden Erscheinungen die Heilige Schrift der Christen und Juden entweder nicht gut genug kennen, um richtig daraus zu zitieren, aber dennoch zielgerichtet anwenden möchten, um vertrauenswürdig zu er­scheinen, was auf eine unausgeglichene Phantasie der “Seher” und “Seherinnen” deuten würde, die sich durch “Botschaften” als fromm erweisen und dadurch religiös profilieren möchten, oder absichtlich Gottes Wort verfälschen, um die nicht widerstandsfähigen Gläubigen zum Abfall von Gottes Wort zu bewegen, wobei es sich in diesem Falle dann um Feinde Gottes handeln müsse.

Die Hypothese, daß es sich bei den sich “Jesus” und “Maria” nennenden Erscheinungen nicht um die in der Heiligen Schrift erwähnten Personen handeln kann, sondern daß sie sich in einer bestimmten noch zu erörternden Absicht für diese Personen ausgeben, soll im folgenden auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden. Die sich mit Hoheitstiteln ausgiebig selbst schmückende herrische “Marienerscheinung ” kann nicht die demütige Mutter unseres Herrn Jesus sein. Wer sie tatsächlich ist, muß sich im Laufe der Ausführungen erweisen, die sich an den in der katholischen Literatur veröffentlichten Marienerscheinungen orientieren.

Mirjam, eine Tochter Israels, von Gott zur Mutter des Messias ausersehen, muß von der Kirche als ein großes Geheimnis Gottes betrachtet werden, weil Marias Leben in der Heiligen Schrift kaum Erwähnung findet und Gott über ihr Schicksal schweigt, obwohl Er um das allgemein mitmenschliche Interesse der Menschen an der Mutter des Erlösers weiß ein Geheimnis, an das der Mensch nicht rühren darf, und welches uns erst in unserer ewigen Heimat bei Gott enthüllt werden mag. Eine Darstellung der Marienerscheinungen auf der Basis der Heiligen Schrift muß deshalb auch als eine Streitschrift für die Ehre der echten Mutter unseres Herrn und Erlösers Jesus und Seines Wortes aufgefaßt werden ‑ gerichtet gegen alle Versuche, Mirjam/Maria den Charakter des “Affen Gottes” überzustülpen, indem das Wort Gottes verfälscht wird.

AUSZUG:

Kapitel 4: Weltstar

“Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen: Sammelt man denn Trauben von Dornen oder Feigen von Disteln?” (Matth. 7,15‑16)

Auftritt der PriMadonna

Bei den Marienerscheinungen muß davon ausgegangen werden, daß sich an den jeweiligen Erscheinungsorten nicht stets das gleiche Phantom zeigt. Diktion und Darstellungsart sind bei den diversen “Marien” recht unterschiedlich, wenn sie auch die gleichen Interessen vertreten und ein gemeinsames Ziel haben. Sie zeigen jedoch hinsichtlich ihrer intellektuellen Fähigkeiten erhebliche individuelle Unterschiede, die eine Spanne von dümmlich‑dreist, über lieblich‑frömmelnd bis aggressiv‑überheblich abdecken, und vergessen manchmal, wie sie an ein und demselben Ort das Medium angeredet haben. Abgesehen davon weist auch schon die Praxis der kirchlichen Verehrung darauf hin, daß es sich nicht um die gleiche “Maria” handelt, wenn von Wallfahrten zu Unserer Lieben Frau von Lourdes, Unserer Lieben Frau von Fatima, Unserer Liebe Süße Frau von Rehkum, usw. gesprochen wird, da daraus ersichtlich ist, daß in dieser Lieben Frau nicht Maria als historischer Mensch, also nicht die tatsächliche Mutter Jesu, sondern ein Trugbild, das an eben diesem Ort erschienen ist, verehrt wird. Im übrigen präsentieren sich die Marien in den verschiedenen Ländern in derart unterschiedlichen Rollen: als Aztekin, Araberin, Inderin … daß schon aus dem Grunde nicht von Maria, der Jüdin, als Erscheinende gesprochen werden kann.

Eine Begründung für den Hang der Marien zur Abwechslung in Form der Behauptung, “Es erscheint nicht der historische Mensch Maria, sondern die himmlische Wesenheit Maria, die sich daher … den jeweiligen Sehern anpassen ist als nicht‑christlich abzulehnen, denn was wäre eine “Auferstehung des Leibes” wert, wenn dieser Leib nicht die Individualität der Auferstandenen widerspiegelt, sondern nur eine Verkleidung darstellt? Der Grund für diese variablen körperlichen Merkmale der Marien liegt wohl eher darin, daß sie eben nicht die Identität der echten biblischen Maria besitzen, sie also auch nicht konkret darstellen können, sich aber auf die Vorlieben der jeweiligen Medien einstellen und einen Körper zeigen, der von diesen Medien am ehesten als vertrauenswürdig akzeptiert wird.

Ebenso theatralisch wie ihr häufiger Rollenwechsel und wie ihre schon erwähnten Dauertränen ist häufig Marias Verhalten und kennzeichnet sie damit als eine echte, verwöhnte PriMadonna:

• Als Unsere Liebe Frau von Guadalupe redet sie in Mexiko einen Erwachsenen an: “mein liebstes kleinstes Söhnchen…”

• Eine italienische Maria in Görz fordert, daß für sie ein Haus erbaut und sie um Gnade angefleht werde. In Monte Berico, ebenfalls Italien, will sie eine Seuche erst beenden, wenn man ihr zu Ehren eine Kirche erbaut.

• Sie lähmt im deutschen Ort Wemding einen Kaplan, der sich erst dann wieder bewegen kann, als er ihr eine Kapelle verspricht. (H/N 167)

• auch als vielgepriesene Frau aller Völker in Amsterdam verhält sie sich wenig hoheitsvoll: “Und nun ist es, wie wenn die Frau mit der Faust auf einen Tisch schlage…” und ihre Sprachspiele in dieser Rolle sind nicht unbedingt geistreich zu nennen: “Ihr sucht und sucht in Para‑dies und Para‑das…”

• In Schio, Italien, läßt sie einen Weihwasserkessel aus der Hand ihres Verehrers zu Boden fallen, wobei sie behauptet: “Ich bin es, die dich segnen muß”, läßt sich aber in Rom durch ein Altarbild als Madonna der Ausgeglichenheit verehren! (H/N 430)

Da Jesus als erwachsener Mensch gestorben ist, erscheint es mehr als eigenartig wenn in der Literatur bei der Beschreibung, daß Maria stets handle, als sei sie lebendig, auch mit aufgeführt ist, “stillt das Jesuskind” (H/N 35). Wenn sie mit Kind abgebildet ist, kann dies als Darstellung einer historischen Wirklichkeit gewertet werden, aber wenn eine angeblich Maria darstellende Erscheinung sich selbst, das Kind stillend, zeigt, dann kann dazu nur gesagt werden: Weil das Kind einwandfrei nicht Jesus sein kann ‑ denn dieser ist ohne Zweifel mittlerweile erwachsen ‑ kann die Mutter ebenfalls nicht mit Maria identisch sein; diese würde ohnehin sich nicht so würdelos benehmen und einen längst vergangenen, lediglich biologisch notwendigen Vorgang in der Lebensgeschichte eines nunmehr Erwachsenen zu konservieren und zu wiederholen trachten.

Die Ansinnen der Maria an ihre Medien sind ebenso eigenartig wie ihr Verhalten, welches folgendermaßen begründet wird: “Wenn z. B. Maria bei manchen Erscheinungen die Seherin auffordert, die Erde zu küssen oder gar etwas von dem dort wachsenden Gras zu essen, so mag dies für unsere Auffassung befremdend sein, aber im Lichte der Askese ist eine solche Forderung wohl begründet, da die Seherin hierdurch ihre Demut und ihren Gehorsam bekundet.” Von Jesus ist in der Heiligen Schrift nicht berichtet, daß er irgendeinen Menschen auf eine derartig perverse Art zur Demut angeleitet hätte, wie es seine angebliche Mutter nun bei ihren Erscheinungen praktiziert:

• In Mettenbach, Deutschland, weist sie ihre Nachfolger an: “Kniet euch in Schmutz und geht im Schmutz, dann bekommt ihr Gnaden, (H/N 230)

• oder gibt, an Bernadette in Lourdes gerichtet, den Befehl, “sich jetzt gleich auf den Knien den Abhang hinaufzubewegen und dabei den Boden zu küssen: Küsse die Erde zur Buße für die Sünder’ “.

• Maria befiehlt im österreichischen Eisenberg a.d.Raab dem Medium, nicht mehr helle Kleidung zu tragen, verlangt von einem kleinen italienischen Mädchen: “… du sollst nicht mit Knaben spielen wie alle anderen. Ich will dich zu Hause wissen…” und besteht im spanischen Garabandál auf den Verzicht von Kaugummi seitens ihres Mediums. (H/N. 414)

• Sie stellt Ansprüche wie “Du gehörst mir”, an einen 14‑jährigen Italiener gerichtet, sagt diktatorisch zu einem 12jährigen Knaben in Melleray, Irland: “Ich will auch dich” (H/N. 508) oder zu einem Florentiner am Tag seiner Priesterweihe: “Du bist mein Diener, als solchen habe ich dich erwählt; und eines Tages werde ich mich in dir verherrlichen.”

Wenn die Menschen nicht schnell genug vor ihr auf die Knie gehen, zwingt sie sie dazu:

• Bei einer Marienerscheinung in Beauraing, Belgien, “stürzten die Kinder gleichzeitig, wie von einem heftigen Stoß getroffen mit einem Ruck auf die Knie’ ” (H/N 291)

• Ein französisches Medium “fühlte sich von einer fremden Macht auf die Knie geworfen und wurde zum fügsamen Werkzeug Marias (H/N 306)

• Ähnliches verspürt ein Landwirt als er Maria sieht “… auf meinen Schultern etwas wie eine schwere Last und fiel instinktiv auf die Knie und ließ die Hacke fallen.”

Übereinstimmend mit diesem eigenartigen Verhalten sind auch die Dro­hungen gegen nicht Mariengläubige, die es ablehnen, sie zu verehren, eigenartig formuliert, denn hauptsächlich die gegen die angebliche Maria gerichteten Beleidigungen werden als Vergehen gewertet:

• “Unser Herr, mein göttlicher Sohn Jesus, ist es müde, weiter die schweren Beleidigungen zu ertragen, die die Menschen gegen die heilige Reinheit begehen. Er wollte bereits eine ganze Sintflut von Strafgerichten schicken … Aber ich habe Fürsprache eingelegt, daß er doch noch Barmherzigkeit walten lasse. Aber ich fordere Gebet und Buße als Sühne für diese Sünden!”

• In einer Vision sieht das Medium, wie vor “das schöne, lebendige Herz der himmlischen Mutter Maria” eine Tafel mit einem schwarz und blutrotverfleckten Herzen gestellt wird, so daß das Unbefleckte Herz kaum mehr zu sehen ist. Dazu erklärt die Marienerscheinung, dies symbolisiere eine falsche Lehre über sie selbst und ihr heiliges Herz. Obwohl ihr ihre Lehre vom Herrn gegeben worden sei, würde sie von den Menschen zertreten werden. Die blutrote Farbe werde die Strafe dafür symbolisieren: “… im Blute werden sie enden, und die schwarzen Tage werden kommen … Viele möchten noch lange leben, aber sie werden in einem Augenblicke im höllischen Abgrund verschwinden.”

Nicht nur Maria, sondern auch ihr Pseudo‑Jesus bedrohen die Maria Wi­derstand leistenden Menschen. (H/N 394) Sie bezeichnen alle, die ihnen nicht glauben, als unter Satans Einfluß stehend und künden ihnen Strafen an. ‑ Wie können die unglückseligen Opfer dieser Erscheinungen wissen, daß sie selbst einem verlogenen Trugbild hörig sind, wenn die Kirche nicht dagegen einschreitet, sondern sogar Priester die Marienverehrung unterstützen?

Mit der Ablehnung, die Intelligenz einzusetzen, wird die von Gott den Menschen gegebene Fähigkeit, sachlich wahr von falsch zu unterscheiden zurückgewiesen und verdrängt, daß Satan nicht nur als “brüllender Löwe”, sondern auch als “sanftes Lamm” auftritt. Die Dämonen sind wandlungsfähig und die Hölle unterstützt gern und willig ein jegliches Christentum samt christlichen Grundwerten, solange nicht Jesus Christus, sondern Maria von den Gläubigen verehrt wird.

Auch Satan wird von seinen Boten: Gott, Fürst, Vater, Herr genannt ‑ dies sind Titel, die für auf den allmächtigen Gott gerichtete Anreden gehalten werden können. Und da Satan nicht umsonst als der Affe Gottes bezeichnet wird, gibt es auch eine höllische Dreieinigkeit, so daß die Bezeichnung der Dreieinige durchaus nichts mit dem christlichen Konzept des Dreieinigen Gottes gemeinsam haben muß. Auf Emotionen allein zu vertrauen, ohne den gottgegebenen Intellekt zu nutzen, bedeutet stets, ebenso in die Irre zu gehen, wie dies bei einem nur auf kaltem Intellekt basierenden Handeln der Fall sein wird. Und kirchliche “Hingabe” ist in jedem Falle Sünde, wenn die Kirche eine antichristliche Lehre verbreitet.

Als eine der Schlüsselszenen im marianischen Melodrama kann folgende gelten, die im Jahre 1879 in Cnoc Mhuire, Westirland, an einem regnerischen Abend, vor 15 Erwachsenen und Kindern, stattfindet:

• „Vor einem leuchtenden Hintergrund schwebte Maria, bekleidet mit einem weißen Gewand und einem weißen Mantel, der lose herunterhing. Auf ihrem Haupte trug sie eine reichverzierte goldene Krone mit kostbaren Edelsteinen. Ihre beiden Hände hielt sie erhoben, wie der Priester bei der hl. Messe. Ihr Blick war zum Himmel gerichtet. Sie war barfuß. Zu ihrer rechten Seite stand der hl. Josef, auch in weißem Kleid. Das Haupt hielt er ehrfurchtsvoll zur allerseligsten Jungfrau hin leicht geneigt. Seine Hände waren wie zum Gebet gefaltet. Zur linken Seite Mariens stand eine ehrwürdige Bischofsgestalt, in weißem Bischofsornat, auf dem Haupte eine Mitra, in der Linken ein geöffnetes Buch, die rechte Hand erhoben, als ob er dem Volke predige. Die Anwesenden waren der Ansicht, es sei der hl. Evangelist Johannes. Tatsächlich befand sich in der Kirche von Lecanvey eine ähnliche Statue des Johannes‑Apostel, allerdings ohne Mitra. Und nun das Wunderbarste bei dieser Erscheinung: Zur linken Seite (vom Zuschauer rechts) der drei himmlischen Gestalten erschien in hellem Licht ein einfacher, schlichter Altar, auf dem ein Lämmchen stand und hinter dem Lämmchen ein großes Kreuz. Das Lämmchen schaute hin zu Maria und den Anwesenden. Rund um den Altar waren Lichtstrahlen, goldleuchtende Sterne und schwebende Seraphim…“

Nicht nur in der mit emotionsgeladener Ehrfurcht durchdrungenen Berichterstattung liegt die Bedeutung dieser Vision ‑ Marienerscheinungen zeichnen sich grundsätzlich durch allzu große Gefühlsbetontheit verbunden mit einer unangebracht unterwürfigen Haltung der Menschen aus sondern daß diese von mehreren Menschen über einen längeren Zeitraum wahrgenommenen Gestalten keine Botschaft von sich geben, ist bemerkenswert. Hier liegt also die zu verkündende Botschaft allein in der dargestellten Szene, die so entschlüsselt werden könnte:

Maria bildet den Mittelpunkt des Geschehens. Alles andere ‑ Personen ebenso wie Ereignisse ‑ dienen nur dazu, ihre Bedeutung zu unterstreichen. Jeder blickt auf sie; sie ist also der allen anderen übergeordnete Machtfaktor. Das zeigt auch die Gestaltung des Altares: einfach, schlicht ‑ aber mit Lämmchen und Kreuz. Auch das Lämmchen schaut zu Maria, als ob es seine Befehle von ihr erhielte. Statt des sonst üblichen Kleinkindes, ist Maria hier mit einem Lämmchen als Statisten versehen, das wohl das Lamm Gottes repräsentieren soll. Allerdings ist es in der Gegenwart von Maria zur Hilflosigkeit verdammt. Maria ‑ das Zentrum der Welt, des Himmels und der Erde ‑ um das sich alles dreht, zu dem alles zustrebt; und Jesus lediglich als Symbol noch vorhanden, als Lämmchen, aber machtlos und wie zur Dekoration auf den Altar plaziert. Und genau das verkünden alle Marienerscheinungen ausnahmslos, entweder in Worten oder Bildern: Stets ist Maria die Hauptperson, während unser Herr Jesus ihr in vielfältiger Form zu Diensten ist oder völlig aus dem Bild gehalten wird.

Obwohl diese Marien überall auf der Welt auftreten, gibt es doch einige, denen eine besondere Kulisse für ihr Erscheinen zugestanden wird und die deshalb Weltrang erhalten haben. Sie werden im folgenden etwas ausführlicher dargestellt.  „ … sie, die Gottes Wahrheit verwandelt haben in Lüge und haben geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen.” (Röm. 1,25)

Kulissen

La Salette 1846 ‑ Die Mutter der Christenheit

Es ist eine romantische Kulisse, die sich die Maria für diesen Auftritt ausgesucht hat, der die öffentlichen Erscheinungen einleitet, denn hier wendet sie sich mit ihrer Botschaft erstmals an ihr Volk. An einem Berghang, etwas außerhalb des französischen Dorfes La Salette gelegen, im ausgehenden Spätsommer, und als Publikum erwarten sie zwei Kinder, die ihre Herden hüten. Sie erscheint in einer sich auflösenden Lichtkugel, auf einem Stein sitzend ‑ und weinend!

Sie ruft die erschrockenen Kinder freundlich heran, um ihnen “etwas Großes kundzutun”. Das Kostüm der Hauptdarstellerin ist es wert, ausführlich beschrieben zu werden:

Maria trägt eine französische Tracht . .. … aber von überirdischer Leuchtkraft und Schönheit … ein Strahlendiadem, das das Haupt umgibt, von einem breiten Kranz leuchtender, feuriger Rosen umgeben, über ihre Schultern hängt eine schwere Kette, daran, auf ihrer Brust ein Kreuz. Der Gekreuzigte darauf ist blutüberströmt, er leidet und windet sich wie im Todeskampf.” (H/N 203)

Auch die La‑Salette‑Präsentation trägt mehr aggressiv‑überspitze Horror-Elemente in sich, als daß sie eine würdevolle Erinnerung an Leiden und Tod unseres Erlösers darstellen könnte, insbesondere, wenn der Kontrast zur Marienerscheinung berücksichtigt wird, was allerdings in der Absicht der Erscheinungen liegt, denn Maria soll hoch erhoben, Jesus aber als ohnmächtig mitleidsvoll herabgesetzt werden. Die Erscheinung weint die ganze Zeit, während sie mit den Kindern spricht. Als sie bemerkt, daß ihr Französisch nicht von den Kindern verstanden wird, wechselte Maria ins mundartliche Patois über. In La Salette wird der Anspruch der Erscheinung, wie Gott bzw. eine Göttin zu sein, unübersehbar: Vorerst nur andeutungsweise gibt sie sich als die Erlöserin aus, die für ihr Volk gelitten hat, in überheblichem Anspruch lautet ihre Botschaft:

• “Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, so bin ich gezwungen, den Arm meines Sohnes gehen zu lassen. Er lastet so schwer, daß ich ihn nicht mehr länger zurückzuhalten vermag. Solange schon leide ich um euch. Will ich, daß mein Sohn euch nicht verlasse, so muß ich ohne Unterlaß bitten für euch, und ihr macht euch nichts daraus…”

Sie zeigt sich dadurch in einer unerträglich übertriebenen Weise als übermächtige Frau, die ihren Sohn stützen muß und deutet damit an, nicht Jesus, sondern diese “Maria” habe für die Menschen gelitten!

Eine andere Dokumentation gibt einen Teil dieser Botschaft etwas ausführlicher wieder und zwar mit dem an obige Worte anschließenden Zusatz:

• “Ich habe euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben und habe mir den siebten vorbehalten, und man will ihn mir nicht gewähren; das ist es, was den Arm meines Sohnes so schwer macht.”

Danach maßt sich dieses Phantom auch noch an, selbst die Wocheneinteilung mit dem Sonntag zu ihrer Verehrung eingeführt zu haben. Anschließend fügt sie noch ‑ gemäß einer weiteren Dokumentation ‑ die für die schlichten Bauernkinder verständliche Drohung hinzu: “Jene, die einen Wagen lenken, wissen nicht, wie sie fluchen sollen, ohne den Namen meines Sohnes in den Mund zu nehmen. Das sind die beiden Dinge, die den Arm meines Sohnes immer schwerer machen. Wenn die Ernte verdirbt, geschieht es nur um euretwegen. Ich habe es euch letztes Jahr mit den Kartoffeln zu verstehen gegeben, ihr habt euch nichts daraus gemacht; ja, ganz im Gegenteil; wenn ihr verfaulte fandet, habt ihr geflucht und dabei den Namen meines Sohnes hervorgestoßen. Sie werden weiter faulen, und an Weihnachten werden keine mehr da sein.” (H/N 200)

Ihr Ärger, beziehungsweise der ihres Sohnes, richtet sich also auf die beiden Geschehnisse:

1. Weil die Menschen nicht den Sonntag für die Maria heiligen, wie sie geboten habe,

2. weil die Arbeiter fluchen und dabei den Namen Jesu aussprechen, ist ihr Sohn so zornig, daß er von Maria nicht mehr zurückgehalten werden kann. Und Maria droht für diesen Fall an, daß es Weihnachten keine Kartoffeln geben würde, weil diese verfaulen. Unter Tränen klagt die Erscheinung weiter über die Menschen, droht furchtbare Strafen an und ruft zu Buße und Umkehr auf.

Die von der Erscheinung hiermit skizzierte “himmlische Szene” stellt demnach konkret einen leicht erregbaren Jesus dar, der sich vor Wut nicht mehr zügeln lassen will, eine stärkere Maria, die ihn am Arm zurückzieht, aber weinend auf die Erde kommt, um sich darüber zu beklagen. Ihre Stärke drückt sie damit aus, daß sie ihren Sohn, als gequältes Wesen für die Ewigkeit konserviert, ständig um den Hals trägt. Wer sich dies einmal so richtig vergegenwärtigt, mußt ein Gefühl dafür erhalten, wie sehr sowohl Maria als auch Jesus durch diese sich ihrer Namen bedienenden Erscheinungen verhöhnt und verleumdet werden und aus welch entsetzlichem Ort diese Geister stammen.

Schon aus diesem kurzen Bericht wird deutlich, warum sich die Erscheinungen vorzugsweise an Kinder oder einfaches Dienstpersonal richten, die keine Möglichkeit haben, sich anhand der Heiligen Schrift über ihren Glauben korrekt zu informieren. Ein bibelkundiger Mensch, dem die Erscheinung obigen mitleiderregenden Unsinn erzählt, hätte sie umgehend dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen ist: nämlich das Reich des Widersachers. Denn diese Botschaft entbehrt jeglicher christlicher Grundlage und ist lediglich ein Vorspiel für die zukünftigen Forderungen der Phantome, als Fürsprecherin, Mittlerin, Miterlöserin verehrt zu werden. …

Ein paar Jahre später, nach Anerkennung der Echtheit durch die Kirche, wird eine Basilika gebaut und eine Ordensgemeinschaft mit der Bezeichnung “Unsere Liebe Frau von La Salette” gegründet, deren Priester den Wallfahrtsort betreuen. Das Gnadenbild, eine Darstellung der Erscheinung, wird 1879 feierlich gekrönt und befindet sich über dem Hochaltar. Zwar wird die Erscheinung von La Salette von der 1852 gegründeten Erzbruderschaft von La Salette als “Versöhnerin der Sünder” verehrt, denn die Kirche hat den Titel Unsere Liebe Frau Versöhnerin der Sünder gutgeheißen, eine andere, in der Literatur erwähnte Bezeichnung ist jedoch möglicherweise sogar zutreffender für ihre Eigendarstellung in diesem Ort denn über diese Erscheinung wird gesagt: “Die Mutter der Christenheit weinte bittere Tränen, weil sie die große Not ihrer Kinder sah, aber nur wenige sich zu ihrem Sohne führen ließen. Hilflos, wie eine verlassene Mutter saß sie auf einem Stein und weinte bittere Tränen. Sie weinte, wie einst ihr Sohn um Jerusalem weinte. Wer aber kam, die gütige, treubesorgte Mutter zu trösten?” Eine diese Erscheinung am besten charakterisierende Bezeichnung stammt jedoch aus dem gläubigen Volk’; von diesem wird sie Weinende Mutter genannt! (RE 28)

Dem Papst liegen die Botschaften schriftlich vor. Mit einem Dekret der Heiligen Kongregation des Offiziums vom 21. Dezember 1915 wird aber jede Verbreitung der “Geheimnisse” verboten und das Zuwiderhandeln mit schwerer Strafe belegt. 1901 beklagt sich eine Marienerscheinung darüber, daß diese Botschaft, trotz ihrer vielen Tränen, nicht überall auf Glauben gestoßen ist. Auf die Frage nach dem Inhalt der Botschaften, erwidert Papst Pius IX.: “Sie wollen die Geheimnisse von La Salette wissen? Nun, das sind sie: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugrunde gehen!” Ein Abriß der Geheimnisse liegt jedoch ausschnittsweise vor; es handelt sich darum, daß die Sünden der Priester beklagt werden und Maria sagt: “es gibt niemand mehr, der würdig wäre, das makellose Opferlamm dem Ewigen zugunsten der Welt aufzuopfern” ‑ eine Aussage, die im Lichte der schon in der Heiligen Schrift berichteten und abgeschlossenen Ereignisse des Erlösungswerkes Jesu eine ungeheuerliche Falschaussage seitens der Erscheinung darstellt, denn erneute Aufopferungen’ sind unsinnig, weil sich Jesus ein für alle Mal vor ca. 2000 Jahren geopfert hat. …

Es folgen Drohungen, wie “Gott wird in beispielloser Weise zuschlagen  jene Menschen aber, die sich ihr hin­gegeben und von ihrem Geiste gelebt haben, würden von ihr beschützt werden; der Papst wird gelobt, das Phantom verspricht: “… Ich werde mit ihm sein …” Sie warnt ihn sogar vor Wundertätern. In ihrer Botschaft skizziert Maria unter anderem die Geschehnisse bis zum zweiten Kommen des Herrn, aber in einer zur biblischen Berichterstattung umgekehrten Reihenfolge der Ereignisse; das heißt:

• zuerst kommt “ihr Sohn”, genannt Jesus Christus, und richtet ein “Friedensreich” auf, denn er werde seinen Engeln befehlen, seine Feinde dem Tod zu überantworten ‑ die auch in der Offenbarung angeführten Kriege, Erdbeben etc. werden ebenfalls erwähnt;

• dann nach 25 Jahren ist das Friedensreich zu Ende, denn es kommt ein neuer großer “Antichrist”, der ein Heer aus vielen Völkern aufrichtet, um gegen diesen “Jesus Christus” zu kämpfen. Die Jahreszeiten würden sich verändern und Rom würde zum Sitz des Antichristen. ..“

Auf der Grundlage der Bibel interpretiert liest sich die oben aufgeführte marianische Voraussagte wie folgt:

1. es kommt der Antichrist als Sohn Marias, d.h. als falscher Jesus Christus, wie es in der Bibel steht: “Und es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen, und es wurde ihm Macht gegeben über jeden Stamm und jedes Volk, jede Zunge und jedes Land…” (Offb. 13,7ff).

2. nach 25 Jahren kommt unser Herr Jesus Christus, von dem Phantom als “Antichrist” bezeichnet, wie uns die Heilige Schrift sagt: “und alsdann wird der Frevler offenbart werden, welchen der Herr Jesus umbringen wird mit dem Hauch seines Mundes und wird ihm ein Ende machen durch seine Erscheinung, wenn er kommt.” (2. Thess. 2,8).

Eine ebensolche Falschaussage wie die erwähnte marianischen Zukunftsvision ist folgende Prophezeiung der La Salette‑Erscheinung:

• “Nun ist die Zeit da! Der Abgrund öffnet sich. Siehe da den König der Könige der Finsternisse! Siehe da das Tier mit seinen Untergebenen, das sich Erlöser der Welt’ nennt. Stolz wird es sich in die Lüfte erheben, um zum Himmel aufzusteigen. Er wird durch den Hauch des heiligen Erzengels Michael erstickt…”

Da einer der Titel Jesu “König der Könige” lautet, verkehrt sie ihn und läßt ihn als zum Widersacher zugehörig erscheinen, weil Jesus der rechtmäßige Erlöser der Welt ist, belegt sie in ihrer Rede das “Tier” mit diesem Titel. Diese Diktion ist nicht die Art der echten Maria, sondern die eines arroganten Geistes…

Die Prophetin dieses La‑Salette‑Phantoms wird stigmatisiert, das heißt, sie erhält das Siegel der Miterlöserin Maria, womit die Erscheinungen dokumentieren wollen, daß Jesu Leiden kein einmaliges Erlösungswerk sei.

Die Botschaft der La‑Salette‑Maria als Zeichen des Himmels zu werten: “Maria, die Fürsprecherin der Sünder im Himmel, will das Gewissen der Menschen wachrütteln, damit die Schöpfung von der Verderbnis der Sünde und des Todes frei wird” stellt eine Vergewaltigung des Wortes Gottes dar..

Die La Salette‑Maria ist eine kirchlich anerkannte Erscheinung: somit ist auch ihre Botschaft von der Kirche als wahr befunden worden.

Lourdes 1858 ‑ Die Unbefleckte Empfängnis

Diese Darstellerin der Maria spielt ihre Rolle ebenfalls in einem kleinen französischen Ort, aber am Fuß der Pyrenäen. Und auch hier zeigt sie sich vor einem Kind, das nicht in der Lage ist, diese Erscheinungen richtig einzuordnen und sich entsprechend zu verhalten. Beim Holzsuchen wird Bernadette Soubirous von ihren beiden älteren Gefährtinnen zurückgelassen und sieht in einer Felsenhöhle eine goldene Wolke, die sich zerteilt: Daraus steigt eine junge schöne Frau, die von Bernadette als etwa gleichaltrig, also 14‑jährig, angesehen wird. (GFS 165)

• Bei diesem Auftritt trägt Maria “ein weißes Kleid mit einem blauen Gürtel, einen langen, weißen Kopfschleier und zwei goldgelbe Rosen auf den bloßen Füßen,” mit Rosenkranz aus weißen Perlen in goldener Kette in den gefalteten Händen.

Bernadette wird aufgefordert, den Rosenkranz mit ihr zu beten, wonach die Erscheinung verschwindet. Ihr Bericht über die Erscheinung beunruhigt die Eltern, und als die Mutter das nächste Mal Bernadette begleitet, kommt es zu der berühmten Prüfung der Erscheinung mit dem Besprengen von Weihwasser und der Frage

• “Wenn du von Gott bist, so nähere dich”, was die Maria selbstredend tut und wird dann von Bernadette, da Maria sich vor dem Weihwasser und bei dem Namen Gottes verneigt, als von Gott kommend akzeptiert. Die mit Bernadette Anwesenden können die Erscheinung jedoch nicht wahrnehmen, sondern bemerken nur, daß Bernadette in Ekstase fällt, bekommen Angst und bringen das Mädchen in eine nahegelegene Mühle.

Während die Mariendarstellerin Bernadette anläßlich ihrer dritten Erscheinung zuerst duzt: “Es ist überflüssig, dir aufzuschreiben, was ich dir mitteilen will. Mach mir nur die Freude, dich vierzehn Tage lang täglich einzufinden”, wechselt Maria im Laufe des Gesprächs plötzlich die Anrede: “Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen.” Entweder hat die Darstellerin ihren Text vergessen oder ein diesmal erscheinendes Double ist über die kor­rekte Anrede nicht genau informiert worden. Auch jetzt bleibt Maria, vor den anderen unsichtbar. Außer dem üblichen Aufruf nach Buße und der Aufforderung “betet für die armen Sünder”, gibt sie unter anderem zu verstehen, “ich wünsche viele Leute hier zu sehen” und verspricht noch größere Offenbarungen.

Ihr Hauptanliegen ist jedoch folgende Botschaft, die sie anbringt, als sie von Bernadette um ihren Namen gebeten wird. Nachdem die Maria zuerst selig und schweigend gen Himmel blickt, faltet sie, als sie zum dritten Mal gefragt wird, die Hände, blickt nach oben “

• … und sagte mit tiefer Ergriffenheit: Ich bin die Unbefleckte Emp­fängnis!…

Sie bezeugt also wieder ihren eigenen Ruhm und nicht den Gottes. Wie anders doch die echte Maria, als sie sagt: “Siehe ich bin die Magd des Herrn” und keinen Zusatz zu ihrer eigenen Verherrlichung anbringt.

Auch Bernadette erhält ihre Geheimnisse von Maria zugeteilt, eines davon ist ein persönliches Gebet, welches sie niemandem mitteilen dürfe, ein weiteres, das nur sie allein beträfe und ihr allein gehören solle. Wie bei vielen anderen Ortsterminen, so werden auch hier satanische Störversuche fingiert, um Maria glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Und zwar hört Bernadette während einer Veranstaltung ein großes Stimmengeschrei, das sofort verstummt, als Maria gebieterisch ihren Kopf erhebt. In der Literatur wird das als ein von Maria gestopptes dämonisches Einwirken bezeichnet.

Als ein Pfarrer der Erscheinung als Beweis ihrer Echtheit aufträgt, den Rosenstrauch bei der Grotte zum Erblühen zu bringen, bleibt dieses Wunder jedoch aus. Aber die Kirche deklariert dennoch die Glaubwürdigkeit der Erscheinungen und befolgt ihren Befehl, in Prozessionen hierherzuziehen. Bei der Quelle in der Grotte werden viele Heilungen bewirkt also Wunder ‑ obwohl die La‑Salette‑Maria den Papst vor Wundern gewarnt hat. Es ist zwar nur ein kleiner logischer Bruch in dem Kontext der Botschaften, zeigt aber, daß die Rollen doch nicht in jeder Hinsicht sorgfältig miteinander abgestimmt sind. Zwar wird die Grotte einige Zeitlang für Gläubige gesperrt und Bernadette muß sich in psychiatrische Behandlung begeben; eine bischöflich eingeleitete Untersuchungskommission erbringt jedoch den für die Kirche notwendigen Bescheid der Übernatürlichkeit und die Verehrung Marias an diesem Ort wird wieder freigegeben. Der Leichnam der Bernadette, die in ein Kloster eintritt, soll unverwest sein, ein Merkmal, das von verschiedenen Marien‑Dienern geteilt wird.

Fatima 1917 ‑ Die Rosenkranzkönigin

Wie La Salette als Premiere ihrer Karriere als Weltstar betrachtet werden kann, so zeigt Maria in Fatima eindeutig ihre Gala‑Vorstellung par excellence. Fatima, ein kleines Dorf in Portugal, ist ‑ gemessen an den Zeichen und Wundem, die dort geschehen sind ‑ der Höhepunkt der Marienerscheinungen und wird in der Literatur auch entsprechend ausführlich behandelt. Hier werden alle Möglichkeiten, die Gläubigen zu beeindrucken, von der Maria und ihren Assistenten ausgeschöpft, um die Kirche zu überzeugen, daß es tatsächlich Maria ist, die hier erscheint; ihre Vorstellung ist gekennzeichnet durch alle Attribute der Erscheinungen; die gesamte Palette geisterhafter Inszenierung wird an diesem Ort aufgeboten:

• das Unbefleckte Herz, die Sühne, der Rosenkranz, das Opfer, die Forderung nach einer Kapelle, Geheimnisse, Wunder und Zeichen, Gebete, Tränenströme und Schluchzen, Höllenvisionen, der Engel als Herold der Mariendarstellerin

• und ein Hofstaat, bestehend aus Josef, dem Jesuskind und einem erwachsenen Jesus‑Darsteller,

Die Haupt‑Seherin, Lucia, hat schon Visionen von Engeln, bevor die Marienerscheinungen einsetzen. Anläßlich ihrer Erstkommunion, wird sie von einem Priester dazu überredet, “ihr Herz in die Hände Marias” zu legen, dies wiederholt sie mehrmals vor einer Marienstatue und bemerkt, daß das Bild lächelt, sie anblickt und ihr die Überzeugung vermittelt, daß sie von Maria angenommen worden ist. Häufig betet sie den Rosenkranz.

Als sie eines Tages mit zwei anderen Kindern die Tiere hütet, kommt ein etwa 14‑ oder 15‑jähriger junger und schöner Mann auf sie zu und sagt: Ich bin der Engel des Friedens! Betet mit mir:” Er sagt ihnen ein Gebet vor, in dem sie nicht für sich, aber für andere um Verzeihung beten sollen und schließt: “So sollt ihr beten. Die Herzen Jesu und Mariens hören auf eure Bitten!” Warum gerade die Herzen hören und nicht die den Personen zugeordneten Ohren, ist eines der Mysterien der Erscheinungen, erzeugt aber bei sachlich orientierten Menschen ein Gefühl der Irritation. Ein weiteres Mal sehen sie die Gestalt, die zu ihnen spricht, als sie gerade an einem Brunnen im Hof spielen:

• “Was macht ihr? Betet, betet viel! Die heiligsten Herzen Jesu und Mariens wollen euch Barmherzigkeit erweisen. Bringt ständig dem Allerhöchsten Gebete und Opfer dar. Bringt alles, was ihr könnt, Gott als Opfer dar, als Akt der Wiedergutmachung für die Sünden, durch die er verletzt wird, und als Bitte um die Bekehrung der Sünder. Gewinnt so für euer Vaterland den Frieden. Ich bin sein Schutzengel, der Engel Portugals. Vor allem nehmt an und tragt mit Ergebung die Leiden, die der Herr euch schicken wird.”

Auch hier wird wieder Maria mit Jesus gleichgesetzt und dieser Gedanke tief in die Hirne der Kinder eingepflanzt. Die Kinder sind nicht in der Lage, diese Aufforderungen zum Opfer für andere als unbiblisch zu entlarven.

In einem dritten Gebet an die Dreifaltigkeit opfert dieser Engel den

• “kostbaren Leib, das Blut, die Seele und die Gottheit unseres Herrn Christus… zur Sühne … auf. Durch die unendlichen Verdienste seines heiligsten Herzens und durch die des Unbefleckten
   Herzens Mariens erflehe ich von euch die Bekehrung der armen Sünder”.

Über dem Kelch, den der Engel in der Hand hielt, schwebt eine blutende Hostie; dies reicht er den Kindern, wobei Lucia die Hostie, die beiden anderen Kinder das Blut erhalten, und sagt dabei:

• “Empfangt den Leib und trinkt das Blut Jesu Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird. Sühnt ihre Sünden und tröstet euren Gott!” (H/N 252)

Dieser Vorgang erinnert so sehr an heidnische Opferblutriten, daß eine göttliche Quelle nicht angenommen werden kann, denn Jesus hat das Gedächtnismahl eindeutig in Form von Brot und Wein gestiftet. Kein Christ kann daher glauben, daß Jesus, der ein für allemal den Opfertod am Kreuz vor 2000 Jahren erlitten hat, nochmals durch einen Engel mit Leib, Blut , Seele und Gottheit aufgeopfert wird. Abgesehen davon ist es für die Kinder nicht möglich, die Sünden anderer zu sühnen. Dies ist allein unserem Erlöser vorbehalten. Dieser das Abendmahl parodierende Vorgang kennzeichnet den Engel als eine widergöttliche Macht.

Danach folgt die Erscheinung der Maria. Sie ist in ein schneeweißes Kleid gehüllt, das Haar bedeckt ein feiner weißer Schleier, am Rand mit goldenen Stickereien verziert. Sie hält einen strahlenden Rosenkranz in den über der Brust gefalteten Händen. Zwar weint sie nicht, sieht aber traurig aus. Nachdem sie schon bei ihrer ersten Erscheinung die Kinder ermahnt hat, den Rosenkranz täglich zu beten, “um den Frieden der Welt und um das Ende des Krieges zu erlangen!”, fordert sie bei ihrem dritten Erscheinen auf, jeden Tag den Rosenkranz zu Ehren Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz zu beten (H/N 256) und erläßt auch anläßlich der Vorstellung bei ihrer sechsten Erscheinung den Befehl: … ich bin Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz; man soll weiterhin täglich den Rosenkranz beten”.

Auf die Frage, woher sie komme, gibt sie an: “Ich bin vom Himmel” und verspricht den Kindern, auch in den Himmel zu kommen, nachdem sie viel leiden müßten für die Bekehrung der Sünder und fordert immer wieder, daß sie zur “Sühne gegen das Unbefleckte Herz Mariä” (H/N 256) täglich den Rosenkranz beten sollten. Eine Aufforderung, die als das Leitmotiv der Fatima‑Maria gelten kann.

Auch in Fatima wird deutlich, daß es sich wohl kaum um Maria, die Mutter Jesu bei der Erscheinung handeln kann. Die Erscheinung läßt verlauten:

• ” … Jesus möchte sich deiner bedienen, damit die Menschen mich erkennen und lieben. Er möchte auf Erden die Verehrung meines Unbefleckten Herzen begründen … mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führen wird.” (H/N 254)

So gibt sie wiederum sich selbst, aber nicht Gott die Ehre und negiert Jesus als den Weg zu Gott. Dieses Herz zeigt sie den Kindern:

• “Vor der rechten Handfläche unserer Lieben Frau befand sich ein Herz, umgeben von Domen, die es zu durchbohren schienen. Wir verstanden, daß dies das Unbefleckte Herz Mariä war, verletzt durch die Sünden der Menschheit, das Sühne wünscht.”

In dieser Verführung zur Organverehrung zeigt sich ein durchweg heidnischer Gedanke. Außerdem versucht sich Maria als gesetzgebende Göttin darzustellen, die durch die Sünde als Gesetzesverletzung persönlich betroffen ist,

Des weiteren versteigt sich diese Maria zu der Behauptung: “Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet.” (H/N 258)

Mit diesen Worten hat sie bestätigt, daß sie den Opfertod Jesu Christi für nichtig und nutzlos hält, daß sie also nicht von Gott, dem Vater Jesu Christi gesandt sein kann, denn der Geist des Antichristen spricht aus dieser Erscheinung.

In Fatima erscheint Maria, anders als in La Salette oder Lourdes, mit einem Hofstaat:

• “… Kurz darauf sahen wir Kinder den Lichtschein und danach Unsere Liebe Frau über der Steineiche … Im Oktober wird auch unser Herr kommen. Unsere Liebe Frau von den Schmerzen und vom Kamel, der heilige Josef mit dem Jesuskind, um die Welt zu segnen…”

Die Angewohnheit, verschieden benannte Marien an den entsprechenden Orten zu verehren, und von ihnen zu sprechen, als ob es sich um mehrere Personen handelt, ist irritierend; hier könnte von der angeblichen Maria eine weitere Maria, angekündigt wird , die Unsere Liebe Frau von den Schmerzen und vom Karmel genannt wird. Und Unser Herr? Und auch noch Josef mit dem Jesuskind? Dies wirft folgende Fragen auf.­

Es gibt also gemäß dieser Erscheinung auch mehrere Jesusse gleichzeitig, denn wer ist Unser Herr sonst, wenn nicht Jesus und warum noch zusätzlich als Jesuskind? Weshalb muß übrigens der Herr der Welten bei diesen Mariendarstellungen künstlich klein und bedeutungslos gehalten werden? Gewiß, um die sich als Maria ausgebende Erscheinung um so größer erscheinen zu lassen! Denn historische Gründe können für diese Baby‑Darstellungen nicht relevant sein, da ja bisher kein Papst, der von der katholischen Kirche als Stellvertreter Christi angesehen wird, in Windeln auf dem Schoß seiner Mutter abgebildet worden ist. Bei dieser Szene trägt Maria übrigens einen blauen Mantel über einem roten Kleid und läßt sich als “die schmerzensreiche Mutter, die unter dem Kreuz des Sohnes mit ihm furchtbar leidet, wegen der Sünden der Menschen” erkennen.

Kennzeichen der Verführung zum nicht‑christlichen Kult sind folgende Botschaften:

• Um die armen Sünder zu retten, will Gott die “Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen.” (GFS 15 1)

• Damit Gott die Welt nicht durch Krieg, Hunger, Verfolgung der Kirche und des Papstes straft, fordert Maria “die Weihe Rußlands an mein Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen.”

• Sie fordert erneut zum Rosenkranzbeten auf und behauptet: am Ende aber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren”

Zum großen, von der Erscheinung für Oktober versprochenen Wunder haben sich 50.000 Menschen versammelt. Als Maria kommt, verlangt sie als erstes den Bau einer Kapelle und weiterhin das tägliche Rosenkranzgebet. Dann verschwindet Maria und es folgt “Das Schauspiel einer rotierenden, tanzenden, springenden Sonnenerscheinung, das Sonnenwunder von Fatima’ …” das sich 10 Minuten zeigt und von vielen Menschen erlebt wird. (H/N 260)

Daß die Kinder leiden müssen, sagt ihnen auch hier Maria; zwei von ihnen sterben jung. Lucia tritt in ein Kloster ein. Die drei berühmten Ge­heimnisse werden dem Papst übermittelt und teilweise veröffentlicht. Etwas wirklich Besonderes bringen sie nicht. Der dritte Teil des dritten Geheimnisses, das 1960 veröffentlicht werden sollte, ist im Jahr 2000 in einer Kirchenzeitung publik gemacht; er beginnt in den Worten der Lucia:

“Nach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken, und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verlöschten, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief. Buße, … Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist ‑ etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen’ ‑, einen in Weiß gekleideten Bischof … der Heilige Vater … ging … durch eine große Stadt, die halb zerstört war, und halb zitternd mit wankendem Schritt … Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe Soldaten getötet … Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester … weltliche Personen … Männer und Frauen. … Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten.”

Auch hier wird wieder die nicht‑christliche Vorstellung, daß sich Seelen mit Opferblut tränken lassen, vertreten.

Diese Vision wird von Kardinal Ratzinger in Bezug auf die Heilige Schrift kommentiert, indem er keine faktische Auslegung, sondern eine intellektuelle Transformation der Botschaft vorlegt. Es ist eine von allem Anstößigen bereinigte, die ökumenischen Bestrebungen nicht allzu störende Besprechung, die von dem Zitat der Worte Jesu in Joh. 16,12‑14 eingeleitet wird, welche stets von all jenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften als Legitimation für ihre von der Heiligen Schrift abweichenden Neuoffenbarungen angeführt werden, die ihren Gläubigen ein fremdes Evangelium als biblisch fundiert andienen wollen. Er übersieht dabei großzügig, daß das genannte Zitat allein von der Verherrlichung Jesu spricht, Maria tritt gar nicht erst in Erwähnung! Der Kardinal schließt mit dem Schlachtruf Mariens: “Mein Unbeflecktes Herz wird siegen”, neutralisiert aber diese Aussage, durch eine verallgemeinernde Betrachtung, die sowohl die Tendenz als auch die Essenz der marianischen Botschaften völlig unberücksichtigt läßt: “… Was heißt das? Das für Gott geöffnete, durch das Hinschauen auf Gott rein gewordene Herz ist stärker als Gewehre und Waffen aller Art. Das “Fiat” Marias, das Wort ihres Herzens, hat die Weltgeschichte gewendet, weil es den Retter eingelassen hat in die Welt… Aber seit Gott selbst ein menschliches Herz hat und so die Freiheit des Menschen ins Gute hinein, auf Gott zu, gewendet hat, hat die Freiheit zum Bösen nicht mehr das letzte Wort…”

Nur der Leser, der die Botschaften der Marienerscheinungen in ihrem Wortlaut gelesen und anhand der Heiligen Schrift überprüft hat, wird die perfekte Täuschung, die die offiziellen Kommentare der Kirche zu der Marienverehrung beinhalten, durchschauen können. Die von Johannes angeführten Worte Jesu beziehen sich eindeutig auf die Offenbarung Jesu Christi, mit der die Heilige Schrift vollständig abgeschlossen ist, was die katholische Kirche zwar offiziell auch anerkennt, in Bezug auf die Marienerscheinungen aber nicht zur Kenntnis nimmt. Denn sonst hätte das Lehramt weder die von der Heiligen Schrift nicht gedeckten Mariendogmen erlassen können, noch die Marienverehrung in der heute existierenden Form zulassen dürfen. Auch hat keineswegs das “Fiat” der Maria die Weltgeschichte gewendet ‑ wie der Kardinal es behauptet. Das “Fiat” Marias als Antwort auf den Willen Gottes ‑ wie das eines jeden Menschen ‑ entscheidet lediglich über das eigene Seelenheil; es ist gar nicht fähig, sich auf das ewige Leben anderer Menschen auszuwirken. Diese Erlösung bleibt allein unserem Herrn, dem Messias Jesus, vorbehalten, der sie mit seinem Kreuzestod ein für allemal vollzogen und damit die Weltgeschichte gewendet hat.

Interessant ist der erste, eine Höllenvision beinhaltende Teil des dritten Fatima‑Geheimnisses:

“Unsere Liebe Frau zeigte uns ein großes Feuermeer, das in der Tiefe der Erde zu sein schien. Eingetaucht in dieses Feuer sahen wir die Teufel und die Seelen, als seien es durchsichtige schwarze oder braune, glühende Kohlen in menschlicher Gestalt. Sie trieben im Feuer dahin, emporgeworfen von den Flammen, die aus ihnen selber zusammen mit Rauchwolken hervorbrachen. Sie fielen nach allen Richtungen, wie Funken bei gewaltigen Bränden, ohne Schwere und Gleichgewicht, unter Schmerzensgeheul und Verzweiflungsschreie, die einen vor Entsetzen erbeben und erstarren ließen. Die Teufel waren gezeichnet durch eine schreckliche und grauenvolle Gestalt von scheußlichen, unbekannten Tieren, aber auch sie waren durchsichtig und schwarz.”

Diese von Mythen geprägte Höllenvision berücksichtigt nicht, daß die “Teufel” keine “grauenvolle Gestalt” an sich haben, sondern durchaus die Fähigkeit besitzen, sich zum “Engel des Lichts” zu verstellen, und beispielsweise als wunderschöne “Jungfrau Maria“ oder “Jesus” zu erscheinen. Nicht nur, um den Kindern Angst einzujagen, sondern wohl mehr noch, um sich selbst als eine unmöglich dämonischer Herkunft bezeigende Erscheinung zu erweisen, werden die Teufel und Satan den Sehern vorgeführt.

Denn Maria sagt. “Ihr sahet die Hölle, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen einführen in der Welt.”

• Der zweite Teil besteht aus der schon bekannten Werbung für die “Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen”, beschreibt den Zweiten Weltkrieg und verlangt die bekannte Weihe Rußlands an “mein Unbefleck­tes Herz  das am Ende triumphieren wird.

• Lucia appelliert 1990 an den Papst: “Mein Vater, sagen Sie allen, was mir die Madonna sehr oft angekündigt hat: Viele Nationen werden von der Erde verschwinden; Rußland wird die Geißel sein, die Gott erwählt, um die Menschen zu züchtigen, wenn wir nicht durch Gebet und Sakramente die Gnade der Bekehrung erwirken. Nur das Rosenkranzgebet, das Opfer und die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens kann die Züchtigung des Himmels noch aufhalten. Wir nähern uns den letzten Zeiten. Sie hat es mir dreifach zu verstehen gegeben… Der brennendste Wunsch der Gottesmutter ist es, daß wir ihr durch das tägliche Rosenkranzgebet helfen, Seelen zu retten. Wenn wir ihn mit Liebe und Andacht beten, werden wir Maria trösten und viele, viele Tränen von ihrem Unbefleckten Herzen wegwischen.” (H/N 266)

Diese Worte verdeutlichen, daß Weissagungen und Aufruf zur Buße an sich bedeutungslos sind, und nur um der Legitimation willen geäußert werden. Der eigentliche Inhalt ist die Selbstverherrlichung Mariens, für die diese christlich klingenden Botschaften den plausiblen Hintergrund liefern, denn wenn obige Aussage auf die konkret lautende, aber geschickt verschleierte tatsächliche Aussage hin untersucht wird, dann reduziert sich der Gehalt auf folgendes:

• Nicht das Wort Gottes, wie in der Heiligen Schrift uns gegeben, kann eine Bekehrung der Sünder bewirken, sondern “Gebet und Sakramente der Kirche.”

• Das Unbefleckte Herz Mariens ist allmächtig, denn es kann die “Züchtigung des Himmels aufhalten.”

• Der Rosenkranz, das Opfer und die Weihe an das Unbefleckte Herz, alles nichtbiblische Rituale, sind die Mittel dazu, das Unbefleckte Herz gnädig zu stimmen.

• Nicht die Gnade Gottes, sondern das tägliche Rosenkranzgebet rettet Seelen.

• Die Verehrung Mariens ‑ also keineswegs die Verehrung Gottes! ‑ im Rosenkranzgebet muß mit Andacht und Liebe geschehen.

• Das Unbefleckte Herz wird im Zusammenhang mit den Tränen erwähnt, um den zugrunde liegenden Organfetischismus zu verschleiern.

Damit der Bilderkult noch weitere Verbreitung findet, wird der Brauch der “Pilgermadonna”, der von Kirche zu Kirche reisenden Fatimastatue, eingeführt und besonders in Amerika gepflegt. 1947 wird in den USA der Gebetskreis des “Fatima‑Weltapostolats” gegründet, der “1998 weltweit 24 Millionen Mitglieder zählte, darunter 40.000 Deutsche.”

Anläßlich seiner Erscheinung in La Fraudais vor 1938 erwähnt eines der Jesus‑Phantome:

“Die Menschen haben sich die von meiner heiligsten Mutter in Fatima gesprochenen Worte nicht zu Herzen genommen…” Es folgt eine endzeitli­che Drohrede .  Der Zorn des Vaters über das Menschengeschlecht ist sehr groß. Wenn das Rosenkranzgebet und die Aufopferung des kostbaren Blutes dem Vater nicht so angenehm wären, würde jetzt schon auf der Erde namenloses Elend herrschen. Aber meine Mutter legt Fürsprache ein beim Vater, … Tröstet euch, ihr alle, die ihr mein kostbares Blut verehrt. Ihr werdet nicht betroffen…” (H/N 224) Also wird nicht Jesus, sondern sein Blut verehrt!

Die auszugsweise wiedergegebene Botschaft dient einerseits zur Verherrlichung Marias andererseits zur Einschüchterung der ihr Widerstand Leistenden ‑ und kann, sowohl um des nichtbiblischen Inhaltes als auch der etwas ungehobelten Diktion willen, nicht von unserem erhabenen Herrn und Erlöser Jesus stammen. Der Aussagewert der vollständigen Rede ist beschränkt auf folgendes:

Die Menschen sollen nur auf Maria hören.

• Jesus’ sendet Maria aus Barmherzigkeit, um die Menschen zu retten er negiert damit Jesu Erlösungswerk, denn die Rettung ist gemäß Heiliger Schrift schon von unseren Herrn und Erlöser vollzogen.

• Er wirbt für den Rosenkranz und sein Opferblut, weil es dem Vater wohlgefällig sei ‑ ein perverser Gedanke, daß dem Vater das Gebrabbel des Rosenkranzes und ein ständig leidender und aufgeopferter blutender Sohn wohlgefällig sein könnte. Außerdem hat uns der echte Jesus das wunderbare Gebet des “Vater Unser” gelehrt und zwar mit dem Imperativ: So sollt ihr beten!

Hauptzweck seines Einsatzes ist die Werbung für Maria als Fürsprecherin. Es darf festgestellt werden, daß die Darstellerin der Fatima‑Maria ihre Rolle überzeugend gespielt hat ‑ wenn man die internen Reaktionen der katholischen Kirche auf diese Erscheinungen betrachtet, denn ebenso wie La Salette und Lourdes ist Fatima von der katholischen Kirche anerkannt und genießt hohe Ehren.

Amsterdam 1945 ‑ 1984)  –  Die Frau aller Völker

Die Amsterdamer Marienerscheinung zeichnet sich nicht durch einen so großen Bekanntheitsgrad aus, wie die Erscheinungen von Lourdes oder Fatima. Weder hat sie große Wunder und Zeichen gewirkt, noch ist sie in der Mehrzahl der Bücher, welche die bekannten Erscheinungen enthalten, erwähnt. Aber sie gibt eine großartige Solo‑Vorstellung und ihre Botschaft, wenn auch angeblich noch nicht von der Kirche voll anerkannt, hat weitreichende politische und religiöse Bedeutung. Fast unbemerkt von der Welt hat sie mit ihrer Forderung und Befürwortung einer vereinheitlichenden Politik in der Welt wie auch der Kirche sowohl die Bildung der Europäischen Union unterstützt, als auch die ökumenischen Bestrebungen in der katholischen Kirche beeinflußt. Auch die Änderungen innerhalb der Kirche und in der Priesterausbildung, die im II. Vatikanischen Konzil beschlossen wurden, gehen möglicherweise auf ihre Anweisungen zurück. Hier in Amsterdam ist erstmals das Gesamtkonzept geschlossen wenn auch noch nicht in aller Ausführlichkeit ‑ vorgelegt, das allen Erscheinungen zugrunde liegt und von dem alle in ihre jeweiligen Botschaften wenigstens etwas einfließen lassen. Schon in Kroatien hat sich eine Marienerscheinung im gleichen Jahr unter anderem als “Die Frau aller Völker und aller Seelen” betitelt. Aber ihr großer Auftritt erfolgt in Amsterdam. Am 25. März 1945, dem Fest Mariä Verkündigung, beginnt dort eine Serie von Marienerscheinungen eines Phantoms, das sich Frau aller Völker betitelt und viele Jahre lang in unregelmäßigen Abständen immer wieder eintrifft.

Die Garderobe der Maria findet bei den Amsterdamer Auftritten kaum Erwähnung. Lediglich bei der 56. und angeblich letzten Erscheinung 1959 heißt es in Bezug auf die Seherin: “Es schien ihr, als werde die Luft aufgerissen. Plötzlich sah sie die Frau in einem Glorienschein von Licht und ihrer ganzen Herrlichkeit vor sich stehen. Auf ihrem Haupt saß eine Krone, die auf allen Seiten von Licht schimmerte, nicht von Diamanten oder Gold.” Sie ist bisher die einzige Maria, die eine eindeutig politische Komponente ‑ über ihren Anspruch als Königin der Welt hinausgehend ‑ in ihre Botschaften einbringt, indem sie in ihren Botschaften verschiedene Völker anspricht, die Europäische Union unterstützt: “Völker Europas, schließt euch zusammen …” und die Welteinheitsregierung propagiert: “Sie darf ihre Völker zur Einheit führen … Alle Völker in einer Gemeinschaft … diese Zeit ist angebrochen.” Die Heilige Schrift beschreibt diesen Vorgang folgendermaßen, indem sie sich auf das Tier aus dem Meer, den Antichristen bezieht:

“… und es wurde ihm Macht gegeben über jeden Stamm und jedes Volk und jede Sprache und jede Nation. Und alle, die auf der Erde wohnen, werden ihn anbeten, jeder)
      dessen Name nicht geschrieben ist im Buch des Lebens…” (Offb. 13,8).

Daß der Vergleich mit den vorausgesagten Geschehnissen in der Offenbarung zulässig ist, beweist die Frau aller Völker, indem sie prophezeit:

“Begreift doch, warum ich als Frau aller Völker’ komme. Ich komme, um alle Völker im Geist, im wahren Heiligen Geist zusammenzuführen.”

Denn dieser Ausspruch, zusammen mit den folgenden Botschaften:

• “Darum sendet mich der Vater, um Fürsprecherin zu sein, daß der Heilige Geist komme”

• “Sie kommt, den Heiligen Geist zu verkünden. Er wird erst jetzt über diese Erde kommen …”

• “Aus Liebe zur Menschheit sandte der gnädige Vater seinen einzigen Sohn als Erlöser auf die Welt. Beide wollen nun den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit senden, der allein Friede verbreiten kann. Also: Gnade, Erlösung, Friede.”

zeigt, daß diese Marienerscheinung das Wort Gottes als Lüge darstellt, indem sie das schon erfolgte und in der Heiligen Schrift berichtete Kommen des Heiligen Geistes zum in der Bibel beschriebenen Pfingstereignis bestreitet und statt dessen behauptet, sie würde den Heiligen Geist erst jetzt bringen!

Obwohl die Frau aller Völker sich 1957 offiziell mit den Worten: „ … darum hat sie zwölf Jahre kommen dürfen, um euch zu warnen”, verabschiedet hat, widerruft sie dies 1958 mit dem Versprechen: “Der Kontakt wird bleiben.” Die marianischen Botschaften des ersten Zyklus wie auch die des zweiten “Eucharistische Erlebnisse” genannten Erscheinungszyklus werden offensichtlich in der katholischen Literatur der Heiligen Schrift gleichgestellt, denn sie werden in ihrer Bedeutung mit der Geheimen Offenbarung des Johannes verglichen. “Alle Eucharistischen Erlebnisse’ fanden in der Kapelle der ,Frau aller Völker’ … Amsterdam, statt.” Die Anhänger der Frau aller Völker werden wie folgt beschrieben: “Die Kinder Mariens wirken im Verborgenen. Ihr Geheimnis ist die totale Weihe an Maria. Dies macht sie zu unbesiegbaren Kämpfern im Reiche Gottes. Sie sind willige Werkzeuge in der Hand Mariens. Von ihr werden sie geformt und am entsprechenden Platz eingesetzt. Es sind unter ihnen Laien und viele Gottgeweihte, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Greise bis ins hohe Alter. Unbekannt ist ihre Zahl. Sie beten den Rosenkranz …”. “Ihr Titel Frau aller Völker’ ‑ Miterlöserin, Mittlerin und Fürsprecherin’ hat endzeitlichen Charakter. Erst wenn der Sieg erreicht ist, wird ihre volle Bedeutung erkannt werden.”

In Bezug auf diesen Sieg, der gemäß der Heiligen Schrift der Sieg unseres Herrn Jesus Christus sein wird, heißt es im marianischen Evangelium statt dessen: “Alle Kinder Mariens dürfen Mut und Hoffnung haben, denn ihre Heerführerin, Maria, wird am Ende siegen. Sie sagte doch schon in prophetischer Weise in Fatima: Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren.”

Angeblich kirchlich nicht anerkannt, werden doch regelmäßig Wallfahrten zu Ehren dieses Phantoms nach Amsterdam von der Kirche veranstaltet, mit offiziellem Einladungszettel und Empfehlungen von Papst und Bischöfen, ebenso wie das Bild der Frau aller Völker und ihr Gebet mit zustimmender Duldung der Kirche weltweit verbreitet wird.

Medjugorje 1981 ‑  …  ‑  Die Königin des Friedens

Medjugorje, ein kleines Dorf im Westen Herzegowinas mit überwiegend katholischer Bevölkerung, wird als die jüngste der großen marianischen Gnadenstätten der Neuzeit bezeichnet. Mit Ausnahme von Amsterdam, wo die Seherin eine erwachsene Frau ist, haben diese Erscheinungen gemeinsam, daß sie sich an Kinder richten. Maria erscheint seit 1981 in Medjugorje 6 Seherkindern ‑ auch hier sind es Hirten ‑ zwar nicht immer, wenn sie zusammen sind, sondern manchmal wohl gleichzeitig, aber an verschiedenen Standorten. So erhalten alle unterschiedliche Botschaften und ihre speziellen Geheimnisse von Maria. Die Haltung der katholischen Kirche in dieser Gegend der Marienverehrung gegenüber wird am besten kenntlich gemacht durch den Ehrentitel, mit dem Maria angesprochen und vermittels dem über sie gesprochen wird: Maria wird als die Gospa, kroatisch für “Herrin”, bezeichnet, ein eindeutiger Hinweis auf die marianische Ausrichtung des kroatischen Katholizismus.

Wie in Lourdes, so wird auch in Medjugorje die Echtheit der Erscheinung nach bewährter katholischer Manier geprüft: “Vicka besprengte die Erscheinung mit Weihwasser und sagte: Wenn du die Muttergottes bist, bleib da, wenn nicht, geh weg! Die Erscheinung lächelte nur”. Eine angemessene Reaktion, denn es ist lächerlich zu glauben, daß eine Erscheinung, selbst wenn sie vom Satan stammt und sich für eine himmlische ausgibt, bei einer solchen Weihwasser‑Behandlung das Weite suchen würde.

Ihr Äußeres wird folgendermaßen beschrieben: Schlank, etwa 1,60 m groß, sehr schön, mit weißem Schleier auf dem Haar, der bis zum Boden reicht und einer Sternenkrone auf dem Haupt. Blaue Augen, schwarze Wimpern, schwarze Locken, rosige Wangen und kleiner Mund, sie benutzt die kroatische Sprache. Als eines der Seherkinder fragt, wie es seiner kürzlich verstorbenen Mutter gehe, antwortet Maria:

• “Du sollst dir keine Sorgen um deine Mutter machen, sie ist mein himmlischer Engel.”

Aber das Wort Gottes sagt eindeutig, daß Menschen und Engel zwei verschiedene Schöpfungswerke sind, wenn auch die Menschen im Himmel geschlechtslos wie die Engel leben werden. Abgesehen davon sind die Geheimnisse,

• die auch die Zukunft der Kirche und der ganzen Welt betreffen, die aber niemandem, noch nicht einmal dem Papst, mitgeteilt werden dürfen,

ein Beispiel für die Unsinnigkeit der Botschaft dieser Marien‑Darstellerin ‑ und wären ohnehin unwürdig einer hohen Frau wie der echten Maria – denn welche Bedeutung können Botschaften für die Welt haben, wenn die Welt nie den Inhalt erfahren darf Diese sinnlose Geheimniskrämerei ist kindgemäß aufbereitet und kindisch zugleich; es soll wohl die Erscheinung in den Augen der Kinder interessanter machen und aufwerten, wie auch den Kindern das Gefühl ihrer eigenen großen Bedeutung vermitteln. Wie so oft, zitiert Maria aus der Bibel auf sich umgemünzte Worte, die in der Heiligen Schrift auf Jesus selbst bezogen sind. Hier antwortet sie auf die Bitte, sich auch der Menge zu zeigen: “Selig, die nicht sehen und doch glauben! ‑ Sie sollen so glauben, als würden sie mich sehen!” (H/N 480)

Wahrscheinlich würde eine derartige Massensuggestion die Fähigkeit der Mariendarstellerin überfordern. Doch in Medjugorje geschehen viele Wunder und das macht diesen Ort für die Pilger attraktiv, von denen schon mehrere Jahre lang Zehntausende zum Erscheinungsort wallfahren. Nicht nur Maria erscheint, sondern auch Engel oder Jesus.

Die besondere Bedeutung von Medjugorje liegt in den Gebetsgruppen, die auf Anregung der Maria gebildet werden. Die Regeln dieser Gruppen sind streng und scheinen beim flüchtigen Durchlesen biblisch einwandfrei zu sein, müssen aber in zwei unterschiedliche Teilbereiche eingeteilt werden:

1. christliche Gebote:

• Leidenschaften und ungeordneten Begierden entsagen: übermäßigen Sport, übertriebenes Essen und Trinken meiden,

• sich ganz Gott übergeben,

• Angst ablegen, sich nicht von Schwierigkeiten beunruhigen lassen,

• die Feinde lieben, dem Gegner verzeihen und Segen auf ihn herabrufen,

• einmal in der Woche zum Gebet zusammenkommen,

• mit Hingabe beten, immer wieder freie Minuten zum Gebet nutzen,

• sich von Gottes Gnade führen lassen, alles Irdische Gottes Sorge anvertrauen,

• den Geist des Gebets auf die Tagesarbeit ausdehnen,

2. marianische Gebote:

• asketisch leben: nicht fernsehen, Alkohol und Rauchen meiden,

• zweimal in der Woche bei Wasser und Brot fasten,

• täglich wenigstens drei Stunden beten, enthalten sind Meßfeier und Rosenkranz,

• wenigstens die Hälfte des Betens und Fastens dem Bischof und den kirchlichen Vorgesetzten widmen,

• vorsichtig sein, weil der Teufel alle prüft, die sich entschlossen haben, sich ganz Gott zu weihen, indem er den Menschen einredet, daß man zuviel beten, zuviel fasten kann, und daß man nicht alle Vergnügungen scheuen muß.

Oberflächlich betrachtet ist an den marianischen Geboten nichts Unge­bührliches zu finden, aber bei genauer Betrachtung muß festgestellt wer­den,

• daß Gott nicht Alkoholgenuß völlig verbietet, denn auch Jesus und seine Jünger haben Wein getrunken und Paulus rät sogar Timotheus, ob der besseren Bekömmlichkeit der Speisen zum Essen etwas Wein zu trinken (l. Tim. 5,23);

• daß weder Beten noch rituelles Fasten einem anderen Menschen gewidmet werden dürfen, sondern allein Gott gebühren und ‑ wenn überhaupt ‑ nur aus Liebe zu Ihm getan werden sollen,

• daß die Stimme, die sagt, man kann auch im Fasten und Beten übertreiben und darf auch mal Feste feiern, die Stimme des Gewissens ist, denn so wie Unmäßigkeit im Alkoholgenuß und beim Essen und Trinken ist auch übermäßige Askese ungesund und daher Sünde, denn dies schwächt die Widerstandkraft von Körper und Geist und öffnet die Seele des Menschen für dämonische Verführungen.

Aber die geschickte Verquickung der christlichen mit den marianischen Geboten zu einer Halbwahrheit läßt allzu vertrauensselige Gläubige zu ihrem Schaden der Botschaft Folge leisten, obwohl die Heilige Schrift im Gegenteil voll der Freude und des Freuens ist, auch über harmlose irdische Vergnügungen, wo sie angebracht sind:

• “Dann freut sich die Jungfrau am Reigentanz, Jüngling und Greis sind voll Frohsinn…” (Jer. 31/13)

• “…daß der Wein erfreue des Menschen Herz; und sein Antlitz schön werde vom Öl … (Ps. 104,15)

• “.. eine Zeit zu weinen und eine Zeit zu lachen, eine Zeit zu klagen und eine Zeit zu tanzen…” (Pred. 3,4)

• auch Jesus nimmt an einer Hochzeitsfeier teil und sorgt sogar für guten Wein.

Eine allzu strenge Askese, die Freude an den guten Gaben Gottes ausschließt, und die ein ständiges Opferleben den Menschen aufbürdet, wie es die Marien handhaben, ist nicht christlich, sondern nur der Exzeß im menschlichen Handeln ist den Christen von Gott untersagt.

Um Satan zu besiegen, erwartet sie, wie die anderen Marien, das intensive Rosenkranzgebet:

• “Gott hat mich unter euch gesandt, damit ich euch helfe. Wenn ihr das wollt, nehmt den Rosenkranz. Schon allein der Rosenkranz kann in der Welt und in eurem Leben Wunder wirken … Denn jetzt wie nie zuvor will Satan der Welt sein schändliches Gesicht zeigen, durch welches er immer mehr Menschen auf den Weg des Todes und der Sünde verführen will. Deshalb, liebe Kinder, helft, daß mein Unbeflecktes Herz in der Welt der Sünde zu herrschen beginnt. Ich bitte euch alle, daß ihr die Gebete und Opfer für meine Anliegen darbringt, damit auch ich sie Gott für das, was am nötigsten ist, darbringen kann … Wohin immer ich auch komme, ist mein Sohn mit mir, und dorthin kommt auch Satan…. Trocknet die Tränen von meinem Antlitz, die ich weine, wenn ich zusehe, was ihr tut …”

Einwände gegen diese Botschaft aus biblischer Sicht sind wie folgt zu erheben:

1. Das Beharren auf dem nicht‑christlichen Rosenkranzgebet zeigt, daß die Maria ‑ entgegen ihrer Behauptung ‑ nicht von Gott gesandt ist;

2. somit wird auch der Rosenkranz keine Wunder Gottes bewirken, sondern es werden widergöttliche Zeichen und Wunder sein,

3. durch das monotone, gedankenlose Gemurmel des Rosenkranzgebetes wird der Geist schläfrig gemacht und ist leichter für satanische Einflüsterungen zugänglich,

4. es ist ein nicht‑christlicher Gedanke, ein Unbeflecktes Herz in der Welt herrschen zu lassen; allein Gottes Wille regiert die Welt;

5. Gebete und Opfer für eine andere Herrschaft als die Gottes darzubringen, ist antichristlich,

6. es steht zu erwarten, daß ‑ wer auch immer mit ihrem Sohn gemeint ist ‑ Satan gewiß immer bei ihr ist, da sie sich in ihren Botschaften als seine Abgesandte erweist;

7. der auch hier erfolgte Hinweis auf ihr träniges Wesen ist unnötig und wirkt nur auf fanatische Marienverehrer anziehend.

Die Botschaft von Medjugorje schließt sich an die übrigen ihrer Verlautbarungen an; Maria sagt:

•  “Ich bin die Mittlerin zwischen euch und Gott.” (H/N 484)

Sie erklärt, nur durch Gebet könne man sie und Gott fühlen und ihre nicht Gottes ‑ Gnaden erhalten. Sie fordert die Menschen auf, ihr ganz zu gehören, damit sie imstande sei, ihnen zu helfen. Aber der Mensch gehört allein seinem Schöpfer, keiner anderen Kreatur. Das Wort der Gottes an Israel: “Fürchte dich nicht, denn ich erlöse dich, rufe dich beim Namen, mein bist du!” (Jes./1s. 43, 1) gilt auch für uns Christen, denn wir sind “Miterben … und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.” (Eph. 3,6).

Außer mehreren Lichterscheinungen, unter anderem das Wort “MIR” Friede ‑ in Leuchtbuchstaben am Himmel, ist Maria mit dem Kind auf einem entwickelten Film zu sehen. Auch zwei altertümliche große Rosenkränze werden auf einem Feld gefunden, von denen Maria sagt, sie seien ein Geschenk von ihr. Ein mit einem Mediziner zusammenarbeitender Mariologe kommt zu dem Schluß, daß natürliche Erklärungen für die Erscheinungen nicht ausreichen, um die Ereignisse konkret einordnen zu können. Die jugoslawische Bischofskonferenz hat noch nicht über die Zustimmung kirchlicherseits entschieden, Kardinal Ratzinger ist jedoch der Ansicht, man “werde … versuchen, die Stätte als ’Ort des Gebetes’ zu erhalten”, obwohl noch nicht feststehe, daß sich dort “etwas Übernatürliches” gezeigt habe.

Zwar steht das große von Maria angekündigte Zeichen als Beweis ihrer Authentizität bisher noch aus, aber “Der französische Arzt Professor Henri Joyeux, der die Kinder untersuchte und vor allem von der Gleichzeitigkeit der Visionen bei allen sechs Sehern fasziniert war, kam wie sein jugoslawischer Kollege Dr. Ludvik Stopar zu dem Schluß, die Geschehnisse von Medjugorje seien auf natürliche Weise nicht zu erklären.”

Am 25 November 1998 erklärt sie ihren Sehern, daß sie sich auf das Kommen Jesu vorbereiten sollen ‑ unter anderem mit einer Beichte, vor allem aber ermahnt die Maria: “… meine lieben Kinder, seid mein und entscheidet euch mit mir für die Heiligkeit!”

Netzwerk ‑ Die Welt als Bühne

Im Laufe der Jahrhunderte seit der Auferstehung Jesu Christi sind die Marien auf allen Kontinenten erschienen:

• seit dem ersten Jahrhundert kontinuierlich 774 mal in Europa und

• mit einer Unterbrechung zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert 42 mal in Asien, wobei vom 1. bis zum 8. Jahrhundert nur Kleinasien besucht wird, wo erst wieder im 20. Jahrhundert erneut Erscheinungen auftreten,

• seit dem 14. Jahrhundert 17 mal in Afrika,

• seit dem 16. Jahrhundert 83 mal in Amerika,

• und schließlich, als letztem Kontinent, einmal im 20. Jahrhundert in Australien.

Daß die Phantome nicht alle unabhängig voneinander operieren, sondern zumeist miteinander in Verbindung stehen, beziehungsweise ein Netz um die Welt bilden, in welchem sie so viele Christen wie möglich eingefangen haben, läßt sich daran erkennen, daß sie auf einige der wichtigsten Erscheinungsorte und die dort erfolgten Botschaften Bezug nehmen. Ein kleiner Überblick dieser Querverbindungen legt eine eindrucksvolle Vernetzung offen:

Zur La Salette‑Erscheinung:

Die von 1873 bis 1941 andauernden Marienerscheinungen von La Fraudais, Frankreich, bringen eine Bestätigung der “Geheimnisse von La Salette” (H/N. 223)

1870 “erschien Maria einem achtjährigen Kind als Unsere Liebe Frau von La Salette.”

1873 rät Maria einer Kranken in den USA “drei Tropfen aus der Quelle von La Salette … in den Mund zu nehmen und dabei drei Gegrüßet‑seist-du‑Maria zu beten”

1884 in Frankreich: “Sie bestätigte die Erscheinung in La Salette“

1917 sagt sie in Fatima: “Was in La Salette bereits durch die Kinder… zum Ausdruck kam, wiederhole ich dir gegenüber”

1925 erscheint sie in Deutschland als “Unsere Liebe Frau von La Salette.”

1948 sagt das Phantom in Italien: “Ich war in Lourdes, in La Salette…

Wie wenig Wert katholische Autoren auf die Aussagen der Heiligen Schrift legen ‑ denn deren Nichtkenntnis sollte ihnen wohl nicht unterstellt werden ‑ bezeugt folgende Feststellung eines Anhängers der Frau aller Völker: Ja Salette, Fatima und Amsterdam sind keine für private Zwecke und private Meinungen oder für diese oder jene Diözese gegebene Offenbarungen. Sie sind direkt an den Papst selbst gerichtet und wurden durch die Heilige Schrift im vornherein als göttliche Offenbarungen bestätigt.” Bei solchen Äußerungen drängt sich der Gedanke auf, es muß irgendwo eine geheime katholische Sonderbibel ähnlich dem Buch Mormon geben, denn die normalen im Umlauf befindlichen Bibeln sind gleichen Inhalts wie die der evangelischen Konfession und weisen alle Erscheinungen, auch und besonders die von La Salette, Fatima und Amsterdam als antichristlich aus.

Zur Lourdes‑Erscheinung

1942 stellt Maria in der Schweiz fest: “Ich bin eure Mutter, die Königin vom Sieg’ … Hätte die Mehrzahl der Gläubigen die Bitten der Gottesmutter erfüllt, die sie in Lourdes und Fatima an sie gerichtet hat, hätte Rußland sich bekehrt und wir hätten den Frieden:”

1951 beklagt sie in Italien: “Ich war in Lourdes, in La Salette, aber nur wenige harte Herzen haben sich bekehrt”

Zur Fatima‑Erscheinung:

1946 erscheint Maria in Frankreich stets am 13. jeden Monats wie in Fatima, sagt in Italien: “In Fatima habe ich die Andacht der Weihe an mein Herz verkündet” und warnt in Marienfried: “Haltet den mir geweihten Samstag, so wie ich es gewünscht habe (in Fatima)”

1951 sagt sie gleichfalls in Italien einem Medium: “Ich will mit dir sprechen über das dritte Geheimnis von Fatima” (H/N 358) und “Auch Fatima wird bestätigt”. 1955 weist Maria in Rumänien auf die Bedeutung der Botschaft von Fatima hin.

Anläßlich ihrer Erscheinung in einem Weizenfeld in Fontanelle am Fronleichnamstag 1966 sagt Maria: “Wie sehr wünsche ich, daß dieser Weizen zu eucharistischem Brot würde in vielen Sühnekommunionen! Ich wünsche, daß dieser Weizen in vielen Hostien nach Rom komme und für den 13. Oktober Fatima erreichen möge.”

1981 stellt sie in Italien fest: “Das dritte Geheimnis von Fatima, das ich den Seherkindern geoffenbart habe, bewahrheitet sich jetzt.”

In Eisenberg, wo sich die drei Länder Ungarn, Jugoslawien und Österreich treffen, erscheint eine Maria 1982 und verkündet einem Medium: “Hab keine Angst … jetzt ist es höchste Zeit! ‑ die Welt steht vor der Katastrophe. Die Mächte rüsten wie noch nie! Die große Übermacht des gottlosen Weltkommunismus wird unerwartet über die noch freien Länder einbrechen, denn der kennt keine Grenzen. Das wird die große Weltkatastrophe auslösen! Ich spreche die gleiche Sprache wie in Fatima.” Da Maria über den zwischenzeitlich erfolgten Zusammenbruch der Sowjetunion, und somit des Weltkommunismus nicht informiert ist, also keineswegs aus der Führungsetage Gottes ihre Informationen erhalten haben kann, liegt auf der Hand, daß sowohl Fatima wie auch Eisenberg von Erscheinungen aus dem Lager des Gegners heimgesucht worden sind. Und wenn diese beiden Marien zum Widersacher zuzurechnen sind, dann ist dies auch bei allen anderen der Fall, da sich keine gegen eine andere ausspricht.

1985 erklärt Maria in Polen: “Im Jahre 1917 wollte ich in Fatima die Welt vor dem Zweiten Weltkrieg verschonen, aber man schenkte mir kein Gehör.”

1985 verspricht sie in Kanada: “Das Wunder werde gewaltiger sein als das große Sonnenwunder von Fatima und Weltkatastrophen einleiten, wie sie die Menschheit nie zuvor getroffen haben.”

Zur Amsterdamer Frau aller Völker:

“Wie in Turzovka (1958) oder in Eisenberg (1955‑1984) steht die apokalyptische, weltweite Perspektive (seit La Salette und Fatima) im Blickpunkt der Botschaften der Frau aller Völker… In seiner Dar­stellung der Frau aller Völker als apokalyptischer Frau beschreibt der Autor, daß diese Maria zu allererst von den deutschen Bischöfen Gefolgschaft hinsichtlich ihres Strebens nach dem Erlaß des für ihre endgültige Wiederkehr notwendigen dritten Mariendogmas erwarten würde und reiht das Amsterdamer Phantom der Bedeutung ihrer endzeitlichen Botschaften entsprechend folgendermaßen in die Serie der Marienerscheinungen ein: “Zur Vervollständigung der obigen Gegenüberstellung apokalyptischer Ankündigungen und ihrer Realisierungen muß noch folgendes hinzugefügt werden: Die Amsterdamer Botschaften bzw. die Amsterdamer Siegeloffenbarung wurde durch zwei frühere Marienerscheinungen antizipiert: Durch La Salette und durch Fatima.”

Verschiedene Orte:

1951 erscheint Maria in Italien als “Jungfrau der Armen” wie 1933 in Banneux.

1985 fordert in den USA ein Medium auf. “Du mußt nach Medjugorje reisen, und dort will ich dir eine Botschaft für meine Priester geben. Du wirst am Fronleichnamsfest reisen.”

In Österreich gibt ein Phantom namens Laurentius 1990 Hinweise auf verschiedene Orte, u.a. La Salette, Garabandäl, San Damiano, Eisenberg, Heede, Heroldsbach, Fatima, Montichiari, und sagt: “Nehmt in der Gegenwart vor allem die Durchgaben von Mutter Maria in Medjugorje ernst.”

Im deutschen Marpingen bestätigt Maria 1983: “Mehr als hundert Jahre meiner Offenbarungen sind vergangen.” (H/N 498)

In Kanada erscheint Maria 1985 einer einfachen Frau “… als ’Unsere Liebe Frau der Einheit, Mutter und Helferin der Menschen’ und trägt ihr in einer Botschaft auf, auf die in Garabandál angekündigten Ereignisse hinzuweisen.” (H/N. 514).

Schauplatz der Phantome ist also die ganze Welt ‑ die herausragende Bedeutung einiger liegt in der besonderen Funktion, die ihre Botschaften für die Zukunft sowohl der katholischen Kirche, der Ökumene, als auch auf das Weltgeschehen haben, in das die Phantome aktiv eingreifen wollen:

* La Salette mit der tränenreichen “Mutter der Christenheit”, wo Maria sich als Fürsprecherin und Miterlöserin präsentiert, um die Menschen auf ihre Rolle in Amsterdam vorzubereiteten und dann dort bessere Akzeptanz zu erhalten. Sie bezeigt aber ihre antichristliche Abkunft allein schon durch ihren abstoßenden Schmuck, denn welche natürliche Mutter ‑ geschweige denn die himmlische Maria ‑ würde am Hals ein Kreuz tragen, auf dem sich ihr Sohn in seinen Todeszuckungen windet?

* Lourdes mit der “Unbefleckten Empfängnis”, da es für die zukünftige Miterlöserin unbedingt notwendig ist, sich vorher als sündenlos zu präsentieren, um sich den Menschen als Gottheit darzustellen.

* Fatima mit der “Rosenkranzkönigin”, die das Rosenkranzgebet als Waffe ausgibt, mit der Satan geschlagen werden wird, das aber tatsächlich ein Gebet darstellt, mit dem für Satan Seelen gewonnen werden. Denn sowohl viele ihrer eigenen Äußerungen, als auch die Gebete des sie einführenden Engels weisen diese Geister als antichristlich aus. ”

* Amsterdam mit der “Frau aller Völker”, die zur kirchlich per Dogma abgesegneten “Miterlöserin” als Gegenchristus aufsteigen will, aber das Spektakel einer die Verehrung des Kreuzes karikierenden Vorstellung gibt, indem sie bei ihren Erscheinungen mit diesem Symbol so verschwenderisch und würdelos umgeht, daß sich ein lächerliches Schauspiel darbietet. O Medjugorje mit der “Königin des Friedens”, die auf das Friedensreich des Antichristen vorbereitet und sich als Gospa’, als die HERRIN preisen läßt und somit die Gleichsetzung mit Jesus voll erreicht hat.

Jede dieser Mariendarstellerinnen hat an ihrem Schauplatz einen ihr bestimmten Auftrag auszuführen, der an die vorherige Rolle anknüpft, welche wiederum eine Vorbedingung für die nachfolgenden darstellt. Wie bei den Dogmen, die ja ebenfalls das Werk der Phantome sind, ergibt sich auch hierbei der logische Aufbau vorausgeplanter Handlungen, bei denen Rollenspiel, Kostüm und Botschaft sorgfältig aufeinander und auf das Publikum abgestimmt sind und das gleiche Ziel verfolgen, das im Verlauf der Untersuchung immer deutlicher zu Tage treten wird.

Auf heimliche Weise ist ein gewaltiges Spinnennetz entstanden, in dessen Mitte eine unheimliche, nichtmenschliche Macht sitzt, bereit zuzuschlagen, um sich die Beute einzuverleiben.

Kapitel 6: Dramatische Szenen

“Du aber bete nicht für dieses Volk da, bringe keine flehende Fürbitte für sie vor, dringe nicht in mich, denn ich erhöre dich nicht!… … die Frauen kneten den Teig, um Opfergebäck für die Himmelskönigin zu backen…” (Jer. 7,16 ‑18)

Himmelskönigin

Maria wird als “mater, sponsa et consors Christi” aufgefaßt ‑ eine für eine christliche Kirche recht abartige Lehre, die aber erklärt, warum Maria “in ihrer einzigartigen Stellung im Erlösungswerk” auch in der bildhaften Darstellung stets als die Jesus Überlegene dargestellt wird. Von welchem Geschöpf dürfte man es wagen, es “als gottesmütterliche Braut“ zu bezeichnen? Also kann Maria von der Kirche nicht als Geschöpf betrachtet werden, auch wenn sie dies vordergründig behauptet. Hier wird die Lehre einer “… geheimnisvollen Zweiheit … vorausgesetzt. Wer sie versteht, dem ist von vornherein auch klar, inwiefern wir unsere Erlösung Christus und inwiefern wir sie der Gottesmutter verdanken, obwohl sie selbst die Erlöste, die Vollerlöste ist …” Damit wird erklärt, warum Maria als Miterlöserin fungieren muß: während sie nämlich als einzige von Jesus “vollerlöst” worden ist, gelang es ihm demnach nicht so ganz, die Welt völlig zu erlösen, also muß Maria ihm helfen, das Erlösungswerk zu vollenden. Anders kann der Ausdruck “Vollerlöste” nicht aufgefaßt werden, ist aber Vorbedingung für die Verehrung Mariens als Himmelskönigin, die in der Frömmigkeit der Schönstattfamilie Gottes Namenlosigkeit und begrenzte Allmacht begründet:

“Das Marienbild in seiner staunenswerten Größe ist so erhaben, daß selbst Gott in seiner Allmacht … nichts Größeres schaffen kann. … Es ist nicht schwer zu verstehen, daß Gottes Unendlichkeit uns dann erst tief ins Gemüt greift, wenn wir sie messen mit dem Marienmaße, mit dem höchsten rein geschöpflichen Maße. Von da aus verstehen wir erst die Apokalypse und fühlen uns angeregt, Gott schlechthin als den Namenlosen anzubeten, als den, der auf dem Throne sitzt’, und… von sich sagen kann: “‘Ich bin, der ich bin’ … Mariens unaussprechliche Größe stellt Gottes Unendlichkeit nicht nur nicht in den Schatten, sondern erst ins rechte Licht.”

In diesem Zitat des Begründers der internationalen Schönstattbewegung, Pater Josef Kentenich, wird verdeutlicht, daß die römisch‑katholische Kirche Zweifel an der Allmacht Gottes hegt, wenn sie Maria als Geschöpf Gottes so über alle Maßen lobt, denn selbstverständlich kann Gott – wenn Er will ‑ Geschöpfe erschaffen, die jedes menschliche Geschöpf, eingeschlossen Maria ‑ in den Schatten stellen. Letztendlich sagt auch ein von den Katholiken hochgeehrtes Marien‑Phantom, dessen Verehrung kirchlich gefördert wird, von sich “Ich bin die, die ich bin in der göttlichen Dreifaltigkeit” stellt sich damit also als Teil des dreieinigen Gottes dar, so daß die Behauptung, das Gottesbild würde durch das Marienbild “vor Entpersönlichung, Entmenschlichung und Vermenschlichung” bewahrt, (JK 177) ebenso verlogen klingt, wie die Aussage: “In ähnlicher Weise schützt es das Christusbild: sowohl Christi Person in ihrer geschichtlichen Existenz und Eigenart als auch Christi Werk.”

Der Kult der “Himmelskönigin” ist jedoch schon im Alten Testament bekannt und wird dort als Beleidigung Gottes bezeichnet, während Gott diesen Kult auch zur Schande der Kultanhänger ausgeführt sieht. Zwar backen moderne Frauen wohl kaum noch Plätzchen, um sie der Himmelskönigin zu opfern, aber in “Maria Einsiedeln”, das zu einem der meistbesuchten Wallfahrtsorte der ganzen katholischen Welt gehört, gibt es für das 1943 feierlich gekrönte Gnadenbild mehrere heidnische Zeremonien, wie das alljährlich gefeierte Engelweihfest und die vielen Votivkerzen, die von den Kantonen und Gemeinden gestiftet werden. Sehr nahe an die der Himmelskönigin Plätzchen opfernden Frauen kommt der immer noch ausgeübte Brauch, der Maria “einfache gelbe Wachsfigürchen, die Menschen, Gliedmaßen oder Haustiere darstellen, zu opfern”.

Schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts haben in Thrakien die Christen auf Maria den Jungfrauenkult der Kybele übertragen, die mit Gebet, Prozessionen und Opfern verehrt worden ist, wobei die Opfer in Gestalt kleiner Kuchen dargebracht wurden. So erscheint auch eine Maria dem späteren Begründer der Benediktinerkongregation an einer italienischen Kultstätte der Kybele und verlangt, daß dort ein Heiligtum für sie errichtet werde. “Im Gebet erging an Wilhelm die Aufforderung, an dem Ort, wo einst der heidnischen Muttergottheit gedient wurde, ein Marienheiligtum zu begründen und der wahren Mutter zu dienen.” Es entsteht eine Wallfahrtskirche mit Gnadenbild. Der marianische Kult der Himmelskönigin läßt sich also direkt auf diesen heidnischen Kult zurückführen, und es steht außer Frage, daß von vornherein nicht Maria, sondern die heidnische Urgottheit Gegenstand der Verehrung ist. Auch heute noch nähren sich die Marien‑Phantome von Opfern, nur sind es jetzt Opfersühneseelen, während Gebet und Prozessionspraxis voll erhalten bleibt. Die weite Entfernung von dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist gekennzeichnet durch die Wahl der Bezeichnung “Himmelskönigin” als einen der Ehrentitel ihrer Maria. Gott sagt klar und deutlich, daß er selbst die Fürbitten des Propheten Jeremias für die Anbeter der Himmelskönigin nicht erhören wird.

Als Himmelskönigin wird Maria demnach von den Christen schon frühverehrt, weil diese aus dem Heidentum stammenden Menschen ihre heid­nischen Gottheiten vermissen und sie nunmehr unter einem anderen, christlichen Namen zu verehren wünschen:

• Im 7. Jahrhundert wird in Konstantinopel zu einem Gebetssturm zur Himmelskönigin gerufen  und 1001 sieht ein italienischer Graf, wie zwei Engel Maria mit einer dreifachen Krone krönen. (H/N 66)

• Seit dem 7. Lebensjahr erscheint der hl. Birgitta von Schweden eine Maria, verursacht ihr viele Visionen und stellt sich vor: “Ich bin die Königin des Himmels, die Mutter Gottes. (H/N 94)

• Botschaften einer Marienerscheinung werden in der katholischen Literatur als “Lehre der Himmelskönigin” bezeichnet.

So stellen sich die Marienerscheinungen bevorzugt ihren Verehrern vor:

• Die heilige Elisabeth von Portugal sieht Maria als Königin des Him­mels in einem Prachtgewand. Als sich ein Jesuiten‑Novize der Himmelsmutter durch ein Gelübde weiht, erscheint ihm Maria als Himmelskönigin. Während einer Prozession im Ecuador des 17. Jahrhunderts zeigt sich eine Maria als Himmelskönigin.

• Ein russischer Einsiedlermönch und seine Schülerin sehen “Maria als Himmelskönigin in einem prachtvollen Gewand, eine Krone auf dem Haupt, die mit vielen Kreuzen geschmückt war.” Sie wird begleitet von einem großen Hofstaat, gebildet aus einer Vorhut “von zwei Engeln… die frisch erblühte Blumen in ihren Händen trugen. Ihnen folgte Johannes der Täufer, dann Johannes der Evangelist … Zwölf heiligen Jungfrauen aus der frühchristlichen Zeit, die als Märtyrerinnen ihren Glauben bezeugt hatten, begleiteten sie.” (H/N 182)

• Als sich Maria 8‑14jährigen Kindern zeigt, schmückt sie sich mit mehreren Titeln, von denen einer “die Himmelskönigin” ist. Und als triumphierende Königin des Himmels stellt sie sich auch einem Kapuzinermönch vor, während es von einem ungarischen König heißt, daß er sein Land “… der Himmelskönigin voll und unumschränkt als Erbe überließ.”

Als die heilig gesprochene deutsche Herz‑Jesu‑Mystikerin Gertrud die Große sich in eine Vision versenkt, sieht sie Jesus, der zu ihr spricht:

• “Stelle dich vor meine Mutter, die mir zur Seite thront, und bemühe dich, sie zu preisen:’ Hierauf grüßt sie andächtig die Königin des Himmels …” Diese Szene ist betitelt “Vorstellung am Throne der Himmelskönigin”.

Wie tief Maria als eine in ihrer Bedeutung Jesus weit überragende Gestalt schon in das Bewußtsein der Gläubigen eingedrungen ist gibt dieses Beispiel kund, wobei der Pseudo‑Jesus folgender Aufforderung der Mystikerin gehorsam Folge leistet, als sie zur Begründung anführt, er sei ihr Bruder, und

• „dazu Mensch geworden…, um alle menschlichen Mängel zu ersetzen, so leiste auch jetzt deiner heiligen Mutter für mich Ersatz, wenn ich bei ihrer Lobpreisung nicht würdig genug verfahren bin.’ Auf diese Worte erhob sich der Sohn Gottes, trat ehrfurchtsvoll vor seine Mutter, bog das Knie vor ihr und grüßte sie liebreichst durch Neigen des Hauptes.”

Es wird also von der katholischen Kirche zugelassen, daß ihre Gläubigen unseren Erlöser Jesus als eine Person, die alle menschlichen Mängel zu ersetzen habe ansehen, Sein Geschöpf Maria dagegen als göttliche Himmelskönigin anerkannt wird. Daß die Pseudo‑Maria sich selbst als jemanden darstellt, dem nicht nur göttliche Ehren und die gleiche Verehrung, die Gott gebührt zustehen, bezeugen ihre Worte:

“Ich bin der Weg, der zu Gott führt.” Und ihre Göttlichkeit begründet sie folgendermaßen:

• “Der Friede Gottes, die Freude Gottes und die Liebe Gottes drangen in mein Leben ein, und ich wurde verwandelt, … denn heilige Göttlichkeit wurde mir eingeflößt”, aber daß sie sich sogar für Gott hält, läßt folgende Botschaft erkennen:

• “… Ich habe euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben, und ich habe mir den siebten vorbehalten, und man will ihn mir nicht gewähren…” (H/N 199)

Doch gemäß Heiliger Schrift ist es Gott, der die Heiligung des siebenten Tages verfügt, die sich Maria nunmehr anmaßt. So ist es auch konsequent, wenn sich

•  “Maria als Himmelsgöttin, umgeben von unzähligen Engeln” einem Schweizer Einsiedler im 16. Jahrhundert präsentiert.

Eine Herrscherin ohne festliches Gepränge ist nicht vorstellbar und so hat sie dafür gesorgt, daß es sehr viele Feste zu Ehren der Maria gibt, die an Bedeutung und Pracht die Feste, die Gott den Menschen geschenkt hat, noch übertreffen. Schon im 9. Jahrhundert erscheint deshalb eine Maria dem Erzbischof von Toulouse und “wünschte die Verbreitung der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis und die Feier eines diesbezüglichen Festes ‑ wofür er sich darauf zeitlebens einsetzte.” (H/N 64)

Als im 11. Jahrhundert in einem französischen Ort die Pest ausbricht, kommt Maria und “erbat für den folgenden Tag, den 8. September, Fest Mariä Geburt, eine Prozession rund um die Stadt, (H/N 67) worauf die Pest aufhört und die Bruderschaft “Notre‑Dame‑du‑Cordon” begründet wird.

Anläßlich einer Erscheinung am 8. September 1989 in Polen, in der sie von Maximilian Kolbe begleitet wird, sagt Maria: “Am Festtag meiner Geburt bin ich auf die Erde herabgestiegen, um in eurem Herzen das Korn zu säen …” Allerdings erscheint ein weiteres Marien‑Phantom am 5. August und sagt, “es sei ihr Geburtsfest…” – Irgendeine der beiden Marien scheint ihren Geburtstag nicht mehr so genau im Gedächtnis zu haben.

Von Maria sagt schon Augustinus, sie hätte als Kind ein Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt. Also sieht auch der verkannte Mariendiener Jakob Lorber sie in einer Vision im Tempel als gottgeweihte Tempeljungfrau erzogen, wo ein Priester aufgrund eines Taubenorakels sie Joseph zuspricht. Ähnliches gibt eine Maria von sich als sie von ihrer Kindheit spricht und von ihrer Darstellung als Jungfrau im Tempel des Herrn. Der hl. Elisabeth teilte eine Maria “einige Geheimnisse ihres Aufenthalts im Tempel von Jerusalem mit.” Also wird ein Fest Mariä Opferung, am 21 November eingeführt.

Mariä Verkündigung berücksichtigt das römische Weihnachtsfest und wird deshalb auf den 25. März, also neun Monate vor Christi Geburt, gelegt. Im Alpengebiet wird es als “Unser Frauen Tag im Pflanzen” gefeiert. (ME/H 185) In Bezug auf das Fest Mariä Himmelfahrt ist Marias Kommentar:

“Mögen alle mit so einem Glauben kommen wie jene Frau, die am Vorabend des Hochfestes Marias Aufnahme in den Himmel, geheilt worden ist.” (H/N 493)

In Südtirol erscheint Maria einer Viehhüterin und fordert:
• “In meinem Namen sollst du verkünden, daß alljährlich der heutige Tag festlich begangen werde! … Ich wählte diesen Ort zum Thron meiner Barmherzigkeit … Sorge dafür, daß für meine Verehrer, die bald in großer Zahl herbeiströmen werden, eine geräumige Kirche gebaut wird”. (H/N 179)

In diesem Fall täuscht die Erscheinung noch nicht einmal mehr vor, von Gott beauftragt zu sein, sondern verkündet selbstherrlich ihre Verherrlichung von eigenen Gnaden!

Zur Einführung des Festes “Maria Namen” überbringt eine Geisterbotin einem Medium folgende Marienbotschaft;

• “Möge man alle Kraft aufbieten, um die Ehre und den Ruhm des Namens Mariä unter dem Volke zu verbreiten. Ja, möge man die Menschen zur Überzeugung bringen, daß ein sehr wirksames Mittel, sich den Sohn geneigt zu machen, darin besteht, die Mutter hoch zu ehren und ihre Herrlichkeit auf dem Erdenkreis bekannt zu machen, auf daß sie von allen anerkannt und verehrt werde.” (H/N 269)

Solche “Botschaften” sind die Grundlage für die den Götzendienst verschleiernde Ausrede, daß die Verehrung Mariens zur höheren Ehre Gottes geschehe.

Das Rosenkranzfest wird von Papst Klemens XI. eingeführt, nachdem die türkische Invasion Anfang des 18. Jahrhunderts erfolgreich zurückgedrängt worden ist. Maria soll ihren Mantel über die Heere Prinz Eugens gebreitet und ihm so zu dem Sieg über die Türken verholfen haben. Das Marienbild, das er vor der Schlacht im Feldlazarett aufgebaut hat, übergibt er der Kirche “Maria Schnee” von Peterwardein. Dieses Bild, das Maria mit dem Schutzmantel darstellt, erfährt weite Verbreitung und wird im Laufe der Zeit oft kopiert. Die Königin des Rosenkranzes’ wird von König Philipp IV. von Spanien zur Schutzpatronin des Landes erklärt und an jedem Osterdienstag festlich gefeiert. Das über der Steineiche erscheinende Fatima‑Phantom läßt die Seher‑Kinder Geld für “das Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz” sammeln. Und an manchen Orten wird am 2. Sonntag im Oktober das “Fest der Mutterschaft Mariens” gefeiert. Viele Marienerscheinungen erfolgen an ihren Ehrentagen, so auch am 15. September, dem Fest der sieben Schmerzen Mariä, an dem Maria einem Medium als “eine großgewachsene junge Frau von unsagbarer Schönheit,” ganz in Weiß mit weißem Schleier, selbst der Rosenkranz ist weiß, erscheint. (H/N 306)

Für die Umbenennung eines Marienfeiertages zeichnet das Amsterdamer Phantom, welches sich Frau aller Völker betitelt verantwortlich, denn ihre Forderungen, als “Miterlöserin, Fürsprecherin und Mittlerin” per Dogma verkündet zu werden, beeindrucken Papst Pius XII. so sehr, daß er “das Fest Mittlerin aller Gnaden’ am 31. Mai durch das Fest Naria Königin ” ersetzt.”

Einem Medium wird in der Vision einer himmlischen Prozession mitgeteilt, daß so “die seligste Jungfrau als die siegreiche Königin der Welt überall in den Städten und Dörfern gefeiert werden wird.” Dies solle noch unter Pius XII. im Marianischen Jahr 1954 geschehen. Oder die Maria läßt verlauten: “Haltet den mir geweihten Samstag, wie ich es gewünscht habe (in Fatima)”

Und wer ihre Feste feiert, erhält auch huldvoll etwas geschenkt:

“Ich wünsche, daß man jedes Jahr am 8. Dezember um die Mittagszeit die Stunde der Gnade’ für die ganze Welt feiert. Mit dieser Übung wird man zahlreiche seelische und leibliche Gnaden erlangen …” (H/N 334)

Diese Erscheinungen, die sich als Maria, Mutter Gottes” ausgeben, haben den christlichen Glauben teilweise bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Daß auch die radikale sich in den Erscheinungen zeigende Persönlichkeitsveränderung “Mariens” übersehen wird, ist unheimlich zu nennen:

• Hier die Maria der Heiligen Schrift, die demütige Magd des Herrn von einer natürlichen Erhabenheit und Würde, die stets auf ihren Sohn weist, und die Menschen mahnt, das zu tun, was er sagt ‑

• dort aber die spektakulären “Marien”‑Erscheinungen, die im exakten Gegensatz dazu sich selbstherrlich, überheblich und überaus stolz präsentieren und ein fremdes Evangelium bringen.

Diese Veränderung im Charakter der sich als Maria ausgebenden Wesenheiten führt dazu, daß keine dieser Erscheinungen als authentische Mutter des Herrn angesehen werden kann. Denn wäre auch nur eine einzige der Marien die echte biblische Maria gewesen, sie hätte darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei den übrigen Erscheinungen um Trugbilder handelt. Abgesehen davon ähnelt keine dieser Marien der in der Bibel beschriebenen Maria: Im übrigen nehmen die Phantome auf ihre Erscheinungen positiv Bezug, so daß auch dieses darauf hinweist, daß es nur einen einzigen Ort gibt, von dem all dieser Erscheinungen ausgesandt werden ‑ und das ist nicht der Himmel, denn die Himmelskönigin gehört seit Urzeiten dem Bereich der Unterwelt an.

Wer eine Maria herbeiruft, kann gewiß sein, daß sie die ihr Hörigen nie wieder freiläßt: Als Ende des 18. Jahrhunderts in Annam bei einer Christenverfolgung einige Menschen in einer Hütte vor einem Marienbild beten .  erschien ihnen Maria eines Abends in hellem Licht und strah­lendem Weiß, begleitet von zwei Engeln und sagte: Meine Kinder, worum ihr gebetet habt, das gewähre ich euch; alle, die hier beten werden, werde ich erhören!’ ” (H/N 183) Da aber realiter nur jene gerettet werden, die den Namen unseres Herrn Jesus anrufen, werden all die “Christen”, die sich statt dessen an Maria um Hilfe wenden und noch dazu die Sünde begehen, vor einem Bild niederzufallen und zu beten, die von dieser Maria versprochene “Erlösung” bitter bereuen. Denn sie beinhaltet ein Loslösen von Jesus, verbunden mit dem Versprechen, dahin zu kommen, wo diese katholische Maria herrscht und sich offensichtlich viele katholische Heilige einfinden, das aber nicht das in der Bibel genannte Himmelreich sein kann, da es eine “Himmelskönigin” besitzt. Bernhard von Clairvaux gilt allgemein als “Anwalt des Marienkultes”, dem von Maria angeblich die Brust dargeboten wurde, um ihn mit ihrer Milch zu stillen; weitere Marienverehrer sind beispielsweise Hieronymus, Bonaventura und viele andere Heilige und Päpste; fast alle “Marienverehrer” sind von der Kirche heilig gesprochen worden. Die Heilige Schrift aber kennt nur eine Himmelskönigin als Götzen! Denn allein

• “… Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgebornen der Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde” (Offbg. 1,5) gilt alle Ehre und Herrlichkeit des Vaters in Ewigkeit.

Eine gebetsartige an das Assumpta‑Dogma erinnernde Selbstverherrlichung gibt Maria am 6. August 1949 in Frankreich kund:

• “Mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen, von den Engeln im Triumph hinaufgetragen, von der Heiligsten Dreifaltigkeit zur Königin des Himmels und der Erde gekrönt, wache ich voll Mitleid über meine Kinder auf der Erde. Kommt zu mir, ich werde eure Leiden lindem, ich werde die Kirche beschützen und die Sünder retten. Ich wünsche, daß diese Worte dem Hl. Vater bekanntgemacht und in der ganzen Welt verbreitet werden.” (H/N 307)

Hier ist die Intention der Erscheinung, sich selbst alle Ehre zu geben die Gott gebührt, doch unüberhörbar. Gibt es hier noch die geringste Chance, daß ein Christ diese Worte als von Gott kommend verkennen könnte? Die katholische Kirche schreitet aber nicht gegen solche “Botschaften” ein. Wenn sie sich also bei ihren Kulten und anderen außerbiblischen Überlieferungen wie beispielsweise der Verehrung Mariens auf eine uralte Tradition beruft, dann entspricht dies durchaus den Tatsachen: sie ist älter als das Christentum, denn wenn auch der Name sich ändert ‑ die Himmelskönigin und der Muttergöttinnen‑Kult zielen auf die uralten Götzen. Was allerdings von Traditionen, die gegen die Heilige Schrift gerichtet sind, zu halten ist sagt uns unser Herr Jesus sehr deutlich:

• “Warum übertretet auch ihr das Gebot Gottes um eurer Überlieferung willen? … ihr habt (so) das Gebot Gottes ungültig gemacht um eurer Überlieferung willen. Heuchler! Trefflich hat Jesaja über euch geweissagt, indem er spricht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.” (Matth.15,3‑9)

Heute geht es nicht ‑ wie damals ‑ nur um die Übertretung des vierten Gebotes, sondern auch der ersten beiden Gebote. Aber Jesu Worte gelten in jedem Fall: Bei allen Lippenbekenntnissen der Kirche zu Gott ist doch das “Herz” der katholischen Kirche bei einem seiner Geschöpfe, das für Maria ausgegeben wird, aber mit der Mutter des Herrn keinerlei Ähnlichkeit besitzt.

Vor Zusätzen zum Inhalt der Heiligen Schrift wird zu recht gewarnt: “Deswegen müssen wir um so mehr auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa (am Ziel) vorbeigleiten.” (Hebr. 2,1). Doch das Lehramt der Kirche ist durch den Irrglauben einiger ihrer Theologen und Kirchenväter, die sich eine Himmelskönigin aufgebaut haben, unheilvoll vorbeigeglitten: Durch die Anerkennung der Marienerscheinungen sowie die Verkündigung von deren Forderungen als Dogmen wird die Heilige Schrift als irrtumsloses Wort Gottes von der Kirche verraten und der Glaube an Jesus Christus der Lächerlichkeit preisgegeben.

Für das ganze Himmelsheer baute er Altäre in den beiden Vorhöfen des Hauses des Herrn.” (2. Chr. 33,5)

“Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzen?” (2. Kor. 6,16)

Marianische Tempel

Von alters her sind Tempel dazu bestimmt, der Verehrung von Göttern zu dienen. Es ist stets für die Könige eine große Ehre gewesen, ihrem Gott ein Haus zu errichten. Auch Salomo verkündet dem König von Tyrus: “Siehe, so gedenke ich, dem Namen des HERRN, meines Gottes, ein Haus zu bauen …” (1. Könige 5,19) Derselbe Gott wird auch von uns Christen verehrt. Aber kaum eine der vielen Kirchen trägt seinen Namen, denn der Tempel als Ort der Verehrung und Anbetung Gottes ist durch die zur Ehre der Altäre erhobenen Heiligen und vor allem durch den Marienkult ein Ort der Verehrung von Göttern geworden. Für den Prozeß der Heiligsprechung von Menschen benutzt die römisch‑katholische Kirche den Ausdruck: zur “Ehre der Altäre” erheben, und diese Heiligen werden angerufen, vor allem aber werden Andachten zur Ehren Mariens abgehalten. Deshalb kann durchaus von Altären für das Himmelsheer gesprochen werden.

Die Forderung der Marienerscheinungen nach Heiligtümern zu ihrer eigenen Ehre soll gemäß der im 17. Jahrhundert lebenden Mystikerin Maria von Agreda auf eine Erscheinung der damals ca. 53‑jährigen Maria, die angeblich am 20. Januar 41 n. Chr. stattfand, zurückgehen. Maria soll sich laut dieser Mystikerin dem Apostel Jakobus auf einer Säule stehend in Saragossa gezeigt haben. Der Auftrag soll von Jesus gekommen sein, der gesagt haben soll: “Meine vielgeliebte Mutter, ich möchte, daß du zu Jakobus gehst. Sag ihm, er solle nach Jerusalem zurückkehren, doch erst, wenn er ein Heiligtum zu Ehren und unter dem Titel deines Namens zu bauen in Auftrag gegeben hat, ein Gotteshaus, in dem du angerufen und verehrt wirst.” (H/N 57) Außer in den Träumen einer fehlgeleiteten Verehrerin ist diese Behauptung zwar durch nichts zu belegen, erlaubt aber den Verantwortlichen, Kirchen zu Ehren der Maria zu bauen und sie dort zu verehren. Denn hier ist die willkommene Gleichung klar vorgegeben: ein Gotteshaus für Maria, also: Maria ‑ eine Göttin!

Folgerichtig steht dann auch über dem Eingang des berühmten Kaiser­münsters in Aachen Sanctissimum Templum Virginis Mariae (Heiligster Tempel der Jungfrau Maria) ‑ es ist also ein marianisches Heiligtum. Dieser Dom, von Karl dem Großen als Hauptkirche des Reiches erbaut, war lange Zeit die Krönungskirche der deutschen Kaiser. Er ist ‑ wohlgemerkt ‑ausdrücklich als das Heiligtum Marias ausgewiesen. Nicht das Heiligtum Gottes, nicht das Heiligtum Jesu, es ist der Tempel Mariens allein und ausschließlich, so daß ein dort stattfindender Gottesdienst demgemäß zur Verherrlichung Mariens stattfindet.

Seit Jahrhunderten trainieren die Marienerscheinungen die Menschen systematisch darauf, nicht mehr zu Gott, sondern zu ihnen zu beten. Wenn die katholische Kirche daher lehrt: “Letztes Ziel aller Marienverehrung muß die Verherrlichung Gottes und die Verchristlichung des Lebens sein.” (MK 1, S. 173) so folgt sie dem Befehl eines Marienphantoms vom 25. Juni 1946 in Marienfried:

•”Ich fordere, daß die Menschen meine Wünsche bald erfüllen, weil dies der Wille des himmlischen Vaters ist und es zu seiner größeren Ehre und Herrlichkeit heute und allezeit notwendig ist” (K. 104), läßt dabei aber unberücksichtigt, daß keine Verehrung eines Geschöpfes den Allmächtigen zu verherrlichen imstande ist.

Maria erweist sich mit dieser Behauptung als im Gegensatz zur Heiligen Schrift stehend, in der stets vom Lobpreis und der Verehrung Gottes und der Erfüllung Seines Willens direkt durch die Menschen, nie aber vermittels der Verherrlichung eines Geschöpfes, die Rede ist.

Schon im Alten Testament wird vor dem Verdrehen des Wortes Gottes gewarnt. (Jer. 23,36) Dennoch wird aber offensichtlich den Drohungen der Marien geglaubt, die den Menschen gelten, welche diesen Phantomen nicht zu Willen sind, denn nach ihrer oben stehenden Forderung fährt sie fort:

• “Ein schreckensvolles Wehe verkündet der Vater denen, die sich Seinem Willen nicht unterwerfen wollen.”

Der Wille des Vaters Jesu ist in der Heiligen Schrift vollständig dokumentiert. Der von dieser Maria erwähnte Vater kann daher nur der “Vater der Lüge” sein, da sich in der Heiligen Schrift kein Hinweis auf irgendeine Notwendigkeit, den Willen der Maria zu erfüllen, findet. Desgleichen ist zu veneinen, daß die Marienverehrung einer “Verchristlichung” des Lebens dient, denn sie führt in Gegenteil zur vollständigen Marianisierung des Glaubens. Wenn auch der Tempel als Metapher für den Leib benutzt wird, so ist aber dennoch in erster Linie der für den Gottesdienst gedachte Bau ein Tempel Gottes, in dem gemäß Heiliger Schrift keine Götzen zur Verehrung stehen dürfen. Für christliche Gotteshäuser hat sich die Bezeichnung “Kirche” eingebürgert. Das Wort Gotteshaus bedeutet,

• sowohl daß es Gott geweiht ist, als auch daß Gott in ihm verehrt wird.

Das Christentum kennt keine Göttinnen ‑ auch keine Muttergöttin! So sollte für die Heiligtümer, die auf Anweisung, Wunsch oder Forderung der Marienerscheinungen gebaut werden, denen sie geweiht sind und worin diese Marien verehrt werden, die auch für heidnische Gottheiten benutzte Bezeichnung “Tempel” eingeführt werden. Insbesondere, da der ihr dienende Mensch nach dem Willen der Phantome als Eigentum Marias gelten soll und die Tempel‑Metapher also auch auf diese Bestrebungen der Erscheinungen angewandt werden kann, denn die Prophetin Maria Graf berichtet als marianische Botschaft:

• “So muß die Seele zuerst mein werden, und ich mache sie zum Reiche Christi.”

Damit hat die Marienerscheinung ihr Ziel erreicht und auch im übertragenen Sinne hat sich ein Götze im Tempel Gottes eingerichtet, da die Seele damit dem Reich des Antichristen überantwortet ist.

Bei ihren Wünschen nach Gotteshäusern, in denen sie verehrt werden wollen, richten sich die Erscheinungen jedoch ‑ zur Unterstreichung ihrer vorgeblichen Vertrauenswürdigkeit ‑ zum Teil noch nach der christlichen Terminologie, wohl aber auch, um ihren Anspruch, eine christliche Gottheit darzustellen zu unterstreichen. Daß Maria die Verehrung für sich selbst einfordert und eben nicht für Gott ist durch ihre Worte belegt, wie bei einer Vision in Görz, Italien, 1539: “Sage dem Volk, es solle mir hier ein Haus bauen und mich um Gnade anflehen” und zur Gründung der Gnadenstätte Birkenstein bei München 1663: “Hier will ich verehrt sein und denen, die mich anrufen, meine Gnaden mitteilen.” (H/N 161)

Heiligtümer

Es wird argumentiert, daß zwar der reife Glaubende auch ohne Anstoß glauben könne, die Forderungen der Erscheinungen nach Kirchen‑ und Kapellenbau jedoch aus folgendem Grunde erfüllt werden müßten: “Der durchschnittlich Glaubende aber bedarf der wahrnehmbaren Anstöße, um sich dem Gnadenwirken Gottes zu öffnen. Deshalb die vielen Kapellen, Kirchen, Gnadenorte, Wallfahrten in allen Jahrhunderten und auch heute. Deshalb die vielen Marienerscheinungen auf allen Kontinenten: Überall soll es wahrnehmbare Anstöße’ geben, damit der Glaube sich auf eine lebendige Erfahrung stützen kann.” Da aber der Glaube sich nicht auf Gott und Sein Wort, sondern auf die es verfälschende Botschaft der Erscheinungen richtet, ist hier kein Gnadenwirken Gottes sondern das Wirken des Widersachers zu verzeichnen.

Maria werden schon wenige Jahrhunderte nach Christi Himmelfahrt eigene Heiligtümer zugestanden:

Im Jahre 363 n. Chr. will ein reiches kinderloses Ehepaar in Rom Maria sein Vermögen vererben. Diese erscheint daraufhin nachts und wünscht die Errichtung einer Kirche an der Stelle, wo am nächsten Morgen, dem 5. August, Schnee liegen würde. Das dort errichtete Marienheiligtum wird “Liberianische Kirche” genannt und im 5. Jahrhundert n. Chr. durch Santa Maria Maggiore ersetzt. Seitdem wird jeden 5. August das Fest “Maria Schnee” gefeiert. 970 n. Chr. ist die Marienverehrung so fest in der Lehre der Kirche eingefügt, daß eine der Erscheinungen erstmals die Errichtung einer Kirche zu ihren Ehren wünscht und zwar durch den hl. Gerhard, dem Bischof von Toul. Er baut ihr eine Wallfahrtskirche. (H/N 66)

Damit ist eine entscheidende Etappe in der Vergottung Marias erreicht, denn Tempel ‑ oder im christlichen Sprachgebrauch: Kirchen – werden nur Gottheiten errichtet. Schon 1001 erscheint Maria wieder, und zwar ‑ wie es Brauch einiger Naturgötter ist ‑ in einer alten Eiche, wobei Maria mit einer dreifachen Krone von zwei Engeln gekrönt wird und anweist, eine Kapelle zu erbauen, “von der aus sie reiche Gnaden austeilen werde.”‘ Auch dies ist heute noch ein bekannter Wallfahrtsort. Eine begüterte Witwe in England wird in einer Vision beauftragt, eine Kapelle in Anlehnung an das Haus Mariens, dem Ort der Verkündigung, zu bauen. (H/N. 68)

Eine weitere Aufforderung zum Kirchenbau geschieht an einen Einsiedler in Italien, der von Maria einen Ring erhält, welcher auch heute noch als Wunderring verehrt wird. Mitte des 13. Jahrhunderts erscheint Maria einem blinden mährischen Adligen und stellte sich als “Mutter der schönen Liebe” vor. Der Bau einer Kirche läßt ihn, wie von Maria versprochen, wieder sehend werden. (H/N 84) Im 15. Jahrhundert kündigt Maria in Italien das Ende einer Seuche an, “wenn ihr zu Ehren auf dem Monte Berico eine Kirche gebaut würde.” Einer armen italienischen Frau erklärt Maria, “daß ihre Hütte zu einem Gnadenort werden solle… An der Erscheinungsstätte wurde tatsächlich zuerst eine Kapelle, 1575 eine große Kirche gebaut.” (H/N 110)

Anfang des 16. Jahrhunderts beauftragt Maria in Italien einen Hirten, dem Bischof Marias Wunsch nach dem Bau einer Kirche kundzugeben. Diese Kirche wird zuerst von den Augustinern, später von den Franziskanern verwaltet. Auch eine italienische Winzerin in Castelleone leistet Marias Weisung zum Kirchenbau Gehorsam.  In Frankreich ist die Adressatin ein Hirtenmädchen, welches dem Vater und den Dorfoberen Marias Forderung nach einer Kirche mitteilen soll, desgleichen gibt sie einem Landwirt ihren Wunsch nach einem Heiligtum kund, (H/N 121) während sie in Mexiko einem neugetauften Azteken ihre Willensbekundung nach dem Bau eines Gotteshauses zur Übermittlung an den Bischof ausspricht und sich als die immerwährende Jungfrau, Maria, die Muttergottes bezeichnet. (H/N 125). In Piné, Südtirol, erscheint sie wiederum einer Hirtin und erbittet einen Kirchenbau, indem später ein Gnadenbild aufgestellt wird. Einem gelähm­ten Jungen in Indien gibt sie den Auftrag: “Geh zum Bürgermeister und bitte ihn, hier eine Kirche bauen zu lassen”, wobei nicht berichtet wird, ob es sich um einen katholischen Bürgermeister handelt. Es entsteht das indische Lourdes: Vailankami. Als ein für wahnsinnig geltender italienischer Bauer aus einem Gefängnis flieht, wird er von Maria geheilt und mit dem Bau einer Kapelle beauftragt.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird der Abt von Wilten bei Heiligwasser in Österreich über zwei Medien von Maria beauftragt, am Erscheinungsort eine Kirche zu erbauen und Maria wirft zwei Österreicher Brüdern vor, ihr Vater habe sein Versprechen, ihr eine Kapelle zu bauen, nicht gehalten. Auch in der Schweiz erscheint Maria mit dem Auftrag, ihr eine Kapelle zu bauen, der später ein Kirchbau folgt. (H/N 149) In Kevelaer hört ein Mann Maria sprechen: “An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen.” Als Gnadenbild wird die “Kopie der ’Trösterin der Betrüben’ (Unsere Liebe Frau von Luxemburg … )” ausgewählt. Es ist bis heute ein vielbesuchter Gnadenort, den jährlich bis zu 600.000 Pilger besuchen. In der Schweiz wird “ein strahlendes Licht auf dem Felsenhügel über Thun im Kanton Graubünden” vom Pfarrer und Mitgliedern der Gemeinde als Aufforderung Marias angesehen, dort eine Kirche zu bauen. Ein plötzlich gelähmter deutscher Kaplan muß erst Maria eine Kapelle versprechen, bevor er sich wieder bewegen kann. Maria wünscht von einem armen belgischen Bauern den Bau einer Kapelle, nachdem sie eine wunderbare Brotvermehrung bewirkt. Weil der Pfarrer nicht an diese Marienerscheinung glaubt, wird er blind. Als er durch das Beten seiner Gemeindemitglieder vor einer Marienstatue wieder sehend wird, setzt er sich für den Bau einer Wallfahrtskirche ein.

Maria trägt einem russischen Mönch auf, “auf dem Klosterberg eine Kirche zu bauen und der Kreuzigung Jesu zu weihen”, da dort eine Stätte “unsäglicher Martyrien und Leiden sein würde, also nicht für Jesus soll die Kirche errichtet werden, sondern für die ,Kreuzigung”! Später entsteht dort ein Lager für politische Gefangene. (H/N 176) Die Konfession des Mönchs bleibt unerwähnt, ist aber auch nicht relevant, da sich die orthodoxe Kirche im Hinblick auf die Marienverehrung kaum von der katholischen Kirche unterscheidet, Maria also ihre Diener sowohl unter den römisch‑katholischen wie auch orthodoxen Klosterangehörigen hat. Mit einfachem Hofstaat bestehend aus Josef und zwei Engeln erscheint sie im deutschen Ort Mettenbuch kleinen Kindern und stellt sich vor: “Ich bin die Trösterin der Betrübten … Es soll eine Kapelle, eine einfache Kapelle herkommen.” (H/N. 229) Des weiteren gibt sie kund, sie werde in drei Jahren wiederkommen und “… dann alles zum Kapellenbau anordnen” Ebenfalls in Deutschland, in Marmagen, verlangt Maria 1932 den “Bau einer Kapelle”; desgleichen in Wigratzbad 1938: “Baut mir hier eine Kapelle”. Einem 9‑jährigen französischen Mädchen erscheint Maria und “bittet um eine Kapelle, die mit vielen Heiligenstatuen ausgestattet sein soll”,  also Bilderkult en gros.

In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zeigt sich Maria in Ungarn als ,Königin der Welt’ und Königin des Friedens’ und fordert: “Die Kirche soll mir einen Ort bereiten, wo ich mit meinen Gnaden absteigen kann…” In Brasilien erscheint Maria Mitte des 20. Jahrhunderts einem 7‑jährigen Mädchen und wünscht sich den Bau einer Kirche. Auch in Italien beauftragt sie einen Seher mit dem Kirchenbau. In Marienfried stellt sie sich 1946 mit den Worten vor: “Ich bin das Zeichen des lebendigen Gottes”, und wünscht, den Kapellenbauplatz aufzusuchen. Kurz darauf bittet sie um den Bau einer Kapelle zu Ehren der Geburt Christi und ein paar Jahre später verlangt sie in Irland von einem 12‑jähriges Mädchen einen Kapellenbau. 1970 vergibt sie in den USA den Auftrag für einen Kirchenbau. Dieses ‘Heiligtum’ solle den Namen Unsere Liebe Frau von den Rosen, Hilfe der Mütter’ tragen 1974 erinnert sich Maria wieder an Jesus und teilt in seinem Auftrag den Wunsch nach dem Bau einer Kirche mit. In Italien wird ein junger Tischler Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts mit dem Kapellenbau beauftragt. Und in Syrien bittet sie 1982 “um den Bau einer Kirche, die zu einer Pilgerstätte werden soll.” 1987 sagt sie zwei jungen mexikanischen Mädchen, sie wünsche eine Kirche am Ort der Erscheinung. (H/N 530)

Altäre

Der Altar ist für gottesdienstliche Handlungen, besonders das Opfer für Gott, bestimmt. Also sind die Handlungen auf Gott gerichtet. Wird jemand demnach zur “Ehre der Altäre erhoben “, bezeugt diese Handlung, daß der oder die Betreffende einen göttlichen Rang einnimmt. Damit es nicht auffällt, daß Maria durch die Marienaltäre in den katholischen Kirchen somit zur Göttin deklariert worden ist, heißt es auch für alle Heiligen bei deren Heiligsprechung, sie würden “zur Ehre der Altäre” erhoben. Die Marienaltäre sind zum Teil feierlicher geschmückt als der Tisch, der heute den früheren Hochaltar ersetzt hat und vor dem der Priester die Messe liest ‑ wenn er nicht den Marienaltar dafür benutzt. Ständig findet man Menschen vor dem Marienaltar, die vor der Statue knien und vor ihr beten. Schon früh in den Jahren des Christentums ist die Absetzung Gottes zugunsten der Muttergottheit Maria nicht zu übersehen: “Nicht selten verschwindet in der folgenden Zeit in den Apsiden der Kirchen das Christusbild. An seine Stelle tritt die Theotokos. Dies soll den Menschen zeigen, daß der Gottessohn Mensch geworden ist. Die Gottesgebärerin auf dem Thron ist das beherrschende marianische Bildmotiv bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts”. Warum ausgerechnet die Darstellung der Maria auf einem Thron den Menschen zeigen kann, daß Gott Mensch geworden ist, ist nicht einsichtig, muß daher als eine nicht überzeugende Ausrede, um Maria als Göttin zu präsentieren, gewertet werden. Deshalb gebührt nun auch Maria der Hauptaltar, auf dem sie Gott ersetzt hat:

• Von einer aus Elfenbein geschnitzten Muttergottesstatue wünscht Maria, daß sie auf den Hauptaltar der neuen Kirche gestellt und den Gläubigen zugänglich gemacht werde”

• Auch in der Immaculata Kirche, Paris, Rue de Bac, und in der unterirdischen Rundkirche in Syrakus hat Maria Gott vom Hauptaltar verdrängt.

• Desgleichen im französischen Pouille‑Les‑Coteau, wo nach dreimaliger Marienerscheinung der Hauptaltar der Kirche Maria geweiht ist.

Eine bezeichnende Szene spielt die Frau aller Völker vor, die die Seherin in eine Kirche führt und ihr dort eine große Plattform zeigt: “In der Mitte das Kreuz, das tägliche Wunder (die Frau zeigt auf den Tabernakel) der Altar des Kreuzesopfers.’ Dann zeigt sie auf die Epistelseite. Sie faltet die Hände zusammen und sagt ganz feierlich: Der Altar des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.’

Dann zeigt die Frau zur Evangelienseite und sagt: “Der Altar der Frau, dargestellt, wie ich komme.”

Das Marien‑Phantom stellt ihren zukünftigen Altar nicht nur neben den Altar Gottes, sondern auf die bedeutendere Seite, die Evangelienseite, welche die direkte Frohe Botschaft von Gott kommend symbolisiert, während der Altar Gottes auf der nach den Lesungen der Apostelbriefe benannten Seite stehen soll. Wie beim Altar, so hat sich auch bei den christlichen Festen der Bezug auf nicht‑christliches Brauchtum durchgesetzt, als die Kirche die Festtage an heidnischen Feiertagen feiern läßt, denn in der Gesinnung und im Handeln der gefallenen Menschheit setzt sich stets das dem Gott und Fürsten dieser Welt dienende Heidentum durch.

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