Die FM und Jesus Christus (Hohl-Wirz)

Dr.  Martin  Hohl  – Wirz

Die Freimaurerei und der Absolutheitsanspruch des Herrn Jesus Christus

(Biographische Angaben finden sich am Ende dieses Artikels)

Die Literatur zum Thema Freimaurerei ist außerordentlich umfangreich. Die 1911 vom deutschen Gelehrten August Wolfstieg begründete »Bibliographie der freimaurerischen Literatur« umfasst heute über 50’000 Titel. Nach Zendralli wird die gesamte Literatur zum Thema Freimaurerei von Fachleuten auf rund 100’000 Bücher  und Schriften Titel geschätzt. Ein Teil dieser Literatur ist im Verzeichnis der Deutschen Freimaurer Bibliothek, die dem Deutschen Freimaurer Museum in Bayreuth angeschlossen ist, enthalten (Schneider, 1977).

Trotz dieser Literaturflut ignoriert nach Mellor (Alec Mellor, Logen, Rituale, Hochgrade. Handbuch der Freimaurerei, 1985) »die grosse Mehrheit des Publikums die Freimaurerei«, und von den Historikern werde sie kaum und erst spät zur Kenntnis genommen. »Sie ist ein Tabu, über das man gleichsam verabredungsgemäß nicht spricht« (S.33) »Seit etwa 10 Jahren erst ist die Freimaurerei zum Gegenstand intensiverer wissenschaftlicher Forschung geworden.« (Ulrich Im Hof, Zur Geschichte der Freimaurer im 18. Und 19. Jahrhunderts – aus der Sicht eines Historikers, Basel, 1984). Schenkel schreibt: »Die Lehrbücher der Kirchengeschichte enthalten zwar kurze Hinweise auf die Freimaurerei, behandeln sie aber nebensächlicher als irgendwelche belanglosen Erscheinungen auf kirchlichem Gebiet und verraten in nichts ein Bewusstsein um die teilweise geradezu entscheidende Bedeutung der Freimaurerei in der Kulturpolitik einiger europäischer Staaten.« Diese Aussage gilt m.E. auch heute noch.

Warum diese Unwissenheit, Ignoranz, Vorsicht? Der Grund dafür liegt sicher nicht zuletzt in der Freimaurerei selbst, für die Öffentlichkeitsarbeit nicht wesensgemäß ist. Die Freimaurerei versteht sich zwar heute nicht mehr als eine Geheimgesellschaft, immer noch aber als eine geschlossene Gesellschaft: »not secret but privat«.

Bis vor kurzem waren zuverlässige, autorisierte Informationen nur schwer zugänglich. Zudem war die Freimaurerei seit ihrer Gründung im Jahre 1717 heftig umstritten und von den vielfältigsten Gerüchten begleitet. Je nach Standort und Interessenlage waren die Aussagen unterschiedlich und widersprüchlich. Dazu kommt, »dass es nicht einmal im Innersten des Ordens Übereinstimmung über das Wesen und über die wesentlichen Ziele der Freimaurerei gibt.« (Mellor) Die Freimaurerei ist nicht nur umstritten, sondern auch zerstritten. Es gibt verschiedene Spielarten und Abarten, die sich zum Teil die Anerkennung versagen. In dieser Situation ist es schwierig und für Außenstehende fast unmöglich, sich ein objektives Bild zu machen.

Kann es aber ein solch ‘objektives’ Bild überhaupt geben? Ein Freimaurer wird diese Frage möglicherweise verneinen. Jeder erlebt Freimaurerei anders. Wahrheit ist relativ, subjektiv. Das Wesentliche der Freimaurerei lässt sich zudem nach freimaurerischer Auffassung nicht durch Worte und Bücher mitteilen. »Der Geist des freimaurerischen Rituals… beruht auf dem Glauben, dass es gewisse Wahrheiten gebe, die zu tief sind, als dass Worte oder Begriffe sie ausdrücken könnten. Allein Symbole können eine stumme Andeutung davon geben.« (Alec Mellor, Logen, Rituale, Hochgrade. Handbuch der Freimaurerei, S. 304)

Dies ist meines Erachtens der Kern und der gemeinsame Nenner aller Freimaurerei, dass sie dem Wort im weitesten Sinn, d. h. auch der Sprache, als gestaltende, ordnende, verbindende und rettende Kraft misstraut und an seine Stelle das Symbol setzt.

Dieser Sachverhalt war mir mit seinen weitreichenden Konsequenzen nicht bewusst, als ich am 5. Juni 1988 in die »Freimaurerloge Libertas et Fraternitas im Orient von Zürich« aufgenommen wurde. Ich erwartete eine offene, faire und anregende geistige Auseinandersetzung, ohne die ich buchstäblich nicht atmen kann. In der Loge hingegen wird jede politische, theologische oder andere ‘hitzige’ Diskussion bewusst und konsequent vermieden. Auch mir sind leere Wortgefechte, bloße Wortklaubereien und gewalttätige geistige Auseinandersetzungen zuwider, und ebenso lehne ich jedes Missionieren mit Schwert, Zwang und Aufdringlichkeit ab. Doch sollen und können wir an die Stelle der blutigen Religions- und Konfessionskriege das Schweigen setzen? »Hear, see and silence«, so lautet die Devise der englischen Freimaurer.

In dieser Arbeit gehe ich von einer Auffassung aus, die der freimaurerischen diametral entgegengesetzt ist: Die Sprache ist die wichtigste Kommunikationsform. Sie konstituiert alles Sein, alles Leben. Gerade die wichtigsten Wahrheiten können nur durch die Sprache vermittelt werden, und wirkliche, dauerhafte Gemeinschaft entsteht nur durch das Wort. Es geht mir im folgenden nicht darum, die freimaurerische Auffassung zu widerlegen und zu bekämpfen, vielmehr geht es darum, die beiden Auffassungen einander gegenüber zu stellen und einer möglichst unvoreingenommenen Beurteilung und einer möglichst freien persönlichen Entscheidung zugänglich zu machen.

Welche Sprache sollen wir nun aber sprechen, um nicht in einer dauernden Sprachverwirrung zu leben? Ich gehe im folgenden von der Annahme aus, dass Jesus Christus die höchste, die absolute Autorität in Sachen verbaler Kommunikation ist. Er ist uns bezeugt als das ‘fleischgewordene Wort’. Er ist mit seinem Leben dafür eingestanden, dass Gottes Wort gilt; Er hat uns den Zugang zu demjenigen Gott wieder ermöglicht, der kommuniziert, der mit uns spricht und sich uns gegenüber ausdrücklich verpflichtet; Er hat uns das Vertrauen auf das Wort, den Sinn für die Bedeutung der gegenseitigen Verständigung und damit die Sprache wiedergegeben. Mit anderen Worten: Ich nehme im folgenden an, dass der Absolutheitsanspruch des in der Bibel bezeugten Jesus Christus gerechtfertigt ist, und ich werde versuchen, die Freimaurerei im Lichte dieses Jesus Christus zu beleuchten. Er ist derjenige, der auferstanden ist, der also lebt, und dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden übertragen ist. Ich nehme diese Herrschaftssituation als durchaus wirklich an, auch wenn ich den obersten Machthaber nicht sehe, nicht immer spüre und von dieser ganzen Wirklichkeit und Wahrheit nur aufgrund des uns überlieferten Evangeliums etwas weiß. Die Annahme dieser Realität bedeutete eine Umkehr, die es mir ermöglichte, wieder aus der Freimaurerloge auszutreten. Das geschah am 28. September 1988.

Die Freimaurer wenden sich – mit Erfolg, wie wir sehen werden – gegen alle Absolutheitsansprüche einzelner Religionen, Konfessionen, Parteien, Rassen, Klassen, Institutionen, Nationen usw. und wollen alle Gegensätze miteinander versöhnen. Ist der Absolutheitsanspruch Christi gerechtfertigt, so hat dieser Kampf der Freimaurer auch aus unserer Sicht eine gewisse Berechtigung: Wir finden ja unser Heil nicht in einer bestimmten Institution, Partei, Klasse, Nation usw., sondern wirklich nur und ausschließlich in der Person Christi. Darum soll mit dieser Arbeit keinesfalls irgend eine absolutistische, totalitäre, rassistische, religiöse, konfessionelle oder andere Partei unterstützt werden, welche die Freimaurerei bekämpft. Mit diesen Auseinandersetzungen zwischen ‘Anti Absolutisten’ einerseits und den Verfechtern unserer Sicht andererseits, die zum Teil ‘falschen’ Absolutheitsansprüchen mit äußerster Verbitterung und Gehässigkeit geführt werden, wollen wir nichts zu tun haben. Die entsprechende Literatur bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt. Ebenso wenig will ich mich auf die unzähligen Gerüchte um die Freimaurerei und auf die ganze Gerüchteliteratur einlassen. Es kommt auf möglichst zuverlässige Informationen an. Es sollen bei der Darstellung der Freimaurerei möglichst Freimaurer selbst sowie Wissenschaftler zu Wort kommen, denen ein Einblick gewährt wurde. Bei der Beurteilung sollen sich die gemachten Aussagen niemals gegen die Freimaurer als menschliche Personen richten, sondern allenfalls gegen den Geist, der hinter der Freimaurerei steckt.

In den letzten Jahren sind einige größere Werke von Freimaurern und von Wissenschaftlern erschienen, die einen vertieften Einblick in die Freimaurerei und ihre ‘Geheimnisse’ ermöglichen. (Binder, 1988, Mellor,1985, Oslo, 1988, Valmy, 1988). Zudem wurden im Fernsehen Dokumentarfilme gezeigt (z.B. ORF 1990), und die Zeitschrift GEO veröffentlichte eine Bildreportage (Nr. 2/1988) mit Aufnahmen von wichtigen ‘Tempelarbeiten’. Diese letztgenannten Resultate freimaurerischer Öffentlichkeitsarbeit stießen allerdings bei Freimaurern auf äußerst harte Kritik (Alpina Nr. 8 9 1988, S. 205: ‘weitreichendster und unverantwortlichster Verstoß gegen die Arkan Disziplin’). Nicht zuletzt dank dieser Veröffentlichungen können wir die Freimaurerei selbst beim Wort (und Bild) nehmen und müssen nur noch in Ausnahmefällen auf sogenannte ‘Verräterliteratur’ zurückgreifen.

Es geht mir in dieser Arbeit darum, einen Überblick mit möglichst allen wichtigen Aspekten zu vermitteln, um das Phänomen der Freimaurerei in seiner ganzen Gestalt sichtbar werden zu lassen. Einzelne Aspekte könnten vertieft werden. Am Schluss der Darstellungen sollen, wo sinnvoll und möglich, die einzelnen Aspekte mit der Sicht der Bibel gemäß unserem Verständnis verglichen werden. Eine Beurteilung der Freimaurerei erfolgt in Kapitel 7.

 

1. Geistige Wurzeln

Die Freimaurerei im heutigen Sinn besteht seit 1717. Über die Entstehungsgeschichte besteht kein sicheres Wissen. Es gibt aber verschiedene Entstehungstheorien. (Dazu Dieter A. Binder, Die diskrete Gesellschaft. Geschichte und Symbolik der Freimaurer, Wien, 1988). Auf die verschiedenen Entstehungstheorien soll im folgenden nicht eingegangen werden. Uns interessieren aber die verschiedenen geistigen Wurzeln, von denen sich die Freimaurerei herleitet. (C. Zendralli, Freimaurerei heute, S.4) nennt die folgenden Ansatzpunkte: die Bauhüttenüberlieferung, die frühchristlichen Gesellschaften, das Rosenkreuzertum, die jüdische Kabbala-Tradition, die Tempelritterlegende und die Mysterienbünde. Unter Berücksichtigung des Werkes von Allan Oslo (Freimaurer. Humanisten? Häretiker? Hochverräter? Umschau-Verlag, Frankfurt/Main ,1988), der die geistigen Wurzeln der Freimaurerei ausführlich untersucht, teile ich diese in die folgenden Hauptstränge ein, die sich allerdings teilweise überlappen und durchdringen:

1. Die Bauhüttentradition
2. Verehrung menschlichen Schaffens aller Zeiten und Völker
3. Mönchtum und Ritterorden
4. Geheimgesellschaften und Mysterienbünde
5. Jüdische und christliche Tradition
6. Humanismus, Aufklärung, Liberalismus
7. Reformation und Protestantismus

 

1.1. Die Bauhüttentradition

»FREIMAUREREI, MAUREREI, MASONEY, MASONNERIE, KÖNIGLICHE KUNST, weltbürgerliche Bewegung mit dem humanitären Ideal des vollkommenen Menschentums. Der Name rührt her von den freien (im Gegensatz zu den zunftgebundenen) Steinmetzen an den mittelalterlichen Bauhütten.» (Neuer Brockhaus, 5. Aufl. 1974, Bd. 2, S. 259, zit. in Oslo 1988, S.12)

Eine andere Auffassung über die Entstehung des Namens ‘Freimaurer’, die ebenfalls mit den Bauhütten zu tun hat, vertritt G. A. Schiffmann (Das Verhältnis der FM zum Christentum und zur Kirche, Stettin, 1857-1883, 28f.): »Der Name Freemasons ist eine Abkürzung der Bezeichnung Free-stone-masons. So wurden die Steinmetzen genannt, weil sie die Steine bearbeiteten, welche an der Außenseite der Mauern freistanden, so dass sie von jedermann gesehen werden konnten. Im Gegensatz dazu hießen diejenigen Bauarbeiter, welche die Steine unbehauen vermauerten, so wie sie aus den Steinbrüchen kommen, rough-stone-masons. Nun kürzte man die Namen so ab, dass man das Wort stone ganz wegließ. Auf diese Weise entstand das Wort Free masons, Freimaurer. Es sind mit dieser Bezeichnung deshalb nicht eigentlich die Arbeiter gemeint, die man jetzt Maurer nennt, sondern die Steinmetzen. Daher auch die Bezeichnung Loge oder Bauhütte. Die eigentlichen Maurer bedurften keiner besonderen Hütten. Sie verrichteten ihre Arbeiten unmittelbar am Gebäude selbst. Die Steinmetzen dagegen mussten die aus den Steinbrüchen herbeigeführten rohen Steine erst kunstgemäß bearbeiten, ehe diese dem Bau eingefügt werden konnten. Sie hatten also einen Arbeitsraum in der Nähe des Baues nötig, wo sie die Steine behauen konnten. Dies waren die Bauhütten.«

In diesen Bauhütten, die im Mittelalter zu den Klöstern gehörten und mit der Zeit verweltlicht wurden, pflegten die klerikalen und die weltlichen Steinmetzen ihre eigene, besondere Tradition. Sie »trachteten danach, ihre Konstruktionsgeheimnisse vor den Augen Uneingeweihter zu verbergen, sie waren einem strengen Zunftsystem unterworfen, gegliedert in Lehrling, Geselle und Meister, mit einer Menge innerer und äußerer Regeln. Auch betrachteten sie ihre Arbeit als eine ‘göttliche Kunst’.« (Jürg von Ins, Zur Frage nach den Quellen der freimaurerischen Symbolik, 1974)

Die Steinmetzen waren in der Regel nicht lokal, sondern überregional organisiert und entwickelten bald ein internationales, kosmopolitisches Bewusstsein. Steinbauwerke waren selten, und die Auftraggeber waren vielfach die höchsten kirchlichen und weltlichen Autoritäten. War ein Bauwerk beendet, so musste der Steinmetz oft weiterziehen. Er war nicht in einer lokalen Kirche, Gemeinde oder Zunft zuhause. »Seine Heimat war die Bauhütte am Arbeitsort, die darum von den fürstlichen Protektoren ihre überlokale Organisation und ihre Freiheiten empfing.« (Rudolf Spitzbarth, Die Freimaurerei, ihr Herkommen und Wirken. 1968)

Dank dieser Freiheiten wurden die Bauhütten zu Zufluchtsorten für Verfolgte, Verfemte und Freidenker aller Art. (Spitzbarth) Diese zugelassenen Nicht Steinmetzen wurden ‘angenommene’ Maurer genannt. Mit der Zeit trat die bauhandwerkliche Tradition in den Hintergrund, und es wurden vermehrt esoterische, philosophische, sittliche und gesellschaftliche Traditionen gepflegt.

1717 gründeten vier Bauhütten in London die erste Grossloge. Dieses Jahr gilt als das Gründungsjahr der Freimaurerei im heutigen Sinn. Die 1717 gegründete Freimaurerei hat mit dem ursprünglichen Bauhandwerk, das als ‘operative Maurerei’ bezeichnet wird, nichts mehr zu tun. Es geht nicht mehr um den Bau von Steinbauwerken, sondern um den Bau am ‘Tempel der Humanität’. Die heutige Freimaurerei wird gegenüber der ‘operativen Mauerei’ als ‘spekulative Maurerei’ bezeichnet. (A. Oslo, S. 55).

Von der Bauhüttentradition sind aber verschiedene Elemente übernommen: der Name ‘Freimaurer’, ‘Freimaurerei’, die Bezeichnung Loge (lodge) für die Arbeitsstätte, die Einteilung der ersten drei Grade in Lehrling, Geselle und Meister sowie »eine an Steinmetzen  und Bauhandwerk anknüpfende Deutung der Stellung des arbeitenden Menschen im christlichen Kosmos und ein daraus abgeleiteter Sittenkodex«. (Spitzbarth) Dazu kommen verschiedene Symbole wie: Winkelmass, Wasserwaage, Zirkel, Senkblei, Maßstab, Reißbrett, Schurz, rauher Stein u.a.m. In der Johannismaurerei (Grade 1 3) sowie in der ‘jüdisch architektonischen Etappe’ der schottischen Hochgradmaurerei (Grade 1 14) lehnen sich zudem die Arbeiten und die symbolischen Handlungen an die Bauhüttentradition an. Nach Lerich (Konrad Lerich, Der Tempel der Freimaurer. Der 1. Bis 33. Grad. Vom Suchenden zum Wissenden, Bern, 1937) «erreichen Bausymbolik und Bausage der Freimaurerei im 13. Grad ihren esoterischen Höhepunkt«. (S. dazu Kapitel 3)

 

1.2. Verehrung menschlichen Schaffens aller Zeiten und Völker

1.2. 1. Diesseitigkeit

»Die wahren Taten der Freimäurer sind so groß, so weit aussehend, dass ganze Jahrhunderte vergehen können, ehe man sagen kann: das haben sie getan! Gleichwohl haben sie alles Gute getan, was noch in der Welt ist, merke wohl: in der Welt!   Und fahren fort, an all dem Guten zu arbeiten, was noch in der Welt werden wird,   merke wohl, in der Welt.« (Aus: G. E. Lessing, Ernst und Falk, Gespräche für Freimäurer.)

Dass die Freimaurerei hauptsächlich diesseitig orientiert ist, geht auch aus den Aussagen vieler anderer FM hervor.

So schreibt zum Beispiel Seydel (Rudolf Seydel, Katholicismus und Freimaurerei, Leipzig, 1862), das höchste Ideal sei die ‘Darstellung des Reiches Gottes auf Erden’, und auch ImHof meint: «Es geht um das ‘Reich Gottes auf Erden’.»

Bei Lagutt (Jan K. Lagutt, Der Grundstein der Freimaurerei, Erkenntnis und Verkennung, Zürich, 1958) lesen wir: »Wollen die Religionen den Menschen vor allem auf das Leben nach dem Tod vorbereiten, so die Maurerei in erster Linie für das Erdenleben… Ist das Streben der Religionen himmelwärts gerichtet, so dasjenige der Maurerei erdenwärts … Das Wahre, Gute und Schöne ist der Erde und des Menschen wegen zu tun.«

Die Freimaurerei ist nach Valmy (Marcel Valmy, Die Freimaurer. Arbeit am Rauhen Stein. Mit Hammer, Zirkel und Winkelmass. München, 1988) durch die Glaubensform des Deismus beeinflusst, «auch Freidenkertum oder Vernunftreligion genannt, die eine Anleitung zum sittlichen Leben im Diesseits, nicht zum Übergang in die Transzendenz, sein will.»

Bei diesem Diesseits handelt es sich um die ganze dem Menschen zugängliche und wahrnehmbare Welt, um das ganze Universum. Es interessieren nicht nur die Vorgänge auf dieser Erde, sondern auch die ‘Gesetzmässigkeiten des Universums’. (Oslo). »Der Ort freimaurerischer Arbeit ist die Loge. Sie hat die Form eines ‘länglichen Vierecks’ und ist als Sinnbild des Weltalls, als Wohnstätte der ganzen Menschheit gedacht.« (Heinz Günter Deiters, Die Freimaurer. Geheimnis und Enthüllung, München, 1963). Im Tempel ist symbolisch dargestellt, woran sich der diesseitige Mensch orientiert: die Himmelsrichtungen Nord, Süd, Ost und West; Sonne, Mond und Sterne; der andere Mensch. Die Zeitrechnung der alten Maurer begann nach Oslo mit Adam, mit dem Beginn der Welt: Der Anfang der Welt war demnach unweigerlich auch der Beginn der Maurerei. Deshalb datierten sie statt ‘im Jahre der Welt’ (anno mundi) einfach ‘im Jahre der Maurerei’ (anno maconii), und beide trugen die Abkürzung AM.»

1.2.2. Taten statt Worte

»Geschrieben steht: ‘Im Anfang war das Wort!’ Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muss es anders übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. … Mir hilft der Geist! auf einmal seh ich Rat, Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat! (Aus: J.W. von Goethe, Faust, 1225 -1238)

Die Freimaurer bedienten sich nach Schiffmann Symbolen aus dem Bereich des Handwerks, um deutlich zu machen, »dass nicht theoretische Untersuchung, sondern praktische Tätigkeit der eigentliche Zweck des neu gestifteten Bundes war.«

Das Reich Gottes soll durch die menschliche Tat auf Erden verwirklicht werden. »Arbeit ist Gottesdienst, weil in ihr und durch sie die höheren Lebenswerte zur Verwirklichung kommen« (Schenkel, 1926). In den Logen der Freimaurer wird ‘gearbeitet’ . »Alle Feiern werden ‘Arbeit’ genannt, und zwar je nach den Graden am rauhen Stein, am kubischen Stein, am Reißbrett.» (S. 66)

Die Freimaurer nehmen an einem ‘Kultus der Arbeits- und Berufsethik’ teil. (S. 67) »Dem Theologisch- Dogmatischen kommt von Anfang an kein Gewicht zu, sondern alles ist ethisch praktisch gemeint. Es ist aber nicht nur die Tätigkeit als solche, welche gefeiert wird, sondern dass sie mit Weisheit, in Schönheit, durch Kraft geschieht. Der Wert der Arbeit ist unabhängig vom Erfolg« (S. 67). »Die ganze Arbeitssymbolik erhält ihre Krönung in dem Gedanken der Pflicht. ‘Tue deine Pflicht!’ ist der ernste männliche Klang, der durch das Ritual der Johannis-Maurerei hindurchklingt« (S. 69) Der Arbeitsgedanke findet seine Ergänzung in dem Gedanken der Erholung. Auch sie ist geweiht … Auf jede Arbeit folgt eine Tafelloge mit rituellen Formen oder wenigstens ein geselliges Beisammensein.« (S. 69) In der Freimaurerei geht es also um eine Betonung der Aktivität gegenüber der Passivität. »Die Erlösung wird nicht im Mystischen gesucht, sondern in der tapferen Bejahung des Schicksals und in der Betätigung des freien Willens (S. 85) Oft wird das Reden, das ‘bloße’ Aussprechen von Worten nicht als Tat betrachtet und dem ‘Tun’ gegenübergestellt: »Das Tun ist viel mehr wert als das bloße Diskutieren« (Ernst Moser, Die Freimaurerei und die Satzungen der Vereinten Nationen, in: Alpina Nr. 5/1964).

Wir werden sehen, dass zwischen Freimaurerei und liberalem Protestantismus eine enge geistige Verwandtschaft besteht und dass zwischen beiden enge Beziehungen bestanden haben und bestehen. Vielleicht müsste Max Webers berühmtes Werk ’die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus’ ergänzt oder vertieft werden durch eine Untersuchung über die Bedeutung der freimaurerischen Arbeits  und Berufsethik für die Wirtschaftswelt der neusten Zeit.

1.2.3. Ein Herz für Kain

Aus der Parteinahme für die Tat und die Tatmenschen ergibt sich auch eine Parteinahme für Kain und seine Nachkommenschaft. Die Hiramslegende, die in der Freimaurerei eine außerordentlich grosse Rolle spielt, »schildert die Kains-Kinder als den vorwärtsstürmenden, erfindungsreichen, schöpferischen Menschentypus, während Abel jenen Typus darstellt, der sich mit dem natürlich Gewordenen, dem ‘Gott-Gegebenen’ zufrieden gibt (Lagutt). Hiram Abif, der legendäre Architekt und Baumeister des Salomonischen Tempels, wird als Nachkomme Kains betrachtet. »Der Tradition nach gilt Hiram als Kainit.« (Ebd. S. 45) »Hiram errichtete den wunderbaren Tempel Salomonis, er schuf den herrlich goldenen Königsthron und führte viele prachtvolle Werke und Bauten auf.» (S. 52) Aus der Sicht dieser Legende erscheint es ungerecht und willkürlich zu sein, dass der Gott der Bibel das Opfer Abels annahm und ausgerechnet dasjenige des Kain ablehnte. »Und Kain erschlug Abel. Doch nun verfolgte Adonai die Söhne Kains und machte sie den Kindern Abels untertan. Das Geschlecht Kains aber war schöpferisch und erfand die Wissenschaften und Künste.» (S. 51 ff.)

«Enoch, ein Sohn Kains, lehrte die Menschen die Kunst, Steine zu behauen, Häuser zu bauen und in Gemeinschaften zu leben. Enochs Sohn Irad und sein Enkel Mehujahel errichteten Dämme und machten Zedernstämme zu Balken, Methusael, ein anderer Sprosse Kains, ersann die heiligen Buchstaben, die Tau Bücher und das sinnbildliche T (Tau), an dem die vom Feuer stammenden Arbeiter sich erkannten. Lamech, dessen Weissagungen den Profanen verschlossen sind, hatte vier Kinder: Jabal, der als erster Felle zu gerben verstand, Jubal, den Erfinder der Harfe, Naamah, die Mutter der Spinnerei und Weberei, und Tubalkain, der den ersten Schmelzofen baute. Tubalkain trieb auch tiefe Schächte in die Berge, um sein Geschlecht vor der kommenden Flut zu schützen. Allein nur er und sein Sohn entgingen den Wassern.« (S. 51f.) Nach der Hiramslegende soll Hiram, nachdem er von drei seiner Gesellen erschlagen worden war, von Tubalkain »in den Mittelpunkt der Erde, in die Seele der Welt, ins Reich des großen Kain« (S. 54) geführt worden sein. Dort »sah Hiram seinen Urvater Kain… Und Kain erzählte seine Leiden, die Jehovas Grausamkeit über ihn verhängte.« S. 55) »Und Tubalkain übergab ihm den Hammer, mit dem er selbst so Großes geschaffen hatte und sprach: ‘Diesen Hammer nimm!’ Die Feuergeister werden dir helfen, das Werk zu beenden.« (S. 55)

Es ist wohl selbstverständlich, »dass eine Legende nie als Darstellung geschichtlicher Vorgänge betrachtet werden darf» (S. 57), doch sollten diese Ausschnitte, die den meisten Freimaurern möglicherweise unbekannt sind, deutlich machen, für wen hier Partei ergriffen wird: für Kain und seine Nachkommenschaft. »Gewisse Namen aus dem Geschlechte der Kains Söhne sind zu Passworten geworden.« (S. 45) Die einzelnen Passworte sind im Werk von Binder, (164, 167, 203) enthalten. So lautet das Passwort der Lehrlinge und der Meister: ‘Tubalkain’. Wiederum ist wohl den meisten Freimaurern nicht bewusst, was das für ein Wort ist, und was es bedeutet   Worte sind ja scheinbar nicht so wichtig.

1.2.4. Grosse Leistungen, Werke, Persönlichkeiten

Die Verehrung menschlicher Leistungen, Werke und Persönlichkeiten in der Freimaurerei geht nun über Kain und sein Geschlecht weit hinaus und umfasst die gesamte Menschheit, alle Völker und Zeiten. Dabei «ist das Bauen, der Bau der sichtbare Ausdruck schöpferischen Tuns schlechthin». (Lagutt, S.106) Solch schöpferisches Tun findet natürlich nicht nur im Baugewerbe statt, sondern in allen Lebensbereichen des Menschen: Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Kunst, Literatur. Überall braucht es Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erworben, entwickelt und weitergegeben werden müssen. Die menschliche Geschichte erscheint als eine Geschichte des seine Leistungen und Werke und damit auch sich selbst stets weiter und (evolutiv) höher entwickelnden Menschen. »Es ist nur ein Bau, der fortgeführt werden soll, der simpelste, der größte; er erstreckt sich über alle Jahrhunderte und Nationen. Wie physisch, so ist auch moralisch und politisch die Menschheit in ewigem Fortgang und Streben.« (J.G.v. Herder zitiert in J. N. J. Schmidt, Wurzeln der Freimaurerischen Gemeinschaft, Zürich, 1961) Für Herder ist die Freimaurerei ein ‘Areopag des Verdienstes, der Sitten und der Talente’. (Imhof, S. 294)

In der seit 1723 geltenden Konstitution der Freimaurerei, die von James Anderson, einem Prediger der Kirche der schottischen Presbyterianer in London, verfasst wurde, ist eine Weltgeschichte menschlichen Schaffens enthalten. Sie wird zwar oft als ‘geschichtlich wertlos’ betrachtet (Schenkel, 1926, Lagutt, 1958) und selten abgedruckt. Im Anhang des Buches von Oslo (1988, 366ff.) ist dieser ‘geschichtliche Teil’ allerdings enthalten. Uns scheint dieser Teil der Anderson’schen Verfassung wichtig zu sein, nicht weil darin eine wirkliche Geschichte, sondern eine ‘Möchtegern-Geschichte’, eine Geisteshaltung, zum Ausdruck kommt. Immerhin besteht «das Gemeinsame der Freimaurer in aller Welt … darin, dass sie sich an die sogenannten ‘Alten Pflichten’ von 1723 (Andersonsche Konstitution) halten.« (Von Ins, S.29)

In Andersons ‘Geschichte’ der menschlichen Künste von Adam bis zur damaligen Zeit erscheinen die erwähnten ‘Grossen’ der Vergangenheit als ‘Großmeister’ und ‘Großbeamte’. Neben Kain und seiner Nachkommenschaft – Abel wird hier nicht erwähnt – kommen auch die Erbauer des babylonischen Tempels zu Ehren, denn trotz ihrer ‘Eitelkeit’ werde ‘ihre Fertigkeit in der Maurerei … gerühmt’ (zit. in Oslo, S.366). Bewundert wird in diesem Zusammenhang auch die ‘Fertigkeit der Maurer’, ‘ungeachtet der Verwirrung der Sprachen’, ‘miteinander ohne Sprechen zu verkehren und einander von weitem zu erkennen’. (S. 367) Nach den ‘herrschaftlichen Städten’ und den anderen ‘großartigen Bauwerken’ (Pyramiden etc.) Ägyptens wird auch ‘Gross-Meister Moses’ erwähnt. (S. 367f.)

Gerühmt wird nach dem ‘Tempel des Dagon in Gaza der Philister’ natürlich besonders der Tempel Salomos und sein Architekt und ‘Meister des Baus’ Hiram Abif. Schließlich werden in dieser Geschichte menschlichen Schaffens unter anderem erwähnt: der ‘Gross-Meister-Maurer’ Nebukadnezar, die ‘Künste und Wissenschaften mit den bedeutendsten Gelehrten und Handwerkern’ in Griechenland und Rom, die Entwicklung der ‘königlichen Kunst’ im Abendland, besonders in England und in Schottland. (Der Name Jesus Christus fehlt in dieser ‘Geschichte der Grossen’.)

1.2.5. Vergleich

Ein kurzer Vergleich zeigt an dieser Stelle bereits deutlich, dass die Weltanschauung der Freimaurerei sich wesentlich von derjenigen unterscheidet, die uns in der Bibel bezeugt ist: Das Reich Jesu ist nicht von dieser Welt. Die diesseitige Welt ist nicht bedeutungslos, hat aber nur eine begrenzte, relative Bedeutung. Selbst das Tausendjährige Reich ist vergänglich. Wichtig und ursprünglich ist eine unsichtbare, dem Menschen unzugängliche Welt, aus der alles Diesseitige, Irdische entstanden ist, und aus der alles seinen Sinn und Wert erhält. Ebenso ist auch in der Freimaurerei die jenseitige Welt nicht bedeutungslos, sie wird nun aber ihrerseits relativiert: Selbstverständlich darf jeder Freimaurer an ein Jenseits glauben, doch dieser Glaube ist subjektiv dem Belieben des einzelnen unterstellt und darf in der Loge keine absolute Geltung beanspruchen. Der Unterschied liegt also in der Priorität, in der Vorrangigkeit: absolutes Jenseits und relatives Diesseits in der Bibel, relatives Jenseits und absolutes Diesseits in der Freimaurerei.

Das Gleiche gilt für die Gegenüberstellung von Taten und Worten. Das Wort hat in der Bibel eine absolute Bedeutung, und was ‘geschrieben steht’ dient selbst Jesus als höchste Autorität, der sich sein Widersacher beugen muss. »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen«, spricht Jesus. (Mt. 24,35) Die menschlichen Taten kommen in der Bibel auch vor, haben aber eine untergeordnete Bedeutung. In der Freimaurerei ist auch dieses ‘Herrschaftsverhältnis’ umgekehrt: Taten haben absolute Bedeutung, Worte relative Bedeutung. Auch Freimaurer sprechen und verwenden Worte. Die höchsten Einsichten sind für sie aber nicht mit Worten kommunizierbar. Wichtiger ist ihnen, dass »sie einander kennen und lieben, sogar ohne das Hilfsmittel der Sprache oder in unterschiedlichen Sprachen«. (Anderson zitiert in Oslo, 1988, S.378)

Die biblische Heilsgeschichte ist mit dem Namen Abel verbunden, Kain hat eine ‘undankbare’ Nebenrolle. In den freimaurerischen Legenden wird Kain sozusagen rehabilitiert und Abel in den Hintergrund gedrängt. Die Bibel segnet nicht alle menschlichen Leistungen, Werke und Personen. Wichtig, vorrangig ist das Gottvertrauen, die Gottesbeziehung, aufgrund der der Mensch opfert, arbeitet und aufbaut. Für diese Gottesbeziehung trägt auch der Mensch einen Teil der Verantwortung: Er muss zum biblischen Gott und zu seinem Sohn ja sagen. Wer den biblischen Gott verneint, wer undankbar und selbstgerecht Gottes Gaben zu eigenen, menschlichen Leistungen erklärt, dem wird der Segen entzogen.’ Die Freimaurerei hingegen will alle Menschen, unabhängig von ihrer Gottesbeziehung ‘gerecht’ sein lassen. Der Wert des einzelnen hängt von seinem Beitrag für die Menschheit ab. Statt um Gnadenannahme und Gottvertrauen geht es um »eine Schule des Wettlaufs zur Erreichung des schönsten Kranzes der Humanität und Menschenwürde.« (Böni 1944, 290) Das Wichtigste: Die Subjekte und Objekte der freimaurerischen Verehrung sind vergänglich, tot. Bei Jesus Christus hingegen können wir annehmen, dass er ewig lebt.

1.3. Mönchtum und Ritterorden

Die Beziehungen zwischen Mönchtum und Ritterorden einerseits sowie Freimaurerei andererseits sind ausführlich in Oslo (FM 1988) dargestellt. Die Freimaurerei wird selbst vielfach als Orden bezeichnet sowie als geistige Nachfolgerin und Erbin alten Priester  und Mönchtums betrachtet. Dabei scheinen mir die folgenden Parallelen am wichtigsten zu sein: die Bewahrung und Pflege von Wissen und Können, das Streben nach persönlicher Vervollkommnung, das Anliegen, Zufluchtsort für Verfolgte und Verfemte zu sein. Eine besondere Rolle spielt in der Freimaurerei der Templerorden. Die Templer gelten als vorbildliche, erste Verfechter des Toleranzgedankens.

 

1.3.1. Bewahrung und Pflege von Wissen und Können

»Die ausführliche Darstellung der Entwicklung des Klosterwesens und des Templerordens zeigt eindeutig, wo das Wissen gepflegt und gehütet wurde, wo die Beschäftigung mit den Hermetischen und Freien Künsten und der Königlichen Kunst möglich gewesen war. Die Anziehungskraft der Klöster und Ritterorden auf den Adel und den Klerus lag nicht im Gebet, noch im Handwerk, sondern im Wissen begründet. Und um zu diesem Wissen zu gelangen, musste man sich Probezeit und Prüfungen unterziehen. All dem begegnen wir später in der Freimaurerei wieder.» (Oslo, 1988, 51) »Dieses Wissen teilte sich in drei Hauptgruppen:

1. die Hermetischen Künste: die okkulten Weisheiten Gottes aus Religion, Astrologie, Magie, Zaubertrank bzw. Heilkunde, Mystik, Esoterik, Alchimie   das Wesen aller Mysterien;

2. die Freien Künste: Schreibkunst, Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Verskunst, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Harmonie;

3. die Königliche Kunst: nicht das Handwerk des Bauwesens, vielmehr Planentwurf, Architektur, Statik, Materiallehre, Harmoniegesetze und Bauleitung – kurz: die Baukunst.« (Ebd. S. 99)

Nach Oslo wurde dieses Wissen in der Menschheitsgeschichte früher hauptsächlich von den Priestern bewahrt und gepflegt: «Priester schrieben die Chronik ihrer Zeit, trieben Studien in der Philosophie und Theologie, machten Experimente in der Alchimie und Naturwissenschaft, ergänzten die Kenntnis der Heilkunde und der heilenden Kraft der Kräuter, operierten Kranke und balsamierten Mumien ein, entwickelten das Handwerk, brauten Bier, kelterten Wein und pflegten die Freien Künste einschließlich der Baukunst.« (S. 14)

1.3.2. Streben nach persönlicher Vervollkommnung

In den Klöstern ging es nach Oslo immer auch um die ‘innere Vervollkommnung des Mönches’. »Die Meditation in der Einsamkeit der Zelle förderte das Entstehen eines esoterischen Christentums, das sich im Laufe der Jahrhunderte in eigenartigen Aufnahmeritualen manifestierte, die an die Denkformen frühchristlicher Gnostiker erinnern. Eine Symbolik besonderer Art beeinflusste die Gedankenwelt des Ordens. Ziel aller Bestrebungen des Mönches sollte die Erlangung der persönlichen Vervollkommnung sein.« (S. 24) Die Freimaurerei will diese Tradition fortsetzen. Sie bietet sich als ein «Mittel zur ‘inneren Ganzwerdung’» an. (Von Ins, S. 29).

1.3.3. Zufluchtorte für Verfolgte und Verfemte

Wie die Bauhütten so waren nach Oslo auch die Klöster früher vielfach Zufluchtsorte für Verfolgte und Verfemte. Also ergibt sich auch aus diesem Gesichtspunkt eine gewisse Verwandtschaft und eine Tradition, die die Freimaurerei weiterzupflegen bemüht ist. (Oslo,1988, 16ff.)

1.3.4. Die Templer als Verfechter des Toleranzgedankens

Die Templer werden von Oslo als Verfechter, wenn nicht gar als Begründer des für die Freimaurerei zentralen Toleranzgedankens angesehen: «Das wirklich neue an diesem Ritterorden war jedoch die Toleranz. Die Ritter waren verschiedener Nationalität und mussten im Heiligen Land zusammenstehen und zusammen kämpfen, was zur Verwischung der nationalen Eigenarten führen musste. Die Kleriker des Ordens studierten den Feind und dessen Kultur und Sprache, fungierten als Dolmetscher bei den zahlreichen Verhandlungen… Von daher rührt der Respekt der Templer gegenüber den Errungenschaften ihrer Feinde.« (Oslo, 1988, S.45)

Oslo sieht eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Templern und Freimaurern in der besonderen Initiation sowie in der Verwendung von Symbolen: «Der höchste Rang, der innere Kreis der Templer, war der geistliche Ritter.

Dieser wurde durch besondere Initiation (Einweihung) in den Kreis berufen. Jetzt war er würdig, sich in den Geheimzeichen der Kabbala auszukennen… Die Mitglieder dieses Kreises verständigten sich untereinander in bildhaften Symbolen, durch phonetische Wortspielereien und musikalische Harmonien.« (Ebd. 100)

1.3.5. Die Templer und der ‘Rachegrad’

»Die Geschichte der Tempelherren, des Tempelordens (1118 bis 1314) hatte im 18. Jahrhundert auf eine Reihe freimaurerischer Lehrarten starken Einfluss, obwohl auch zwischen Freimaurerei und Templertum kein direkter historischer Zusammenhang nachweisbar ist.» (Lerich, 1937, 41) Gross ist dieser Einfluss hauptsächlich in dem heute am weitesten verbreiteten schottischen Hochgradsystem.« An die Stelle Hiram Abifs, des Erbauers des salomonischen Tempels, dessen Ermordung in der Johannisfreimaurerei als rituelle Legende eine grosse Rolle spielt, tritt in den Areopagen, in den Werkstätten vom 19. bis zum 30. Grad, der letzte Templergroßmeister Jakob de Molay, der auf Befehl König Philipps des Schönen von Frankreich und Papst Clemens V. am 3. März 1314 am Scheiterhaufen den Tod fand… Die Hinrichtung des Molays findet in der Kulthandlung des 30. Grades, im Initiationsritus, eine realistische Darstellung. Der Lehrgehalt des Ritter Kadosch Grades symbolisiert den Untergang des Templertums durch die geistliche und weltliche Gewalt, an deren Stelle der Sieg der Gewissensfreiheit gesetzt wird.» (Ebd. S. 41) Im 30. Grad, der auch ‘Rachegrad’ genannt wird (siehe Kapitel 3), rächt sich also die Gewissensfreiheit, der Gedanke der Toleranz gewissermassen symbolisch an den dogmatischen kirchlichen und intoleranten weltlichen Autoritäten. (S. a. Kapitel 3)

Die freimaurerische Jugendorganisation trägt den Namen des letzten Großmeisters der Templer, den wir auch als ‘freimaurerischen Märtyrer’ bezeichnen können. Der ‘De Molay Orden’ ist »den Vierzehn  bis Einundzwanzigjährigen vorbehalten«. »Die Aufgabe des Ordens ist die Heranbildung einer zukünftigen Elite der Freimaurerei.» (Mellor,1985, 91)

1.3.6. Vergleich

Ein kurzer Vergleich zeigt wiederum wesentliche Unterschiede zur Lehre Christi. Während die Freimaurer jede Art von Wissen bewahren und pflegen wollen, unterscheidet die Bibel zwischen Wissen, das von oben und Wissen, das von unten inspiriert ist. Gerade die Öffnung des Menschen für das ‘Wissen von unten’ hat zur Trennung von Gott geführt. Die ‘hermetischen’ Künste sind höchst gefährlich und dem biblischen Gott ein Greuel. In der Heiligung soll ein Christ lernen, sich davon zu distanzieren, bewusst und entschieden ‘nein danke’ zu diesem Erkenntnisangebot zu sagen. Aus bib¬lischer Sicht kann zudem der Mensch niemals aus eigener Anstrengung Vollkommenheit erreichen. Er ist stets auf die Gnade Gottes angewiesen und erreicht Vollkommenheit niemals allein, sondern erst in der Gemeinschaft Christi und seiner Gemeinde. Christus gleicht unsere Schwächen aus, und unsere relativen Stärken werden erst durch die Kommunikation und Kooperation fruchtbringend. Das Heilswissen Christi wird nicht gehütet und selektiv weitergegeben, sondern soll möglichst in aller Öffentlichkeit aller Welt verkündigt, vervielfältigt werden. Christen sollten sich zudem natürlich der Rache enthalten. Sie steht allein Gott zu.

1.4. Geheimgesellschaften und Mysterienbünde

»Die Freimaurerei versteht sich als geistiges Erbe der antiken Mysterientdünde.» (Valmy, S. 19) «Aus Brauchtum und Werklehren der Freimaurerei geht … mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass diese ihre Hauptimpulse aus den Mysterienschulen vor allem ägyptischer und griechischer Prägung bezog.« (Von Ins, S. 29) »Der Freimaurerbund ist der einzige echte Mysterienbund, der in der Gegenwart noch lebendig ist.« (Schenkel, S. 65) Ebenso äussert sich Spitzbarth und er meint, dass es gerade diese Komponente der Freimaurerei sei, «der wir ihre Anziehungskraft zuschreiben dürfen». Nach Schenkel versucht die Freimaurerei, einen humanistischen Inhalt mit Formen der alten Mysterien zu vermitteln: «Das Eigentümlichste an diesem Bund ist, dass er in seinen Formen ein Mysterienbund ist, seinem Inhalt nach aber ein reiner Humanitätsbund.« (Ebd. S. 63) Welches sind die wesentlichen Merkmale der von den antiken Mysterien übernommenen Formen? »Die Bestandteile dieser Mysterienform sind neben dem Geheimnis des Bundes der Initiationsritus, die Wanderungen, die mit den vier alten Elementen der Erde, des Wassers, des Feuers und der Luft in Berührung bringen und durch Furcht und Hoffnung zum Licht führen, die stufenweise Erleuchtung, die teilweise Entkleidung und kultische Bekleidung, die Reinheit, der Spiegel. die Bruderschaft, das kultische Mahl, Tod und Auferstehung. Ich führe ,iier nur diejenigen Punkte an, die so gut wie in allen Logen der Welt vorhanden sind. Sie könnten ergänzt werden durch weitere zahlreiche Einzelheiten aus verschiedenen Systemen der Vergangenheit und der Gegenwart.« (Ebd. S.71f.) Im folgenden sollen die wichtigsten Bestandteile kurz beleuchtet werden.

 

1.4.1. Geheimhaltung und Abgeschlossenheit

Wir haben gesehen, dass die Freimaurerei sich heute nicht mehr als eine ,geheime’ sondern nur noch als eine ‘geschlossene’ Gesellschaft versteht. (Valmy) Dennoch spielt die Geheimhaltung eine wichtige Rolle, und Geheimgesellschaften verschiedenster Art haben die Freimaurerei be¬einflusst, am meisten wohl die Rosenkreuzer. Zudem mag der Erfolg der Freimaurerei dazu beigetragen haben, dass gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts Geheimgesellschaften in Europa Mode wurden. Im folgenden soll auf den Aspekt der Geheimgesellschaften nicht näher eingegangen werden, denn in ihnen verschwimmen die Grenzen zwischen Ernst und Spiel, zwischen Wirklichkeit und Täuschung, Verkleidung, Schwindel. Im Werk von Kaltenbrunner sind verschiedene Beiträge zur Geschichte der (wirklichen und erdichteten) Geheimgesellschaften enthalten. Es enthält zudem eine »Zusammenstellung einer Bibliographie über Geheimbünde».

»Das charakteristische Kennzeichen des Mysterienkultes ist das Geheimnis, in das derselbe gehüllt ist… Es ist gerade das kultische Element, dem der Charakter des Geheimen eignet.» (Schenkel) «Nicht der Inhalt, sondern die Symbole und rituellen Formen seiner Darstellung sind geheim. Gerade das ist typisch für die Mysterienform.« (Ebd. 74) »Der Verschwiegenheit unterliegen die Erkennungszeichen, das Ritual der einzelnen Grade und bis zu einem gewissen Grad die Namen der Mitglieder.» (Ebd. 73) Die Geheimhaltung gilt nicht nur gegen aussen, sondern auch gegen innen: Die unteren Grade sollen (noch) nicht wissen, was die oberen tun: »Diese Verschwiegenheit wird auch innerhalb des Bundes selbst geübt, insofern es verboten ist, Erkennungszeichen und Ritual höherer Grade den Brüdern niederer Grade mitzuteilen.» (Ebd. 76) »Die Geheimhaltung gibt dem Bunde auch das Gefühl einer viel stärkeren Gemeinschaft und brüderlichen Verbundenheit.« (Ebd. 74) Wir haben gesehen, dass heute viele Informationen über Symbole, Rituale, Erkennungszeichen usw. der Freimaurerei in Wort und Bild öffentlich zugänglich sind. Damit ist aber das ‘Geheimnis’ nach freimaurerischer Auffassung noch gar nicht gelüftet. Denn es sei gar nicht in Worten mitteilbar, sondern müsse von jedem persönlich erlebt werden. Der Zugang zu diesen freimaurerischen Erlebnissen untersteht nun allerdings strenger menschlicher Kontrolle. Schenkel spricht von einer ‘strengen Auswahl der Mitglieder’. «Die Freimaurerei wollte nie Massenbewegung sein.« (Ebd.75) Zudem finden die Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen statt, und die Zutrittsberechtigung wird für jeden Grad überwacht. Das wird unter anderem damit begründet, «dass der Kultus, soll er wirklich ein höchstes Mass von Wirkung erzielen, der Abgeschlossenheit bedarf.« (Ebd. 75)

1.4.2. Kultische Handlungen, Riten und Symbole

Die Freimaurerei will die scheinbar allgemein menschliche’Sehnsucht nach einem echten Kult’ befriedigen. (Lagutt FM 1958, 132) «Es liegt im Wesen des Kultischen begründet, dass es den Menschen tiefer und stärker erfasst als beispielsweise das belehrende Wort… Der Kultus wendet sich in erster Linie nicht an das intellektuelle Verständnis, sondern an die Gemütskräfte… Es liegt im Wesen des Kultischen, dass es bindet.» (Ebd. 131) »Man darf nicht vergessen, dass in längst abgeklungenen Zeiten Riten und Kulte das Mittel bildeten, die Menschen zu führen.» (Ebd. 132)

Der Zweck von Kulten liegt nach Schenkel in der ‘Menschwerdung’ und in der ‘Gemeinschaft’. Auch er betont besonders das Gemeinschaftsfördernde: «Der Kultus ist von ganz ungeheurer Bedeutung für den Bestand menschlicher Kultur. Er ist das stärkste Gemeinschaftsband, fesselnder und umfassender als das Band gemeinsamen Blutes, gleicher Sprache, gleicher Wirtschaftsinteressen. Kultverbände überdauern nicht nur Jahrhunderte, sondern Jahrtausende.» Schenkel meint, dass es ohne Kult nicht gehe: »Auch der Mensch der Gegenwart braucht einen Kultus.» ‘Alles kultische Handeln’ ist nach Schenkel ‘Erleben und Handeln in Symbolen’. (S. 59) Das Wort wird also durch die Tat einerseits und durch das Erlebnis andererseits relativiert; Erlebnisse, Gefühle sind vorrangig, Worte sind zweitrangig.

Der freimaurerische Kult unterscheidet sich nicht nach der Form, wohl aber nach seinem Inhalt wesentlich von den antiken Mysterienkulten. »Die Mitglieder der antiken Mysterienbünde denken sich die Wirkung ihres Ritus mystisch vermittelt und magisch.« (Ebd. 81) »Die antiken Mysterien wollten Offenbarung, Erlösung und Unsterblichkeit vermitteln. Sie versprachen die Erkenntnis höherer Weiten, wie heute die Theosophie. Dem gegenüber will die Loge bei ihren Mitgliedern ethische Erkenntnis fördern.«, (Ebd. 80) Wir werden sehen, dass sich aber auch manche Freimaurer von ihren Kulten ‘höhere Erkenntnis’ erhoffen. Der Inhalt des kultischen Handelns sowie des ethischen Strebens der Freimaurer ist wesentlich durch den Humanismus, aber auch durch jüdisch christliche Tradition und Aufklärung geprägt.

Symbolische Handlungen (Riten) und Zeichen (Symbole im engeren Sinn) dienen im freimaurerischen Kultus, wie auch in den Mysterienkulten dazu, die gewünschte Erkenntnis zu vermitteln. »Seit altersher haben sich die Völker… der Rituale und Symbole bedient, um geistige Erkenntnisse erfahrbar zu machen, die durch das blosse Wort nicht vermittelt werden können« (Valmy). Die Quellen der freimaurerischen Symbolik liegen nun nicht nur in der Bauhüttentradition, sondern sie verwenden auch andere, uralte Symbole. Sie beschäftigen sich mit Studien zum Thema Symbolik und betreiben ‘vergleichenden Symbolismus’ (Mellor Wiss. 1985, 307, siehe auch von Ins, FM 1984, 78ff. ‘zur Frage nach den Quellen der freimaurerischen Symbolik’; Endres FM 1977) Kurz zusammengefasst schätzen die Freimaurer die Symbole aus den folgenden Gründen: Symbole dienen der Vermittlung von Erkenntnissen, von ‘Realitäten’ (Valmy FM 1988, 12, Lagutt FM 1958, 139).

– Symbole sind undogmatisch, antidogmatisch und lassen eine ‘freie’, individuelle Interpretation zu. (Valmy, S. 15, Schenkel, S.78)

 – Symbole sind vielfältig, vielseitig verwendbar und anschaulich. (Zendralli, S.13)

 – Symbole sind dauerhaft, unveränderlich, wiederholbar und reproduzierbar. (Imhof)

 – Symbole ermöglichen es, die Wirklichkeit so ‘ambivalent’ darzustellen, wie sie nach freimaurerischer Auffassung ist (Deiters, 140).

 – Symbole erlauben es, die gegenseitige Durchdringung und die Vereinigung von Gegensätzen aufzuzeigen. (Von Ins FM 1984, 78ff.) Kultus, Riten und Symbole ersetzen also die Sprache, sie schaffen und sind eingefügt in eine ‘aussersprachliche Ordnung’. (Ebd. 82) »Schau alle Wirkenskraft und Samen und tu nicht mehr in Worten kramen.» (Goethes Faust, 534)

1.4.3. Stufenweise Einweihung und ‘höhere’ Erkenntnis

Wie in den alten Mysterienbünden gibt es in der Freimaurerei Initiationsriten. Vor allem die Aufnahme in den Freimaurerbund sowie die ‘Erhebung’ zum Meister sind nicht nur in ihrer Form, sondern auch im Inhalt mit den alten Mysterien verwandt.

Die entsprechenden Rituale, die in Kapitel 3 kurz beschrieben sind, zeigen »Analogien bis in die Einzelheiten dessen, was uns von den Mysterien bekannt ist.« (Schenkel,1926, 84, s.a. Deiters,1963, 123ff.) In der ‘Tempelarbeit’ geht es vielen Freimaurern nicht nur um ethische, sondern auch um esotorische Belehrung und Erkenntnis. Esoterik gilt als ‘Kunst, die Dinge von innen zu sehen’ (Mellor,1985, S.308), und die Erkenntnisse werden nicht einfach von aussen herangetragen, sondern müssen auch selbst ‘erarbeitet’ werden: »Allo esoterischen Schulen sprechen davon, dass es höhere Bewusstseinsebenen gibt als jene zwei, die wir im gewöhnlichen Sprachgebrauch Schlaf und Wachsein nennen. Die mögliche Bekanntschaft mit höheren Stufen des Bewusstseins ist es, was wir Freimaurer Streben nach Vervollkommnung und Lichtsuche nennen. Licht, Tag, Sonne, Gold usw. sind in der Esoterik Symbole für ein mögliches neues Bewusstsein. Der Dämmerzustand des natürlichen Menschen, das sogenannte Wachsein, wird in der Regel durch den Mond dargestellt. So auch im Freimaurertempel. Was da im Osten über dem Meister vom Stuhl aufleuchtet, das Nachtgestirn des Mondes und die golden strahlende Sonne, sind in Wahrheit eine Offenbarung von erschütternder Grösse. Der Mensch, dargestellt durch den Meister vom Stuhl, kann aus dem Schlaf (Mond) erwachen und sich hinwenden zu neuen Bewußtseinsebenen, die in der Sonne gipfeln.   Doch dies muss gehört und wohlverstanden werden: Bewusstsein entsteht nicht automatisch wie eine Pflanze, wenn sie nur genug Licht, Luft, Wasser und Erde hat. Zunehmendes Bewusstsein ist von organisierter, zielgerichteter Arbeit an sich selbst abhängig.« (Hochreutener, 1981, S. 12) Freimaurer übernehmen also von den alten Mysterien auch den Glauben an ‘höhere’ Erkenntnis, die stufenweise Einweihung sowie einzelne Initiationsriten, fügen dem aber noch den Aspekt der ‘Arbeit an sich selbst’ hinzu.

1.4.4. Vergleich

Wiederum ergeben sich im Vergleich zur Lehre des biblischen Jesus Christus wesentliche Unterschiede: Seine Wahrheit soll nicht geheim gehalten, sondern aller Welt verkündet werden; seine Apostel und Jünger arbeiten und wirken nicht anonym, sondern treten trotz grösster Verfolgung offen und mit vollem Namen auf. Nicht ein Kult ist es, der die Christen verbindet, sondern Jesus Christus selbst. Selbst Schenkel schreibt, »dass Jesus dem Kultus nicht die geringste Rolle beilegt». (Ebd. 58) Er ersetzt jede Art von Kultus, denn er führt seine Gemeinde persönlich. Alle menschengemachte religiöse Anstrengung und kultische Handlung wird überflüssig. Sein Kommunikationsmittel ist in erster Linie das Wort, nicht das Symbol. Sein Wort versöhnt nicht die Gegensätze, sondern trennt Spreu und Weizen, Mark und Bein. Es ist nicht vieldeutig, sondern eindeutig. Es ist nicht beliebig reproduzierbar, sondern an die Person Jesu gebunden und ohne ihn und seinen Geist nicht verständlich. Nicht menschliche Anstrengung, sondern der Heilige Geist weiht uns schrittweise in die biblischen Wahrheiten ein. Die Bibel warnt uns ausdrücklich vor’höherer’ Erkenntnis und vor Leuten, die vorgeben, solche zu besitzen. Er ist das Licht, andere Leuchtkörper leuchten nur in seinem Schein, sind Irrlichter. Er lehrt uns, uns ausschliesslich auf unsere natürlichen Sinne zu verlassen. Was an ‘Übernatürlichem’ mit der Person, dem Leben und den Taten Jesu in Zusammenhang steht, ist einmalig, einzigartig und durch keine menschlichen Praktiken reproduzierbar.

1.5. Jüdische und christliche Tradition

Im letzten Abschnitt ging es um die geistigen Wurzeln der Form, in diesem und im nächsten Abschnitt geht es um die geistigen Wurzeln des Inhaltes der freimaurerischen ‘Tempelarbeit’.

»Was das Verhältnis zur Bibel, die auf dem Altar jedes Logentempels liegt, betrifft, so ist es ein Leichtes, nachzuweisen, dass fast alle Symbole, deren die Freimaurerei sich zur geistigen Förderung ihrer Mitglieder bedient, ihre Parallelen in der biblischen, zumal auch in der neutestamentlichen Überlieferung haben.« (Schenkel,150) »Bei Betrachtung der englischen Hochgrade fällt auf, dass sie sich immer wieder an die Bibel klammern, um die Freimaurerei zu rechtfertigen … Die Zeremonien der Hochgrade sind durch lange Gebete und Bibelzitate gekennzeichnet, deren Ausführlichkeit manchmal ermüdend ist.   Die Freimaurerei wurde schon in den blauen Graden mit der Geschichte des jüdischen Volkes als Hintergrunddekoration geschmückt. In den Ergänzungsgraden wird daraus eine Symbiose.« (Mellor, 387) Im folgenden soll wiederum derschottische Ritus etwas näher betrachtet werden, in dem die ‘blaue’ Johannismaurerei enthalten ist. (S. a. Kapitel 3)

Der Schottische Ritus will mit seinen verschiedenen Erkenntnisstufen symbolisch die geistige und kulturelle Entwicklung der Menschheit durchwandern. Seine 33 Grade, in welchen die drei Stufen der Johannis Freimaurerei, die des Lehrlings, Gesellen und Meisters mitgezählt sind, teilt er in drei Perioden, denen die grossen Kulturabschnitte der Menschheitsgeschichte, die jüdisch architektonische, die religiös christliche und die freiheitlich aufgeklärte Zeit entsprechen sollen.» (Lerich,1937, S.27)

 

1.5.1. Jüdische Tradition

«Die Werkstätten vom 4. bis zum 14. Grad, die sogenannten Perfektions- oder Vervollkommnungslogen, kennzeichnen zusammen mit den drei Graden der blauen Loge die jüdisch architektonische Periode, denn ihre Rituale wurzeln ausschliesslich in biblischen Überlieferungen, spielen im jüdischen Milieu des Alten Testamentes, und in ihrem Mittelpunkte stehen das Bausymbol des salomonischen Tempels und dessen Erbauer Hiram Abif.« Lerich, 1937, S. 7) Dabei ist der in der Bibel erwähnte Hiram von Tyrus (1. Kön. 7,13) nicht mit dem freimaurerischen Hiram Abif identisch. Die Herkunft der freimaurerischen Hiram Legende ist unbekannt. Nach Lagutt, S 46ff.) kennt die Sagenwelt der Juden die Tempellegende nicht, doch steht sie in einem engen inneren Zusammenhang zum jüdischen Mythos, der sich um Kain rankt. Hiram Abif soll ein Nachfahre Kains gewesen sein, und in der Legende wird, in Abweichung von der biblischen Darstellung, Kain und seine Nachkommenschaft sozusagen rehabilitiert.

Der Legende nach soll Hiram Abif von seinen Gesellen erschlagen worden und nach einer Reise ins Innere der Erde wieder auferweckt worden sein. Es geht hier also um eine symbolische Darstellung von Leben, Tod und Auferstehung   unabhängig von Jesus Christus. Lagutt zitiert den deutschen Philosophen und Freimaurer Friedrich Schlegel (1772-1829): »Der erschlagene Meister Hiram (hic Jesus est resurgens a mortuis = Hier ersteht Jesus von den Toten auf) ist aller Wahrscheinlichkeit nach der in den alten Mysterien bekannte und verehrte Todesgott des neuen Lebens Dionysos oder Osiris. Es ist Christus als Idee vor und außer dem Christentum.« Die jüdische Tradition dient also nur als Hintergrunddekoration zur Darstellung eines anderen Inhalts. Jüdisch kabbalistische Quellen haben aber nach von Ins  die freimaurerische Symbolik beeinflusst.

1.5.2. Christliche Tradition

Wir fahren fort mit den weiteren Stufen des schottischen Ritus: »Die Werkstätten des 15. bis 18. Grades sind die Kapitel Logen, deren Rituale die christlich religiöse Periode der Menschheitsgeschichte, die Zeit der Kreuzzüge versinnbildlichen.» (Lerich, S.32) In den ‘Kapiteln’ tritt die Innenarbeit in den Hintergrund, und die Hauptaktivitäten verlagern sich auf konkrete, hauptsächlich kulturpolitische Aktionen. (Ebd. 32f.) Der wichtigste, rituell bearbeitete Grad ist der 18., der ‘Ritter vom Rosenkreuz’, wobei historische Einflüsse der Rosenkreuzer nicht nachweisbar sind. (Ebd. S. 34). In der Initiation zu diesem Grad spielen viele christliche Motive eine Rolle, die aber umgedeutet werden. Die Buchstaben INRI erhalten «eine zweite Bedeutung, nämlich ‘Igne natura renovatur integra’ (Durch das Feuer erneuert sich die Natur zur Gänze).« (Mellor, 1985 400, s.a. Lerich obd. 35). Das ‘Symbol der Aufopferung bis zum Letzten’ ist ein goldener Pelikan, «der sich mit seinem Schnabel die Brust aufreißt, um mit seinem Herzblut die hungernden Jungen zu nähren«. (Lerich, ebd. 35) Ein Bruder legt einem anderen symbolisch ein Kreuz auf, und schließlich wird mit einem Kelch Wein, einer Schüssel mit Brot und einer ‘schwelenden Räucherpfanne’ eine Art Abendmahl gefeiert. (Ebd. S. 35f.) »Das Zeichen des Grades ist dasjenige des ‘Guten Hirten’ und das Kennwort ’Emmanuel’« (Mellor). »Die Ritter vom Rosenkreuz erhalten lange, übermannshohe Stöcke, die Stäbe des ‘guten Hirten’«, und am Schluss des Rituals wird ihnen erklärt, »dass die Rosenkreuzer die guten Hirten des Volkes sein wollen, die Kämpfer für die Freiheit der Völker und deren Versöhnung untereinander. Die Johannisfreimaurerei schlage Brücken von Mensch zu Mensch, die Hochgradfreimaurer des 18. Grades Brücken Volk zu Volk« (Lerich ). »Dieser Kult ist das Agape, das Liebesmahl der Kapitelbrüder, die freimaurerische Wiedergabe des christlichen Abendmahles. In seiner Zeremonie haben die christlich religiösen Kapitelrituale ihren Höhepunkt erreicht.« (Ebd. 36)

In Schweden besteht eine besondere, ‘christlich’ genannte Lehrart der Freimaurerei, in der Christus als ‘oberster Meister’ verehrt wird. Sie ist innerhalb der Freimaurerei umstritten (z.B. Schiffmann, 1883) und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden. Eingehend hat sich der dänische Kirchengeschichtsprofessor Nielsen (1882 und 1883) damit auseinander gesetzt. Vom biblischen Christentum unterscheidet sie sich nach seiner Auffassung grundlegend.

1.5.3. Vergleich

Die Legenden und Handlungen der Johannismaurerei wie auch der schottischen Hochgradfreimaurerei erwecken den Eindruck, als beruhten sie auf jüdisch christlichen Traditionen, als habe ihr Inhalt etwas mit dem Geist der Bibel zu tun. Dieser Eindruck ist meines Erachtens falsch, wenn sich auch die meisten Freimaurer selbst als ‘gute Christen’ bezeichnen mögen. Mellor schreibt dazu: «Bei der Lektüre der alten Schottischen Rituale kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eben dieser Grad voll christlicher Emotionen ist. Ohne Zweifel haben die Ritter vom Rosenkreuz in ihrer Mehrheit ihn immer so aufgefasst, jedoch ist dieses Christentum nicht mehr das der Kirche… Im 18. Jahrhundert wurde eine Schicht Christlichkeit darüber gestrichen, ähnlich wie ein Bild übermalt wird« (S.399). Die echte Heilige Schrift wird hier unentwirrbar mit einem von Menschen erfundenen Ritual verflochten und das Wort Gottes … an Legenden geknüpft. Es hat allerdings nicht den Anschein, dass dieser Cocktail den anglikanischen Episkopat oder die zahllosen Geistlichen, welche das Kaplanamt der Logen innehaben, abgeschreckt oder gar am Beitritt gehindert hat. Diese predigen sonntags das Wort der Heiligen Schrift von der Kanzel und zelebrieren wochentags das Ritual in der Loge, indem sie die Heilige Schrift zu Erzählungen verwandeln« (S. 388).

Gehen wir wiederum davon aus, dass der Absolutheitsanspruch von Jesus Christus, wie er in der Bibel bezeugt wird, gerechtfertigt ist, so lässt sich folgendes sagen: In den Tempeln der Freimaurer dienen biblische Erzählungen und christliche Geschichte als Kulisse für einen Inhalt, in dem nicht der biblische Jesus Christus die Hauptrolle spielt. Christus wird vielmehr die Einzigartigkeit, die Einmaligkeit, die Absolutheit genommen. Er wird sozusagen entmachtet und mit seinem ganzen Leben relativiert, vermenschlicht. Die wichtigen Ereignisse seines Lebens werden zu allgemeinmenschlichen Erlebnissen gemacht, die durch Menschen wiederholt und reproduziert werden können. Die freimaurerischen Motive haben zwar vielfach ihre biblischen Parallelen, sie sind der Bibel entnommen, doch Christus ist nicht mehr das Zentrum allen Geschehens. In den Gebeten der Freimaurer wird niemals Christus angesprochen (s.z.B. die in Schenkel veröffentlichten freimaurerischen Gebete, S.151). Die Auferstehung erscheint als eine urmenschliche, vorchristliche Idee; Golgatha wird zu einem Mythos. Auch gewöhnliche Menschen können ihr Leben für andere hingeben, jeder ‘Ritter vom Rosenkreuz’ darf sich als ‘guter Hirte’ fühlen. Während in der Bibel die Führer, Erlöser  und Herrscherrolle allein Christus zukommt, versucht in der Freimaurerei der Mensch, alle diese Rollen selbst zu übernehmen. Menschen und Völker regieren, versöhnen und verbinden sich selbst; das Abendmahl findet ohne Christus statt. Die Freimaurerei relativiert die jüdische und die christliche Tradition selbst, indem sie diesen ‘Etappen der Menschheitsentwicklung’ eine ‘höhere’ Stufe folgen lässt: In der ‘freiheitlich aufgeklärten’ Zeit sind diese Traditionen offenbar überwunden. Der Inhalt, der Gehalt des freimaurerischen Lehrgebäudes ist weder jüdisch noch christlich. In der Freimaurerei finden wir also nur eine Schein Christlichkeit. Das Christliche dient als Lieferant von Motiven sowie als Kulisse.

1.6. Humanismus und Aufklärung

»Im Mittelpunkt unseres Denkens steht der Mensch.« (Zendralli, S. 10) Die Freimaurerei versteht sich als ‘Weltbruderschaft der wahrhaft Aufgeklärten’. (Im Hof, S. 167)

1. 6. 1. Humanismus

Die Ideale der Freimaurerei entstammen dem Humanismus und der Aufklärung. Die Lehrinhalte sind auch bei jüdischer und christlicher Kulisse humanistisch aufklärerisch. »Es ist die Meinung der Maurerei der ganzen Welt, ein Kultus der Humanität zu sein.« (Schenkel, S.93) Über die humanistischen Wurzeln und das ‘Humanitätsideal der Freimaurerei’ finden sich interessante Ausführungen bei Schenkel und Oslo). In dieser Arbeit sollen die Anliegen und die Ideale der Freimaurer in Kapitel 2 dargestellt werden.

Im Hof zeigt Verbindungen der Freimaurerei zur humanistischen ‘Sozietäts  oder Gesellschaftsbewegung’ auf, besonders auch zur ‘Akademiebewegung’ mit ihrem Doppelaspekt humanistischer Gelehrsamkeit und humanistischer Geselligkeit. »Die Freimaurer sind … Meister eines neuen festlichen Stils geworden« S. 11). (Die französischsprechenden Brüder nennen die Loge augenzwinkernd ‘une église avec un restaurant’ = Eine Kirche mit einem Restaurant (Hochreutener).

1.6.2. Aufklärung

«Die Freimaurerei entsteht in einer besonderen Krisensituation Europas. Sie ist Ausdruck der frühaufklärerischen Reaktion auf Orthodoxie und Absolutismus.« (Im Hof 1984, S. 10) »Im 18. Jahrhundert versammelten sich in den Logen die fortschrittlichsten Geister ihrer Zeit: Lessing, Goethe. Herder, Fichte   fast die ganze Prominenz der Aufklärung findet man in den alten Mitgliederverzeichnissen aufgelistet. Offenbar waren die Logenhäuser der einzige Ort, wo Oppositionelle sicher sein konnten vor dem Zugriff absolutistischer Staats  und Kirchenmacht. Bei solchen Zusammenkünften genossen Andersdenkende gleichsam diplomatische Immunität.

Draußen geltende Standesprivilegien waren in den Logen eingeebnet, Meinungs  und Gedankenfreiheit Teil des Vereinsstatuts. Nur unter diesen Voraussetzungen konnten die Gedanken der Aufklärung formuliert werden.« (Rohländer GEO 1988) Zum Thema ‘Freimaurerei und Aufklärung’ äußert sich auch Binder. In der Freimaurerei ist das Rationale und das untergründig Mystische der Aufklärung vereinigt. Die ‘wirklich’ Aufgeklärten sind nicht nur Rationalisten. Sie wissen. »Vertreibt das Mystische, es kommt im Galopp zurück«. (Im Hof, S. 168)

Die Ideen der Aufklärung werden in den obersten Graden des schottischen Ritus gelehrt. »Mit der Aufnahme in das Atelier des 19. Grades beginnt für den Hochgradfreimaurer der Weg zur ‘vollen Einweihung’, die sich im 30. Grad vollzieht. Die maurerischen Werkstätten vom 19. bis zum 30. Grad heißen Areopage, benannt nach dem altgriechischen Gerichtshof zu Athen. Sie bilden zusammen die dritte Periode der Erkenntnisstufen des Schottischen Ritus, der in der Menschheitsgeschichte das Zeitalter der Aufklärung und Gewissensfreiheit und die Zukunft der Menschheit, die durch den Sieg der Freimaurerei beherrscht werden soll, entsprechen.» (Lerich, 1937, S. 36) Der 19. Grad «lehrt den Kampf gegen ‘Unwissenheit’, ‘Aberglaube’, ‘Dogmatik’ und ‘Fanatismus’ in jeder Form« (Ebd. S. 37). In den nächsten Graden geht es darum, für eine ‘gelenkte Volksherrschaft’ einzustehen. Die ‘Despotie der Massen’, die auf eine völlige Anarchie hinausläuft, wird verworfen. Dabei gilt es, ‘die Volksrechte zu erkennen und nach aussen hin zu vertreten’. Die einzelnen Religionen sind zu überwinden, die in allen Religionen enthaltenen Wahrheiten sollen in einer ‘Überreligion’ zusammengefasst werden. Die obersten Grade schließlich wollen alle Stadien der religiösen Zweifel hinter sich gelassen haben und auf der Stufe einer über alle Dogmatik und ‘Vorurteile’ erhabenen Ethik und Weltanschauung stehen. (Ebd. 37) Im Aufnahmeritual in den 30. Grad (‘Rachegrad’) muss der Aufnahmebewerber drei »symbolische Degenstiche führen: Gegen die Tiara (Dreifache Papstkrone) als Sinnbild des Papsttums und überhaupt der geistlichen Gewalt, gegen die Königskrone als Sinnbild jeder weltlichen Macht und gegen eine dritte Krone, die Bürgerkrone, als Sinnbild der Despotie der Massen und Willkür überhaupt!» (S. 42) Zudem muss er die drei Säulen der Maurerei (Weisheit, Stärke, Schönheit) »mit eigener Hand umstürzen! Die Worte des Rituals deuten diesen Akt dahin, dass der nunmehr in die letzten Geheimnisse der Loge eingeweihte Ritter Kadosch  die völlige Vorurteilslosigkeit erlangt habe, die unbedingte geistige Freiheit.» (S. 42)

1.6.3. Vergleich

Auf die freimaurerischen Ideale wird im nächsten Kapitel näher eingegangen. Ihre Beurteilung aus der Sicht Christi erfolgt in Kapitel 7. Die humanistische, völlig menschenzentrierte Sicht ist diejenige des ‘alten Menschen’ der Bibel, desjenigen, der (noch) nicht erkannt und angenommen hat, dass Christus der oberste Machthaber aller Himmel und aller Welten ist.

Die Freimaurer lehnen jeden Absolutheitsanspruch von Kirche, Staat, Massen oder einzelnen Personen ab, denn es gibt aus ihrer rein menschlichen Sicht keine absolute Wahrheit. Die obigen Ausführungen zeigen, dass diese Auffassung nun (nicht nur gegen innen, sondern auch gegen aussen) mit einer Energie und einer Verbissenheit vertreten wird, die darauf schliessen lassen, dass sich dahinter ihrerseits ein Absolutheitsanspruch verbirgt: die Auffassung nämlich, dass es keine absolute Gewissheit gibt. Demgegenüber gibt es nach unserer Auffassung nur einen einzigen Menschen, der von sich zu Recht sagen konnte: »Ich bin die Wahrheit!«, Jesus Christus, der Sohn Gottes.

1.7. Reformation und Protestantismus

Nach Schenkel besteht eine enge wesenhafte und schicksalhafte Verbundenheit von Freimaurerei und Protestantismus. Während in der Öffentlichkeit und in den protestantischen Kirchen dies kaum empfunden werde, sei das Bewusstsein um diese Zusammenhänge stark lebendig in der deutschen Freimaurerei selbst, aber auch, was besonders bezeichnend ist, bei dem grossen gemeinsamen Gegner beider, bei der römisch-katholischen Kirche. Konservative Katholiken sehen in der Freimaurerei eine Waffe des Protestantismus, um ihre Kirche zu zerstören. Für sie ist klar: Ohne 1517 kein 1717! »In einem protestantischen Lande wurde sie geboren, und die meisten Logen finden sich in protestantischen Ländern. Protestantischer Geist zeigt sich in der Freimaurerei nicht nur bei protestantischen, sondern auch bei anderen Völkern. Er durchdringt das Kulturleben aller Staaten.« (Schenkel, S. 4) Welches ist nun die schicksalhafte, welches die wesenhafte Verbundenheit zwischen Freimaurerei und Protestantismus?

1.7.1. Reformation

Auf die konkreten historischen Zusammenhänge zwischen Reformation und Freimaurerei geht Oslo ausführlich ein. Dabei behandelt er auch die Vorläufer der Reformatoren: die Katharer, die Waldenser, John Wycliffe, Jan Hus u.a.m. An dieser Stelle können nur einige Aspekte herausgegriffen werden. Der schottische Reformator John Knox habe, im Gegensatz zu anderen Reformatoren, das Recht auf ‘bewaffneten Widerstand’ einem Herrscher gegenüber gefordert, ‘der die Sicherheit der wahren Religion bedrohte’. (Ebd. S. 95) Zudem: »Der Protestantismus bot dem Adel und den Gutsbesitzern von Schottland nicht nur eine geistlich lebendige Kirche mit Laienbeteiligung, sondern auch die Möglichkeit, das belohnte Kirchengut nicht mehr zurückgeben zu müssen. So wurden in kürzester Zeit Hunderte von Klöstern überfallen, geplündert und aufgelöst. Die Folge war, dass Tausende von Mönchen zu Flüchtlingen und Vertriebenen wurden, ohne Obidienz im Lande, womit wir bei der Geburt der Freimaurerei angelangt sind.« (Ebd. S. 99) Die Mönche waren im Besitz des nötigen Wissens und Könnens. Dazu kommt nach Oslo eine ‘dynastiepolitische Komponente’: »Die Geschichte der Freimaurerei ist mit den Stuarts in England eng verknüpft.« (Ebd. S. 104)

Zusammengefasst: »Die Entstehung bzw. Entwicklung der Freimaurerei beruht auf drei wesentlichen Komponenten: die geheimwissenschaftliche, die religiös-politische und die dynastiepolitische. Wir haben gesehen, dass die Auflösung der Klöster in Schottland ab August 1560 die Hermetischen Künste und die Königliche Kunst mit dem Kreis der Auserwählten, die sie pflegten, in die Korporationen und Logen des Bauhandwerks trieb. Der religiöspolitische Aspekt hing zwar mit dem Kampf der Reformation gegen die etablierte Lehre der christlichen Kirche zusammen, doch erst im Laufe des 17. Jahrhunderts spielte er für die Freimaurerei eine entscheidende Rolle. Hingegen sind die Verhältnisse um das Haus Stuart bis 1813 aus dem Orden nicht wegzudenken. Seit 1688 wurde die Loge zum geheimen Treffpunkt der Anhänger des abgesetzten Stuart Königs« (Ebd. S. 121). Man kann also nicht sagen, dass die Freimaurerei eine notwendige oder gar beabsichtigte Folge der Reformation war. Durch die Reformation wurden aber Kräfte frei, die zusammen mit geeigneten religiöspolitischen und dynastiepolitischen Voraussetzungen schließlich zur Begründung der Freimaurerei führten. Dazu kommt, dass die Glaubenskriege im Zuge der Reformation ein tiefes Bedürfnis nach wirklich gelebter Liebe, nach Friede und Toleranz weckten. Zusammen mit der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) erschütterten diese Kriege das Vertrauen weiter Kreise der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit der weltlichen und kirchlichen Instanzen. Nicht das Christentum, sondern eine gewisse Verzweiflung am damals gelebten Christentum hat die Gründung der Freimaurerei begünstigt.

1.7.2. Protestantismus

Bei den in dieser Arbeit berücksichtigten Autoren herrscht weitgehend Übereinstimmung in der Auffassung, dass die in der Freimaurerei zentralen Ideen der Glaubens  und Gewissensfreiheit sowie der Toleranz ihren Ursprung im Protestantismus haben. (Boller, S. 42, Oslo, S. 65, Schenkel, S.6) Das Anliegen, die menschliche Subjektivität und Individualität zu befreien, zu würdigen und zu fördern, ist Protestantismus und Freimaurerei gemeinsam und nach Schenkel (Ebd. 6f.) der katholischen Kirche suspekt: «In Rom weiss man, dass Protestantismus und Freimaurerei im letzten Grund der gleichen geistigen Quelle entspringen, nämlich dem freien Gewissen und der frommen Innerlichkeit der selbständigen Persönlichkeit. Beiden gemeinsam ist die Tendenz der Ethisierung in der Säkularisation weiter Lebensgebiete, und beide sind in jenem höchsten Sinne liberal, dass sie der Gewissensentscheidung, welcher sich der Gehorsam gegen die unmittelbar erlebte höchste Wirklichkeit kundgibt, Lebensrecht einräumen.«

Eine weitgehende geistige Einheit und auch praktische gegenseitige Durchdringung, auf die wir noch zu sprechen kommen, besteht nun aber nur zwischen liberalem Protestantismus und Freimaurerei. »Dagegen wird die Freimaurerei in den pietistischen und orthodoxen Kreisen bekämpft.« (Ebd. 34) Besonders die anglikanische Kirche wurde zum Nährboden für die Freimaurerei: «Die anglikanische Kirche hatte eine Theologie der Toleranz mit Akzentverlegung auf die christliche Tat der Nächstenliebe entwickelt. In dieser Atmosphäre bot die Freimaurerei eine neue Art von Gemeinschaft an.» (Im Hof, 1984, S. 10) Der liberale Protestantismus birgt nach Schenkel in sich die Gefahr der Vereinzelung, der Vereinsamung. Gegen diese ‘innere Not’ des liberalen Protestanten bietet sich nun die Freimaurerei als feste Gemeinschaft an. (Ebd. S. 11) «In dieser Verknüpfung von Liberalismus mit einem Geistesleben und Zusammengehörigkeitsbewusstsein, wie es der heutige protestantische Mensch sonst nirgends kennt, liegt die soziologische Bedeutung der Freimaurerei aber auch ihre religionsgeschichtliche Vorbildlichkeit.» (Ebd.)10

 

2. Anliegen und Ideale

Der folgende Überblick über die Anliegen und Ideale der Freimaurer soll kurz gehalten werden, denn sie sind wohl allgemein bekannt. Zudem werden sie in der Literatur ausführlich behandelt. Die Anliegen und Ideale sind das Vordergründige, das auf den Fahnen geschrieben steht; mit ihnen wird um Vertrauen und Sympathie geworben. Darum soll in diesem Kapitel auch kurz auf die Beitrittsmotive eingegangen werden. Die Beurteilung der Ideale und ihrer Verwirklichung erfolgt in Kapitel 7.

2.1. Friede auf Erden

Die Freimaurerei entstand nach den Konfessionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts in Europa. Jedermann sehnte sich nach Frieden. Viele trauten es den Christen nicht mehr zu, den versprochenen ‘Frieden auf Erden’ herzustellen, und auch das Vertrauen in den ‘Friedefürst’ Jesus Christus war offenbar in weiten Kreisen der Bevölkerung geschwunden. In dieser Situation lag es nahe, dass sich vernünftige Männer zusammenschlossen und die Herrschenden der Welt dafür zu gewinnen suchten, den Frieden auf Erden herzustellen. Der Friede ist die Voraussetzung für die Verwirklichung des Hauptanliegens der Freimaurerei: das ‘Reich Gottes auf Erden’ (Seydel, 1862, S. 24). Friede ist auch notwendig dafür, dass die Wirtschaft gedeihen kann, dass durch internationale Arbeitsteilung der Wohlstand aller wachsen kann und auch, dass ein ‘Aufbau’ in den gesellschaftlichen Bereichen erfolgen kann. Unter den Konfessionskriegen hatte nicht zuletzt auch das Baugewerbe, der Stein  und Sakralbau, gelitten.

2.2. Humanität, Toleranz, Brüderlichkeit

Der Friede auf Erden soll erreicht werden durch die Relativierung der Absolutheitsansprüche der Religionen und Konfessionen. In der ‘Ringparabel’ von Lessings ‘Nathan der Weise’ wird das auf eindrückliche aber auch aufschlussreiche Art und Weise dargestellt. Anstelle Menschen trennender Religionen, Konfessionen, Stände, Nationen, Rassen, Klassen usw. tritt die ‘Menschheit’ als Objekt der Verehrung und Grundlage der Orientierung. »Das Wesen der Freimaurerei ist nichts anderes als das Wesen der Menschheit selbst.« (Böni, 1954) Herder bezeichnet die Freimaurerei als ‘Auge und Herz der Menschheit’. (zit. in Imhof, 1944, S.,294)

»Die weltweite Devise ‘Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’, die zuerst in französischen Freimaurerlogen geprägt wurde, ist das unmittelbare politische Destillat aus der ethischen Grundsatzformel ‘Humanität, Toleranz, Brüderlichkeit’.» (Valmy, 1988, S, 10) Zur Humanität: «Für den Freimaurer bedeutet Humanität schlicht die Lehre und das Streben nach menschlicher Würde. Der nach den freimaurerischen Ritualen stattfindende symbolische Bau des Tempels der Humanität soll in jedem Beteiligten dessen beste Anlagen und Kräfte erwecken, veredeln und vervollkommnen, um diese in der Bewährung des Alltags bei der Begegnung mit seinen Mitmenschen anzuwenden. Dies bedeutet Achtung von allen Menschen, unabhängig von Geburt, Stand, Konfession, Nationalität und Hautfarbe; bedingungslose Anerkennung der Menschenrechte, als da sind: das Recht auf persönliche Freiheit und auf Eigentum, Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit, Glaubensfreiheit und auch das Recht, sich notfalls persönlich für die Durchsetzung dieser Forderungen engagieren zu können.« (Valmy,1988, S. 10). Zur Toleranz. »Die zweite Maxime ‘Toleranz’ stellt sich gleichfalls gegen ein mittelalterliches Schattenbild, als der Mensch, dogmen  und religionsmüde, gegen Fanatismus und Absolutismus weltlicher und geistlicher Herrschaft aufzubegehren begann… Das Geltenlassen fremder Anschauungen und Überzeugungen, Sitten und Gewohnheiten sollte längst zur Grundhaltung eines kultivierten Menschen gehören als Zeichen für Selbstvertrauen und Weltoffenheit eines gefestigten Charakters, der auch für den Verfechter gegensätzlicher Meinungen ein offenes Ohr behält… Das unermüdliche Bemühen, Intoleranz abzubauen, bleibt eines der vornehmsten Ziele der Maurerei.» (S.10) Zur Brüderlichkeit: »Wenigstens im Logenleben versucht man dem Ruf nach Brüderlichkeit gerecht zu werden; der schwerste Vorwurf, den Freimaurer gegeneinander erheben können, ist unbrüderliches Verhalten und Handeln. Brüderlichkeit vermittelt ihnen dieses stärkende Bewusstsein, in eine internationale Kette Gleichgesinnter integriert zu sein, in allen Ländern der freien Welt, wo sie eine Loge besuchen, wozu jeder von ihnen ein Recht hat, als willkommener Gast aufgenommen zu werden und in eventuellen Notlagen Hilfe zu erfahren. Dieses Bestreben brüderlicher Gesinnung ist universell und nicht nur auf den internen Kreis der Logenmitglieder beschränkt, es bezieht sich auch auf die profane Öffentlichkeit, ohne sich aufdrängen zu wollen. Bewusst unauffällig praktiziert, lebt es in der Spendenfreudigkeit für karitative Zwecke.« (Ebd. S. 11)

2.3. Erziehung des Menschengeschlechts

Weil der Mensch offenbar nicht immer von Natur aus den Idealen gemäß handelt, wird die ‘Erziehung des Menschengeschlechts’ (Lessing) zu einem vordringlichen Anliegen. »Die Freimaurerei will einen neuen, einen besseren Menschen schaffen, doch das wollen die Religionen auch. Das Ergebnis ist am Verlauf der Weltgeschichte abzulesen.» (Valmy FM 1988 7) Die Freimaurer wollen es besser machen als die Religionen, und zwar hauptsächlich durch a) ‘Selbsterziehung’, ‘Selbstvervollkommnung’, ‘Selbstverwirklichung’ und b) durch die ‘Übung und Förderung des sittlichen Lebens’. (Schiffmann, 1883)

2.3.1. Selbsterkenntnis und Selbsterziehung

»Zutiefst ist die Freimaurerei eine Kunst. Ihr Ziel ist die Ausreifung des einzelnen Bundesgliedes zur harmonischen, sittlichen Persönlichkeit«. (Böni, 1954, S. 9) Und nun die Freimaurerei, was will sie?   Uns zum wahren Menschen, wie er sein soll, erziehen. Unabhängig von jedem Religionsbekenntnis, wobei sie jedoch jedes achtet. Der flammende Stern im Osten, als Symbol des allmächtigen Baumeisters aller Welten, gibt die Blickrichtung; die drei grossen Lichter zeigen den Weg: Notwendigkeit der göttlichen Führung, Rechtschaffenheit, Aufrichtigkeit und Pflichterfüllung. Maßhalten und weit gespannte, alles umfassende Liebe. Unermüdliches Arbeiten am rohen Stein, unermüdliches Emporschreiten, trotz aller Rückschritte, Freisein von jeder Leidenschaft und Sucht, offenes Herz und offene Hand für jede Not, Selbsterkenntnis und Selbsterziehung und Verlässlichkeit bis in den Tod. Das sind kurz gefasst die Lehren und Bestrebungen der Freimaurerei.» (Bender, 1942, S. 217)

2.3.2. ‘Übung und Förderung des sittlichen Lebens’:

Nach englischer Definition ist die Freimaurerei ein besonderes, in Allegorien gekleidetes und durch Symbole dargestelltes Moralsystem.« (v. Merhart zit. in von Ins, 1874, S. 29).  Schiffmann, S. 47) bezeichnet die ‘Übung und Förderung des sittlichen Lebens’ als die ‘einzige Aufgabe’ des Ordens. Dies soll nun nicht durch die Freimaurerei als Organisation oder Institution geschehen, sondern durch das Wirken jedes einzelnen Freimaurers in seinem persönlichen Alltag. Wir werden sehen, dass auch durch diese Methode durchaus wesentlicher Einfluss ausgeübt werden konnte und werden kann.

2.4. Weitere Ideale und Anliegen

Es könnten an dieser Stelle viele weitere freimaurerische Ideale genannt werden, die mit obigen in Zusammenhang stehen. Die Orientierung und Ausrichtung nach Idealen birgt meines Erachtens die Gefahr einer besonderen Art von Vielgötterei. In den Tempeln symbolisieren drei Säulen die Ideale Weisheit, Schönheit und Kraft oder Stärke. Das Bild einer Leiter mit drei Sprossen soll an Glaube, Liebe, Hoffnung erinnern. (Lurker, 1984, S. 200) Die zwei Säulen ‘Jachin’ und’ Boas’ werden auch als Sinnbild für die Beständigkeit der freimaurerischen Lehre oder auch als Grundpfeiler der Humanität (Gerechtigkeit und Wohlwollen) ausgelegt. (Ebd. S. 201) Der Schlüssel gilt als Symbol der Verschwiegenheit, der Schurz ist ein Zeichen der Unschuld. Das Senkblei soll auf Geradheit und Wahrhaftigkeit hinweisen. Das Winkelmass ist Symbol der Gewissenhaftigkeit, der Zirkel soll allumfassende Menschenliebe versinnbildlichen. (Ebd. S. 200) Nach Schenkel befriedigt die Freimaurerei neben dem Bedürfnis nach Gemeinschaft vor allem auch das ‘Bedürfnis nach kultischem Erleben und Handeln’. Sie vermittle religiöse Erlebnisse ohne Priester und Dogma.

2.5. Beitrittsmotive

Freimaurer selbst kennen von der Freimaurerei oft nicht viel mehr als die erwähnten Anliegen und Ideale. Sie sind denn auch nach Schenkel das Hauptmotiv zum Beitritt. »Diese ethische Grundeinstellung humaner Art war der geheimnisvolle Magnet, der die Menschen anzog. Selbstverständlich ging nebenher auch mancherlei Unterethisches, das bloße Geselligkeitsbedürfnis, der Wunsch vertrauten Verkehrs mit hochgestellten Persönlichkeiten, Neugierde, persönliche Eitelkeit und anderes mehr.» (Schenkel, 1926, S. 24) »Dadurch, dass in diesem Sammelpunkt politische und religiöse Diskussion ausgeschlossen wurde, trat in den Mittelpunkt… die Bewertung des Menschen nach seinen rein menschlichen Eigenschaften.« (Ebd. 24) Mellor nennt als die wichtigsten Beitrittsgründe heute das Gemeinschaftsbedürfnis, die ‘Vervollständigung einer politischen Färbung’ , womit auch die Hoffnung auf wirtschaftliche, politische und Karriere Vorteile gemeint sein kann. Zudem: »Bei vielen ist es Familientradition, und schon die Väter waren Freimaurer.« (Mellor, S. 327) Früher war auch die Suche nach sozialer Sicherheit durch die Solidarität der Brüder ein wichtiger Beitrittsgrund.

2.6. Vergleich

In Kapitel 7 soll versucht werden, die freimaurerischen Ideale aufgrund der Annahme zu beurteilen, dass in Wirklichkeit Jesus Christus alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen ist. Die Ideale der Freimaurer sind wohl keineswegs unchristlich, und für die Anliegen dürften auch Christen grosses Verständnis haben. Man kann vielleicht sogar sagen, dass die Freimaurer eigentlich genau das wollen, was Christus auch wollte. Sie haben seine Anliegen übernommen, und wollen sie nun endlich verwirklichen. Nur: Sie wollen sie ohne ihn verwirklichen. Die Freimaurer wollen christliche Anliegen ohne Christus verwirklichen. Nicht Christus und sein Reich, sondern der Mensch und die Welt stehen im Mittelpunkt allen Strebens. Sie ‘arbeiten’ nicht mit Christus und nicht für Christus, sondern mit Menschen und für Menschen.

Freimaurer verehren Ideale, Christen in unserem Sinn verehren eine lebende Person. Zwischen einer Verehrung von Idealen und der Verehrung einer Person bestehen natürlich wesentliche Unterschiede. Ideale sind abstrakt, eine Person   auch wenn sie unsichtbar ist  ist konkret. Ideale sind stumm, mit einer Person können wir sprechen. So ist den Freimaurern auch die ‘Verschwiegenheit’ eine Tugend, nicht das Gespräch. Ideale sind unfassbar, offen für unendliche Auslegungen und Definitionen, eine Person kann sich verbindlich äussern, festlegen und verpflichten. Ideale sind anonym, Personen haben einen Namen. Ideale werfen uns immer wieder auf unsere Subjektivität zurück, eine Person kann Anlass sein, uns selbst zu ‘entäussern’ und eine Beziehung einzugehen. Mit Idealen können wir wohl keine sinnvolle Beziehung haben, durch die Beziehung mit Christus nehmen wir an seiner ganzen Fülle teil. Ideale sind und bleiben menschlich. Christus verbindet uns mit dem biblischen Gott und seiner Herrlichkeit. Die Verheissungen des biblischen Gottes und seines Sohnes übertreffen diejenigen der Freimaurerei um Dimensionen.

 

3. Veranstaltungen und ‘Tempelarbeit’

In diesem Kapitel wollen wir einen Blick in die Logen werfen, um zu sehen, was dort geschieht. Dabei stützen wir uns wiederum hauptsächlich auf freimaurerische Publikationen ab sowie auf Veröffentlichungen, die von Freimaurern autorisiert oder zugelassen wurden. Einzige Ausnahme ist die ‘Verräterschrift’ von Lerich, der zehn Jahre lang Hochgradfreimaurer des 33. Grades war, und in der Zeit des Nationalsozialismus aus der Loge austrat. Seine Ausführungen stimmen bis in die Einzelheiten mit dem überein, was später von Freimaurern selbst publiziert wurde. Darum nehmen wir an, dass auch diejenigen Aussagen zutreffen, über die wir bis heute keine Bestätigung von Seiten der Freimaurer haben. Die Darstellung soll kurz gehalten werden, manches ist schon im Kapitel über die ‘geistigen Wurzeln’ beschrieben worden. Es geht hier um einen zusammenhängenden Überblick.

3.1. Die Aufnahme

1723 verfasste der Presbyterianer J. Anderson das freimaurerische ‘Konstitutionsbuch’ 14 , das auch die ‘Alten Pflichten’ enthält, an die sich Freimaurer heute noch in aller Welt halten. (Vollständig abgedruckt in Oslo, 364). Dieses Konstitutionsbuch enthält auch Ausführungen über die Aufnahmevoraussetzungen: 311 Aufnahmevoraussetzungen. Es werden nur erwachsene Männer, keine Frauen und Kinder aufgenommen. Der Kandidat soll nicht unter 25 Jahren alt und ‘sein eigener Herr’ sein. (zit. in Oslo, S. 384) Damit ist gemeint, dass er finanziell unabhängig sein soll. Es soll ein freier Mann von ‘gutem Ruf’ sein, der umgänglich ist. Keiner Loge soll ein ‘störrisches Mitglied’ aufgezwungen werden, das die ‘Harmonie sprengen’ könnte. (Ebd.) »Die in den Alten Pflichten angesprochene körperliche Unversehrtheit erinnert an jene Vorstellungen, wie sie häufig in unserem Kulturkreis als Voraussetzung für Priesterberufe formuliert worden sind.« (Binder, S. 138) Als geistige Voraussetzung für die Aufnahme gilt, dass der Kandidat ein ‘Suchender’ sein sollte. «Um Freimaurer zu werden, muss man das Licht suchen. (Mellor, S. 327) Neben diesen Bestimmungen gibt es bezüglich der Aufnahmevoraussetzungen verschiedene regionale Eigenheiten. »Das krasseste Beispiel ist in den Vereinigten Staaten die Ausschliessung von Schwarzen, was in Europa an sich unvorstellbar wäre«, (Ebd. 138f.)

3.1.2. Das Prüfungsvefahren

Um diese Aufnahmevoraussetzungen zu überprüfen, ist ein Prüfungsverfahren notwendig. Es braucht ‘eine gebührende Untersuchung über den Ruf und die Fähigkeit des Kandidaten’. (Alte Pflichten zit. in Oslo S. 384) Dieses Prüfungsverfahren ist von den Logen bis in die Einzelheiten ‘gesetzlich’ geregelt. In Binder sind die entsprechenden Paragraphen aus dem ‘Hausgesetz einer Wiener Loge’ abgedruckt. (Binder Wiss. 1985, S. 139f.) ‘Auszüge aus dem Strafregister’ genügen dabei oft nicht. So »haben etwa die Logen in Frankreich ihre Vertrauensleute in den Gerichten und Polizeidienststellen, um sich Informationen aus erster Hand beschaffen zu können. Drei Informatoren treten mit dem Suchenden in Verbindung und erstatten ihre Berichte.« (Mellor, 331)

3.1.3. Die Initiation

Das Aufnahmeverfahren, der Initiationsritus, ist bei vielen Autoren genau beschrieben, so zum Beispiel bei Binder, 140), Deiters, 1963, S. 11 8ff.), Mellor, S. 334). In der Zeitschrift GEO (Nr. 2, 1988) ist ein Bildbericht dazu erschienen. Der Ritus ist auch schon in der Literatur beschrieben worden, so in Tolstois ‘Krieg und Frieden’ (Deiters, S. 118). Vor der eigentlichen Aufnahme erhält der Neophyt’ (Neophyt = ein neues Mitglied vor dem Gelöbnis) in einer Dunkelkammer, bei Kerzenlicht mit Bibel und Totenkopf, noch einmal die ‘Gelegenheit, seinen Schritt zu überdenken’. Anschliessend wird er mit verbundenen Augen, teilweise entkleidet und ohne jede persönliche Habe (‘blind’, ‘nackt’ und ‘arm’) vor die Tempeltüre geführt. Nachdem der Zeremonienmeister dreimal für ihn angeklopft hat, wird ihm geöffnet. Nun tritt er in diesem Zustand drei symbolische Reisen im Tempel (‘auf Erden’) an, wobei er mit den Elementen Erde, Luft, Wasser und Feuer in Berührung kommt. Schliesslich legt der Kandidat sein ‘Gelöbnis’ ab, und die Augenbinde wird ihm abgenommen. So hat der Suchende symbolisch durch das Dunkel zum ‘Licht’ gefunden. »Der zum Lehrling Aufgenommene wird mit den Symbolen bekannt gemacht, mit Zeichen, Erkennungsworten und besonderen Handgriffen. Er empfängt den weissen Schurz als Symbol sittlicher Reinheit und weisse Handschuhe, die ausdrücken sollen . wie die Hände, so sollen auch die Gesinnung und die Handlungen immer unbefleckt bleiben.« (Deiters, S. 127)

3.2. Die Veranstaltungen

Der neu Aufgenommene kann nun an allen freimaurerischen Veranstaltungen teilnehmen, zu denen Lehrlinge zugelassen sind. Es werden folgende Veranstaltungen unterschieden:

1. Rituelle Arbeiten. »Sie werden im freimaurerischen Tempel abgehalten. Bei diesen Arbeiten muss die maurerische Bekleidung getragen werden.» (Deiters S. 161)

2. Instruktionsabende, bei denen Fragen des Rituals und Symbolwesens besprochen werden.

3. Vorträge, zu denen gelegentlich auch Nichtmitglieder zugelassen werden.

4. Diskussionsabende.

5. Tafellogen. Sie finden nach wichtigen Tempelarbeiten statt. Dabei geht es um ein »Festessen, das nach einem bestimmten Ritual durchgeführt wird.« (Ebd. S. 162)

6. Das Brudermahl findet im Anschluss an einfache Tempelarbeiten statt und dient ‘der körperlichen Stärkung’ und der ‘Vertiefung der brüderlichen Beziehungen’. (Ebd. S. 163)

7. Die Trauerlogen. Sie werden jährlich im November abgehalten. «Daneben gibt es gesellige Veranstaltungen, die sich nicht wesentlich von denen anderer Vereinigungen unterscheiden: das Stiftungsfest, Veranstaltungen mit ‘Schwestern’ und Gästen… Am 24. Juni wird das Johannisfest zu Ehren des Schutzpatrons der Freimaurer, Johannes des Täufers, gefeiert.» (Deiters, 163) Eine Umfrage unter 1500 amerikanischen Freimaurern ergab, dass 89 % nicht regelmässig an den Veranstaltungen teilnehmen, obwohl die Teilnahme eigentlich ‘Pflicht’ ist. (Ebd. 161, 164f.)

3.3. Die Johannis Maurerei

Die Johannis Maurerei, auch ‘blaue’ Maurerei genannt, hat Johannes den Täufer zum ‘Schutzpatron’. Sie ist den ‘regulären’ Logen der ganzen Welt gemeinsam und enthält die drei ‘Johannisgrade’ Lehrling, Geselle und Meister, die nach Valmy (S. 245) den ‘Inhalt der maurerischen Lehre voll ausschöpfen’. Wohl die meisten Freimaurer lernen nur diese Art der Freimaurerei kennen. Im Werk von Binder sind die Logenarbeiten dieser drei Grade ausführlich dargestellt, und ihre symbolische Bedeutung wird diskutiert. Zudem sind die Katechismen, die Lehrgespräche, die Zeichen und Worte enthalten, sowie die Griffe beschrieben.

3.3.1. Der Lehrling: vom Dunkel zum Licht

Der Lehrling wird unter anderem in die freimaurerische Symbolik eingeführt. Er lernt sich als ‘rauhen Stein’ kennen, den er zu behauen lernen muss, damit er als kubischer Stein in den ‘Tempel der Humanität’ eingefügt werden kann. Die Bibel lernt er als Symbol für die allgemein verpflichtende Sittenlehre betrachten. Das für den Lehrlingsgrad kennzeichnende Symbol ist dasjenige des Lichtes. Es hat schon bei der Aufnahme eine wichtige Rolle gespielt. »Der Kultus des Lichtes bzw. das Symbol des Lichtes und der Erleuchtung spielt eine grosse Rolle. Das Licht ist wohl das grösste, umfassendste, allgemeinste und verbreitetste Symbol der Menschheit überhaupt. Seine Beziehungen sind unerschöpflich. Seine Wirkungen auf das menschliche Gemüt sind machtvoll, erhebend und läuternd« (Schenkel, S.77).

3.3.2. Der Geselle: reifender Geist

Anlässlich der Beförderung des Lehrlings zum Gesellen sagt der freimaurerische Redner: »Der Lehrlingsgrad hebt an mit unserer Geburt zum sittlichen Leben, das uns Maurern heilige Pflicht ist. Der Gesellengrad verkörpert den Fortschritt in unserer maurerischen Bildung… Sie wurden heute mit offenen Augen in die Loge eingeführt und haben Ihre neue Wanderung unverhüllten Blickes vollzogen.» (zit. in Deiters, 1963, S. 130) Bei den Reisen begegnete der Geselle den drei ‘Versuchungen’ Geld, Ruhm und Macht, die durch Gold, Lorbeer und Schwert symbolisiert sind. Die von der Maurerei angebotene Weisheitslehre soll es den Gesellen ermöglichen, die Versuchungen des Lebens souverän vorübergehen zu las¬sen (Binder, 182). Im Osten der Gesellenloge hängt »der Flammende Stern, in dessen Zentrum der Buchstabe G steht, als umfassendes Symbol des Gesellengrades und des Maurertums schlechthin« (Ebd. 180). Der ‘Flammende Stern’ ist ein Fünfeck (Pentagramm, Drudenfuss) von dem Strahlen ausgehen, Die symbolische Bedeutung wird sehr vielfältig interpretiert. Einigen gilt der ‘Flammende Stern’ als ‘Symbol des erwachenden und reifenden Geistes’, für andere versinnbildlicht er Gott. (Binder, S.188) Gott erscheint als das «ewige Licht, das in den Herzen der Menschen widerstrahlt». (Schenkel, S.78)

3.3.3. Der Meister: Leben, Tod und Auferstehung

Bei der Erhebung des Gesellen zum Meister wird die Legende um Hiram Abif, den sagenhaften Baumeister des salomonischen Tempels, sinnbildlich dargestellt. Nachdem der Geselle das Vorbereitungsverfahren, die Reisen mit einem Totenschädel um und über einen Sarg sowie das Gelöbnis hinter sich gebracht hat, wird er symbolisch mit drei Hammerschlägen ‘getötet’, zu Boden geworfen und mit einem Tuch bedeckt. »Der Geselle erlebt die Identifikation mit dem ‘Meister Hiram’, dem vorbildlichen Menschen. Im Grabe erfolgt die Läuterung; er wird vorbereitet auf die grosse Wandlung. Abstreifen des alten Adam und Geburt des neuen Menschen« (Binder, S. 204). Nachdem das neue Meisterwort gesucht, gefunden und dem Liegenden ins Ohr geflüstert wurde, wird der Geselle ‘erhoben’, d.h. von einem Bruder ‘Fuss gegen Fuss’, ‘Knie gegen Knie’, ‘Brust gegen Brust’ aufgezogen und auf die Beine gestellt. Für Schenkel ist »die Darstellung der Hiram Legende wohl das Wirkungsvollste und Ergreifendste… im gesamten Umfang des maurerischen Kultus«. Diese ganze ‘Meister Erhebung’ ist voll von symbolischen Zeichen und Handlungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Unter anderem wird in der Meisterloge der fünfzackige Stern durch einen sechseckigen ersetzt. In diesem dritten und letzten Grad der Johannis Maurerei werden Themen wie ‘Angst vor dem Tod’, ‘Überwindung des Todes’, ‘Wiedergeburt’ und ‘Auferstehung’ auf die freimaurerische Art und Weise behandelt.

 

3. 4. Die Hochgradmaurerei

Die Hochgradmaurerei baut auf den drei Graden der Johannis Maurerei auf. Sie ist ein ‘Geheimnis’ innerhalb des Ordens und darum entsprechend umstritten. (Dazu Mellor, 392, Valmy, S. 35). Im folgenden sollen die Grade des ‘Schottischen Ritus’ (mit vollem Namen: ‘Alter und Angenommener Schottischer Ritus’) kurz vorgestellt werden. Dieser Ritus ist weltweit am weitesten verbreitet und gilt als ‘Aristokratie der Freimaurerei’ (Mellor, S. 256).

«Den Hochgraden des Schottischen Ritus ist traditionell der Apostel Andreas heilig, sie sind die Andreasmaurerei. Hier herrscht die rote Farbe. Die Logen der Hochgradfreimaurerei werden Ateliers genannt und bearbeiten die Grade vom 4. bis zum 33. Sie unterstehen nicht der Verwaltung und Leitung, der ‘Jurisdiktion’ der Grossloge, sondern haben in jedem Staate ihre eigene, selbständige ‘souveräne’ Oberbehörde… Die Mitglieder des Schottischen Ritus… dürfen keinem Bruder, Lehrling, Gesellen oder Meister davon Mitteilung machen, dass sie den Hochgraden angehören. Nicht nur die Lehren und Riten der Schottischen Maurerei, sondern sogar die Namen der Hochgradbrüder bleiben demnach dem Durchschnittsfreimaurer unbekannt.

»Die Hochgrade sind ein Geheimnis innerhalb des Geheimbundes, ein doppeltes für die ‘profane’ Aussenwelt« (Lerich, S. 24).

Wie bereits erwähnt will der Schottische Ritus mit seinen 33 Graden (die drei Grade der Johannis Maurerei mitgezählt) symbolisch die Entwicklung der Menschheit durchwandern, wobei diese ganze Entwicklung in drei Perioden eingeteilt wird: die ‘jüdisch architektonische’, die ‘religiös christliche’ und die ‘freiheitlich aufgeklärte’ Periode. Dabei werden nicht alle diese Grade ‘rituell bearbeitet’, sondern der Lehrgehalt wird oft auch nur mündlich mitgeteilt. Nach Mellor (S. 393) werden heute in Deutschland nur die Grade 4, 18, 30, 32 und 33 wirklich praktiziert. Es ist möglich, dass eine wichtige Persönlichkeit bereits in einen hohen Grad aufgenommen wird. In diesem Fall werden die unteren Grade durch Mitteilung verliehen. In anderen Ländern sind die tatsächlich praktizierten Grade zahlreicher. Die bei Lerich und Mellor angegebenen Namen der Grade sind weitgehend identisch.

3.4.1. Die jüdisch architektonischen Grade

Die jüdisch architektonischen Grade werden auch ‘Perfektionsgrade’, ‘Vervollkommnungsgrade’ genannt. (Mellor, S. 292, 296, Lerich, S. 27) Diese Erkenntnisperiode umfasst die Grade 4 bis 14. Ausser in den USA werden nach Lerich in den meisten Ländern nur die Grade 4 und 13 ‘rituell bearbeitet’.  Die Gradfolge lautet:

4. °: Geheimer Meister. Nach Schenkel geht es hier wiederum um das The¬ma Tod als ‘Übergang von Traum zu Erwachen’.

5. °: Vollkommener Meister. Hier soll das Thema ‘Sünde und Gnade’ zur Darstellung kommen. (Schenkel S. 91)

6. °: Geheimer Sekretär. In diesem Grad geht es nach Schenkel um das Thema der ‘Hoffnung auf Unsterblichkeit’. (Ebd. 92)

7. °: Vorsteher und Richter.

8. °: Intendant der Gebäude.

9. °: Auserwählter Meister der Neun.

10.°: Erlauchter Auserwählter der Fünfzehn.

11.°: Erhabener Auserwählter Ritter.

12.°: Gross Architekt.

13.°: Meister des königlichen Gewölbes (Royal Arch).

14.°: Grosser Auserwählter Vollkommener und Erhabener Maurer.

«Der wichtigste Grad der Vervollkommnungslogen ist die Erkenntnisstufe des Königlichen Gewölbes, jenes Ateliers des 13. Grades, das dem Bau eines Idealtempels dient, des zweiten Tempelbaues, der an Stelle des salomonischen den der freimaurerischen Humanität setzt. Über allen Wassern der Sintflut soll er stehen, welche die Erde vernichten können: deshalb ruht sein Gewölbe auf neun hohen Strebepfeilern. Bausymbolik und Bausage der Freimaurerei erreichen im 13. Grad ihren esoterischen Höhepunkt… Es gibt keinen zeitlichen Anspruch auf die Einweihung in die verschiedenen Erkenntnisstufen der Vervollkommnung, die in ihren Lehren und Zeremonien, in ihrer Symbolik und Ritualistik in verschiedenfältigster Weise, farbenprächtig in der Ausschmückung der Logenräumlichkeiten, phantastisch in den Legenden, prunkvoll in den Schürzen und Bändern, immer wieder das Thema vom symbolischen Bau der Freimaurerei abwickeln« (Lerich S. 31 f.).

3.4.2. Die religiös christlichen Grade

Die religiös christlichen Grade umfassen die Grade 15 bis 18 und werden auch ‘Kapitelgrade’ genannt. (Mellor, S. 393, Lerich, S. 32). Die Rituale sollen die christliche Periode der Menschheitsgeschichte versinnbildlichen, wobei die Kreuzzüge als Kulisse dienen. Nach Lerich tritt hier nun die Aussenarbeit an die Stelle der Innenarbeit. Rituelle, kultische Handlungen finden in der Regel nur noch einmal jährlich statt. Der Inhalt der Arbeiten sind Debatten und Beschlussfassungen über ganz reale Aktionen, Zielsetzungen und Pläne. Vorzüglich in der romanischen Freimaurerei sind bereits die Kapitel politische Klubs. (Lerich S. 32) In den übrigen Ländern geht es hauptsächlich um Kulturpolitik.

Die Gradfolge lautet:

15.°: Ritter des Ostens oder des Schwertes.

16.°: Meister (oder Prinz) von Jerusalem.

17.° Ritter vom Osten und Westen.

18.° Ritter vom Rosenkreuz.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass hauptsächlich die Themen, Motive und Symbole der Kapitellogen auf biblische, christliche Tradition zurückgehen. Statt Christus steht nun aber der Mensch im Mittelpunkt. In den meisten Ländern wird nur der 18. Grad ‘rituell bearbeitet’. Für Lerich ist der »Initiationsritus des Kapitels der Rosenkreuzer… einer der schönsten der Freimaurerei« und eine der ‘stärksten Kulthandlungen’. (S. 34) Erinnert sei an Motive wie: ‘vollkommene Hingabe’, ‘INRI’ (was statt ‘Jesus Nazarenus Rex Judaeorum’ ‘Igne Natura Renovatur Integra’, ‘durch das Feuer erneuert sich die Natur zur Gänze’ bedeutet), das ‘Kreuz’, das ‘Abendmahl’, der ‘gute Hirte’ . (Dazu Lerich 34ff., Mellor 398ff.) Der ‘christlichen’ folgt im Entwicklungsschema der Schottischen Hochgrade eine weitere und offenbar ‘höchste’ Periode der Menschheitsgeschichte: die freiheitlich aufgeklärte Periode.

3.4.3. Die freiheitlich aufgeklärten Grade

Mit den freiheitlich aufgeklärten Graden, die auch ‘philosophische Grade’ genannt werden und die Grade 19 bis 30 umfassen, finden die kultisch rituellen ‘Arbeiten’ der Freimaurerei ihren Abschluss. (Lerich 36, Mellor 393, 401) Die höheren Grade 31 bis 33 sind reine ‘Verwaltungsgrade’.

Die Gradfolge lautet:

19.°: Hoher Priester oder Erhabener Schotte (auch: Gross Pontifex).

20.°: Obermeister aller regulären (auch: symbolischen) Logen.

21.°: Noachit oder Preussischer Ritter.

22.°: Ritter der Königlichen Axt oder Prinz von Libanon.

23.°: Meister des Tabernakels oder des Allerheiligsten.

24.°: Obermeister oder Prinz des Tabernakels bzw. des Allerheiligsten.

25.°: Ritter der Ehernen Schlange.

26.°: Schottischer Trinitarier oder Prinz der Gnade.

27.°: Ritterkommandant oder Obermeister des Tempels.

28.°: Ritter der Sonne.

29.°: Grossschotte des heiligen Andreas.

30.°: Ritter Kadosch. (qadosch = hebr.: ‘heilig’)

Die meisten dieser Grade (vom 28. und vor allem vom 30. abgesehen) weden nur ‘historisch’, durch mündliche Mitteilung und Ausdeutung verliehen. Den Inhalt stellt Lerich wie folgt dar: »Schon der 19. Grad, der des ‘Gross Pontifex’, der erste Areopag, lehrt… den Kampf gegen alle völkischen und religiösen Werte, Gesetze, Ordnungen und Autoritäten. Er lehrt den Kampf gegen ‘Unwissenheit’, ‘Aberglaube’, ‘Dogmatik’ und ‘Fanatismus’ in jeder Form. Der ‘Grossmeister aller symbolischen Logen’, der 20. Grad, bedeutet esoterisch das Streben des Hochgradfreimaurers zur höchsten ‘Meisterschaft’. Exoterisch bedeutet er, dass bereits diese Erkenntnisstufe über die ganze Johannisfreimaurerei souverän ist. Der 21. Grad gibt die Würde des ‘Noachiten oder preussischen Ritters’. Seine Lehre preist die von den Ideen der Freimaurer gelenkte Volksherrschaft, verwirft die Despotie der Massen, die auf völlige Anarchie ausgeht. Der ‘Ritter der königlichen Axt’… verpflichtet sich, für das Los der arbeitenden Klassen zu kämpfen… Der 23. und 24. Grad, der ‘Chef des Tabernakels’ und der ‘Prinz des Tabernakels’ müssen die Volksrechte zu erkennen und nach aussen hin zu vertreten trachten. Der ‘Ritter der ehernen Schlange’… übernimmt die Verpflichtung zur Heilung der sozialen Schäden in der menschlichen Gemeinschaft. Ihm folgt der ‘Prinz der Gnade’, der jede einzelne Religion zu überwinden hat, indem er die in allen Religionen enthaltenen Wahrheiten zu einer Überreligion zusammenfasst. Der ‘Ritterkommandeur des Tempels’ und der ‘Ritter der Sonne’… haben bereits alle Stadien religiöser Zweifel hinter sich und stehen auf der Stufe einer über alle ‘Dogmatik’, alle ‘Vorurteile’ erhabenen Ethik und Weltanschauung. Der Würdenträger des 29. Grades, des letzten Areopages vor der völligen Einweihung, der ‘Großschotte des heiligen Andreas’, gelobt, alle freimaurerischen Grundsätze und Pflichten zum Wohl der Menschheit im kulturellen und sozialen Sinne zu verwirklichen.«

Auf den 30. Grad, den ‘Vergeltungsgrad’, in dessen Initiationsritus unter anderem die drei Degenstiche gegen Papstkrone, Königkrone und Bürgerkrone zu führen sowie die drei Säulen des Tempels (Weisheit, Schönheit, Stärke) umzuwerfen sind, sind wir bereits zu sprechen gekommen. (Pkt. 1.3.5 und 1.6.2) Diese Ausführungen seien durch ein Zitat aus Mellor (S. 404) ergänzt: «Der Kadosch Ritter ist der 30. Grad innerhalb der Schottischen Reihe und praktisch der höchsterreichbare, denn die Folgegrade sind ‘administrativer’ Art. Sein Studium ist daher von besonderer Bedeutung. Der philosophische Symbolismus des Grades besteht wesentlich im Ritual des Ersteigens einer geheimnisvollen Leiter, deren sieben Stufen die sieben freien Künste bezeichnen. Nec plus ultra (Und nichts darüber hinaus). Die oberste Stufe zeigt an, dass der Kandidat die Höhe der freimaurerischen Einweihung erreicht hat. Dieser Ritus und einige andere Teile des Rituals… beinhalten jedoch nicht das Wesen des Grades. Dieses besteht vielmehr in seinem Charakter als Vergeltungsgrad. Die Ehrsucht, die Unwissenheit und der Fanatismus, das sind die drei infamen Feinde des Ordens, die es ohne Unterlass zu bekämpfen gilt   so wird der Kandidat unterrichtet. Das Zeichen des Grades ist ein Dolch, und das Heilige Wort lautet ‘Nekam’ (hebr.: Vergeltung). Die Vergeltung, um die es sich hier handelt, ist symbolisch die des Templerordens auf Grund der Ermordung seines Grossmeisters Jacques de Molay durch ‘zwei Verächtliche’. Damit sind Papst Clemens V. und König Philipp der Schöne gemeint«.

Der Wortlaut des Gelöbnisses macht deutlich, dass es um den bedingungslosen Kampf um individuelle Glaubens  und Gewissensfreiheit geht.

»(Man zeigt auf den Totenschädel mit der Königskrone): ‘Unter keinem wie immer gearteten Vorwand werde ich jemals einen Kompromiss irgendwelcher Art mit einer Regierung eingehen, welche der Despotismus die Rechte des Individuums missachten lässt.’

(Man zeigt auf den Totenkopf, welcher die Tiara trägt): ‘Unter keinem wie auch immer gearteten Vorwand werde ich jemals einen Kompromiss irgendwelcher Art mit einer geistlichen Gewalt eingehen, welche das Gewissen und die Freiheit des Denkens in Fesseln legt und welche den aufrichtigen Zweifel und den ehrlichen Glauben als Verbrechen brandmarkt .. …. Ich gelobe, niemals einer zivilen oder religiösen Gesellschaft anzugehören, welche die Freimaurerei bekämpft’« (zit. in Mellor, S. 411).

3.4.4. Die administrativen Grade

Die Gradfolge der Verwaltunsgrade lautet:

31.°: Grossrichter oder Grossinspektor Inquisitor Kommandeur.

32.°: Meister des königlichen Geheimnisses.

33.°: Souveräner General Grossinspekteur.

«In den obersten Räten hat die Aktivistik der Freimaurerei ihre reinste und restlose Verkörperung gefunden, ist Exoterik vollständig an die Stelle der Esoterik, die Außenarbeit vollständig an die Stelle der Innenarbeit getreten. Sie sind die eigentlichen und innersten Aktionszentren des Weltlogentums. (Lerich, 1937, S. 50)

3.5. Vergleich

Im Gegensatz zur Freimaurerei gibt es zur Aufnahme in die Gemeinde Christi, so wie wir sie verstehen, keine besonderen Aufnahmevoraussetzungen und kein menschliches Prüfungsverfahren. Jeder ist willkommen   wirklich unabhängig von allen menschlichen Kriterien. Die Aufnahme ist Sache einer persönlichen Beziehung zwischen der Person und Christus, der Umkehr und der Annahme des Absolutheitsanspruches Christi. Die Freimaurerei hingegen lehnt den Absolutheitsanspruch Christi ab und setzt an seine Stelle die kompromisslose Glaubens  und Gewissensfreiheit des Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass auch Christus jedem diese Glaubens  und Gewissensfreiheit lässt. Nur hat sie ihrerseits eine höchst relative Bedeutung. Durch sie finden wir nicht zum ‘Licht’, zum ‘Heil’ etc. Die Freimaurerei hingegen erweckt den Eindruck, als könne der Mensch allein zum Licht finden, als könne der Mensch den Menschen ‘auferwecken’ und ‘erheben’, als könne der Mensch selbst der ‘gute Hirte’ des Menschen und der ganzen Menschheit sein.

 

4. Auseinandersetzungen, Kämpfe

Die Freimaurerei war seit ihrer Gründung von einer Vielfalt von Auseinandersetzungen begleitet, von denen nur die externen allgemein bekannt sind. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hatten aber auch die internen Auseinandersetzungen zumindest zeitweise einen grossen Einfluss auf den Gang der Weltgeschichte. Ich denke zum Beispiel an die Napoleonischen Kriege, in denen die Heere aller Beteiligten fast ausschliesslich von Freimaurern geführt wurden. (Die Generale Napoleons sowie Wellington, Blücher und Gneisenau waren Freimaurer.) Es ist meines Wissens kaum erforscht, inwieweit unterschiedliche Auffassungen über die ‘richtige’ Art von Maurerei ‘profane’ Auseinandersetzungen beeinflussten. Im folgenden sollen die Ergebnisse der internen Auseinandersetzungen kurz dargestellt werden , auf die externen Auseinandersetzungen wollen wir etwas genauer eingehen.

4.1. Interne Auseinandersetzungen

Im Werk von Mellor (Wiss. 1985) sind die wichtigsten internen Auseinandersetzungen ausführlich und exakt dargestellt. Sie sind ausserordentlich verwirrend und für Aussenstehende kaum verständlich. Jedenfalls haben sich die heute weltweit am weitesten verbreiteten und einflussreichsten Formen (Johannismaurerei und Schottische Hochgradmaurerei, die kurz vorgestellt wurden) nur nach zum Teil harten Kämpfen intern durchsetzen können. Demokraten standen gegen Royalisten, Rationalisten gegen Esoteriker und Mystiker, Rosenkreuzer gegen ‘Anti Rosenkreuzer’, Christliche gegen Humanitäre, Theisten gegen Atheisten, Kirchentreue gegen Antiklerikale

Am grössten ist heute noch der Gegensatz zwischen angelsächsischer und romanischer Freimaurerei. Während in England Kirche und Krone für die Freimaurerei gewonnen werden konnten, hat sich in Frankreich die Freimaurerei antiklerikal und republikanisch entwickelt. Im Jahre 1877 strichen die französischen Freimaurer unter Leitung des ehemaligen Pastors F. Desmons den Artikel 1 der Konstitution, der den Glauben an die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele fordert. So wurde der ‘Grand Orient de France’ zur ‘irregulären’ Freimaurerei.

4.1.1. Reguläre und irreguläre Freimaurereien

Mellor schreibt zum Thema der ‘Regularität’: »Der Begriff der Regularität kann zweierlei bedeuten: Regularität des Ursprungs und Regularität der Prinzipien.   Regulären Ursprungs ist eine Obödienz, oder innerhalb einer Obödienz eine Loge, die legal konstituiert worden ist. Nach dem englischen Grundsatz ist eine neu konstituierte Grossloge dann regulären Ursprungs, wenn sie entweder durch eine andere reguläre Grossloge oder aber durch drei reguläre Logen gegründet worden ist.   Dennoch kann eine Obödienz irregulär werden. Wenn sie eine oder mehrere der wesentlichen freimaurerischen Voraussetzungen nicht erfüllt, verfällt sie der Profanation. Sie verliert ihre freimaurerische Qualität. Als Beispiel wird hier häufig auf den Grand Orient de France hingewiesen, der 1877 den Begriff des ‘Allmächtigen Baumeisters aller Welten’ aus seinen Konstitutionen gestrichen hat und damit durch Preisgabe der wichtigsten Landmarke in der Perspektive der gesamten regulären Freimaurerei zu einer Pseudo Maurerei geworden ist, die mit der regulären Kunst nur den Namen gemein hat. Die Regularität im Grundsätzlichen ist also der juristische Status, der durch die Anerkennung eben dieser Grundsätze erworben und bewahrt wird» (Mellor, S. 67).

Mellor unterscheidet sieben reguläre Freimaurereien: die englische, die amerikanische, die französische Freimaurerei (Grande Loge Nationale Francaise), die deutsche, österreichische, skandinavische und die holländische Freimaurerei. Dabei bestehen zwischen diesen Freimaurereien zum Teil grosse Unterschiede in der Lehrart, und es ist keineswegs so, dass sich alle wechselseitig anerkennen und ‘brüderliche Beziehungen’ aufrechterhalten. So gibt es zum Beispiel ‘Obödienzien’, die von der Vereinigten Grossloge Englands (UGL) nicht anerkannt, von der Grossloge des Staates New York anerkannt sind. Andere werden von der Grossloge des Staates New York nicht anerkannt, von der UGL Englands aber anerkannt. (Mellor S.68ff.) Als reguläre Maurereien gelten in der Regel auch die in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeiten besonders blühenden ‘Sonderlogen’: Akademikerlogen, Feld-, Forschungs-, Kaufmanns-, Kriegsgefangenen-, Militär-, Regiments-, Residenz-, Seelsorger-, Universitätslogen u.a.m. (S. dazu Binder, S. 220)

4.1.2. Lehrarten und Hochgradsysteme

Im Verlauf der Geschichte der Freimaurerei kam es oft zu schwärmerischen Gründungen und phantastischen Lehren (Valmy, 35ff.).

Das Werk von Brodbeck gibt einen Überblick über die heute noch bestehenden freimaurerischen Systeme und ähnlichen Organisationen. In den USA von nicht unerheblicher Bedeutung und jüngst auch im deutschsprechenden Raum Europas ist der »Alte Arabische Orden der Edlen vom Mystischen Schrein» (= »Shriners«). Sämtliche Zugehörige verstehen sich als Hochgradmaurer (Prantner Kath. 1989 16).

4.1.3. Freimaurerähnliche Organisationen und ‘Sekten’

Von Brodbeck sind die folgenden ‘freimaurerähnlichen Organisationen’ dargestellt: Die Ritterorden (die Johanniter, die Tempelritter, der deutsche Ritterorden), die heilige Feme, das Haberfeldtreiben, der Odd Fellow Orden. der Rosenkreuzorden, der Illuminatenorden, der Martinsorden, der orientalische Templerorden, der Gralsorden, der Druidenorden, der Guttemplerorden, der Rechabiterorden, die asiatischen Brüder, der Alchemistenorden, Les Compagnons. Daneben gibt es nach Mellor freimaurerische ‘Sekten’, die sich zum Teil bewusst dem Okkulten zuwenden, und vor denen die Freimaurerei selbst warnt: »Jede Hinwendung zum Okkulten führt tiefer hinein in den Okkultismus. Dies ist ein Lebensgesetz aller geheimen Gesellschaften, ebenso wie auch der initiatorischen Vereinigungen, die sich nicht als geheim bezeichnen. Es ist durch nur zu gut bekannte Gründe zu erklären: enttäuschte Neugier, Eitelkeit, Verlangen nach dem Mysterium, Stolz darauf, den Eingeweihten spielen zu können. Diejenigen, die heute diese menschlichen Schwächen missbrauchen, erfinden zwar keine neuen Hochgrade mehr, fahren aber fort, Vereinigungen freimaurerischer Art ausserhalb der Freimaurerei ins Leben zu rufen, indem sie sich dieser als eines Auswahlzentrums bedienen und häufig von den Adepten (Adept = in eine geheime Lehre Eingeweihter) verlangen, dass sie Eingeweihte in freimaurerischen Hochgraden sein müssen« (Mellor, 451).

4.2. Externe Auseinandersetzungen

«Die Freimaurerei vertrug sich nie und nirgendwo mit Absolutismen und Totalitarismen. Überall dort, wo jemand die letzte Wahrheit zu besitzen wähnte und beanspruchte, kam es zu Konfliktsituationen, weil diesem jemand der maurerische Toleranzgedanke grundsätzlich unerträglich scheinen musste.» (Zendralli, S. 8) In der Geschichte dieser externen Auseinandersetzungen stellen sich die Freimaurer gern als die Märtyrer für Freiheit und Fortschritt hin, den Gegnern erscheinen sie als Verschwörer und Zerstörer jeder Ordnung. Über diese ‘Verschwörungstheorien’ siehe Rogalla von Bieberstein.

4.2. 1. Der Absolutismus

Die Ereignisse der Französischen Revolution können wohl kaum als das bewusste oder gar geplante Werk der Freimaurer bezeichnet werden. Die Revolution hat vielmehr eine völlig unkontrollierte Eigendynamik entfaltet, die zeitweise für alle Beteiligten gefährlich wurde. Dennoch haben Freimaurer bei der Bekämpfung des (französischen) Absolutismus eine bedeutende, wenn nicht massgebende Rolle gespielt. Das sollen einige Auszüge aus einem Artikel von Hess in der Zeitschrift ‘Alpina’ (1989 Nr. 6/7 S. 162ff.) verdeutlichen.

»Frankreich besass am Vorabend der Revolution 70’000 Freimaurer, fast doppelt so viele wie heute bei halb so grosser Bevölkerung (26 Millionen). Die über 600 Logen hatten einen bedeutenden Einfluss. Von den drei grossen Aufklärern war zwar nur einer, Montesquieu, der Vordenker der Gewaltentrennung, früh Freimaurer geworden. Rousseau, der Prophet der Gleichheit, hat nie dem Bund angehört, und Voltaire, der Kämpfer gegen Unrecht und Willkür, wurde erst im Jahre seines Todes in die Loge ‘Les neuf Soeurs’ aufgenommen. Auch die Enzyklopädisten Diderot und Dalembert waren keine Maurer, wohl aber zahlreiche Aufklärer der zweiten Garnitur: Helvetius, Marmontel, Chamfort, Condorcet, Beaumarchais, der Baron Holbach.« (Hess,1989, S. 162). Im Frühjahr 1789 versammelten sich die drei Generalstände Adel, Klerus und dritter Stand. »Von den 578 Abgeordneten des dritten Standes sind 477 Freimaurer. Die grosse Mehrheit von ihnen will Reformen, will eine konstitutionelle Monarchie.» (S.163) Nach dem Sturm auf die Bastille legen Adel und Klerus auf Antrag der Freimaurer Duc d’Aiguillon und Vicomte de Noailles ‘freiwillig’ sämtliche Privilegien nieder. (164) Am 26. August verabschiedet die Versammlung auf Antrag der Freimaurer Lafayette, Mirabeau und Sieyès die berühmte ‘Erklärung der Rechte eines Menschen und Bürgers’. «Sie setzt die uns heute selbstverständlichen Menschenrechte fest: ‘Jeder Mensch ist frei geboren und bleibt frei. Keine Autorität kann ausgeübt werden, die nicht vom Volk ausgeht.’ 26 kurze Artikel verkünden die Sicherheit der Person, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Pressefreiheit, Schutz vor behördlicher Willkür und vor Festnahme.« (164) «Erstmals spielt eine neue Macht in der Politik mit, die öffentliche Meinung.» (165) Die weitere Entwicklung spaltet die Freimaurer: »Einige Freimaurer wie Desmoulins, Danton, Marat trieben die Radikalisierung immer weiter; anderen wie Lafayette, Bailly, Mirabeau ging die Revolution bald zu weit.« (165) Robespierre war nie Freimaurer, wohl aber noch verschiedene andere Persönlichkeiten der Revolution, wie zum Beispiel Rouget de Lisle, der Komponist der Marseillaise und der Arzt Guillotin, der »eine humanere Exekutionsmethode und die ‘Gleichheit vor dem Schafott’» forderte. (168) Nach ihm wurde die Guillotine benannt. »Nur noch wenige Freimaurer sind unter den ‘Königsmördern’: Fouchä, Cauthon, Danton, Marat und der Vetter des Königs, Philippe d’Orléans, Grossmeister des Grand Orient, der sich jetzt Citoyen Philippe Egalité nennt.« (167) Unter den Anführern royalistischer Aufstände finden sich Freimaurer: Stofflet, Savare, Charette, Scepetaux. Von den drei Führern des ‘Wohlfahrtsausschusses’ des Revolutionstribunals (Robespierre, St. Just und Couthon) ist nur Couthon Freimaurer. (168) »Eine zunehmende Dechristianisation (Entchristlichung) findet statt, bei welcher sich Bruder Chaumette auszeichnet; der christliche Kalender wird abgeschafft, der ‘Kult des höchsten Wesens’ inauguriert (eingeführt) , der Altar der Vernunft errichtet.« (168)

Zusammenfassend kann gesagt werden: Freimaurer haben die Revolution inszeniert und angeführt. Aber die Revolution hat ‘die Brüder getrennt’ und schliesslich fast alle Freimaurer vernichtet. Die Freimaurer sind nicht die Sieger, sondern die Opfer der Revolution. Dennoch ist wohl eindeutig, dass der Geist der Freimaurerei den Absolutismus besiegt hat.

4.2.2. Die Katholische Kirche

Die Auseinandersetzung zwischen Freimaurerei und Katholizismus hat das kulturelle und politische Leben Europas vor allem im letzten Jahrhundert (‘Kulturkampf’) wesentlich geprägt. Sie ist schon mehrfach ausführlich dargestellt worden. (Siehe zum Beispiel Binder (Wissenschaftler,1988 56ff.), Conzemius (Kath. 1984 30ff.), Seydel (FM 1862), Valmy (FM 1988 64ff.) und die bei diesen Autoren angegebene Literatur.)

«Was die Freimaurerei ablehnt, ist die politische Herrschaft des Klerikalismus und den Anspruch der Päpste auf beherrschenden Einfluss auch in allen kulturellen Fragen, weil sich daraus schwere Hemmungen für den menschlichen Fortschritt und die freie Geistesentwicklung ergeben haben.» (Schenkel, 1926, S.171) Die Freimaurer bekämpfen nicht die Katholiken, sondern den Absolutheitsanspruch der römisch katholischen Kirche , »weil Rom behauptet, die alleinseligmachende Kirche zu sein, die über Wahrheit und Vergebung autonom verfügt und sich als sichtbare Stellvertretung Gottes betrachtet.« (Böni, S. 68)

Die Antwort der katholischen Kirche auf die Herausforderung durch die Freimaurerei liess nicht lange auf sich warten. »Die erste Verurteilung wurde 1738 von Papst Clemens XII. ausgesprochen in der Bulle ‘In eminenti’. Benedikt X. bestätigte dieses Verdikt in der Bulle ‘Providas’ (1751). Zwischen 1738 und 1918 wurden über 12 Verbote in päpstlichen Bullen gegen die Freimaurerei gefällt.« (Conzemius, Kath., 1984, 30) Schenkel kommentiert die Bestimmungen gegen die Freimaurer im kirchlichen Gesetzbuch von 1917 (Codex juris canonici) wie folgt: »Nicht nur ist den Maurern der Eintritt in kirchliche Orden und religiöse Vereinigungen verschlossen…. sondern die Freimaurer werden als solche exkommuniziert, Geistliche und Ordensleute, die Freimaurer wären, verlieren ihre Stellung und werden in besondere Strafe genommen. Dem Freimaurer ist die kirchliche Trauung versagt. Selbst der Tod löscht die Feindschaft nicht aus. Noch der Leichnam des Freimaurers ist ein Gegenstand des Hasses und Abscheus. Er darf nicht kirchlich beerdigt werden, und wenn dies versehentlich doch geschehen ist, so soll sein Leichnam… wieder ausgegraben und an ungeweihter Stätte vergraben werden. Der treue Sohn der Kirche aber darf sich nicht einmal sachlich über Ziel und Zweck der Freimaurerei… unterrichten; auch das ist ihm ausdrücklich untersagt« (Schenkel, S. 171).

Die katholischen Gegenmaßnahmen hatten nur eine beschränkte Wirkung: «Päpstliche Bullen kamen in jener Zeit nur dann zur rechtlichen Geltung, wenn sie von staatlicher Seite registriert wurden. Das war in den protestantischen Ländern von vornherein ausgeschlossen; außer in Spanien, Portugal und Polen wurde die staatliche Genehmigung der päpstlichen Bulle in manchen katholischen Ländern (z. B. Frankreich) verweigert. So kam es, dass hier Katholiken. Laien und Kleriker, ungeachtet päpstlicher Bestimmungen, der Freimaurerei beitraten. Unter den prominentesten Laien seien Mozart und Haydn erwähnt, die Liste geistlicher Würdenträger ist lang.« (Conzemius Kath. 1984 32) Im Werk von Taute (FM 1909) über ’die katholische Geistlichkeit und die Freimaurerei’ ist eine Liste mit den Namen von über 500 katholischen Geistlichen und Würdenträgern enthalten, die nachgewiesenermaßen Freimaurer waren. »1772 wird mit Lord Robert Edward Petre ein Katholik Großmeister der englischen Grossloge… Gerade katholische Länder sind zu starken Freimaurerzentren geworden.» (Im Hof, Wiss. 1982, S. 1 66f.) In Italien rührten im letzten Jahrhundert die revolutionären Umtriebe von geheimen Gesellschaften, die zum Teil von Freimaurern gegründet wurden (z.B. die ‘Carbonari’), an die politische Existenz des Kirchenstaates. «Auf katholischer Seite brach nach der Jahrhundertmitte eine antifreimaurerische Hysterie aus. Es entstanden Zeitschriften und Verbände, um die Freimaurer zu entlarven… Ihren Höhepunkt erreichte diese Hysterie im berüchtigten Leo Taxil Schwindel (Deckname für Gabriel Jogand Pagès). Angeregt durch die Antifreimaurerenzyklika Leos XIII. ‘Humanum genus’ von 1884, hielt Taxil die katholische Öffentlichkeit als angeblich bekehrter Freimaurer durch seine Enthüllungen in Aufregung… 1887 empfing Leo XIII. Taxil… Kurze Zeit darauf hat Taxil in Paris den Schwindel öffentlich gestanden.» (Conzemius Kath. 1984, S. 33)

«Erst das 2. Vatikanische Konzil brachte Bewegung in die erstarrten Fronten. Die Erklärung des Konzils zur Religionsfreiheit und die sachliche Auseinandersetzung des französischen Juristen Alec Mellor mit der Geschichte der Freimaurerei schufen die Voraussetzungen für ein neues Verhältnis… Im neuen kirchlichen Strafrecht wird der Kirchenstrafen androhende Kanon 2335 nicht mehr erwähnt» (Conzemius Kath. 1984, S. 34). Die Streichung dieses Strafen Kanons hat aber keine Klärung gebracht, sondern eine Situation der Unsicherheit geschaffen: Die Position der katholischen Kirche dem Geist des Relativismus und der Oekumene gegenüber wurde unklar und widersprüchlich. So erklärte einerseits Josef Kardinal Ratzinger in einer ‘Erklärung der Glaubenskongregation zur Freimaurerei’ vom 26.11.1983: «Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt also unverändert.» Andererseits wird dieses Urteil von wichtigen katholischen Persönlichkeiten in Frage gestellt. So erklärte zum Beispiel Herbert Vorgrimler, Dekan der katholischen theologischen Fakultät der Universität Münster, in einem Interview mit dem Österreichischen Fernsehen (ORF 1990), Ratzinger äussere in seinem Urteil über die Freimaurerei bloss seine persönlichen Vorbehalte und Ängste in einer Materie, in der er offenkundig nicht genug Bescheid wisse.

Wie dem auch sei: Die Streichung des Strafartikels hat die Situation für die katholische Kirche nicht erleichtert, sondern erschwert. Die Auseinandersetzung zwischen ‘katholischem Absolutismus’ und ‘freimaurerischem Relativismus’ findet nun nicht mehr zwischen Katholizismus und Freimaurerei, sondern in der katholischen Kirche selbst statt! Dieser Kampf, der in der Schweiz heute bei der umstrittenen Bischofswahl in Chur zum Ausdruck kommt, ist wohl für alle katholischen Beteiligten ausserordentlich schmerzhaft. Bei konservativen katholischen Autoren wie Adler (Kath. 1975, 1982, 1983), Baum (1975, 1976, 1977), Feuling (1975), Rothkranz (1990) herrscht Panikstimmung. Für sie steht ‘die Kirche im Endkampf’ (Baum). Dabei brauchen sie nicht nach ‘Verschwörern’ im Vatikan selbst zu suchen, »weil die Neu-‘Theologie’ das Gedankengut der Freimaurerei freiwillig übernommen hat und es nun aus dem Innersten der Kirche heraus zur Geltung bringt.« (Feuling, Kath. 1975, S. 72)

4.2.3. Andere Kirchen Ablehnung

Die Freimaurerei wird nicht nur von der katholischen, sondern auch von den orthodoxen Kirchen abgelehnt. »Die Bischöfe der griechisch-orthodoxen Kirche untersuchten am 12. Oktober 1933 das Verhältnis der Freimaurerei zum Christentum und kamen zum vernichtenden Urteil: “Die Freimaurerei ist eine Mysterienreligion, sie ist vom christlichen Glauben völlig verschieden, ihm entgegengesetzt und fremd.” Sie kann mit dem Christentum nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Den Geistlichen und Laien ist die Mitgliedschaft in Logen verboten. Tritt ein Geistlicher einer Loge bei, wird er aus dem Klerus entlassen.» (Bauhofer FM 1975, S. 22f.)

»Ferner haben sich gegen die Freimaurerei formell ausgesprochen: die kalvinistische Kirche in den USA, die reformierte niederländische Kirche in Südafrika (1940 und 1967), die Adventisten und die Zeugen Jehovas» (Bauhofer FM 1975). In protestantischen Ländern wurde die Freimaurerei anfänglich zum Teil verboten, die meisten protestantischen Kirchen kamen aber mit der Zeit zu einer neutralen oder positiven Haltung. So verboten die Regierung von Holland 1735, die Regierung von Schweden 1736, diejenige von Hamburg und Genf ebenfalls 1736 die Freimaurerei. (Hammer Prot. 1984, S. 26) »Drei Jahre später erreichten die zwinglianischen Pfarrer Zürichs dasselbe Verbot.« (Bauhofer FM 1975, S. 22) »König Friedrich von Schweden aus dem Hause Hessen Kassel verbot die Freimaurerei zunächst sogar bei Todesstrafe, stellte sich freilich später, dem preussischen Beispiel des grossen Friedrich II. folgend, an deren Spitze.» (Hammer Prot. 1984, S. 26) Nach Binder gibt es auch heute noch – vor allem in den Vereinigten Staaten – Gemeinden calvinistischen und lutheranischen Ursprungs, die sich gegen Mitgliedschaften aussprechen und ihren Mitgliedern mit Sanktionen im Falle einer Logenzugehörigkeit drohen. Ähnliche Beschlüsse weisen auch presbyterianische Gemeinden in Schottland und Irland auf«. Zudem wird die Freimaurerei nach Schenkel «in den pietistischen und orthodoxen Kreisen bekämpft«. Gesamthaft lässt sich sagen, «dass die Beziehungen der evangelischen Kirchen zur Freimaurerei ebenso vielfältig wechselnd wie gespalten waren und noch sind.» (Hammer, 1984, S.26)

Übrigens: Auch im Einzugsbereich anderer Religionen, besonders im Islam, wurde die Freimaurerei verboten. »Im ausserchristlichen Raum wurde der Sultan durch eifrige Muselmanen zu einem Verbot der ‘neuen Sekte’ überredet.« (Bauhofer, 1975, S. 22). Zu einem Erfolg der Freimaurerei gegenüber dem islamischen Fundamentalismus kam es 1923 in der Türkei. Kemal Atatürk, der ‘Vater der modernen Türkei’, war Freimaurer. (Oslo,1988, S.404)

Neutralität

»Die Methodisten, Baptisten, Presbyterianer und Episkopale haben nie Einwände gegen die Freimaurerei erhoben… Die altkatholischen Nationalkirchen haben weder in der Konvention von Utrecht 1889, noch anlässlich der Interkommunion mit der anglikanischen Kirche 1932, noch in ihrer Literatur sich mit der Freimaurerei auseinandergesetzt.» (Bauhofer, 1975, S. 23) In letzter Zeit ist auch die Haltung der Anglikanischen Kirche wieder etwas zurückhaltender. Denn: »1984 häuften sich – im Zuge einer breit angelegten Freimaurerdebatte in Grossbritannien – negative Stimmen, wobei auch seitens der Church of England und der Unitarischen Kirche gewisse Bedenken gegenüber der Bruderschaft erhoben wurden.« (Binder, 1988, S. 103).

Zustimmung

»In England, Schweden, Preussen und den meisten überwiegend protestantischen deutschen Bundesstaaten hat schon die Teilnahme der Fürsten am Logenleben ein friedliches Verhältnis nahegelegt. Von seiten der Freimaurerei ist dieses friedliche Verhältnis nie und nirgends gestört worden… Immer haben in Deutschland zahlreiche evangelische Geistliche der Loge angehört. Viele Freimaurer waren und sind Mitglieder kirchlicher Kollegien. Evangelische Geistliche nehmen als Redner, Meister vom Stuhl, ja auch als Grossbeamte und selbst als Grossmeister wichtige Stellen im deutschen Logenleben ein. Auf der Jahresversammlung des Vereins deutscher Freimaurer 1925 wurden einige der wichtigsten Beratungsgegenstände von Pfarrern vorgetragen. Die Gedankenwelt der meisten deutschen Logen ist weithin dadurch bestimmt, dass die meisten Mitglieder gebildete Protestanten sind.« (Schenkel, 1926,  S. 33f.) Ähnliches kann von der evangelischen Kirche in Schweden sowie von der Anglikanischen Kirche gesagt werden. Rund 100’000 Anglikaner sind Mitglieder der Logen. Es gehören den Logen auch mehr als 17 Bischöfe und über 500 Geistliche an. Selbst das ehemalige Kirchenoberhaupt, Erzbischof Fisher von Canterbury, war Logenmitglied. (Bauhofer, 1975, S. 23) In Deutschland und England war es unter Umständen sogar möglich, dass Logen praktisch identisch waren mit einem Bund der Theologen! In der Schweiz war meines Wissens die Freimaurerei nie einem solchen Ausmass geistiger Beeinflussung ausgesetzt, wenngleich es nie an Pfarrern als Mitglieder von Bauhütten fehlte. So war zum Beispiel der langjährige Grossmeister der ‘Alpina’, J. Böni, Pfarrer. Zudem waren beispielsweise Liederdichter wie Matthias Claudius, Friedrich Gottlob Klopstock und Friedrich Rückert, deren Lieder heute noch in der Landeskirche gesungen werden, Freimaurer. (Schenkel, S. 33)

Trotz der grundsätzlichen Zustimmung kam es auch in den erwähnten Landeskirchen zu Auseinandersetzungen über die Freimaurerei und ihre enge Verflechtung mit der Kirche. Die schwerste dieser Auseinandersetzungen wurde vom Berliner Theologieprofessor und Begründer der ‘Evangelischen Kirchenzeitung’ Ernst Wilhelm Hengstenberg initiiert. In seinem dreiteiligen Werk ‘Die Freimaurerei und das evangelische Pfarramt’ (Berlin 1854 und 1855) forderte er, evangelischen Geistlichen sei die Mitgliedschaft in den Logen zu verunmöglichen. (S. dazu Schenkel S. 34f.) Den freimaurerischen Standpunkt vertrat in dieser Auseinandersetzung hauptsächlich der evangelische Geistliche G.A. Schiffmann, ‘Archidiaconus’ an St. Jacobi in Stettin sowie freimaurerischer ‘Provinzial Grossmeister’ für Posen und ‘Unterarchitekt’ des Ordens. (Stettin 1857) Der Streit wurde schliesslich weniger durch Argumente entschieden, als durch den Umstand, dass der damalige Prinz Wilhelm, der spätere deutsche Kaiser Wilhelm I., Freimaurer war. (Schenkel, S. 35)

Schenkel (Ebd. 170) fasst die kirchengeschichtliche Bedeutung der Freimaurerei aus seiner Sicht wie folgt zusammen: »Die kirchengeschichtliche Bedeutung der Freimaurerei liegt in ihrem Gegensatz gegen den römischen Klerikalismus, in der Ablehnung des materialistischen Atheismus und dem Festhalten an dem theistischen Idealismus, endlich aber darin, dass sie die einzige grosse und festgefügte Organisation ist, deren Geist im allgemeinen der liberal protestantischen Lebensauffassung entspricht.«

4.2.4. Totalitarismus

Zum Thema ‘Freimaurerei im Zeitalter des Totalitarismus’ siehe besonders den Aufsatz von Kreis (1984, S. 19ff.) und die darin angegebene Literatur. Die Freimaurerei wurde verboten: 1917 in Russland, 1919 in Ungarn, 1925 in Italien, 1934/35 in Deutschland, 1938 in Österreich und 1940 im besiegten Frankreich, zudem in Portugal unter Salazar und in Spanien unter Franco. In der Schweiz lancierten 1934 Frontisten eine Volksinitiative zum Verbot der Freimaurerei. Diese Volksinitiative wurde vom Nationalrat mit 107:2, vom Ständerat mit 22:0 und vom Volk am 28.11.1937 mit 68,7% der Stimmen abgelehnt. (S. dazu Kreis, 1984,20ff. sowie Herren,1981, S. 215ff.)

Kommunismus

»1922 wurde auf dem vierten Kongress der Kommunistischen Internationale die Freimaurerei als politische Organisation der Bourgeoisie gebrandmarkt und gleichzeitig eine Mitgliedschaft für Kommunisten als unvereinbar deklariert, während die Freimaurerei Fidel Castros Revolution auf Cuba überlebte.» (Binder) Das Urteil der orthodoxen Kommunisten und Marxisten Leninisten über die Freimaurerei kommt im folgenden Zitat Leo Trotzkis (1923 im Moskauer Regierungsorgan ‘Iswestija’ wohl treffend zum Ausdruck: »Sie ist die kapitalistische Feindin des Kommunismus; sie ist rückständig wie die Kirche, der Katholizismus. Sie stumpft die Schärfe des Klassenkampfes durch Mystizismus, Sentimentalität und moralischen Formenkram ab… Mit glühenden Eisen müsste sie mit ihrer Gefolgschaft ausgerottet werden, denn sie schwächt die Lehren des Kommunismus durch ihre bürgerlichen Journalisten ab.» (Trotzki zit. in Oslo, S. 349)

Mit den Umwälzungen im Ostblock erleben auch die Logen eine ‘stille Renaissance’   Ende Januar 1990 wurde zum Beispiel in Ungarn, nach vierzigjährigem Verbot, eine Loge wiederbelebt. (Ulmer Journ. 1990) Der Absolutheitsanspruch einer einzigen Partei ist natürlich mit dem freimaurerischen Credo ebensowenig vereinbar wie der Absolutheitsanspruch einer einzelnen Rasse oder gar eines einzelnen Volkes.

Nationalsozialismus

Das folgende Urteil Hitlers über die Freimaurerei scheint mir sehr aufschlussreich zu sein: «Ich glaube natürlich nicht im Ernst an die abgrundtiefe Bosheit und Schädlichkeit dieser in Deutschland immer harmlos gewesenen Vereinigung. Ich habe mir sehr genau Bericht erstatten lassen. Nun, was da von angeblichen Greueln zutage kam, von Skeletten, Totenköpfen, Särgen und geheimnisvollen Zeremonien, das ist alles Kinderschreck. Aber eins ist das Gefährliche, und ist auch dasjenige, was ich von den Freimaurern übernommen habe. Sie haben eine Lehre gebildet, die in Symbolen und Riten stufenweise höhere Einsicht gewährt. Die Erziehung durch Symbole und Riten ist das Gefährliche und Grosse und von mir Übernommene. Sehen Sie nicht, dass unsere Partei etwas ganz ähnliches sein muss? Aber das bedeutet natürlich, dass es nicht etwas Ähnliches von anderer Seite geben darf. Entweder wir oder die Freimaurer oder die Kirche. Aber niemals zwei nebeneinander. (Hitler zit. in Itor,1987, S. 64f.)

In der Auseinandersetzung der Alliierten mit dem Nationalsozialismus spielten nicht nur Worte und Panzer, sondern auch Symbole eine Rolle. Der Handmagie Hitlers zum Beispiel (‘deutscher Gruss’) setzte der Freimaurer Winston Churchill die brennende Zigarre und das V Zeichen entgegen. Das V Zeichen (Victory) soll Churchill von seinem Mentor in Sachen Magie, dem Satanisten Aleister Crowley, übernommen haben. (Dazu Memopress Nr. 2, S. 1982) Neben Winston Churchill waren noch andere prominente Führer der Alliierten Freimaurer, so die amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman. (Itor FM 1987 69) Von den deutschen Freimaurern nahmen viele am aktiven und passiven Widerstand teil; viele wurden ermordet. (Binder Wiss. 1988 79f.)

4.2.5. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann zum Thema ‘externe Auseinandersetzungen’ gesagt werden: Der Geist der Freimaurerei hat nicht nur den Absolutismus besiegt, sondern auch den Nationalsozialismus und den Kommunismus. Die evangelischen Kirchen hat er gespalten und zum Teil ganz beschlagnahmt, wobei der Hauptangriff gegen die Waffe gerichtet ist, die die Reformatoren dem Katholizismus entgegenhielten: das Wort. Seit dem zweiten vatikanischen Konzil wirkt er innerhalb der katholischen Kirche.

 

5. Einfluss auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft

Die Freimaurerei tritt gegen aussen nicht durch ihre Institutionen, Logen, Grosslogen oder internationalen Vereinigungen in Erscheinung, sondern will hauptsächlich über die einzelnen Mitglieder als individuelle Persönlichkeiten Einfluss auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft nehmen. Darum geht es in diesem Kapitel in erster Linie um eine Zusammenstellung der Namen von Personen, die nachgewiesenermassen Freimaurer waren. Dabei werden wohl einige Lücken offen bleiben, vor allem was die Mitgliedschaft der heute noch lebenden Freimaurer angeht. Jeder Freimaurer kann sich über seine eigene Mitgliedschaft offen äussern, gleichzeitig hat er sich aber verpflichtet, nichts über die Mitgliedschaft anderer auszusagen. So mag aber dennoch ein Mosaik entstehen, das ein mehr oder weniger deutliches Bild über das Wirken der Freimaurer und die Wirkung der Freimaurerei sichtbar macht.

Natürlich sind auch die internationalen freimaurerischen Vereinigungen nicht ohne Einfluss, von denen die drei wichtigsten ihren Sitz in der Schweiz haben:   Die Internationale Maurerische Vereinigung (AMI) mit Sitz in Genf hat die Grosslogen der Johannismaurerei als Mitglied.   In der Allgemeinen Freimaurer Liga mit Sitz in Basel können alle Freimaurer als Einzelpersonen Mitglied werden.   Die Lausanner Konföderation der Hochgradfreimaurer gilt als das Aktionszentrum der sogenannten ‘Weltfreimaurerei’. (S. dazu auch: Blaubuch FM 1934, Lerich FM 1937 28f.) Auf die Aktionen dieser Vereinigungen kann in dieser Arbeit nicht eingegangen werden, da wir über zuwenig zuverlässige Informationen verfügen.

5. 1. Einfluss auf den Staat

Der Einfluss der Freimaurerei auf den Staat hat sich vorerst in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gestaltet, bedingt durch «den verschiedenen Volkscharakter, die Verschiedenheit der politischen Zustände und vor allem durch die Verschiedenheit der kirchlichen und kulturellen Verhältnisse.» (Schenkel, S. 30) Auf die einzelnen Länder soll im folgenden kurz eingegangen werden. Im allgemeinen können wir sagen, dass die Freimaurerei in den angelsächsischen sowie in anderen protestantischen Ländern sehr bald zu einer staatsfreundlichen, staatsbildenden und staatstragenden Macht wurde, während in den romanischen und anderen katholischen Ländern bis zum Zeitpunkt der allfälligen Machtübernahme ein antiklerikaler, kritisch bis revolutionärer Einfluss ausgeübt wurde.

Seit ihrer Gründung hat die Freimaurerei versucht, in den einzelnen Staaten ‘von oben’ Einfluss auszuüben und die obersten Machthaber für sich zu gewinnen. Das ist ihr in manchen Ländern sehr bald gelungen.

5.1.1. Die konstitutionelle Monarchie

Zur Zeit der Gründung waren die obersten Machthaber Monarchen. Im umfassenden und aufschlussreichen Werk von Riegelmann (1943, Neudruck 1985) über ‘die europäischen Dynastien in ihrem Verhältnis zur Freimaurerei’ sind unter anderem übersichtliche ‘genealogische Tafeln’ enthalten, wobei von jeder Person angegeben ist, in welchem Verhältnis sie zur Freimaurerei stand (Mitglied, Freund, Gegner) und wie sich das Verhältnis entwickelte. In England kam es schon früh zu einer ‘Identität zwischen Dynastie und Freimaurerei’. Riegelmann findet »in 225 Jahren zwanzig Angehörige des englischen Königshauses als Mitglieder der Freimaurerei vor und z.T. sogar mit höchsten maurerischen Würden ausgestattet, darunter fünf britische Könige… Zugleich finden wir keinen einzigen Gegner der Freimaurerei im englischen Königshause.» (Ebd. 402f.) Hauptsächlich in England und durch England, später auch durch die USA, machte die Freimaurerei Politik. Zeitweise war der Einfluss über die Monarchen auch in Deutschland stark, und besonders auch »die nordischen Dynastien sind mit sehr zahlreichen Angehörigen aktiv der Freimaurerei verbunden.» (Ebd. 408)

Die Monarchen versuchten in der Regel, sich der Freimaurerei als machtpolitisches Instrument zu bedienen: Die Dynastie schafft sich in der Freimaurerei ein politisches Instrument. Riegelmann zeigt, dass diese Rechnung im Rückblick nicht aufgegangen ist. Umgekehrt: Die Freimaurerei hat sich der Dynastien bedient. Manchen Monarchen war ‘die grundsätzlich antimonarchische Einstellung der Freimaurerei’ von Anfang an bewusst. Daher »die so zahlreichen Verbote der Freimaurerei in den verschiedensten monarchischen Staaten Europas im Wandel der Zeiten.« (Ebd. 41.) In Deutschland und Dänemark entstanden ‘Antimassonianische Sozietäten’. «Hier bildet sich sozusagen erstmalig eine antifreimaurerische Organisation rein aristokratischen Charakters bzw. eine regelrechte Dynasten Bewegung gegen die als staatsfeindlich erkannte Freimaurerei.« (Ebd. 411) Manche Freimaurer Monarchen haben sich mit der Zeit selbst wieder von der Freimaurerei distanziert, so auch Friedrich der Grosse, dessen Vater, Friedrich Wilhelm I., ein ausgesprochener Feind der Freimaurerei war.

Der Rückblick zeigt also, dass sich die Freimaurerei der monarchischen Dynastien nur bedient hat, um ihr eigenes Programm durchzusetzen, das nicht monarchistisch ist. Auf monarchistischem Boden ist die konstitutionelle Monarchie das Ziel der Freimaurerei. Das war auch, wie wir gesehen haben, am Anfang der Französischen Revolution so. (Hess FM 1989 163) Diejenigen Monarchien und Dynastien aber, die sich nicht mit einer weitgehenden und grundsätzlichen Relativierung ihres Herrschaftsbereiches haben abfinden können, sind von der politischen Landkarte verschwunden. «Im Grunde widerspricht die Existenz jeder Monarchie jeglicher freimaurerischen Lehre, Haltung, Zielsetzung: der universal überstaatlich, inter  und antinational gemeinte, empfundene und angewandte Satz von ‘Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit’ bestreitet von vornherein jeder Dynastie, jeder nationalen Monarchie wie überhaupt jedem eigenständigen und ‘autoritären’ Führertum das Daseinsrecht.« (Riegelmann, S.412).

5.1.2. Gewaltentrennung, demokratischer Rechtsstaat

Den freimaurerischen Idealen entspricht auf politischer Ebene die Idee der Gewaltentrennung und der Versuch, national und international einen demokratischen Rechtsstaat zu bilden. Wenn es keine absolute Wahrheit gibt, dann kann es auch niemanden geben, der ‘rechtmässig’ uneingeschränkt Macht ausüben kann. Jeder menschlichen Machtausübung ist zu misstrauen, und jede Gewalt muss durch eine andere Gewalt kontrolliert werden und notfalls in die Schranken gewiesen werden können. Charles Louis de Secondant, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689 1755) war Freimaurer und «Mitbegründer einer der ersten französischen Logen». (Oslo, S.406) Montesquieu gilt bekanntlich als Vordenker der Gewaltentrennung und als einer der Begründer des demokratischen Rechtsstaates. Nach seiner Vorstellung der Gewaltentrennung in Legislative, Exekutive und Judikative sind die USA, die Schweiz und andere Länder politisch organisiert. Heute spielen die Medien als sog. 4. politische Kraft eine immer wichtigere Rolle.

Das Wesen des demokratischen Rechtsstaates besteht darin, dass alles staatliche Handeln nur innerhalb und aufgrund von Gesetzen erfolgen soll, die in einem demokratischen Verfahren zustande gekommen sind. Nicht Gott stiftet jetzt mehr die Gesetze, und es geht nun auch nicht mehr nur um ein Volk. Der Mensch gibt sich die eigenen Gesetze selbst. Jedes Volk soll sich seine eigenen Gesetze selbst geben. Es kommt nun zu einer neuen Art von Gesetzlichkeit’: der Mensch erwartet Ruhe, Ordnung, Sicherheit etc. aufgrund der selbst gegebenen Gesetze, und er verzichtet auf Selbstjustiz zugunsten der gemeinsamen Justiz. Die Einübung in diese rechtsstaatliche Art sittlichen Verhaltens wird heute noch oft in den ‘Western’ dargestellt: Der ‘Wilde Westen’ wird zivilisiert, indem der wirklich ‘Gute’ den Bösewicht nicht umbringt, sondern einem ordentlichen Gericht übergibt.

5.1.3. Einzelne Länder

Im folgenden sollen die wichtigsten Staatsmänner der einzelnen Länder, die Freimaurer waren, genannt werden. Die Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft werden in den nächsten Abschnitten aufgeführt.

Grossbritannien:

«Der Einfluss der Freimaurerei in England ist kaum abzuschätzen. Wenn man alle berühmten Freimaurer Englands, Schottlands und Irlands aufzählen wollte, hiesse das, eine Geschichte dieser Länder seit bald dreihundert Jahren in ihrem Verlauf auf allen Gebieten darzulegen. Darunter sind fünf Könige und viele ihrer Brüder und nächsten Verwandten, die Politiker von Lord Chesterfield bis Winston Churchill; das Heer und die Flotte sind durch Männer wie Wellington, Kitchener, Haig und viele andere vertreten.» (Naudon,1982, S. 58) Zu nennen wäre noch der Seeheld Admiral Nelson sowie der einflussreiche Staatsmann und Schriftsteller Benjamin Disraeli (1804  1881). Die folgenden Könige von England waren Freimaurer: Georg IV., Wilhelm IV., Eduard VII., Eduard VIII., und Georg Vl. Die Zahl der Freimaurer in Grossbritannien wird heute auf 600’000 geschätzt.

Deutschland und Österreich:

Auf englisches Betreiben konnte Friedrich der Grosse während seiner Kronprinzenzeit zum Eintritt in eine Loge gewonnen werden. (Riegelmann, 406) »Freimaurer waren im übrigen König Friedrich Wilhelm II., der aber zunehmend immer mehr der Rosenkreuzerei in die Hände geriet, Wilhelm I., der spätere Kaiser, der auch Protektor der Altpreussischen Grosslogen war, wie sein Sohn, der spätere Kaiser Friedrich III. … Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., war nicht Freimaurer, ebensowenig sein Bruder… und die sechs Söhne des Kaisers. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es Bismarck gewesen ist, der einen etwaigen Eintritt Wilhelms II. noch als Prinz von Preussen zu verhindern gewusst hat.» (Riegelmann S. 406) Berühmte Freimaurer Militärs waren die Generäle Gebhard von Blücher, Neidhardt von Gneisenau und G.J.D von Scharnhorst. (Oslo, S. 401) Nur wenige wichtige Angehörige des Hauses Habsburg Lothringen waren Freimaurer. «Der erste von ihnen war der spätere Kaiser Franz I. und Gemahl der Kaiserin Maria Theresia… Als letzter Angehöriger dieser Dynastie galt Kronprinz Rudolf von Österreich in Hofkreisen als Freimaurer… Demgegenüber hat die Freimaurerei in Österreich seit der Zeit Maria Theresias über Joseph II., Leopold II., Franz II. (Metternich) bis zum Zusammenbruch des Habsburgerreiches beständig unter schärfsten Verboten der kaiserlichen Regierung gestanden.» (Ebd. 405) Heute gilt die FDP in Deutschland als die Partei der Freimaurer. Im übrigen beschäftigen sich laut Valmy die deutschen Freimaurer hauptsächlich mit der Interpretation von Symbol und Ritual sowie mit Forschung und Philosophie. Ihre Zahl wird auf 20’000 geschätzt. Von den Nachkriegspolitikern in Österreich ist Fred Sinowatz sicher Freimaurer (Binder,107). Bruno Kreisky soll angefragt worden sein, aber den Beitritt abgelehnt haben. (Memopress, Nr.2, 1982, S.4 »Ich wollte keinem geheimen Verein angehören.»)

Schweiz:

«Der seit 1830/48 politisch herrschende Freisinn war teils von Freimaurern durchsetzt. Zumindest sprach man davon, dass, wenn man Helveter, Freisinniger und Freimaurer sei, man den Aufstieg zum Regimentskommandanten und Nationalrat nicht verhindern könne. Nachweislich waren die Freimaurer zwischen 1881 und 1919 mit gut zehn Prozent in beiden Kammern vertreten… Es gehörten allerdings nur fünf Bundesräte   darunter hervorragende wie Furrer und Ruchonnet   der Freimaurerei an. Der Einfluss war in den Kantonen Waadt, Genf und Neuenburg, wo die Logen seit jeher zahlreich waren, besonders stark, später auch in anderen Kantonen.» (Im Hof, 1984, 14) Jonas Furrer war der erste Schweizer Bundespräsident, die Namen der anderen Bundesräte, die mit Sicherheit Freimaurer waren, sind: Borel, Lachenal, Ruchet, Ruchonnet. (Itor S. 68) Während des zweiten Weltkrieges betrieb der Freimaurer Hans Hausamann (1897 1974) mit seinem ‘Büro Ha’ einen erfolgreichen ‘privaten’ Geheimdienst. (Alpina Nr. 10/1984 235) Heute gibt es in der Schweiz rund 4’000 Freimaurer in 59 Logen.

Frankreich:

Der Einfluss der Freimaurer zur Zeit der Französischen Revolution wurde bereits kurz dargestellt. Die Mitgliedschaft Napoleons I. in einer Loge ist nicht nachgewiesen. Hingegen behandelte er die Freimaurerei als eine offiziöse Einrichtung und unter seiner Protektion stehend. Die Mehrheit der Offiziere in Napoleons Heeren waren Maurer, die überall, wo sie hinkamen, Logen gründeten, und es gab kaum einen Marschall von Frankreich, der nicht dem Bunde angehörte. (Naudon,1982, 91) «Der ‘Bürgerkönig’ Louis Philippe von Orléans, der Sohn des Renegaten und einstigen Grossmeisters des ‘Grand Orient de France’, Philippe Egalité , war der einzige französische König, der selber Freimaurer war… Napoleon III. war mit Hilfe der schärfsten Gegnerin aller Freimaurerei, der klerikal jesuitischen Partei, ’Präsident der Republik’ und schliesslich ‘Kaiser der Franzosen’ geworden… Zuletzt aber triumphierte in der ‘dritten Republik’ jenes radikal demokratische System, das seine freimaurerische Herkunft und Beschaffenheit nie verleugnet hat.» (Riegelmann, S.404) Die Trennung von Kirche und Staat, die ausschliesslich von Laien geleitete Volksschule, die Aufhebung der religiösen Orden   all dies war kurz nach der Jahrhundertwende im wesentlichen das Werk freimaurerischer Politiker, wobei freimaurerische Gesichtspunkte die entscheidende Rolle gespielt haben. (Valmy, S. 27) Valmy bezeichnet die französische Freimaurerei als ein ‘schillerndes Gebilde’, aufgespalten in ‘sieben Obedienzen mit teilweisen Kontakthürden’ und insgesamt rund 35’000 Mitgliedern. Sie stehen heute meist der sozialistischen Partei nahe. Der heutige Staatspräsident Francois Mitterrand soll einer Loge angehören.

Italien:

Die italienische Freimaurerei des 19. Jahrhunderts hat stets «in heftigster Weise gegen das Papsttum frondiert«. (Frondieren = Widerstand zeigen) (Mellor Wiss. 1985, 177) Wichtigste Mitglieder waren der Freiheitskämpfer und Staatsmann Giuseppe Garibaldi (1807 1882), der geistige Führer der radikalen Richtung des italienischen Risorgimento (Risorgimento = ital. Einigungsbestrebungen im 19. Jh.), Giuseppe Mazzini (1805-1872) sowie der liberale Staatsmann Camilio Benso Graf v. Cavour (1810-1861). Der Offizier und Dichter Gabriele D’Annunzio (1863-1938) war ebenfalls Freimaurer. (Naudon, S. 162) Im 20. Jahrhundert hat die italienische Freimaurerei unter anderem durch die unrühmliche ‘Geheimloge P2’ von sich reden gemacht.

Skandinavien:

Der schwedische Mystiker Emanuel Swedenborg (1688-1772) war nie Freimaurer, hat jedoch die Schwedische Lehrart beeinflusst. (Naudon, S. 157) Diese entwickelte sich «um 1760 aufgrund französischer und anderer Hochgradmaterialien zu einem hierarchisch eingerichteten, gnostisch kabbalistischen System mit neun Graden, das im alleinigen Bewahrer des Geheimnisses, dem Ordensmeister gipfelt, der auch Vicarius Salomonis oder ‘Stellvertreter Christi’ heissen konnte» (Hammer Prot. 1984 26, s.a. Nielsen Prot, FMG 1882, 1883). Mitglied waren die meisten schwedischen Könige, nämlich: Oskar I., Oskar II., Gustav III., Gustav IV., Karl XIII., Karl XIV., Karl XV., Gustav V., Gustav VI. (Itor S. 68). Auch viele dänische Könige waren Freimaurer: Friedrich V., Friedrich VI., Friedrich VIII., Christian VIII., Christian X. (Itor S. 69) Christian VIII. führte die Schwedische Lehrart in Dänemark ein. (Nielsen 1882 S.2) Bekannte norwegische Freimaurer waren König Haakon VII. (1872 1957) und der als Kollaborant mit Hitler hingerichtete Vidkun Quisling (1887 1945). (Itor S.59, Naudon S. 157) Freimaurer war auch der erste isländische Staatspräsident Sveinn Björnsson (18811952). (Itor S.68)

Niederlande und Belgien:

«Die Königshäuser der Niederlande und Belgiens haben zwar der Freimaurerei einige Angehörige gestellt, ohne jedoch politisch hiermit irgendwie hervorzutreten. Selbst Leopold I. von Belgien z.B. hielt sich im Gegenteil aus politischer Klugheit… von der Freimaurerei, der er selber angehörte, sehr distanziert.« (Riegelmann S. 409) Itor nennt die holländischen Könige Louis Bonaparte und Wilhelm II. als Logenmitglieder.

Andere westeuropäische Länder.

Die Dynastien in Spanien und Portugal sind »fast gar nicht mit Mitgliedern in der Freimaurerei vertreten.» (Riegelmann S. 409) Einzig die spanischen Könige Karl III. und Amadeus Ferdinand von Savoyen sollen einer Loge angehört haben. (Itor S. 69) Die Monarchien und Herrscher dieser Länder werden oft von der Freimaurerei bekämpft. «Nirgends hat sich der Kampf zwischen der revolutionären Freimaurerei und der streng katholischen Monarchie in so radikalen Formen abgespielt wie hier.» (Riegelmann S. 409) Freimaurer waren die griechischen Könige Konstantin I. (1868-1923) und Georg II. (1890 1947). (Oslo S. 401, 404) Der irische Katholikenführer Daniel O’Connell (1775-1847) gehörte ebenfalls einer Loge an. (Oslo S. 407)

Osteuropa:

Die folgenden russischen Zaren sollen Freimaurer gewesen sein: Alexander I., Peter III., Paul I., Alexander II. (Itor S. 68) Zwischen Zarentum und Freimaurerei kam es auch zu schweren Auseinandersetzungen. »Die Führer des Dekabristen Aufstandes vom 14.12.1825 waren fast ausnahmslos Freimaurer: an ihrer Spitze P.I. Pestel (1792-1825), der geistige Urheber der ersten organisierten Erhebung gegen das Zarenreich.« (Itor S. 49) Später waren die Freimaurer in der liberalrevolutionären ‘Kadettenpartei’ vertreten und versuchten, die Aufklärung in Russland voranzutreiben. Freimaurer war auch der russische Politiker A.F. Kerenskij (1881-1970). (Lerich S.43) «Die Fürsten Lwow und Nolde waren eifrige Freimaurer, und bis zur Revolution wahren die russischen Logen ihren Mystizismus, der sich vor allem in der Wertschätzung des Grades vom Rosenkreuz kundtut. Das politische Leitbild der Logen war eine parlamentarische Demokratie des westlichen Typs.» (Mellor S. 471) Die bekannten tschechischen Politiker Eduard Benesch (1884-1948) und Jan G. Masaryk (1886-1948) waren Freimaurer. (Oslo S. 395, Itor S. 59f.) Die polnischen Könige Stanislaus I. und Stanislaus II. waren Logenmitglieder. (Itor S. 69) Wie erwähnt erfahren die Logen jetzt im Osten eine Renaissance.

Vereinigte Staaten von Amerika:

In den USA hat die Freimaurerei eine staatsbegründende und staatstragende Bedeutung. »50 von den 55 Mitgliedern der konstituierenden Nationalversammlung, sämtliche Gouverneure der 13 Gründerstaaten, 20 von 29 Generälen George Washingtons und 104 seiner 106 Offiziere waren aktive Freimaurer. Der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, gehörte ebenso einer Loge an… Die Grundsteinlegung zum Kapitol in Washington, die nach freimaurerischem Ritus vor sich ging, vollzog George Washington bekleidet mit einem von der Marquise Lafayette für ihn angefertigten Freimaurerschurz» (Itor,1987, S.11). Auch der Diplomat, Erfinder und Schriftsteller Benjamin Franklin (1706-1790) war Freimaurer; 1734 wurde er Provinzialgrossmeister für Pennsylvania. Ein grosser Teil der amerikanischen Präsidenten gehörte einer Freimaurerloge an, so unter anderen nach George Washington: James Monroe, Andrew Jackson, James K. Polk, James Buchanan, Abraham Lincoln, Andrew Jackson, James A. Garfield, William McKinley, Theodore Roosevelt, William Howard Taft, Warren G. Harding, Franklin D. Roosevelt, Harry S. Truman, Lyndon B. Johnson, Gerald Ford. (Itor S.69, Naudon S. 194, Oslo S. 400ff.) Auch viele Generäle machten in der Freimaurerei mit, so zum Beispiel: John J. Pershing, Charles P. Summerall, Douglas Mac Arthur, Malin Craig, Henry H. Arnold. (Itor S. 69, Naudon S. 194) Auch John Edgar Hoover, langjähriger Direktor des FBI, war Freimaurer. (Oslo S. 403) Neben England sind die USA wohl das ‘freimaurerischste’ Land der Welt. Von den weltweit 6 Millionen Freimaurern leben 4 Millionen in den USA. Es bestehen in den USA rund 15’700 Logen, weltweit gibt es etwa 33’600 Logen. (Von Ins,1974 S. 29) Wie wir sehen werden, haben Freimaurer auch das amerikanische Kulturleben entscheidend mitgeprägt.

Südamerika:

Bekannte Freimaurer waren:

 – Simon Bolivar (1783 1830), Führer der lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung und Freiheitsheld des ganzen Kontinents. (Oslo S.397)
 – Miguel Hidalgo y Costilla (1753 1811), katholischer Priester und ‘Vater der mexikanischen Unabhängigkeit’. (Oslo S. 403)
 – José Maria Marti (1853 1895), ‘Apostel und Märtyrer der kubanischen Unabhängigkeit’. (Itor S. 60)
 – Tomas Cipriano de Mosquera (1798 1878), kolumbianischer Patriot und General. (Naudon S. 204)
 – Anastasio Somoza Gareia (1896 1956), von 1937 bis 1947 Präsident von Nicaragua. (Oslo S. 409)
 – Salvadore Gossens Allende (1908 1973), Arzt, Marxist, 1970 1973 chilenischer Staatspräsident. (Oslo S. 409)

Andere Länder.

Ausserhalb der westlichen Welt gelang der Freimaurerei der bisher wohl grösste politische Erfolg in der Türkei. 1923 setzte der Freimaurer Kemal Atatürk (1881-1938), der ‘Vater der Türken’, den Sultan ab und rief die Republik aus. Die Auseinandersetzung zwischen westlicher Orientierung und islamischem Fundamentalismus prägt noch heute die politische Landschaft dieses Landes. In China war der grosse Politiker Sun Yat sen (1866-1925), der Begründer und Führer der ‘Kou min tang’ (KMT), Freimaurer. Logenmitglied war auch der chinesische General und Politiker Tschiang Kai-schek (1887-1975), der Begründer des heutigen Staates Taiwan. (Itor S. 68, Lerich S. 48) Freimaurer waren zudem der philippinische Nationalheld José Rizal sowie der Präsident der kurzlebigen philippinischen Republik nach dem spanisch amerikanischen Krieg, Aninaldo. (Lerich S. 48) Der indische Jurist und Politiker Pandit Motilal Nehru (1861-1931), der Vater von Jawaharlal Nehru, war Mitglied einer Loge. (Oslo S. 407) Schliesslich war der südafrikanische Verwaltungsexperte und Finanzier John Cecil Rhodes (1853-1902) Freimaurer. Nach ihm war der Staat ‘Rhodesien’ benannt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die westlich demokratische Staatsauffassung wesentliche Impulse durch freimaurerischen Geist empfangen hat. Manche Staaten bauen buchstäblich auf dem Fundament der Freimaurerei auf. Freimaurerischer Geist wird vor allem in den angelsächsischen Ländern und durch die angelsächsischen Länder in der ganzen Welt wirksam. Der ideale freimaurerische Staat ist derjenige, in dem die Gewalten getrennt sind, sich wechselseitig begrenzen und kontrollieren, so dass niemand absolute Macht ausüben kann. Jede Machtausübung soll innerhalb und aufgrund von Gesetzen erfolgen, die in einem demokratischen Verfahren zustande gekommen sind.

Wenn wir uns auch heute auf staatspolitischem Gebiet nichts besseres vorstellen können als einen demokratischen Rechtsstaat, so wissen wir aus unserer christlichen Sicht eines gewiss: auch er hat nur eine relative, beschränkte Bedeutung. Ob und wie diese – wie auch jede andere – Staatsform funktioniert, hängt vom Geist ab, der durch sie zur Geltung gebracht wird oder gebracht werden kann. Ohne den Geist Christi ist meines Erachtens gerade diese Staatsform nicht dauerhaft lebbar, sie wird zur Farce und oft bald wieder abgeschafft. Die Beter erhalten den Staat, nicht die Gesetze. Rein menschliche Gesetze, Gesetze, die nicht aus dem Geist des Lebens geboren sind, blockieren das Leben, wirken ungerecht, werden umgangen und übertreten, untergraben letztlich das Vertrauen in den Staat. Aufgrund von Gesetzen allein kann niemand leben. Gesetze sind notwendig zur Disziplinierung von Menschen.

 

5.1.4. Überstaatliche Vereinigungen, Weltpolitik

Freimaurer haben sich nicht nur für nationalstaatliche Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit, sondern schon bald auch für überstaatliche Vereinigungen eingesetzt. Der deutsche Philosoph und Freimaurer Karl C. F. Krause (1781 1832) zum Beispiel konzipierte die «frühzeitige Form eines Völkerbundes in föderativer Form». (Valmy, S. 55) Auch der französische Publizist Maurice Monier (1877-1931) gilt als ein ‘Vorkämpfer für Völkerversöhnung’. (Oslo, 406) »Der Völkerbund ist keine direkte freimaurerische Gründung, er ist aber eine Institution, die naturnotwendig aus dem Geiste der Loge heraus geboren wurde« (Lerich, S. 39). Der deutsche Staatsmann und Freimaurer Gustav Stresemann (1878-1929) »erregte weltweites grosses Aufsehen mit der unverkennbar freimaurerisch geprägten Antrittsrede vor dem Völkerbund.» (Oslo S. 409) Der erste Vorsitzende des Völkerbundrates war der damalige französische Ministerpräsident und Freimaurer Léon Victor Auguste Bourgeois (1851-1925). (Oslo, S. 397)

Der Völkerverständigung   unabhängig und trotz jeder Sprachverwirrung sollte auch die Schaffung einer neuen, künstlichen Weltsprache dienen.

Der Erfinder des Esperanto, der Deutsche Ludwig Lazarus Zamenhof (1859 1917) war Freimaurer. Der im Jahre 1913 unter anderen vom Schweizer Theologieprofessor Quartier la Tente mitgegründete freimaurerische ‘Weltbund’ erklärte das Esperanto zur ‘Weltsprache’. (Wichtl, 1919, S.6)

Von freimaurerischem Ursprung und Geist ist auch die Paneuropa Bewegung. Der Begründer der Paneuropa Bewegung, der Freimaurer Richard Niklaus Graf v. Coudenhove   Kalerghi (1894 1972), vertrat das Ziel eines europäischen Staatenbundes. Er war auch Generalsekretär der von ihm begründeten ‘Europäischen Parlamentarier Union’. Zur Zeit des Nationalsozialismus trat er aus der Loge aus, «um den deutschnationalen Angriffen gegen die Paneuropa Bewegung nicht noch zusätzliches Material zu liefern.« (Binder, S. 90)

Moser schreibt unter anderem in seinem Aufsatz über ‘die Freimaurerei und die Satzungen der Vereinten Nationen’: Der Gedanke der Vereinten Nationen (UNO) ist eine freimaurerische Schöpfung und stammt in erster Linie aus den USA. (S. 148) Freimaurer sind vor allem der ‘Charta der Vereinten Nationen’ und der ‘Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte’ zu Gevatter gestanden. Sie atmen ‘freimaurerischen Geist’. «Darüber, dass viele Freimaurer an diesem Werk gearbeitet und sich eingesetzt haben, sind die meisten Freimaurer gar nicht aufgeklärt.« (S.144)

Weltpolitik:

Verschiedene Gruppen und Gesellschaften einflussreicher Persönlichkeiten, die auf höchster Ebene Einfluss auf die Weltpolitik nehmen, sollen mit der Freimaurerei in Verbindung stehen. So unter anderen der Club of Rome, die Trilaterale Kommission, der Council on Foreign Relations (CFR), die ‘Bilderberger’, die Round table Gruppen, die B’nai B’rith sowie engere Kreise um die Familien Rothschild und Rockefeller. Diese informellen Gruppen sollen hierarchisch, wie eine Pyramide, geordnet sein. Eine solche Pyramide ist, zusammen mit dem ‘allsehenden Auge Gottes’ und anderen FM Symbolen, auf der US 1 $ Note abgebildet. Zur Weltfreimaurerei sollen rund 100 Organisationen gehören. Im Zusammenhang mit dem Bestreben nach Völkerverständigung steht auch der Einsatz für den Frieden. Die Zeitschrift ‘Alpina’ (Nr. 12 1986 S. 298) nennt die folgenden Freimaurer, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden: 1902 Elie Ducommun (1833-1906), 1906 Theodore Roosevelt (1858-1919), 1911 Alfred Hermann Fried (1864-1921), 1913 Henri de la Fontaine (1854-1943), 1920 Léon Victor Auguste Bourgeois (1851-1925), 1926 Gustav Stresemann (1878-1929), 1929 Frank B. Kellogg (1856-1937), 1935 Carl von Ossietzky (1889-1938), 1953 George C. Marshall (1880 1959). Der ‘Marshall Plan’ hat nach dem zweiten Weltkrieg bekanntlich wesentlich zur wirtschaftlichen Erholung Deutschlands und damit Europas beigetragen. In der FM Literatur nicht genannt ist, möglicherweise weil er der Schwedischen Lehrart angehörte: 1930 Nathan Söderblom (1866-1931), Mitbegründer der ökumenischen Bewegung.

5.2. Einfluss in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik

Der Einfluss der Freimaurerei auf die Arbeitsethik in den westlichen, protestantischen Ländern scheint mir ausserordentlich gross aber unabschätzbar zu sein. Die Konzentration auf das Diesseits, auf ‘Taten statt Worte’, und die Pflege eines ‘Kultes der Arbeit’ haben sicher den ‘Geist des Kapitalismus’ stark geprägt. Wirtschaft, Wissenschaft und Technik werden dem Herrschaftsbereich der Kirchen entzogen, verselbständigt und von jeglicher religiösen Auseinandersetzung ‘befreit’, ‘neutralisiert’. Sie sollten ihrerseits Massstab für Sinn, Wahrheit und Erfolg werden. Das Kirchliche, Religiöse wird stark relativiert, aus der Alltagswirklichkeit verbannt, und bekommt seine Geltung höchstens noch am Sonntag Vormittag. Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sind scheinbar ‘wertfrei’, über jede geistige Auseinandersetzung erhaben. Die Hauptaufmerksamkeit gilt nicht nur dem diesseitigen Tun, sondern auch dem Erleben aller Art, dem Beschaffen und Konsumieren von Erlebnissen. Diese heutige Realität atmet wohl eindeutig und deutlich auch den Geist der Freimaurerei.

Die Freimaurerei erhebt denn auch den Anspruch, in dieser Welt der Wirtschaft, Wissenschaft und Technik Orientierung zu ermöglichen. «Die Freimaurerei entwickelt die ethischen Normen, die Wissenschaft und Technik erst zu Werkzeugen des Menschen statt zur Gefahr der Menschlichkeit machen.« (Dazu Ulmer Journ. 1990)

5.2.1. Die Eroberung der Welt

Wir haben gesehen, dass der freimaurerische Arbeitsraum eine diesseitige, dem Menschen zugängliche Welt (bzw. Welten) symbolisiert, in der sich der Mensch nach seinen Massstäben orientiert: Nach Osten und Westen, Norden und Süden, nach Sonne, Mond und Sternen sowie nach anderen Menschen (Meister vom Stuhl) richtet sich der Blick, die Aufmerksamkeit, die Orientierung.

Die folgenden Namen zeigen, dass erstaunlich viele derjenigen, die das Diesseits erobern wollten, Freimaurer waren. Dazu sollen auch die Abenteurer aller Art gezählt werden. Freimaurer waren die Arktisforscher Ronald Amundsen und Robert F. Scott. Der Antarktisforscher Admiral Richard E. Byrd gründete zusammen mit 60 von 85 Teilnehmern einer Expedition 1935 die ‘Antarctic Loge No. 777’ (Itor S. 51). Der Erfinder des Heissluftballons, Jacques Etienne Mongolfier, sowie der Flugpionier Charles August Lindbergh besuchten eine Loge. Von den amerikanischen Astronauten waren die folgenden sicher Freimaurer: L.G. Cooper jun., John H. Glenn, Grissom, Eisele, Aldrin, Stafford, Schirra. (Oslo, S. 401, 405f., Zendralli, S. 22) Eroberer von altertümlichen Schätzen war der bekannte deutsche Altertumsforscher und Kaufmann Heinrich Schliemann (1822-1890), der u.a. Troja entdeckte.

Wesentlich wichtiger und einflussreicher als die realen Abenteurer sind die phantastischen Abenteuer der Helden freimaurerischer Schriftsteller und Filmemacher, auf die wir noch zu sprechen kommen werden (von Goethes Faust und Peter Schlemihl bis z.B. zu Gullivers Reisen, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Sherlock Holmes, Ben Hur, Kipling’s Dschungelkind Mowgly, Micky Maus & Co., die Filmhelden von Charlie Chaplin und viele andere mehr).

5.2.2. Wer steuert die Wirtschaft?

In Verschwörungstheorien erscheinen die Freimaurer oft als die geheimen Drahtzieher des wirtschaftlichen Geschehens. Hitler pflegte in diesem Zusammenhang die Freimaurer in einem Atemzug mit den Juden zu nennen. Aus unserer Sicht sind es natürlich sicher nicht die Freimaurer, die die Welt regieren. Hinter allem Geschehen stehen geistige Mächte, und der Mensch meint höchstens, die wirtschaftlichen Verhältnisse selbst gestalten und kontrollieren zu können.

Ein solcher Versuch, die wirtschaftlichen Beziehungen selbst zu gestalten, sind die sogenannten ‘Service Clubs’ (Rotary, Lions, Kiwanis u.a.m.), von denen die meisten erwiesenermassen mit der Freimaurerei in einem direkten Zusammenhang stehen. Sie gelten auch als ein Missionsfeld der Freimaurerei, indem bei Leuten, die in diesen Klubs noch nicht die wichtigen und richtigen Kontakte haben anknüpfen können, inoffiziell die Erwartung geweckt wird, bei den Freimaurern seien die wirklich einflussreichen ‘Freunde’ zu finden. (S.a. Rothkranz Kath. 1990 49ff.) »1905 rief der Hochgradfreimaurer Paul Harris in Chicago ‘Rotary International’ ins Leben, 1917 folgte in derselben Stadt Melvin Jones mit den ‘Lions International’.« (Ebd. 49).

Böni verteidigt in seinem Artikel ‘Rom und die Rotarier’ die Rotarier vehement gegen einen ‘Erlass der katholischen Kirche gegen die Rotarier’. Er schreibt: «Freimaurer standen an der Wiege des Rotary-Klubs.» (S. 66) Und es gibt «eine grosse Zahl von Rotariern, die zugleich Freimaurer sind.» (S. 67) Die Rotarier haben ähnliche Ideale wie die Freimaurer. Im Gegensatz zu den Freimaurern ist aber die ‘Erweiterung des Bekanntenkreises’ ausdrückliches Ziel. Beiden gemeinsam ist das Bekenntnis zu einem allgemeinen Menschentum   unabhängig von Konfession, Religion und Parteizugehörigkeit sowie das Bestreben ‘hitzige’ geistige Auseinandersetzungen zu vermeiden. »Politische und religiöse Gespräche von Partei gegen Partei oder Religion gegen Religion werden bei ihnen ebensowenig wie in unseren Logen gehalten.« (S. 66) Ähnliches kann von den Mitgliedern des Lions Club (Liberty Intelligence Our Nations Safety) gesagt werden: Viele Lions sind zugleich Freimaurer (Rothkrantz S. 51). Melvin Jones (1880 1961), der Gründer des Lions Club, »war Mitglied der ‘Garden City Lodge No. 141’ in Chicago« (Oslo, 404). Älter und heute wohl weniger einflussreich ist der 1803 in London gegründete Odd Fellow Orden, der noch direkter und offizieller mit der Freimaurerei verbunden ist. Dieser wollte (und will) eine ‘Pflanzstätte der Menschlichkeit und der Wohltätigkeit’ sein (Brodbeck, 79).

Von den in der Wirtschaft wirklich massgebenden Personen und Firmengründern scheinen mir relativ wenige Freimaurer gewesen zu sein, bzw. zu sein. In der freimaurerischen Literatur werden die folgenden Firmengründer und Unternehmer genannt (S. Oslo, S. 393ff., Zendralli S. 22, Itor S. 67ff.): Henry Ford (Autos), Charles C. Hilton (Hotels), John Jacob Astor (Hotels), Frank G. Hoover (Staubsauger), George Mortimer Pullman (Eisenbahn-Schlafwagen), Samuel Colt (Feuerwaffen), Pierre Samuel du Pont de Nemours (Chemie u.a.m.), Eberhard Faber (Schreibmaterial), King Camp Gillette (Rasierapparate), Anton Philipp Reclam (Verleger). Die Rothschilds sollen seit 1809 den deutschen, französischen und englischen Logen angehören. (Wichtl,1909, 61) In der Schweiz sind Jakob Rieter (Spinnereimaschinen) und Philippe Suchard (Schokolade) zu nennen.

Auch unter den wissenschaftlichen Ökonomen scheint es relativ wenige Freimaurer zu geben. Bekannt ist, dass der deutsche Volkswirt Friedrich List (1789-1846) Freimaurer war. (Deiters S. 202)

5.2.3. ‘Humane’ Wissenschaft und Technik

In der freimaurerischen Literatur werden auch sehr wenige Wissenschaftler und Techniker genannt, die Freimaurer waren oder sind. Erwähnenswert sind: Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins, der Zoologe Alfred Edmund Brehm (‘Brehms Tierleben’), der Physiker Albert Abraham Michelson sowie verschiedene Ärzte. Der grösste Teil der von Itor in dieser Rubrik genannten Personen sind Ärzte. (Itor S. 68) Von den Ärzten seien erwähnt: Christoph Wilhelm von Hufeland (1762-1836), Charles Richet (1850-1935), der 1913 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Auffallend ist der relativ grosse Anteil der ‘Alternativ Mediziner’: Freimaurer war der Arzt und Magnetiseur Anton Mesmer (1734-1815), «der Begründer des Mesmerismus, des animalischen Magnetismus und anderer Heilmethoden jenseits der Schulmedizin.« (Itor S. 41) Der Begründer der Homöopathie, Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843) war ebenfalls Freimaurer. (Oslo S. 402) Zu den Freimaurern gehörte auch der englische Arzt Bach, der die heute in esoterischen Kreisen berühmte und beliebte ‘Bach Blüten-Therapie’ entwickelte. Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung war Sohn und Enkel führender schweizerischer Freimaurer». (Spitzbarth FM 1968 11)

5.3. Einfluss auf die Gesellschaft

Seit der Aufklärung entwickelt sich ein gesellschaftlicher Bereich als eine von Kirche und Staat unabhängige Lebenssphäre. Der Mensch ’emanzipiert’ sich von kirchlicher und staatlicher Bevormundung und organisiert sich sein Gesellschafts  und Privatleben selbst. Er schafft sich seine eigenen Beziehungen und Vereine, wählt sich seine eigene Kirche und Religion aus, er erzieht und bildet sich selbst, er erdenkt und erdichtet sich seine eigenen Welten, und er sorgt für die eigene Unterhaltung. Nicht zuletzt versichert er sich selbst und hilft er sich selbst bei allen Wechselfällen des Lebens. Freimaurer haben bei der Verselbständigung und Ausgestaltung dieses gesellschaftlichen Lebensbereiches wesentlich mitgewirkt. Der Mensch schafft sich die Regeln des Zusammenlebens selbst: Der Verfasser des Werkes ‘Über den Umgang mit Menschen’, Adolph Freiherr von Knigge (1752-1796) war Freimaurer. (Itor FM 1987 20, Oslo FM 1988 404)

5.3.1. Sozietäten und Vereine

Nach Im Hof ist die Freimaurerei ein Teil der ‘umfassenden Sozietäts  oder Gesellschaftsbewegung’, die im 18. Jahrhundert entstand und bis heute nachwirkt. Die wissenschaftlichen Akademien und gelehrten Gesellschaften, die literarischen Gesellschaften und Lesegesellschaften, die gemeinnützigen Gesellschaften, die ökonomisch landwirtschaftlichen Gesellschaften sowie die patriotisch politischen Gesellschaften wirkten als ‘Beförderer von Reform und Aufklärung’. In ihnen wirkte ein humanitär liberal aufgeklärter Geist, der mit dem freimaurerischen Geist eng verwandt war. (Im Hof 1982 168f.) »Ähnlich wie in vielen Sozietäten wurde der internationale Zusammenhang gepflegt. Schliesslich war die Freimaurerei den Sozietäten gleich in der Betonung der Gleichheit innerhalb der Gesellschaft. Adelige und Bürgerschaft fanden sich hier auf gleichem Fuss als ‘Brüder’ einem höheren Ideal, dem Tempelbau, unterstellt.« (Ebd. 169) Sozietäten wie Freimaurer pflegten zudem die Geselligkeit und die Gemeinschaft, was auch für die heute blühenden Vereine gilt, die ebenfalls eine gemeinsame menschliche Aktivität (Turnen, Schiessen, Wandern, Kegeln, Singen etc.) verbindet. (S.11) Die Gesellschaften standen miteinander in Beziehung, und es gab stets viele Doppel- und Mehrfachmitglieder. »Darum finden wir Freimaurer stets und oft führend in verschiedenen Sozietäten. Man war oft nicht nur Mitglied einer Loge, sondern auch der lokalen gemeinnützigen, literarischen oder wissenschaftlichen Gesellschaft.» (S. 13) »Zum Beispiel sind in der Helvetischen Gesellschaft mindestens 22 Freimaurer nachweisbar, darunter drei Präsidenten der Gesellschaft.« (S. 168)

5.3.2. Schule, Erziehung, Pfadfinderbewegung

Wir haben bereits gesehen, dass die ‘Selbsterziehung’ und die ‘Beförderung des sittlichen Lebens’ zu den Hauptanliegen der Freimaurer gehören. Die ‘Erziehung des Menschengeschlechtes’ (Lessing) soll vor keiner Kategorie von Menschen Halt machen. Stets waren wohl viele Erzieher und Lehrer Freimaurer. Der Schweizer Pädagoge Heinrich Pestalozzi war nicht Freimaurer, aber Illuminat. Der Orden der Illuminaten war mit der Freimaurerei geistig und personell eng verbunden (Im Hof, 1982 169). Sie wollten politisch aktiver … und «klarer als die Freimaurerei, für Aufklärung und Moral wirksam sein … Pestalozzi – eines der wenigen Schweizer Mitglieder – hatte den Namen ‘Alfred’.« (Ebd. 170)

Die internationale Pfadfinderbewegung ist eindeutig auf freimaurerischem Boden entstanden und gewachsen. «Das Pfadfindertum ist freimaurerischen Ursprungs. Sein Gründer, Sir Baden Powell, war ein bedeutender Freimaurer.» (Mellor,1985, 513) Für Rothkrantz ist die «internationale Pfadfinderkonföderation nachweislich ein Logeninstrument.« (S.a. Zendralli, S. 22)

5.3.3. Wohltätigkeit und Religion

Wir haben gesehen, dass die Freimaurerei eine sittliche Bewegung sein will, die Nächstenliebe nicht nur predigt, sondern auch praktiziert. Ihre ‘Religion’ ist die sittliche Tat   nicht nur den Brüdern, sondern auch den ‘Profanen’ gegenüber. «Da alle Freimaurer Brüder sind, müssen sie einander helfen und sich gegenseitig Beistand leisten, wenn dies notwendig ist. Das ist ein Grundsatz, den fast sämtliche Obödienzien mit fast den gleichen Worten in ihren Statuten und Gelöbnissen formulieren. Die elementarste Form der Anwendung diese Prinzips ist die freimaurerische Wohltätigkeit. Jede Loge der französischen Obödienzien besitzt ihren Bruder Almosenier, dessen Kasse getrennt von jener des Bruders Kassiers geführt wird, und jede Obödienz hat ihren Gross Almosenier… Es gibt darüberhinaus Waisenhäuser und Spitäler, die von Freimaurern unterhalten werden, und das Wohltätigkeitsbudget vor allem der angelsächsischen Freimaurerei ist gewaltig.» (Mellor, Wiss., 1985, 442) Die Freimaurerei bot eine Form von Sozialversicherung an, was besonders zu Zeiten, als es noch keine staatliche Sozialversicherung gab, ein wichtiger Grund für ihre Attraktivität gewesen sein mochte. Der Freimaurer fühlte sich durch die Solidarität der Brüder gegen die Wechselfälle des Lebens wie Krankheit, Unfall etc. versichert. (S.a. Im Hof, 165, 168) In der Schweiz «ist z.B. der ‘Verein zur Verbreitung guter Schriften’ eine Freimaurer Gründung. Ebenso sind es verschiedene Brockenhäuser, Wohltätigkeitsvereinigungen, Altersheime, Armen  und Krankenkassen usw.« (Von Ins FM 1974, S. 29)

Freimaurerischer Geist weht wohl durch weitere, auch internationale, Wohltätigkeits  und Hilforganisationen der verschiedensten Art. So zum Beispiel entstand das ‘erste Pestalozzi Kinderdorf Europas’ in Trogen zur Zeit, als der Trogener Pfarrer J. Böni Grossmeister der Schweizer Grossloge ‘Alpina’ war (1942 1947). (S. dazu einen Bericht in: Alpina Nr. 5, 1946, S. 137ff.) Nach Deiters (Wiss. 1963 202) und Naudon (Wiss. 1982 146, 234) war der Gründer des Roten Kreuzes Henri Dunant (1828 1910) ein Freimaurer. In der freimaurerischen Literatur selbst wird er jedoch nicht aufgeführt. (Nach Dr. Gabriel Mützenberg hat man bis heute kein Dokument gefunden, das die Zugehörigkeit Dunants zu einer Freimaurerloge beweisen würde).

 Böni empfiehlt in seinem Aufsatz ‘Moralische Aufrüstung und Freimaurerei’ seinen Brüdern, bei der Moralischen Aufrüstung mitzumachen. Es bestünde eine ‘Geistesverwandtschaft’, und es gebe viele Berührungspunkte. »Beide verfolgen das Ziel einer besseren Menschheit, und beide stehen ausserhalb des konfessionellen Streites. Wir können viele weitere Berührungspunkte finden, wenn wir auf die Grundsätze schauen.» (S. 9)

Oekumene: Der Geist der Oekumene steht dem der Freimaurerei sehr nahe. Der Mitbegründer der ökumenischen Bewegung Nathan Söderblom (1866-1931) soll Hochgradfreimaurer gewesen sein, ebenso Willem Adolph Visser’t Hooft, der 1948-1966 Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen war. Carl Friedrich von Weizsäcker soll Hochgradfreimaurer des 33. Grades sein. (Fundamentum 3/88 S. 99.)

Noch eine Bemerkung zum Thema Religion: Eine Zeitschrift der amerikanischen Freimaurer trägt den Titel ‘The New Age’. (Mellor, 1985, 93) Die zum ‘Lucis Trust’ in Genf gehörende ‘Arkanschule’ soll von Freimaurern geleitet sein und sich als ‘magnetisches Zentrum’ der Freimaurerei betrachten. (Rothkrantz, Kath. 1990, 55)

5.3.4. Philosophen, Dichter, Schriftsteller

Auffallend viele bekannte Philosophen, Schriftsteller und Dichter waren Freimaurer. Bekannt ist die Mitgliedschaft bei den deutschen Idealisten und Klassikern wie J.W. Goethe, G.E. Lessing, J.G. Herder, J.G. Fichte, C.M. Wieland, E.v. Kleist, F.G. Klopstock, Matthias Claudius. Dazu kommen Autoren wie Adalbert von Chamisso, Heinrich Heine, Georg Büchner, G.A. Bürger, Friedrich Rückert, Johann Heinrich Voss, Ferdinand Freiligrath, Felix Salten, Kurt Tucholsky. (Deiters S. 201f., Naudon 124ff., Oslo S. 393ff., Valmy S. 58, 183, Zendralli S. 22) Im französischen Sprachbereich sind neben den genannten Montesquieu und Voltaire zu erwähnen: Alexandre Dumas, Stendhal (Henry Beyle), Victor Hugo. (Oslo S. 399, Deiters S. 202) Freimaurer war auch der russische Dichter A.S. Puschkin. (Oslo S. 407) Aus dem angelsächsischen Kulturbereich sind zu nennen: Sir Arthur Conan Doyle, Robert Burns, Walter L. Scott, Jonathan Swift, Oscar Wilde, Laurence Sterne, Rudyard Kipling, Mark Twain, Lewis Wallace. (Oslo S. 399ff., Zendralli S. 22)

5.3.5. Unterhalter; Musiker und andere Künstler

Sehr viele bekannte Musiker, nicht nur Klassiker, sondern zum Beispiel auch Jazz Musiker, waren Freimaurer. Folgende Namen sind bekannt: Johann Nepomuk Hummel, Leopold Mozart, Wolfgang Amadeus Mozart (Die ‘Zauberflöte’ gilt als das klassische Werk der Freimaurerei.), Franz Joseph Haydn, Jean Sibelius, Giacomo Puccini, Jean Philippe Rameau, Johann Christian Bach, Gustav Albert Lorzing. Louis Spohr, Giacomo Meyerbeer, Franz Liszt, George Gershwin, Duke Ellington. (Oslo S. 399ff., Naudon S. 136, Zendralli S. 22)

In der amerikanischen Film  und Unterhaltungsbranche sind die Freimaurer auffallend stark vertreten. So gehörten zu den ersten und bedeutendsten amerikanischen Filmproduzenten die Freimaurer Cecil B. de Mille und Jack M. Warner. Logenmitglieder waren auch die folgenden US Filmschauspieler und Komiker: Oliver Hardy, Harold Lloyd, Red Skelton, Clark Gable. Einen unschätzbar grossen, weltweiten Einfluss übten die Filmproduzenten und Künstler Walt Disney (1901 1966) und Charles S. Chaplin (1889-1977) aus. (Itor S. 68, Oslo 401 ff.)

Die amerikanischen Zirkuskönige ‘The Ringling Brothers’ waren Freimaurer, ebenso der zu seiner Zeit bekannte Schweizer Clown Adrian Wettach (‘Grock’).

5.3.6. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Wirkung der Freimaurerei im gesellschaftlichen und durch den gesellschaftlichen Bereich aussergewöhnlich gross war und ist. Dabei geht es nicht nur um die vielen berühmten Namen, sondern auch um die unzählbaren ‘Maurer ohne Schurz’, die in Kunst, Literatur, Film und Medien für das Wohl der Menschheit zu wirken suchen. Die Helden dieser Werke sind oftmals Suchende, Heimatlose, Abenteurer, Einzelgänger, Kinder oder auch Tiere, denen die wirkliche Welt der ‘Etablierten’, scheinbar ‘Wissenden’, der ‘Erwachsenen’ bzw. der ‘Menschen’ ‘unmenschlich’, ‘borniert’ und ‘einfältig’ vorkommt. Die tatsächliche Welt entspricht nie den humanistischen Idealen, darum gibt es scheinbar noch viel an sich zu arbeiten und noch vieles in der Welt zu verbessern. Demgegenüber können wir in der Annahme der Absolutheit Jesu Christi die Relativität von allem Menschlichen erkennen und akzeptieren. Wir brauchen uns damit nicht mehr an Menschen zu orientieren und Hilfe primär von Menschen zu erwarten, deren sämtliche Vermögen in jeder Beziehung beschränkt sind. Durch die Annahme unserer Grenzen erfahren wir seine Kraft und Führung und müssen das Gute nicht mehr aus eigener Kraft vollbringen.

 

6. Christus aus freimaurerischer Sicht

In diesem Kapitel soll kurz dargestellt werden, wie aus freimaurerischer Sicht das Christentum, Gott und Jesus Christus betrachtet und behandelt werden. Anschliessend folgen Bemerkungen über Zusammenhänge zwischen Freimaurerei und liberaler protestantischer Theologie.

6.1. Das Christentum aus FM Sicht

Wir haben gesehen, dass eine wesentliche geistige Wurzel der Freimaurerei die Enttäuschung über das Christentum ist. Wegen der »schweren Glaubenskämpfe, welche ganz Europa erschütterten, … war innerhalb der Logenmauern jedes Gespräch über religiöse Themen nicht nur verpönt, sondern verboten.« (Lagutt. S. 120) Für manchen Freimaurer ist die Freimaurerei ein «Ersatz für seinen verlorengegangenen christlichen Glauben und Kult« (Keller FM 1941 262) Die Freimaurerei versucht also, die geistigen Auseinandersetzungen, die im Verlauf der abendländischen Geschichte zweifellos nicht immer im Sinne Christi ausgetragen wurden, zu vermeiden und an deren Stelle das Schweigen zu setzen. Die Diskussionen vor allem über den Absolutheitsanspruch Christi werden abgestellt; dem Wort wird die Spitze, dem Schwert die Schärfe, dem Salz die Würze genommen. Somit erhebt sich die Freimaurerei über das Christentum, erklärt das Christentum zu einer ~Religion~, zu einer Religion unter anderen, die ebenfalls ihre Existenzberechtigung haben. Die Freimaurerei erhebt sich über alle Religionen, erklärt sich zum Richter über die Religionen und erklärt alle als gleichwertig. Keiner kommt absolute Wahrheit zu, ihr relativer Wert soll anhand der praktischen Früchte für die Welt und den Menschen gemessen werden. (vgl. Lessings Ringparabel) Aus der Sicht der Freimaurerei hat das Christentum nur eine bedingte, relative Bedeutung. Die Freimaurerei stellt sich darüber. Sie hat das Christentum vermeintlicherweise überwunden. Im Schottischen Ritus, in dem symbolisch die Menschheitsgeschichte durchwandert wird, erscheint das Christentum als eine vorübergehende Entwicklungsperiode, die durch die aufgeklärt freiheitliche Zeit abgelöst und überholt wird.

Gleichzeitig wollen die Freimaurer das Beste des Christentums erhalten, schützen und der Nachwelt weitergeben. (Keller FM 1941 262f) Dabei geht es nicht nur um die religiösen Schriften, Liturgien und Gesänge, sondern auch um die «wundervollen Kirchenbauten», den «unermesslichen Reichtum des künstlerischen Schmuckes«. Das christliche Erbe wird also gewissermassen unter menschlichen Denkmalschutz gestellt. Die Freimaurerei sieht sich als Verwalterin des Erbes.

Im übrigen wird meines Erachtens der Eindruck erweckt, als stehe dieses Erbe jedem Menschen frei zur Verfügung, wie wenn der Mensch das Verfügungsrecht über dieses Erbe hätte. Die Schrift und alles andere, was früher Christen heilig war, wird zum »Selbstbedienungsladen», zum «Ausbeutungsobjekt». Jedes Individuum kann sich scheinbar »frei« bedienen und das Gefundene für seine persönlichen Interessen gebrauchen. Das Christentum wird also von der Freimaurerei beschlagnahmt, integriert und von »oben herab« behandelt. Sie spielt sich zum Hüter aller Religionen auf und legt es ihren Mitgliedern nahe, ihren «religiösen Pflichten» nachzukommen.

6.2. Gott aus FM Sicht

6.2. 1. Individuell verschiedene Gottesvorstellungen:

Die Freimaurerei will sich nicht auf ein eindeutig fixiertes Gottesbild festlegen lassen und wehrt sich gegen jede Art von Dogmatik. »Bekenner jeder Religion ohne Unterschie« werden aufgenommen. (Seydel FM 1862 11) Nicht das Finden und Kennen, sondern das Suchen Gottes ist wichtig. »Wer immer strebend sich bemüht … » «Dem Freimaurerbunde gehört eine grosse Zahl von Menschen an, die dem Heere der Zweifler und der Sucher zuzuzählen sind.« (Lagutt FM 1958 115)

Die Freimaurerei verlangt einen Gottesglauben (mit Ausnahme des »Grand Orient de France«), aber kein Glaubensbekenntnis. «Einer der fundamentalen Grundsätze der Maurerei sagt eindeutig, dass ein Mann ohne Gottesglauben nie ein echter Maurer werden könne … Irgend ein Credo, ein Glaubensbekenntnis im Sinne der Kirchen wird nicht verlangt … Wie der Einzelne sein Verhältnis zur Gottheit gestaltet, ist und bleibt ureigenste, persönliche Angelegenheit. Ob er als frommer Christ dem Weltganzen eine dreifaltige Gottheit zugrunde legt, ob einer im Sinne des Judentums in der Gottheit den alttestamentlichen ‘Herrn der Welt’ erkennt, ob er als Moslim Allah seine Verehrung zollt, als Hindu seinen Gottheiten, bleibt jedem unbenommen.» (Lagutt S. 105)

Also kann gesagt werden, dass die Freimaurerei Gott relativiert, individuellem Belieben unterstellt. Nicht Gott erschafft und erwählt sich die Menschen, sondern der Mensch wählt sich seine Götter aus. Jeder kann seinen persönlichen Gott haben. Es ist nicht ein gemeinsames Gottesbild, das die Freimaurer vereinigt, sondern das Fehlen eines gemeinsamen Gottesbildes. »Damit jeder genügend ‘Raum’ hat, musste das Bild der Gottheit … eine solche Ausweitung erfahren.« (Lagutt S. 108)

6.2.2. Gott als Geheimnis und individuelles Erlebnis:

Das inhaltliche Offenlassen des Gottesbildes entspreche dem biblischen Bilderverbot, meint Lagutt (S. 108), und schaffe die Basis, »die es erlaubt, sich rein menschlich gegenüberzustehen,« (S. 109) Wer und was Gott ist, das kann der Mensch niemals ergründen. Gott ist und bleibt ein Geheimnis, das nicht intellektuell erfasst, wohl aber individuell erfahren werden kann. «Der Gott der Theologen ist ein ersonnener und erklügelter, eine gedankliche Abstraktion, ohne die lebendige Kraft des Erlebnisses. Mit dem Intellekt, mit einer Wissenschaft ist Gottjedoch nicht zu fassen. Er wird auf diese Weise verkleinert und in ein Schema, eben in ein Dogma gepresst … Gott als das grosse Geheimnis kann mit der unzureichenden und unvollkommenen menschlichen Sprache nicht beschrieben, er kann nur in Bildern und Symbolen dargestellt werden. Da Gott der grossen Menge nicht fassbar ist, sind die meisten Mystiker Einsame und Schweiger. Sie schweigen über ihr Gotteserleben und teilen sich esoterisch nur einigen wenigen auserwählten Schülern mit.» (Zuber FM 1975 181) (Also: Worte scheinen gegen das Bilderverbot zu verstossen, eigentliche Bilder und Symbole aber nicht.   Mehr zum Thema «Gotteserfahrung und Innerlichkeit« in Pt.6.2.4.) Es ist hier also wiederum deutlich, dass das Erleben über das Wort gestellt wird, entsprechend auch der Tradition der Mysterienkulte (Pt.1.4.2.). Die Priorität, die Vorrangigkeit macht den Unterschied aus: Christen, die dem Wort vertrauen, haben auch Erlebnisse. Aber sie orientieren sich nicht anhand von Erlebnissen. Demgegenüber sind Gespräche für denjenigen, der Erlebnisse sucht, zweitrangig, ja oft störend.

6.2.3. Gott als Person:

Obwohl Gott in der Freimaurerei »das grosse Geheimnis« ist, und sich jeder sein eigenes Gottesbild machen und seine individuellen Gotteserfahrungen haben kann, besteht meines Erachtens in der freimaurerischen Literatur weitgehend immerhin über eines Einigkeit: Gott ist eine Person. Und es gibt diese Person. «In der freimaurerischen Formel: ‘Im Namen des allmächtigen Baumeisters der Welten, der unendlichen Schöpfer  und Erhalterkraft des Alls …’ kommt die Auffassung eines persönlichen Gottes zum Ausdruck … Die Meinung, die Freimaurerei vertrete Pantheismus, Deismus, Agnostizismus, Atheismus, Materialismus usw., ist falsch.« (Lagutt FM 1958 109) Der einzelne Freimaurer mag zwar für sich eine solche Auffassung vertreten (Ebd. 109), doch der allen gemeinsame Nenner kann als theistisch bezeichnet werden. «Der Theismus ist die religiöse oder philosophische Lehre von der Existenz eines überweltlichen, allmächtigen und persönlichen Gottwesens, welches die Welt erschaffen hat, regiert und erhält. Er tritt als Monotheismus und als Polytheismus auf.« (Ebd. 109) Schenkel, 1926, 170) bezeichnet die Freimaurerei als »theistischen Idealismus». In den Gebeten der Zürcher Loge »Modestia cum Libertate« kommt »die theistische Gottesidee« zum Ausdruck. (Zuber FM 1975 184)

6.2.4. Gotteserfahrung durch Innerlichkeit:

Gott kann nach freimaurerischer Auffassung prinzipiell immer und durch jedermann »erfahren« werden. «Es hat aber zu jeder Zeit Menschen gegeben, die in diesem innigen Kontakt mit Gott gestanden haben. Sie haben Gott gesehen; sie werden deshalb ‘Seher’ genannt … Wie diese Propheten in Visionen und Auditionen erfahren die Mystiker Gott als lebendige Realität in geistiger Schau und letztlich das Erlebnis der Einheit des eigenen Seelengrundes mit dem unendlichen Gott, die ‘unio mystica’. Dieses Gotteserlebnis ist bei allen Völkern und zu allen Zeiten gleich.« (Zuber, FM 1975 181) Auch durch das Gewissen können wir nach freimaurerischer Auffassung Gott erfahren: »Das Gewissen ist unser einziges Wissen. Es weiss und ist die Wahrheit. Eine andere Wahrheit ist nirgends zu finden … Das Gewissen ist nie ein fertiger Besitz, sondern eine Aufgabe, an der wir zu arbeiten haben … Das Gewissen, gleichsam eingebaut in die menschliche Seele, ermöglicht uns, Gott im eigenen Innern zu erleben.« (Ebd. 182)

»Wir sind nicht bereit, an einen Gott zu glauben, der irgendwo in einem fernen Himmel weilt, von wo aus er die Menschen leitet, prüft, belohnt oder bestraft, ihre Bitten erhört   oder auch nicht. Wir sind auch nicht gern bereit, uns als Sünder vorzukommen, die durch eine vor zweitausend Jahren geschehene, uns schwer verständliche Erlösertat errettel worden sind. Wir wären aber bereit, uns einen Weg zeigen zu lassen, der ohne die Zuhilfenahme künstlicher Mittel zum Erfahren Gottes im eigenen Inneren führt. Dieser Weg ist das Gebet, oder eher das, was man Meditation nennt. Es ist nicht ein Bitten um Dinge, sondern vielmehr ein Lauschen, ein Erfühlen der Gegenwart Gottes im Inneren.« (Ebd. 183)

Noch ein letztes Zitat zur Verdeutlichung: »Es wäre gut, wenn die Vorstellung von ‘Gott im Himmel’ einer neuen Platz machen würde. Gott würde nicht ferner gerückt, sondern näher, wenn der Mensch ihn als das Leben oder den Geist begreift, der das ganze Universum durchströmt und erhält und der auch im eigenen Inneren erlebt werden kann als Liebe und Kraft. So erlebt der Mensch nicht nur Gott in seiner Fülle und Unendlichkeit, sondern er fühlt sich auch durchdrungen von der Ewigkeit des Kosmischen. Er empfindet sich als Teil des Ganzen, in welchem er aufgeht.« (Ebd. 183)

6.2.5. Wer ist der «Allmächtige Baumeister aller Welten» ?

Die obigen kurzen Ausführungen zum freimaurerischen Gottesverständnis zeigen, dass es wesentliche Unterschiede zu demjenigen Gott gibt, der uns in der Bibel als »Vater« bezeugt ist:

Der biblische Vater Gott will uns auf Schritt und Tritt klar machen, dass es nicht völlig egal ist, an welchen Gott wir glauben. Aus biblischer Sicht gibt es «richtige» und »falsche« Gottesvorstellungen. Es gibt unendlich viele falsche «Götter« und einen wahren Gott. Die falschen Götter bzw. Gottesbilder führen uns ins Verderben, in die Dunkelheit, in den Tod. Der biblische Gott verspricht uns das Leben, wenn wir die anderen Götter aufgeben und zu ihm zurückkehren. Und er warnt uns davor, ihn nicht ernst zu nehmen. Natürlich sind diese Warnungen nicht bequem, sie klingen nicht immer »human«, und sie kränken unsere Eitelkeit. Aber wenn sie dennoch ernst zu nehmen sind, wenn sie letztlich dennoch gut gemeint sind? Aus biblischer Sicht ist auch das Böse eine personale geistige Macht, und das irdische Geschehen ist Ausdruck von Auseinandersetzungen in der geistigen Welt. Als »Aufgeklärte» haben wir gelernt, dass nur Vorgestrige an die Existenz eines Satans glauben. Wenn es nun aber trotz aller Aufklärung doch einen gibt, wenn gut und böse nicht bloss zwei ewig «widerstreitende Naturen innerhalb des Menschen« (Schenkel S. 163) sind? In der Freimaurerei ist dies ausgeschlossen. Alle Gottesvorstellungen sind gleich, jeder kann sich seinen Gott frei wählen, es kommt nicht so darauf an, woran wir glauben. Aus biblischer Sicht kommt es darauf an. Es sind nicht alle Götter und Gottesvorstellungen gleich, wir sollen lernen, gute und schlechte nicht miteinander zu vermengen, sondern voneinander zu unterscheiden. Zur Entwicklung des geistigen Beurteilungsvermögens nicht zuletzt bezüglich der Götter und Gottesvorstellungen braucht es eine geistige Auseinandersetzung. Diese ist in den Logen verboten. Sie findet nicht statt.

Aus biblischer Sicht ist Gott auch kein «Geheimnis», sondern er gibt sich uns zu erkennen. Der biblische Gott ergreift seinerseits die Initiative und offenbart sich uns in seinem Wort. Der biblische Gott ist wie der freimaurerische eine Person, aber keine beliebige Person, sondern eine identifizierbare Person, eine Person mit Namen. Der freimaurerische Allmächtige Baumeister aller Welten (,»ABaW») ist nicht identifizierbar. Er hat keinen konkreten Namen.

Der biblische Gott kann nicht in erster Linie durch Innerlichkeit und Gewissensbildung wahrgenommen und kennengelernt werden, sondern hauptsächlich durch sein Wort. Die verbale Kommunikation ist zentral. Den biblischen Gott erreicht, wer ihn und sein Wort ernst nimmt, ihm vertraut. Sein Wort gilt ewig. Wort gläubige Christen sind nicht untätig, haben auch Erlebnisse und Gefühle, doch sie orientieren sich nicht daran. Taten, Erlebnisse und Gefühle sind zweitrangig. Zwischen dem ABAW und den Freimaurern besteht ein Arbeitsverhältnis, zwischen dem biblischen Gott und denen, die ihm vertrauen, ein Familienverhältnis. Der Freimaurer »geht in den ewigen Osten ein, wofern der dreifach grosse Weltbaumeister, Gott der Allgütige, mit seiner Arbeit zufrieden gewesen ist.« (Bloch Suhr FM zit. in Nielsen Prot.bibl. 1882 64) Demgegenüber ist nicht unsere Leistung, sondern Jesus Christus der Weg zum biblischen Gott, nicht Werke, sondern Glaube und Gnade.

Aufgrund solcher und anderer Unterschiede kommen hauptsächlich konservativ katholische Autoren zum Schluss: Der ABAW ist in Wirklichkeit der Teufel. Die Freimaurerei ist nichts anderes als die »Synagoge Satans«. (Baum Kath. 1975 2) Das Werk von Baum (1975) trägt den Titel: »Freimaurerischer Satanismus heute«. Adler betitelt die Freimaurer als «die Söhne der Finsternis« (1975, 1982, 1983). Aber auch nach van Dam (Prot.bibl.) entpuppt sich die Freimaurerei letztlich als Satanismus. Die zwei Säulen »J« und »B« (Jachin und Boas) würden auch als Jahwe und Baal gedeutet; die »Weisheit« des (späten) Salomo hätte darin bestanden, dass er beide vereinen wollte. In den obersten Hochgraden werde der ABAW »Jabulon« genannt, was eine Art Antitrinität bedeute, die aus den Namen Jahwe, Baal und Osiris gebildet worden sei.

Wie dem auch sei: Ich wäre vorsichtig mit der Aussage, dass der ABAW der Teufel ist, denn tatsächlich wissen wir es ja nicht. Der Geist der Freimaurerei hat sich der Menschheit (noch) nicht persönlich und mit Namen vorgestellt. Somit wissen wir nicht, ob es ihn gibt und ob er mehr ist, als bloss ein synkretistisches Hirngespinst. Sicher gehört er nicht zum Reich des biblischen Gottes. Aber es könnte statt des Teufels auch einer seiner »Fürsten« sein, der die Freimaurerei inszeniert hat. Zudem sind meines Erachtens sicher die allerwenigsten Freimaurer wirkliche Satanisten im eigentlichen Sinn. Sie sind nicht die (bewussten) Täter, sondern die Opfer. So schreibt auch Baum (Kath. 1975, 27): «Die Freimaurer sind … keine Satanisten, sie sind lediglich die zuerst Hereingefallenen des raffiniert getarnten Satanismus.« Sie sind die Opfer des sie am Narrenseil führenden Riesenbetrugs.

Ganz sicher ist eines: Der «Allnlächtige Baumeister aller Welten» ist nicht der gleiche Gott Vater, der sich uns in der Bibel offenbart. Darüber sind sich alle einig: Freimaurer (z. B. Lagutt FM 1958 60) und Christen: »Wer die Schriften der Freimaurer durchliest, dem wird es klar, dass dieser ‘dreifach grosse Baumeister’ wesentlich von dem dreieinigen Gott verschieden ist, an welchen wir Christen glauben.« (Nielsen Prot.bibl. 1882 60)

6.3. Christus aus FM Sicht

Wie das Gottesbild, so wird auch das Jesus Bild in der Freimaurerei auf verschiedene Art relativiert, hauptsächlich subjektiv und historisch: Es gibt über ihn scheinbar kein absolut sicheres Wissen. Jede Person und jede Geschichtsperiode sieht ihn wieder anders.

6.3. 1. Individuelle Christus  Vorstellungen:

»Nun ist freilich gerade das sehr umstritten, was Jesus eigentlich war und was er eigentlich wollte. Bücher … zeigen selbst den Uneingeweihten die ungeheure Schwierigkeit eines objektiven Jesusbildes. Innerhalb der evangelischen Theologie ist die Auffassung der wesentlichen Bedeutung Jesu kaum weniger mannigfaltig, als in den anderen grossen Lebenskreisen. Jeder sieht seine Ideale oder seine Sehnsucht in ihn hinein. Den Liberalen erscheint er liberal, den Orthodoxen erscheint er orthodox, den Kommunisten ist er ein Kommunist und den Anthroposophen erscheint er in anthroposophischem Licht. Aber auch innerhalb des liberal protestantischen Kreises wird sein Bild verschieden gesehen.« (Schenkel Prot.Iib. 1926 154)

Was aus unserer Sicht dieses Zitat kennzeichnet, das ist, dass von Jesus in der Vergangenheitsform gesprochen wird. Die «Freiheit« der Interpretationen basiert auf der stillschweigenden Annahme, dass er tot ist, dass er bloss eine geschichtliche Erscheinung war.

6.3.2. Christus als geschichtlicher Mensch:

Für Lessing (FM 1793, 1976 634) ist es «unstreitig», dass die frühen Christen «keinen solchen Sohn Gottes meinten, welcher mit Gott von gleichem Wesen sei.»

Auch für Bender (FM 1942 214ff) ist Jesus kein Sohn Gottes im biblischen Sinn. Dazu wurde er erst später gemacht. Er schreibt: «Er beanspruchte nicht etwa die Gottessohnschaft allein für sich, wie es später ausgelegt wurde, sondern nannte Söhne Gottes, Kinder Gottes alle, die Gottes Willen aufrichtig zu erfüllen sich bemühen … Vielmehr nannte er sich viel öfter ausdrücklich des Menschen Sohn , wohl eben, weil das Volk ihn immer wieder als Gott verehren wollte, wobei er dann aber immer in die Einöde entwich.» (S. 214f) «Bald wurde die einfache Lehre der Liebe mit einem Glaubensbekenntnis vertauscht, das Christus zu einem Gott statt Menschensohn machte.«

Der Inhalt der Auffassung über Christus und Gott ist nach Schenkel abhängig »von der Stufe der erreichten Menschlichkeit». (S. 159)

6.3.3. Christus als Humanist und Vorbild:

Die meisten Freimaurer sind wohl der Überzeugung, «keinen anderen Geist zu pflegen, als den des grossen Meisters Jesus von Nazareth«. (Schenkel, Bauhofer FM 1975 22)

Christus wird nicht als Gott gesehen, sondern als Humanist und als entsprechendes Vorbild: »Für Jesus handelte es sich ganz wesentlich um den Menschen und die Menschlichkeit. Er hat den Menschen rein als solchen in seinem Verhältnis zu Gott genommen. Er suchte den Menschen hinzuführen auf das Problem seiner Seele, oder, für unser Bewusstsein ausgedrückt, auf das Problem seiner sittlichen Eigenpersönlichkeit. Er hat die Menschen beurteilt nur nach ihrem persönlichen Wert oder Unwert, aber nicht nach Kategorien der Rasse und des Volkstums, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder nach ihrer dogmatischen Einstellung … Wer also im Sinne Jesu leben will, muss vorurteilslos jedem Menschen als solchem gegenübertreten und muss bei aller Verankerung im Nationalen und Kirchlichen doch auch über diese Schranken hinwegzusehen vermögen.« (Schenkel S. 157f)

«Dass es Jesus um die Menschlichkeit geht, zeigt das unerreichte Gleichnis vom barmherzigen Samariter … Bei der Frömmigkeit Jesu ist das Charakteristische das unbedingte Vorwiegen der ethischen Gesichtspunkte und damit des humanen Sinnes.« (Ebd. 158) Schenkel will «die innere Verwandtschaft des humanitären Geistes der Freimaurerei mit Jesus auch noch in vielfacher anderer Weise aufzeigen.« (S. 160) Jesus habe in erster Linie Liebe, Nächstenliebe, Menschenliebe gepredigt und vorgelebt, er habe sein »Leben restlos in den Dienst der Menschen» gestellt. Das sei auch das Anliegen der Freimaurerei. «Treue bis in den Tod, wie sie das Lebensende Jesu krönt, ist der Inhalt des Meistergrades.» (S. 1 60f)

Aus dieser Sicht erscheint der Gott des Alten Testamentes als »inhuman», und Jesus habe ihn sozusagen humanisiert, «indem er dem inhumanen Gottesbegriff der pharisäischen Tradition Beispiele aus der Welt edlen Menschentums als Beweis für seine humanere Gottesauffassung entgegenstellte.« (S. 158)

Anstössig ist für Schenkel hauptsächlich die Auffassung, dass der Mensch ein Sünder sein soll, dass die Menschen in Sünder und Gerechte eingeteilt werden, angesichts »der Tatsache, dass Gott Sonne und Regen allen gleichermassen zuteil werden lässt.» (S. 158) Die »pietistische Sündenangst«, die «jede edlere Regung« verspotte, sei »Jesus gänzlich fremd«. (S. 158) Menschenunwürdig ist für Schenkel auch die Vorstellung, dass die ja so »edlen« Menschen eines Tages gerichtet werden sollen. Die »eschatologische Auffassung« sei «praktisch wertlos und inhaltlich anstössig«, meint er. (Ebd. 162) Wer die biblische Sicht Jesu und nicht die humanistische Sicht vertritt, der wird nun seinerseits abgewertet, auf eine niedrigere «Stufe der erreichten Menschlichkeit« versetzt: »Der kirchliche Volksglaube enthält in seiner Gottesvorstellung inhumane Züge als Erbe jüdischen und vorreformatorischen Denkens.» (S. 159)

Schenkels Jesus steht im Gegensatz zur angeblichen »Phantastik der eschatologischen Erlösungsreligion … Er ist die Verkörperung der sittlichen Erlösungsreligion … Da es ihm ganz auf die Echtheit und Lebenswirklichkeit ankam, formulierte er keine abstrakten Begriffe, sondern versuchte, seine geistige Welt in Bildern zu übermitteln … Die Freimaurerei geht den gleichen Weg bewusst, indem sie grundsätzlich auf jede begriffliche Formulierung der eigentlichen Lebensgeheimnisse verzichtet und die Bildersprache für genügend, ja für geeigneter hält.« (S. 155)

Der Abgrund, der zwischen dieser humanistischen und der biblischen Jesus Auffassung besteht, scheint Schenkel nicht bewusst zu sein. Jesus als das »Wort», das «fleischgewordene Wort«, hat zur Verkündigung und eben auch zur Darstellung seiner »Bilder« das Wort gebraucht. Niemals hat er das Schweigen propagiert und das stumme »Erleben» gefördert, sondern stets ein ausgesprochenes Bekenntnis erwartet – nicht für die »Menschlichkeit«, das ist ein abstrakter Begriff, – sondern für sich.

6.3.4. Jesus als «Eingeweihter», «Priester», «Meister»:

Hauptsächlich in der Schwedischen Lehrart der Freimaurerei, aber auch bei anderen freimaurerischen Autoren, erscheint Jesus auch in einem gnostischen Licht. Jesus ist »ganz Mensch» und als solcher »Christusträger«. Dank des «Christusgeistes« wird er »göttlicher Eingeweihter und Priester». (Lagutt FM 1958 44) Bei der Auferweckung des Lazarus werde dies aller Welt deutlich. Jesus vollziehe «öffentlich an Lazarus, was sonst verborgenstes Tempelgeheimnis war.« (Ebd. 44) «Im Johannes Evangelium tritt Jesus in Deutlichkeit als der grosse Initiator, als Eingeweihter im höchsten Sinne auf … In aller Offenheit tritt Jesus als der grosse Eingeweihte, als Hierophant im Sinne der alten Mysterien auf, als er die Auferweckung des Lazarus vollzieht … In Lazarus bricht das Ewige durch … Wo immer im Menschen der Geist, das Ewige, das höhere Selbst durchbricht, oder anders ausgedrückt, der Mensch in seinem strebenden Bemühen sich dem Quell seines wahren Wesens nähert, erlebt er die grosse Auferweckung.   Ist es nun verwunderlich, dass das Johannes Evangelium in der esoterischchristlichen Strömung eine solch zentrale Stellung einnimmt?« (S. 143)

In der schwedischen Lehrart erscheint Jesus als »erster Grossmeister« der Loge. »Der erste Grossmeister der Loge war Jesus; nach Jesus kam Jakobus, und nach dessen Tod traten die Jünger und Verwandten Jesu zusammen und wählten Simeon … Christus trat als Philosoph und Lehrer einer reinen Naturreligion auf.« (Nielsen Prot.bibl. 1882 88 über die Schwedische Lehrart) Nielsen zitiert einen schwedischen Freimaurer Text über das «exoterische» und das »esoterische« Auftreten Christi: «Bei dem exoterischen Vortrage liess er daher manche Vorurteile stehen … Aber bei dem esoterischen Vortrage   im Innern seiner Meisterlogen   um jedoch bloss einen Wink zu geben   trat Jesus z.B. niemals als wahrer und eigentlicher Gott auf, sondern allein als der Grossmeister im Osten, welcher die Menschheit erleuchten, wahre moralische Begriffe verbreiten und uns dereinst die Unsterblichkeit zusichern wollte.« (Ebd. 89) Im schwedischen Lehrsystem wird auch die Ansicht verbreitet, Johannes der Täufer und Jesus seien »Vorsteher des Essäerbundes« gewesen. (Nielsen 1883 22ff) Dieses kurze Stimmungsbild soll hier genügen. Die schwedische Lehrart ist auch unter Freimaurern umstritten (z.B. Schiffmann, 1883 23). Nielsen (1882, 1883) hat die »Pseudo Christlichkeit des schwedischen Systems» (1883 27) ausführlich dargestellt.

6.3.5. Zusammenfassung und Vergleich

Zusammenfassend kann eindeutig gesagt werden: Das Jesus Bild, das die Freimaurerei vermittelt, entspricht nicht dem Jesus Bild der Bibel.

In der Freimaurerei wird Jesus als geschichtlicher Mensch betrachtet, über den sich jeder beliebige Vorstellungen machen kann. Aus biblischer Sicht steht Jesus nicht nur in der Geschichte, sondern auch über der Geschichte. Und die biblischen Aussagen über ihn sind nicht mehrdeutig, sondern eindeutig. Das geht auch aus den Ergebnissen der Bibeiforschung hervor. Sie »zeigen, dass alle Schichten der Evangelienschriften durchdrungen sind von dem einen, übereinstimmenden Bild Jesu: Er ist der Messias und der Sohn Gottes.» (Bruce Prot.bibl. 1976)

Nicht erfüllt haben sich die humanistischen Erwartungen, »dass man durch immer weiteres Zurückgehen auf die ursprünglichsten Schichten der Evangeliumsüberlieferung auf einen rein menschlichen Jesus stossen würde, der nichts weiter lehrte als die Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft aller Menschen. Aber das findet sich gerade nicht.« (Ebd. 39)

Freimaurer haben das Gefühl, der Mensch sei von sich aus gerecht und bedürfe der Erlösertat Christi nicht (Zuber FM 1975 183). Aus biblischer Sicht ist wirkliche »Selbsterkenntnis» Einsicht in die eigene Sündhaftigkeit und Verlorenheit. Der Glaube an »das Gute im Menschen« beruht meines Erachtens auf einem Mangel an Lebenserfahrung und Menschenkenntnis.

Freimaurer lehnen die Vorstellung von einem Gott ab, der über Menschen zu Gericht sitzt. Aus biblischer Sicht ist es gerade Jesus Christus, dem die Rolle des Richters über alle vom Vater übertragen wurde. Er ist der Herr aller Welten und Zeiten. Erlösung und Befreiung erfolgt durch die Annahme dieser (biblischen) Tatsache.

Aus freimaurerischer Sicht hingegen ist Jesus Christus tot und lebt nur durch seine Lehre, den symbolischen Gehalt seiner Taten und als ethisches Vorbild weiter. Der biblische Jesus hat keine Lehre angeboten, sondern sich selbst hingegeben; Er hat keine religiösen Erlebnisse vermittelt, sondern «Worte des Lebens« gesprochen; Er hat die Menschen nicht mit ethischen Geboten und Richtlinien belastet, sondern Frieden mit dem lebendigen Gott gestiftet, die Beziehungen zwischen den Lebenden befreit und damit alle Gesetzlichkeit »aufgehoben«.

Der gnostische Jesus Christus ist gespalten in Jesus und Christus, in Mensch und Gott, in Körper, Seele und Geist. Der biblische Jesus Christus ist eine lebendige Einheit von dem allem, die jede bloss menschliche Vorstellungskraft übersteigt.

6.4. Freimaurerei und liberale Theologie

Nach Schenkel besteht zwar kein »bewusstes Bündnis zwischen Freimaurerei und liberaler protestantischer Theologie». Aber es gibt eine »wesenhafte und schicksalhafte Verbundenheit« (S. 3), eine «innere Verwandtschaft« (S. 163) sowie dichte personelle Verflechtungen. (S. 40f.)

6.4. 1. Enge Geistesverwandtschaft zwischen Freimaurerei und liberalem Protestantismus

Schenkel stellt eine weitgehende geistige Übereinstimmung zwischen Freimaurerei und liberalem Protestantismus fest:

»Man wird sagen können, dass im ganzen genommen in der Freimaurerei die Auffassung Jesu, wie sie sich aus der liberalen protestantischen Forschung von den Anfängen der Aufklärung an ergeben hat, schon immer praktisch verwertet ist, allerdings unter selbstverständlicher Ausschaltung der zeitweise hervorgehobenen eschatologischen Auffassung, die praktisch wertlos und inhaltlich anstössig ist. Diese inhaltliche Übereinstimmung hätte die Möglichkeit einer viel stärkeren Verankerung des protestantischen

Liberalismus geboten, wenn nicht die meisten führenden Persönlichkeiten des liberalen Protestantismus des Sinnes für Kultus wie des Sinnes für die Bedeutung festgefügter Organisationen ermangelt hätten. Der liberale Protestantismus hat aus sich selbst heraus feste kirchliche Gemeinschaften kaum zu schaffen vermocht. Besonders stark empfindet man die innere Verwandtschaft, wenn man die freimaurerische Gedankenwelt in Beziehung setzt nicht zum christlichen Dogma, sondern zur protestantischen Ethik. Hier treten die verwandten Züge am deutlichsten hervor. Ich wüsste nicht, welche Unterschiede zwischen dem Pflichtgedanken, dem Berufsgedanken, dem Arbeitsgedanken in der Auffassung der Freimaurerei und diesen Gedanken in einer modernen protestantischen Ethik nachzuweisen wären. Vor allem aber ist es die gleiche Grundeinstellung, nämlich die Ablehnung aller Heteronomie und aller Kasuistik und die zentrale Bedeutung des freien, vor dem ewigen Gott verantwortlichen Gewissens …« (Schenkel S. 162ff)

Hammer (Prot. 1984) meint, die heutige protestantische Theologie sei über die Freimaurerei hinausgewachsen: »Das Gedankengut der Freimaurerei, das im Kontext des 18. Jahrhunderts eindeutig »Fortschritt« bedeutete, aber beim damals behaupteten und erreichten Deismus im wesentlichen stehenblieb, darf für die heutige protestantische Theologie, ganz gleich, wo sie angesiedelt ist, als überwunden gelten.« (S. 27) Eine humanistische, allgemein menschliche Religion »kann ebensowenig befriedigen wie ein von der Botschaft von Sünde und Gnade absehendes freies, edles Menschentum, das sich gnostisch mystisch aus eigener Kraft von Stufe zu Stufe selbst vervollkommnet und dabei doch nur den im engen, für die Aussenstehenden verborgenen Bruderbund vereinigten Brüdern zugute kommt.   Die Einwände der evangelischen Theologie gegen das Gedankengut der Freimaurerei sind im wesentlichen dieselben wie gegen die Aufklärung eines Voltaire und seines Schülers auf dem Preußenthron und gegen den Idealismus der Freimaurer Lessing, Herder, Fichte, Goethe, von Humboldt und von Knigge. Bedeutendere Geister als die genannte Prominenz sind aus dem protestantischen Bereich seither in der Freimaurerei nicht mehr wahrzunehmen. Ihre geheimnisvolle Arbeit im geschlosssenen Tempel wirkt sowohl in der modernen Demokratie wie in einem modernen freien Protestantismus, in denen alle ethischen Postulate und Probleme diskutiert und alle liturgischen Anlässe öffentlich sind, anachronistisch.« (Hammer Prot. 1984 27)

6.4.2. Freimaurerei und Bibelkritik:

Möglicherweise prägt der Geist der Freimaurerei auch die moderne protestantische Theologie doch noch tiefer als Hammer annimmt.

Wir haben gesehen, dass das Wesen der Freimaurerei darin liegt, dass sie dem Wort im weitesten Sinne misstraut und an seine Stelle das Symbol setzt, dass sie alles Jenseitige relativiert und das Diesseitige, dem Menschen durch eigene Anstrengungen Zugängliche, verabsolutiert. Wir haben zudem gesehen, dass Weltbild, Menschenbild, Gottesbild und Jesusbild der Freimaurerei radikal den entsprechenden Aussagen der Bibel entgegenstehen. Die beiden »Realitäten« widersprechen sich, sie schliessen sich aus, sie können nicht beide gleichzeitig wahr sein. Aus freimaurerischer Sicht liegt natürlich der Grund für diese Widersprüche nicht in der Freimaurerei, sondern in der Bibel. Freimaurerei ist darum ihrem Wesen gemäss Bibelkritik. Es kommt mir hier nicht in erster Linie darauf an, festzustellen, wie viele und welche bibelkritischen Theologen Freimaurer waren, Eine solche Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und hätte, nicht zuletzt wegen dem geheimen bzw. »diskreten» Charakter der Freimaurerei, eine äusserst relative Bedeutung. Neben den unbekannten Maurern gibt es zudem auch die ungezählten »Maurer ohne Schurz». Darum kommt es in erster Linie auf den Geist an. Und bezüglich des Geistes kann eindeutig gesagt werden: Der Geist der Freimaurerei ist bibelkritisch. Er akzeptiert keine über ihm stehende, absolute Geltung beanspruchende Wahrheit, Person oder Aussage, selbst wenn sie in der Bibel steht. Die Freimaurerei stellt sich über die Bibel, beschlagnahmt die Bibel und unterwirft sie. Die Bibel wird nicht abgelehnt, sondern relativiert, konserviert, in »Schutz« genommen und menschlicher, »wissenschaftlicher» Untersuchung zugänglich gemacht. Plumpe Ablehnung wäre primitiv: In Andersons Konstitution wird der Atheist als »einfältig« bezeichnet. (Zit. in Oslo, S. 379) Die Relativierung ist Ausdruck einer viel raffinierteren, tieferen, dafür äusserst abgründigen Feindschaft.«

Die Reformatoren konnten das in der Bibel bezeugte Wort Gottes als wichtigste, »heiligste» Waffe der geballten Macht des etablierten Katholizismus entgegensetzen. Ab 1717 beginnen protestantische Theologen, diese «heilige Kuh« der eigenen Herkunft zu zerlegen, in einen rein menschlichen Zusammenhang zu stellen und allenfalls auch auf ein menschliches Podest zu heben. Im folgenden sei kurz auf die Freimaurer und protestantischen Theologen Gotthold Ephraim Lessing (1729 1781) und Johann Gottfried von Herder(1744 1803) eingegangen, die einen wesentlichen Einfluss auf die protestantische Theologie ausübten. Dabei geht es vor allem um ihre Stellung zur Bibel.

Aus Lessings »Theologiekritischen Schriften» 1778 geht eindeutig hervor, dass er die Bibel nicht als von Gott inspiriertes Wort, sondern als rein menschliches Machwerk ansah. Die Ausführungen über die Entstehung der Evangelien tragen den Titel: »Neue Hypothese über die Evangelisten als bloss menschliche Geschichtsschreiber betrachtet«. Auch bei der Zusammenstellung des Kanons hat nach Lessing keine höhere Macht mitgewirkt. Die »Offenbarung Johannis« ist ihm »ein Beweis, wie planlos sich der Kanon des neuen Testaments gebildet« hat. Nach seiner Meinung waren Redaktoren am Werk, die »mit aller Freiheit abgeschrieben« haben. Inspiration ist höchstens Einbildung der scheinbar Inspirierten. Vermutlich zuckte man auch damals schon die Achseln über Leute, die etwas Historisches aus Inspiration zu wissen vorgaben. Ein Evangelium braucht es nach Lessing nicht für alle Leute, sondern es wird nur so lange eines geben, »als es Menschen gibt, die eines Mittlers zwischen ihnen und der Gottheit zu bedürfen glauben.« (1976 635) Lessing hat mit dem gläubigen Hauptpastor Johann Melchior Goeze eine harte theologische Auseinandersetzung geführt, die einen grossen Teil seiner »Theologiekritischen Schriften» ausmacht (»Anti-Goeze«, I XII.)

Die folgenden Herder Zitate sind dem Artikel von J. Böni, Pfarrer und Grossmeister der »Alpina», über den »Theologen Johann Gottfried Herder« (1944) entnommen. Herder hat nach Böni die Denkart des »christlichen Humanismus« geprägt und auch als «erster Geistlicher der protestantischen Landeskirche« in Deutschland einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt. Er lehnte es ab, die Bibel als «sakrosankte Schriften» zu betrachten und wandte sich gegen »theologische Engherzigkeit». Die Bibel ist nicht übermenschlicher und allgemeinmenschlicher Maßstab, sondern in die Menschheitsgeschichte eingebettet. »Die Bibel ist aus der Vorstellungswelt der Antike zu verstehen.» (Böni, S. 288) Das Christentum ist eine Religion unter vielen, die ebenfalls ihre Bedeutung und ihre Wahrheiten haben. «Ebenso unbefangen wie das Christentum würdigt der protestantische Geistliche die nichtchristlichen Religionen, von denen insbesondere auf die Religion der Griechen ein verklärendes Licht fällt.» (S. 286). Herder relativiert das Wort auch insofern, als er ihm gegenüber das Gefühl, das Erlebnis, die «Leidenschaft» aufwerten möchte. (S. 291) Bei Herder hören wir »nichts von Erlösung, Sündenvergebung, Rechtfertigung» (S. 290).

Diesem liberal kritischen, freimaurerischen Einfluss haben sich nach Schenkel auch die scheinbar etwas unterbelichteten bibeltreuen Protestan¬ten nicht entziehen können. »Selbst die positiven und orthodoxen Kreise, soweit sie sich einer gewissen Allgemeinbildung erfreuen, sind von liberalen Gedanken, wenn auch langsam und vielfach unbewußt, durchsetzt worden.« (Schenkel). Nach W. Neuer waren unter anderen folgende Begründer der modernen Bibelkritik Freimaurer: Hermann Samuel Reimarus (1694-1768), Ernst Renan (1823- 1892), Christian Wolff (1679- 1754), David Friedrich Strauss (1808- 1874).  

6.4.3. Personelle Verflechtungen zwischen Freimaurerei und liberalem Protestantismus

Zu diesem Thema müssen wir uns hier mit einigen Zitaten aus Schenkel begnügen.

»Wohl aber sind durch einzelne Persönlichkeiten starke Verbindungsfäden zwischen Loge und freien protestantischen Organisationen vorhanden. Es sei nur erinnert an den bekannten Heidelberger Juristen Bluntschli, den ersten Vorsitzenden des Protestantenvereins, der zugleich ein sehr eifriger Freimaurer war und die Würde eines Grossmeisters in der Grossloge ‘Zur Sonne’ (Bayreuther System) bekleidete. Über die gegenwärtigen Beziehungen ist es aus begreiflichen Gründen nicht ratsam, Einzelheiten anzuführen. Es genügt, auf die Tatsache zu verweisen, dass sowohl Geistliche hervorragende Stellen in den Logen und Grosslogen einnehmen, wie umgekehrt Freimaurer in beachtenswertem Umfang in kirchlichen Vertretungen vorhanden sind. Jedenfalls betrachten gerade in Deutschland die meisten Freimaurer die Freimaurerei als in der Geistesrichtung des freien Protestantismus liegend.« (S. 41) Der aus der Schweiz stammende Johann Kaspar Bluntschli (1808  1881) war liberaler Staatsrechtler und Politiker. Er gilt »als Stifter des deutschen Protestantenvereins, der im Gegensatz zu der damals vorherrschenden protestantischen Orthodoxie für grössere Freiheit in den theologischen Wissenschaften eintrat.« (Valmy, 62)

»In der Schweiz zeigt sich die Verbindung von Freimaurerei und Protestantismus in Männern wie Quartier la Tente, der im Januar 1925 als ein in der ganzen Welt bekannter Freimaurer gestorben ist. In Neuenburg geboren, wurde er später Pfarrer, bekleidete eine theologische Professur, und war ein halbes Jahrzehnt Grossmeister der Schweizer Grossloge Alpina. Bekannt wurde er vor allem durch sein eifriges Streben nach Ausbau der übernationalen Fühlungnahme der Freimaurerei.« (Schenkel S. 40) Zu erwähnen ist an dieser Stelle nochmals der liberale protestantische Theologe und Pfarrer J. Böni. 1942  1947 war er Grossmeister der «Alpina« und Pfarrer in Trogen. In dieser Zeit entstand in Trogen das Pestalozzi Kinderdorf.

 

7. Die Freimaurerei aus der Sicht Christi

Im letzten Kapitel haben wir versucht, das Christentum, Gott, Christus und die protestantische Theologie aus dem Blickwinkel der Freimaurerei zu betrachten. In diesem Kapitel soll die Blickrichtung umgedreht werden. Es soll der Versuch gewagt werden, die Freimaurerei aus der Sicht Christi zu beurteilen, wobei wir annehmen, dass er wirklich »leibhaftig auferstanden» ist, und dass ihm alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen wurde. Bei den Aussagen Christi verlassen wir uns hauptsächlich auf die in der Bibel von ihm und über ihn bezeugten Worte. Also: Gott hat Jesus Christus «eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.« (Eph. 1, 20f)

7.1. Die Freimaurerei als Gegner Christi

Wir haben gesehen, dass die Freimaurerei jeden Absolutheitsanspruch (ausser dem eigenen natürlich) ablehnt. Der Geist der Freimaurerei bekämpft jeden Anspruch auf absolute Wahrheit und hat bisher bereits den Absolutismus, den Faschismus, die kommunistische Einparteienherrschaft besiegt. In der katholischen Kirche und in den protestantischen Kirchen sind die Auseinandersetzungen noch im Gange. Es ist wohl möglich, dass am Schluss nur noch ein Gegner übrig bleibt: Jesus Christus.

7.1.1. Ablehnung des Absolutheitsanspruches Christi

Der Absolutheitsanspruch Christi ist der «Stein des Anstosses» für die Freimaurer: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich« (Joh. 14, 6). Oder: »Ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen …« (Joh. 15, 5f). Für einen Humanisten sind das unglaubliche, ungeheure, unerhörte Worte. Warum soll es nicht auch andere Wege geben? Gibt es nicht auch in anderen Religionen »Erkenntnis« und schöne Erlebnisse? Ist es nicht unfair und ungerecht, die Menschen derart ungleich zu behandeln und zu verurteilen? Die Freimaurerei nimmt diese Worte Jesu nicht ernst, sondern relativiert sie und damit den, mit dem sie zu tun haben. Der Absolutheitsanspruch Christi wird abgelehnt. Damit ist aus freimaurerischer Sicht noch keine Gegnerschaft verbunden, sondern es sieht so aus, als ob erst der «moderne», «aufgeklärte» Mensch die Zusammenhänge richtig erkennen und Jesus Christus ins richtige Licht rücken könne. Aus der Sicht Christi ist nun aber gerade das eine ungeheure Anmassung und totale Verkennung der wirklichen Herrschaftsverhältnisse. Die Relativierung ist in Wahrheit Ablehnung, und hinter den zum Teil schönen »christlichen« Worten verbirgt sich äusserste Feindschaft. Der Geist der Freimaurerei macht dem auferstandenen Jesus Christus die Herrschaft streitig. Er wird auf ein rein menschliches Maß reduziert, abgewertet, verniedlicht und in ein theoretisches Schema der menschlichen Entwicklungsgeschichte integriert. Seine Worte, besonders die, die Anstoss erregen, sind in der Loge Tabu. Wer Christus als den Herrn verkündet, der wird zum Schweigen gebracht und auf den Sonntagvormittag verwiesen.

Ist Christus wirklich auferstanden, so ist eindeutig: Die Freimaurerei ist nicht für, sondern gegen ihn. Auf die Freimaurerei trifft also das folgende Wort Jesu zu: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut« (Lk. 11, 23).

7.1.2. Die Freimaurer als die «Bauleute» der Bibel

In der Bibel kommt das Wort »Freimaurer» natürlich nicht vor. Dagegen gibt es den Ausdruck »Bauleute«, der zur Bezeichnung derjenigen Menschen und Menschengruppen (Pharisäer, Schriftgelehrte vor allem) verwendet wird, die nicht auf Jesus Christus bauen, sondern auf eigene, menschliche Weisheit, Kraft und Schönheit. Wesen und Inhalt, Bauhüttentradition und Tempelbausymbolik der Freimaurerei legen nun nahe, dass dieser Ausdruck auch auf die Freimaurerei zutrifft, so dass gesagt werden kann: Die Freimaurer sind die Bauleute der Bibel.

Diese Bauleute sind in der Bibel dadurch charakterisiert, dass sie den tragenden Stein, den «Eckstein» des Baues Gottes verworfen haben. (Ps. 118, 22f; Mt. 21, 42; Mk. 12, 10; Lk. 20, 17; Apg. 4, 11; 1. Petr. 2, 7) Der Eckstein des Baues Gottes ist Jesus Christus. »Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.» (Apg. 4, 11 f).

7.1.3. Der «Tempel der Humanität» ist nicht der «Tempel Gottes»

Der Bau des Gottes der Bibel wird ebenfalls als »Tempel» bezeichnet. Die folgende Aussage gilt für diejenigen, die den Absolutheitsanspruch Christi ernst genommen haben und nun an seinem Bau mitwirken: »Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Jesus Christus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut« (Eph. 2, 19 22).

Dieser Bau Gottes ist nun gewiss nicht mit dem freimaurerischen «Tempel der Humanität» identisch. Es handelt sich um zwei grundsätzlich verschie¬dene Bauwerke: Beim Bau Gottes ist Jesus der Eck  oder Schlussstein, der alles zusammenhält. Er wird, um einen anderen Bau Ausdruck zu verwenden, auch als «Grund« oder «Fundament« bezeichnet: «Das Fundament ist gelegt: Jesus Christus. Niemand kann ein anderes legen.« (l. Kor. 3, 11) Beim «Tempel der Humanität» hingegen ist Jesus ein gewöhnlicher Stein, vielleicht ein besonders schöner Stein, aber ganz bestimmt nicht der Eckstein, Schlussstein oder das Fundament. Da der freimaurerische Bau nicht der Bau des in der Bibel bezeugten Gottes und seines Sohnes ist, gilt für ihn aus biblischer Sicht: Er ist nicht stabil, nicht dauerhaft; er hält nicht, was er verspricht. Wer dort arbeitet, der wird nicht belohnt, hat falsch investiert und sollte so rasch wie möglich innerlich »umstrukturieren», die Stelle wechseln. »Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran arbeiten.» (Ps. 127, 1)

Alles hängt von der Einstellung zu Jesus Christus ab: »Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar… Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist ‘der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstosses und ein Fels des Ärgernisses’ (Ps. 118, 22; Jes. 8, 14); sie stossen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben.« (l. Petr. 2, 4.7f) Die Ablehnung bleibt nicht ohne Folgen. Die Bibel droht meines Erachtens nicht, sondern sie warnt und stellt fest: »Jeder, der auf diesen Stein fällt, wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.» (Lk. 20, 18) Jesus Christus ist also aus biblischer Sicht derjenige, an dem sich alles entscheidet. «Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.« (Joh. 3, 17f) Aus biblischer Sicht ist alles ganz einfach und eindeutig: »wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn nicht hat, der hat das Leben nicht.» (l. Joh. 5, 12) »Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.» (Joh. 17, 3)

7.2. Falscher Absolutheitsanspruch der FM

Die Freimaurerei lehnt den Absolutheitsanspruch Christi ab und stellt sich damit in Opposition zu ihm. Sie stellt sich über ihn. Damit erhebt sie selbst einen Absolutheitsanspruch, was den meisten Freimaurern wohl gar nicht bewusst ist. Die beiden Absolutheitsansprüche schliessen sich gegenseitig aus, sie sind unvereinbar. Nur einer kann richtig, gerechtfertigt, wahr sein. Der andere ist falsch, angemasst, eingebildet, erschwindelt. Aus freimaurerischer Sicht ist der Absolutheitsanspruch Christi falsch. Die entsprechenden Aussagen in der Bibel sind unwahr. Wenn nicht Christus selbst ein Hochstapler, Verrückter oder Lügner war, so haben die ersten Gemeinden und/oder irgendwelche Redaktoren »in aller Freiheit» die Göttlichkeit Christi erdichtet und die Schriften entsprechend »frisiert«. Wenn wir annehmen, dass dies nicht so ist, dann ist aber der Absolutheitsanspruch der Freimaurerei falsch. Aus biblischer Sicht steht der «Tempel der Humanität» auf sumpfigem Boden. Die paradigmatischen, weltanschaulichen Grundüberzeugungen der Freimaurerei sind unrealistisch, verkennen die wirkliche Realität und die wahren Herrschaftsverhältnisse. Nicht die Bibelleser, sondern die Freimaurer wurden getäuscht, in die Irre geführt.

Es ist nicht ein anonymer »Allmächtiger Baumeister aller Welten«, der oberster Herrscher, Ursprung und Maß aller Dinge wäre. Vielmehr ist es Jesus Christus, der sagt: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde« (Mt. 28, 18).

Es trifft nicht zu, dass es keine dem Menschen zugängliche absolute Wahrheit gibt. Zwar kann niemand diese Wahrheit besitzen, weil sie eine Person ist. Aber diese Person, ganz Gott, ganz Mensch, sagt von sich: «Ich bin die Wahrheit«. (Joh. 14, 6)

Es ist nicht wahr, dass erlöst wird, «wer immer strebend sich bemüht«. Jesus Christus schenkt allen seine Gnade, sein Leben, seine Fülle, die seine Herrschaft akzeptieren. Die Annahme dieser Herrschaft soll nicht erzwungen werden, sondern sie ist ganz freiwillig. Nicht Streberei, Leistungen und Werke, sondern Vertrauen, Glaube und Gnade bringen Sicherheit und Heil. Nicht die Arbeit und die Arbeitsverhältnisse, sondern die Liebe, Liebesbeziehungen sind die Grundlage allen Lebens, sind die Voraussetzung für unseren »Lebensunterhalt» in jeder Beziehung.

Es ist nicht so, dass Christus unterschiedslos allen Menschen das Leben schenkt. Denjenigen, die ihn ablehnen, kann er es nicht schenken, denn nur er ist das Leben, hat den Tod überwunden. «Ich bin die Auferstehung und das Leben …« (Joh. 11, 25) Gerade die Freiheit der Entscheidung hat zur Folge, dass letztlich nicht alle leben werden. Aus dieser Sicht ist es nutzlos und lächerlich, dass Menschen »symbolisch« Särge überschreiten und sich selbst »erheben».

Es ist nicht so, dass es unser bestes und »edelstes« Los ist, ein Licht-Suchender zu sein, denn Jesus Christus sagt: «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben« (Joh. 8, 12). So lange wir Christus nicht nachfolgen, tappen wir aus biblischer Sicht im Dunkeln. Wir kommen ganz grundsätzlich nicht draus, auch wenn wir uns noch so klug vorkommen. Zur Erleuchtung dieser Finsternis helfen keine Lichtkulte, keine angezündeten Kerzen, keine asketischen und meditativen Exerzitien. Wer hingegen den Gott der Bibel sucht, der wird ihn finden!

Es ist auch nicht so, dass das Diesseits, die dem Menschen zugängliche Welt, wichtiger ist als das Jenseits. Die Bibel lehrt, dass die sichtbare Welt vergänglich ist, dass sie aus einer unsichtbaren Welt hervorgegangen ist und aus dieser unsichtbaren Welt gesteuert wird. Wer diesen Sachverhalt nicht berücksichtigt, der baut sein Leben auf Vergängliches, setzt auf den Tod. »Der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.» (Jes. 51, 6)

Es ist nicht wahr, dass Symbole für die Verständigung und die Erkenntnis wichtiger sind als Worte. Aus biblischer Sicht hat das Wort absoluten Vorrang. »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen«, spricht der Jesus der Bibel. (Mt. 24, 35) »Wer das Wort verachtet, muss dafür büssen.« (Spr. 13, 13) Der Mensch lebt von einem jeden Wort Gottes (Dtn. 8, 3; Mt. 4, 4; Lk. 4, 4). Hingegen erstickt gerade die «Sorge der Welt« das Wort. (Mt. 13, 22)

Nicht die Tat, sondern das Wort war am Anfang. Und alle Dinge sind durch das Wort gemacht, »und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.» (Joh. 1, 1 3) Jesus Christus ist dieses Wort, das «Fleisch ward«. (Joh. 1, 14) Durch die Beziehung mit ihm erhalten auch unsere Worte Wert, Sinn, Bestand. Ohne ihn ist unsere Sprache wertlos, sinnlos, Geschwätz. «Niemand täusche euch mit leeren Worten.» (Eph. 5, 6) Natürlich soll das nicht Tatenlosigkeit bedeuten: »Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein.» (Jak. 1, 22) Es geht hier nicht um Alternativen, sondern um Prioritäten. «Täter des Worts», nicht «Täter des Schweigens», sollen Christen sein. Worte schaffen andere Beziehungen zwischen Menschen als bloße Handgriffe. Es ist darum nicht egal, ob wir sprechen und was wir reden. Dazu noch eine Aussage Jesu: «Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden.» (Mt. 12, 36f) Und: «Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich gesprochen habe, wird ihn richten am Letzten Tag.« (Joh. 12, 48)

Gemäß der Bibel ist es nichtwahr, dass der Mensch durch eine Evolution aus dem Nichts entstanden ist, und es trifft nicht zu, dass er das am höchsten entwickelte Lebewesen ist. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Er ist Geschöpf, Kreatur, nicht Schöpfer, Die Verehrung von Geschöpfen, Geschaffenem anstelle des Schöpfers, wird in der Bibel als »Götzendienst« bezeichnet. Humanisten aller Schattierung können als Götzendiener bezeichnet werden. »Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers.« (Röm. 1, 25) Obwohl die Schöpfung und die Geschöpfe vom Schöpfer zeugen, haben sie ihn nicht geehrt und ihm nicht gedankt. «Sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren.« (Röm. 1, 21f)

Die maßlose Unterschätzung Gottes und die entsprechend ungeheure Überschätzung des Menschen führt zu wahnhaft übersteigerten Anforderungen und Erwartungen an den Menschen, die letztlich niemand erfüllen kann. Die Enttäuschung, die Gefangenheit in Gedanken der scheinbaren Minderwertigkeit, sind darum die notwendige Konsequenz aller Menschenvergötzung. «Ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten.« (Lk. 11, 46)

Die freimaurerische Verehrung menschlicher Leistungen und Werke ist aus biblischer Sicht natürlich ebenfalls maßlos übertrieben und angesichts der Tatsache, dass Gott alles Können und Vollbringen ermöglicht, völlig ungerechtfertigt. Der Tanz um die menschlichen «Künste« und ihre Resultate kann als »doppelter Götzendienst» bezeichnet werden. «Alle Menschen aber sind Toren mit ihrer Kunst, und alle Goldschmiede stehen beschämt da mit ihren Bildern; denn ihre Götzen sind Trug und haben kein Leben, sie sind nichts, ein Spottgebilde; sie müssen zugrunde gehen, wenn sie heimgesucht werden.» (Jer. 10, 14f)

Unseres Erachtens ist es also eindeutig, dass das Welt  und Menschenbild der Freimaurerei demjenigen, das uns durch die Bibel vermittelt wird, radikal entgegengesetzt ist. Der Absolutheitsanspruch der Freimaurerei ist aus biblischer Sicht falsch   eine ungeheure Anmaßung.

7.3. Dunkle Herkunft

Wir haben gesehen, dass es über Ursprung und Entwicklung der Freimaurerei bis 1717 kein gesichertes Wissen, dafür aber vielfältige Sagen, Mythen und Legenden gibt. Wir kennen keinen Namen des Erfinders, die Legenden wollen aber den Eindruck erwecken, als habe die Freimaurerei eine lange Tradition, als sei sie uralt, als gehe sie auf Adam und Eva zurück (s. Andersons Verfassung in Oslo). »Die Freimaurerei war immer», meint sogar Falk in Lessings »Gesprächen für Freimäurer».

Die Bibel lehrt uns, solchen Aussagen und Behauptungen ebenso wie Mythen, Sagen und Märchen nicht zuviel Bedeutung zuzumessen. Wir sollen uns auf die sinnlich wahrnehmbaren Tatsachen, auf die Aussagen von namentlich bekannten Zeugen verlassen. In der Bibel spielt die Namengebung eine entscheidende Rolle. Es sollte jede Person als Individuum identifiziert werden können. Ebenso wichtig sind Stammbäume. Der Stammbaum Jesu ist zweifach, lückenlos zurück über David bis Abraham aufgeführt. Es ist nicht egal, woher etwas oder jemand kommt.

Die Freimaurerei wird auch hinsichtlich der Herkunft den biblischen Maßstäben nicht gerecht: Sie basiert auf Legenden, nicht Tatsachen; Sagen, nicht Aussagen; Gerüchten, nicht Zeugen; Anonymität, nicht Namengebung; historischen Phantasien, nicht Stammbäumen. Wir können darum nicht anders, als ihre Herkunft als unsicher, ungeklärt, dunkel zu bezeichnen.

Aus biblischer Sicht sind natürlich auch die geistigen Wurzeln der Freimaurerei zum Teil mehr als dubios. Die von Priestern und Mönchen, in Geheimgesellschaften, Mysterienbünden, Klöstern und Bauhütten gepflegten »hermetischen Künste» sind aus biblischer Sicht verabscheuungswürdig, und wir sollten lernen, uns ihrer zu enthalten. »Dass nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt oder Bannungen oder Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei vornimmt oder die Toten befragt. Denn wer das tut, der ist dem Herrn ein Greuel.» (Dtn. 18. 10-12)

Wir haben gesehen, dass auch die Inhalte der Legenden zum Teil einen deutlichen Protest gegen die Darstellungen der Bibel und gegen den Gott der Bibel zum Ausdruck bringen. Erinnert sei an die Parteinahme für Kain in der Hiramslegende, an die Vorstellung, die Maurer hätten im Erdinneren die Sintflut überlebt, an die Phantasie weltweiter außersprachlicher Kommunikation der Menschen trotz aller Sprachverwirrung. Aus biblischer Sicht sind solche «Möchtegern Geschichten» mit Sicherheit nicht vom Heiligen Geist inspiriert.

7.4. Unerreichte Ideale

Die Freimaurer werfen dem Christentum vor, es hätte seine Verheißungen nicht erfüllt, wobei sie sich an den Christen orientieren, nicht an Jesus Christus. In diesem Kapitel wollen wir versuchen, zu beurteilen, ob denn die Freimaurerei in ihrer Geschichte ihre Ideale erreicht hat.

7.4.1. Untaugliche Orientierung anhand von Idealen

Dabei sei nochmals darauf hingewiesen, dass sich unser Glaube nicht an Idealen, sondern an einer Person orientiert. Mit Idealen können wir nicht sprechen. Sie haben keine reale Macht. Sie übernehmen keine Verantwortung und setzen sich nicht für uns ein. Ideale lassen sich trotz endloser Definitionsversuche und Streitereien nicht eindeutig festlegen. Sie sind ambivalent und können in unbestimmbarer Vielzahl auftreten. Die Orientierung anhand von Idealen kann als moderne Form von Vielgötterei bezeichnet werden, was deutlich wird, wenn sie «personifiziert«, in Stein gehauen und auf einen Sockel gestellt sind.

7.4.2. Enttäuschung

Die Freimaurerei weckt äusserst hohe Erwartungen, die wohl enttäuscht werden müssen. Enttäuschung gehört zum Freimaurerdasein und wird in der Literatur auch behandelt. »Dieses Phänomen der Enttäuschung über die Kluft zwischen idealer Vorstellung und Realität wird sowohl in der freimaurerischen Literatur als auch in der antimaurerischen angezogen und interpretiert.« (Binder, Wiss. 1988 130) Aus freimaurerischer Sicht können alle erdenklichen Gründe für diese Enttäuschung in Betracht gezogen werden, nicht aber die Freimaurerei selbst. Vielleicht ist man selbst oder vielleicht ist der »Bruder« noch zu wenig «wirklicher« Freimaurer. Vielleicht erfüllt der nächst höhere Grad die Erwartungen. Dem Enttäuschten wird auch deutlich gemacht, dass die Freimaurerei nicht mehr geben könne als man selbst zu geben bereit ist. Schuld an der Enttäuschung ist letztlich scheinbar jeder einzelne selbst.

7.4.3. Friede auf Erden?

Wir haben gesehen, dass der angehende «Ritter Kadosch» des «Rachegrades» lernt, die Ideale der Freimaurerei mit allen Mitteln durchzusetzen. Niemand kann wohl behaupten, dass die Auseinandersetzungen im Zuge von Humanismus, Aufklärung und Französischer Revolution friedlich, «gewaltfrei« verlaufen sind. Die innerhumanistischen Abgrenzungen, welche Form des Humanismus, welche Rasse, Klasse, Nation, welches Individuum den Weltfrieden wirklich garantieren kann, haben wohl kaum weniger Opfer gefordert und Greuel verursacht als die vorangegangenen Konfessionskriege. Dabei soll natürlich nicht gesagt werden, dass die Freimaurer an all diesen Streiten und Kriegen »schuld« sind, und auch aus unserer Sicht hat ihr Kampf gegen all die falschen humanistischen Absolutismen eine gewisse Berechtigung. Meines Erachtens ist aber der Geist des Humanismus, auf dem auch die Freimaurerei beruht, von Natur aus nicht friedlich. Homo homini lupus, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Diese Einsicht liegt auch der Forderung nach Gewaltentrennung zugrunde: Dem Menschen ist in Wahrheit ganz grundsätzlich nicht zu trauen, und um Machtmissbrauch zu verhindern, soll jede Gewalt die andere relativieren, kontrollieren. Jeder soll jedem auf die Finger schauen, niemandes Bäume sollen in den Himmel wachsen. Divide et impera, teile und herrsche!

Der Humanismus schafft nicht Friede, sondern Konkurrenz, Kampf um die Güter der Welt, Stress der Selbsterlösung, »Selbstverwirklichung«. Es ist dies nicht nur eine Konkurrenz der Rassen, Klassen und Nationen, sondern auch der Individuen, der Streber, der Schaffer und der Friedensstifter. Ist in dieser Situation wirklicher, dauerhafter Friede überhaupt möglich? Reicht es, wenn wir die gegenseitigen Ansprüche und Differenzen einfach verschweigen und uns «symbolisch« die Hand zum Bund reichen? Glaubt heute noch jemand, dass die Bruderküsse (auch eine symbolische Handlung) der kommunistischen Brüder echt waren? Durch Schweigen und symbolische Friedenshandlungen entsteht meines Erachtens kein echter Friede. Die Feindseligkeiten, die Konkurrenz, die Aggressionen werden bloss verdeckt und können sich schliesslich zu ungeheuren Spannungen aufstauen. Menschen selbst können keinen dauerhaften Frieden, höchstens einen Scheinfrieden schaffen. Sie heilen den Schaden meines Volks nur oberflächlich, indem sie sagen: »Friede! Friede! und ist doch nicht Friede« (Jer. 6, 14).

Auch die Freimaurerei stiftet keinen wirklichen Frieden. Nicht einmal unter den Freimaurern selbst. Das zeigen die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Systemen und Logen, die sich zum Teil heute noch gegenseitig die Anerkennung versagen. Ihr »Friede« ist ein Waffenstillstand bei Abbruch der Beziehungen und des Gesprächs.

Gegen solchen falschen Frieden bringt Christus das Schwert (Mt. 10, 34). Dafür garantiert der biblische »Friedefürst», sofern wir ihn annehmen, Friede mit Gott. »Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus» (Röm. 5, 1). Sein Friede eröffnet uns ganz neue Welten und Dimensionen. Das Gerangel und Gezänk der Welt wird klein, relativiert. Und der innere Friede gibt uns die Kraft, auch in einer humanistischen Welt friedlich zu bleiben. (Joh. 14, 27; Röm. 12, 18)

7.4.4. Menschliche Menschlichkeit?

Wie steht es nun mit dem hohen Ideal der Humanität und der »Menschenwürde»? Die Leistungen des Roten Kreuzes und anderer humanitärer Organisationen sollen hier nicht verachtet werden. Christi Geist kann auch in Lebenden wirken, die ihn noch nicht erkannt haben. Dennoch hat aus biblischer Sicht rein menschliche Hilfe und Wohltätigkeit eine relative, untergeordnete, nebensächliche Bedeutung. Die Bibel sagt es deutlicher: «Menschenhilfe ist nichts nütze.» (Ps. 60, 13) Mehr noch: Es ist schädlich, sich auf Menschen und Menschenhilfe zu verlassen. Das schafft Abhängigkeiten, die die Existenzangst vergrößern, denn Menschen sind unzuverlässig, krankheitsanfällig und sterblich. Es entstehen Beziehungen, die niemals halten, was sie versprechen, und Abhängigkeiten, die sich als Gebundenheiten erweisen. «Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und sich auf schwaches Fleisch stützt, und dessen Herz sich abwendet vom Herrn.« (Jer. 17, 5) Wer sich nur auf Menschen verlässt, der nimmt Gott, Jesus Christus, die Chance, einzugreifen. Er verbaut sich durch seine enge, diesseitige Sicht den Weg zum umfassenden Hilfsangebot Gottes. Unzählige Christen haben erfahren, dass durch die Annahme eines wirklich lebendigen Gottes ausserhalb der diesseitigen Welt und unserer eigenen Subjektivität Kräfte sich entfalten konnten und Lösungen möglich wurden, die alle ursprünglichen Vorstellungen weit übertrafen. Natürlich spielen auch bei christlicher Hilfe menschliche Anstrengungen und Spenden eine Rolle. Aber sie stehen nicht am Anfang und nicht im Mittelpunkt. Es ist nicht egal, aus welcher Einstellung heraus die Hilfstätigkeit erfolgt.

Ähnliches ist zum Thema »Menschenwürde« und »Menschenrechte« zu sagen. Kann sich der Mensch selbst Würde geben, sich selbst Recht verschaffen? Wer garantiert die Einhaltung der Menschenrechte? Wieviel wert sind die Orden und Ehrenpreise, die Menschen Menschen verleihen? Natürlich wollen auch die von Menschen verliehenen Würden, Namen und Titel beachtet und ernst genommen werden. Ohne göttliche Perspektive werden meines Erachtens diese Dinge viel zu ernst genommen, und es kann nicht gesehen werden, dass wir letztlich unsere wirkliche Würde niemals uns selbst verdanken. Von Menschen erwartete und angenommene »Menschenwürde» schafft künstliche Barrieren und Hierarchien. Der freimaurerische »Meister« fühlt sich dem «Profanen« voraus. Der «Grosse Auserwählte Vollkommene und Erhabene Maurer» (14. Grad) ist offenbar über den bloß »Erlauchten Auserwählten der Fünfzehn« (10. Grad) erhaben. Die Künstlichkeit und Lächerlichkeit dieser »Würden» ist meines Erachtens für Aussenstehende offensichtlich. Die nach menschlichen Kriterien verteilten Würden schaffen Ungleichheit. Freimaurer sehen das, meinen aber, nur die Hochgrade seien mit dem Ideal der Gleichheit unvereinbar: »Nicht von der Hand zu weisen ist der kritische Vorwurf, dass die Schaffung der Hochgradsysteme die ursprüngliche demokratische Tendenz der Freimaurerei aufgehoben habe, zugunsten einer streng gegliederten Hierarchie, die dem persönlichen Geltungsbedürfnis des einzelnen entgegenkommt und dem maurerischen Gleichheitsprinzip widerspricht« (Valmy FM 1988 36).

Die Beharrung auf falschen Würden ist wohl der Grund aller Menschenverachtung. Menschen können sich von sich aus keine echten Würden verleihen, höchstens die Würden streitig machen. Das Streben nach menschlichem Ansehen absorbiert so viel Aufmerksamkeit, Zeit und Energie, dass wir unsere wahre Würde, die nur vom lebendigen Gott kommt, nicht mehr erkennen und das Ziel verfehlen. »Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt?» (Joh. 5, 44)

Menschen können Menschenrechte proklamieren, Transparente durch die Strassen tragen und vielfältige Forderungen aufstellen. Doch können sie diese Rechte auch durchsetzen und die Forderungen erfüllen? Niemand wird heute noch bestreiten, dass auch die kommunistische Internationale das «Menschenrecht» nicht »erkämpft« hat. Der Fluch des Humanismus ist, dass, wenn etwas schief läuft oder etwas als »unmenschlich« empfunden wird, Proklamationen, Resolutionen und Forderungen nur an Menschen gerichtet werden können. Es fehlt ein anderes mögliches Objekt oder Subjekt der Aggressionen als der Mensch. Der »Aufgeklärte« glaubt nicht mehr an böse Geister. So ist, wenn es Unannehmlichkeiten gibt, der Mensch der Unmensch. Der Humanismus löst seine Probleme durch das Rollen der Köpfe: Die »bösen« Menschen (auch Klassen, Völker etc.) müssen weg, die scheinbar »guten« ans Ruder! Es ist sicher kein Zufall, dass kurz nach der erstmaligen Proklamation der Menschenrechte die Guillotine aufgestellt wurde. Die menschliche Menschlichkeit entpuppt sich als humane Hinrichtung, als »Gleichheit vor dem Schafott«. Auch Ereignisse wie Auschwitz und Hiroschima in diesem Jahrhundert sollten wohl mehr als deutlich machen, dass es eine menschliche Evolution, eine »Entwicklung zu höherem Menschentum« nicht gibt.

Im Gegensatz zu den Humanisten kämpfen Christusgläubige nicht gegen Menschen, sondern gegen die unsichtbaren Mächte der Finsternis. (Eph. 6, 12) Gerade die (anfangs sicher ungemütliche) Annahme, dass es solche Mächte gibt, schafft die Voraussetzung dafür, dass wir auch diejenigen Menschen lieben können, die uns als ihre Feinde betrachten. Die Vergötzung des Menschen bringt ständige Unzufriedenheit mit sich. Jeder muss mehr scheinen, als er ist. Auch die Freimaurerei nimmt nicht jeden auf, ihre Mitglieder sind erlesen, »erwählt», möglichst einflussreich. Der »Wettlauf um den Kranz der Humanität« erweist sich als gnadenlos, unbarmherzig, »unmenschlich». Wir wissen, dass im völligen Gegensatz dazu bei Christus alle willkommen sind, auch diejenigen, die nach menschlichen Maßstäben nicht genügen. (Mt. 11, 28)

Gegen den humanistischen Terror hilft meines Erachtens nur die Annahme eines liebenden, wirklich »menschenfreundlichen« Gottes. Bei einem solchen sind Menschlichkeit, Menschenwürde, Menschenrechte und all die andern Ideale viel besser aufgehoben. Die Bibel spricht davon, dass es einen solchen Gott gibt: »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.« (Joh. 3, 16) Also: »So lasset nun ab von dem Menschen, der nur ein Hauch ist; denn für was ist er zu achten?« (Jes. 2,22)

7.4.5. Freiheit durch»Emanzipation« vom Wort?

Wir haben gesehen, dass sich die Freimaurer für die Emanzipation des Menschen von allen Absolutheit beanspruchenden Autoritäten und Mächten einsetzen. Unter anderem fällt darunter auch das Wort im weitesten Sinn. Aus biblischer Sicht erfahren wir Befreiung gerade durch das Wort, das Blut, die Wahrheit, die Person Christi. (Lk. 4, 18; Joh. 8, 31 f.36; Gal. 5, 1 u.a.m.) Er hat die Glaubenden befreit von dunklen Mächten, von Süchten, Ängsten und Sorgen, von Schuld und Isolation; er befreit die »Produktivkräfte» wirklich, er befreit das Leben. Die Botschaft von dieser Befreiung wird von der Freimaurerei relativiert und damit unwirksam gemacht. Dafür bietet sie die Befreiung von Autoritäten aller Art an.

Aus biblischer Sicht ist eine solche Freiheit nicht möglich. Der Mensch ist immer einer geistigen Macht untertan und wird von ihr geführt. Ist diese Macht nicht Christus, so ist es sein Feind. »Freiheit versprechen sie ihnen und sind doch selbst Sklaven des Verderbens; denn von wem jemand überwältigt worden ist, dessen Sklave ist er.« (2. Petr. 2, 19) Die Freimaurerei ist bestrebt, die Botschaft vom Befreiungswerk Jesu zu zerstören und dafür eine Scheinfreiheit anzubieten. Das ist wohl den meisten Freimaurern nicht bewusst, und von den wenigsten beabsichtigt. Dennoch ist es aus biblischer Sicht eindeutig so.

Wir haben gesehen, dass es nicht ungefährlich ist, die absolut lebenswichtige Bedeutung des Wortes, der sprachlichen Kommunikation, zu verneinen. Indem die Freimaurer dies tun und dafür das Schweigen, das rituelle Erleben fördern und trainieren, befinden sie sich auf dem Weg zur Sprachlosigkeit, zur kommunikativen Isolation. Die Pflege des persönlichen, individuellen Erlebnisses und die Vernachlässigung der sprachlichen Verständigung, besonders auch außerhalb der Loge   der Familie darf ja nicht mitgeteilt werden, was dort geschieht   muss letztlich zur Vereinsamung führen. Einsamkeit aber ist Gefangenheit.

Aus biblischer Sicht spielen Gedanken für die geistige Gesundheit eine wichtige Rolle. Für die gedankliche «Hygiene» und »Disziplin« sind Aussprachen, letztlich vor Jesus Christus, entscheidend wichtig. Sind solche Aussprachen erschwert oder unmöglich, so können Gedanken, Grübeleien, eine zerstörerische Eigendynamik entfalten. Die Gedanken »klagen einander an» (Röm. 2, 15), werden zu immer unentwirrbareren Gespinsten, zu »Festungen« des Gegners (2. Kor. 10, 4f). Die wortlose »Gedankenfreiheit» entpuppt sich als Blockierung, Gefangennahme des wirklichen Lebens.

Auch das sich Verlassen auf menschliche Weisheit, Brüderlichkeit und Hilfe etc. führt zu Bindungen, die aus biblischer Sicht nicht gesund sind.

Während die Hilfe Christi gratis ist, eine Gnade, ein Geschenk, hat Menschenhilfe ihren Preis. Aus menschlicher Sicht sollte Nehmen und Geben zumindest langfristig im Gleichgewicht sein. Einem Gefallen oder einer Leistung sollte mit der Zeit eine Gegenleistung folgen. So entsteht langsam aber sicher ein immer dichter werdendes Netz von gegenseitigen Verpflichtungen und Rücksichtnahmen, das zum Gefängnis werden kann.

Zudem werden wir sehen, dass katholische wie protestantische Autoren der Auffassung sind, dass die Kulte, Riten und Zeremonien der Freimaurer zu okkulter Gebundenheit führen.

Ganz allgemein aber ist die Konzentration auf Erlebnisse, statt auf das Wort, problematisch. Während uns Jesus Christus durch seinen Geist überall und jederzeit zur Verfügung steht, benötigen Erlebnisse stets bestimmte Rahmenbedingungen, die immer wieder reproduziert werden müssen. Der Erlebnishunger kann zur Sucht werden, die uns an konkrete Personen, Räume und Zeiten bindet: «fesselnde» Erlebnisse!

7.4.6. Gleichheit der Menschen?

Bei diesem Ideal kommt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit am krassesten zum Ausdruck. Die Freimaurerei selbst erzeugt in ihrem Bereich vielfältige und aus biblischer Sicht völlig unnötige, eingebildete, kontakthemmende und «Würde Neid» fördernde Ungleichheiten und Abstufungen zwischen Menschen. Valmy meint zwar, dass nur die Hochgrade dem «maurerischen Gleichheitsprinzip widersprechen. Doch meines Erachtens liegt die Förderung von Ungleichheit im Wesen der Freimaurerei selbst, in ihren mystischen, bauhandwerklichen, esoterischen Wurzeln begründet. Die Auswahl der Mitglieder schafft Ungleichheit: Warum werden Frauen, Kinder, Behinderte und Farbige (in den USA) nicht aufgenommen? Die Abstufung von Wissens  und Erleuchtungsstufen schafft künstliche Ungleichheit, die mit dem hinduistischen Kastensystem letztlich wohl verwandt ist. Die Beurteilung der Menschen nach ihren Werken und Leistungen fördert Ungleichheit. Die Menschen Würden begünstigen Ehrsucht, Neid, Kampf ums Ansehen. Die Relativierung des Wortes und Verabsolutierung des Erlebens schafft Ungleichheit. Niemand hat die gleichen Erlebnisse wie ein anderer, und die Möglichkeit des Erlebnis  und Erfahrungsaustausches sind, besonders ohne sprachliche Kommunikation, höchst begrenzt.

Demgegenüber betont die Bibel immer wieder, dass es »kein Ansehen der Person vor Gott« gibt. (Röm. 2, 11) »Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.« (Apg. 10, 34) Bei Jesus Christus sind wirklich alle willkommen. (Mt. 11, 28) Natürlich gibt es auch in der (unsichtbaren) Gemeinde Christi Ungleichheit. Doch diese Ungleichheit ist gottgewollt und unabänderlich. Da nützt alles menschliche «Streben« nichts. Allen Neidereien und allen Eifersüchteleien ist damit der Boden entzogen, und es wird möglich, sich gerade an der gegenseitigen Ungleichheit zu freuen. Die Ungleichheit im «Leib Christi» ist eine Folge davon, dass bei ihm, im Gegensatz zu den Religionen, der einzelne überhaupt nicht vollkommen sein muss, um gerettet zu werden. Er muss nur seine eigene, begrenzte Bestimmung erfüllen   nicht mehr und nicht weniger. Die Gemeinde Christi wird als lebendiger Organismus geschildert, als arbeitsteiliges System (l. Kor. 12, 12ff), in dem die Stärken der einen die Schwächen der anderen ausgleichen. Das Ganze wird durch Christus und seinen Geist zusammengehalten. Dieser Geist also verbindet Ungleichheiten. In der Welt und in den Religionen hingegen wirkt Ungleichheit trennend.

7.4.7. Brüderlichkeit?

Wir haben gesehen, dass den freimaurerischen Legenden, vor allem der Hiramslegende, eine »Parteinahme für Kain» zugrunde liegt. Dieser ist aus unserer Sicht natürlich nicht gerade das größte Vorbild für Brüderlichkeit. Zudem wurde bereits erwähnt, dass das »Elend des Humanismus» unseres Erachtens darin liegt, dass er, sobald etwas schief geht, wiederum nur Menschen beschuldigen kann. Der Vergötzung des Menschen folgt die Anklage, die Bitterkeit gegen Menschen auf dem Fuß. Der »Bruder«, der dem hohen Ideal der Brüderlichkeit nicht entspricht, wird   sogar öffentlich und in der Literatur   des »unbrüderlichen Verhaltens« bezichtigt. Diese Vorwürfe fördern nun ihrerseits sicher nicht gerade eine brüderliche Atmosphäre. »Dann gibt es leider auch den schlechten Freimaurer, der das Nest beschmutzt, wie in allen Vereinigungen von Menschen. Dieser ist es, der der ganzen Bewegung schadet, dem Idealbild, das strahlend human ist.» (Boitel, 22) In einer freimaurerischen Ritualkunde steht geschrieben, wie sich der «schlechte Bruder« verhalten sollte: »So wie wir häufig im profanen Leben dem ‘Freimaurer ohne Schurz’ begegnen, so gibt es auch in jeder Loge den Fremden mit Schurz, der innerlich ein Profaner geblieben ist. Wem das widerfährt, der sollte ehrlich genug sein, sich still wieder zu entfernen, statt jahrelang … die Harmonie der Gemeinschaft zu stören.« (zit. in Binder, S.130) Also: »Bruderkette»? Bruder: nein! Kette: ja! Die eben genannten Faktoren, die Ungleichheit schaffen und fördern, tragen zudem mit Sicherheit auch nicht zu größerer Brüderlichkeit bei. In der Freimaurerei darf sich mit der Zeit jeder «Meister» nennen. Wer ist denn aber wirklich der Meister? Wer zeigt wem den Meister? Die humanistischen Vorstellungen erzeugen Konkurrenz und Rivalität   auch unter «Brüdern». Demgegenüber warnt uns die Bibel eindeutig davor, uns »Meister» nennen zu lassen. Wirkliche Brüder werden wir erst, wenn nur einer unser Meister ist. »Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr aber seid Brüder.« (Mt. 23, 8) Jesus Christus wird in der Bibel auch bezeichnet als der »Erstgeborene von vielen Brüdern«. (Röm. 8, 29) Meines Erachtens kann aufgrund von rein menschlichen Kriterien keine wirkliche Brüderlichkeit entstehen, höchstens eine kurzfristige Gemeinschaftlichkeit, eine eingebildete, geheuchelte Brüderlichkeit. Demgegenüber bezeichnet Christus als seine Brüder diejenigen, die die gleiche Beziehung zum lebendigen, biblischen Gott haben. »Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.« (Mt. 12, 49f)

Das obige Zitat zeigt auch, dass bei Jesus die Frauen nicht ausgeschlossen sind. Bloße Männerbünde aller Art pflegen eine Art von Gemeinschaft, die in der Bibel nicht vorgesehen ist. Sie ziehen zudem Aufmerksamkeit, Zeit, Energie und Geld von den biblisch erwünschten Formen des Zusammenlebens in Familie und Gesellschaft ab. Es sollte doch wohl darum gehen, dass Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder, Gesunde und Kranke usw. lernen, «brüderlich« zusammenzuleben.

7.4.8. Toleranz?

Die Auseinandersetzungen, die im Verlauf der Geschichte seit der Gründung der Freimaurerei innerhalb der Bewegung und gegen außen geführt wurden, zeigen meines Erachtens mehr als deutlich, dass die Freimaurerei nur dort wirklich tolerant ist, wo der eigene Absolutheitsanspruch nicht in Frage gestellt wird. Gegen die aus ihrer Sicht «falschen« Absolutheitsansprüche von Absolutismus, Totalitarismus, Katholischer Kirche usw., die auch aus unserer Sicht »falsch« sind, geht der Geist der Freimaurerei mit allen Waffen vor. Nicht Feindesliebe, sondern Vergeltung mit allen Mitteln, gemäß den rituellen Handlungen des Ritter Kadosch Grades, ist der Weg. Die Freimaurerei ist also tolerant mit den in ihrem Sinn Toleranten, aber selbst intolerant mit ihren Gegnern, die sie als «intolerant» verurteilt. Das soll kurz anhand eines Nebenkriegsschauplatzes illustriert werden.

Die »intoleranten«, bibeltreuen, «orthodoxen», »fundamentalistischen« Protestanten werden keineswegs mit liebendem Verständnis behandelt, was bei wirklicher Überlegenheit angebracht wäre.

Der erwähnte Kirchengeschichtsprofessor Hengstenberg, dessen Argumente gegen die Freimaurerei durch das Eingreifen des späteren Kaisers Wilhelm I. autoritativ «erledigt» wurden, gilt als «intolerant»: «Seine Ablehnung der Freimaurerei wurzelt in seiner Antipathie gegen die Toleranz, deren Wesen ihm fremd war, und gegen die liberal protestantische Auffassung des Christentums, die ihm verhasst war.» (Schenkel, S. 35) Die »positiven« Protestanten werden als unterentwickelt, ungebildet, unfair und abergläubisch hingestellt. (Ebd. S. 34, 40f., 158f., 164f.) Es «wird die Freimaurerei in den pietistischen und orthodoxen Kreisen bekämpft. Doch wird dieser Kampf mehr im stillen geführt mit Verdächtigungen und Verleumdungen, denen ähnliche abergläubische Vorstellungen zugrunde liegen, wie bei der populären katholischen Gegnerschaft.« (Ebd. S. 34) Aus unserer Sicht ist es natürlich die Freimaurerei selbst, die durch ihre fehlende Öffentlichkeitsarbeit den Informationsnotstand produziert. Und das Gebot des Schweigens ist in einer Welt, in der sprachliche Kommunikation lebensnotwendig ist, niemals absolut einzuhalten. Darum kommt es zu all den vielfältigen Gerüchten über die Freimaurerei.

In den humanistischen Universitäten kann scheinbar naiver Christusglaube nicht die Grundlage des Forschens und Lehrens sein, und auch in vielen Landeskirchen wurden die »positiven« Pfarrer systematisch und gründlichlich aus Amt und Würden verdrängt. So gibt es in Europa weite Landstriche, in denen das biblische Evangelium seit Jahrzehnten nicht mehr verkündet wurde und aus unserer Sicht von einem «neuen Heidentum» gesprochen werden muss.

Das Toleranzideal der Freimaurerei beruht auf der Annahme, dass die Götter aller Religionen, besonders der monotheistischen Religionen, letztlich gleich seien. Jesus Christus wird die Göttlichkeit und damit die Einzigartigkeit versagt. Ist der Absolutheitsanspruch Christi aber gerechtfertigt, so beruhen obige freimaurerische Annahme und auch das Toleranzideal auf einem Schwindel. Es ist interessant zu sehen, dass auch die Ringparabel in Lessings »Nathan der Weise«, dem freimaurerischen Lieblingsstück zum Thema «Toleranz», bei genauer Betrachtung nichts anderes darstellt als einen Schwindel: Aus einem einzigen Ring werden drei hervorgezaubert, wobei das Kunststück Lessings darin besteht, zu vertuschen, dass es sich hier eigentlich um einen Taschenspielertrick handelt. Die Freimaurerei lässt also den einen wahren Ring, Jesus Christus, verschwinden und präsentiert der Menschheit stattdessen drei falsche. Die Toleranz ist die gebotene Umgangsform zwischen denen, die die Herrschaft und Gottessohnschaft Christi ablehnen.

Christusgläubigen wird von denen, deren Herz voll von allen Religionen und Nicht Religionen ist, vorgeworfen, sie seien einseitig, «eng», «stur» und liessen andere Glaubensformen nicht leben. Insofern seien sie »intolerant«. Meines Erachtens können und sollen wir es niemandem verbieten, Freimaurer zu sein oder das Glück in anderem humanistischem, religiösem oder sonstigem Erleben zu suchen. Druck, Zwang und Ungeduld sollten un¬bedingt vermieden werden. Sie sind auch nicht nötig, wenn Jesus Christus wirklich auferstanden und der Herr der Welt ist. Der erzieherische Zwang, die »Gesetzlichkeit« mancher Christen mag zur Abwendung vieler Zöglinge beigetragen haben. »Der Zwang des Gewissens ist das Gemeinste und Unwürdigste, was man einem Menschen antun kann.« (Schenkel,164) Dieses Anliegen der Toleranz im Sinne des Vermeidens von Zwang, im Sinn der Glaubens , Gewissens  und Entscheidungsfreiheit sollten wir unbedingt ernst nehmen.

Auf der anderen Seite brauchen wir uns aber auch die freimaurerischen und liberalprotestantischen Zwänge, Intoleranzen und Diffamierungen nicht länger gefallen zu lassen. Wir brauchen nicht mehr unbedingt dort mitzubauen, wo nicht Jesus Christus der Eckstein ist. Die Zuwendung zum biblischen Jesus Christus bedeutet die Abwendung von allen anderen Göttern und Gurus. Diese Konzentration bedeutet nicht Armut und Engstirnigkeit, sondern Reichtum und Öffnung von unermesslichen Horizonten. Wirklicher Reichtum ist nicht von der grossen Zahl abhängig. Wenn Jesus Christus wirklich grundsätzlich überlegen ist, wenn er wirklich als einziger lebt, während alle anderen tot sind, dann kann er auch z. B. von, den 350 Millionen Hindugöttern nicht geschlagen werden. Alle andern können nicht gegen den Hauch seines Atems bestehen. Es sind Scheingötter, Götzen, und es wäre dumm, ihnen weiterhin Referenz zu erweisen. Wir lehnen die Vielfalt des Todes ab, und wenden uns der Vielfalt, dem Reichtum des Lebens zu. Eng ist nun allerdings der Weg, die Tür zu diesem Reichtum. «Schmal ist der Weg, der zum Leben führt …« (Mt. 7, 14) Der biblische Christus sagt bekanntlich: »Ich bin der Weg … » (Joh. 14, 6) «Ich bin die Tür … « (Joh. 10, 9) Zum Reichtum des Gottes der Bibel gelangen wir also nur, wenn wir Jesus Christus samt seinem Absolutheitsanspruch ernst nehmen. Der Absolutheitsanspruch ist der Kern, das Wesen, die Spitze, der Sinn seines Lebens. Ohne den Absolutheitsanspruch Christi betreiben wir Totenverehrung, setzen uns bewusst oder unbewusst sogar selbst an seine Stelle. Es ist wohl verständlich und sogar zu begrüssen, wenn ein grosser Teil der Bevölkerung solchen »Gottesdienste« fern bleibt. In Jesus Christus «wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.» (Kol. 9, 9f) Es soll jedem frei stehen, sich mit weniger zu begnügen. Doch die Glaubenden werden sich diese Fülle niemals mehr wegzaubern lassen. Der echte Ring ist nicht verloren, wir brauchen keine künstlichen Ringe.

7.4.9. Weisheit?

Es ist bereits zur Sprache gekommen, dass aus biblischer Sicht »die Weisheit der Welt Torheit vor Gott» ist (1. Kor. 3, 19). In Jesus Christus «sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Das sage ich, damit euch niemand durch Überredungskünstetäuscht.« (Kol. 2, 3f) Wirbrauchen uns also nie mehr vom Gerede von Leuten täuschen zu lassen, die behaupten, »höhere» Erkenntnis zu besitzen, oder sich auf ihre »Gelehrtheit» etwas einbilden. Wir brauchen auch nie mehr solche Erkenntnis zu suchen. Täuschung führt zur Enttäuschung. Als Christusgläubige versuchen wir nicht mehr, unsere Weisheit selbst zu produzieren. Das würde zu lächerlichen Resultaten führen. Der Heilige Geist, der »Geist der Wahrheit», wird uns in alle Wahrheit leiten. (Joh. 16, 13)

An dieser Stelle sei noch eine Bibelstelle angeführt, die mir wichtig und deutlich zu sein scheint (l. Kor. 1, 20 31):

»Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. Seht doch auf eure Berufung, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt; das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott. Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn.»

Zusammenfassung: Die freimaurerischen Ideale wie Friede, Humanität, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz, Weisheit usw. sind wohl der biblischen Tradition entnommen, doch die Freimaurer versuchen nun, diese ohne den Absolutheit beanspruchenden Jesus Christus zu verwirklichen. Aus biblischer Sicht muss dieses Unterfangen scheitern, weil es von falschen Voraussetzungen und einer völligen Verkennung der wirklichen, «wahren» Herrschaftsverhältnisse ausgeht. So werden denn diese Ideale nicht nur nicht erreicht, sondern es entsteht sogar das pure Gegenteil: statt Friede Auseinandersetzungen bisher ungeahnten Ausmasses und mit völlig neuen Waffen; statt Humanität Rollen der Köpfe; statt Freiheit Einsamkeit, Sprachlosigkeit, Isolation, Gebundenheit; statt Gleichheit künstliche, unnötige, menschengemachte Ungleichheit; statt Brüderlichkeit Enttäuschung gegen und Bitterkeit über Menschen; statt Weisheit Torheit.

7.5. Gefährlicher Kult

Wir haben gesehen, dass die kultischen Handlungen der Freimaurer hinter geschlossenen Türen, in »gedeckter Loge« stattfinden. Zudem meinen sie, die »wirklichen«, «tiefsten» Wahrheiten seien sprachlich nicht kommunizierbar. So setzen sie an die Stelle des Wortes das kultische Erleben. In der Loge werden symbolische Handlungen vollzogen, die insofern ein »Geheimnis« darstellen, als sie nicht intersubjektiv gleich erlebt und darum scheinbar anderen nicht mitgeteilt werden können.

Die biblische Sicht der Dinge ist dem völlig entgegengesetzt. Die biblischen Wahrheiten sollen nicht «privatisiert», wie ein Schatz gehütet und verborgen, sondern aller Welt in aller Öffentlichkeit mitgeteilt werden: »Gehet hin in alle Welt. . .« (Mt. 28, 18ff) Am Anfang war zudem nicht die Tat oder das Erleben, sondern das Wort. Natürlich sind auch für Christen Erlebnisse nicht ohne Bedeutung, doch Erlebnisse sind Folgeerscheinungen, wir orientieren uns nicht in erster Linie am Erleben. Aus biblischer Sicht gibt es zudem keine «Geheimnisse», die nicht ans Licht kommen können und sollen. «Wir meiden schändliche Heimlichkeit und gehen nicht mit List um, fälschen auch nicht Gottes Wort, sondern durch Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns dem Gewissen aller Menschen vor Gott.» (2. Kor. 4, 2)

Aus biblischer Sicht ist alles verdächtig und für die Menschen gefährlich, was sich verbirgt, was sich mit »Geheimnissen« umgibt und mit »höherer Erkenntnis» brüstet. Das Verborgenene, Heimliche liegt in der »Finsternis«, und es soll ans «Licht» kommen, es soll schliesslich alles «offenbar» werden. «Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf!« (Eph. 5, 1; 1. Tim. 6, 20)

»Es ist aber nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Darum, was ihr in der Finsternis sagt, das wird man im Licht hören; und was ihr flüstert in der Kammer, das wird man auf den Dächern predigen.« (Lk. 12, 2f; 8, 17; Mt. 10, 26f; Mk. 4, 22) Über die heimlichen Taten heisst es: »Was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn’s vom Licht aufgedeckt wird.« (Eph. 5, 1 2f) Jesus Christus ist dieses Licht. (Joh. 8, 12; Eph. 5, 14)

Natürlich würden Freimaurer energisch dagegen protestieren, ihre kultischen Handlungen als »Werke der Finsternis» zu bezeichnen. Es werden ja schliesslich keine Verbrechen und keine Vergehen begangen. Die meisten Freimaurer wollen im Gegenteil sicher ehrlich und aufrichtig das Beste für die Menschheit. Sie sind sich keiner »bösen Taten» bewusst. Nach Schenkel sind nur die Formen der freimaurerischen Kulthandlungen den antiken Mysterienkulten entnommen, die Inhalte dagegen seien »aufgeklärt» und rein humanistisch, hätten mit Mystik, Magie und Okkultismus nichts zu tun. Unseres Erachtens lassen sich Formen und Inhalte niemals derart trennen. Alle Formen vermitteln auch Inhalte, und Inhalte können ohne ihnen gemässe Form gar nicht vermittelt werden. Zudem haben wir gesehen, dass im Schottischen Ritus erst die obersten Grade einen aufklärerischen Inhalt haben. Die Tore zum Okkultismus sind sperrangelweit offen. Mehr noch: Wenn Christus das Licht ist und seine Aussagen absolute Geltung haben, dann befindet sich schon (oder noch) jeder im Bereich der Finsternis, der diese geistige Tatsache ablehnt. Zudem ist es unmöglich, mit dem Okkulten nur ein bisschen zu spielen und trotz allem den Kopf oben zu behalten. »Jede Hinwendung zum Okkulten führt tiefer hinein in den Okkultismus. Dies ist ein Lebensgesetz aller geheimen Gesellschaften, ebenso wie auch der initiatorischen Vereinigungen, die sich nicht als geheim bezeichnen. Es ist durch nur zu gut bekannte Gründe zu erklären: enttäuschte Neugier, Eitelkeit, Verlangen nach dem Mysterium, Stolz darauf, die Eingeweihten spielen zu können.« (Mellor, 451). Nach Mellor treiben die Logen mit grosser Selbstverständlichkeit Magie   meist ohne es zu wissen. (Ebd. S. 312)

Nach unserer Auffassung kann nur Jesus Christus Licht in diese Zusammenhänge bringen. In der Bibel steht, was das Passwort der Lehrlinge und Meister »Tubalkain« bedeutet. Den meisten Freimaurern ist dies wohl nicht bekannt, und es käme ihnen nie in den Sinn, dass es gefährlich sein könnte, immer wieder ausgerechnet dieses Wort auszusprechen. Worte sind scheinbar nebensächlich. Bewusst oder unbewusst lernen Freimaurer laufend und immer gründlicher, am Wort Gottes und am biblischen Jesus zu zweifeln, seine Worte zu relativieren. Das Wort »Tubalkain» ist nur ein Beispiel. Tatsächlich führt jedes Wort, jedes Symbol und alles Handeln schrittweise weiter weg vom biblischen Gott und seinem Sohn. Baum stellt das besonders fest bei: der »Magie der Bruderkette«, den Hals-, Brust- und Bauchzeichen, den «Gebeten», der »Magie des freimaurerischen Symbolismus«, den Ritualen der Hochgradfreimaurerei sowie der Magie des Würfels, der Würfelkreuze, des Merkursiegels, der Amulette, Abzeichen und anderen Kleinodien, die den Freimaurern wichtig sind.

Manche Freimaurer spüren, dass ihnen das kultische Erleben und Handeln nicht gut tut. Die »Ritualfähigkeit« ist ein Problem, das auch in der Freimaurerei selbst wahrgenommen wird. «Ein weiteres Problem im Bereich der Enttäuschung stellt die Gewöhnung an das Ritual dar, da sichtlich die Ritualfähigkeit im Zuge des gruppendynamischen Formungsprozesses und der persönlichen Rezeption des Dargebotenen erst allmählich steigt.« (Binder,132)

In Kurt Koch’s «Okkultem ABC« ist die Freimaurerei m. E. zu Recht aufgeführt. Er berichtet von einem Freimaurer in seiner Seelsorge, der »regelrecht unter einer geistlichen Blockade stand. Er war nicht in der Lage, die Heilstatsachen des Neuen Testamentes zu verstehen, geschweige denn, sie anzunehmen.» (Koch, 1988, S.144) »Es ist die Erfahrung vieler geistlich lebendiger Pfarrer in Nord Amerika, dass die Gemeinden, deren Pastor Freimaurer ist, geistlich tot sind. Es ist auch schwer, solchen Gemeinden das Evangelium zu verkündigen. Man hat den Eindruck, dass irgendwie ein Bann über der ganzen Kirche liegt.« (Ebd. 144)

7.6. Relativierender Einfluss

Die Freimaurerei hat durch ihre Mitglieder einen relativierenden Einfluss in allen Bereichen des staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Mit den Worten der Bibel ausgedrückt: Sie sammelt nicht, sondern sie zerstreut. (Lk. 11 , 23)

Die Freimaurerei relativiert jeden menschlichen Glauben und jede Lebensäusserung als subjektiv, geschichtlich, kulturell, familiär, ökonomisch oder vielfältig anders bedingt. Sie relativiert jeden Aspekt menschlichen Seins durch sein Gegenteil und vermischt alle lebendigen Gegensätze, so zum Beispiel: Leben und Tod, Licht und Schatten, Wissen und Glauben, die Rationalität der Aufklärung und die mystische Form des Kultus, die Freiheit der Person und die starre, «rechtwinklige» Haltung in und ausserhalb der Loge usw.

Die Freimaurerei hebt alle Herrschaftsformen auf, indem sie sie gegeneinander ausspielt. Die Monarchien sollen durch demokratische Elemente ergänzt, relativiert werden. In den Demokratien soll die Gewaltentrennung Machtmissbrauch verhindern. Gesetze sollen das staatliche Handeln kalkulierbar machen, der Willkür entziehen und die individuelle Freiheit begrenzen. Die Gesetze gelten nicht absolut, sondern müssen in einem bestimmten Verfahren geändert werden können. Heute treten immer mehr auch die Medien als neue politische Macht in Erscheinung.

Gefördert werden überstaatliche Vereinigungen, doch sollen diese nicht zu stark werden. Einem Übermass an staatlicher oder wirtschaftlicher Zentralisierung wird mit Dezentralisierung und Föderalismus begegnet. Das Ideal ist die ideelle aber auch die politische und die religiöse Vereinigung aller Menschen bei gleichzeitiger Wahrung der »Freiheit« der einzelnen Individuen, Staaten und Kirchen.

Die Herrschaftsbereiche von Kirche und Staat sollen begrenzt werden durch die Trennung beider voneinander sowie durch die Schaffung eines neuen, dritten Bereiches der »freien« gesellschaftlichen Betätigung.

Die Freimaurerei fördert die Konzentration auf alles konkrete, diesseitige Schaffen und verrichtet gleichzeitig in den Logen »spekulative« Arbeiten. Dabei relativiert sie auch sich selbst: Dem »Allmächtigen Baumeister aller Welten» wird durch die Existenz atheistischer Logen absolute Anerkennung versagt. Im Gegensatz zu den humanistischen Systemen wird in deer christlichen Lehrart ein gnostischer Christus verehrt, der sich vom biblischen Jesus Christus grundsätzlich unterscheidet.

Alle freimaurerischen Lehrarten relativieren die Bedeutung des Wortes, der sprachlichen Kommunikation im weitesten Sinn. Die Freimaurerei erzieht zum Schweigen und fördert aussersprachliche Kommunikations  und Erlebnisformen. Gleichzeitig relativiert sie die Geltung und Bedeutung der eigenen Symbole, Riten und Kulte, indem sie auf allgemein verbindliche Symbolinterpretationen verzichtet.

Man kann den Geist der Freimaurerei als einen Geist des «absoluten Relativismus» bezeichnen. Es liegt ihm sozusagen die absolute Gewissheit zugrunde, dass es keine absolute Gewissheit gibt.

Aus biblischer Sicht ist diese absolute Gewissheit   zum grossen Glück für uns alle   falsch. Die absolute «Emanzipation» von allen Absolutheit beanspruchenden Autoritäten wird heute noch als «Freiheit« gefeiert und als »Mündigkeit« gepriesen. Doch wenn der Erlebnisrausch ausgeschlafen ist, könnte deutlich werden, wohin dieser Weg führt: in die Irre, in die totale Verwirrung, in den Wahnsinn, in die Trennung aller von allen. Das könnte nichts anderes sein als der Vorhof zur Hölle, an deren Existenz »aufgeklärte» und »gebildete« Geister natürlich nicht glauben.

7.7. Herausforderung

Die Freimaurerei ist erst seit kurzem Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Lange konnte sich dieses bedeutende geistige Gebilde mit Erfolg verbergen. Noch in den heute gebräuchlichen Lehrbüchern der Kirchengeschichte wird sie kaum in Fussnoten erwähnt, dabei ist sie für die Entstehung, die Entwicklung und das Verständnis der heutigen Zeit von ausserordentlicher Bedeutung.

Der hinter der Freimaurerei steckende Geist strebt eindeutig Weltherrschaft an. Aber die tatsächliche Herrschaft übt gemäss biblischer Wirklichkeit nicht er aus. Er scheint zu herrschen, indem er erfolgreich auch aus unserer Sicht »falsche« Herrschaft bekämpft. Er kann aber die von ihm geförderten Staats , Wirtschafts  und Gesellschaftsformen nicht mit Leben füllen. Er erlaubt keine allgemeine Orientierung in der Welt der von ihm entthronten Absolutismen. Er sammelt nicht, sondern zerstreut. Seine zersetzende »Arbeit» mag aber zum Bewusstsein der Verlorenheit der Menschheit führen, zur Einsicht, dass wir alle verloren sind, sofern wir nicht annehmen, dass es einen einzigen, einmaligen, göttlichen Menschen gibt, der den Geist des absoluten Relativismus längst besiegt hat und der allen Relativierungsangriffen widersteht. Dank dieser Annahme brauchen wir uns vor der »freimaurerischen Herrschaft« nicht zu fürchten. Wir wissen: Alles was mit diesem freimaurerischen Geist zusammenhängt, ist seinerseits höchst relativ, vergänglich, Schall und Rauch, dem Tod geweiht.

Freimaurern kann aus unserer Sicht nur eines geraten werden: Umkehren, das Leben dem biblischen Jesus Christus anvertrauen, aus der Loge austreten, zur besseren Bewältigung der wahrscheinlich folgenden geistigen Kämpfe einen gläubigen Seelsorger beiziehen. Das alles so rasch wie möglich, besser heute als morgen.

Den Freimaurern sollten wir mit Verständnis, nicht mit Verteufelung begegnen. Sie sind die Getäuschten, nicht die Täuscher, die Opfer, nicht die Täter. Wir kämpfen nicht gegen Menschen. Dem Geist des Humanismus liegt es daran, unter dem Deckmantel der Humanität, der Menschenrechte und der Menschenwürde Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Wir werden dann zur lebenden Menschheit, wenn wir diesem Geist widerstehen und nicht mehr auf seine Tricks hereinfallen. Das ist nur mit dem Schutz, der Kraft und der Führung dessen möglich, der vor zweitausend Jahren sein Leben für uns hingegeben hat.

 

Literaturverzeichnis

Abkürzungen:

FM = Freimaurer; FM? = Freimaurer Freund, möglicherweise Freimaurer; FMG = Freimaurer-Gegner; Wiss. = Wissenschaftler; Kath. = Katholik; Prot. = Protestant (lib. = liberal, bibl. = biblisch positiv»); Journ. = Journalist; SA = Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich; ZB = Schweizerische Zentralbibliothek, Zürich.

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G. A. Schiffmann, Das Verhältnis der Freimaurerei zum Christentum und zur Kirche. Stettin 1857. [FM, Prot. lib.] ZB BBN 6266. 1; Gal XVI 1061   Ders., Offener Brief an Herrn Dr. Nielsen, Professor der Kirchengeschichte in Copenhagen, als Antwort auf seine Schrift Freimaurerthum und Christenthum, Leipzig: Verlag Bruno Zechel, 1883. (Schiffmann war einer der wichtigsten Wortführer der Freimaurerei in der Auseinandersetzung mit den positiven Theologen Hengstenberg und Nielsen. Er war evangelischer Geistlicher, Archidiaconus an St. Jacobi in Stettin, Mitglied des »Protestantenvereins» sowie als Freimaurer Provinzial Grossmeister für Posen und Unterarchitekt des Ordens).

J. N. J. Schmidt, Wurzeln der Freimaurerischen Gemeinschaft. Rückblick und Ausblick, Zürich: Origo Verlag, Reihe Lehre und Symbol Bd. 14, 1961. [FMI SA 28 120

Herbert Schneider, Deutsche Freimaurer Bibliothek. Verzeichnis der Bi¬bliothek des Deutschen Freimaurer Museums Bayreuth, Hamburg 1977. [FM] ZB Bibliogr. 111 B 206

Hermann und Georg Schreiber, Mysten, Maurer und Mormonen. Geheimbünde in vier Jahrtausenden, Wien/Berlin/Stuttgart: Paul Neff Verlag, 1956. (Wiss.) SA 22 777

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Reinhold Taute, Die katholische Geistlichkeit und die Freimaurerei. Ein kulturgeschichtlicher Rückblick, Berlin: Verlag von Franz Wunder, 1909, 3. Aufl. [FM] ZB BBN 6266.4

Brigitte Ulmer, Freimaurer Logen: Die stille Renaissance, in: Sonntags¬-Zeitung, 11.2.1990. [Journ.]

Marcel Valmy, Die Freimaurer. Arbeit am Rauhen Stein. Mit Hammer, Zirkel und Winkelmass. München: Callwey Verlag, 1988. [FM]

Karl Theodor August Wernicke, Beleuchtung der Angriffe der Evangelischen Kirchenzeitung gegen den Freimaurer Orden und den Eintritt evangelischer Geistlicher in denselben von einem Freimaurer. Berlin 1854. [FM] ZB AB 57512

Friedrich Wichtl, Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik. Eine Untersuchung über Ursprung und Endziele des Weltkrieges, München: J. F. Lehmanns Verlag, 1919. [Nat., FMG] SA 5815

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Der Autor:

Martin Hohl Wirz wurde 1949 in Herisau/AR geboren und studierte in den Jahren 1968 bis 1973 Ökonomie an der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts  und Sozialwissenschaften. Mit der Dissertation zum Thema «Die wirtschaftstheoretische Bedeutung von Entfremdungstheorien» promovierte er zum Doktor der Ökonomie. 1978 bis 1980 erteilte er Unterricht an der Kantonsschule Hottingen in Zürich. Anschliessend war er während fünf Jahren (1981-1985) für ausserbetriebliche Information bei der BBC AG Brown, Boveri & Cie. in Baden zuständig. 1986 bis 1989 arbeitete er als Sekretär und Redaktor beim Verband schweizerischer Angestelltenvereine der Maschinen- und Elektroindustrie (VSAM). Seit 1989 studiert er Theologie an der Freien Evangelisch Theologischen Akademie Basel (FETA).

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen der kirchengeschichtlichen Seminare an der FETA unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. E. Grossmann.

Weiter Artikel zum Thema Freimaurerei aus biblischer Sicht:

Die Freimaurerei – von Pfr. Dr. Kurt E. Koch

Freimaurerei und Evangelische Allianz – Erich Brüning

Charta Oecumenica – Ulrich Skambraks

Gleichheit – Freiheit – Brüderlichkeit – Dr. Samuel Külling

Die antichristliche Revolution der Freimaurerei – Manfred Adler

Die Verschwörung des Antichristus – Norbert Homuth

Christus und die Welt des Antichristen – Pfr. Wolfgang Borowsky

Weltmacht Zionismus  – Manfred Adler

Die geplante Weltregierung – Manfred Adler

www.horst-koch.de

info@horst-koch.de

 




Triumph d. Gekreuzigten Teil I

Erich Sauer

Der Triumph des Gekreuzigten

– Ein Gang durch die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte-

Hier Teil 1

Teil 1: Der Aufgang aus der Höhe
Teil 2: Die Gemeinde der Erstgeborenen
Teil 3: Das kommende Gottesreich
Teil 4: Weltvollendung

Hier Teil 1; näheres siehe letzte Seite. Leichte Kürzungen und die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, 2003

Vorwort

»Triumph des Gekreuzigten« -, das ist der Sinn der neutesta­mentlichen Offenbarungsgeschichte. In immer helleren Lichtkreisen läßt Christus, der Triumphator, seinen Himmelsglanz erstrahlen. Die Gewinnung der Gemeinde, die Bekehrung der Völkerwelt, die Verklärung des Universums – das sind die drei Hauptstufen in dem Triumphzug seiner Erlösung.

Christus selbst ist der »Erstling«, der Anfang einer neuen Mensch­heit. In har­monischem Rhythmus von Äonen und Perioden geht der Gesamt­haushalt Gottes seinem Ewigkeitsziel entgegen. Das Ende des Gan­zen ist, wie der Anfang, Gott selbst (1. Kor. 15, 28).

Diesen Zusammenhang zu schauen, ist die Aufgabe der Heilsge­schichte. Sie zeigt uns den göttlichen Weltplan als Einheit in der Vielheit, als Stufengang, der nach oben führt, als Erdengeschichte, die das Weltall umspannt. Sie zeigt uns die Bedeutung der einzelnen Heilsereignisse, die Gottesordnung der Zeitalter, das Ziel des geschöpflichen Gesamtwerdens. …

Auf Vollständigkeit ist es nirgends im folgenden abgesehen. Worum es sich nur handeln kann, ist lediglich die Her­ausstellung gewisser Grundzüge der neutestamentlichen Haushal­tungen, und auch dies nur überblickartig und in bewußter Be­schränkung auf das Allerwichtigste, sondern überall Vorherrschaft der geschichtlichen Gesichtspunkte, keine »Neutestamentliche Theologie«, sondern einfache Beschreibung der neutestamentlichen Heilsentfaltung, vor allem des »Sinnes« der Heilsereignisse.

Erich Sauer, Bibelschule Wiedenest, im Januar 1937

 

Erster Teil: Der Aufgang aus der Höhe

1. Das Erscheinen des Welterlösers
2. Der Name »Jesus Christus«. Das dreifache Amt
3. Die Himmelreichsbotschaft
4. Der Entscheidungskampf von Golgatha
5. Der Triumph der Auferstehung
6. Die Auffahrt des Siegers
7. Die Eröffnung des Gottesreiches

1. Kapitel. Das Erscheinen des Welterlösers

Mit jubelndem Frohlocken himmlischer Heerscharen trat das Evangelium auf den Schauplatz der irdischen Welt. „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!” So klang es zur nächtlichen Stunde auf Bethlehems Fluren (Luk. 2, 14).

Er, auf den die Väter längst geharrt, trat in die Mitte seines Volkes als die Hoffnung« und der Trost« Israels (Luk. 2, 25). Gott geoffenbart im Fleisch!« Welch Geheimnis der Gottseligkeit! (1. Tim. 3, 16). Zwar kam er in Knechtsgestalt (Phil. 2, 7) und bettelarmer Niedrigkeit; aber dies Äußere war nur das Zelt« seiner innewohnenden Göttlichkeit. Auch im Lande des Todes blieb er der Fürst des Lebens« (Apg. 3, 15); denn in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen« (Joh. 1, 4).

I. Die Gottesbotschaft der Zeitenwende

Ein dreifaches Zeugnis himmlischer Boten hatte das große Ereignis angesagt.

1. Christus – der Gottessohn. Die erste Ankündigung ge­schah im Tempel an Zacharias den Priester (Luk.1, 8-13). Sie schloß sich sofort an die letzte und höchste der alttesta­mentlichen Weissagungen an (Mal. 3, 23). Sie handelte zunächst von der Geburt des Wegbereiters, des zweiten »Elias«, und sagte, daß er, dessen Vorläufer dieser »Elias« werden sollte, kein Geringerer sein würde als der HErr, der Gott Israels selbst. »Viele von den Kindern Israels wird er zu dem HErrп, ihrem Gott, zurückführen. Gerade diesen nahenden HErrп und Gott hatte Maleachi im Geiste geschaut und ihn als den »HErrn der Heerscharen« bezeichnet, »der da unversehens zu seinem Tempel kommt« (Mal. 3,1). Wie passend war es darum, daß gerade in einem Tempel diese Prophe­tenbotschaft ver­kündigt wurde.

2. Christus – der Davidssohn. Die zweite Ankündigung ward Maria, der frommen Jungfrau aus Davids Hause, zuteil (Luk. 1, 26-38). Hier knüpfte der Engel an die davidischen Verheißungen an, und zwar sofort an die älteste und erste, die dem David selbst durch Nathan den Propheten gegeben wor­den war und die den Messias als Gottes- und Davidssohn bezeichnet hatte (1. Chron. 17, 13; Luk. 1, 32). »Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden, und Gott der HErr wird ihm den Thron seines Vaters David geben (Luk. 1, 32). Auch hier ist also die Engelbotschaft wun­dersam fein auf die Person des empfangenden Menschen ab­gestimmt.

3. Christus – der Heiland. Die dritte Ankündigung ward schließlich dem Joseph gegeben. Er kam, trotz seiner davidi­schen Abstammung, nicht als Vater, sondern nur als Pflege­vater in Betracht, also lediglich als gläubiger, bußfertiger Israelit, nur dazu bestimmt, den Erlöser in sein Haus aufzu­nehmen. Ihm wurde darum gesagt, was der Messias für das erlösungsbedürftige, glaubende Israel sein würde. Er ist der »Immanuel, der von Jesaja geweissagte »Gott mit uns« (Jes. 7, 14; Matth.1, 23). »Des Namen sollst du >Jesus< heißen; denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sün­den« (Matth. 1, 21). Hier war von dem Amt und dem Werk des Erlösers als solchem die Rede. Und gerade dies ist das Wichtigste; denn Christus ward nicht Erlöser, um Gottes- und Davidssohn zu sein, sondern er trat als Gottes- und Davids­sohn auf, um Erlöser zu sein. »Jesus« – »Der HErr ist Ret­tung« – ist darum sein eigentlicher Name, und das Erlösersein ist so ganz sein eigenstes, innerstes Wesen, daß er den Namen »Erretter« direkt als menschlichen Personennamen trägt.

Alle drei Engelankündigungen aber wurden zusammenge­faßt in der nächtlichen Botschaft der himmlischen Heerscharen auf dem Hirtenfelde von Bethlehem:

»Euch ist heute der Heiland geboren« – das ist die Er­füllung der Immanuelsweissagung Jesajas und der Anord­nung des Jesusnamens an Joseph -,
»welcher ist Christus der HErr – das ist die Erfüllung dei Maleachibotschaft von dem kommenden »HErrn« und »Gott« an Zacharias -,
»in der Stadt Davids« – das ist die Erfüllung der Nathans­botschaft vom Davidssohn an Maria.

Mit diesem vierfachen Zeugnis direkter Himmelsbotschaften durch Engelmund klang noch harmonisch zusammen ein sie­benfaches, indirektes Geisteszeugnis durch den Mund gläu­biger Menschen:
Zacharias, die Hirten, Simeon und die Wei­sen aus dem Morgenlande, ferner Elisabeth, Maria und Hanna standen da wie leuchtende Fackeln am Eingang der Zeiten­wende, welche hinwiesen auf den, der da kommen sollte, den »Aufgang aus der Höhe« (Luk. 1, 78), den großen Erretter aus Davids Geschlecht. Und zwar priesen

Zacharias – den Besuch Gottes (Luk. 1, 68),
die Hirten – den Heiland (Luk. 2, 20 vgl. 11),
die Weisen – den König (Matth. 2, 11 vgl. 2),
Simeon – das Licht der Welt (Luk. 2, 31).E
Elisabeth – die Glückseligkeit (Luk. 1, 41-45)
Maria – die Barmherzigkeit (Luk. 1, 54)
Hanna – die Erlösung (Luk.2, 38).

II. Die Menschwerdung als geschichtliche Tat

Gewaltige Bewegungen in der oberen Welt müssen dem Erscheinen des Gottessohnes auf Erden vorangegangen sein. Nur wenig lüftet die Schrift den Schleier. Doch teilt sie uns, gleichsam aus einem innergöttlichen Zwiegespräch, ein Wort mit, das der Sohn gerade »bei seinem Eintritt in die Welt« zum Vater sprach: »Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, wohl aber hast du mir einen Leib bereitet; an Brandopfern und Sündopfern hast du kein Wohlgefallen ge­funden. Da sprach ich: Siehe, ich komme, in der Rolle des Buches ist von mir geschrieben, daß ich tue, o Gott, deinen Willen« (Hebr. 10, 5-7).

Und dann geschah das Unbegreifliche. Der Sohn verließ des Himmels Pracht und ward ein Mensch wie wir. Aus der Ewigkeitsform göttlicher Überweltlichkeit begab er sich freiwillig in das Verhältnis menschlicher Innenweltlichkeit. Aus der freien Unbedingtheit und weltregierenden Absolutheit der göttlichen Gestalt trat er ein in die raumzeitliche Begrenztheit dei Kreatur. Das ewige »Worte ward menschliche Seele und entäußerte sich seiner weltumspannenden Herrschergewalt. Mag die Gesinnung der Selbstsucht sogar fremdes, unrecht­mäßiges Gut als willkommenen »Raub« (Phil. 2, 6) mit Zähigkeit festhalten: er, der Urquell der Liebe, sah nicht einmal seinen ureigenen, rechtmäßigen Besitz, seine göttliche Gestalt und gottgleiche Stellung, als unbedingt zu behauptendes Gut an, sondern gab ihn dahin, um uns zu erretten. Er stieg hinab »in die niederen Gegenden der Erde (Eph. 4, 9), um uns, die Erlösten, dann mit sich und in sich emporzuheben in die Hö­hen des Himmels. Gott wurde Mensch, auf daß die Menschen göttlich würden. Er ward arm um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armut reich würden (2. Kor. 8, 9).

Für die Heilsgeschichte der Menschheit aber ist Christi Er­scheinen die innerste »Sinnmitte«. Was vor ihm geschah, kam lediglich im Hinblick auf ihn zustande; was nach ihm ge­schieht, wird nur in seinem Namen vollbracht. Wie die buntschillernden Farben eines Prismas, trotz aller Verschiedenheit, dennoch nur Ausstrahlungen eines und desselben Lichtes sind, so wird auch die Offenbarungsgeschichte mit all ihren Haus­haltungen von einem einheitlichen Lebensprinzip getragen. Christus der Mittler ist der Eckstein des Ganzen. Sein Wirken auf Erden ist der Wendepunkt alles Werdens, und die Ge­schichte seiner Person ist der wesenhafte Inhalt aller Ge­schichte. Damit aber wird die Menschwerdung Christi das In-Erscheinung-Treten des göttlichen Weltfundaments, der Eintritt des HErrn der Geschichte in die Geschichte selbst, und die Krippe von Bethlehem, in Verbindung mit Golgatha, wird auf ewig

Aller Zeiten Wendepunkt,
aller Liebe Höhepunkt,
alles Heiles Ausgangspunkt,
aller Anbetung Mittelpunkt.

Wie sich aber in Christo diese beiden, seine Gottheit und seine Menschheit, in einem vereinen, das vermag niemand zu erklären. Das Geheimnis seiner Selbsterniedrigung ist ewig un­ergründlich. Christus tat nicht nur Wunder, sondern war selber ein Wunder. Begreifen wir doch schon die Zeit nicht; sie ist uns ein Rätsel. Noch viel weniger begreifen wir die Ewigkeit; sie ist uns erst recht ein Rätsel. Wie können wir da das Rätsel der Rätsel begreifen, die Vereinigung dieser beiden, entgegenge­setzten Geheimnisse, den »Schnittpunkt« dieser zwei »Paralle­len« in der Zeit, die organisch-harmonische Verbindung von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Gottheit und Mensch­heit in einer Person, in Jesus von Nazareth.

III. Menschwerdung und Auferstehung

Um aber die Heilsbedeutung der Menschwerdung noch le­bendiger zu schauen, müssen wir sie im Zusammenhang mit der Auferstehung des HErrn betrachten, und zwar hier unter einem dreifachen Gegensatz:

1. Erniedrigung und Erhöhung,
2. Heilserwerbung und Heilsvollendung,
3. Geschichtliche Form und ewige Idee.

1. Denn in der Tat! Trotz alles Herabsteigens aus Himmels­höhen war es nicht eigentlich das Menschwerden an sich, was für den Sohn des Höchsten jene unendliche Erniedrigung be­deutete, sondern das Eingehen in die Form der unverklärten, unter den Folgen der Sünde stehenden Menschheit (Röm. 8,3); denn wenn schon das Menschsein als solches eine Erniedri­gung des Sohnes Gottes gewesen wäre, dann hätte ja seine Erhöhung nicht etwa in einer Verklärung, sondern in der völ­ligen Ablegung seines ganzen menschlichen Wesens bestehen müssen! Und doch ist es die klare Lehre der Heiligen Schrift, daß Jesus in seiner Erhöhung die Form der Menschheit behal­ten habe, daß also seine Auferstehung und Himmelfahrt nichts Geringeres in sich schlössen als die Verewigung seines Menschseins in verklärter, verherrlichter Form, wenn auch in einer uns völlig unvorstellbaren Weise!
Er ging zwar ein in die »Knechtsgestalt« (Phil. 2, 7) der erniedrigten Mensch­heit; doch durch sein Erlösungswerk erhöhte und verklärte er sie so, daß sie selbst zu seiner eigenen Herrlichkeit als des zur Rechten des Vaters Sitzenden keinen Ge­gensatz mehr bilden kann. Denn die Herrlichkeit des ver­klärten Menschen Christus Jesus im Himmel ist gewiß keine geringere als die, welche das ewige »Wort« vor seiner Menschwerdung gehabt hat. Sagt er doch selbst: »Verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich schon bei dir besessen habe, ehe die Welt ward (Joh. 17, 5).

2. Aber noch mehr. Dies ewige Menschbleiben des Sohnes Gottes ist sogar unerläßliche Bedingung für die Vollendung seines Werkes. Denn nur als verherrlichter Mensch konnte er der »letzte Adam« (Röm. 5, 12-21; 1. Kor. 15,21) und das erhöhte »Haupt« (Eph. 4, 15; Kol. 2, 19) des »neuen Menschen« (Eph. 2, 15), des von ihm erlösten Menschheitsorganismus, seiner Gemeinde, sein. Nur so konnte das »In-Christo-Sein« der Geretteten, die organische Lebens­gemeinschaft der »Glieder« seines »Lei­bes« (Eph. 1,23) mit ihm, dem Haupte, er­möglicht werden. Darum ist das Menschbleiben Christi ein wesenhaft notwendiges Stück seiner Erhöhung, und erst durch die Auferstehung und Himmelfahrt wird das Wunder von Bethlehem in das rechte, biblische Licht gestellt.

3. Christus ward Mensch, um »letzter Adam« sein zu können. Das ist die ewige Grundidee seines Erscheinens in der Kreatur, und insofern ist dieses eine Verklärung seiner Person als des Erlösers; doch er ward erniedrigter Mensch, um auf dem Wege der Stellvertretung für die Sünder die Herrlichkeiten dieses letzten Аdam durch Leiden zu erlangen. Das war die geschicht­liche Form seines Kommens in die Welt.
Aber die geschichtliche Form war nur der Weg zur Verwirk­lichung der ewigen Idee. Er kam, um zu dienen und sein Leben zu geben als ein Lösegeld für viele (Matth. 20, 28) und um so, durch seine »Stunde« von Golgatha, die für die Ewigkeit zu erretten, die sich von ihm zur Buße rufen suchen und finden lassen würden (Luk. 19, 10). In uns aber gewinnt, durch unser Eingegliedertsein in ihn, un­ser Leben (Kol. 3, 4), der himmlische Christus immer sieg­hafter Gestalt.

2.  Der Name »Jesus Christus«.  Das dreifache Amt

»Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden« (Apg. 4, 12). Was ist mit diesem Namen ge­meint? Warum heißt der Erlöser gerade »Jesus Christus«

I. Der Name »Jesus«

Dieser ist ein Dreifaches: zunächst ganz einfach sein

1. Personenname. »Du sollst seinen Namen Jesus heißen« (Matth. 1 21). Indem er aber gerade bei der Menschwerdung dem Sohne Gottes gegeben wurde, ist er zugleich auch sein

2. Niedrigkeitsname. Ja, so sehr ist dieser Name mit der Erniedrigung des HErrn verbunden, daß ihn dieser geradezu mit anderen, mit sterblichen Menschen, gemeinsam hat. Von hier aus wird auch klar, warum die Evangelien meistens von »Jesus« reden, während in den Briefen der »Christus«titel durchaus im Vordergrund steht. Denn die Evangelien handeln von der Zeit seiner Niedrigkeit, während die Briefe von ihm, dem Erhöhten und Verherrlichten, zeugen, und in dem Jesusnamen wiegt das Heil, in dem Christustitel die Herrlichkeit vor.Erst in der Auferstehung und Himmelfahrt ist »Jesus«, wie Petrus am Pfingsttage sagt, recht eigentlich zum »Christus« im Vollsinn des Wortes geworden. »Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, daß Gott ihn sowohl zum HErrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr ge­kreuzigt habt« (Apg. 2, 36). Insofern also der Weg des HErrn von Selbstentäußerung zu Herrlichkeit voranging, geht auch das Neue Testament denselben Weg: den Weg von »Jesus« zu »Christus«.Die Hauptbedeutung des Jesusnamens aber liegt in seinem eigentlichen Wortsinn: »Jehoschua«, »Der HErr ist Rettung«. Darum ist er der besondere

3. Heilsname des Welterlösers. »Er wird sein Volk erretten von ihren Sünden« (Matth. 1, 21). Als solcher aber offenbart er dreierlei:
die Ausschließlichkeit seines Heils; denn er und nur er kann erretten (Apg. 4,12)
die Grenze seines Heils; denn nur »sein Volk« (d. h. seine Erlösten aus allen Völkern) wird er retten (vgl. 1. Petr. 2,9; Apg. 15,14) und
die Tiefe und Weite seines Heils; denn nicht nur von den Folgen der Sünde – von Verdammung und Gericht – will er erlösen, sondern von den Sünden selber, von ihrer Knech­tung, Herrschaft und Macht. Er ist nicht nur Rechtferti­gungs-, sondern auch Heiligungsquell (1. Kor. 1,30). Dies alles liegt in dem Jesusnamen.
Aber welches ist der Weg und die Weise, auf welche der HErr diese Schätze seines Jesusnamens offenbart? Die Ant­wort liegt in dem Christustitel. 

II. Der Name »Christus«

Hier sind es vor allem vier dreieinheitliche Tatsachen, die uns den Inhalt dieses Namens erschließen:

1. die dreifache Amtssalbung im Alten Testament,
2. die dreifache Entfaltung im Neuen Testament,
3. die dreifache Bindung des Menschen durch die Sünde,
4. das dreifache Christuswerk des Erlösers.

1. In der alttestamentlichen Heilszeit hatte es drei theokra­tische Hauptsalbungsämter gegeben, eine Salbung des Hohenpriesters (3. Mose 8,12; Ps. 133, 2), des Königs (1. Sam. 10,1) und des Propheten (1.Könige 19,16).
Wenn also der Mittler des Heils als »Christus«, »Messias«, d. h. »Gesalbter« bezeichnet wird, so heißt dies, daß die höchsten Ämter und Würden des ganzen Alten Bundes in seiner Person vereint sind, daß in ihm alle Gedanken der Weissagung auf ewig zur Erfüllung gelangen. Er bringt, nach der Weissagung Jeremias vom Neuen Bunde (Jer. 31, 31-34: vgl. Hebr. 8, 8-12),

eine Verinnerlichung des Königtums (2. Kor. 3, 3)
eine Verallgemeinerung des Prophetentums (Jer. 31, 34a) und
eine Ewig-vollkommen-Machung des Priestertums (Jer. 31, 34b).

Er legt sein Wesen in die Seinen hinein und macht sie des­gleichen zu Königen, Priestern und Zeugen seiner propheti­schen Wahrheit (1. Petr. 2, 9; Off. 1, 6).

2. Nicht auf einmal, sondern in drei großen Stufen entfaltet der HErr den Herrlichkeitsinhalt seines Christustitels. Er kommt zuerst als Prophet (5.Mose 18, 15-19), als »Sohn«, in dem Gott »am Ende der Tage« geredet hat (Hebr. 1,1-3) und der, als der »Abglanz der Herrlichkeit« Gottes, das Wesen seines Vaters unvergleichlich vollkommener offenbar macht als alle Propheten von alters (Joh. 1, 18; 3,13).
Und dann geht dieser Prophet an das Kreuz. Er läßt sich beladen mit den Sünden der Welt (Joh. 1, 29; 1. Joh. 2, 2), wird Opferlamm und Priester zugleich (Hebr. 9,12; 14; 25) und bewirkt durch sich selbst die Reinigung der Sünden (Hebr. 1, 3).
Zuletzt aber wird er erhöht und setzt sich zur Rechten der Majestät in der Höhe, und nun sehen wir ihn, der »ein wenig unter die Engel erniedrigt« gewesen war, gerade »um seines Todesleidens willen« als König »mit Herrlichkeit und Ehre ge­krönt« (Hebr. 2,9).3.

3. Aber warum gerade ein dreifaches Amt? – Weil ein dreifaches Heilsbedürfnis der Menschheit vorliegt! Weil die gefallene Nach­kommenschaft Adams dreifach gebunden ist und darum auch nach drei Beziehungen hin erlöst werden muß!

Gott hat die Menschen zu einem geschöpflichen Abglanz sei­nes geistigen, heiligen und seligen Wesens geschaffen. Damit sie ein Spiegel seiner Geistigkeit sein könnten, gab er ihnen den Verstand, damit sie ein Abbild seiner Heiligkeit und Lie­be sein könnten, den Willen, und damit sie ein Gefäß seiner Seligkeit würden, das Gefühl.

Doch dann kam die Sünde. Der ganze Mensch fiel: sein Verstand wurde verfinstert (Eph. 4, 18), sein Wille wurde bö­se (Joh. 3, 19), und sein Gefühl wurde unselig (Röm. 7, 24).4.

4. Aus diesem totalen, dreifachen Verderben errettet ihn nun das Werk Christi.

Als Prophet bringt er die Erkenntnis, das Licht, erlöst den Verstand aus seiner Sündenverfinsterung und richtet das Reich der Wahrheit auf.
Als Priester bringt er das Opfer, tilgt die Schuld und damit das Bewußtsein der Schuld, erlöst also das Gefühl von dem lähmenden Druck der Unseligkeit und des anklagenden Ge­wissens und richtet das Reich des Friedens und der Freude auf.
Als König beherrscht er den Willen, lenkt ihn in den Bahnen der Heiligkeit und richtet das Reich der Liebe und der Gerechtigkeit auf.

So wird sein Christustitel mit seinem dreifachen Heilsinhalt zur Entfaltung und Auslegung seines Jesusnamens. Der Erlö­ser ist dadurch der »Jesus«, der »Retter«, daß er der »Chri­stus«, der dreifach Gesalbte, ist. Sein dreifaches Amt befreit den Menschen nach seinen drei Seelenkräften, nach Verstand, Gefühl und Wille. Ein volles, freies und ganzes Heil ist eingeführt, so daß die Erlösung nicht vollständiger sein kann, als sie ist.

3. Kapitel. Die Himmelreichsbotschaft

»Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei­gekommen.« Matth. 3,2.

I. Der Herold
Am Jordan, in der Wüste, predigte Johannes die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden (Markus 1, 4). Er war der »Elias« (Mal. 4, 5; Luk. 1, 17), der »Wegbereiter (Jes. 40,3), gewaltiger als alle Propheten (Matth. 11, 9-10), der Zeuge vom Licht und vom Lamm (Joh. 1, 7- 8; 29; 36), der Herold des unmittelbar kom­menden Königs (Mal. 3,1; Joh. 1, 26). Er war die »Stimme« eines Rufenden in der Wüste, die da hinwies auf das »Wort« aus der Ewigkeit (Joh. 1, 1-3; 14).
So sagt auch Johannes: »Nach mir kommt ein Mann, der vor mir ge­wesen ist; denn er war eher denn ich« (Joh. 1, 30).

Ist aber schließlich das Wort gesprochen, so verschwindet die Stimme, verhallt und existiert nicht mehr. Das Wort aber bleibt; denn es ist in das Herz des Hörenden eingepflanzt. So auch bei Jesus und Johannes. »Er muß wachsen; ich aber muß abnehmen« (Joh. 3, 30). Sobald der Täufer seine Sendung er­füllt hat, wird er hinweggenommen; Jesus aber bleibt.

II. Der König
An die Botschaft des Herolds knüpfte der König an (Matth. 4, 17 vgl. 3, 2). In seiner Person war das Gottesreich mitten unter die Menschen getreten. Er selber war das personhaft anwesende Reich. Dies drückte er, verhül­lend und enthüllend zugleich, durch seine Selbstbezeichnung »Menschensohn« aus.

1. Der Ursprung des Menschensohn -Titels.
Diese in den Evangelien über 80 mal vorkommende Redeweise Jesu hat ihre Wurzel im Buche Daniel. Dort war das Messianische Reich, im Gegensatz zu der Raubtiernatur der Weltreiche – Löwe-Adler, Bär, Panther und Schreckenstier – als das Reich des »Men­schensohnes« bezeichnet worden, das heißt, als das erste und einzige Reich der Geschichte, in dem wahres Menschentum im Sinne der Heiligen Schrift auf der Erde regiert. »Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn, und er kam zu dem Al­ten an Tagen, … und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben« (Dan. 7, 13).
Diese Weissagung von dem Menschensohn in den Wolken des Himmels, der als Messiaskönig das Reich errichtet, deutet Christus in seiner Ölbergrede vor seinen Jüngern (Matth. 24,30) und in seinem Eidschwur vor dem Hohen Rat unverkennbar auf sich: »Von nun an wird’s geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wol­ken des Himmels« (Matth. 26, 64).

2. Der Sinn des Menschensohn -Titels.
Mit der Selbstbe­zeichnung »Menschensohn« will Christus also nicht etwa im Hinblick auf seine himmlische Vergangenheit seine Selbsterniedrigung zum Ausdruck bringen, daß er, der Gottessohn, nun Menschensohn geworden war, sondern, daß er, als verherrlichter Mensch, auf den Wolken des Himmels einst wiederkommend, der Bringer des Gottesreichs sei und somit in seiner göttlichen Person die Verwirklichung der Idee wahrer Menschheit auf den Thron der Völkergeschichte erhebe. Der Ausdruck »Men­schensohn« ist also ein göttlicher Messias- und Königstitel, gleichwie schon David, der Psalmist, gerade vom »Menschen­sohn« gesagt hatte: »Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über das Werk deiner Hände. Alles hast du ihm unter die Füße gestellt« (Ps. 8, 6; Hebr. 2, 6-9). Und weil in dem Menschensohntitel zugleich auch das verhüllte Geheimnis seiner Gottessohnschaft enthalten ist, sagt Christus in seiner Antwort auf die Frage des Hohenpriesters, ob er der »Gottessohn« sei: »Von nun an werdet ihr den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Kraft und kommen auf den Wolken des Himmels« (Matth. 26, 63).
Immer wieder tritt diese Gotteskönigsbeziehung des Men­schensohntitels hervor. »Der »Menschensohn« wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters (Matth, 16, 27), »mit großer Kraft und Herrlichkeit«. Des »Menschen­sohnes« Ankunft wird sein, »wie der Blitz ausgeht vom Auf­gang und scheint bis zum Niedergang« (Matth. 24, 27) . . .
Allerdings ist es eine verhüllte Gottes- und Königsbezeich­nung Joh. 12, 16; 34); denn nur von dem Glauben wollte Christus, bei seinem ersten Erscheinen, als Gottkönig anerkannt sein. Daher auch sein oftmaliges Verbot, ihn als Messias offenbar zu machen. Der Öffentlichkeit hat er sich erst unmittelbar vor seinem Kreuzestode als Messias kundgetan, und auch da nur in der Form einer sinnbildlichen Handlung, dem Einzug in Jerusalem (Luk. 19,29-40; Sach. 9, 9). Nur im Kreise der Sei­nen hat er sich, gleich von Anfang an, mit immer wachsender Klarheit, als Messias geoffenbart (Joh. 1, 41; 49; 4,25), bis schließlich der Felsenapostel, erleuchtet durch die Offenbarung des Vaters, das sieghafte Bekenntnis aussprach: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Got­tes« (Matth. 11, 16).

III. Das Reich

1. Der Ausdruck »Himmelreich«.
Vom Himmelreich hatten die Juden schon vor Johannes dem Täufer gesprochen. Sie nannten es »Malekut Schamajim« (»Königreich der Himmel«) und verstanden darunter die Herrschaft Gottes über alle Geschöpfe schlechthin, die Königsherrschaft Gottes über Israel insonderheit und namentlich das endgeschichtliche Herrlichkeitsreich des Messias. …

2. Die Erscheinungsformen des Himmelreiches.
Die Verkündigung des Himmelreiches war darum auch das eigentliche Thema seiner irdischen Botschaft, und alle seine Gleichnisse sind Himmelreichsgleichnisse. Hierbei ist das »Him­melreich« nicht einfach »der Himmel«, das »himmlische Reich« (vgl. 2. Tim. 4, 18), auch nicht nur das zukünftige Reich des Messias (Off. 20, 4) oder die Gemeinde des gegenwärtigen Zeitalters (vgl. Kol. 1, 13; Röm. 14, 17), sondern ganz all­gemein die Königsherrschaft Gottes schlechthin, wie sie, vom Himmel her kommend, auf dem Wege der Erlösung, auf der alten Erde errichtet und auf der neuen in Ewigkeit fortgesetzt werden soll. …

3. Das Evangelium vom Reich.
Dies alles gehört mit zum »Evangelium des Reichs« (Markus 1,14). Es ist das eigentliche Grundthema der Botschaft Christi. Es redet bald von dem gegenwärtigen, bald von dem nahen, fernen oder fernsten Reich. Daher auch bei dem HErrn die vorherrschende Bezeichnung »Himmelreich« für »Reich Gottes« Das Gottesreich ist eben »Himmelreich, weil es seinem Ursprung nach – vom Himmel her kommt, seinem Wesen nach – den Himmel in sich trägt und seinem Mittelpunkt nach – den HErrn zum König hat, durch den der Himmel recht eigentlich erst »Himmel« wird (Ps. 73, 25).

Aber immer ist es das eine Reich, das aus dem Himmel und der Ewigkeit stammt und, durch die Zeiten hindurch, in die Ewigkeit Gottes wieder einmündet. Dies eine (Gal. 1, 6-9) Evangelium aber ist:

»Evangelium Gottes« – dein Gott ist sein Ursprung (Röm. 1, 1; 2. Kor. 11,7),
»Evangelium Christi« – denn Christus ist sein Mittler (Röm. 15, 19; Gal. 1,7),
»Evangelium der Gnade« – denn Gnade ist seine Seele (Apg. 20, 24),
»Evangelium des Heils« – denn Heil ist seine Gabe (Eph. 1, 13)
»Evangelium des Reichs« – denn Gottes Reich ist sein Endziel (Matth. 6,10),
»Evangelium der Herrlichkeit« – denn Herrlichkeit ist seine Gesamtwirkung (1. Tim. 1, 11).

Und Paulus sagt von sich und seinen Mitarbeitern »mein Evangelium« (Röm, 16,25) oder »un­ser Evangelium« (2. Kor. 4,3) – denn sie waren die Boten (Gal. 1,11).

IV. Der Weg zum Reich
Aber der Weg zur Krone ging über das Kreuz. Nachdem darum der König zuerst das Ergebnis seines Werkes, das Reich, in den Mittelpunkt seiner Botschaft gestellt hatte, ließ er hernach immer mehr das Mittel zur Erreichung dieses Zieles – das Leiden – hervortreten.

Er sprach von der Tatsache seines Todes in der Hinwegnah­me des Bräutigams, dem Trinken des Kelches und dem Getauftwerden mit der Leidenstaufe (Matth. 20, 22).
Er sprach von der Notwendigkeit seines Todes, von dem göttlichen »Muß« seines Erhöhtwerdens wie die Schlange in der Wüste und seines Sterbens wie ein Weizen­korn, um durch Fruchtbringen verherrlicht zu werden (Joh. 12, 23).
Er sprach von der Freiwilligkeit seines Todes: Niemand nimmt es (mein Leben) von mir, sondern ich lasse es von mir selbst« (Joh. 10,18), und
Er sprach von der Bedeutung seines Todes als Grundlage völligen weltweiten (Joh. 12, 32) Heils durch stellver­tretendes Sterben (Matth. 20, 28) für verlorene Sünder, zwecks Aufrichtung eines Neuen Bundes durch Vergebung der Sünden, und als Grundlage praktischer Heiligung in echter Jünger­schaft in Selbstverleugnung und Kreuznachtragen (Matth. 10, 38; Joh. 12, 24-26).

Und in dem allen schaute er sein Sterben stets im Zusam­menhang mit seiner Auferstehung und Verherrlichung (Joh. 10, 17). Dies beweisen seine Worte vom Tempelabbruch (Joh. 2, 18-20), Jonaszeichen, Eckstein und Weizenkorn (Joh. 12, 23). Und auf diesem Bo­den der Auferstehung, in der Mitteilung seines Lebens an das Leben der Glaubenden sah er den einzigen Weg zum Teilha­ben der Sünder an der Heilsbedeutung seines Werkes; daher seine Worte vom Essen und Trinken seines Fleisches und Blu­tes, ohne das niemand Leben hat in sich selbst (Joh. 6,53). »Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt« (Joh. 6, 51; 58). »Wer dies Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit«.

V. Die Reichsbotschaft

Unmöglich ist es, das sittliche Wesen der Himmelreichsbot­schaft erschöpfend zu schildern. »Die Welt würde die Bücher nicht fassen« (Joh. 21, 25). Die Reichsbotschaft ist

1. Heilig erhaben in ihrer Autorität. »Er lehrte, wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten« (Joh. 7, 46), bestätigt durch Zeichen und Wunder (Joh. 5, 36; Hebr. 2, 4). Seine Worte waren Taten. Seine Taten waren Wunder, und Er Selber der göttlich gebietende Lebens­fürst (Apg. 3, 15). Ferner: Die Reichsbotschaft war

2. Wunderbar weise in ihrer Belehrung. Den Alten Bund deutete er als Vorstufe des Neuen, als Wahrheitsbeweis (Joh. 10, 34) und als Weis­sagung seiner eigenen Botschaft (Luk. 24, 27), also: erklärend.
Die Natur vergeistigte er zu Bildern und Gleichnissen des Himmelreichs, desgleichen das Menschen­leben und die Geschichte (Luk. 19, 12), also: verklärend.
Die fragenden Feinde bringt er durch Gegenfragen zum Ver­stummen (Joh. 10, 34), also: abwehrend.
Die lernbegierigen Jünger weiht er noch besonders in seine Geheimnisse ein (Matth. 13, 18), also: belehrend.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei Jesu Stellung zum Alten Testament. Für Christus, das personhaft lebendige »Wort« (Joh. 1,14; Off. 19,13), ist das alttestamentliche, geschriebene Wort eine unauflösbare Einheit, ein Organismus, »die Schrift« (Joh. 10, 35).
Und im einzelnen ist es für ihn:

die Autorität, unter die er sich stellt (Gal. 4, 4),
die Speise, von der er sich nährt (Matth. 4.4)
die Waffe, mit der er sich weht (Matth. 12,3),
das Lehrbuch, das er erklärt (Luk. 24,27),
die Weissagung, die er erfüllt (Joh. 5,39),

Bei dem allen aber war seine Verkündigung

3. unheimlich hart in ihrem Urteil. Arg« ist der Mensch von Natur (Matth. 7, 11), »ein ehebrecherisches Geschlecht« (Mark. 8, 38), ein »Greuel vor Gott« alle Frömmigkeit des Fleisches (Luk. 16,15).
Mit »verzehrendem Eifer« (Joh. 2, 17) kämpft Christus gegen die Pharisäer, seine »Feinde« (Luk. 19, 27), diese Hauptvertreter der Scheinreligion. Er nennt sie Blinde, Lügner und Heuchler, (Joh, 10,8) und »Mörder« (Matth. 22,7), »reißende Wölfe« (Matth. 7,15) und Kinder des Teufels (Joh. 8, 44).
Den Tempel nennt er eine »Räuberhöhle« (Mark. 11, 17), Herodes einen »Fuchs« (Luk. 13, 32), seine falschen Bekenner »Übeltäter« (Matth. 7, 23) und alle, die ihn ablehnen: ärger als Sodom und Gomorrha (Matth. 10, 15).
Sie alle, die so bleiben, sind »Verlorene« und ihr Los ist »Heulen und Zähneknirschen«, ihr Ort das »unaus­löschliche Feuer« (Mark. 9, 44; Matth. 25, 41).

Und doch ist die Himmelreichsbotschaft zugleich

4. Unendlich erbarmend in ihrem Evangelium  Der Freund der Sünder, der Arzt der Kranken, der Erquicker der Mühseligen und Beladenen, die Kinder segnend, den Armen gute Botschaft verkündend und noch dem sterbenden Mörder das Paradies verheißend (Luk. 23, 43).

So wird er, der König, der Diener seiner Knechte (Markus 10, 42-45; Luk. 12,37).Und doch leibt er der König und verlangt restlosen Gehor­sam. Seine Botschaft ist Befehl, ja

5. Rückhaltlos total in ihren Forderungen.Er verlangt rest­losen Gehorsam. Seine Himmelreichsbotschaft ist Geschenk und Gebot, Gabe und Aufgabe zugleich. Wenn je ein Reich Totalitätsanspruch erhebt, so das Reich Gottes. Autorität und Gehorsam, Befehls­gewalt und Unterwerfung – das ist seine Ordnung. Ein tota­ler König, ein totales Reich, eine totale Gemeinde! Alles Halbe und Laue ist dem König ein Greuel. Der ganze Mensch gehört ihm, nach Geist, Seele und Leib, das Kreuz auf sich nehmen (Matth. 16, 24), nur ihm allein dienen (Luk. 16, 13), sein eigenes Ich hassen (Luk. 14, 26), sein Leben ver­lieren, um es auf ewig zu gewinnen (Joh. 12, 25) : das ist die Gesinnung, die der König verlangt.Das alles aber herausgeboren aus dem Leben von oben, aus dem königlichen Standesbewußtsein der Adelskinder aus göttlichem Samen. Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist« (Matth. 5, 48).Zuletzt aber wird das Ende kommen und mit ihm der Sieg; denn des Himmelreichs Botschaft ist

6. Weltweit erlösend in ihrem Ziel. »Der Acker ist die Welt« (Matth. 13, 38). Predigt das Evangelium aller Krea­tur« (Mark. 16, 15). Denn »in seinem Na­men muß Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden unter allen Völkern« (Luk. 24, 47), »in Jerusalem, ganz Judäa, Samaria und bis an das Ende der Welt« (Apg. 1, 8).Und wenn dann der König erscheint, wird sein Reich offen­bar. Die Gesegneten des Vaters werden die Herrschaft ererben, und die Gerechten werden leuchten wie die Sonne immer und ewiglich (Matth. 13, 43). Das ist die Hoff­nung der Himmelreichsbotschaft.

VI. Die Hörer
Aber alle diese Worte waren auf jüdischem Volksboden ge­sprochen. In den Tagen seines Fleisches war der Herr durchaus »Diener der Beschneidung« (Röm. 15,8), für seine Person so­gar selber »unter Gesetz« (Gal. 4, 4). Ich bin nicht gesandt als nur zu den ver­lorenen Schafen des Hauses Israel« (Matth. 15, 24).
Die in der Bergpredigt (Matth. 5-7), Seepredigt (Matth. 13), Ölbergsrede (Matth. 24 und 25) und allen Gleichnissen Ange­redeten waren zunächst Söhne des Volkes Israel. Erst seit der Hinwegnahme der »Umzäunung durch das Kreuz (Eph. 2, 13-16) und der Öffnung des Himmelreichs auch für die Vollhei­den bei der Bekehrung des Kornelius (Apg. 10) hatten auch die Nationen das Recht, den wesentlichen Lehr­inhalt der Evangelien in gleicher Weise wie die Juden direkt auf sich zu beziehen (Joh. 12, 32). Erst diese beiden, nach dem Erdenleben Jesu vollzogenen Ereignisse eröffneten hinterher auch den Nichtisraeliten die Tür in den Lehrsaal des Herrn.

Nun aber besteht auch »kein Unterschied« mehr (Apg. 15, 8-9); denn beide haben das »gleiches Heil (Apg. 28, 38; 11,17). Nun gibt es nicht zwei Evangelien – ein judenchristliches und ein heidenchristliches -, sondern nur ein Evangelium und eine Gemeinde (Gal. 1, 6-9; Eph.2, 11-22; 3,6).1] Und den »Anfang« seiner Verkündigung hat das »Heil« des Gemeinde­zeitalters in der Erdenbotschaft Jesu genommen (Hebr. 2,3). »Heil« und »Errettung« ist also die inspirierte Überschrift der irdischen Verkündigung des HErrn. Und wenn Paulus »sein« Evangelium, im Gegensatz zu dem »Buchsta­ben« und »Tod« des Gesetzes, als »Geist« und »Lebens be­zeichnet – »der >Geist< macht >lebendig<~ (2. Kor. 3, 6) -, so steht der Charakter der Jesusworte auf derselben Haushal­tungslinie: »Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben« (Joh. 6, 63)

So ist die Zeit der Evangelien eine Übergangszeit. Der Um­fang, die Umwelt und oft auch die Lehrform der Himmelreichsbotschaft waren alttestamentlich und national begrenzt; aber ihr Wesen und Geist waren neutestamentliche Freiheit. Die Haushaltungen des Gesetzes und der Gnade sind also nicht durch ein einziges Einzelereignis scharf voneinander ge­schieden, sondern gehen ineinander über wie die Farben des Regenbogens, beginnend mit der Geburtsankündigung des Wegbereiters und abschließend mit der Öffnung des Himmel­reiches für die Heiden durch Petrus in Cäsarea und dem Auf­treten und den Offenbarungen des Paulus (Eph. 2 und 3). Erst von da an war das Zeitalter der Gnade in vollem Umfange angebrochen.

4. Kapitel. DER ENTSCHEIDUNGSKAMPF VON GOLGATHA

Der Haß der Pharisäer brachte Christus ans Kreuz. Die Hin­richtung Jesu war der größte Justizmord der Weltgeschichte. Sie war der feigste Gesandtenmord, das schmutzigste Atten­tat, das jemals Rebellen gegen einen gütigen Vater ihres Va­terlandes begangen haben.

Was aber tat Gott?
Er hat diesen teuflisch gemeinen Aufruhr gegen seine Per­son in das Sühnopfer zur Errettung dieser Rebellen verwan­delt! Er hat auf den Faustschlag in sein heiliges Angesicht mit dem Kuß versöhnender Liebe geantwortet! Wir taten das Äu­ßerste an Bosheit gegen ihn; er aber tat das Äußerste an Güte gegen uns, und zwar beides zur selben Stunde, und so wurde die Schandtat am Kreuz noch im selben Augenblick zum erlö­senden Wendepunkt der Menschheitsgeschichte und zum Umbruch des gesamten Dramas der Weltall-Übergeschichte.

I. Die Bedeutung des Kreuzes für Gott

Das Kreuz ist das größte Ereignis der Heilsgeschichte, noch größer als die Auferstehung. Denn das Kreuz ist der Sieg, die Auferstehung der Triumph; aber der Sieg ist noch wichtiger als der Triumph, obwohl sich dieser mit Notwendigkeit aus ihm ergibt. Die Auferstehung ist das Offenbarwerden des Sie­ges, der Triumph des Gekreuzigten. Der Sieg selber war vollkommen. Es ist vollbrachte (Joh. 19, 30; Hebr. 2, 14).

Für Gott ist das Kreuz
1. Die höchste Erweisung der Liebe Gottes.
Denn dort gab der Allherr des Lebens sein Liebstes in den Tod, seinen eingeborenen Sohn, den Mittler und Erben der Schöpfung (Hebr. 1, 2;3). Christus der HErr starb am Kreuz, er, für den im Äther die Sterne kreisen und für den jedes Mücklein im Sonnenschein tanzt (Hebr. 2,10). Wahrlich: »Darin be­weist Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns ge­storben ist, da wir noch Sünder waren« (Röm. 5, 8). Zugleich aber ist das Kreuz

2. Der größte Beweis der Gerechtigkeit Gottes. Denn dort hat der Richter der Welt »zur Erweisung seiner Gerechtigkeit« nicht einmal seines eigenen Sohnes geschont (Röm. 8, 32). In all den Jahrhunderten vor Golgatha hatte Gott, trotz vieler Gerichte im einzelnen, die Sünde doch niemals hundertprozentig bestraft (Apg. 17, 30), so daß schließlich seine Heiligkeit durch seine Geduld in Frage gestellt zu sein schien »wegen des Dahingehenlassens der vor­her geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes« (Röm. 3,25). Da hat erst der Sühntod des Erlösers, als göttliche Selbst­rechtfertigung der vergangenen Menschheitsgeschichte, die un­umstößliche Gerechtigkeit des obersten Weltenrichters erwie­sen. Alle Geduld der Vergangenheit war nur möglich im Hin­blick auf das Kreuz, und alle Vergebung der Zu­kunft ist nur »gerecht« durch den Rückblick auf das Kreuz (Röm. 3, 23; 1. Joh. 1,9). Und gerade dadurch ist das Kreuz

3. Die wunderbarste Vermehrung des Reichtums Gottes. »Du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht (Off. 5, 9). Sie sind nun erworben für Gott, das »Volk zum Besitztum« (1. Petr. 2, 9), das »Eigentumsvolk« (Tit. 2, 14).

II. Die Bedeutung des Kreuzes für Christus

Für Christus und Gott ist das Kreuz
1. Die höchste Anerkennung der Herrschaft Gottes; denn der Sohn »ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze (Phil. 2, 8; Röm. 5,19).

2. Die höchste Vollendung des Glaubens an Gott; denn er hat »an dem, was er litt, den Gehorsam gelernt (Hebr. 5, 8; 9) und ist also der »Anführer« und »vollkommenste Ausge­staltung des Glaubens geworden (Hebr. 12, 2).

3. Die entscheidendste Erwerbung des Wohlgefallens Got­tes, denn er gab sich als Opfer dahin, »Gott zu einem duftenden Wohlgeruch« (Eph. 5), und

4. Die endgültige Verewigung der Liehe Gottes. »Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf daß ich es wiedernehme« (Joh. 10, 17). Und was Christus persönlich be­trifft, so ist das Kreuz für ihn:

5. Der Weg zur Verklärung seiner Liebes- und Machtstel­lung zur Siegerstellung, vom Sein »in dem Schoße des Vaters« bis hin zum Sitzen »zur Rechten der Majestät in der Höhe« (Phil. 2, 9; Hebr. 2, 9; 8, 1), und ferner

6. Der Weg zum Besitz einer erlösten Gemeinde, vom »Al­leinsein« des Weizenkorns, durch Sterben hindurch, zum sieghaften »Verherrlichtwerden« und »Fruchtbringen« (Joh. 12, 24).

 III. Die Heilsbedeutung des Kreuzes für uns

A. Das Einzelheil

Für den einzelnen ist das Kreuz ein doppeltes: die Grund­lage seiner Rechtfertigung, juristisch seine Vergangenheit ord­nend, und die Grundlage seiner Heiligung, sittlich seine Ge­genwart beherrschend.

1. Die Grundlage der Rechtfertigung.
Auf den Bürgen muß all unsere Sünde gelegt werden (Jes. 53, 5), er muß sie tragen an Stelle der andern (Hebr. 9, 28), damit sie, der Sünde gestorben, nunmehr der Gerechtigkeit leben; und wie das Verderben der Mensch­heit durch den Fall – also ein geschichtliches Einzelereignis – hervorgerufen worden war (1. Mose 3; Röm. 5,12), so muß nun auch seine Aufhebung durch den Bürgen desgleichen durch ein Einzelereignis – eben die einzigartige »Rechtstat« von Golgatha – bewirkt werden (Röm. 5,18). Und da das Wesen der Sünde in der Trennung des Geschöpfes vom Schöp­fer besteht, also in der Trennung vom Urquell des Lebens und Folglich im Tode, so muß nun auch der Erlöser, wegen der not­wendigen Entsprechung von Sünde und Sühne, das Urteil die­ses Todes erdulden und so durch sein Sterben die Wiederher­stellung des Lebens bewirken. »Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung« (Hebr. 9, 22). Nur so kann er, durch den Tod, dem die Macht nehmen, der die Gewalt des Todes hat, dem Teufel (Hebr. 2,14; 1. Kor. 15, 21).

Dies ist die Logik des Heils. Festgewurzelt und unantastbar steht sie im Erlösungsplan Gottes da. An ihrer zwingenden Beweisführung zerschellen alle hochmütigen Angriffe des Un­glaubens. Die verhaßte »Bluttheologie« der Bibel (Hebr. 9, 22), mit dеm gekreuzigten Christus als ihrem Zentrum, bleibt dennoch der Felsen des Heils, zwar vielen ein Stein des Anstoßes, den Erlösten aber der lebendige Eckstein.

Für die Erretteten ist dann das Kreuz

2. Die Grundlage der Heiligung.
Christus der HErr starb am Kreuz, damit wir nicht an das Kreuz brauchten. Das ist die uns ausschließende, rechtliche Seite seines Sterbens, das »Er­lösende« von Golgatha. Und dennoch: Er starb dort am Kreuz, damit wir, zusammen mit ihm trotzdem an das Kreuz kämen. Das ist die uns einschließende, sittliche Seite seines Sterbens, das »Bindende« von Golgatha. Wir sind mit dem Gekreuzigten »zusammengepflanzt« (Röm. 6, 5) und zur »Gleichheit seines Todes« organisch verbunden. Wir sind Nachfolger, Kreuzträ­ger (Matth. 10, 38), »Weizenkörner« wie er, die nur durch Sterben zum Leben gelangen (Joh. 12,24). Wir sind beru­fen zum Teilhaben an dem Charakter der zwar dunklen, aber nichtsdestoweniger kostbaren Grundlage unserer eigenen Er­lösung. Wir sind »mit Christo gekreuzigt« (Gal. 2, 19).

a) Die Welt um uns ist durch den Gekreuzigten für uns tot. Sie ist durch das Kreuz uns »gekreuzigt« und wir der Welt (Gal. 6, 14).

b) Die Welt in uns ist gleichfalls mit am Kreuz. »Indem wir dies wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt wor­den ist, … daß wir der Sünde nicht mehr dienen« (Röm. 6, 6; 11).

c) Die Welt unter uns ist durch das Kreuz völlig besiegt. Denn »nachdem Christus die Mächte und Gewalten entwaffnet hatte, hat er sie öffentlich an den Pranger gestellt und durch das Kreuz über sie triumphiert« (Kol. 2, 15; 1. Mose 3,15), und schließlich

d) Die Welt über uns ist durch das Kreuz für uns Gnade und Segen; denn der Fluch des Gesetzes ist abgetan (Gal. 3, 13). Die in ihren Geboten wider uns zeugende Schuldhand­schrift ist ausgelöscht und ans Kreuz geheftet (Kol. 2,14). Gottes Blick kann nun nicht mehr auf sie fallen, ohne zugleich auf das Kreuz zu fallen; sie ist gleichsam mitgetötet, mitge­kreuzigt. »Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich Gott lebe« (Gal. 2,19).

Das Gesetz Gottes hatte den Tod über den Sünder verhängt (Gal. 3,10), und diesen hat Christus an seiner Statt getragen. Also ist Christus »durch« das Gesetz gestorben. Damit aber hat das Gesetz seine weiteren Geltungsansprüche an ihn verloren, gleichwie ein zum Tode Verurteilter durch die Hinrich­tung aus dem Untertanenverhältnis gegen die hinrichtende Obrigkeit ausscheidet. So ist nun auch Christus »dem« Gesetz gestorben. Was aber Christus erfuhr, hat der Gläubige in ihm miterlebt (Röm. 6,5-11). Also ist auch er dem Gesetz gegen­über tot und lebt nun in der Freiheit des Auferstandenen (Röm. 7, 4)

B. Das Gesamtheil

Auch für die Gesamtheit ist durch das Kreuz eine vollstän­dige Neuordnung eingetreten, und zwar

nach innen hin – als Aufhebung des Gesetzes,
nach außen hin – als Heilszulassung der Völkerwelt,
nach allen Seiten hin – als Weltall-Triumph des Gekreu­zigten.

1. Die Aufhebung des Gesetzes.
Nach innen hin bedeutet das Kreuz die Erfüllung und Abschaffung aller mosaischen Opfer (Hebr. 10, 10-14) und damit die »Aufhebung« des Ge­setzes überhaupt (Hebr. 7,18). So aber ist Christus durch das Kreuz »des Gesetzes Ende« (Röm. 10, 4) und also der »Bürge eines besseren Bundes« geworden (Hebr. 7, 22).

2. Die Heilszulassung der Völkerwelt.
Ist aber das Gesetz abgeschafft, so auch nach außen hin. Bis zum Kreuz war das Gesetz der »Zaun«, der das jüdische Volk von den Weltvölkern trenn­te (Eph.2, 14.). Die Nationen waren »ohne Gesetz« (Röm. 2, 12) und »Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung« (Eph. 2, 12). Zwischen beiden bestand eine Spannung. Nun aber ist Christus »unser Friede«. Mit der Erfüllung des Gesetzes hat er die »Zwischenwand der Umzäunung« hinweg­getan und die beiden, die Juden und die Heiden, in dem einen Leibe seiner Gemeinde, durch das Kreuz, miteinander wie auch mit Gott versöhnt (Eph. 2, 13-16). …

3. Der Weltall -Triumph des Gekreuzigten.
»Jetzt ist das Gericht dieser Welt! Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinaus­geworfen werden« (Joh, 12,31). Gerade durch das Kreuz hat der Sterbende triumphiert. Gerade »durch den Tod« hat er »dem die Macht ge­nommen, der die Gewalt des Todes hat«, dem Teufel (Hebr. 2, 14). Daher sein Siegesruf: »Es ist vollbracht!« (Joh. 19, 30.) Das Ausgestoßenwerden Satans ist seiner Kraft nach begründet auf Golgatha (Joh. 12, 31), seiner Auswirkung nach geschieht es allmählich (Matth. 12, 29), seiner Vollendung nach wird es einst völlig sein (Off. 20, 10).

4. Christus – das Weizenkorn.
Durch dies alles wurde »Christus das Weizenkorn, welches welterlösende Liebe am Karfreitag in die Erde gesenkt hat, das Weizenkorn, das Ostersonntag die Erde durchbricht und himmelan zu wachsen beginnt, das Weizenkorn, dessen goldner Halm am Himmelfahrts­tage zum Himmel emporsteigt, das Weizenkorn, dessen myriadenreiche Ähre sich am Pfingsttage zur Erde herabneigt und die Samenkörner aus­streut, aus denen die Gemeinde geboren wird« (Joh. 12, 24).

5. Das Kreuz von Ewigkeit zu Ewigkeit.
So sehen wir das Kreuz überall:
das Kreuz in der Ewigkeit – das Lamm, zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt (1. Petr. 1, 19),
das Kreuz in der Vergangenheit der Zeit – Gethsemane, Gabbatha, Golgatha;
das Kreuz in der Gegenwart – der gekreuzigte Christus als das lebendige Grundthema unserer eigenen Verkündi­gung (1. Kor. 2, 2);
das Kreuz in der Zukunft – der früher einst erniedrigte Heiland dann als König des geoffenbarten Messiasreiches (Phil. 2,8-11) und
das Kreuz in der Herrlichkeit – die Botschaft vom Lamm, als das Edelsteinfundament der himmlischen Stadt (Off. 21, 14).

5. Kapitel. DER TRIUMPH DER AUFERSTEHUNG

Christus ist auferstanden!« Mit diesem Siegesruf ist das Evangelium durch die Lande gedrungen. Die Botschaft vom Kreuz ist zugleich Botschaft der Auferstehung (Apg. 1, 22). Darin besteht ihre Unüberwindbarkeit (Off. 5, 5-6).

An sich wäre eine Rückkehr des Erlösers in den Himmel auch ohne leibliche Auferstehung denkbar gewesen. Ein Lebendiger wäre Christus ja auch dann geblieben, wenn er, un­mittelbar nach dem Tode, als Geist in die Herrlichkeit seines Vaters zurückgekehrt wäre! Als Geist ohne menschlichen Leib hatte er, vor seiner Menschwerdung, ja schon immer in allen Äonen der Ewigkeit im Himmel existiert und war dennoch der Brunnquell und Fürst alles Lebens gewesen (Apg. 3, 15). Nein, Fortexistenz nach dem Tode und Aufstieg zum himmlischen Thron war durchaus noch nicht notwendig dasselbe wie Auferstehung des Leibes!

Und doch war gerade sie die Voraussetzung für die Durch­führung der Erlösung. Denn nur sie war

I. Die volle Auswirkung des Sieges des Erlösers über den Tod
Bei einer Rückkehr in den Himmel ohne leibliche Auferste­hung wäre Christus nicht als voller Todesüberwinder offen­bar geworden. Er hätte nur geistig und sittlich über den Tod triumphiert; aber sein Sieg über den materiel­len Tod wäre nicht königlich hervorgetreten. Sein Triumph wäre nur gleichsam ein »Zwei-Drittel«-Triumph, nicht aber ein vollständiger Triumph gewesen; denn von der dreiteiligen menschlichen Persönlichkeit wären nur zwei Teile – Seele und Geist -, nicht aber auch der Leib in den Triumph seiner Erlösung mit eingeschlossen gewesen.

Ja, noch mehr. Ohne leibliche Auferstehung wäre Christus im Vollsinn des Wortes überhaupt nicht als Todesüberwinder offenbar geworden. Denn »Тоd« ist doch nicht Aufhören der Existenz, sondern Auflösung der menschlichen Persönlichkeit, nicht Auslöschung des Daseins, sondern Auseinanderreißung des Zusammenhangs von Geist, Seele und Leib. Überwindung des Todes muß darum in der Wiedereinsetzung dieser Einheit, in der Wiederherstellung des organischen Zusammenhangs von Geist, Seele und Leib offenbar werden, das aber heißt – vom Leibe aus gesehen – in der Wiedervereinigung des Lei­bes mit der Seele und dem Geist. Ohne leibliche Auferstehung darum überhaupt kein Triumph des Lebens (1. Kor. 15, 54­-57). Als überwunden erwiesen wird das Sterben nur in der Form der leiblichen Auferstehung.

Weiterhin war die Auferstehung notwendig als

II. Die Voraussetzung für die Entstehung des Glaubens in den zu Erlösenden
»Denn der Glaube kommt aus der Predigt« (Röm. 10, 14-17), und diese geht zurück auf den Glauben der ersten Zeit. Der einzelne glaubt durch das Zeugnis des Glaubens der Ge­meinde (Kol. 3, 15), und der Glaube der Gemeinde ist undenkbar ohne den Glauben der ersten Generation (Eph. 2, 20). Aber gerade dieser war nach dem Kreuzestode Christi zusammengebrochen (Joh. 20, 19; 25; Luk. 24, 21). Da waren es erst die leibliche Auferstehung des HErrn und die sich daran anschließenden Erscheinungen des Aufer­standenen, durch welche er wieder neu aufgerichtet wurde (1. Petr. 1, 21). Ohne leibliche Auferstehung hätte niemals ein denkender Mensch je an den Gekreuzigten geglaubt; denn sein Ende hätte seine eigenen Voraussagun­gen von seiner Auferstehung und seinem Triumph widerlegt (Matth. 16,21; 17,23; Joh. 2,19). Die Auferstehung des HErrn ist darum das Siegel des Vaters auf die Person und das Werk seines Sohnes (Apg. 2, 32). Durch Totenauferstehung ist Christus als Prophet und Sohn Gottes in Kraft »erwiesen« (Röm. 1, 4).
Die Auferstehung ist das Siegel auf

1. das Zeugnis der Propheten,
2. das Selbstzeugnis Jesu
3. das Zeugnis seiner Apostel. Sie beweist
4. die Gottessohnschaft Jesu,
5. die Königsherrschaft Jesu,
6. die Weltrichtervollmacht Jesu, und sie gewährleistet
7. unsere eigene, zukünftige Auferstehung und Verklä­rung.

Darum ist sie auch das urkundlich verbürgteste Ereignis der Heilsgeschichte. Gerade in dem selbst von der radikalsten Bibelkritik als echt anerkannten ersten Korintherbrief gibt Pau­lus vor kritischen Lesern unter Hinweisung auf Hunderte noch lebender Augenzeugen (1. Kor. 15, 6) folgende vier Hauptbeweise:

1. Den Erfahrungsbeweis: Ihr Korinther seid selbst durch die Botschaft vom leiblich Auferstandenen gerettet worden(1. Kor. 15, 1);
2. den Schriftbeweis: Nicht nur gestorben, sondern auch auferstanden ist Christus »nach den Schriften« (1. Kor. 15,3-4)
3. dеn Zeugenbeweis: Über ein Halbtausend Männer haben ihn bei den verschiedensten Gelegenheiten nach seiner Auferstehung persönlich gesehen (1. Kor. 15, 5-12):
4. dеn heilsgeschichtlichen Notwendigkeitsbeweis: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich und euer Glaube eitel; so sind die, die in Christo entschlafen sind, verloren; so sind wir die elendsten unter allen Men­schen« (1.Kor. 15, 13-19).

Das Kreuz und die Auferstehung gehören folglich zusam­men. Der Gekreuzigte starb, um aufzuerstehen (Joh. 10, 17), und der Auferstandene lebt ewig als der “Gekreuzigte« (1. Kor. 2, 2; Off. 5, 6). Darum werden auch die Heilswirkun­gen der Erlősung immer wieder mit diesen beiden Tatsachen zusammen in Verbindung gebracht.

Damit ist aber auch zugleich schon gesagt: Die Auferste­hung ist – in Verbindung mit dеm Kreuz –

III. Die Grundlage des neues Lebens für die Gläubigen

Erst dann nämlich kann das Sühnopfer Christi dem schuldi­gen Sünder zugutekommen, wenn dieser an ihn glaubt als an das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinweggetragen hat (Joh. 1, 29). Zur Ermöglichung des Glaubens aber war die Auferstehung notwendig. Denn ohne das Offenbarwerden des vollkommenen Sieges von Golgatha im Tri­umph der Auferstehung wäre der Glaube an das Lamm Got­tes nicht möglich geworden.

Darum wird erst in dеm aufer­standenen und erhöhten Mittler das am Kreuz für uns erwor­bene Heil flüssig. Erst in dem zur Herrlichkeit erhöhten Lamm steht die Gnade für alle offen. Und deshalb, weil wir so durch den Glauben die Vergebung der Sünden empfangen haben und damit im Urteil Gottes gerecht und seine Kinder gewor­den sind, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt (Gal. 4, 6), wodurch es zur Wiedergeburt gekommen ist. So ergibt sich als selige Frucht der im Opfertod Christi geschehenen und in der Auferstehung besiegelten Versöhnung eine organische Verbindung des Glaubenden mit Christus, eine Todes- und Lebensgemeinschaft der Erlösten mit dem Er­löser (Röm. 6,5; Gal. 2,19; Kol. 3,3), gleichsam ein Es­sen und Trinken seines Fleisches und seines Blutes (Joh. 6, 53), und der »Christus für uns« wird »Christus in uns«, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol. 1, 27).

Die leibliche Auferstehung des HErrn bedeutet darum die Rückkehr des Erlösers zur Menschennatur, die Verewigung seiner Menschheit in verklärter, verherrlichter Form. Sie be­deutet, daß Christus der »letzte Adam« ist (Röm. 5, 12-21; 1. Kor. 15, 45) und im Himmel zur Rechten Gottes (Apg. 1,11; Dan. 7,13; Phil. 3,21), der schöpferische Anfänger und das organische »Haupt« einer erlösten Geistes­menschheit.

Zugleich aber stehen wir hier vor einer ungeheuren Span­nung unseres Denkens. Denn wie kann der Erlöser noch nach seiner Erhöhung in der Herrlichkeit »Mensch« sein, noch dazu in der Form eines verklärten »Leibes«? Sagt er doch selbst zu den Seinen: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage!«, und ist er doch vor allem die zweite Person in der Gottheit! Hier zeigt sich von neuem der Abgrund des Ewigen. Das Überräumliche und Überzeitliche ist uns restlos unerklärbar. Wenn wir darum hier – mit der Bibel – von »Stofflichkeit« und »Leiblich­keit« reden, so hat dies alles für uns einen unbegreiflichen Sinn. Christus aber ist gerade in die »Ewigkeit« eingegangen. Dennoch lehrt die Heilige Schrift dieses ewige Menschbleiben des Erlösers. Gerade dies verbürgt die Inkraftsetzung und Erhaltung seines Werkes. Sein Sieg über den Tod muß die endlose Fortsetzung seiner Menschwerdung in sich einschlie­ßen. Nur als der »Erstgeborene unter vielen Brüdern« (Röm. 8, 29; Kol. 1,18) kann er der »Urheber ewigen Heils sein (Hebr. 2,10; 5,9).

Zuletzt aber ist die Auferstehung

IV. Das Fundament für die Verklärung der Welt

Als solches entfaltet sie sich in drei stets größeren Kreisen. Sie gewährleistet
im Leben des einzelnen – die Auferstehung des Fleisches,
im Leben der Erdwelt – die Erscheinung des Herrlich­keitsreiches,
im Leben des Weltalls – das verklärte Universum.

1. Die Auferstehung des Fleisches ist nur möglich auf der Grundlage der Auferstehung des HErrn Jesu. Die Auferweckung Jesu ist die Verklärung der Menschheit in Christo als ihrem »Erstling« (Kol. 1,18). Die Aufer­stehung beweist: Der Weg zur Auferstehung der Erlösten ist frei. Sein Triumph über den Tod ge­währleistet uns unsere eigene Auferweckung (Röm. 8, 11). Sein Herrlichkeitsleib ist das Muster und Urbild unseres eigenen, zukünftigen Leibes (Phil. 3, 20; 1. Kor. 15, 49). Die Auferstehung des »Erstlings« ist die Grundlage aller Auferstehung (Joh. 5,26-29).

2. Das Tausendjährige Reich ist durchaus auf der Aufer­stehung des HErrn Jesu gegründet. Denn die dem David gegebenen Verheißungen sprachen von einem ewigen, verklär­ten Menschheitsreich (2. Sam. 7, 13). Dazu ist aber ein ewiger Menschheitskönig erforderlich, eben der Menschensohn, der dereinst auf den Wolken des Himmels erscheint (Dan. 7,13; Matth. 26, 64; Off. 1, 13).
Das Menschbleiben Christi in der Auferstehung ist also die grundsätzliche Erfüllung der davidischen Reichsprophetie. Die Auferstehung des »Königs« ist die Grundlage der messianischen Welt»wiedergeburt« (Matth. 19, 28); und was bei der Wiederkunft Christi geschieht, ist nur die geschichtliche Offenbarung und Durchführung dieser schon längst bei seinem ersten Kommen gegebenen »Erfüllung«. Darum sagt auch Paulus: »Daß Gott ihn (Jesum) aus den To­ten auferweckt hat, … hat er in den Worten ausgesprochen: Ich will euch die dеm David verheißenen, unverbrüchlichen Gnadengüter geben (Apg. 13, 34).

Geistliche »Auferstehung« Israels! (Hes. 37,1-14).
Geist­liche Wiedergeburt der Nationen! (Ps. 87, 4-6; Jes. 25, 7).
Neubelebung der Natur! (Jes. 41,18).

So werden dereinst die Lebens­kräfte des Auferstandenen die ganze Erde erfüllen, und die sichtbare Herrschaft des Messias wird für die irdische Schöp­fung neues Leben sein (Matth. 19,28).

Aber auch das Tausendjährige Reich ist nur Einleitung und Vorspiel. Das Endziel ist
3. Der neue Himmel und die neue Erde nach dem Großen Weißen Thron. Dann werden nicht nur Seele und Geist, sondern auch Stoff und Natur in Voll­endung verklärt sein. Im himmlischen Jerusalem wird es gleichsam Gold geben, »durchsichtig wie Glas« (Off. 21,18). Nicht Geistigkeit, sondern Geistleiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes mit seiner Kreatur.
Aber auch hier ist das Osterereignis das schöpferische Fun­dament. Die Auferstehung des »Erben aller Dinge« ist die Gewähr des neuen Himmels und der neuen Erde.
An Jesu Lei­be wurde in der Auferstehung zum erstenmal Materie ver­klärt (Joh. 20, 27 und bes. Luk. 24, 39-43), und damit der Grundsatz der Verklärbarkeit des Stoffes in der Heilsgeschichte geoffenbart und gewährleistet. Auch in dieser Hinsicht ist Christus »der Erstling«. Fortan beruht alle Verklärung des Himmels und der Erde auf der Auferste­hung des Leibes des Erlösers, und nach dem Großen Weißen Thron werden die Lebenswirkungen des Auferstandenen in weltumspannendster Weise offenbar. Darum ist dies der letz­te und umfassendste Sinn seiner Auferstehung: »Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde« (Jes. 65,17; 2. Petr. 3,13).

6. Kapitel. DIE AUFFAHRT DES SIEGERS

Der siegreich Auferstandene ist gen Himmel gefahren. Der von den Menschen ans Kreuz »Erhöhte« (Joh. 12,32) wurde von Gott in die Herrlichkeit »erhöht« (Phil. 2,9). »Setze dich zu meiner Rechten, bis daß ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße« (Ps. 110,1).

Für alle drei Ämter des Erlösers ist die Himmelfahrt von entscheidendster Bedeutung. Sie ist
für das prophetische Amt – der Übergang aus der un­mittelbaren Prophetie in die Geistprophetie,
für das priesterliche Amt – der Übergang in das Hohepriestertum »nach der Ordnung Melchisedeks«,
für das königliche Amt – die Erweiterung der könig­lichen Vollmacht zur königlichen Herrschaft.

I. Das prophetische Amt
war zunächst vornehmlich:

1. Zeugendienst durch Wandel. Von der Menschwerdung des Erlösers bis zu seinem öffentlichen Auftreten war die Kundmachung Gottes, wie Christus sie vollzog, durchaus ein Prophetentum der Persönlichkeit. Das Leben des Kindes, des Jünglings, des werdenden Mannes offenbarte die Heiligkeit Gottes – »Wer mich sieht, der sieht den Vater« – und zeigte das göttliche Ideal für die normale Lebensentwicklung der Menschen (vgl. Luk. 2, 40; 52). Das »Themas dieses Prophetentums lautete gleichsam: »Der Mensch Gottes«. Seit der Taufe trat noch die

2. Wortprophetie hinzu, zu dem Prophetentums des Lebens das Prophetentum der Lehre. Christus »lehrte wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten« (Matth. 7, 29). Sein Thema war jetzt: »Das Reich Gottes. Seine Himmelfahrt aber bedeutete den Übergang dieses direkten Prophetentums in ein indirek­tes, und – in Verbindung mit Pfingsten – den Beginn einer vom Himmеl her wirkenden

3. Geistprophetie. Nun gibt es ein »Kommen« des erhöhten Propheten in Wort und in Geist zu uns, den zu Belehrenden (Joh, 14, 18; 28). Nicht nur seine Sendboten »kommen« – die Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer (Eph. 4, 11) und überhaupt seine »Zeugen« allzumal (Apg. 1, 8) -, sondern in ihnen und ihrer Botschaft »kommt« Christus sel­ber (Matth. 10, 40) und setzt sein Prophetentum durch den Geist von der Herrlichkeit aus fort; wie Paulus von dem Gekreuzigten und Auferstandenen bezeugt: »Er kam und ver­kündigte Frieden, euch, den Fernen (den Nichtjuden) und Frieden den Nahen (den Juden)« (Eph. 2, 17). Sein Thema ist jetzt: »Die vollbrachte Erlösung«, der »Friede«, das »Licht« (Apg. 26, 23).

Von noch größerer Bedeutung ist die Himmelfahrt für

II. Das hohepriesterliche Amt

Auf Erden brachte Christus die wesenhafte Erfüllung des aaronitischen Priestertums (Hebr. 5, 1-4; 9, 6-23), das Sühnopfer stellend zur Errettung der Sünder; doch, von der Erde erhöht und in die Himmelswelt eingegan­gen ist er nun »von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks« (Hebr. 5, 10). Seine Himmelfahrt ist also nicht nur der Wendepunkt zwi­schen seinem Stande der Niedrigkeit und seinem Stande der Hoheit, sondern zugleich auch der Wendepunkt zwischen zwei Formen der Ausübung seines hohenpriesterlichen Wir­kens.
In der Himmelfahrt ist Christus in das obere Allerhei­ligste eingegangen, »nicht mit fremdem Blut«, wie die alt­testamentlichen Hohenpriester am Großen Versöhnungstage in das irdische Allerheiligste eingingen (3. Mose 16, 15-19), sondern »mit seinem eigenen Blut«, d. h. mit seinem Selbstopfer auf Golgatha, um so, auf dieser Grundlage, nunmehr vor dem Angesicht Gottes für uns zu er­scheinen (Hebr. 9, 11-14; Röm. 8, 34).

Damit aber wird die Himmelfahrt Christi zugleich die Rechtfertigung des Gekreuzigten (Phil. 2, 9),
die An­nahme des Werkes des Sohnes durch den Vater (Hebr. 5, 10),
die Gültigerklärung seines irdischen Hohenpriestertums durch die höchste Majestät in der Himmelswelt (Apg. 2, 34-36),
der wesenhafte Sinn und die zentralste Erfüllung der feierlichsten Hohenpriesterhandlung des größten aller israelitischen Feste (Hebr.9,7).

III. Das königliche Amt
Sie ist die »Thronbesteigung« des »Königs der Ehren« (Ps. 24, 8) . . .
Vom Himmel her offenbart Christus sein Königtum in vielfacher Weise:
als Gründung seiner Gemeinde – durch die Ausgießung des Geistes,
als Ausbreitung seines Reiches – durch Bekräftigung der Heilsbotschaft,
als Verteidigung seines Reiches – durch Überwindung der Hindernisse
als Vollendung seines Reiches – durch seine Ankunft in Herrlichkeit (1. Tim. 6, 14) . . .

7. Kapitel. DIE ERÖFFNUNG DES GOTTESREICHES
                     (Die Ausgießung des Heiligen Geistes).

Mit Pfingsten beginnt eine neue Zeit, das Zeitalter des heiligen Geistes. Der Unterschied zur alttestamentlichen Zeit ist ein dreifacher:

I. Der Umfang. Im Alten Bunde kam der Geist nur auf einzelne (4. Mose 11, 29), im Neuen Bunde kommt er auf alle Gläubigen (Apg. 2, 4; 17; Röm. 8, 9).

II. Die Dauer. Im Alten Bunde wirkte der Geist immer nur für eine Zeitlang (4. Mose 11, 25), im Neuen Bunde »wohnt« er in den Gläubigen (Joh. 14, 17; 23; 1. Kor. 3, 16)

III. Der Inhalt und Zweck. Im Alten Bunde wirkte der Geist nur erziehend und dienstbefähigend; im Neuen wirkt er in der mannigfaltigsten Weise, nämlich

zur Weckung des Glaubens – heilswerbend, als »Geist der Wahrheit;
zur Bewirkung der Wiedergeburt – lebensspendend, als Geist der Sohnschaft;
zur Lenkung der Heiligung – erziehend, als »Geist der Heiligkeit« (Ps. 51, 11);
zur Belebung des Dienstes – ausrüstend, als »Geist der Kraft« (2. Tim. 1, 7);
zur Herbeiführung der Verherrlichung – erklärend, als »Geist der Herrlichkeit« (1. Petr. 4, 14)

1. Heilswerbend. Die Aufgabe des Geistes ist es, Christum zu verklären. Als »Zeuge« des HErrn an die Welt (Joh. 15, 26) ist er der große Evangelist des Sohnes (Off. 22,17). Er redet zur Welt von Sünde, Gerechtig­keit und Gericht (Joh. 16, 8-11), von Sünde der Welt, Gerech­tigkeit Christi und Gericht über Satan.

Die Sünde der Welt deckt er auf durch den Hinweis auf ih­ren Unglauben, mit dem sie den HErrn, den einzig wahren Guten, verworfen haben (Apg. 2, 22)

Die Gerechtigkeit Christi stellt er fest durch den Hinweis auf die Himmelfahrt; denn gerade in der Erhöhung ist der von den Sündern als »ungerecht« Verworfene von Gott als der »Heilige« und »Gerechte« anerkannt worden (Joh. 16, 10; Apg. 2, 25; 1. Tim. 3,16)

Das Gerichtetsein Satans macht er klar durch den Hinweis auf Jesu Kreuzessieg (Joh. 19, 30); denn gerade durch das Kreuz ist der Fürst dieser Welt gerichtet worden (Kol. 2, 15), und darum kann nunmehr die Welt aufgefordert werden, einem anderen, dem eigentlichen Fürsten, zu huldigen.

So wird die in ihren eigenen Augen gerechte Welt durch das Zeugnis des Geistes sündig gesprochen; der von dеп Men­schen als Sünder Gekreuzigte wird durch den Geist als der Heilige und Gerechte erwiesen, und Satan, der Urheber des Mordes von Golgatha, wird als der Besiegte und Gerichtete bloßgestellt. Dies ist das dreifache Zeugnis des Geistes an die Welt …

Gerade dies ist die eigentliche Hauptbedeutung des Pfingstereignisses: Der von dem Himmel herniedergesandte »Geist des Sohnes«(Gal. 4, 6) verbindet die Erlösten mit dem Erlöser, und eignet dem Glaubenden die volle Frucht des Opfers Christi zu. Das in der Menschwerdung und Auferstehung Christi erst  göttlicherseits  begründete, organische Verhältnis wird nun durch die Ausgießung des Geistes auch menschlicherseits er­fahrene Wirklichkeit. »Der HErr ist der Geist« (2. Kor. 3, 17), und »wer dem HErrn anhängt, ist ein Geist mit ihm« (1. Kor. 6, 17).

So ragt die Bedeutung von Pfingsten in die Ewigkeit hinein. Durch den Geist sind wir Söhne (Röm. 8, 14), als Söhne sind wir Erben (Gal. 4, 7), und als Erben Teilhaber seiner kommenden Herrlichkeit (Römer 8, 17) . . .

Zusammengestellt und die Hervorhebungen von Horst Koch, Herborn, im Februar 2006

Das komplette Buch ist nur noch antiquar erhältlich, evtl unter  – www.amazon.de

 

Erich Sauer

Der Triumph des Gekreuzigten
Erster Teil:    Der Aufgang aus der Höhe (hier)
Zweiter Teil: Die Gemeinde der Erstgeborenen (unter Gemeinde Jesu)
Dritter Teil:  Das kommende Gottesreich  (unter Antichrist)
Vierter Teil: Weltvollendung und Himmlisches Jerusalem (unter Antichrist)

 

info@horst-koch.de




Bibel-Buch d. Heilsgeschichte (E.Sauer)

Erich Sauer


DIE BIBEL – DAS BUCH DER HEILSGESCHICHTE

 


Gott ‑ der Herr der Geschichte

Als der Überzeitliche durchschaut Gott alle Zeit. Als der Schöpfer des Geschichtsverlaufs und als Weltregent von Himmel und Erde durchwaltet er den ganzen Werdegang. Als der Herr der Geschichte kann er darum auch als einziger die Deu­tung der Geschichte geben.

Dies tut er durch seine Offenbarung in Wort und Geschichte. Bei aller Selbstverhüllung Gottes im Ablauf der Entwicklung bezeugt er sich durch den Mund seiner Propheten, durch sein Walten in Gericht und Gnade im Einzel‑ und Völkerleben, durch die Verknüpfung der Ereignisse nach dem Gesetz von Saat und Ernte.

Urkunde hiervon ist die Bibel. Darum ist die Bibel »das Buch der Menschheit«, der Schlüssel zum Weltgeschehen. Von der Stellung zu ihr hängt somit alles Verständnis des menschheitlichen Gesamtwerdegangs ab.
Dieses sein Buch hat Gott wunderbar geordnet.

«Die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem Heiligen Geist« (2. Petr. 1,21).

«Alle Schrift ist von Gott eingegeben« (2. Tim. 3, 16).

«Heilige sie in deiner Wahrheit. Dein Wort ist die Wahrheit« (Joh. 17, 17).

»Wort Gottes« und »Buch Gottes«
»Wort Gottes« und »Buch Gottes« sind ‑ was den Begriffs­umfang betrifft ‑ nicht ohne weiteres dasselbe. Vielmehr ragt der Ausdruck »Wort Gottes« über den Ausdruck »Buch Got­tes« hinaus. Er schließt ihn dabei aber zugleich in sich ein. Vom »Wort« Gottes haben wir in dreifachem Sinn zu reden.

1. Christus ist das personhafte »Wort«, der »Logos«, der von Ewigkeit her anfangslos und wesensgleich als Gott in Gott und bei Gott ist und der dann, bei und seit Erschaffung der Welt, das »Wort« ist, das Gott spricht, der Offenbarer des We­sens, der Gedanken und Taten Gottes, der Mittler der Welt­schöpfung, der Welterhaltung, der Welterlösung und der Herr des Weltgerichts.

2. Von Ihm zeugt das verkündete »Wort«, das »Wort Gottes« als allgemeine Botschaft, als Inbegriff der biblischen Heilswahr­heit, als Verkündigung schlechthin, als Gesamtheit alles des­sen, was Gott spricht. In diesem Sinne soll alle mündliche Ver­kündigung der Zeugen Jesu nicht Menschenwort, sondern »Got­teswort« sein (1. Thess. 2, 13) , sowohl das Evangeliumszeug­nis als auch der Dienst am Wort in der Gemeinde (1. Petr. 4, 11) . Dies ist der Sinn fast aller Stellen des Neuen Testaments, in denen der Ausdruck »Wort Gottes« gebraucht wird.

3. Aus diesem verkündeten Wort ist dann, unter der Leitung und im Namen des personhaften Wortes, durch die Inspiration des Heiligen Geistes das schriftliche »Wort Gottes«, das Buch Gottes, die Bibel, hervorgegangen. Aber obwohl dies ‑ seinem Begriffsumfang nach ‑ also einen engeren Kreis umschließt, hat es doch, seit dem Aufhören der unmittelbaren, prophetisch-­apostolischen Offenbarung geradezu einzigartige, denkbar al­lerhöchste Bedeutung. Von nun an ist alle mündliche »Gotteswort«‑Verkündigung schlechthin Ausschöpfung, Auslegung und Anwendung des schriftlichen Gotteswortes, und das schriftliche ist richtung‑ und maßgebend (normativ und korrektiv) für jede rechte Verkündigung des mündlichen Gotteswortes. Darum ist das urkundliche, biblische Schriftwort vollgültige, gottgegebene, unausweichliche Autorität.

Sieben Hauptgründe veranlassen uns zu dieser Glaubens­haltung. Hierbei können wir ‑ im beschränkten Raum unserer Darlegungen ‑ nur das Grundsätzliche nennen. Einzelheiten würden den Rahmen unserer Arbeit sprengen. Nicht Darstellung einer Lehre von der biblischen Inspiration, nicht wissen­schaftliche Einzelbegründung oder Glaubensverteidigung ist hier unser Ziel, sondern persönliches Glaubenszeugnis.

1. Wir glauben an eine notwendige, volle Inspiration um der absoluten Unzulänglichkeit des gefallenen Menschen willen.

Denn wie sollten wir sonst überhaupt in der Lage sein, eine gottgegebene Schau zu gewinnen? Wenn die Bibel eine Mischung von Wahrheit und Irrtum wäre, würden wir selbst ja erst die Entscheidung zu treffen haben, was in ihr als von Gott gekommen anzuerkennen sei und was wir, als von Menschen irrtümlich beigemischt, zu verneinen hätten. Wie aber will Menschengeist unterscheiden können, was göttlich und was menschlich ist, wenn er nicht einen ihm von Gott selbst gegebenen, eindeutigen Maßstab hat? Wie könnte unser Geist sich erküh­nen, Gottes Buch zu analysieren oder gar zu sezieren und ‑ meist nach stark subjektiven »Eindrücken« und Empfindungen oder auf Grund unzulänglicher Geschichtskenntnisse ‑ dar­über zu Gericht zu sitzen, welches Bibelwort Glaube und wel­ches Nichtglaube verdient? Wir, die Gefallenen! Wir, die nicht nur sittlich, sondern auch geistig und erkenntnismäßig durch die Sünde in Verfinsterung und Nebel hineingestoßen sind!
»In ihrem Denken verfinstert, dem Leben Gottes entfremdet in­folge der Unwissenheit, die in ihnen . . . wohnt« (Eph. 4, 18) .
»Ein natürlicher Mensch nimmt nicht an, was vom Geiste Got­tes kommt; . . . er ist nicht imstande, es zu verstehen« (1. Kor. 2, 14).

Die notwendige Folge eines solchen Zustandes ist, daß nun alle göttlichen Dinge durch Offenbarung von oben her kund­getan werden müssen, daß eine objektive Erkenntnisgrundlage vom Himmel her gegeben werden muß.

Darum liegt hier auch zugleich der entscheidende Ausgangs­punkt für die Lehre von der biblischen Inspiration. Das, was der gefallene Mensch über Gott denkt, ist unzuverlässig und meist irrig, ist »Religion«.
Was er erkennen muß, ist, was der Höchste über ihn denkt und was er über sich selbst und seinen Heilsweg bezeugt.
Diese objektive Heilswirklichkeit ist, ihrem Wesen nach, nicht ein Buch, sondern eine Person. Es ist der gekreuzigte, auf­erstandene und zur Rechten Gottes erhöhte Christus, mit dem uns der Heilige Geist organisch verbindet. Christus ist die le­bendige »Wahrheit«, das personhafte »Licht«, der Quell aller Erkenntnis und als Lichtspender zugleich auch der Retter, der aus der Finsternis befreit und uns zu Lichteskindern macht.

Von ihm zeugte die erste Generation. Augen‑ und Ohren­zeugen der heiligen Geschichte Jesu (2.Petr.1,16), Geistoffenbarungen in den Versammlungen der ersten Christen (Apg.11,27), genaue Berichterstat­tung der heilsgeschichtlichen Ereignisse durch gläubige Men­schen, die dabei gewesen waren oder ihre Kenntnisse aus aller­erster Quelle erhalten hatten: Durch dies alles hatte die erste Generation ‑ obwohl sie, was das heilige Buch betrifft, nur erst das Alte Testament, nicht aber schon das Neue Testament in seiner jetzigen Vollständigkeit besaß ‑ dennoch eine klare Kenntnis dieser objektiven Heils‑ und Erkenntnisgrundlage.

Dann aber traten, mit der Abberufung der ersten Generation, diese direkten Botschaften und Bezeugungen immer mehr zurück. Darum mußte ‑ gleichsam als Fortsetzung dieses aposto­lischen Zeugnisses, den kommenden Geschlechtern die Substanz dieser objektiven, voll zuverlässigen, geschichts‑ und lehrmäßi­gen Erkenntnisgrundlage erhalten bleiben. Nur so konnten die kommenden Generationen vor allmählichen Verdunkelungen bewahrt und im Erkennen, Glauben und Leben klar, frisch und gesund erhalten werden.

Darum fügte Gott zu dem schon vorhandenen Alten Testa­ment ‑ und zwar schon in der apostolischen Zeit selbst ‑ das Neue Testament hinzu. Fortan ist diese ganze Heilige Schrift die uns von oben gegebene, voll zuverlässige, prophetisch‑apo­stolische Botschaft von der Heilswirklichkeit Gottes in Christus Jesus.

Ausschlaggebend für die kanonische Gültigkeit einer solchen, zum Alten Testament neu hinzutretenden Schrift war nicht letztlich die unmittelbare oder mittelbare apostolische Verfas­serschrift. Denn es hat apostolische Briefe gegeben, die wir heute nicht mehr besitzen, die also im Neuen Testament keine Aufnahme gefunden haben (1. Kor. 5, 9; 2. Kor. 2, 4; Kol. 4, 16).
Vielmehr war die Tatsache entscheidend, daß solche Schrif­ten von den Aposteln und ihren Bevollmächtigten und engeren Mitarbeitern den urchristlichen Gemeinden mit apostolischer Autorität als glaubensverbindlich übergeben worden waren. Wie Paulus schreibt:
»Wenn jemand unserm Wort durch den Brief nicht gehorcht, den bezeichnet und habt keinen Umgang mit ihm« (2. Thess. 2, 14) .
Wie die alttestamentlichen, sind nun auch die neutestamentlichen Schriften ein Gnadengeschenk des Herrn an seine Gemeinde, und als solches erleuchtend und verpflichtend, beschenkend und heilig fordernd, bestimmend und bindend.

So ist die Bibel das Buch der Wahrheit, lebenbezeugend und lebenvermittelnd, vom Heiligen Geist geschenkt und vom Heiligen Geist begleitet.
Ohne sie wäre die Gemeinde Jesu hoff­nungslos allmählicher Verwirrung und Verflachung anheim­gegeben. Statt Licht und Glauben käme religiöses Zwielicht, statt Nüchternheit Schwarmgeist, statt Klarheit nebelhafte Verhüllung, und immer mehr würde die Stimme des Unterbewusstseins, das dann noch dazu oft missverstandene »innere Licht«, mit Gottes Zuspruch verwechselt werden, und die objektive Gottesbezeugung würde sich im Lauf der Jahrhunderte allmäh­lich subjektiv verflüchtigen.

Nein, genauso wie wir in bezug auf unser sittliches Vermö­gen die Gnade benötigen, so brauchen wir im Hinblick auf un­ser Erkenntnisvermögen ‑ besonders seit dem Verstummen der unmittelbaren, prophetisch‑apostolischen Gottesbezeugung ‑ eine absolut zuverlässige Offenbarungsurkunde, eine volle, biblische Inspiration!

Ohne den Glauben an eine volle Inspiration öffnen wir der Willkür des Subjektivismus Tür und Tor. Der Rationalismus steigt auf den Thron, und letzten Endes steht unser unvollkom­mener, durch den Sündenfall verdunkelter Menschenverstand als der Richter über Gottes Buch und Gottes Wort da. Das aber sei ferne!
Der auf der Anklagebank sitzende Sünder kann nim­mermehr die Fähigkeit und das Recht haben, selber auf dem Richterstuhl Platz zu nehmen, um zu entscheiden, was Gott ge­sagt haben könnte und was nicht. Dies bezieht sich auf den Gesamtorganismus der göttlichen Offenbarung und Heilsur­kunde bis hinein in ihre kleinsten Bestandteile.

Dies alles gilt zunächst und in erster Linie im Hinblick auf die Heilslehre der Schrift. Da aber die Offenbarung zugleich Heilsgeschichte ist, kann ihr lehrhafter Inhalt von dem ge­schichtlichen Element einfach nicht losgelöst werden. Manche Lehren der Schrift hängen schlechthin davon ab, ob der biblische Geschichtsbericht überhaupt richtig ist, daß Jesus z. B. diesen oder jenen Ausspruch getan hat, also diese oder jene Lehre überhaupt verkündigt hat. Mit einer Unsicherheit geschicht­licher Berichte würde sich zugleich auch eine Unsicherheit ge­wisser Heilslehren verbinden.
Zweifellos ist die Bibel kein Lehrbuch der Geschichte ‑ wie sie ebensowenig ein Lehrbuch der Naturwissenschaft ist ‑; aber bei der unzerreißbaren Verkettung von Lehre und Ge­schichtsbericht muß ebenso stark betont werden, daß auch die biblischen Geschichtsmitteilungen zuverlässig sein müssen.

2. Wir glauben an eine folgerichtige, volle Inspiration um der inneren Beziehung zwischen Wort und Gedanke willen.

In jeder klaren Aussage gehört zum unmissverständlichen Aus­druck des Gedankens eine sorgfältige Wahl der entsprechenden Worte. Wohl sind die Worte der menschlichen Sprache zu­nächst nur lautliche Symbole und Zeichen für gemeinte Gedan­ken; denn der Mensch denkt nicht in Worten, sondern in Vor­stellungen. Dies widerlegt aber nicht die Tatsache, daß alles Geistige, wenn es zu klarer Entfaltung gelangen soll, sich im Wort offenbart. Ein Gedanke wird erst dann recht eigentlich zum oberbewußten Gedanken, wenn aus dem Unterbewußt­sein des Empfindens und dem unbestimmten Eindruck des Wol­lens und Fühlens das Wort herausgeboren wird. Wie eben erst durch die Geburt das keimende Leben zum Menschen oder Tier wird, so wird auch erst durch das Wort die geistige Mög­lichkeit und die geistige Urempfindung zur klar geistigen Voll-­Wirklichkeit. Das Wort ist gleichsam der »Leib« des Gedan­kens, die Sichtbarkeit und Form des Geistes. Wankt darum das Wort, so wankt auch der Sinn, und alles wird in Nebel verflüchtigt. Die Parole »Geist ohne Wort« ist darum ein »Wort ohne Geist« !

Das aber bedeutet im Hinblick auf die biblische Inspiration: Sind die Gedanken inspiriert, dann müssen es auch die Worte sein. Ohne Inspiration der biblischen Worte wären auch die biblischen Gedanken ohne feste Gestalt. Eine gewisse Abände­rung (Variierung) der Worte schließt in einer großen Anzahl von Fällen auch eine mehr oder weniger starke Abwandlung der Gedanken oder Gefühlswerte in sich ein.
Unklar und unbefriedigend ist darum der Satz, die biblische Inspiration sei wohl eine Inspiration des Wortes, nicht aber auch der Wörter gewesen, das heißt, eine Inspiration der Heilsbotschaft allgemein, nicht aber zugleich auch all ihrer sprachlichen Einzelausdrucksformen, geschichtlichen und son­stigen Einzelangaben.

Tatsache ist, daß gerade die Feinheiten und Nuancen der biblischen Ausdrucksformen ‑ also gerade der »Wörter« ‑ oft ganz besondere Schönheiten des biblischen »Wortes« ausmachen. Mit Recht sagt Johann Albrecht Bengel:
»Den Propheten wurden alle Worte genau vorgeschrieben, die sie reden und schreiben sollten … Gott hat ihnen mit den Ideen zugleich auch die Worte gegeben«.
 »Wir kämpfen«, er­klärt Spurgeon, der König unter den Predigern, »um jedes Wort der Bibel . . . Wenn uns die Wörter genommen werde so geht uns damit der klare Sinn ganz von selbst verloren«.  – »Die Bibel ist der Himmel in Worten« (Monod).

Unzureichend wäre auch die Überzeugung von einer bloß Personal ‑ Inspiration. Es geht um die heiligen Texte selbst. Denn Paulus erklärt ausdrücklich ‑ und er spricht in dieser seiner Feststellung nicht von den Schreibern der heiligen Schriften, sondern von den heiligen Schriften selbst ‑, daß sie inspiriert und gotteingegeben seien. Er sagt nicht: »Jeder Prophet ist von Gott inspiriert«, sondern: »Alle Schrift ist von Gott eingegeben« (2. Tim. 3, 16).

Daß auch die Schreiber bei der Abfassung ihrer Schriften unter der Leitung und Inspiration des Heiligen Geistes gestand haben, ist damit nicht verneint, ja ist geradezu Voraussetzung hierfür. Wie Petrus bezeugt: 
»Noch nie ist eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht, sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist« (2. Petr. 1, 21).
Die Tatsache, daß die neutestamentlichen Schreiber bei Anführungen aus dem Alten Testament den hebräischen Text nicht immer wörtlich wiedergeben, ist durchaus nicht als Ungenauigkeit oder gar als Widerlegung des Inspirationscharakters der Heiligen Schrift zu bewerten. Denn der eigentliche und einheitliche Verfasser der ganzen Bibel ist der Heilige Geist. Ein Verfasser hat aber das Recht, seine eigenen Äußerungen auch in freier Weise zu wiederholen, ohne sich genau an einen bestimmten Wortlaut binden zu müssen. Auch hat er ein Recht eine Aussage zu machen, die sich zwar eng an den Inhalt einer seiner früheren Aussprüche anschließt, aber ‑ der besonderen neuen Lage angepaßt ‑ leichte Variationen enthält. Christus und der Heilige Geist aber haben die Worte, die sie aus dem Alten Testament anführten, ihrem eigenen Buche entnommen.

Man mißverstehe uns nicht. Wir reden nicht einer starr mechanischen Diktatinspiration das Wort! Eine solche wäre der göttlichen Offenbarung durchaus unwürdig. Eine mechanische Inspiration (»automatisches Diktat«) gibt es auf dem Boden des Okkulten, Spiritistischen, also Dämonischen. Dort wirkt der böse, inspirierende Geist unter Beiseitesetzung (»Substitution«) und Ausschaltung der menschlichen Individualität.
Die göttliche Offenbarung aber hat mit solcher Herabsetzung des menschlichen Eigen‑Ichs nichts zu tun. Sie will nicht Aufhebung der sonstigen Gesetze des menschlichen Bewußtseins, nicht Ver­wandlung von Menschen in Automaten, nicht Ausschaltung, sondern eher Steigerung der menschlichen Vorstellungswelt.
Gottes Offenbarung will Gemeinschaft des menschlichen Geistes mit dem göttlichen Geist. Sie will Heiligung, Verklärung und In‑Dienst‑Stellung der Persönlich­keit. Sie will nicht passive »Medien«, sondern aktive »Men­schen« Gottes (2. Petr. 1,21), nicht tote Werkzeuge, sondern lebendig geheiligte Mitarbeiter Gottes, nicht »Sklaven«, son­dern »Freunde« (Joh. 15, 15).

Darum ist ihre Inspiration nicht mechanisch, sondern orga­nisch, nicht magisch, sondern göttlich‑natürlich, nicht totes Dik­tat, sondern lebendiges Geisteswort. Nur so kann Gotteswort Menschenwort und Menschenwort Gotteswort sein. Nur so konnte Gotteswort als Menschenwort ‑ im Gewande der menschlichen (hebräischen, aramäischen und griechischen) Sprache ‑ an uns herantreten. In einer geheimnisvollen, uner­klärbaren Weise ‑ wie sie überhaupt dem Mysterium der Gottmenschheit des gesamten Reiches Gottes entspricht ‑ wer­den in der Heiligen Schrift die Verschiedenheiten der Schreiber nach Charakterveranlagung, Schreibweise, geistiger Arbeit, ja auch die Verschiedenheit ihrer zeitgenössischen Kultur­umgebung und persönlichen Lebensgeschichte von dem inspi­rierenden Gottesgeist überwaltet und dabei voll gewahrt.

Man vergleiche nur den Donner‑ bzw. Kraftstil eines Amos und Jesaja und den Klageton des melancholischen Jeremia!
Wie unterschiedlich sind Gedankenaufbau und Schreibweise eines Paulus oder Johannes!
Was die zeitgenössische Kulturumgebung betrifft, so ist das Alte Testament, besonders die alttestamentlichen Gottesdienst­bestimmungen, geradezu voll von Beziehungen und Parallelen zu den religiösen und kulturellen Verhältnissen des Alten Ori­ents, während das Neue Testament ‑ abgesehen von den Evan­gelien ‑ kulturgeschichtlich betrachtet dann ein durchaus »hel­lenistisches« Buch ist mit Hunderten von Parallelen und Bezug­nahmen auf die Denkart der griechisch ‑ römischen Mittelmeer­welt. Besonders Paulus, der Großstadtmissionar, hat eine aus­gesprochen hellenistische Großstadtbildersprache. Vgl. seine zahlreichen Bilder und Bezugnahmen auf das griechisch‑römi­sche Militär‑, Sport‑, Amphitheater‑ und Rechtsleben.

Die persönliche Lebensgeschichte der Schreiber spiegelt sich wider z. B. in der ländlichen Bildersprache des Hirten Amos (Amos 7, 14; vgl. 2,13; 3, 4‑6), den Völkerprophetien des Mi­nisters Daniel, den Schilderungen des zukünftigen Priesterdien­stes durch den Priester Hesekiel (Hes. 1, 3; vgl. Kap. 40‑48) , der Aufforderung zum Tempelbau ebenfalls durch einen Prie­ster (Sacharia).
Es gibt also in der Tat ganz unverkennbar einen »mensch­lichen Faktor« in der Bibel. Nur muß hierbei dem Glauben be­wußt sein, daß dieser »menschliche« Faktor nicht in einer ori­ginaltextlichen Fehlerhaftigkeit, d. h. in einer Beimischung von persönlichen oder zeitgenössischen, geschichtlichen oder natur­wissenschaftlichen Irrtümern in den heiligen Text, besteht, son­dern eben in diesem Verwobensein des Göttlichen mit der ir­dischen Geschichte.

Daß die heiligen Schreiber dabei selber nicht fehlerfrei wa­ren und als Kinder ihrer Zeit auch an zahlreichen, namentlich naturwissenschaftlichen Irrtümern ihrer Zeitgenossen teilnah­men, ist selbstverständlich. Die Heilige Schrift lehrt ja auch nirgends eine absolut sittliche Vollkommenheit oder wissen­schaftliche Irrtumslosigkeit ihrer Schreiber als Personen (vgl. z. B. Petrus in Gal. 2, 11 ff.). Das Entscheidende ist, daß die persönlichen Irrtümer der Werkzeuge der Inspiration nicht in den heiligen Text selbst eingedrungen sind.
Mit Recht ist gesagt worden, daß sich die Heilige Schrift in astronomischer, geologischer und überhaupt in naturwissen­schaftlicher Hinsicht volkstümlicher Ausdrucksweise bedient (wie dies ja übrigens unsere modernen Gelehrten im Alltags­verkehr auch heute noch meist ebenso tun).

Aber genauso ist zu sagen, daß die Inspiration des Geistes die biblischen Schrei­ber davor bewahrt hat, etwas für wirklich geschichtlich oder naturwissenschaftlich richtig zu erklären, was tatsächlich falsch ist. »Mose war in aller Weisheit Ägyptens unterrichtet.
 Was be­wahrte ihn davor, daß er in die fünf Bücher Mose nicht die alt­ägyptische Chronologie aufnahm, welche später Manetho schriftlich festlegte und die 30.000 Jahre vor Christi Geburt be­gann?
 Was veranlaßte den Daniel, der in chaldäischer Wissen­schaft bewandert war, den ungeheuerlichen chaldäischen Fabeln von der Entstehung der Welt sein Ohr zu verschließen?


Paulus kannte die beste Wissenschaft seiner Zeit. Warum fin­den wir in seinen Reden und Briefen nichts, was an Augustins zornige Verwerfung der Lehre von den Antipoden oder an die Meinung des Ambrosius erinnert, daß die Sonne Wasser an sich zieht, damit sie sich bei ihrer außerordentlichen Hitze kühle und erfrische?«
Das ist eben das Geheimnis der biblischen Inspiration, daß sie ihre menschlichen Werkzeuge durchaus aktiv sein läßt, dabei aber dennoch jeden Gedanken und jedes Wort überwacht und bewahrt, so daß das Ergebnis im Originaltext ein irrtumsfreies, vom Geist voll durchdrungenes, absolut zuverlässiges Gotteswort ist.
»Der Gott«, sagt Dr. Saphir, »ohne den kein Sperling vom Dach fällt und dessen Weisheit auch das kleinste seiner Werke verkündigt, vermochte sicherlich auch über dem Schriftausdruck zu wachen, und die Wunder seines Wortes mikroskopisch zu untersuchen, ist weniger Zeichen eines kleinlichen als vielmehr eines denkenden Geistes.«

In diesem allen müssen wir klar unterscheiden zwischen Offenbarung, Erleuchtung und Inspiration.

»Offenbarung« ist die Enthüllung göttlicher Geheimnisse, zu deren Verständnis die »Erleuchtung« führt. »Geoffenbart« brauchte den heiligen Schreibern nicht zu werden, was sie selbst mit Augen und Ohren miterlebt hatten oder was sie durch Erkundigung in Erfahrung bringen konnten (Luk. 1, 1‑3) . Hier benutzt später der Geist Gottes ihr Wissen und reinigt es von allem Irrtum.

»Biblische Inspiration« ist dann hinterher (!) diejenige Tätigkeit des Heiligen Geistes, durch die er den aktiven (!) menschlichen Geist des biblischen Schreibers geheimnisvoll erfüllt, lenkt und überwaltet, so daß eine untrügliche, geistdurchwirkte Niederschrift entsteht, eine heilige Urkunde, ein Buch Gottes, mit dem sich der Geist Gottes auch weiterhin organisch verbindet.
Selbstverständlich beziehen sich diese Darlegungen auf die biblischen Originaltexte. Die Zahl der voneinander abweichenden Lesarten in der späteren Textüberlieferung ist zwar nicht gering. Dennoch braucht niemand zu erschrecken.
Besonders die Genauigkeit der jüdischen »Massoreten« (Abschreiber, von hebr. massora = Überlieferung) beweist, daß das heilige Buch der Juden das am allersorgfältigsten überlieferte Schrifttum des ganzen Altertums ist. So stellten jene Abschreiber zur Wahrung des richtigen (Konsonanten‑) Textes unter anderem folgende Regeln auf: Man zählte genau, wie oft ein und dasselbe Wort im ganzen Alten Testament oder in Teilen desselben vorkommt. Man notierte, wie ähnlich lautende Stellen voneinander abweichen. Man zählte, wie oft ein und dasselbe Wort in Versanfang, Versmitte und Versende vorkommt. Man stellte den mittelsten Buchstaben der Thora (des Gesetzes) fest, ja, man gab am Ende des Alten Testaments geradezu an, wie oft jeder Buchstabe im ganzen vorkomme.
Die hohe Qualität des von den jüdischen Abschreibern überlieferten (»massoretischen«) Textes hat auch neuerdings der Vergleich mit der 1947 in einer Höhle am Toten Meer gefundenen Jesaja‑Handschrift bestätigt. Diese stammt aus dem zweiten oder ersten vorchristlichen Jahrhundert. Sie ist also ungefähr 1000 Jahre älter als die ältesten, uns bisher bekannten alttestamentlichen Manuskripte. Letztere stammen aus der Zeit um 900 und 1000 nach Christi Geburt. Die Arbeit der Massoreten selbst geschah seit ungefähr 600 nach Chr., besonders von Tiberias aus. Hierbei waren sie Erben älterer Texte.
Dr. Hort erklärt in seiner auf dem Gebiet der neutestamentlichen Textforschung epochemachenden »Einleitung zum griechischen Neuen Testament«:
»Was man in irgendeinem Sinn wirklich inhaltliche Lesart‑Verschiedenheit nennen könnte, ist ein so kleiner Bruchteil, daß er kaum mehr als ein Tausendstel des Gesamttextes ausmacht.«
In diesem Sinne spricht Bischof Dr. Westcott, Horts Mitarbeiter, von dem «Bewußtsein der Ruhe und des Vertrauens, das mit zunehmender Erkenntnis immer fester wird«, eben in dem Maße, wie ihre Forscherarbeit »immer tiefer und tiefer grub, um die Schätze zu gewinnen, die in den Worten, Rede‑ und Schriftteilen und Sätzen verborgen sind.«
So sagt auch Sir Frederic G. Kenyon, eine der höchsten Autoritäten auf dem Gebiet der neutestamentlichen Textforschung:
»Sowohl die Glaubwürdigkeit als auch die Echtheit der Bücher des neuen Testaments können als erwiesen angesehen werden… Der Christ kann die ganze Bibel in die Hand nehmen und ohne Furcht und Zögern erklären, daß er damit das wahre Wort Gottes in Händen hat, so wie es uns ohne wesenhaften Verlust von Generation zu Generation durch die Jahrhunderte hindurch übergeben worden ist.«

Trotzdem ist wahr: Gott hat ein gewisses Eindringen von Abschreibefehlern in den heiligen Text nun einmal doch zugelassen. Dies beweist die Geschichte der alt‑ und neutestamentlichen Textgestalt unwiderleglich. Wir weisen nur auf den kleinen, textkritischen Apparat in den Fußnoten der Elberfelder Bibel hin, wie ebenfalls auf die Einleitung in die 7. und 8. Ausgabe dieser selben Übersetzung. Ebenso verweisen wir auf den Nachtrag zum Alten Testament in der Miniatur‑Bibel, wo desgleichen eine Anzahl verschiedenartiger Lesarten mitgeteilt wird. Vor allem natürlich ist hier der textkritische Apparat des griechischen Nestle‑Testaments zu nennen, wie überhaupt die entsprechenden Hinweise aller wissenschaftlichen Kommentare und Textausgaben des Neuen Testaments in der Ursprache. Aus diesem allen heraus ist ein weitverbreiteter Einwand gegen den Glauben an die volle Inspiration gefolgert worden.
Man hat gesagt: Ist demnach die ganze Frage nach einer vollen Inspiration nicht von vornherein eine mehr oder weniger unfruchtbare, eine mehr historische, nicht aber eigentlich praktische, mehr eine Frage der Vergangenheit als der Gegenwart?
Die biblischen Originaltexte liegen heute doch nun einmal nicht mehr vor! Auch wird niemand, dessen Urteil hier in irgendeiner Weise ernst zu nehmen ist, zu behaupten wagen, die von ihm benutzte Übersetzung, so sorgfältig und ausgezeichnet sie auch sein mag ‑ ganz gleich in welcher Sprache ‑, sei bis in alle Texteinzelheiten hinein fehlerfrei, absolut vollkommen und restlos klar. Ja, nicht einmal von den allerbesten, uns heute noch vorliegenden hebräischen und griechischen, also ursprachlichen Texten kann dies ohne Einschränkung ausgesagt werden. Nur offensichtliche Unkenntnis der textgeschichtlichen Tatbestände könnte etwas anderes behaupten.



Liegt darum nicht, so fragt man, in Anbetracht alles dessen, eigentlich gar kein Unterschied vor, ob wir nun an eine volle Inspiration der Originaltexte glauben oder nicht, vorausgesetzt nur, daß wir überhaupt die Heilige Schrift grundsätzlich als Gotteswort anerkennen, auch wenn sie, unter Umständen, schon von vornherein verbunden gewesen wäre mit mancher menschlichen Unvollkommenheit und »Knechtsgestalt«? Den eigentlichen Originaltext hat heute ja schließlich doch keiner!

Unsere Antwort lautet: Wir unterschätzen durchaus nicht das Gewicht dieses Einwandes. Ein mathematischer Gegenbeweis ist nicht möglich, aber auch gar nicht erforderlich. Wir befinden uns eben ‑ wie in unserer Beziehung zum »lebendigen« Wort »Christus«, so auch hier in unserer Beziehung zum geschriebenen Wort der Bibel ‑ durchaus auf persönlichem Glaubensboden. Dennoch stehen diesem Einwand ganz bestimmte, klare Glaubenspostulate gegenüber. Wir verweisen nur auf die sieben Hauptgesichtspunkte dieser unserer Darlegungen über den Inspirationscharakter der Bibel als des Buches der Heilsgeschichte.
Wir müssen aber trotzdem mit Nachdruck hervorheben: Der Unterschied ist gewaltig!

Es ist doch etwas durchaus anderes, wenn jemand erklärt: Gott hat uns in der Entstehung der Heiligen Schrift eine ursprünglich fehlerfreie, voll inspirierte Heilsurkunde gegeben, die nun ‑ in Verbindung mit Christus, dem lebendigen Wort, und dem beständigen Wirken des Heiligen Geistes ‑ für unser Glaubensleben Felsenfundament ist, und der wir durch sorgfältigste Textforschung, wissenschaftliche, geistgemäße Übersetzungsarbeit und christusgebundene Schriftauslegung so nahe wie nur möglich zu kommen bestrebt sein sollen.
Oder ob jemand erklärt: Ein solches, voll inspiriertes Gottesbuch hat Gott niemals gegeben, und darum kann auch gewissenhafteste Textforschung und geisterfüllte, denkbar beste Übersetzung und Auslegung niemals zu einer solchen letzten, restlos verbindlichen, fundamentalen Gottesurkunde durchstoßen, und zwar einfach deshalb nicht, weil ein solches Gottesbuch als Felsenfundament in dieser Form niemals existiert hat.

Der Unterschied ist also von höchster Bedeutung, und zwar gerade auch in bezug auf unsere heutige Stellung zur Bibel! Darum wird gerade der, welcher an die volle Inspiration der Originaldokumente glaubt, die wissenschaftliche Arbeit an der Textgeschichte und der Textforschung doppelt bejahen. Ja, je mehr wir die biblische Sachkritik verneinen, desto mehr werden wir die biblische Textkritik (Textforschung) bejahen. Wir möchten doch eben, gerade aus einer solchen Glaubenshaltung heraus, möglichst genau wissen, was Gott in Seinem vollkommenen, geschriebenen Wort nun einmal gesagt hat.

3. Wir glauben an eine gotteswürdige, volle Inspiration um der Genauigkeit der göttlichen Naturoffenbarung willen, die auch das Winzigste in der Schöpfung sorgfältig ordnet.

Die Natur ist von ihren größten Vertretern in der Sternenwelt an bis hin zu den winzigsten Tierchen und Pflänzlein, ja bis zu den Molekülen, Atomen und Elektronen des Stoffs unfaßbar genau nach gewaltigen, feinen und allerfeinsten Gesetzen aufgebaut.
Sollte da der Höchste, wenn er schon die niedere Form seiner Selbstbekundung, die Naturoffenbarung, so wunderbar geordnet hat, etwa weniger Sorgfalt auf seine unendlich viel höhere und edlere Offenbarung, sein Zeugnis im geschriebenen Wort, verwandt haben?

Jeder Schmetterlingsflügel mit seinen hunderttausend Häutchen, jedes Fliegenauge mit seinen 6000 bis 7000 Linsen, jeder Spinnfaden mit seinen 300 Einzelfäden können uns dafür ein Zeugnis sein. Und die 306 Panzerplatten eines Käfers, die 8000 Paar Muskeln einer Seidenraupe, die 700 Schwingungen des Flügelschlages einer Schnake je Sekunde, die Samen sämtlicher 300 000  Pilzarten, die so winzig sind, daß sie alle ‑ von jeder Art einer ‑ in weniger als einem einzigen Fingerhut Platz hätten: Sind sie nicht alle ein geradezu unwiderleglicher Beweis dafür, nicht nur daß es Gottes nicht etwa unwürdig ist, sondern im Gegenteil, wie es gerade seine Größe offenbart, wenn er, der Allergrößte, auch das Allerkleinste durchwaltet?

Oder wir denken an den Wunderbau des Bienenkörpers. 31 000 Sinneshärchen sitzen an den Fühlern der Drohnen. Ganz genau sechseckig sind die 5000 Facetten (Linsen), aus denen jedes einzelne Bienenauge zusammengesetzt ist, und mit ihrem Flügelschlag von 440 Schwingungen erreichen sie eine Stundengeschwindigkeit von 65 Kilometern, eine Geschwindigkeit also, die fast der Durchschnittsgeschwindigkeit eines modernen Zuges entspricht!
Ganz zu schweigen von der Wunderkraft jenes Zehntausendstel Gramms Materie, das wir Ameisengehirn nennen, oder von den völlig unbegreifbaren Atomplanetensystemen in den Grundbestandteilen der Materie und all den anderen Millionen und aber Millionen von Wundern in der Mikrowelt des Allerkleinsten…
Wenn nach den Worten Jesu selbst die Haare auf unserem Haupte gezählt sind (Matth. 10, 30) , wird Gott etwa da die Einzelbestandteile seines Wortes weniger beachten, durch das er doch Millionen unsterblicher Menschenseelen zur Errettung führen will und zur Seligkeit und Herrlichkeit in allen Äonen der Ewigkeit?
Und welch ein Wunderbau ist doch in der Tat sein Wort und sein Buch!


4. Wir glauben an eine harmonische, volle Inspiration um des Zusammenklangs aller Einzelbestandteile des biblischen Gesamtzeugnisses willen.

In drei verschiedenen Sprachen ist das Gottesbuch geschrieben (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch). Das Neue Testament ist von neun, das Alte von mindestens dreißig verschiedenen Schreibern verfaßt. Verschieden waren die Bildungsgrade, Klassen, Lebensalter und Berufsstände dieser Männer ‑ Propheten, Könige, Hofbeamte, Minister, Hirten, Zöllner, Priester, Fischer, Theologen, Richter.

Verschieden waren die Plätze und Ursprungsländer ‑ in Babylon und Ephesus; im Geräusch des Häusermeeres des heidnischen Doppelhafens Korinth (Römer-Brief), in der stillen Sternennacht unter freiem Himmel im Heiligen Lande (Ps. 8) ; in Rom, der Zentrale des Weltreiches, in Jerusalem, dem Mittelpunkt des auserwählten Gottesvolkes; in den wilden, zackigen Bergeinöden, die Davids Zufluchtsstätte waren, wie in den kunstgeschmückten Städten der Griechen, in denen Paulus predigte; in der fruchtleeren, sandtrockenen Wüste des Sinai, wie in dem Land, das von Milch und Honig fließt.
Und obwohl es schließlich von Moses Zeiten an bis zu Johannes, dem Seher von Patmos, über anderthalb Jahrtau­sende gewesen sind, in deren Verlauf Gott an der Fertigstellung dieses edelsten aller Bücher arbeiten ließ, obwohl also eine Mannigfaltigkeit die andere geradezu drängt, so ist dennoch eine Harmonie, die selbst unter dem kritischsten Seziermesser des Unglaubens sich immer wieder neu zu behaupten weiß.

Als Gegenbeweis hat man auf die vermeintlichen, zahlrei­chen »Widersprüche« in der Bibel hingewiesen, besonders in den Evangelienberichten, z. B. bei den Wundern Jesu und in der Auferstehungsgeschichte. Aber wie oft ist doch schon in ge­radezu überraschendster Form nachgewiesen worden, daß sol­che »Widersprüche« sich bei genauer Kenntnis der Zeitlage, der Einzelumstände und auch der sprachlichen Ausdrucksweise des biblischen Berichterstatters ohne Künsteleien harmonisch auflösen!
Darum hat der Glaube durchaus fest erprobten, viel­fach unter Beweis gestellten, sicheren Grund zu froher Zuver­sichtlichkeit, daß auch da, wo wir heute vielleicht noch nicht restlos die volle Erklärung haben, sie dennoch schon jetzt ir­gendwie besteht: Entweder hat ein anderer sie anderswo schon heute, oder aber sie wird in kürzerer oder längerer Zeit von an­deren oder möglicherweise auch von uns selbst noch gefunden werden. In jedem Fall wird sie in der Vollendung von uns allen klar geschaut werden.
Wenn wir glauben, Widersprüche zu erkennen, so ist es dar­um durchaus nicht unsere Aufgabe, sie alle erst miteinander auszugleichen, bevor wir dem Wort der Schrift glauben kön­nen. Wenn wir sie gar nur durch erzwungene oder künstliche Exegese zu harmonisieren vermögen, ist es besser, sie einfach unerklärt und unausgeglichen zu belassen.
Andererseits dürfen wir aber auch nicht meinen, daß sie nun deshalb überhaupt nicht ausgleichbar seien, eben weil wir noch nicht imstande sind, sie zu harmonisieren. Unsere eigene, persönliche Fähig­keit in Schriftauslegung und geistlicher Einsicht ist noch lange nicht der Maßstab der Wahrheit. Was wir nicht können, mögen andere imstande sein zu tun. Und wenn wir alle zusammen es noch nicht können, dann wird sich die Wahrheit zu ihrer Zeit schon selbst offenbaren und rechtfertigen. In jedem Fall glau­ben wir, daß die Harmonie möglich und wirklich ist.
Wäre es wohl möglich, heute einen Kranken nach einem Me­dizinbuch zu heilen, das von 40 verschiedenen Ärzten zusam­mengestellt wäre, die in den Zeiten des Alten Orients und des klassischen Altertums gelebt haben, von Männern in Vorder­asien, von Fachärzten und »Laien«, von Akademikern und Handwerkern, wobei dann noch dazu Rezepte dargeboten würden, die während des Zeitlaufs von 1500 Jahren je und je angewandt worden sind, also von der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus bis zum Abschluß des ersten Jahrhunderts nach der Zeitenwende? Die Bibel aber ist gerade das Heilmittel für alle Welt, das Heilmittel für unsere Seele! Millionen und aber Millionen aller Zeiten und Länder haben ihre Heilkraft erfahren, und obwohl ihre ältesten Bestandteile schon über 3300 Jahre alt sind, ist ihre Heilkraft doch auch heute noch so stark und ihr Heilswort so wirksam und lebendig, als wenn das Ganze gerade soeben entstanden wäre.

Die gesamte Heilige Schrift treibt eine Lehre und zeigt einen Heilsweg für unser Inneres. Mögen auch die Offenbarungswege Gottes in den verschiedenen Heilszeiten recht mannigfaltig gewesen sein, so ist es doch ein gemeinsames Lebensprinzip, das das Ganze durchdringt. Damit aber beweist gerade diese Einheit des Vielgestaltigen seine göttliche Planung. 

5. Wir glauben an eine organisch sich entfaltende, volle Inspiration, um der   
     Geschichtseinheit der von der Bibel bezeugten Heilsoffenbarung willen.
Das ist das Wundersame an der Bibel: Sie ist, trotz ihrer erstaunlichen Mannigfaltigkeit, ein einheitlicher Organismus, ein lebensvolles, von einem Geist beseeltes, harmonisches System.

Da die Heilsoffenbarung Gottes ein zusammenhängender, geschichtlicher Werdegang ist, muß auch ihre Urkunde ein zusammenhängendes, geschichtlich planmäßiges Ganzes sein, ein wohlgeordnetes, prophetisch historisches System. Wie Gott in der Heilsentwicklung selbst, so bringt auch sein Buch die erlösende Wahrheit nicht in abstrakt begrifflicher, philosophischer Form, sondern in konkret faßlicher, lebendig natürlicher Anschauung und in stufenmäßig fortschreitender, geschichtlicher Entfaltung. Mit Recht haben darum in der evangelischen Kirche schon Männer wie Bengel, Oetinger, Beck und Blumhardt und vor ihnen, als ihre gemeinsame Wurzel, der deutsch-niederländische Bibelerklärer Johannes Coccejus in Leiden die Heilige Schrift als ein kunstreiches Gebäude aufgefaßt, zu dem der Grundriß schon vorher entworfen war, als ein auf Christus abzielendes Ganzes, ein System mit Gleichmaß und Zusammenklang, in das jedes einzelne als ein Teil des Ganzen organisch eingegliedert ist. »In weisester Anordnung, ohne jede Verwirrung, erstrahlt alles. Die Harmonie aller Teile macht die Durchsichtigkeit und Klarheit des Ganzen aus.«
Darum treiben alle Bücher eine Wahrheit und eine Lehre, weshalb sie sich auch gegenseitig auslegen, und Schriftwort erklärt sich durch Schriftwort. Das Thema vom Reiche Gottes und seinen planmäßigen Haushaltungen ist die leitende Melodie dieser gewaltigen göttlichen Gesamtsymphonie. Wir aber haben uns »schauend und lauschend niederzubeugen, um die Harmonie des Gegebenen zu erfassen«, und in dem Maße, wie dies in Demut, Glauben und Gehorsam geschieht, wird uns die göttliche Herrlichkeit der Bibel stets neu aufgehen und von Fall zu Fall, von Einzelheit zu Einzelheit, lebendig bestätigt werden, und die heilsgeschichtliche Einheit und die bis ins Kleinste gehende Großartigkeit der Heiligen Schrift wird uns ihren Inspirationscharakter stets neu beweisen.
Besonders tut dies ‑ abgesehen von vielen, kleinen und großen Einzelheiten in der Übereinstimmung von Weissagung und Erfüllung ‑ der innere Aufbau und die folgerichtige Struktur des Ganzen in der Aufeinanderfolge der Heilszeiten mit ihren jeweiligen Zielen. Kann denn die alttestamentliche Heilsvorbereitung zielklarer aufgebaut sein als sie ist?

Zuerst sind ‑ in der biblischen Urgeschichte, als dem Geschichtsfundament des Gesamtverlaufs ‑ zwei Hauptoffenbarungsperioden gegensätzlicher Harmonie (Polarität). Da gilt, nach der Austreibung aus dem Paradiese, zunächst Jahrhunderte hindurch der Grundsatz der menschlichen Selbstbestimmung, ohne göttliche Gesetzesoffenbarung und ohne von Gott angeordnete, menschliche Obrigkeit (von Adam bis Noah).
Dann als dieser Grundsatz das menschliche Versagen gezeigt hatte ‑ wird sein harmonischer Gegensatz eingeführt: der Grundsatz der Kontrollgewalt (»Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden«, 1. Mose 9, 6), und es folgt nunmehr Menschheitsgeschichte mit menschlicher Obrigkeit und Aufbau von Staatsgebilden (vgl.1. Mose 10). (Näheres siehe Das babylonische Menschheitsgericht, unter Antichrist, bei www.horst-koch.de )

Und welche Harmonie, welche innere Logik zeigt die sich daran anschließende Weiterführung der Heilsvorbereitung von Abraham auf Christus! Wie ist gerade hier absolut klarste, völlig unübertreffbare Zielausrichtung auf den Erlöser und sein Werk!
Zwei Hauptbundesschließungen (Abraham und Mose) in polarer Harmonie! Eine zweitausend Jahre lang währende Erziehung zum Glauben (Abrahamsbund) ; dann, als Ergänzung hinzutretend, eine anderthalb Jahrtausend lang währende Erziehung zur Buße (durch Weckung von Sündenerkenntnis im Mosaischen Gesetz).

Kann die neutestamentliche Heilsentfaltung passender vorbereitet sein? Handelt es sich nicht darum, daß der Sünder errettet werden soll, daß er aber nur dann das volle Heil durch das Stellvertretungswerk Christi empfangen kann, wenn er sich zu Christus, als dem Sünderheiland, »bekehrt«? Und ist nicht »Bekehrung« schlechthin die Summe von Abkehr und Hinkehr, von Nein zu sich selbst und von Ja zum Herrn, also von Buße und Glauben? Ist damit nicht die Bekehrung, als diese Einheit von Buße und Glaube, das subjektive, erzieherische Kernziel der Gesamtoffenbarung des ganzen Alten Testaments? Ist hier überhaupt durchsichtigere Planmäßigkeit denkbar als in dieser Anordnung gerade zweier, solcher Hauptvorbereitungsperioden (Abraham und Mose) mit gerade diesen, ihnen innewohnenden, bei aller Unterschiedlichkeit klar zusammenhängenden, zentralen Hauptzielen?

Und ist nicht das ganze Alte Testament ‑ gerade in dieser seiner Zweigipfligkeit zugleich wunderbar planmäßig auch auf das objektive Heilswerk des Erlösers selbst ausgerichtet?
Da ist der Glaube an die Lebens‑ und Auferweckungskraft Gottes geradezu der Höhepunkt bei Abraham (vgl. Isaaks Geburt und Isaaks Opferung).
Da ist das Todesurteil Gottes über den Sünder geradezu der Tiefpunkt von Gericht und Verdammung im Mosaischen Gesetz.


Da ist also letzteres ganz klar ausgerichtet auf Karfreitag, ersteres auf Christi Auferstehung. So sind sie denn alle beide (Abraham und Mose) in ihrer gegensätzlichen Einheit ‑ ganz durchsichtig und erkennbar zielbestimmt hinweisend auf die beiden Hauptseiten im Heilswerk des Erlösers, und es wird offensichtlich, daß das ganze Alte Testament nicht nur auf das subjektive Ziel der »Bekehrung« des Sünders (Buße und Glaube), sondern auch auf das objektive Ziel des Heilswerkes des Sünderheilands (Tod und Auferstehung), also auf das menschliche Zentralheilserlebnis und das gottgewirkte Zentralsheilsereignis ausgerichtet ist.

Man müßte blind sein, hinter diesem allen nicht einen von vornherein festliegenden, zielsicher vorgesehenen, großzügig und folgerichtig durchgeführten Gottesplan zu erkennen!

Und wie organisch und innerlich zusammenhängend ist dann auch der Aufbau der neutestamentlichen Heilsentfaltung!
Zuerst steht ‑ im Zeugnis von Wort und Geist ‑ der gen Himmel gefahrene, abwesende Christus im Mittelpunkt (in der Zeit zwischen seinem ersten und seinem zweiten Erscheinen).
Dann ‑ seit der Parusie (Ankunft, Wiederkunft) ‑ regiert Christus als der in Herrlichkeit offenbar gewordene, anwesende Gottkönig.


Erst Verborgenheit mit besonderem Rückblick auf die Erniedrigung, dann Offenbarung mit dem Triumph königlicher Erhöhung.
Erst Dornenkrone, dann Königskrone.
Erst Heilserleben durch Glauben, dann Heilserleben im Schauen.
Zuerst Sammlung der Gemeinde, dann Segnung der Völkerwelt, zuletzt neuer Himmel und neue Erde, ein verklärtes Universum. (Ausführlicher in DER TRIUMPH DES GEKREUZIGTEN, bei www.horst-koch.de)

Also auch hier wieder völlig klare, wachstümliche Entfaltung eines großartigen Planes!

Klarer, harmonischer, großartiger kann es überhaupt keinen Geschichtsplan geben. Gerade aber diese Zielklarheit und Einheitlichkeit des Ganzen macht die Heilsgeschichte zu einem universal historischen Selbstbeweis ihres göttlichen Charakters.
Da aber die Bibel die Urkunde dieser Offenbarungsgeschichte ist, wird durch diese Harmonie des Gesamten auch ihre eigene Geschichtseinheit und ihr göttlicher Inspirationscharakter erwiesen.
Wir verkennen durchaus nicht die sich aus solcher Glaubenshaltung ergebenden Probleme, besonders geologischer und chronologischer Art.
Aber ungelöste Fragen sind für den Glauben kein Hindernis für seine Grundhaltung zu Christus und dem Zeugnis seiner Propheten und Apostel.
Schwierigkeiten stellen sich auch sonst dem denkenden Glauben entgegen. Niemand bezweifelt, daß die biblische Lehre von der göttlichen Dreieinheit dem menschlichen Denken eine »Schwierigkeit« darbietet.
Es ist eine »Schwierigkeit«, zu erkennen, daß Gott zugleich Einer und Drei sein kann, daß Christus gleichzeitig göttlich und menschlich, wahrer Gott und wahrer Mensch ist.
Es ist eine »Schwierigkeit«, zu erkennen, daß Jesus von Nazareth Gottes Sohn ist, der in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.
Es ist »schwierig«, einzusehen, daß das stellvertretende Leiden eines Unschuldigen einem Schuldigen rechtlich zugerechnet werden kann.
Es ist »schwierig« zu begreifen, daß der Mensch gleichzeitig unfähig und doch verantwortlich ist, daß ein Glaubender, obwohl oft noch sündigend, dennoch vor Gott heilig und gerecht ist.
Aber sollen wir warten, bis wir alle diese »Schwierigkeiten« geklärt haben, bevor wir glauben können?
Zweifellos würde dann kein Mensch errettet werden! Nein, wir müssen die Lehren der Heiligen Schrift im Glauben einfach annehmen, und zwar schlechthin deshalb, weil sie von den Propheten und Aposteln des Alten und Neuen Testaments und vor allem von dem Herrn selbst geglaubt und gelehrt worden sind. In diesem Sinne ist auch der Glaube an die biblische Inspiration unzertrennbar verbunden mit der Anerkennung der Autorität und der Zuverlässigkeit der heiligen Schreiber.
Übrigens, schon oft sind scheinbar unlösbare Fragen plötzlich aufgehellt worden, und die Bibel, die man naturwissenschaftlicher oder geschichtlicher Irrtümer bezichtigt hatte, stand gerechtfertigt da. Mit Recht erklärt Augustinus in einem Brief an Hieronymus: »Wenn ich hier oder da auf etwas stoße, was mit der Wahrheit nicht übereinzustimmen scheint, so zweifle ich keinen Augenblick, daß entweder die Abschrift fehlerhaft sei oder daß der Übersetzer den Gedanken des Originals nicht genau ausgedrückt hat, oder daß ich die Sache nicht verstanden habe«.
In dem gewaltigen Entwicklungsgang der Heilsgeschichte und Bibeloffenbarung ist Christus der Mittelpunkt. Er ist die Zentralsonne der ganzen Bibel. Alle Bücher der Heiligen Schrift »treiben Christus« (Joh. 5, 39) . Gerade oft auch an solchen Stellen, wo es zunächst gar nicht so scheint ‑ wie z. B. im Auftreten Melchisedeks (1. Mos. 14, 17‑24) oder dem Zeugnis des Hosea über Israel, daß Gott aus Ägypten seinen Sohn gerufen habe (Hos. 11, 1) und vielen anderen mehr ‑ zeigt uns die Belehrung des Heiligen Geistes im Neuen Testament, daß auch dort zugleich von Christus die Rede gewesen war (Hebr. 7; Matth. 2, 15).
Auch hier sind es oft gerade die Feinheiten und Einzelheiten des Textes, die nicht nur eine allgemeine, sondern geradezu eine genau spezialisierte Inspiration offenbaren, die sich sogar auf die einzelnen Wörter, Sätze und Satzverbindungen bezieht.
Nur dieser Inspirationsglaube kann es Paulus ermöglichen, seinen Schriftbeweis im Galaterbrief in der Form durchzuführen, wie er es tut (Gal. 3, 16). Er sagt:
«Nun aber sind die göttlichen Verheißungen dem Abraham und seinem Samen gegeben. Es heißt nicht: ,und deinen Samen` in der Mehrzahl, sondern in bezug auf einen einzelnen: ,und deinem Samen`, und das ist Christus«.
So sieht Paulus die Messiasprophetie des Alten Bundes als bis in die kleinsten Einzelheiten des Textes, ja bis in die Einzahl‑ und Mehrzahl-Endungen der Wörter genau göttlich geordnet an. Ja, der Hebräerbrief geht sogar so weit, daß er nicht nur das Reden, sondern auch das Schweigen des Alten Testaments für göttlich inspiriert ansieht. Denn gerade seinen Hauptschriftbeweis für die Ewigkeit der Melchisedekschen Hohenpriesterordnung leitet er von dem ab, was im heiligen Text nicht steht, eben von der Tatsache, daß der alttestamentliche Geschichtsbericht über den Melchisedek der Abrahamszeit weder seinen Vater noch seine Mutter, weder den Anfang noch das Ende seines Lebens erwähnt, so daß also der Priester‑König von Salem in der biblischen Urkunde gleichsam »ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister« auftritt, »weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend«, und gerade in dieser Hinsicht darum dem Sohn Gottes »verglichen« und (typologisch) »vollkommen gleichgemacht« sei.
Das einer solchen Beweisführung zugrunde liegende Schriftprinzip ist aber durchaus das einer vollen Inspiration. »Des Verfassers Anschauung geht offenbar dahin, daß der Geist Gottes nicht nur die tatsächlichen Gestaltungen der Heilsgeschichte, sondern auch die urkundlichen Gestaltungen der heiligen Geschichtsschreibung derartig beseelt und geordnet hat, daß nicht nur ihr positives Reden, sondern auch ihr tatsächliches Schweigen typisch‑messianische Geltung hat« (Prof. J. H. Kurtz).

Ferner ist auch dies ein Zeugnis von der wunderbaren Ordnung des heiligen Textes, daß die Propheten zuweilen über Dinge geweissagt haben, die sie selber nicht voll verstanden, so daß sie geradezu »nachgesonnen« haben, »indem sie nachforschten, welche oder was für eine Zeit es sei, auf die der in ihnen wirkende Geist Christi hinweise«. Und da sie offenbar über ihre eigenen Botschaften und deren Bedeutung nicht recht zur Ruhe gelangten, wurde ihnen von Gott als allgemeine Erklärung geoffenbart, »daß sie durch ihren Dienst nicht sich selbst, sondern euch dasjenige vermitteln, was … euch jetzt verkündigt worden ist« (1. Petr. 1, 11; 12). Diese Tatsache erhebt es über allen Zweifel, daß, nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, die biblisch‑prophetische Inspiration über den Begriff einer bloßen »Gedanken«- ­oder »Personal«‑ Inspiration hinausgeht, ja sich zu einer von Gottes Geist geleiteten Auswahl der Worte gesteigert hat. Denn wenn die Propheten Botschaften erhielten, die sie zuweilen selber nicht voll verstanden, wenn also in ihren Worten, in die sich doch ihre Botschaften kleiden mußten, mehr enthalten war, als sie es selber erfaßten, so ist dies eben nur dadurch möglich, daß auch die Worte selber und nicht nur die Gedanken oder Botschaften vom Geist Gottes eingegeben und angeordnet waren.
So geht aus der praktischen Stellungnahme des Neuen Testaments zum alttestamentlichen Schriftwort hervor, daß der Glaube an eine volle Inspiration für die Apostel Jesu Christi geradezu stillschweigende Voraussetzung gewesen ist. Der Glaube an eine volle Inspiration findet sich im Neuen Testament zwar nicht als dogmatisch theologische Formel, wohl aber als praktisches, geistliches Glaubensgut.


6. Wir glauben an eine zuverlässige, volle Inspiration um der Autorität  Jesu und seiner Apostel willen

Hunderte Male bezeugt das Alte Testament »So spricht der Herr!«
Christus selbst hat erklärt: »Die Schrift kann nicht aufgelöst werden.« (Joh. 10,35).

Hierbei bezieht er sich auf ein alttestamentliches Bibelwort, welches nur ein einziges Mal im ganzen Alten Testament vorkommt. Wer also dies eine Wort, das sich nur einmal in einem Psalm findet (Ps. 82, 6), auflöst, löst, nach dem Zeugnis Jesu, den Gesamtorganismus der »Schrift« auf! 
Die Bibel gleicht sozusagen dem ungenähten Rock Jesu, gleichsam einem Hause, aus dem man nur durch eine Tür hinauszugehen hat, um damit zugleich außerhalb des ganzen Hauses zu sein. So stark glaubt Jesus an den Organismuscharakter der «Schrift«!
Zu den Emmausjüngern sagt er: »Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz Moses, in den Propheten und in den Psalmen . . . Also ist’s geschrieben, und also mußte Christus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage« (Luk. 24, 44‑47).
Und in der Bergpredigt bezeugt er: »Wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird vom Gesetz nicht der kleinste Buchstabe und kein Strichlein vergehen, bis alles in Erfüllung gegangen ist« (Matth. 5, 18) .
Für Christus, das personhaft lebendige »Wort« (Joh. 1, 1; 14), war schon ein »Tüttel« oder »Jota« des geschriebenen (!) Wortes mehr wert als alle Sternenwelten und Sonnensysteme des gesamten Universums. Hier haben wir den Autoritätsbeweis in besonders wuchtiger Form.
Und Paulus, sein größter Apostel, bekennt: »Ich glaube an alles, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben steht« (Apg. 24, 14).
Der Glaube an den Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift und ihre unzerstörbare Autorität ist darum keine geistlose Vergötterung des Buchstabens, sondern hat die größten Geister der Heilsgeschichte, ja Christus, den Sohn Gottes selber, auf seiner Seite.
Die Ausdrücke: »Es steht geschrieben«, »Die Heilige Schrift sagt« waren bei den neutestamentlichen Schreibern dasselbe wie »Gott sagt«. Immer wieder finden wir im Neuen Testament einen geradezu wechselseitigen Austausch, ja eine unmittelbare Gleichsetzung dieser Ausdrücke.
Natürlich hatte es weder in den Tagen Abrahams (1900 v. Chr.) noch Pharaos vor dem Auszug aus Ägypten (1500 v. Chr.) eine alttestamentliche, heilige »Schrift« gegeben, und Paulus und der Schreiber des Hebräerbriefes haben dies genau so gut gewußt wie wir.
Gott hatte zu Abraham gesagt: »In dir werden gesegnet werden alle Nationen« (1. Mose 12, 1; 3). Paulus aber erklärt: »Die Schrift verkündete dem Abraham: »In dir werden gesegnet werden alle Nationen« (Gal. 3, 8).
Gott hatte zu Pharao gesagt: »Ich habe dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erzeige« (2. Mose 9, 16; vgl. V. 13) . Paulus aber schreibt: »Die Schrift sagt zum Pharao« (Röm. 9, 17).
David, der Psalmist, hatte gesagt: »Heute, wenn ihr seine (des Herrn) Stimme höret, so verhärtet eure Herzen nicht« (Ps. 95, 7; Hebr. 4, 7) . Der Schreiber des Hebräerbriefes aber erklärt: »Der Heilige Geist sagt: ,Heute . . . verhärtet eure Herzen nicht!«` (Hebr. 3, 7).
Diese doppelte Gleichsetzung »Gott = Schrift«, »Schrift = Gott = Heiliger Geist« entspringt eben der tiefen Überzeugung, daß das Wort der »Schrift« zugleich Wort »Gottes« ist. Für die Schreiber des Neuen Testaments und darum auch für uns und alle Zeiten ist die heilige Urkunde Stimme Gottes.
Aus diesem allen ergibt sich unsere persönliche Stellungnahme: Wir glauben an die volle, biblische Inspiration in erster Linie um dieser Gesamthaltung des Neuen Testaments willen, eben deshalb, weil sie Glaubensgut Christi und seiner Apostel gewesen ist.
Darum: Wer die Lehre von der vollen Inspiration leugnet, muß entweder beweisen, daß dies nicht ein Glaubensgut ist, das im Neuen Testament selbst bezeugt ist und in ihm lebt, oder er muß beweisen, daß das Neue Testament in Fragen der Glaubenshaltung nicht absolut zuverlässig und maßgebend ist. Wenn dies erstere nicht möglich ist, bleibt bei folgerichtigem Denken nichts anderes übrig, als mit der Verneinung einer vollen Inspiration zugleich auch das absolute Vertrauen auf die Urkunde alles Heilsglaubens, d. h. das Neue Testament, zu erschüttern.
So glauben wir gleichsam zuerst an die allgemeine Zuverlässigkeit der Bibel in Glaubensfragen, und dadurch nehmen wir auch in gleicher Weise ihre Lehre und ihr Glaubensgut über die Inspiration an.
Wir lösen die Frage der Bibel zentral, das heißt vom Mittelpunkt, von Jesus Christus, aus. Wir glauben an die Bibel um Jesu willen. Durch den Glauben an Christus kommen wir auch zum vollen Glauben an sein Wort. In Christus, dem Zentrum der Heilsoffenbarung Gottes, haben wir auch das Zentrum einer gottgemäßen Bibelanschauung.
Dies ist auch glaubensmäßig das allein Folgerichtige. Denn Christus selbst ist der »Logos«, die Urform des Wortes, das personhaft lebendige »Wort«, der treue und wahrhaftige Zeuge (Joh.1,1), der Mund der ewigen Wahrheit, ja die Wahrheit selbst (Joh. 14, 6) . Sein Geist aber, der Geist Christi, hat die Propheten inspiriert (l. Petr. 1, I1), und  das Zeugnis Jesu  ist der Geist der Weissagung (Offb. 19, 10) .
Zweifellos gibt es Schwierigkeiten im Hinblick auf die biblische Inspiration. Aber ist es nicht noch schwieriger, zu glauben, daß die ganze Gemeinde Gottes, von ihren allerersten Anfängen an, sich nun schon fast 2000 Jahre hindurch getäuscht haben soll in ihrer Wertschätzung der heiligen Schriften?
Und ist es nicht noch viel schwieriger, zu glauben, daß die ganze Gruppe der Apostel, mit Jesus Christus selbst an ihrer Spitze, sich geirrt haben soll im Hinblick auf die Natur der heiligen Schriften, die sie vom Alten Bund her übernommen hatten? Nein, wir bekennen uns zur Haltung des Herrn und seiner Apostel auch im Hinblick auf die biblische Inspiration.

Wir glauben an die volle Inspiration nicht auf der Grundlage rein gefühlsmäßiger Erwägungen, auch nicht bloßer Glaubenspostulate, die wir aus allgemeinen Gedankengängen heraus von vornherein für notwendig erachten. Die entscheidende Grundhaltung ist:

Wir glauben an die volle Inspiration, weil dies das Glaubensgut Jesu, seiner Apostel und überhaupt aller Schreiber des Neuen Testaments ist. Unser Glaube an die volle Inspiration ist ein Ausfluß unseres Glaubens an die Zuverlässigkeit Christi und seiner Apostel als Verkündiger der Heilslehre überhaupt. Glaube an die Inspiration ist unzertrennbar verbunden mit der vollen Anerkennung der Autorität der neutestamentlichen Schreiber. Wenn wir die anderen Lehren des Neuen Testaments, trotz mancher Geheimnisse und Schwierigkeiten, annehmen, und zwar auf keiner anderen Grundlage als der, daß wir die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Bibel als Führer der Wahrheit grundsätzlich und praktisch bejahen, so nehmen wir auch diese Lehre ‑ das Glaubensgut der vollen Inspiration ‑ auf derselben Grundlage an. Mit Recht ist gesagt worden: Wenn wir das Zeugnis der Bibel über sich selbst nicht annehmen, warum sollten wir dann ihr Zeugnis annehmen, das sie über andere Dinge aussagt?
Hier aber stehen wir auf Glaubensboden. Autorität ist auch schon im rein menschlichen Leben ‑ stets etwas, das nicht »bewiesen«, sondern erlebt werden muß. Alles geistig Lebendige erkennt man durch Intuition (unmittelbare, innere Schau). Die Gottheit Jesu von Nazareth und damit seine unbedingte Autorität in allen Fragen des Glaubens und Lebens ist zwar nicht mathematisch beweisbar; aber Wahrheit beweist sich selbst. Hier setzt das Christuserlebnis, die Herzenserfahrung, ein.

7. Wir glauben an eine lebendige, volle Inspiration um der auch die kleinsten 
    Bestandteile der Bibel durchwaltenden Geisteskraft willen.

Oft ist die Frage gestellt worden, wie wohl die Abgrenzung der biblischen Bücher als »kanonisch« von allem anderen Schrifttum begründet werden könne (Kanon = Richtschnur, Maßstab). Die Antwort liegt ‑ abgesehen von dem Hinweis auf ihre inhaltliche Harmonie und ihre heilsgeschichtliche Einheit ‑ besonders in dem »Zeugnis des Heiligen Geistes« (lat. testimonium Spiritus Sancti).
Man lese nur einmal die doch so überaus wertvollen Schriften der sogenannten »Apostolischen Väter«, also der führenden Männer des Urchristentums, die unmittelbar auf die Generationen der Apostel und neutestamentlichen Schreiber folgten, d. h. die Briefe eines Clemens, eines Ignatius, eines Barnabas, eines Polykarp oder die Zwölfapostellehre (Didache), den Hirten des Hermas, den Brief an Diognet!
Man vergleiche einmal z. B. den Römer‑ oder Epheserbrief des Ignatius mit den an dieselben Gemeinden gerichteten, neutestamentlichen Briefen des Paulus, den Korintherbrief des Clemens mit dem des großen Heidenapostels oder den Philipperbrief des Polykarp mit dem uns bekannten Philipperbrief des Neuen Testaments! Welch gewaltiger Abstand macht sich doch hier ‑ trotz höchster Wertschätzung all des vielen wahrhaft Geistlichen, Edlen und Schönen ‑ schon in diesem Schrifttum des zweiten Jahrhunderts im Vergleich zum Neuen Testament bemerkbar! Oder man vergleiche die alttestamentlichen Apokryphen mit den Schriften des hebräischen Kanons! Hier steht überall das Zeugnis des Heiligen Geistes durchaus auf der Seite der biblischen Schriften!
Niemand sage, daß wir damit in den Fehler eines willkürlichen Subjektivismus verfielen! Das Zeugnis des Heiligen Geistes wird in der Schrift deutlich von dem Zeugnis unseres eigenen, auch des in Christus erlösten Menschengeistes unterschieden. »Dieser Geist selbst zeugt mit unserem Geist (d. h. in Übereinstimmung mit unserem Geist, der also vom Heiligen Geist unterschieden wird), daß wir Kinder Gottes sind« (Röm. 8, 16). Der in der Gemeinde waltende göttliche Geist ist es, der seine eigenen Erzeugnisse anerkennt. Die Autorität der Heiligen Schrift ist eine inwendige, geistgewirkte, unmittelbar sich selbst bezeugende. Sie ist keine bloße Buchautorität, sondern durchaus Geistautorität. Die Heilige Schrift ist, wie Paulus es einmal in bezug auf das Alte Testament ausdrückt, »gottgegeistet«.
Nur so entsteht die Fähigkeit der Bibel, Übernatürliches und Himmlisches hervorzurufen. Nur so kommt es zur inwendigen Wirkungskraft des Bibelwortes und zur Selbstbezeugung des Heiligen Geistes in den Herzen der Gläubigen, welche in und durch die Bibel geschieht.
»Das Herz spricht: Das ist wahr, und sollte ich hundert Tode darum leiden« (Luther). Mit Recht sagt Calvin: Die Schrift trägt in sich selbst den Beweis der Wahrheit, gerade wie Schwarz und Weiß den seiner Farbe, Süß und Bitter den seines Geschmacks.«
Die Autorität der Heiligen Schrift ist in der Person ihres göttlichen Autors begründet. Ihre Autorität wurzelt geschichtlich in ihrer Inspiration. Sie ist eine innerliche, objektive und bleibende. Die Bibel hat ihre Autorität in sich selbst.
Das subjektive Erleben dieser Autorität wird dann durch das innere Zeugnis des Heiligen Geistes vermittelt, der sich mit dem geschriebenen Wort lebendig und dauernd wirksam verbindet.
Inspiration des Heiligen Geistes und Zeugnis des Heiligen Geistes sind darum hier zu unterscheiden.
Die biblische Inspiration des Heiligen Geistes ist ein Werk Gottes der Vergangenheit. Das innere Zeugnis des Heiligen Geistes geschieht ‑ in Verbindung mit diesem Wort ‑ in aller Folgezeit bis in unsere Gegenwart und Zukunft.
Die Inspiration des Heiligen Geistes bezieht sich auf die Bibel selbst. Das Zeugnis des Heiligen Geistes bezieht sich auf ihre Leser und Hörer. Diese sollen durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes zur Überzeugung von der Inspiration und der Autorität der Heiligen Schrift und damit zum Glaubensgehorsam geführt werden.
Darum war auch der Kanon der Heiligen Schrift ‑ von Gott aus, also ideell und tatsächlich in sich selbst ‑ schon im ersten Augenblick der fertigen Abfassung der zuletzt entstandenen, neutestamentlichen Schrift abgeschlossen und vollständig vorhanden. Was noch zu geschehen hatte, war nur die tatsächliche Zusammenfassung dieser Schriften in einem einzigen Buch und die allgemeine Anerkennung ihrer göttlichen Autorität in der christlichen Gemeinde.
Dies Ziel wurde ‑ nach Überwindung mancher Schwankungen ‑ im Verlauf der folgenden zwei Jahrhunderte erreicht. Hierbei war das Entscheidende nicht menschliche Übereinkunft ‑ Gemeindebeschlüsse oder Konzilien ‑, sondern die eigene, geistgewirkte Autorität der Heiligen Schrift, ihre durch die Inspiration des Heiligen Geistes von vornherein innewohnende, göttliche Vollmacht.
Zugleich stand das Ganze unter der Überwaltung und Führung durch das erhöhte, göttliche Haupt der Gemeinde. Die Gemeinde selbst hatte also keineswegs den biblischen Kanon erst »abzuschließen« oder gar zu »schaffen«, sondern lediglich ihn anzuerkennen.

Der Geist Gottes hat das geschriebene Wort nicht nur »eingehaucht« (inspiriert) und »gegeben«, sondern ist bei ihm geblieben. Er begleitet es und macht es wirksam. Er macht die bloße »Urkunde« zu einer Himmelsbrücke. Gott »kommt« nun durch sein Wort zu uns, und das Jahrhunderte alte Wort bleibt frisch und ewig jung. Es ist, als sei es gestern, ja gerade soeben erst geschrieben, »als sei die Tinte noch nicht trocken«. So nimmermehr alternd, so zeitüberlegen, so gegenwartsnahe!
Dabei aber sind es oft ganz winzige Ausdrücke, an denen der Leser vielleicht hundertmal vorbeigelesen hat, die ihm urplötzlich strahlend aufleuchten und zu Gottesbotschaften werden, die sein Leben beeinflussen, ja es grundlegend umgestalten können. Welch großer Unterschied, ob Gott sagt, daß er uns »nach« seinem Reichtum oder nur »aus« seinem Reichtum segnen wolle (Eph. 3, 16) ! Wieviel zuversichtliches Hoffen für irrende Seelen liegt doch in den beiden kleinen Wörtchen »bis jetzt«: »Wer da sagt, daß er in dem Lichte sei und haßt seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt« (1. Joh. 2,9). Wieviel seelsorgerliche Weisheit offenbart das kleine Wort »teilweise«: »Ich höre, es seien Spaltungen unter euch, und teilweise glaube ich es!« (1. Kor. 11, 18) .
Und überhaupt: Wie stärkt es doch den Glauben, wenn er die Verheißungen Gottes beim Wort nehmen kann! Hat nicht gerade dieses Sichstützen auf das ganze Wort immer wieder in der Geschichte des Reiches Gottes Glaubensmut geweckt, frohe Zuversicht beflügelt, Taten gewirkt, ja Geschichte gemacht? War diese Glaubenshaltung nicht die Kraft eines Georg Müller, eines Hudson Taylor, eines August Hermann Francke, eines Charles Haddon Spurgeon und so vieler anderer Männer Gottes, von deren Leben und Werk Ströme des Segens in die Welt und in die Gemeinde Gottes ausgegangen sind?
Und vor allem: War dies nicht die Siegeswaffe Jesu selbst, als er in der Versuchung in der Wüste den Feind bezwang? »Es steht geschrieben!« (Matth. 4, 4; 7; 10.)

Mit dieser wunderbaren inneren Geisteskraft der Bibel verbindet sich ihre äußere Unüberwindbarkeit und Siegeskraft. Auch dies ist ein Erfahrungsbeweis und ein Zeugnis ihrer göttlichen Inspiration.
Die Bibel ist ein Hochgebirge, das alle anderen Bücher der Welt gleichsam wie Hügel oder Niederungen überragt. An die Verbreitung, die Lebensdauer und Lebenskraft der Bibel kommt kein Schriftstudium der ganzen Erde heran.
Die Bibel hat die größte Lebensdauer bewiesen. Denn sie ist in ihren ältesten Teilen über 3300 Jahre alt, und doch ist alles in ihr taufrisch und jugendneu, eben »ewig neues Altes Testament« und »ewig neues Neues Testament«!

So hat das Wort der Schrift immer wieder seine Gotteskraft bewiesen. Wie Christus, das personhafte »Wort«, ist allerdings auch das geschriebene Wort ‑ und zwar oft ‑ gleichsam ans Kreuz geschlagen, begraben und totgesagt worden. Aber stets ist es auch ‑ so wie er, das »lebendige« Wort ‑ am dritten Tage wieder auferstanden und lebt! Wie die Boten Jesu Christi allgemein, so können es auch die Bücher und Worte der Bibel mit Paulus bezeugen: »Durch Ehre und Unehre, durch böses Gerücht und gutes Gerücht . . ., als Sterbende, und siehe, wir leben! (2. Kor. 6, 8; 9) .«
So ist die Bibel wie die Sonne: uralt und doch immer wieder neu, stets die Nacht überwindend, Licht und Leben verbreitend, alles andere Licht überstrahlend, kurz, die Königin im Reich des Geistes, die Zentralquelle aller bleibenden, wahren Erleuchtung.

 »An deiner Rede will ich bleiben,

Drauf läßt sich’s bauen felsenfest.

Ich weiß ja, daß von deinen Worten

Du keins zur Erde fallen läßt.

Eh’ sollen Berg und Hügel weichen,

Eh’ stürzt der ganze Weltkreis ein,

Eh’ auch das kleinste deiner Worte,

Herr Jesu, unerfüllt wird sein.«  –  (Dr. Adolf Morath)
 
Vorliegender Text ist – stark gekürzt – entnommen:

Erich Sauer, GOTT, MENSCHHEIT UND EWIGKEIT, 2. Auflage 1955.

Horst Koch, im Dezember 2005.

www.horst-koch.de  –  info@horst-koch.de

 




Menschheitsgericht (E.Sauer)

Erich Sauer

Das babylonische Menschheitsgericht

Auszug:
Kapitel 7 aus DAS MORGENROT DER WELTGESCHICHTE, Seiten 91-99.

Über der Menschheit lastet das babylonische Gericht. Alle Geistes- und Kulturgeschichte steht unter dem Zeichen dieser zerschmetternden Urkatastrophe. Vergeblich ringt die Welt gegen sie, ihren Bann mit eigener Kraft zu überwinden.

I. Die urgeschichtliche Menschheitszersplitterung

Drei Beweggründe führten nach der Heiligen Schrift zum babylonischen Turmbau: Trotz, Vereinigungswille und Ruhmsucht.

Dreifach ist darum auch das göttliche Gericht: Der nach „oben” stürmende Trotz wurde durch das „Hernieder“fahren des HErrn (Vers 4, 5), der Wille zur Vereinigung durch die Zerstreuung und Zersplitterung und der ruhmsüchtige Ehrgeiz durch den Namen der Schande gerichtet.
Fortan ist gerade die Stadt, durch die man sich einen „Namen“ machen wollte (1. Mose 11, 4) gerade in ihrem Namen ‑ ein Symbol der Niederlage;
und Babel, die „Wirrstadt“, die Stadt der „Zermengung”, ist schon als bloßer Ortsname ein Beweis für die Ohnmacht des Sünders und die Zwecklosigkeit aller Rebellion gegen Gott.

II. Die sprachgeschichtliche Bewußtseinsverwirrung

Die Verwirrung der Sprachen ist zunächst etwas Vierfaches: eine Verwirrung von Wörterbuch, Grammatik, Aussprache und Ausdrucksweise („Phraseologie”), und in diesem Sinne gibt es heute ungefähr eintausend Sprachen und Hauptdialekte. Aber sie ist doch noch mehr.

Ganz gleich, welches die Ursprache gewesen sein mag, ob ‑ wie die Rabbinen und Kirchenväter meinten ‑ das Hebräische oder das Syrische oder ‑ was wohl das allein Richtige ist ‑ keine der uns überlieferten alten Sprachen: In jedem Fall ist die Gemeinsamkeit der Sprache mit einer starken Einheitlichkeit des Geisteslebens verbunden gewesen. Denn da die Sprache die lautliche Versinnlichung des Geistigen ist, muß auch das Geistige aller Menschen so lange in besonderem Sinne einheitlich gewesen sein, als noch der Ausdruck dieses Geistigen, die Sprache, einheitlich war.
Die Sprachenverwirrung war also zugleich eine Verwirrung der geistigen Grundanschauungen der Menschheit, indem durch eine Machtwirkung Gottes auf den menschlichen Geist, an Stelle der ursprünglichen Einheit, eine vielfache Zersplitterung des Denkens, Empfindens und Vorstellens eingesetzt wurde. So aber wird die Sprachenverwirrung zugleich eine Verwirrung des Bewußtseins.

„Die ursprüngliche Sprache, in der Adam im Paradiese alle Tiere benannte (1. Mose 2, 20), war gleichsam ein großer Spiegel gewesen, in dem sich die ganze Natur getreulich widergespiegelt hatte. Nun aber zerbrach Gott diesen Spiegel, und jedes Volk erhielt nur eine Scherbe davon, das eine eine größere, das andere eine kleinere, und nun sieht jedes Volk nur ein Etwas von dem Ganzen, nimmermehr aber das Ganze selbst. Deshalb weichen auch die Auffassungen der Nationen hinsichtlich Religion und Philosophie, Kunst, Wissenschaft und Geschichte so stark voneinander ab, ja steigern sich oft bis zu gegenseitigem Widerspruch.

Dies alles mußte jedoch noch mehr Folgen nach sich ziehen. Mit der Zerrüttung des Weltbewußtseins verband sich eine weitere Zerrüttung des Gottesbewußtseins.

III. Die religionsgeschichtliche Glaubensentartung

Am Anfang der Menschheit steht der Glaube an den einen Gott da, der sich in dreifacher Weise offenbart:
in Natur (Röm. 1, 19; 20), Gewissen (Röm. 2, 12‑15) und Geschichte (1. Mose 1‑11).

Das spätere Heidentum ist dann eine Verkehrung dieses seines dreifachen Ursprungs:
Verzerrung der Erinnerung an die Uroffenbarung, Mißdeutung der Naturoffenbarung (Röm. 1, 23) und unklarer Seelenkonflikt mit der Gewissensoffenbarung ‑ das sind die drei Grundelemente außerheidnischen Religion.

Dennoch aber blieb die göttliche Einwirkung auf die Menschheit durch die a l l g e m e i n e Offenbarung bestehen. Gott hält den Menschen wie ein gewaltiger, starker Magnet. „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns” (Apg. 17, 27). Gott sucht den Menschen, um in ihm selber ein Suchen zu wecken, ein Suchen nach ihm, wie die Mutter die Seele ihres Kindes sucht, damit es sie wieder suche, „daß sie den HErrn suchen sollten, ob sie ihn fühlen und finden möchten” (Apg. 17, 27).

Daher ‑ von Gott selbst gewirkt ‑ das auffallend große Fragen und Suchen in der Völkerwelt, auch unter den Heiden. Aber das ist das Tragische, daß dies Suchen der Menschen von Satan, dem großen Betrüger, auf eine falsche Spur abgelenkt wird. Fortan ist der Mensch auf der Suche nach Gott und doch zugleich auf der Flucht vor ihm. Er will ihn haben und stößt ihn von sich; er sucht seine Segnungen und meidet seine Nähe; er will nichts von ihm wissen und kann doch nicht los von ihm (Bracker).

Die menschliche Urwurzel dieser ganzen religiösen Zwiespältigkeit und Entartung ist, nach der Belehrung von Paulus, die U n d a n k b a r k e i t.
Denn „obwohl sie wußten, daß ein Gott ist, haben sie ihn nicht gepriesen als einen Gott, noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert” (Röm. 1, 21).

Im einzelnen aber sind es besonders die folgenden Elemente, die ‑ unter dämonischer Irreführung ‑ diese Umwertung aller Werte auf dem Gebiet des religiösen Lebens hervorgebracht haben.

Zunächst die Beobachtung des T r a u m e s. Denn da handelt ein Etwas, das sich „bewegte”, ,.hörte” und „sah”, auch wenn alle Glieder des Leibes in Untätigkeit warenl Da „erschienen” auch Tote, ebenfalls „handelnd”, und „bewiesen” damit ihre „geist”‑artige Weiterexistenz.

Dann ferner die Beobachtung des T o d e s. Denn war es nicht hier diese „Seele”, dieses Unsichtbare, Innere, das nun mit dem letzten Hauch atemartig, luftartig den Körper verließ? Und dann wurde der Tote so still! Ist dies nicht ein Beweis, daß es keine Bewegung gibt, ohne das Wollen eines inneren Ich, einer innewohnenden wirksamen Atemseele?

In der N a t u r aber draußen ist alles v o l l  Bewegung: in den Pflanzen und Tieren, im Lauf der Gestirne, im majestätischen Gewitter, im Dahinbrausen der Ströme, im geheimnisvollen Magneten und im Feuerfunken des angeschlagenen Steines! Ist dies alles nicht ein deutliches, überwältigendes Zeugnis von dem Dasein und Innewohnen gewaltiger Wesen, die in allen diesen Bewegungen um uns herum wirksam sind? ‑ So aber wird die Natur von Geistern beseelt gedacht, und die animistische Weltanschauung ist entstanden.

Da aber der Mensch keine andere „Seele” kannte als nur die seine, ist die Ausstattung dieser Naturgeister mit den Eigenschaften der Menschenseele nur das durchaus Folgerichtige, und da es sich ferner bei den Naturgeistern ‑ entsprechend der Wucht ihrer Elemente ‑ nur um Wesen gesteigerter Lebensform handeln konnte, mußten ihnen auch diese menschlichen Eigenschaften in gesteigertem Maße zugeschrieben werden. Dadurch jedoch entstand notwendig eine Verbindung von  D ä m o n  u n d  H e l d,  wobei das Dämonische durch das Menschliche ins Personhafte und das Heldische durch das Dämonische ins Übermenschliche gesteigert wurde. Dies ist aber das Wesen des heidnischen Gottbegriffes.

Hier nun setzt die religionsbildende Kraft der menschlichen  S p r a c h e  ein. Denn es ist eine Eigentümlichkeit des menschlichen Geistes, unwillkürlich und oft unbewußt das Stoffliche und Geistige nebeneinander zu stellen und beide gegenseitig ineinander hineinzutragen. So „vermenschlicht” die Sprache das Außermenschliche und redet von einer „lachenden” Sonne, einem „freundlichen” Zimmer, einem „munteren” Bach; und umgekehrt überträgt sie das Außermenschliche in das Menschliche und spricht von einer „kalten” Lieblosigkeit, einem „sonnigen” Charakter oder einer „strahlenden” Freude. Noch phantasiereicher spricht sie von den „Pfeilen” der Sonne (den Sonnenstrahlen), dem „Stechen” des Mondes (vgl. Ps. 121, 6), den „Fenstern des Himmels” (Mal. 3, 10), den „Wimpern” der Morgenröte (Hiob 3, 9).

Solange der Mensch nun an der Bildhaftigkeit dieser sprachlichen Vergleiche festhält, besteht keine Gefahr, im Gegenteil, sogar eine Bereicherung seines Geistes.

Im Augenblick aber, wo er, verfinstert durch die Sünde (Eph. 4,18; Röm. 1, 21b; 22) und irregeleitet durch dämonische Mächte, von dieser phantasievollen Umkleidung des Wirklichen mit Bildern fortschreitet zum Glauben an die Wirklichkeit dieser Bilder selbst, ist auch von dieser Seite aus eine neue Welt naturvergötternder Vorstellungen am Entstehen, und die Sprache reiht sich ein unter die Haupttriebkräfte heidnischer Religionsbildung.

Von Bedeutung ist hierbei auch das grammatische Geschlecht; denn in manchen Fällen war gerade dies das Entscheidende, ob man sich eine Gottheit männlich oder weiblich dachte.

Dies alles beweist, daß von einem eigentlichen, national gearteten Heidentum vor der Sprachenverwirrung nicht die Rede sein kann. Mögen einzelne, naturvergötternde Ideen schon vor dem babylonischen Gericht vorhanden gewesen sein: Das eigentliche Heidentum selbst hat erst mit der Beiseitesetzung der Völkerwelt und der Zersplitterung der Menschheit in getrennte Nationen seinen Anfang genommen (vgl. 5. Mose 4,19; Röm. 1,18‑32).

Dies alles aber geschah zugleich unter d ä m o n i s c h e r   M i t w i r k u n g.  Denn die Götter der Heiden sind keine leere Einbildung. Apollo und Diana, Aphrodite und Istar und wie sie alle heißen, sind, nach dem apostolischen Zeugnis des Neuen Testaments, keine bloßen, gedanklichen Personifikationen von Naturkräften oder reine Idealgebilde irrender, naturvergötternder Phantasie, sondern in ihrem Hintergrund sind irgendwie wirklich vorhandene, dämonische Geistmächte, die sich auf dem Wege okkulter Inspirationen, in national geartetem, mythologischem Gewande ‑ teils in lichtvoll‑poetischer, teils schauerlich‑düsterer Einkleidung ‑ den einzelnen Völkern offenbarten. Sonst hätte der große Völkerapostel auch nicht aus jener Wahrsagerin in Philippi einen „Python‑Geist”  unter ausdrücklicher Berufung auf den Namen des HErrn Jesu, „austreiben” können (Apg. 16,18); und ebensowenig hätte er von den außerisraelitischen Religionen sagen können, daß „die Heiden das Opfer, das sie darbringen, den bösen Geistern darbringen” (1. Kor. 10, 20),
So aber beruht das gesamte Heidentum nicht nur auf Irrtum und Trug, sondern zugleich mit auf spiritistischer Grundlage.

Durch dies alles wird der Heide, unter dämonischer Beeinflussung, „der Schöpfer seiner Götter. In seinen Religionen drückt sich seine Gottlosigkeit aus. Religion ist die Sünde, nämlich die Sünde gegen das erste Gebot, die Vertauschung Gottes mit den Götzen” (P. Althaus), „der kräftigste Ausdruck des Widerspruchs des Menschen zu Gott und mit sich selber“(K. Barth).

Dies Ganze jedoch ist der Irrweg von Milliarden von Menschen! Jahrtausende hindurch hat er die Menschheit beherrscht. „Indem sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden” (Röm. 1, 22).
Damit aber wird das babylonische Menschheitsgericht zu einem Gericht von ungeheuerster Auswirkung. Denn die mit der Zersplitterung der Menschheit und der Beiseitesetzung der Völkerwelt verbundene Bewußtseinsverwirrung hatte eine Religionsverwirrung zur Folge, die die Sprachenverwirrung an Bedeutung noch weit übertraf.

Auch politisch war er von den schwersten Folgen.

IV. Die weltgeschichtliche Völkerspannung

Von nun an ist die Weltgeschichte ein Ringen zwischen zwei Kräften: der Mittelpunktsziehkraft der Weltreiche  und der Mittelpunktsfliehkraft der einzelnen Völker,  und zwar so, daß immer wieder die Mittelpunktsziehkraft der Welteroberer zuschanden gemacht wird durch die Mittelpunktsfliehkraft der einzelnen Nationen. Die bedeutsamste .Form dieser Auseinandersetzung ist der Krieg, und darum werden Kriege und Kriegsgeschrei sein, bis daß der HErr kommt (Matth. 24, 6).

Zugleich aber wird all dieser Widerstreit der Geschichtskräfte von dem obersten Geschichtsherrn überwaltet (Am. 9, 7; Jes. 45, 1‑3), und dadurch wird die Völkergeschichte ein Völkergericht.
„Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist Schande der Nationen” (Spr. 14, 34). „Alle Epochen, in denen der Glaube herrscht, sind glänzend und fruchtbar” (Goethe); aber sittlich morsche Kulturen gehen unfehlbar zugrunde.

Das Maß des Gesegnetwerdens der Völker hängt zu großem Teil  ab von dem Grad ihrer Beachtung der göttlichen Schöpfungs‑ und Geschichtsordnungen (Jer. 18, 7‑9). Völker sind Organismen (Hos. 11, 1) und werden darum als Einheit zur Verantwortung gezogen. Sie leben ein einheitliches Leben durch Generationen hindurch. Darum werden auch die Nachkommen zu Trägern des Gerichts oder des Segens der Taten ihrer Vorfahren (z. B. Hes. 35, 5; 6).
Nur durch dies alles erklärt sich die dramatische Spannung des Ganzen und das Auf und Nieder der Kulturen im Wirbel der Reiche und Rassen.

V. Das heilsgeschichtliche Erlösungsziel

Dennoch bedeutet die Sprachenverwirrung nicht, daß Gott etwa gegen j e d e Vereinigung des Menschengeschlechts sei. Im Gegenteil, die innigste, geistliche, umfassendste Gemeinschaft der Menschen ist geradezu sein Ziel (Micha 4, 1‑4).

Aber die Einheit, die Er will, hat ihn selber zum Mittelpunkt, ist „in Christo” seinem Sohne (Eph. 1, 10; Joh. 10, 16; 17, 21, 22), den er zum König bestimmt hat (Ps. 2, 6; Sach. 14, 9).

Der Mensch aber wollte eine Entthronung des Schöpfers, um selber die Regierung in die Hand zu nehmen; und gerade diese Zusammenballung der fleischlichen Kraft war ein Bollwerk gegen die Durchführung der Erlösung.

Darum mußte sie fallen und der „zerstreuende Arm Gottes” sich offenbaren. Auf dem Wege der Zerstörung der dämonischen, fleischlichen Einheit sollte die wahre, göttliche, geistliche Einheit bewirkt werden. Die Aufhebung des Universalismus der Uroffenbarung hatte darum die desto sicherere Erreichung des End ‑ Universalismus zum Ziel, und deshalb ist auch das babylonische Gericht ‑ eine Gnade.

VI. Der endgeschichtliche Gottestriumph

Aber die Menschheit kämpft dauernd gegen den göttlichen Plan. Der Geist des besiegten, rebellischen Babel wirkt auch in den folgenden Jahrtausenden fort; ja am Ende der Zeit wird er sogar scheinbar sein Ziel erreicht haben und triumphieren, und der Antichrist wird das Werk Nimrods vollenden (Off. 13, 7; 8).

Die Geschichte der Stadt Babel hat
ihr Vorzeichen ‑ in der Stadt Kains (1. Mose 4, 17),
ihr Sinnbild ‑ im Turmbau (1. Mose 11),
ihren Hauptanfang ‑ in Nebukadnezar (Dan. 2, 38),
ihren Fortgang ‑ in der Weltgeschichte (Dan. 2 u. Kap. 7),
ihre Vollendung ‑ im Antichristentum (Off. 13 u. Kap. 17),
ihr Ende ‑ im Triumph Christi (Off. 18 u. 19).

Denn nach dem Antichristen wird Christus erscheinen und den Sieg gewinnen (Off. 19, 11‑21);
und über die „Hure” (Off. 14, 8; 17,1‑18), das gen Himmel hinaufstürmende Babylon, wird die „Braut” triumphieren (Off. 21, 9), die vom Himmel herabgekommene Gottesstadt, das neue Jerusalem.

Aus E. Sauer: DAS MORGENROT DER WELTERLÖSUNG, Teil 2: Biblische Offenbarungsgeschichte – Zusammengestellt von Horst Koch, Herborn, im Februar 2006

Ergänzende Beiträge in meiner Homepage:

1. E. Sauer – Der Triumph des Gekreuzigten
2. E. Sauer – Das Reich des Antichristen
3. E. Sauer – Satan – der Fürst dieser Welt
4. E. Sauer – Das kommende Gottesreich
5. E. Sauer – Die Bibel-das Buch der Heilsgeschichte

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“Maria” u. die NWO (D.Hunt)

Dave Hunt

Der Vatikan, Maria und die Neue Weltordnung

 Das Nachrichtenmagazin Time berichtet, rund um die Welt habe es so viele Erscheinungen der „Jungfrau Maria“ gegeben, daß das „ausgehende 20. Jahrhundert zum Zeitalter der Marienwallfahrten“ zu den vielen Heiligtümern geworden ist, die man zum Gedächtnis an diese Erscheinungen errichtet hat. Allein in Frankreich gibt es 937 Marienheiligtümer. Von 1961 bis 1965 kam es im nordwestspanischen Dorf Garabandal zu etwa 2.000 Visionen, begleitet von okkulten Phänomenen und apokalyptischen Botschaften an die Welt. Im Jahre 1983 sahen Hunderte von palästinensischen Arabern „die Jungfrau Maria“ in der Nähe von Bethlehem. Sie ist in jedem Winkel der Welt erschienen:

Da gibt es noch Dozule … und Kibeho in Ruanda … Erscheinungen unserer Lieben Frau im japanischen Akita … Erscheinungen in Chile, in Australien und in Polen … in Kanada … Kairo, Amsterdam, New York u.a.m.

Diese Erscheinungen haben Millionen Menschen zum Glauben an die Maria des Katholizismus geführt. Die Heiligtümer im französischen Lourdes ziehen alljährlich etwa 5,5 Millionen Pilger an; 5 Millionen kommen zur Schwarzen Madonna in Polen; Fatima in Portugal „zieht jährlich stets 4,5 Millionen Pilger aus immer mehr Ländern an“. Seitdem Johannes Paul II. das Marienheiligtum im irischen Knox besucht hat, „verdoppelte sich die Besucherzahl auf 1,5 Millionen Menschen pro Jahr. Um den Andrang zu bewältigen, eröffnete man 1986 einen neuen Flughafen in Knox.“  In Orlando in Florida ist kürzlich ein Heiligtum der „Maria, Königin des Universums“ eröffnet worden. Das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe bei Mexiko City „zieht jedes Jahr an die 20 Millionen Besucher an“

Rund um die Welt wird Marias wirksamer Schutz gefeiert. Unsere Liebe Frau von Lanka, der man zuschreibt, während des 2. Weltkriegs eine japanische Invasion verhindert zu haben, ist seit 1948 die Patronin von Sri Lanka. Unsere Liebe Frau von Copacabana ist „Patronin der bolivianischen Marine … Unsere Liebe Frau von Coromoto Patronin von Venezuela“.  Der polnische Präsident Lech Walesa pilgerte nach Fatima, wo er „Dankgebete für die Befreiung Polens darbrachte“.  Johannes Paul II. glaubt, daß „Maria dem Kommunismus in ganz Europa ein Ende gemacht hat“.  Moskaus Erzbischof Kondrusiewicz pilgerte im Jahre 1991 aus gleicher Überzeugung nach Fatima, worüber das sowjetische Nationalfernsehen zur besten Sendezeit berichtete. In Moskau soll in Kürze aus Dank für ihren Sieg über den Kommunismus ein Heiligtum „Unserer Lieben Frau von Fatima“ errichtet werden, die unmittelbar vor dem Fall der Berliner Mauer in der Sowjetunion erschienen war. Kondrusiewicz möchte, daß ihr Heiligtum zu einem immerwährenden Gedächtnis an diese große Eroberung wird.

Die Erscheinungen verkünden in übereinstimmender Weise die zukünftige Welteinheitsreligion des Antichristen: Alle Religionen sind im Grunde genommen gleich und müssen sich zusammentun, um Frieden zu erlangen. Maria bietet ein ökumenisches Evangelium an, das „von Katholiken, Protestanten, Muslimen und Juden angenommen“ werden kann und erklärt: „Jeder betet Gott auf seine eigene Weise an mit Frieden im Herzen.“ Das sagt Unsere Liebe Frau von Medjugorje im Süden von Bosnien-Herzegowina, wo die Visionäre behaupten, die Jungfrau sei in den letzten 13 Jahren täglich erschienen.

Erscheinungen und die offizielle katholische Lehre.

Die Marienerscheinungen würden wohl kaum so große Gefolgschaften anziehen, wenn die offiziellen Dogmen das nicht unterstützten. Den Katholiken wird beigebracht, zu Maria zu beten, und man verspricht ihnen, sie werde sie vor jeder Gefahr beschützen und jeden Wunsch gewähren. Der neue Katechismus der katholischen Kirche erklärt mit einem Zitat vom 2. Vatikanum: „Schon seit ältester Zeit wird die selige Jungfrau unter dem Titel der ‚Gottesgebärerin‘ verehrt, unter deren Schutz die Gläubigen in allen Gefahren und Nöten bittend Zuflucht nehmen.“ Hier haben wir offizielle katholische Lehre von oberster Stelle, die Maria eine Autorität und Macht zuschreibt, welche allein Gott zusteht!

In der ganzen Bibel gibt es nicht ein Gebet an Maria, nicht einen Fall, daß sie jemandem auf wunderbare Weise geholfen hätte, und auch keine Verheißung, daß sie das könnte oder täte. Von Mose bis zur Offenbarung wird Schutz und Hilfe allein bei Gott bzw. Christus gesucht, allein von Gott bzw. Christus verheißen und allein bei Gott bzw. Christus gefunden. Das belegen Hunderte von Versen, von denen die folgenden nur eine kleine Zusammenstellung sind:

Eine Zuflucht ist der Gott der Urzeit, und unter dir sind ewige Arme (5. Mose 33,27).
Gott ist unsere Zuflucht und Stärke, als Beistand in Nöten reichlich gefunden (Psalm 46,2).
Auf Gott ruht mein Heil … der Fels meines Schutzes, meine Zuflucht ist in Gott (Psalm 62,8).
Ich sage zum HERRN: Meine Zuflucht … mein Gott, ich vertraue auf ihn (Psalm 91,2).
Laßt uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe! (Hebr. 4,16).

Der unendlich machtvolle und liebende Gott, und Christus (der eins ist mit dem Vater), haben über die Jahrhunderte alle, die auf ihn vertrauten – wie verheißen – beschützt. Weshalb sollte dann jemand Maria anrufen? Ist sie vielleicht mächtiger als Gott oder hat sie mehr Mitleid oder ist sie verläßlicher oder antwortet sie schneller? Obwohl es die meisten Katholiken abstreiten würden, hat „Maria“ in heimtückischer Weise die christliche Dreieinigkeit ersetzt. Dem Bildnis Unserer Lieben Frau von Guadalupe hat man während seiner letzten Reise durch die USA Wundertaten zugeschrieben. Die Ehrerbietungen, mit denen es in Mexiko empfangen wurde, sehen u.a. wie folgt aus:

Die öffentlichen Busse in den Außenbezirken von Mexiko City haben blumengeschmückte Gnadenbilder der Jungfrau auf ihren Armaturenbrettern, mexikanische Fabriken hängen vielfach Bilder der Jungfrau auf, um von schlechtem Benehmen abzuschrecken, und Zigtausende der alljährlichen Pilger der Basilika beenden ihre Reise rutschend auf  ihren Knien.

Maria um Hilfe und Schutz anzuflehen bedeutet, daß sie Gott zumindest an Macht gleichkommt und vor Gott bzw. Christus bevorzugt wird. Das ist nicht die Maria der Bibel. Der Glaube an die Maria des Katholizismus, gefördert durch die Tausende von Erscheinungen, bereitet den Weg für eine Welteinheitsreligion, eine Neue Weltordnung und die Herrschaft des Antichristen.

Die einzigartige Rolle der erstaunlichen Maria

Die Frauen von heute setzen sich weltweit mehr durch, als jemals zuvor in der Geschichte. Entgegen der landläufigen Meinung, „stiften Frauen den meisten Familienkrach an und schlagen die Männer häufiger und heftiger als die Männer die Frauen“, und in lesbischen Beziehungen gibt es weit mehr Gewalt, als in Beziehungen zwischen Mann und Frau. (USA-Today,1994)
Frauen übernehmen das, was einst Aufgabe der Männer war, und auch in den höchsten Ebenen des leitenden Managements, der Politik und der Religion finden sie zunehmend Anerkennung. Gott allein kann Johannes vor 1900 Jahren eine Vision gegeben haben, die sich heute so genau erfüllt – eine Frau hat die Kontrolle.

Von den heutigen Entwicklungen her erscheint es unumgänglich, daß eine Frau das Tier reiten muß. Und von allen Frauen der Geschichte kann es keine mit der allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen „Maria“ aufnehmen. Kann es vielleicht sein, daß sie als Vorbereitung auf ihre einzigartige Rolle in der Neuen Weltordnung auf dem Rücken des Tieres derzeit Millionen rund um die Welt in einem blendenden Machterweis erscheint? Das Drehbuch ist genial! Johannes Paul II. sagte:

Maria … sollte alle begeistern, die in der apostolischen Mission der Kirche für die Wiedergeburt der Menschlichkeit mitwirken … Die Kirche reist durch die Zeit … auf dem Weg, den die Jungfrau Maria bereits vorgezeichnet hat.

Die ökumenische Macht dieser Maria liegt darin begründet, daß sie eine neue Gottheit darstellt, die für die Anhänger aller Religionen annehmbar ist – eine weibliche Gottheit im Gleichschritt mit dem Zeitgeist von heute. Selbst die Protestanten finden sie attraktiv. Bei einer Frauenkonferenz im November 1993 „sprachen über 2.000 Teilnehmerinnen ein Gebet zu … einer weiblichen Gottheit … [und] in einem der heiligen Kommunion nachempfundenen Ritual nahmen die Frauen zur Ehre der Gottheit Milch und Honig zu sich“. – Eine uns fernliegende New-Age Veranstaltung? Nein, „die meisten Teilnehmerinnen repräsentierten vornehmlich protestantische Denominationen …“

Eine lutherische Pastorin „sagte stolz, daß der Name Jesus Christus nicht genannt wurde“ und andere Gemeindeleiter forderten die Anwesenden auf, „die patriarchale Vorstellung eines Vater-Gottes“ umzustürzen.  Die koreanische Theologin Chung Hyun Kyung „drängte die Christen, eine ‚neue Dreifaltigkeit‘ aus buddhistischen, hinduistischen und philippinischen Göttinnen anzunehmen“. (Charisma, Mai 1994)

Der Katholizismus ist ein Sprung nach vorn. Seine „Maria“, eine für alle Religionen geeignete Göttin, wird bereits von einem Viertel der Weltbevölkerung angebetet. Außerdem hat sich ihre Tauglichkeit zur Beherrschung einer loyalen Menschenmasse jahrhundertelang auf nationaler Ebene erwiesen:

Maria war im Jahre 1037 die „erklärte Königin des ukrainischen Volkes“, und der hl. König Stephan hatte ihr etwa zur gleichen Zeit Ungarn geweiht. „Richard II. weihte im Jahre 1381 England feierlich als ‚ihre Mitgift‘ an Maria …“ Frankreich wurde im Jahre 1638 auf Befehl Ludwigs XIII. an Maria geweiht, welcher sagte: „Wir weihen ihr insbesondere unsere Person, unseren Staat, unsere Krone und unsere Untertanen“; Polen im Jahre 1656 durch König Kasimir. Alle „südamerikanischen Kolonien Spaniens wurden Maria im Jahre 1643 durch eine ‚feierliche Einsegnung‘ unter dem Befehl König Philips IV. geweiht“, und 1664 geschah gleiches „für Portugal und alle seine Kolonien auf die Anregung König Johanns IV. hin … Österreich im darauffolgenden Jahr“ usw. Im Jahre 1846 schrieben die Bischöfe von Amerika: „Wir … stellen uns selbst samt allen, die unserem Amt vertrauen … unter die besondere Schirmherrschaft der heiligen Mutter Gottes …“ (Soul Magazine April 1993)

Maria und der Islam

Man kann sich leicht vorstellen, wie Buddhisten, Hinduisten, New-Ager und Liberale – wie auch Katholiken und Protestanten – sich zu einer Welteinheitsreligion vereinen, aber die Milliarde Muslime stellt ein besonderes Problem dar. Maria scheint jedoch eine Besonderheit zu sein, durch die selbst die Muslime zu einem universalen Glauben geführt werden können. Eine britische katholische Zeitung (The Tablet 1992) berichtet, daß „eine marianische Erweckung sich über ganz Afrika ausbreitet, begleitet von angeblichen Erscheinungen der Jungfrau Maria, die auch unter den Muslimen eine Gefolgschaft versammeln …“Afrikanische Muslime sehen selbst Erscheinungen der Jungfrau Maria und „werden nicht aufgefordert, Christen zu werden“, um ihr folgen zu können. Die Zeitschrift Our Sunday Visitor weist auf die große Ehre hin, die Maria im Koran zuteil wird, und auf die verdächtigen Verbindungen zwischen ihr und Mohammeds Lieblingstochter Fatima.

Bischof Fulton J. Sheen schrieb ein interessantes Buch (Mary and the Moslems – The World`s First Love 1952), in dem er die Voraussage aufstellte, daß der Islam sich „durch die Aufforderung an die Muslime zur Verehrung der Mutter Gottes“ zum Christentum bekehrt. Er schreibt dazu:

„Der Koran … enthält viele Abschnitte über die selige Jungfrau. Zunächst glaubt der Koran an ihre Unbefleckte Empfängnis wie auch an ihre Jungfrauengeburt … Dann ist Maria für die Muslime die wahre Sayyida, oder Liebe Frau. Die einzige, die ihr möglicherweise und ernsthaft diese Stellung streitig machen könnte, ist Fatima, die eigene Tochter Mohammeds. Aber nach dem Tode Fatimas schrieb Mohammed: „Du sollst die gesegnetste aller Frauen im Paradiese sein, nach Maria.“ 

Sheen fährt fort und sagt, wie bemerkenswert es sei, daß „Unsere Liebe Frau die Weitsicht hatte, in dem portugiesischen Dörfchen namens Fatima zu erscheinen (das nach der Tochter Mohammeds während der muslimischen Besatzung benannt wurde) und so als Unsere Liebe Frau von Fatima bekannt wurde. Wenn in Afrika, Indien oder sonstwo eine Statue „Unserer Lieben Frau von Fatima“ durch muslimische Gebiete getragen wird, strömen die Muslime tatsächlich zu Hunderten herbei, um sie zu verehren.“  Innerhalb von zwei Tagen kamen im indischen Bombay schätzungsweise 500.000 zur Ehrerbietung dieses Abgottes herbei.

Maria und Johannes Paul II.

Niemand ist mehr von der Echtheit der Erscheinungen in Fatima überzeugt, als der gegenwärtige Papst. Und niemand zeigt auch eine größere Hingabe an Maria. Johannes Paul II., der „sich selbst und sein Pontifikat ganz Unserer Lieben Frau geweiht hat, trägt das M an seinen Gewandsärmeln, und sein persönlicher Wahlspruch lautet totus tuus sum Maria (Maria, ich bin ganz dein). Der Papst hat für seine besondere Hingabe ungewöhnliche persönliche Gründe. Der Mordversuch an ihm wurde am 13. Mai 1981 verübt, dem Jahrestag der ersten angeblichen Erscheinung der Jungfrau vom 13. Mai 1917 in Fatima. Während seiner Genesung sagte sie ihm in einer Vision, daß sie ihm sein Leben für eine bestimmte Aufgabe für den Friedensprozeß gerettet habe, die er zu erfüllen hätte.

Als Johannes Paul II. nach seiner Gesundung in den Vatikan zurückkehrte, betete er an den Gräbern seiner direkten Vorgänger und sagte: „Hier könnte nun ein weiteres Grab sein, aber die selige Jungfrau … hat es anders gewollt.“  Voll Dank und Ehrerbietung fügte er hinzu: „Bei allem, was an jenem Tag geschah, fühlte ich die außerordentliche mütterliche Bewahrung und Fürsorge, die sich stärker als die tödlichen Kugeln erwies.“Wozu brauchst du also Gott, wenn du im Schutz Mariens stehst?

Der dankbare Papst unternahm am 13. Mai 1982 eine feierliche Wallfahrt nach Fatima, wo er vor der Statue Unserer Lieben Frau von Fatima betete. Tausende hörten ihn sprechen und die Welt an Maria weihen, so wie sie es gefordert hatte.“ Bei mindestens drei weiteren Gelegenheiten, am 16. Oktober 1983, am 25. März 1984 und am 8. Dezember 1985 … weihte er die Welt an Unsere Liebe Frau“ (The Fatima Crusader, 1986) und nannte dabei insbesondere das russische Volk. Jetzt, da die Berliner Mauer gefallen ist und der Sowjetkommunismus sich in ganz Osteuropa aufgelöst hat, schreibt man darin Unserer Lieben Frau von Fatima die Erfüllung ihrer Verheißung zu, daß bei einer Weihe der Welt und Rußlands an ihr Unbeflecktes Herz durch die Päpste und Bischöfe, Rußland sich bekehren und Frieden sein wird! 

Eine solche Aussage steht in vollem Gegensatz zu den klaren Lehren der Bibel, die „Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Römer 5,1) als bedingungsloses Geschenk der Gnade Gottes anbietet – einen Frieden, der „durch das Blut seines Kreuzes“ (Kolosser 1,20) gebracht worden ist. Durch den Glauben an das Evangelium kommt der Friede zu jedem einzelnen. Weltfriede kann nur dann aufgerichtet werden, wenn Christus wiederkehrt und, wie von den Propheten vorausgesagt, von Jerusalem aus seine Herrschaft antritt.

Doch die Maria des Katholizismus ist als die eine, durch die der Friede kommen soll, an die Stelle Christi getreten, und der jetzige Papst und seine Kirche unterstützen diese Irrlehre. Die heutige Welt (einschließlich derjenigen, die sich selbst Christen nennen) ist nur allzu bereit, eine Lösung für ihre Probleme anzunehmen, die Christus außen vor läßt. Daß die Frau auf dem Rücken des Tieres sitzt, scheint daraufhinzudeuten, daß diese Pseudomaria der Erscheinungen bei dem falschen Frieden, durch den der Antichrist „viele vernichten wird“ (Daniel 8,25), eine Schlüsselrolle spielt. Die Gestalt, die als Jungfrau von Fatima erschien und verkündete, daß der Herr „ihr den Frieden der Welt anvertraut hat“, bietet anstelle von Christus ihren eigenen Friedensplan an: Betet täglich den Rosenkranz, damit in der Welt Frieden wird …

Ein verführerischer Geist.

Jeder Papst der vergangenen 60 Jahre hat Unsere Liebe Frau von Fatima verehrt. Die Weihe an ein mystisches „Unbeflecktes Herz“ ist an die Stelle der Hingabe an Christus getreten, und der Gehorsam zu „Unserer Lieben Frau“ bringt den Frieden.

Die Erscheinung ist gewiß nicht Maria! In Fatima sagte die Erscheinung, die für sich selbst die Autorität Christi beansprucht: Ich werde euch niemals im Stich lassen. – Das ist die Verheißung Christi an seine Jünger, und sie setzt Allgegenwart voraus, eine allein Gott zustehende Eigenschaft.

Diese „Erscheinungen“ stehen eindeutig dem biblischen Evangelium der Errettung allein aus Gnade durch Glauben an das vollbrachte Opfer Christi entgegen und glorifizieren an seiner Stelle eine falsche Maria. Ein „verführerischer Geist“ (1. Timotheus 4,1) ist am Werk.

Der Jesus des Katholizismus: Maria untergeordnet

Den Erscheinungen schreibt man zu, daß sie die Menschen auf Jesus hinweisen, doch bei den Pilgern an den Marienwallfahrtsorten ist nur wenig von einer wirklichen Hingabe an Christus zu erkennen. Immer und immer wieder betet man den Rosenkranz, und ständig ist die Rede von Maria anstatt von Gott bzw. Christus. Ihr gilt die ganze Hingabe, und die Pilger sehen sich selbst als ihre Knechte an, die ihren Willen erfüllen.Außerdem ist der Jesus, der in den Erscheinungen vorgestellt wird, eine Fälschung und stets Maria untergeordnet . . .

Am 15. Februar 1926 erschien „das Jesuskind“ wieder und drängte die Katholiken, „diese Hingabe und Wiedergutmachung an das Unbefleckte Herz seiner heiligen Mutter zu verbreiten“. Dabei erklärte es, daß dem Unbefleckten Herzen Marias Wiedergutmachung geleistet werden müsse, damit die Menschheit gerettet wird!
Das ist wiederum Gotteslästerung
der schlimmsten Art. Die wirkliche Mutter Jesu oder er selbst würden das niemals verlangen.

Christus ist kein Kind mehr und würde deshalb nicht mehr in dieser Gestalt erscheinen – und wozu sollte er das auch?
Als er für unsere Sünden starb, war er ein erwachsener Mann, und jetzt sitzt er mit einem verherrlichten Auferstehungsleib zur Rechten des Vaters. Die Vorstellung, Christus sei immer noch ein kleines Kind in Begleitung seiner Mutter, widerspricht allem logischen Denken, der Wirklichkeit und vor allem der Bibel.

Doch wer kein Problem mit dem Glauben daran hat, Millionen einzelner Hostien würden sich in den tatsächlichen stofflichen Leib Christi verwandeln, „ganz und völlig“, hat auch keine Schwierigkeit zu glauben, daß Christus als kleines Kind auf der Erde erscheint, obwohl er gleichzeitig als erwachsener Mann mit seinem Auferstehungsleib im Himmel ist.

Außerdem sagte der wirkliche Jesus nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern, daß „allen Nationen in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden gepredigt werden“ sollte (Lukas 24,47).
Paulus sagte in seiner Predigt, daß „durch diesen [Jesus] euch Vergebung der Sünden verkündigt wird, und von allem, wovon ihr durch das Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird durch diesen jeder Glaubende gerechtfertigt“ Apostelgeschichte 13,38.39).

In der Bibel gibt es keinen Hinweis darauf, daß man Maria Wiedergutmachung wegen Sünden leisten müsse, und erst recht nicht darauf, daß dies „für die Rettung der Menschheit“ notwendig sei. Alle Erscheinungen präsentieren in dreister Weise ein falsches Evangelium der Errettung durch Maria und des üblichen sakramentalen Katholizismus des Fegefeuers, der Rituale und der Werke.Hier sehen wir ganz eindeutig das, wovor Paulus warnte und sagte, es geschehe in den letzten Tagen:  „…manche werden vom Glauben abfallen, indem sie auf verführerische Geister und Lehren von Dämonen achten“ (1. Timotheus 4,1). Was diese Erscheinungen lehren, ist definitiv Lehre von Dämonen, die die Hinlänglichkeit von Christi Tod für unsere Sünden leugnen, seine Stellung als Herr über alles abstreiten und eine falsche Maria über ihn erheben.

Die Wiederbelebung der alten römischen  Religion

Die weltweite Wiedererstehung des Römischen Reichs unter dem Antichristen wird offenbar von einer Wiederbelebung seiner Religion begleitet sein, die, wie wir gesehen haben, in einem Heidentum besteht, das unter einem dünnen Anstrich christlicher Terminologie überlebt hat. Es ist schließlich als römischer Katholizismus bekannt geworden. Statuen von Fruchtbarkeitsgöttinnen wurden in Maria umbenannt. Von den römischen Kaisern fertigte man Bildnisse an, und wer sich weigerte, sich vor diesen niederzuwerfen und den Kaiser als Gott anzubeten, wurde getötet. Als Nachfolger der römischen Kaiser ließen auch die Päpste all jene umbringen, die ihnen und ihrer Religion die Untertänigkeit verweigerten. Das ist unbestreitbare Geschichte, von der die Bibel sagt, daß sie sich unter dem Antichristen wiederholen wird:

[Es wurde befohlen] dem Tier [dem Antichristen] … ein Bild zu machen … [und] das Bild des Tieres …bewirkte, daß alle getötet wurden, die das Bild des Tieres nicht anbeteten (Offenbarung 13,14.15).

Der Antichrist wird nicht ein Papst sein, jedoch wird ein Papst seine rechte Hand sein, Offenbarung 19,20 und 20,10. Wenn der Papst zur Zeit irgendwo auftritt, kann man jedoch eine ihm entgegengebrachte Verehrung beobachten, die der gleichkommt, die die Welt dem Antichristen zollen wird, wenn sie ihn als Gott anbetet. Erschreckend aufschlussreich ist folgender Bericht vom Weltjugendtag in Denver 1993:

„In seiner weißen Tracht besteigt Johannes Paul II. die Stufen zu seinem Stuhl, einem thronartigen Gebilde aus Eichenholz. Noch einmal winkt er den stehenden Pilgern zu, dann steigt er hinauf und setzt sich … Die Musik spielt sanft weiter, als ein Jugendlicher vom Internationalen Jugendforum von der Vorbühne verliest: „Ich sah eine große Volksmenge, die niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen vor dem Thron und vor dem Lamm stehen, bekleidet mit weißen Gewändern und Palmen in ihren Händen. Und sie rufen mit lauter Stimme und sagen: Das Heil unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm!“

Die Bedeutung dieser besonderen Schriftstelle in diesem Zusammenhang … schlug bei den Protestanten Alarm und versetzte sie in Furcht und Schrecken. Die Verse stammen aus Offenbarung 7,9-10 und stellen den Blick auf Christus und seinen Thron im Himmel dar. „Die große Volksmenge, die niemand zählen konnte“ ist die wahre Kirche, die Gemeinde, die Braut … Im Cherry Park sitzt jedoch der Papst auf einem Thron vor Jugendlichen aus vielen Nationen und Sprachen. Sie jubeln ihm zu, als diese Schriftstelle vorgelesen wird.

Gibt der Papst sich einschmeichelnd als Christus auf seinem Thron und die Jugendlichen zu seinen Füßen als seine Schafe aus …?

… Die Arroganz ist überwältigend, obgleich Johannes Paul einen demütigen Eindruck vermittelt. Wer sich mit der Bibel nicht auskennt und auch die Bedeutung der polnischen Hymne nicht kennt, sieht und merkt nichts von dieser Arroganz. Er sieht und fühlt Liebe…
Papst Johannes Paul II. hat offenbar einen Geist von gewaltiger verführerischer Kraft … Er läßt sich Abba/Vater nennen und sitzt dabei in weißen Gewändern auf einem Thron … In ihren nationalen Trachten gekleidete Jugendliche, die jeden Kontinent repräsentieren, kommen mit ihren Nationalflaggen nach vorn. Sie betreten die Mittelstufen und plazieren ihre Flaggen auf dem Podium, buchstäblich zu den Füßen Johannes Pauls. (Hayes, Trumpet, 1993)

Das alte Spiel beginnt von vorn

Die heidnischen Römer, die den Kaiser anbeteten, waren geistig nicht eingeschränkt. Sie hatten viele Götter und tolerierten ein breites Glaubensspektrum. Die Christen verfolgte man nicht aufgrund ihres Glaubens an Jesus Christus, sondern weil sie an ihn allein glaubten und neben dem Gott der Bibel keine anderen Götter akzeptierten. Der Katholizismus toleriert in ähnlicher Weise jede Religion und gestattet seinen Mitgliedern, von Yoga bis Voodoo alles zu praktizieren, solange sie nur in der Kirche bleiben. Sowohl die öffentliche Meinung als auch die Gesetzgebung unterstützen die gleiche Haltung.

In Kanada und den Vereinigten Staaten (und anderswo) stellt man „Haßgesetze“ auf, die Äußerungen, jemand läge mit seiner Religion oder seinen Moralvorstellungen falsch, zu einem Verbrechen erklären. So wird es auch wohl bald gesetzeswidrig sein, wenn man sagt, Homosexualität sei Sünde oder irgendeine Religion sei falsch. Der von den USA und vielen anderen Ländern unterzeichnete „Völkermord-Vertrag“ (ist noch nicht in Kraft getreten,) macht es bereits zu einem Verbrechen, zu jemanden zu sagen, sein religiöser Glaube sei falsch, und zu versuchen, andere zu dem zu bekehren, was man selbst als die Wahrheit ansieht.

Komischerweise behauptet der römische Katholizismus einerseits, er sei die eine wahre Kirche, während er andererseits, wie wir gesehen haben, gleichzeitig allen Religionen beipflichtet. Auch in diesem Punkt weist sich der Vatikan in einzigartiger Weise als die Frau auf dem Tier aus Offenbarung 17 aus.
Wir haben Johannes Pauls II. Gutheißung aller Religionen gesehen, wie auch seine Behauptung, alle Götter seien dasselbe, während er gleichzeitig die fundamentalistischen Christen verurteilt. Sein Freund und Bewunderer, der Fernsehevangelist Robert Schuller, stellt aus angeblich evangelikaler Sicht ähnliche Ideen vor: Die Weise, auf die man „die gute Religion von der schlechten unterscheidet“, habe man zu prüfen, ob sie „positiv“ ist. Schuller fordert die „religiösen Führungspersönlichkeiten auf … in einem massiven, vereinten Bestreben aller Religionsführer … ungeachtet ihrer Theologie … ihren Glauben in positiven Begriffen auszudrücken … um die positive Macht von Weltgemeinschafts aufbauenden religiösen Werten zu proklamieren“.

„Weltgemeinschafts-aufbauende religiöse Werte“, die für alle Religionen akzeptabel sind? Der Antichrist persönlich könnte diese zweideutige Redeweise nicht besser bringen! Doch Schuller wird von führenden Evangelikalen empfohlen und erfreut sich jeden Sonntagmorgen des größten Publikums von allen Fernsehevangelisten. Schullers freundschaftliches Verhältnis zum Katholizismus und sein Eintreten für das „Heimkommen“ der Protestanten haben wir bereits ausführlich dargelegt.

Die bevorstehende Welteinheitsreligion wird auf eine heimtückische, nicht offensichtliche Weise eine antichristliche sein. Sie wird sich, wie Hitlers Nationalsozialismus, als positives Christentum ausgeben und für die ganze Welt unwiderstehlich attraktiv sein. Wie so vieles von dem, was wir bereits jetzt selbst in evangelikalen Kreisen finden, wird sie eine Verdrehung des Christentums in Christi Namen darstellen.
Die Marienerscheinungen und die anerkannteste katholische Evangelistin, Mutter Theresa von Kalkutta, fordern beide in gleicher Weise zur Annahme aller Religionen auf. Dabei wagt niemand, Mutter Theresa zu kritisieren, weil sie für ihren herausragenden selbstaufopfernden Dienst der Nächstenliebe bekannt ist. Der weltweite Ruhm Mutter Theresas von Kalkutta hat dem Katholizismus zu Anerkennung auch bei den Protestanten verholfen, die ihr aufopferungsvolles Leben der Nächstenliebe zurecht bewundern.

Der Vatikan und die Neue Weltordnung

Die neue Welteinheitsreligion wird alle Glaubensrichtungen gleicherweise tolerieren, sofern sie nur bereit sind, sich in der wohltätigen Rettung der Menschheit miteinander zu vereinen. Christen, die nicht zu Kompromissen bereit sind, wird man töten, weil sie der Einheit und dem Frieden im Wege stehen.Von Rom bis Washington sprechen die geopolitischen Analytiker von einer „neuen Allianz“ zwischen der größten Militärmacht der Welt, der USA, und dem größten geistlichen Führer der Welt, dem Papst.

Diese Allianz wird schon bald zwischen dem Weltherrscher und dem Vatikan bestehen. Die Frau wird in der Tat das Tier reiten und steuern, so wesentlich wird ihre Rolle sein. Der Antichrist wird sich darüber im klaren sein, daß ohne religiösen Frieden kein politischer Frieden herrschen kann. Es kann kein globaler Friede sein, bis nicht alle Religionen bereit sind, sich einander als Partner in der Zusammenarbeit auf globale Ziele hin anzunehmen – und aus den von uns dargelegten Gründen wird der Papst für die Aufrichtung der totalen Ökumene unabkömmlich sein.

Robert Müller, Katholik, ehemaliger stellvertretender UNO-Generalsekretär und Direktor der Friedensuniversität, sagte: „Was wir brauchen, ist eine Welt- oder kosmische Spiritualität … Ich hoffe darauf, daß sich die Religionsführer zusammentun und die kosmischen Gesetze definieren, die in allen Religionen gleichermaßen enthalten sind …“ Wenn sich die religiösen und politischen Führer schließlich zur Verwirklichung der gleichen Ziele vereinen, dann ist das Reich des Antichristen gekommen. Diese Situation bestand (in unvollkommener Einheit) in der Vergangenheit bereits über 1000 Jahre lang unter der Vorherrschaft des Vatikans. Und so wird es auch wieder sein, dieses Mal jedoch mit der schrecklichen totalen Kontrolle, die nur durch die heutigen Computer und Spionagesatelliten durchführbar ist.

Eine ernstliche Warnung vom Himmel

Wie können Religionsführer und ihre Anhänger einen solchen Totalitarismus tolerieren? Sehen wir uns als Beispiel einmal die 266 Mitglieder umfassende Delegation von Amerikas Nationalrat der Kirchen (NCC) an, die im Juni 1984 die Sowjetunion besuchte. Sie bereiste 14 Städte und besuchte zahlreiche staatlich genehmigte Kirchen. Die New York Times berichtete, daß die NCC-Delegation „die Stellung der Religion in der Sowjetunion lobte und die Rolle der Vereinigten Staaten beim Wettrüsten verurteilte … und Verwirrung darüber zum Ausdruck brachte, daß die Harmonie ihres Besuchs durch zwei Demonstranten getrübt wurde, die während eines baptistischen Gottesdienstes Religionsfreiheit forderten und ein Spruchband hochhielten: ‚Das ist keine freie Kirche‘. Der Leiter der NCC-Delegation, Bruce Rigdon vom theologischen Seminar McCormick in Chicago, „drückte seine Mißbilligung des Protests und seine Bewunderung für die Sowjetbeamten aus, die den Aufruhr unterbanden“.

Im spanischen Santiago de Compostela hielt die Konferenz Weltweiter Christlicher Gemeinschaften (WCC) vom 4. – 13. August 1993 ihre 5. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung. Die römisch-katholische Kirche war zum allerersten Mal offizielle und volle Teilnehmerin an einem WCC-Treffen. Das Ziel, das die Teilnehmer anstrebten, ist eine Weltkirche – und nicht eine Weltkirche, die durch Glauben vereint ist, als vielmehr eine, die sichtbar in den Augen der ganzen Welt vereint ist. Die Abgeordneten einigten sich auf die Aussage:

Es gibt keinen Weg zurück … von der alleinigen ökumenischen Bewegung, die die Belange der Einheit der Kirche und die Belange bezüglich … der Probleme der Welt in sich vereint.

Diese bedeutsame Erklärung erkennt an, daß die Weltkirche in Zusammenarbeit mit der Weltregierung operieren muß. Der Moderator des WCC-Zentralkomitees, Aram Keshishian, erklärte in seiner Ansprache, daß die WCC „ihren Kurs bezüglich Lehrfragen mehr auf die soziale Ethik hinsteuern muß … Glaube und Ordnung können bei dem Streben nach Einheit der Kirche nicht über die sozio-politische und wirtschaftliche Dimension hinwegsehen … Jeder Zwiespalt zwischen christlichem Glauben und politischen Belangen, zwischen der Einheit der Kirche und dem Kampf um Gerechtigkeit, stellt eine ökumenische Häresie dar.“Das Ziel wird verwirklicht werden. Die Vernunftehe zwischen dem Antichristen und der falschen Weltkirche wird jedoch nicht unbegrenzt andauern. Wenn die Flitterwochen vorüber sind, wird der Antichrist sein wahres Gesicht zeigen und die „Hure“ vernichten (Offenbarung 17,16) und somit Gottes Willen in diesem Prozeß bewirken (Vers 17).
Eine der schärfsten Anklagen, die Gott gegen die Frau auf dem Tier erhebt, ist die, daß sie nicht allein mit „Ware von Gold und Silber und Edelgestein“ gehandelt hat, sondern auch mit „Leibeigenen und Menschenseelen“ (Offenbarung 18,12.13).

In der Zwischenzeit ergeht eine „Stimme aus dem Himmel“, die mit erschreckendem Tonfall ruft:

Geht aus ihr hinaus, mein Volk, damit ihr nicht an ihren Sünden teilhabt und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt! Denn ihre Sünden sind aufgehäuft bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeit gedacht…   Darum werden ihre Plagen an einem Tag kommen: Tod und Trauer und Hunger, und mit Feuer wird sie verbrannt werden; denn stark ist der Herr, Gott, der sie gerichtet hat (Offenbarung 18,4-8).

Mögen all jene, die Christus und sein Evangelium lieben, in Mitleid und wahrer Einheit zusammenfinden, um so viele wie möglich vor diesem harten Gericht zu retten.

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Europa – 8.Reich d. Drachen

Europa – Das achte Reich des Drachen

 Eine Betrachtung über Offenbarung 17, 1-14

von Gerhard Becker

1. Weltgeschichte und Heilsgeschichte

Die Heilige Schrift weist auf ein Königreich hin, das unmittelbar vor dem zweiten Kommen Jesu Christi bestehen und vom wiederkommenden Herrn zerstört werden wird. Dann wird Gottes Reich in der Heilsgeschichte sichtbar durchbrechen und das jetzige Weltzeitalter beenden (Offb 17,14.19).

Mit “Tier” bezeichnet der Seher Johannes sowohl ein Reich, als auch eine Person, die dieses Reich vertritt. Das Tier (das Reich und dessen Führer) empfängt seine Kraft vom Drachen, der auch Satan genannt wird (Offb 13,2; 12,3). Darum ist dieses Königreich letztlich ein Reich des Drachen. Das Tier hat sieben Häupter (Offb 17,7). Die Häupter haben eine doppelte Bedeutung. Sie stellen einmal 7 Berge dar, auf welchem das Weib sitzt, zum anderen sind die 7 Häupter auch als 7 Könige und damit als Staatsgebilde oder Reiche zu verstehen. Auf den 7. König folgt noch ein achter (Offb 17,11). Sie sind sämtlich Drachenreiche in unterschiedlichen Zeiten.

2. Die gefallenen 5 Häupter

In Offb 13,2 werden die Charaktereigenschaften des Tieres mit Raubtieren verglichen, nämlich mit einem Panther, einem Bären und einem Löwen. Mit diesen Raubtieren werden auch drei der vier Reiche beschrieben, von denen im Kapitel 7 des Propheten Daniel zu lesen ist. Für das vierte Reich nach Daniel 7 fehlt ein Vergleich mit einem Raubtier. Von ihm wird gesagt, dass es greulich und schrecklich und sehr stark ist und auch viel anders denn die vorigen und zehn Hörner hat (Dan 7,7). Offb 17 wiederholt und ergänzt die Prophetie von Dan 7. über die Königreiche.

Die fünf Reiche, die z.Zt. des Sehers Johannes bereits gefallen waren, lassen sich als folgende Reiche der Weltgeschichte erkennen:

1. Ägypten, 2. Assyrien, 3. Babel, 4. Medo-Persien, 5. Griechenland. Jedes dieser Reiche stand zu Israel in einer besonderen Beziehung:
In Ägypten lebte Israel in der Gefangenschaft. Die 10 Stämme des Nordreichs Israel gerieten in die assyrische Gefangenschaft. Die zwei Stämme des Südreichs, Juda und Benjamin, waren in Babel gefangen. Das medo-persische Reich behielt nach dem Zusammenbruch Babels die Oberherrschaft über Juda. Der griechische Feldherr Alexander der Große eroberte 333 v.Chr., kurz nach der berühmten Schlacht bei Issus, Jerusalem und Palästina, weil dies zur Rückendeckung für seinen weiteren Vormarsch nach Indien notwendig war.

Die Verbindung mit Israel erklärt sich daraus, dass das prophetische Wort nicht über profane Weltgeschichte berichtet, sondern über die Reich- Gottes- Geschichte. Letztere aber ist untrennbar mit Israel verbunden. Welche Reiche in Offb 17 gemeint sind, ist daher an der Geschichte Israels abzulesen.
Gott hatte das Volk Israel aus- und abgesondert, damit es als Zeuge der Heilsoffenbarung allen Völkern dient. Israel sollte daher als Gottesstaat über allen Völkern stehen. Darum führte Gott es aus der Knechtschaft, in der es zur Zeit seines Entstehens in Ägypten lebte, heraus in die Freiheit. Da Israel seinem Gott jedoch ungehorsam war, tat es Gott unter die Völker (2.Mose19,5f; 5.Mo28,25.64-68). Israel verlor seine politische Freiheit wieder. Es geriet als politisches Gemeinwesen unter die Herrschaft von bestimmten Reichen dieser Welt. Das sind die Reiche zwei bis acht, die Offb 17 (außer dem ersten) zahlenmäßig aufführt.

3. Das sechste Haupt

Vom sechsten Haupt (König) heißt es: “. . . und einer ist”. Das war das Reich Roms, das z. Zt. des Johannes noch bestand. Satan versuchte Jesus in der Wüste damit, ihm “alle Reiche der ganzen Welt” geben zu wollen, so er niederfalle und ihn anbete (Luk.4,5 und 6). Mit “alle Reiche dieser Welt” übersetzt Luther das griechische Wort ” oikumene ” des Urtextes. Das Wort “oikumene” ist auch in Lk 2,1 mit “alle Welt” übersetzt. Dort heißt es: “Es begab sich, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass ‘alle Welt’ geschätzt würde.” Das griechische Wort ” oikumene ” bezieht sich im ganzen NT auf das Römische Reich oder die römische Welt.
Aus dem Bericht über die Versuchung Jesu ergibt sich somit, dass Satan, auch Drache genannt, der gefallene Engelfürst des Römischen Reiches war.  Jesus widerstand der satanischen Versuchung. Im Gegensatz zu Adam ordnete er sich nicht dem satanischen Willen unter. Im Jahre 395 wurde das Römische Reich in Westrom und Ostrom geteilt. Westrom – das ursprüngliche und eigentliche Rom – ging 476 mit dem letzten Kaiser Romulus in einer Schlacht gegen den Herulerfürsten Odoaker unter. Das immer kleiner werdende Ostrom blieb bis zum Jahre 1453 bestehen, als die Türken Konstantinopel eroberten. Wie die vorausgegangenen fünf Reiche, so stand auch Rom in einer besonderen Stellung zu Israel. Judäa gehörte zum römischen Imperium. Jesus von Nazareth, ein Jude nach seiner menschlichen Herkunft, wurde unter dem römischen Statthalter Pontius Pilatus gekreuzigt.

4. Das siebente Haupt

Vom siebten Haupt heißt es in Offb 17,10: “. . . und der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben.” Da Israel seinen Messias verworfen hatte, wurde es im Jahre 70 n.Chr. durch römische Soldaten in alle Welt zerstreut. Die Reich- Gottes- Geschichte Israels ist aber damit noch nicht beendet, sondern nur unterbrochen (Römer 11). Da es seit jener Zeit keinen Judenstaat mehr gab, konnte es auch kein einzelnes weltliches Reich geben, dem es hätte untergeordnet sein können. Das siebente Reich nach Offb 17 ist daher nicht in der Zeit der Zerstreuung zu suchen, als die Juden unter vielen Völkern lebten, denen es mehr oder weniger untergeordnet war. Als die Zerstreuung jedoch ihrem Ende zuging und schon viele Juden in das Land ihrer Väter zurückgekehrt waren, trat ein einzelnes Reich hervor, das sich zum Ziele setzte, alle Juden auszurotten, derer es habhaft werden konnte.

Der österreichische Journalist Theodor Herzl begründete im Jahre 1896 durch sein Buch “Der Judenstaat” den modernen Zionismus. Die zionistische Bewegung strebte an, in Palästina wieder eine öffentlich-rechtlich gesicherte nationale Heimstätte für die Juden zu schaffen. Daraufhin setzte allmählich die Rückwanderung der Juden ins Land der Väter ein.
Dies löste die Gegenwirkung des Drachen aus. Er wollte offensichtlich verhindern, dass der Staat Israel neu entstehen und Gott seine Reichsgeschichte mit seinem Volk fortsetzen kann. So gelang dem Widersacher, einen Mann zu gewinnen, der es sich zur Aufgabe machte, sämtliche Juden zu töten. Das war Adolf Hitler, ein Katholik, der ebenfalls – wie Herzl – Österreicher war. Ihm gelang es, sich an die Spitze des Deutschen Reiches zu setzen und – ausgerüstet mit staatlicher Machtfülle – seine judenfeindlichen Pläne zum größten Teil in die Tat umzusetzen.
Er verfolgte die Juden nicht nur in Deutschland sondern auch in fremden Ländern, über die er militärische Macht ausübte. Das Hitlerreich muss daher als das 7. Reich des Drachen angesehen werden. Es gibt keinen anderen Staat, der in vergleichbarer Weise gegen Israel wirkte, als es im Begriff war, sich zu sammeln und wieder ein Staat zu werden. Dieses Geschichtsverständnis findet sich im Buch Daniel bestätigt. Der Prophet Daniel sieht einen frechen und tückischen König aufkommen (Dan 8,23-25). Dieser König stimmt überein mit dem siebten Haupt in Offb 17.  . . .

Daniel schaut über die Zeit der Nachfolger Alexanders hinaus (Kap. 8,22f) auf eine damals in weiter Ferne liegende Zeit (Kap. 8,26). Sie gehört in die Zeit des Endes (Dan 8,17). In dieser Endzeit, die dem Kommen des Messias vorhergeht, sieht Daniel einen frechen und tückischen König aufkommen. Von diesem König heißt es:
a. Er wird mächtig sein, doch nicht durch seine Kraft. Er wird greulich verwüsten. Er wird die Starken samt dem heiligen Volk verstören – Dan 8,24
b. Er wird sich in seinem Herzen erheben und mitten im Frieden wird er viele verderben
c. und sich gegen den Fürsten aller Fürsten auflehnen
d. und ohne Hand zerbrochen werden – Dan 8,25

Alle diese Merkmale treffen auf Adolf Hitler zu:

a) Hitler nannte sich selbst den “größten Magier aller Zeiten”. Es waren ausgesprochen okkulte politische Kräfte, die bei seiner Machtübernahme im Jahre 1933 durchgebrochen waren. Der frühere Senatspräsident von Danzig, Hermann Rauschning, bestätigte in seinem Buch “Gespräche mit Hitler”, dass Hitler unter einem starken dämonischen, okkulten Einfluss gestanden habe.
Selbst Gebildete hätten damals erklärt, ‘der Führer ist ein Halbgott’. Das weithin vom reformatorischen Bekenntnis abgefallene Deutschland fiel dem zu Füßen, von dem es vorher in der behördlichen Kartei geheißen hatte: “Asozialer, Arbeitsscheuer”. Hitler hatte es im Kriege nur bis zum Gefreiten gebracht. Er besaß keine natürlichen Führungsqualitäten, wie Rauschning in dem genannten Buch in aufschlussreicher Weise darstellt. Als der Adjutant von Hitlers Einheit ihn 1923 in München reden hörte, meinte er, einen ganz anderen Menschen vor sich zu haben. Hitlers Erwählung war durchgebrochen. “Und der Drache gab ihm seine Kraft” (Offb 13,1). Hermann Rauschning schreibt als Zeitzeuge, dass Hitler ‘trunken vom Größenwahn’ gewesen sei und ‘nicht bloß der Parteiführung, sondern auch seinen konservativen Gegnern und der Reichswehrführung an Einsicht und Weitsicht sehr überlegen war’.

b) Hitler verstörte das “Heilige Volk”. Er ließ viele Juden verderben. Er tat dies mitten im Frieden; denn er befand sich mit den Juden nicht in einem Kriegszustand. Hitler ließ Millionen friedlicher und wehrloser Juden in KZ’s gefangen setzen. Das ist in der Geschichte ohne Beispiel. . . .

c) Der Hitlergruß bedeutete, dass in Hitler das Heil liege. Das war offenkundige Auflehnung gegen den Fürsten aller Fürsten, den Sohn Gottes.

d) Hitler wurde ohne fremde Hand zerbrochen. Er endete durch Selbstmord. Antiochus Epiphanes starb dagegen eines natürlichen Todes.
Aus all diesen Gründen darf angenommen werden, dass Hitler das siebente Haupt des Tieres nach Offb 17,7 war, das eine kleine Zeit, 12 Jahre, bleiben musste.

5. Das achte Haupt

Das 8.Reich ist nach dem Wortlaut von Offb 17,11 die Erneuerung eines der vorausgegangenen sieben Reiche. Um welches Reich es sich handelt, ergibt sich, wenn Dan 7,7 f. und Offb 17,11 miteinander verglichen werden. Auf das vierte Reich nach Dan 7,7f und das achte Reich (Haupt) nach Offb 17,11 folgt das Reich Gottes in sichtbarer Gestalt (Dan 7,27; Offb 19,6). Das 4. Reich nach Daniel und das achte Reich (Haupt) nach Offb 17 ist also als ein- und dasselbe Reich zu verstehen.
Offb 17 erklärt das 8. Reich (Haupt) als die Wiedererscheinung eines der vorausgegangenen Reiche. Diese Besonderheit des letzten Weltreiches sieht Daniel nicht. Das vierte und letzte Reich nach Daniel 7 und das 6. Reich nach Offb 17 aber ist eindeutig Rom. Folglich muss das 8. und letzte Reich nach Offb 17 die Neugestalt des 6. Reiches, nämlich Roms sein, die wir Europäische Union nennen. Dieses Verständnis stimmt mit der geschichtlichen Entwicklung überein.

Nach dem Untergang Westroms erwachte der Gedanke, das römische Reich in Form eines europäischen Reiches erneut entstehen zu lassen. Er ließ sich jedoch trotz mancher Ansätze zunächst nicht verwirklichen. Der römische Reichsgedanke musste aufkommendem nationalen Denken weichen.

Der Gedanke an ein vereintes Europa in Erbfolge des römischen Reiches erwachte wieder.

Am 25. Dezember 800 wurde der Frankenkönig Karl der Große in Rom von Papst Leo III. zum römischen Kaiser gekrönt. Aber schon im Jahre 817 entschloss sich Karl, sein fränkisches Reich unter seine Söhne Lothar, Phillip und Ludwig aufzuteilen. Das war die Geburtsstunde von Deutschland und Frankreich. Als Folge der Teilung des Frankenreiches entstanden in Europa Nationalstaaten. Deutsche und Franzosen beanspruchten fortan, Erben des Römischen Reiches zu sein. Darum die Jahrhunderte lange Erbfeindschaft zwischen beiden Völkern.
In Frankreich lebte die mit dem Gälischen vermischte lateinische Sprache der Römer im Französischen fort, ferner das römische Verwaltungswesen.
Frankreich war im Gegensatz zu Deutschland nach römischem Vorbild immer ein Zentralstaat. Die deutschsprachigen germanischen Stämme verstanden sich aber ebenso als Nachfolger Roms. Darum ließ sich der sächsische König Otto I. im Jahre 962 durch Papst Johannes XII. zum römischen Kaiser krönen. So entstand im Hochmittelalter das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Es galt als die Fortsetzung des römischen Kaiserreichs und wurde wegen der Verbindung mit der römischen Kirche heilig genannt. Es bestand bis zum Jahre 1806, als Kaiser Franz II. von Österreich die deutsche Kaiserkrone niederlegte. Der Gedanke an ein vereintes Europa in Erbfolge des römischen Reiches erwachte jedoch später wieder.

Das siebente Reich, das Hitlerreich, hatte noch keine römischen Ausmaße, obwohl sich in der Achse Berlin-Rom Ansätze zeigten. Es führte nicht zur Einigung Europas, bereitete sie aber entscheidend vor.

Inzwischen ist die Europäische Union entstanden. Sie darf – obwohl sie noch nicht ihre endgültige Gestalt erhalten hat – aus den genannten Gründen als das neuerstandene 6. Reich angesehen werden, das 8. Reich des Drachen.

Der Wiederentstehung Roms in europäischer und antichristlicher Form standen zunächst folgende Hindernisse entgegen, die noch bis zum Zweiten Weltkrieg als unüberwindlich galten:

a. Das Evangelium und biblische Maßstäbe für Sitte, Ehe und Familie. Sie prägten trotz mancherlei sündhaftem Verhaltens der Menschen die Kultur der Völker Europas und führten zum christlichen Abendland. Solange die Bibel allgemeine Richtschnur für das Leben eines Volkes ist, kann der Drache nichts ausrichten

b. Organisatorisch selbständige Nationalstaaten

c. Ein angestammtes normales Nationalbewusstsein und eine natürliche Vaterlandsliebe. Diese Hindernisse kann der Drache nur mit Hilfe der Menschen überwinden, indem er sie verführt. In der Geschichte des Abendlandes, insbesondere Deutschlands, ist die Verführungsmacht Satans deutlich erkennbar, mit deren Hilfe er die gezeigten Hindernisse angeht:

Der Drache bekämpfte das Evangelium, seitdem Paulus es nach Europa gebracht hatte. Zunächst durch blutige Verfolgung der Christen. Da dies nicht zum Erfolg führte, änderte er seine Methode. Er nahm und nimmt Einfluss auf die biblische Lehre. Insbesondere erreichte er, dass die frühe Kirche die Lehre der Heiligen Schrift über die Rechtfertigung des Sünders veränderte und durch eine unbiblische Marienlehre Jesus Christus in seiner Bedeutung zurückdrängte. Die Reformation führte auf dem Weg zum biblischen Evangelium zurück. Es ist sicherlich kein Zufall, dass in Zeiten des geistlichen Aufbruchs, die damals begannen, die Bildung eines neuen europäischen Reiches in weite Ferne gerückt war.

Bibelkritische Theologien führten sowohl zu einem anderen Evangelium als auch zu einer anderen Ethik

Der evangelisch-kirchliche Bereich war nun besonderer Verführung ausgesetzt. Bibelkritische Theologien entstanden, die sowohl zu einem anderen Evangelium als auch zu einer anderen Ethik führten.
Der Großangriff gegen die Bibel setzte durch die Zeit der Aufklärung und die damit verbundene Französische Revolution ein. Unterstützt wurde dieser Angriff von der Darwinschen Evolutionstheorie, die den Schöpfergott durch lange Zeiträume und den Zufall ersetzt. Schließlich verdrängten ideologische Vorstellungen, insbesondere die Lehren von Karl Marx, den Gott der Bibel aus dem politischen Leben. Der Mensch von heute will ohne Gott regieren. Das führt zwangsläufig zu einem Niedergang von Sitte und Moral. Erinnert sei an die staatliche Billigung der Tötung ungeborener Kinder, die Legitimierung homosexueller Betätigung und die Freigabe der Pornographie. Dies wiederum führt zum Niedergang der Familie, der durch die schöpfungswidrige Gleichstellung von Mann und Frau noch gefördert wird.

Der Staat verschließt sich zwar dem Willen Gottes, er öffnet sich jedoch dem Übersinnlichen, dem Okkulten, das aus satanischer Quelle fließt. An öffentlichen Schulen werden Schüler gezwungen, sich mit okkulten Praktiken zu beschäftigen.

So geraten bereits junge Menschen unter die Herrschaft derselben Finsternismächte, die sich im Hitlerreich entfalten konnten, wenn auch in anderer Weise. Ziel dieses okkulten Aufbruchs ist “die neue Welt”. Aber diese neue Welt ist das künftige Reich des Drachen, der jetzt bereits am Werk ist, sich seine Untertanen zuzubereiten.

Ein neues Rom, das achte Reich des Drachen, könnte nicht entstehen, wenn die europäischen Staaten eigenständig bleiben wollten. Insbesondere stünden starke, um den Vorrang streitende Länder in Europa einem wiedererstehenden römischen Reich im Wege. Die letzten beiden Weltkriege scheinen daher aus der Sicht des Drachen allein deswegen notwendig gewesen zu sein, um den beteiligten europäischen Völkern Anlass zu dem Bestreben zu geben, künftig nie mehr gegeneinander zu kämpfen, sondern fortan Freunde zu sein und vereint miteinander zu gehen. Diese Neubesinnung begann damit, dass Deutschland und Frankreich sich entschlossen, ihre alte Erbfeindschaft zu begraben.

Paneuropa – ein Vorschlag

Den Weg zur Europäischen Union bereitete bereits im Jahre 1922 der Sohn eines böhmisch-altösterreichischen Diplomaten und einer Japanerin: Richard Graf Coudenhove-Kalergi. Damals veröffentlichte er in der Neuen Freien Presse in Wien seinen ersten politischen Entwurf, den Essay ‘Paneuropa – ein Vorschlag’.
Führende Staatsmänner griffen nach dem letzten Weltkrieg die Gedanken von Coudenhove-Kalergi auf. Der Deutsche Konrad Adenauer, der Franzose Robert Schuman und der Italiener Alcide De Gasperi – sämtlich katholische Politiker – waren die drei Gründungsväter der anfänglichen europäischen Sechsergemeinschaft, die 1952 bis 1957 Schritt um Schritt geschaffen wurde. Am 25. März 1957 wurden in einer feierlichen Zeremonie die Römischen Verträge unterzeichnet – der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft. Sie traten am 1. Januar 1958 in Kraft. Das war der Anfang. Maßgeblich führte später der bayerische Altministerpräsident Alfons Goppel im Europarat die Parlamentariergruppen zu einer handlungsfähigen Gemeinschaft zusammen. Es wollte das Recht in seiner völkerverbindenden Form vom Heiligen Römischen Reich auf die demokratische Gemeinschaft europäischer Völker übertragen.

Inzwischen schritt die politische Einigung Europas fort. Im Maastrichter ‘Vertrag über die Europäische Union’ vom 7.12.92 wurde die europäische Einigung besiegelt. Dieser Vertrag trat am 1. November 1993 in Kraft. Ein vereinigtes Europa kann selbstverständlich nicht ohne gemeinsame Währung sein. Darum gibt Deutschland seine gute, stabile DM-Währung auf und verbindet sie mit den schwachen Währungen anderer Mitgliedstaaten zu Euro.

Nicht zuletzt aber gibt der deutsche Staat sich selbst als Nationalstaat auf, in dem er unser Land gegen den mehrheitlichen Willen des eigenen Volkes zum Siedlungsgebiet für fremde Völker in dem uns bekannten Maße freigegeben hat. Aus dem Nationalstaat Deutschland wird ein Vielvölkerstaat.  . . .

c. Nationales Denken steht einem vereinten Europa entgegen. Anscheinend durch den Einfluss der Medien wird heute derjenige rechtsextremer, verwerflicher Gesinnung verdächtigt, der nationale Belange vertritt. Auf diese Weise wird der Widerstand gegen den Abbau des Nationalstaates und die Europäisierung Deutschlands unterdrückt und zu paneuropäischem Denken erzogen.

Die Loslösung vom göttlichen Sittengesetz, die Vernachlässigung von Ehe und Familie sowie die neue multikulturelle und multinationale Gesellschaft führen je länger je mehr zu chaotischen Zuständen. Erinnert sei an die beständig hohe Zahl von Arbeitslosen,
an die Zulassung eines nicht abreißenden Stromes von Asylbewerbern,
an die durch die Hinnahme eines sehr hohen Ausländeranteils eingetretene Störung des inneren Friedens, die sich augenfällig in der unverhältnismäßig hohen Ausländerkriminalität und dem Einbruch des Islam zeigt,
an den durch die Lockerung des Sittenstrafrechts eingetretenen Sittenverfall,
an die Bestrebungen den Verbrauch von Drogen zu erleichtern,
an die hohe Staatsverschuldung und an anderes mehr.

Die Frage nach der neuen Weltordnung wird gestellt, aber noch nicht beantwortet

Unser Land zu regieren, wird immer schwieriger. Ist dieses Chaos gewollt?
‘Ordo ab Chao’, “Die Ordnung entspringt der Unordnung”, ist eine freimaurerische Devise. Dabei wird zwar vorgegeben, die Unordnung vorgefunden zu haben, tatsächlich aber hat die Loge durch ihren Einfluss auf den Staat das Chaos erst geschaffen.
In dem Buch “Europa als Auftrag” schreibt der Mitherausgeber Prof. Dr. Rinsche, der Mitglied des Europäischen Parlamentes ist, im Hinblick auf die Zersplitterung der Weltpolitik:
“Die Frage nach der neuen Weltordnung wird gestellt, aber noch nicht beantwortet. Es gilt, aus Chaos Ordnung zu schaffen.”

Es drängt sich der Verdacht auf, dass in Europa, insbesondre aber in Deutschland, Chaosmächten Raum gegeben wurde, damit auf den Trümmern des christlichen Abendlandes ein neues Reich entstehen kann.

Das “Tier” will mit Hilfe der Kräfte des Drachens aus dem Chaos erretten, damit es sodann als Retter angebetet werden kann (Offb 13,15). Es ist noch nicht vergessen, dass das siebente Haupt des Tieres im Jahre 1933 auch als Retter des Vaterlandes empfangen und gottähnlich verehrt wurde.

Seit dem 14. Mai 1948 ist Israel wieder ein selbständiger Staat und nicht mehr den Völkern untergeordnet.
Es ist seinem Gott aber wie vor 2000 Jahren weiterhin ungehorsam und hat seinen Messias nach wie vor nicht angenommen. Hieraus erklärt sich, dass Israel je länger je mehr unter zunehmenden Druck der Völker gerät. Die Vorgeschichte spricht dafür, dass Israel wie bei den vorausgegangenen Reichen so auch vom 8. Reich des Drachen abhängig werden wird. Die gegenwärtige politische Lage lässt diese Entwicklung bereits erahnen.
So unterstützt die EU die Bildung eines palästinensischen Staates in Gebieten, die Israel im Sechstagekrieg als sein ihm von Gott gegebenes Land zurückerobert und in denen es noch nie einen Staat Palästina gegeben hat. Außerdem erkennt die Europäische Union Jerusalem – insbesondere die Altstadt – nicht als ungeteilte Hauptstadt Israels an. Sie will einen Sonderstatus für diese Stadt.

Bei seinem zweiten Kommen wird der Herr Jesus ähnliche Verhältnisse vorfinden wie bei seiner ersten Ankunft. Israel befindet sich nach langer Zeit wieder im Land der Väter, steht jedoch wie damals unter einem gewissen Druck einer europäischen Großmacht. Damals war dies Rom.
Vor Jesu Wiederkunft wird Israel erneut von einem europäischen Reich, der Europäischen Union, in seiner Souveränität beschnitten sein, wahrscheinlich zugunsten der Palästinenser. Aus den Zwängen dieses Reiches, des Reiches des Antichristen, wird sich Israel nicht selbst befreien können. In einer Zeit größter Not wird es nach seinem Messias schreien und ihn als Retter und Erlöser erfahren und empfangen (vgl. Sach 8-10).

Die Europäische Union wird das Kernreich des Antichristen sein.

Wer die 10 Könige sein werden, die eine Zeit lang mit dem Tier (Antichrist) Macht empfangen werden, vermag ich noch nicht zu erkennen. Es werden jedoch global miteinander verbundene Machtgebilde sein, über die der Antichrist herrschen wird. Die Europäische Union aber wird das Kernreich des Antichristen sein.

6. Das neunte Reich

Das achte Reich des Drachen ist sein letztes. Wer wird es besiegen? Ein Reich das mit einem unbezwingbaren Raubtier zu vergleichen wäre?

Nein, ein Lamm wird das achte Reich und die mit ihm verbündeten 10 Könige überwinden! Ein Lamm ist Sinnbild für Schwäche, Wehrlosigkeit und Opferfähigkeit. Das ohnmächtige Lamm Gottes hat den Drachen bereits besiegt auf Golgatha. Nun muss Satan am Ende dieses Äons das Feld räumen. Ein Hauch aus dem Munde des Gottessohnes genügt. Die Macht Gottes ist stärker als alle Macht des Teufels.

Große Scharen im Himmel jubeln: Halleluja! Denn der allmächtige Gott hat sein Reich eingenommen (Offb 19,6). Selig sind, die zum Abendmahl – man wird wohl auch sagen dürfen Siegesmahl – des Lammes berufen sind.

Gerhard Becker Jg. 1930, verh. ist Mitglied im Vorstand der Bekenntnisbewegung “Kein anderes Evangelium”.

Horst Koch, Herborn

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Prophetie + Israel (Wurmbrand)

Richard Wurmbrand

BIBLISCHE PROPHETIE

– Auszug aus dem Buch ANTWORT AUF MOSKAUS BIBEL –

 

Wo immer Menschen schreiben können, verfügen sie über ein heiliges Buch. Auch die kommunistische Welt besitzt ihre “Bibel”, genannt das “Das Handbuch des Atheisten” (Sprawotschnik ateista). Es wurde erstmals 1961 von der Akademie der Wissenschaften in Moskau herausgegeben. Das Hauptziel dieses Buches besteht darin, zu beweisen, dass es angeblich keinen Gott gibt . . .

Die Autoren des »Handbuches des Atheisten« bestreiten die Möglichkeit der Prophetie. Sie weisen Prophetien »im Namen der Wissenschaft« zurück. Wie ist es dann zu erklären, daß Sir Isaac Newton, ein Wissenschaftler wie er im Buche steht, der Mann, der »der Vater der Vernunft« genannt wurde, ein Buch mit dem Titel »Betrachtungen der Prophetie« schrieb? Er lieferte die erste wirklich wissenschaftliche Chronologie der Geschichte Jesu.

Doch anstatt uns darüber auszulassen, ob Prophetie möglich ist oder nicht, wollen wir die Tatsachen analysieren. Erwiesene Tatsachen sprechen für sich. Gibt es Tatsachen, die auf die Erfüllung von Weissagungen hinweisen?

Bereits eine oberflächliche Kenntnis der Bibel enthüllt Hunderte von Prophetien, die bereits in Erfüllung gingen, und andere, die sich vor unseren Augen erfüllen.

Zunächst gibt es Weissagungen über Jesus Christus, der das Thema der Bibel ist.

In der Bibel wurde prophezeit, Christus werde ein Nachfahre Abrahams sein und zum Stamm Juda gehören.
Der Prophet Micha prophezeite sieben Jahrhunderte vor dem tatsächlichen Geschehen, Christus werde in der Stadt Bethlehem geboren werden (Micha 5, 1).
Ungefähr zur selben Zeit sprach Jesaja von Jesu Sendung und seinem Leiden und gab einen Abriß seiner Lebensgeschichte (Jesaja 9; 11; 50; 53; 61).
Der Prophet Sacharja sagte voraus, Jesus werde auf einem Esel in Jerusalem einziehen (Sach. 9, 9).
Der  41. Psalm weissagt den Verrat durch einen seiner Jünger (V. 10). Sacharja sagte, wieviel dieser Jünger für seinen Verrat erhalten und was mit dem Geld geschehen werde (Sach. 11, 12, 13).
Auch die Tatsache, daß Jesus gegeißelt und angespien wurde, war vorausgesagt worden (Jesaja 50, 6).
Ungefähr fünf Jahrhunderte vor Christus schrieb der Prophet Sacharja, die Leute würden den sehen, den sie durchstochen hätten (Sach. 10, 12).
David wies darauf hin, daß sowohl seine Hände als auch seine Füße durchbohrt werden würden (Psalm 22, 17).
Die Auferstehung Jesu wurde ebenfalls vorausgesagt.

Zugegeben, einige dieser Prophetien – wie die, Jesus werde auf einem Esel in Jerusalem einziehen, oder die Voraussage seines Ausrufes am Kreuz »Mich dürstet« (Psalm 22, 16) – können ins Lächerliche gezogen oder mit der Begründung zurückgewiesen werden, ihre »Erfüllung« sei von Jesus und seinen Nachfolgern schlichtweg arrangiert worden. Trugen die römischen Soldaten jedoch absichtlich zur Erfüllung der in einem Psalm enthaltenen Weissagung bei:
»Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand« (22, 19)?
Was wußte ein römischer Soldat über jüdische Prophetien beziehungsweise was kümmerten sie ihn? Und doch hielt jeder Chronist peinlich genau die Einzelheit fest, die Soldaten hätten bei der Kreuzigung um das Gewand Jesu gelost (Matthäus 27, 35; Markus 15, 24; Lukas 23, 34; Johannes 19, 23, 24). Johannes fügte noch hinzu, der nahtlose Rock sei zu wertvoll gewesen, um zerrissen und unter die vier Soldaten verteilt zu werden (Johannes 19, 23, 24).

Doch was ist mit dem größten Ereignis, Jesu Auferstehung von den Toten? Konnte er diese in Szene setzen?

Hätte er als großer »Betrüger«, wie ihn die Atheisten gerne nennen, es unter den wachsamen Blicken der Juden und der Römer einrichten können, am Kreuz nicht zu sterben, seine Gebeine nicht wie die der Diebe brechen zu lassen (Johannes 19, 32, 33) – in Erfüllung einer weiteren eindeutigen Prophetie (2. Mose 12, 46) – und nicht in dem versiegelten, bewachten Grab umzukommen? Und selbst wenn ihm soweit alles gelungen wäre, hätte er von seinen verängstigten, feigen Jüngern erwarten können, eine Schar Soldaten zu überwältigen, den versiegelten Stein wegzurollen und ihn ungehindert zu befreien? Es ist undenkbar.

Mommsen, ein in der römischen Geschichte bewanderter Historiker, bezeichnet die Auferstehung des Erlösers als die am besten belegte Tatsache der römischen Geschichte. Sie konnte kaum von Menschen inszeniert worden sein. Sie war die Erfüllung einer Prophetie.

Prophetien über das jüdische Volk

»Keine Prophetie«, sagen sie. Diejenigen, die wir Propheten nennen würden, seien lediglich intelligente Menschen und daher in der Lage gewesen, Ereignisse vorauszusagen.

Laut dem »Handbuch des Atheisten« waren die intelligentesten Genies der Menschheit Marx, Engels, Lenin und andere wie sie. Sie vertraten den historischen Materialismus, den das »Handbuch des Atheisten« als die größte Voraussetzung zum Verständnis politischer und sozialer Ereignisse betrachtet.

Marx schrieb ein Buch mit dem Titel »Die jüdische Frage«. Er hatte offensichtlich das Potential, mit dem der historische Materialismus einen Denker ausrüstet. Wie konnte er, der er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte, nicht wissen, daß die Juden, die unter die Völker verstreut waren, in ihr Land zurückkehren und einen eigenen Staat gründen würden?

Lenin lebte im 20. Jahrhundert. Die zionistische Bewegung bestand bereits und wurde immer stärker. Er, das große Genie der Menschheit, betrachtete es weder als wahrscheinlich, daß sich die Juden in ihrem eigenen Land vereinigen würden, noch erwähnte er, der aufmerksame, mit der mächtigen Waffe des historischen Materialismus ausgestattete Beobachter des politischen Lebens, die Zionisten auch nur mit einem Wort. Er nahm weder Notiz von dieser Bewegung noch erwartete er ihren Triumph.

Stalin verfaßte ein Buch mit dem Titel »Marxismus und nationale Frage« . In diesem Buch, das vor dem Ersten Weltkrieg geschrieben wurde, anerkannte er, den die Atheisten einst als das größte Genie der Menschheit bezeichneten, die Juden nicht einmal als eine Nation, weil das jüdische Volk nicht zu seiner Definition einer Nation paßte.

Doch das jüdische Volk kümmerte sich in seiner Entwicklung weder um den Antisemitismus in dem Buch von Marx noch um die Tatsache, daß es in Stalins Buch übergangen worden war. Die Juden gründeten einen Staat und erfüllten damit die Voraussage eines ganz anderen Buches – des von Atheisten am meisten verachteten Buches -, der Bibel (Hesekiel 37).

Friedrich der Große, König von Preußen, bat einmal seinen Kaplan: »Gib mir einen sicheren Beweis für die Inspiration der Heiligen Schrift!« Der Geistliche gab zur Antwort: »Es ist der Jude, Eure Majestät.« Die Juden und ihre wundersame Geschichte sind ein weiterer Beweis für die Wahrheit der biblischen Prophetie.

Seltsamerweise sind etliche der Autoren des »Handbuches des Atheisten« Juden, die damit die biblische Prophetie erfüllen, einige Juden würden ein Fluch für alle Völker werden (Jeremia 29, 18). Es gibt jedoch auch Juden, die den Atheismus bekämpfen, das Wissen um Gott in alle Welt tragen und damit eine Prophetie in derselben Bibel erfüllen, die besagt, ein Überrest von Juden in Israel werde sich in den letzten Tagen ihrem Erlöser Jesus Christus zuwenden und ein großer Segen sein.

Die Prophezeiungen über die Juden beginnen vor rund 4500 Jahren mit einer Verheißung an den ersten Juden, Abraham. Sie lautet: »Ich will dich zum großen Volk machen« (1. Mose 12, 2).

Die christliche Welt trägt den Namen eines Juden, Jesu Christi.
Das kommunistische Lager trägt den Namen eines anderen Juden, den von Marx.
Das Universum als Ganzes trägt den Namen eines weiteren Juden, den Einsteins.
Über 60 Prozent der Nobelpreisträger sind Juden, unter ihnen der sowjetische Schriftsteller Boris Pasternak.
Juden – Männer wie Trotzki, Sinowjew und Kamenew – spielten in der Oktoberrevolution eine außerordentlich große Rolle. Lenin war Halbjude.
Juden spielen heute im Kampf gegen die Regierung in der Sowjetunion eine große Rolle. Litwinow, der Schriftsteller Daniel, Levitin Krasnow und andere Freiheitskämpfer, die im Gefängnis waren, sind Juden.
Juden sind am wirtschaftlichen und politischen Leben der Vereinigten Staaten und vieler anderer Länder aktiv beteiligt.
In vielen westlichen Ländern sind sie in Regierungspositionen.
Der Jude Teller wird »der Vater der Wasserstoffbombe« genannt.
Dr. Sale Harrison schreibt in seinem Buch »The Remarkable Jew« (Der bemerkenswerte Jude): »Niemand wird bezweifeln, daß die Juden heute die Geldkassen der Welt verwalten. Wo immer sie hinkamen, wurden sie zu Zauberern der Finanzen.«

Basil Mowll sagt in seinem Buch: »Bible Light in Present Events« (Biblisches Licht in Ereignissen der Gegenwart): »Eine vorsichtige Schätzung der Universitätsprofessoren Westeuropas vor dem Ersten Weltkrieg, ausgenommen Großbritannien, ergab, daß über 70 Prozent jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens waren.«

Hebräisch ist die einzige alte Sprache, die man wiederaufleben ließ und die heute in Israel fließend gesprochen wird. Dies war bei der lateinischen, altgriechischen, slawonischen, irischen und walisischen Sprache nicht der Fall.

So wurde die Prophetie erfüllt. Ein kleiner Beduinenstamm wurde eine große Nation – groß in jeder Hinsicht, im guten wie im bösen. Sogar Jaroslawskij, der Gründer der Internationalen Gesellschaft der Gottlosen und deren Leiter, war Jude.

Die Prophetie sagt weiter: »Du sollst ein Segen sein« (1. Mose 12, 2). Wer auch immer sich durch den Kommunismus gesegnet fühlt, verdankt dies dem Juden Marx. Wer sich durch den Kapitalismus gesegnet fühlt, verdankt dies den Juden, die zur Schaffung dieses Systems beitrugen. Wer vom Christentum gesegnet ist, verdankt dies einem Juden, Jesus.

Das Wort Gottes lautet im selben Kapitel weiter: »Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen« (1. Mose 12, 3). Es ist eine Tatsache, daß die Geschichte die Freunde der Juden bevorzugt hat.
Als die Spanier die Juden vertrieben (1492), ging die Sonne ihres Weltreiches unter.
Das zaristische Bußland verfolgte die Juden und bekam seinen Lohn dafür.
So verhielt es sich auch mit dem nationalsozialistischen Deutschland. Länder, in denen die Juden frei sind, genießen selbst die Freiheit.

Lange Zeit nach Abraham gab es Weissagungen, denenzufolge die Juden unter alle Völker zerstreut würden (5. Mose 4, 27). Heute gibt es drei zerstreute Rassen: die Zigeuner, die Armenier und die Juden, doch die Juden sind am weitesten zerstreut. In nur wenigen Ländern gibt es keine Juden.

Jesus sagte die Zerstörung Jerusalems voraus, die im Jahre 70 n. Chr. stattfand (Matth. 24, 2, 15).
Der Prophet Hosea (9,17) sagte voraus: »Mein Gott wird sie verwerfen, darum daß sie ihn nicht hören wollen; und sie müssen unter den Heiden in der Irre gehen«, was tatsächlich mit ihnen geschah.
Im 5. Buch Mose 28, 37 steht: »Und wirst ein Scheusal und ein Sprichwort und Spott sein unter allen Völkern, dahin dich der Herr getrieben hat.« Auch dies widerfuhr ihnen.

Doch auch die Rückkehr der Juden nach Palästina war vorausgesagt, und dies spielte sich vor unseren Augen ab. Das Volk der Bibel, das mit bangem Herzen umherirrte, erhielt sein Vaterland zurück (Hesekiel 36, 24).

Die Bibel sagt wiederholt, Gott habe die Juden zu einem einzigartigen Volk bestimmt – und das sind sie wirklich (z. B. 5. Mose 7, 6; 14, 2).

Die Herkunft anderer Völker ist in Legenden und Mythen gehüllt. Wer kann sagen, wer der erste Russe, der erste Deutsche oder Türke war? Fragen Sie irgendeinen Juden, wer der erste Jude gewesen sei, und er wird Ihnen ohne Zögern antworten: »Abraham.«

Die Juden sind als Zeugen für die Verläßlichkeit des Bibelberichts einzigartig.
Einzigartig ist ihre Zerstreuung unter alle Völker, und ebenso einzigartig ist ihre Entwicklung.
Die Juden machen nur ungefähr ein halbes Prozent der Weltbevölkerung aus; doch wie unverhältnismäßig groß sind dagegen ihre Leiden, aber auch ihre Befreiung und Rückkehr in ihr Land.
Sie sind aufgrund der Tatsache einzigartig, daß ihre ganze Geschichte vorausgesagt wurde. Gott sprach durch Mose: »Euch aber will ich unter die Heiden streuen, und das Schwert ausziehen hinter euch her, daß euer Land soll wüst sein und eure Städte zerstört« (3. Mose 26, 33); »Und der Herr wird euch zerstreuen unter die Völker, und wird euer ein geringer Haufe übrig sein unter den Heiden, dahin euch der Herr treiben wird« (5. Mose 4, 27).

Später sagt eine weitere Prophetie die Sammlung des zerstreuten Volkes Israel voraus: »Denn ich will euch aus den Heiden holen und euch aus allen Landen versammeln und wieder in euer Land führen« (Hesekiel 36, 24).

Die Juden sind auch insofern einzigartig, als sie auch während der Zeit der Zerstreuung in alle Welt von anderen getrennt lebten. Wo immer man einen Juden findet, ist er ein Jude. Er ist kein jüdischer Russe, sondern ein russischer Jude. Die Juden bleiben Juden, obwohl sie keine geballte Macht und keine weltweite Regierung haben.

Sie sind das einzige Volk, das durch außerordentliche Leiden nicht zerstört werden konnte. Ägyptische Pharaonen, assyrische Könige, römische Kaiser, die Kreuzfahrer, Inquisitoren und Nationalsozialisten setzten sie der Ausbürgerung, dem Exil, der Gefangenschaft, Beschlagnahme, Folter und dem Massaker von Millionen Volksangehörigen aus – was jedem anderen Volk das Herz gebrochen hätte -, doch die Juden überlebten.

Gott verhieß, er werde die Vertriebenen Israels sammeln und die Zerstreuten Judas von allen vier Enden der Welt wieder zusammenführen (Jesaja 11, 12). Dies war von Jesaja vorausgesagt worden, der etwa 700 Jahre vor Christus und rund 800 Jahre vor der Zerstörung Jerusalems und der darauffolgenden Zerstreuung der Juden lebte. Wie konnte er wissen, daß die Juden zerstreut und dann aus allen Kontinenten wieder zusammengeführt werden würden?

Sehr wenige Juden, die nach Israel zurückkehrten, sind religiös. Die meisten von ihnen kennen die Heilige Schrift und die Prophetie nicht, und nur die wenigen, die sie kennen, glauben daran. Und dennoch werden sie zurückgeführt. Sie mögen es blinden Instinkt nennen, so wie es die Vögel im Herbst in den Süden zieht, aber es ist die Kraft Gottes, die sie treibt, damit sein Wort erfüllt werde.

In einer anderen wichtigen Prophetie über die Rückkehr der Juden nach Palästina werden zwei Arten ihrer Rückführung genannt (Jeremia 16, 14-16).

Gott werde »Fischer« senden, die sie »fischen« würden; und die zionistische Bewegung »fischte« tatsächlich Tausende von Juden mit dem Köder einer eigenen nationalen Heimat.

In demselben Vers heißt es auch, Gott werde viele »Jäger« senden, die die Juden »jagen« würden. Der Antisemitismus in der ganzen Welt, vor allem der Hitlers, »jagte« die Juden und trieb sie in Richtung Palästina.

Eine weitere verblüffende Prophetie über die Juden betrifft die Zuwendung des Überrestes des Volkes Israel zu Christus in der Endzeit. Auch das beginnt sich heute zu erfüllen.

Lassen Sie mich hier kurz darauf hinweisen, daß auch die Kommunisten Prophezeiungen machten, diese aber nicht in Erfüllung gingen.
Engels prophezeite in einem Brief an Sorge vom 10. September 1888, innerhalb von zehn Jahren werde Kanada von den Vereinigten Staaten annektiert werden. Ein Jahrhundert ist vergangen, doch es gibt keine Anzeichen für eine derartige Möglichkeit.
Genosse Chruschtschow prophezeite im Jahre 1958, Rußland werde innerhalb von fünf Jahren den Lebensstandard der Vereinigten Staaten erreichen und übersteigen. Seither sind weit mehr als fünf Jahre vergangen, und die Sowjetunion importiert immer noch Weizen aus Amerika! Menschen, die nicht eigens von Gott dazu befähigt werden, können die nahe und die ferne Zukunft nicht voraussagen.
Unsere atheistischen Freunde prophezeiten die ewige Solidarität zwischen den kommunistischen Nationen, und nun sehen wir nichts als Streitereien unter ihnen.
Die im Wort Gottes verbürgte verläßliche Prophetie ist ausschließliches Vorrecht des Geistes Gottes. 

Prophetien über die letzten Tage

Das »Handbuch des Atheisten« lehnt die Prophetie mit folgenden Worten ab: »Zahlreiche biblische Prophetien wurden erst nach dem Eintreffen der vorausgesagten Ereignisse gemacht. Die betreffenden Texte sind der Bibel nachträglich beigefügt worden, nachdem die jeweiligen Ereignisse schon eingetreten waren.«

Erwarten unsere atheistischen Freunde wirklich, daß wir glauben, der Sieg Israels in der Geschichte, die zionistische Flagge auf Hitlers Haus in Nürnberg und die Wiederherstellung des jüdischen Staates – alles Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts – seien erst kürzlich der Bibel beigefügt worden?
Bezeugen nicht die Schriftrollen vom Toten Meer aus dem ersten Jahrhundert vor Christus das hohe Alter der Prophetien?
Enthalten nicht Manuskripte des Neuen Testaments, die auf eine atomare Zerstörung hinweisende Voraussage des Fischers Petrus, die Elemente würden infolge großer Hitze schmelzen (2. Petrus 3, 10)?

Weltkriege waren vor 3000 Jahren nicht möglich, da es zwischen den Kontinenten keine oder nur eine sehr primitive Verbindung gab.

Doch der Prophet Jeremia, der etwa 600 Jahre vor Christus lebte, sagte Weltkriege voraus. Er wußte nicht um die Existenz Amerikas, Australiens oder Japans, aber er schrieb:
»…denn ich rufe das Schwert herbei über alle, die auf Erden wohnen . . .  Er wird singen ein Lied . . . über alle Einwohner des Landes, des Hall erschallen wird bis an der Welt Ende. . . . Es wird eine Plage kommen von einem Volk zum andern . . . Da werden die Erschlagenen des Herrn zu derselben Zeit liegen von einem Ende der Erde bis ans andere Ende« (Jeremia 25, 29-33).

Diese Voraussage wurde 26 Jahrhunderte später erfüllt. Tausende von Menschen kamen in einem Krieg um, der sich von Japan über Rußland bis nach Frankreich erstreckte, einem Krieg, in dem Amerikaner, Japaner, Deutsche, Juden und viele mehr starben. Solche Geschehnisse sind Vorzeichen für den nächsten Weltbrand.

Jesus sagte über die letzten Tage: »Es wird alsdann eine große Trübsal sein, wie nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher und wie auch nicht werden wird« (Matth. 24, 21).
Und so ist es. In der Geschichte der Menschheit gab es noch nie so schwere Trübsale wie die der Öfen und Gaskammern der Nazis und die der Massenmorde Stalins oder Mao Tse-tungs.

Als Christus sagte: »Wo diese Tage nicht würden verkürzt, so würde kein Mensch selig« (Matth. 24, 22), gab es noch keine Vernichtungsmethoden, die alle Menschen gefährden konnten. Niemand konnte die Existenz der ganzen Menschheit gefährden. Heute sind die Mittel zur allgemeinen Zerstörung verfügbar.

Doch warum sollen wir so weit ausholen. Der Kommunismus selbst ist die Erfüllung einer Prophetie. Er gleicht dem Antichristen, der in der Heiligen Schrift angekündigt wird:
»Es wurde ihm gegeben zu streiten mit den Heiligen und sie zu überwinden, und es wurde ihm Macht über alle Geschlechter, Sprachen und Nationen gegeben« (Offenbarung 13, 7).

Ein anderer Prophet hat Mächte wie die des Kommunismus beschrieben:
»…, welcher seinen Rachen aufsperrt wie die Hölle und ist gerade wie der Tod, der nicht zu sättigen ist, sondern rafft zu sich alle Heiden und sammelt zu sich alle Völker« (Habakuk 2, 5).

Wir Christen halten diesen Ehrgeiz für unvernünftig. War Stalin glücklich, als er einer Milliarde Menschen seinen Willen aufgezwungen hatte und als das größte Genie gefeiert wurde? Seine Frau beging Selbstmord. Er sperrte Mitglieder seiner eigenen Familie ins Gefängnis. Er hatte zu niemandem Vertrauen, nicht einmal zu seinen besten Genossen, und das zu Recht. Seine engsten Mitarbeiter warteten auf seinen Tod, um ihn als Verbrecher zu brandmarken. Chruschtschow sagte, Stalin habe einmal ausgerufen: »Ich habe nicht einmal zu mir selbst Vertrauen!«

Es gibt eine Geschichte über einen reichen Mann, der sehr krank war. Man sagte ihm, er werde nur dann wieder genesen, wenn er das Hemd eines glücklichen Menschen trage. Daraufhin sandte er seine Diener, einen glücklichen Menschen zu finden und dessen Hemd um jeden Preis zu kaufen. Doch die Diener konnten keinen glücklichen Menschen ausfindig machen. Jeder beneidete den anderen um sein Glück, begehrte mehr, als er hatte, oder war von unerreichbarem Ehrgeiz erfüllt. Nach langem Suchen fanden sie endlich einen Holzfäller mit entblößtem Oberkörper, der seine schwere Arbeit fröhlich tat und dazu sang. Sie fragten ihn: »Bist du glücklich?« Seine Antwort war: »Vollkommen.« Da boten sie ihm für sein Hemd viel Geld an, doch leider hatte er keines.

Das Glück besteht nicht im Beherrschen der Welt, sondern im Einssein mit Gott. Unsere kommunistischen Freunde kennen dieses Geheimnis nicht. Deshalb haben sie weitgesteckte Ambitionen, sind jedoch nie befriedigt und entfernen sich immer weiter von der Utopie, die sie herbeizuführen behaupten.

Unsere atheistischen Freunde beklagen sich oft über den langsamen Fortschritt ihrer Sache in der Sowjetunion. Wir können ihnen versichern: sie werden Erfolg haben! Der Antichrist, dem sie den Weg bereiten, wird die Welt beherrschen. Der Kommunismus wird, geschichtlich gesehen, für eine kurze Weile triumphieren.

Doch am Ende wird Jesus zurückkommen. Seine Füße werden auf dem Ölberg in Israel stehen (Sacharja 14, 4). Die Bibel sagt: »Es werden ihn sehen alle Augen« (Offenbarung 1, 7).
Auch das muß unverständlich gewesen sein, als der Evangelist Johannes es niederschrieb. Wie konnte jemand in Spanien oder Nordafrika Jesus vom Ölberg zum Himmel auffahren sehen, und wie wird er ihn wieder dorthin zurückkommen sehen?

Nun, das Fernsehen beweist die Richtigkeit dieser biblischen Prophetie. Die ganze Welt kann die Olympischen Spiele miterleben. Die ganze Welt wird auch Zeuge der Wiederkunft Jesu sein.

Dann werden sich »im Namen Jesu die Knie all derer beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen werden bekennen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters« (Philipper 2, 10).

Nach der Wiederkunft Jesu Christi auf die Erde wird der gesegnete Tag anbrechen, an dem alle Macht in seinen Händen liegen wird, und unter seiner vollkommenen Herrschaft wird unser armer Planet seine Sünden und Sorgen los sein (Jesaja 11).

Zuvor werden wir durch schreckliche Katastrophen gehen müssen. Unter den Zeichen des nahenden Unheils befinden sich die vielen Friedens- und Abrüstungskonferenzen, die in der Bibel ebenfalls vorausgesagt werden:
»Wenn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, – so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen« (1. Thessalonicher 5, 3).

Als der Apostel Paulus diese Prophezeiung niederschrieb, hatten die Menschen keine Möglichkeit, eine blitzartige Zerstörung über die Erde kommen zu lassen. Sie konnte nicht mit Schwertern oder Speeren durchgeführt werden. Heute besitzen Nationen Atomwaffen.

In unseren Tagen wird die Prophetie außerordentlich wichtig. Jesus hatte vorausgesagt, die Heiden würden Jerusalem beherrschen,
»bis daß der Heiden Zeit erfüllt wird« (Luk. 21, 24).
Die Tatsache, daß die Juden im Jahre 1967 die Herrschaft über Jerusalem und Palästina wiedergewannen, könnte ein erstes Anzeichen dafür sein, daß die Zeit der Heiden – das heißt die Zeit, in der die Heiden (die Nichtjuden) sich der Gemeinde Christi anschließen und für die Ewigkeit gerettet werden können – nahe gekommen ist. Es ist von größter Wichtigkeit, daß die Menschen an Christus glauben und zu ihm kommen, solange noch Zeit ist. Die Verbreitung von Zweifeln bezüglich der Gültigkeit und Existenz der Prophetie durch das »Handbuch des Atheisten« ist gerade in dieser Zeit ein teuflischer Kunstgriff.

Dadurch ist dieses Buch selbst eine tragische Erfüllung einer biblischen Prophetie: »Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden« (1. Korinther 1, 18).

Unsere atheistischen Gegner besuchen oft orthodoxe Kirchen, um ihren Tätigkeitsbereich kennenzulernen. Manchmal sprechen sie dort ein stilles Gebet und fühlen sich von der Heiligkeit des Ortes überwältigt.

Dort hören sie alte Lieder, wie »Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnaden; der Herr ist mit dir.« Wenn sie die biblischen Prophezeiungen kennen würden, wüßten sie, daß der Evangelist Lukas im Loblied der Maria nach der Empfängnis Jesu die Worte vermerkte: »Von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder« (Luk. 1, 48).

Christen zweifeln nicht an den Prophetien, weil sie viele davon auf sich und ihr Leben anwenden können.  . . .

Richard Wurmbrand

Zusammengestellt von Horst Koch, Herborn, im März 2006

 Weitere ergänzende Themen:

Israel in der Erfüllungszeit – Dr. Kurt Koch
Das Wunder Israel – Dr. Adolf Köberle
Abraham und die Erwählung Israels – David Jaffin
Die Heilsgeschichte Israels  –  Erich Sauer
Okkultes Judentum – Wolfgang Borowsky
Karl Marx und Satan – R. Wurmbrand
Jerusalem und die Al Aksa Moschee – Nowitzky

Siehe unter:

www.horst-koch.de
info@horst-koch.de
 

Der Beitrag über Prophetie ist dem Buch Antwort auf Moskaus Bibel von Pfr. Richard Wurmbrand entnommen. Der deutsch-rumänische Judenchrist Wurmbrand war in den ersten Jahren seiner Jugend ein Verfechter des atheistischen Sozialismus und hat von daher genaue Kenntnisse über die Philosophie des Kommunismus. Nach seiner Hinwendung zu Christus setzte er sich intensiv mit dieser Form des Atheismus auseinander.


Das Handbuch des Atheisten
wurde 1961 von der Akademie der Wissenschaften in Moskau herausgegeben und in viele Sprachen übersetzt. Das Hauptziel des Buches besteht darin, zu beweisen, daß es angeblich keinen Gott gibt.
 
Pfarrer Wurmbrand wurde seines christlichen Bekenntnisses wegen 14 Jahre in rumänischen Gefängnissen inhaftiert und 1965 entlassen. Bücher über diese Zeit:  Gefoltert für Christus  und  In Gottes Untergrund.  Evtl. bei: amazon.de
 
 



Beten Muslime u.Christen zum gleichen Gott?(Al-Masih)

Beten Muslime und Christen zum gleichen Gott?

Von Abd Al-Masih 

 

Die Anbetung Allahs

Wer immer einen bewußten Muslim beobachtet, kann sehen, daß er fünfmal am Tag je fünfzehn bis zwanzig Minuten lang betet. Das ist eine Herausforderung des Islams an die Christen. Wenn wir nicht lernen, intensiver und mit einer treueren Disziplin zu beten, wird der Islam uns unterwandern und aufsaugen.

Ein Muslim wirft sich vor Allah im Lauf seiner fünf Gebetszeiten bis zu 34 mal am Tag zu Boden, um mit seiner Anbetung seine völlige Auslieferung an den Schöpfer, Herrscher und Richter der Welten zu bekunden. »Islam« heißt in Arabisch Auslieferung, Hingabe und Unterwerfung. Ein Muslim ist kein freier Mensch mehr. Er hat sich an Allah ausgeliefert und ist wie ein Sklave an ihn gebunden. Hier liegt eine andere Herausforderung an die Christen, ob sie ihre einmalige Hingabe an Jesus Christus bewußt leben oder ob sie sich »außerhalb von ihm« befinden und anderen Kraftquellen den Vorzug geben.

Der Islam – eine Werkgerechtigkeit

Wir wollen das Gebet der Muslime nicht idealisieren, denn es ist kein freies, noch ein freiwilliges Gebet, sondern eine Pflicht ihres Gesetzes. Wer betet, wird von Allah beschützt und hat Erfolg. Wer nicht betet, steht in Gefahr sich zu verirren. Jedes Gebet bedeutet im Islam ein gutes Werk das eine böse Tat auslöscht (Sure 11, 114). Zu Muhammad kam ein Mann und sagte: »Ich habe gesündigt! Was soll ich tun?« Muhammad antwortete ihm: »Bete dreimal!« der Mann antwortete: »Muhammad, ich habe die Ehe gebrochen!« Der Prophet aber sagte: »Bete dreimal!« Darauf erwiderte der Betroffene: »Ich habe wirklich die Ehe gebrochen!« Worauf Muhammad ihm wieder sagte: »Bete dreimal, auch wenn du Abu Dhal (der Verlorene) heißt!« Wer also dreimal betet, kann auf seinem Konto im Himmel einen Ehebruch löschen oder Pluspunkte sammeln. Der Islam ist letztlich eine Werkgerechtigkeit. Muhammad schreibt dazu im Koran »Wahrlich, jene die das Buch Allahs (den Koran) rezitieren und das Gebet durchführen und von dem offen oder geheim spenden, was wir ihnen gegeben haben, erhoffen einen Handel (Geschäft), das sie nie bereuen werden, denn er (Allah) wird ihnen ihre Löhne voll auszahlen und von seinem Überfluß dazulegen (Sure 35, 29-30).

Allah – der ganz Andere

Allah, der allmächtige Schöpfer, Herr und Richter, erscheint im Koran als Gesetzgeber und Kaufmann, der von den 1,2 Milliarden Muslimen täglich in den fünf Gebetszeiten angebetet wird. Wer allerdings einen Muslim fragt: »Wer ist denn Dein Allah?« kann lächelnd zur Antwort bekommen: »Allah ist größer« (allahu akbar)! Das ist die Kurzform des islamischen Glaubensbekenntnisses. Allah ist nicht nur groß, auch nicht nur der Größte, noch vergleichbar mit anderen. Nein, er ist der ganz Andere, ein ferner und unerreichbarer Gott. Er ist größer, stärker, schöner, reicher und klüger als alles, was wir kennen. Jeder Gedanke über Allah bleibt mangelhaft und ist letztlich falsch. Er kann nicht gedacht, erreicht oder definiert werden. Vielmehr denkt er uns, umfaßt uns und bestimmt unser Dasein im Voraus. Er leitet welche er will und verführt welche er will (Suren 6, 39; 13,27; 14,4;16,93; 35,8; 71,31). Er ist kein persönlicher Gott. Er steht außerhalb aller Emotionen und Begriffe.

Der Volksislam hat sich mit diesem abstrakten Gottesverständnis nicht abgefunden und von den fünfhundert Eigenschaften und Namen Allahs im Koran 99 seiner schönsten Namen ausgesucht, die zum Klicken der Gebetskette mit ihren 3×33 Perlen als gutes Werk herabgeleiert werden. Al-Ghazali, einer der bedeutendsten Islamtheologen, hat diese 99 Namen exegesiert und miteinander verglichen. Er fand, daß mehrere dieser Schlüsselbegriffe sich überlappen oder gegenseitig aufheben und kam zu dem Ergebnis: »Allah ist alles und nichts! Wir können ihn mit unserem Verstand nicht begreifen, nur anbeten!«

Christen können von den Muslimen Gottesfurcht und einen tiefen Respekt vor dem Allmächtigen lernen. Sie meinen in ihrer Ehrfurcht den wahren Gott anzubeten, der die Gebete ihres Stammvaters Ismael erhört hat (1 Mo 21,17-21). Auch die Gebete eines Abraham oder des Kornelius können in diesem Zusammenhang bedacht werden (Apg 1,11-48).

Allah – keine Dreieinigkeit

Wer Muslime achtet und liebt, kann schnell erkennen, daß der Koran vehement gegen die Heilige Dreieinigkeit ins Feld zieht. Das kommt unter anderem daher, daß eine christliche Sekte im Nahen Osten zur Zeit Muhammads behauptete, die Dreieinigkeit bestehe aus Vater, Mutter und Sohn (Allah, Maria und Jesus; Sure 5,116)! Alle Kirchen lehnen diese Verirrung ab. Doch viele Muslime denken, daß die Christen glauben, Allah hätte mit Maria geschlafen und von ihr Jesus gezeugt. Wegen dieser Lästerung wird die Heilige Dreieinigkeit im Islam abgelehnt (Suren 4,171 und 5,73).

Allah – kein Vater

Aus demselben Grund erscheint es vielen Muslimen als Blasphemie, wenn wir Gott einen Vater nennen. Damit scheiden sie sich willentlich oder unbewußt von der zentralen Offenbarung Jesu Christi, der uns beten lehrte: »Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Vatername!« Jesus redete nach den vier Evangelien 178 mal vom Vater und nur 99 mal von Gott. Er hat uns den nahen, den persönlichen Gott geoffenbart, der sich in der rechtlichen Form der Liebe als »unser Vater« auf ewig an seine Kinder gebunden hat. Dieser neutestamentliche Gottesbegriff ist die theologische Antwort Jesu auch auf das Gottesverständnis im Islam. Christen haben etwas, was Muslime nicht besitzen. Sie haben einen persönlichen Kontakt zu Gott, ihrem Vater, der sie kennt, für sie sorgt und sie liebt, wo immer sie sind. Muslime haben keinen direkten Draht zu Allah. Sie bleiben immer Sklaven des Allesbeherrschenden und können sich nie als seine Kinder verstehen. 
 

Allah – kein Sohn

Der Koran lehnt 17 mal die Gottessohnschaft Jesu Christi strikt ab. Dabei glauben alle Muslime an Isa, den Sohn der Maria, den Propheten und Gesandten Allahs. Sie akzeptieren seine Geburt von der Jungfrau Maria, ohne Zutun eines Mannes, allein durch Gottes Wort in ihr geschaffen. Das ist ein Erbe aus den christologischen Streitigkeiten des Arius und Athanasius (im 4. Jahrhundert n. Chr.). Damit wird Christus im Islam als von Gott geschaffen, niemals aber von ihm gezeugt oder geboren verstanden. Mit diesem Bekenntnis stellen sich die Muslime in mehrfacher Hinsicht gegen das nizänische Glaubensbekenntnis aller Kirchen. Die Nachfolger Muhammads lehnen die Gottheit Jesu Christi in jeder Form ab, glauben jedoch an seine Heilungswunder, an die Auferweckung von mindestens drei Toten durch sein Wort, an eine Art der Speisung von 5000 in der Wüste, an die Weiterentwicklung des Gesetzes Mose durch den Sohn der Maria und an seine Fähigkeit, seine Nachfolger in Demut und Barmherzigkeit zu erneuern. Muslime glauben des weiteren an die Himmelfahrt Jesu und seine Existenz bei Allah. Sie lehnen jedoch radikal seine Gottessohnschaft und die Geschichtstatsache seiner Kreuzigung ab.

Damit stellen sich die Muslime außerhalb des auch für sie vollendeten Heils und verwerfen die Vergebung ihrer Sünden vor dem Jüngsten Gericht. Sie hoffen ihre eigene Gerechtigkeit ohne den Gekreuzigten aufzubauen. Das Wort »Heil« oder »Heiland« steht nicht im Koran geschrieben und paßt nicht in das Denken der Muslime hinein.

Allah – kein Heiliger Geist

Der Islam lehnt auch die Gottheit des Heiligen Geistes ab und bezeichnet ihn häufig als den Engel Gabriel. Im Islam gibt es keinen Heiligen Geist im Sinne des Neuen Testaments. Der Geist Allahs erscheint im Koran 29 mal als ein geschaffener Geist, ähnlich den Engeln und den Dämonen, und steht als Sklave Allahs unter seiner Befehlsgewalt.

Deshalb kann es im Islam auch keine Erkenntnis des Vaters und des Sohnes geben, da es der Heilige Geist ist, der in uns diese Erkenntnis schafft. Im Islam wachsen auch keine Früchte des Heiligen Geistes, nur Früchte des Fleisches. Natürliche Frömmigkeit und Religiosität hat wenig oder nichts mit dem Wirken des Geistes Christi zu tun. Dazu kommt, daß der Muslim keine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens kennt. Auf alle diesbezüglichen Fragen antwortet er mit »vielleicht« oder »wenn Allah will« oder »ein wenig«. Wer sich ernsthaft mit dem Islam befaßt, erkennt schnell, daß Allah im Koran kein Vater, kein Sohn und kein Heiliger Geist ist, noch sein kann. Allah ist keine Heilige Dreieinigkeit. Er ist ein völlig anderer Geist als unser Gott.

Wer ist Allah im Islam in Wirklichkeit?

Wir müssen uns von dem oberflächlichen Denken der Aufklärung und des Humanismus lösen und das Märchen von den drei abrahamitischen Religionen, die an denselben Gott glauben, überwinden.

Allah – ein antibiblischer Geist

60 Prozent des Korans stammen aus dem Alten Testament, das Muhammad nicht lesen konnte, weil es noch nicht ins Arabische übersetzt war. Deshalb begegnen uns im Koran mündliche Überlieferungen aus der Mischna und dem Talmud in arabisierter und islamischer Form. Etwa fünf Prozent der Texte des Korans stammen aus dem Neuen Testament, dessen Texte ebenfalls noch nicht in arabisch vorlagen, weshalb oft apokryphische Texte arabisiert und islamisch verdreht im Koran auftauchen. Muhammad war nicht bereit, seine sogenannten Offenbarungen von ihm gut gesinnten Juden oder Christen korrigieren zu lassen. Vielmehr machte er seine Eingebungen zum Maßstab für die Wahrheit. Alles was mit dem arabischen Text des Korans nicht übereinstimmt, gilt als Fälschung von ursprünglich verbal inspirierten Texten der Bibel. Die Mehrheit der Muslime ist überzeugt, daß die Juden die Bibel zur Irreführung Muhammads gefälscht haben und daß die Christen den Namen des verheißenen Muhammads aus den Evangelien entfernten.

Den Muslimen liegen solche Verdächtigungen nahe, weil ihr Koran in sieben verschiedenen Lesarten vorgetragen werden kann, die sieben Varianten des Inhalts anbieten. Außerdem wurden etwa 240 Verse des Koran durch spätere Offenbarungen Allahs aufgehoben. Die alten und die neuen Verse stehen jedoch noch gleichberechtigt nebeneinander im Koran. Im Islam gibt es keinen Geist der Wahrheit. Lüge und Betrug sind im Umgang mit Nicht-Muslimen legal erlaubt. Nicht umsonst steht im Koran »Sie (die Juden) waren listig und Allah war listig und Allah ist der Listigste von allen!« (Suren 3,54 und 8,30). Die Übersetzungen des Korans beschönigen meistens solche Verse, die aber im Arabischen so lauten. Dialogbereite Christen sollten sich vor einem Gespräch mit Muslimen gründlich vorbereiten, sonst werden sie hereingelegt. Muhammad sagte mehrere Male: »Der heilige Krieg ist (nichts als) Betrug (und List)!« Luther aber sang: »Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist!«

Allah – ein antichristlicher Geist

Allah im Islam lehnt den Sohn Gottes und seine Kreuzigung konsequent ab. Der Text in 1. Joh 2,21-23 und 4,1-4 gibt uns die geistliche Regel zur Unterscheidung der Geister:

Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater. Ihr Lieben, glaubt nicht einem jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, daß er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt.

Wir sollten diese Texte gründlich bedenken und uns vom Apostel der Liebe Gottes die Wahrheit über den Islam sagen lassen. Der Vater Jesu Christi wird den wahren Engel Gabriel nicht zu Muhammad nach Mekka senden, um ihm 17 mal zu diktieren, daß er, Gott, keinen Sohn habe, nachdem er Gabriel zu Maria in Nazareth sandte, um ihr mitzuteilen, daß das Kind, das durch den Heiligen Geist in ihr gezeugt wurde, »Sohn des Höchsten« genannt werde und der Sohn Gottes ist. Diese Offenbarungen im Koran stammen nicht von Gott, sondern von Satan. Ebenso war »Gott in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst«. Wie kann dann Muhammad sagen, der Engel Gabriel habe ihm beigebracht, daß Jesus nie gekreuzigt worden sei! Außerdem steht im Koran »die Christen sagen, Christus ist der Sohn Gottes… Allah schlage sie tot!« Solange dieser Vers im Koran steht, ist jeder Dialog mit Muslimen als Glieder einer gleichberechtigten abrahamitischen Religion eine Farce! (Sure 9,28-29).

Widerstand gegen den Geist Christi

Der Islam ist ein antigeistlicher Geist, da er die Gemeinde Jesu von Anfang an unterdrückte, verfolgte und vertrieb. Wir Europäer können uns kaum vorstellen, welches Ausmaß an Verachtung, Degradierung und Verfolgung die orthodoxen Christen als Minderheiten in Staaten mit islamischen Mehrheiten seit 52 Generationen erlitten haben und noch erleiden. Nur zehn Prozent der Christen aus den urchristlichen Gemeinden haben unter dem ständigen Druck standgehalten und sind keine Muslime geworden!

Seit 1973 leben wir in der Renaissance des Islams, da 20 Prozent des Reichtums aus der Erdölförderung in den islamischen Staaten für religiöse Zwecke abgezweigt werden. Seither wird das Missionsverbot strikter gehandhabt. Konvertiten aus dem Islam stehen in Lebensgefahr und einheimische Kirchen werden schikaniert und bekommen so gut wie nie eine Baugenehmigung. Die Reformation des Islams verlangt die Einführung der Scharia anstelle aller anderen staatlichen Gesetze, womit die Freiheit und Gleichberechtigung der einheimischen Christen erheblich beschränkt wird. Während die Mission von Muslimen »von Staats wegen« in islamischen Ländern verboten ist, läuft die Weltmission der Muslime in allen Kontinenten auf vollen Touren. Moscheen schießen wie Pilze in allen christlichen Ländern aus dem Boden.

Mehr biblische Nüchternheit

Die meisten Christen im Westen haben noch nicht begriffen, daß sie mitten in der dritten Angriffswelle des Heiligen Krieges der Muslime stehen. Wo immer eine Moschee in Afrika, Asien, Europa und in Amerika erstellt wird, entsteht der Brückenkopf einer totalitären Religion, in der nicht mehr die Gesetze des Gastlandes sondern die Scharia des Islams Gültigkeit hat. Das Ziel des Islams bleibt immer der Gottesstaat wie ihn Khomeini und seine Nachfolger propagieren (Suren 2,193; 8,39; 61,9).

Wer sagt »Allah im Islam« sei der Gott Abrahams oder der Vater Jesu Christi ist ein Träumer und hat den endzeitlichen Angriff des Islams nicht erkannt. Noch nie lebten so viele Muslime in christlichen Ländern wie heute. Der Islam verdoppelt sich durch Geburtenüberschuß alle 27 Jahre oder schneller, während die Christen weltweit eine Verdoppelungszeit von 54 Jahren aufweisen. Christen müssen lernen, den Islam vom Evangelium her zu beantworten und Muslime im Namen Jesu zu missionieren, sonst könnte es in Europa ein böses Erwachen wie einst im Nahen Osten geben.-

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Weitere Beiträge zum Thema:

 

4. Steinigung im Islam – Daniel Hecker

5. Haus des Islam und Haus des Krieges – Abd al Masih

6. Der Islam aus christlicher Sicht – Dr. Kurt E. Koch

7. Der Mythos der Al-Aksa-Moschee – Herbert H. Nowitzky

8. Ein Vergleich von Bibel und Koran – Ingmar Niederkleine

 




Der Islam

Islam

– Von Dr. Kurt E. Koch –

Aus dem Buch DAS OKKULTE ABC, 1984. Entnommen von Horst Koch, Herborn, 2001 –

1683 standen die Türken vor Wien, der damaligen Metropole der Christenheit. Welch ein Gemetzel hätten die Christen erwartet, wenn man der alten Moslemregel gedenkt, mit Feuer und Schwert den Glauben an Allah zu verbreiten. Die Stadt wurde aber erfolgreich verteidigt durch den Grafen Rüdiger Starhemberg und den tapferen Bürgermeister Andreas Liebenberg. Diese Männer hielten die Belagerer ab, bis die Ersatzheere von Herzog Karl von Lothringen und dem Polenkönig Sobieski herangerückt waren und in der Schlacht am Kahlenberg gewannen und Wien befreiten.
Bei diesen Türkenkriegen machte sich auch der badische Markgraf Ludwig Wilhelm einen Namen, der seither den Ehrennamen erhielt: Prinz Eugen, der edle Ritter. In großen Schlachten bei Nisch, Sinnkamen und Senta zwang er die Türken in die Knie, die dann ganz Ungarn an Österreich abtreten mussten.

300 Jahre später stehen die Türken nicht nur in Wien, sondern genauso in München, Frankfurt, Paris, London und vielen anderen Städten des Westens.
Diese stille Eroberung, gleichsam durch die Hintertüre, erfolgte ohne Blutvergießen. Wie war das nur mög­lich?
Die geistlich immer schwächer werdende Christenheit erlaub­te es dem Islam, Missionszentren in der westlichen Welt zu errichten. So hat z. B. Zürich den Bauplatz für die Errichtung einer Moschee den Moslems geschenkt, obwohl viele Bürger dagegen protestierten. In Rom haben Libyen und Saudi‑Arabien hoch oben auf dem Monte Mario eine Moschee gebaut. Gaddafi gab dazu 25 Millionen und die Saudis 50 Millionen. Der Papst konnte dieses Missionsprojekt im Herzen der katholischen Kirche nicht verhindern. England hat heute mehr als 200 Moscheen. In England und Frankreich sind die Moslems die zweitgrößte Religionsgemein­schaft.

Umgekehrt lassen die Länder mit vorwiegend islamischer Bevöl­kerung den Bau von christlichen Kirchen nicht zu. So habe ich in Djakarta eine neuerbaute christliche Kirche fotografiert, obwohl das gefährlich war. Zwei Monate nach der Einweihung wurde die Kirche von den Moslems zerstört, obwohl die Regierung Reli­gionsfreiheit proklamierte. Der moslemische Polizeipräfekt, der neben der Kirche sein Wohnhaus hat, und dem die Nachbarschaft der Christen zuwider war, hat bei der Zerstörungsaktion nichts gehört, obwohl das ein riesiger Tumult war. Ein anderer Vorfall war noch viel schlimmer. Auf einer entlegenen indonesischen Insel wurden in einer Nacht 29 Gebäude der evangelischen Mission, darunter die Kirche, das Schulhaus, Krankenstation und andere Räumlichkeiten, zerstört.

In Afghanistan gab es in Kabul eine einzige christliche Kirche, die während eines Besuches von General Eisenhower im Jahr 1959 gebaut werden durfte. Als Eisenhower nicht mehr Präsident war, wurde diese einzige christliche Kirche niedergerissen. Und das alles, während im Westen eine Moschee nach der anderen gebaut wird.

In islamischen Ländern musste weithin die christliche Missions­arbeit aufgegeben werden. Im Gegensatz dazu macht die islamische Missions­arbeit im Westen große Fortschritte. Darum sprechen die Moslems von einer Islamisierung des Abendlandes. Und Khomeini, der Führer Irans, spricht von einer Weltherrschaft des Islam als Fernziel.

Marius Baar spricht in seinem ausgezeichneten Buch „Das Abendland am Scheideweg“ davon, daß die missionarische Stoßkraft von den Christen auf die Moslems übergegangen ist. Auf Seite 103 schreibt er:
„Heute ist die Chri­stenheit geistlich tot. So beginnt der Islam seinen Siegeszug über das Abendland und die ganze Welt.“
An dieser rückläufigen Bewegung der christlichen Mission ist vorwiegend der Neurationa­lismus in der modernen Theologie schuld. So hat vor einigen Jahren ein deutscher Theologe in Tokio erklärt: „Die Zeit der christlichen Mission ist vorbei. Wir haben nur die Koexistenz zu pflegen.“ Diese Schwäche, aus dem Unglauben geboren, ist die große Chance für die anderen Weltreligionen.

In der Bundesrepublik leben rund 1,5 Millionen Moslems[1]. In Frankfurt hat der Leiter der Moslemgemeinde die Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religion neben der christlichen Religion gefordert. In einer Zeit, da durch den beängstigenden Geburtenrückgang durch den Mord an den Ungeborenen die Bevölkerung in Deutschland abnimmt, wachsen die Gastarbeiterfamilien durch ihre große Kinderzahl. Hier wird eine biologisch-genetische Schlacht verloren, die sich auch auf dem religiösen Sektor auswirkt.

Nach der Einleitung über die Gesamtsituation gehen wir nun in einzelne Details. Auszugsweise bringe ich einen Artikel, den der Ismaeldienst der Bibelschule Adelshofen 1980 brachte. Er lautet:

Islam im Vormarsch.

Im vergangenen Jahr sagte Ayatollah Khomeini, der Führer des Islam: „Der Endsieg wird kommen, wenn unser ganzes Land den Islam angenommen hat! Doch darüber hinaus muss noch ein anderer Sieg errungen werden: Der internationale Sieg des Islam und die Errichtung seines Reiches über die ganze Welt.“ Und Tausende iranischer Frauen riefen während einer Demonstration: „Wir werden die Welt zum Islam bekehren!“

Die Moslems glauben mit außerordentlicher Leidenschaft Dinge, die das genaue Gegenteil von dem sind, was Christen glauben. Die meisten christlichen Glaubensaussagen halten die Moslems für Irrtümer und Gotteslästerungen. Einige Beispiele:

1. Der Christ glaubt an die Erbsünde. Der Koran lehnt die Erbsünde grundlegend ab. Deshalb hält der Moslem die Erbsünde für einen Unsinn. Er sieht nicht ein, wie hoffnungslos der Zustand des Menschen durch die Sünde wurde. Im Islam kann der Glaube an Allah und gute Werke vor der Sünde retten.

2. Der Christ glaubt an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Der Moslem lehnt die Fleischwerdung Jesu völlig ab; er findet diesen Glauben als einen Unsinn. Gott würde sich nie so demütigen.

3. Der Christ glaubt, daß Jesus Gottes Sohn ist. Für den Moslem ist das eine Gotteslästerung. Im Koran liest er: „Nicht steht es Allah an, einen Sohn zu zeugen.” (Sure 19,36) „Wahrlich, das sind Ungläubige, welche sagen: ’Allah ist doch Christus, der Sohn Marias.’“ (Sure 5,18)

4. Der Christ glaubt an die Dreieinigkeit Gottes. Im Koran steht: „Glaubt an Allah und seinen Gesandten, sagt aber nichts von einer Dreiheit. Vermeidet das.“ (Sure 4,172)

5. Der Christ glaubt fest an Jesu Kreuzigung und Auferstehung und an die Erlösung durch Jesus Christus. Im Koran liest der Moslem: „Sie haben ihn aber nicht getötet und nicht gekreuzigt, sondern einen anderen, der ihm ähnlich war . . . Sie haben ihn aber nicht wirklich getötet, sondern Allah hat ihn zu sich erhoben…“ (Sure 4, 158,159). So erfährt man, daß man im Islam die Erlösung durch Christi Blut völlig ablehnt. Für den Moslem gibt es keinen Heiland, keinen Erlöser.

Eine noch etwas umfangreichere Darstellung ist im Informationsbrief Nr. 96 der Bekenntnisbewegung gegeben. Es heißt darin „Um die Auseinandersetzung um das Wesentliche zu ermöglichen, sollen einige wichtige Informationen über den Islam zusammengestellt werden.

Das Einmaleins über den Islam

Wussten Sie

‑ daß ’Islam’ soviel wie Hingabe (an Gott), Unterordnung, Unterwerfung bedeutet?
‑ daß die Anhänger des Islam ’Moslem’ oder ’Muslim’ genannt werden wollen und ’Mohammedaner’ ein Schimpfname ist?
‑ daß Mohammed von 570 bis 632 lebte, seit 622 in Medina (= Hedschra)?
‑ daß der Koran in Arabisch geschrieben ist und als unübersetzbar gilt?
‑ daß neben dem göttlichen Koran auch die schriftlich festgehaltenen überlieferten Äußerungen und Handlungen des Propheten Mohammed, genannt ’Hadith’, und die Gewohnheiten der ersten Moslems, genannt ’Sunna’, sowie viele weitere Schriften eine entscheidende Rolle spielen?
‑ daß der Islam keine religiösen Bilder und keine religiöse Musik kennt?
‑ daß der Islam in zwei große Parteien, die ’Sunniten’ und die ’Schiiten’, gespalten ist und es im Islam ebenso ’fundamentalistische’, ’liberale’ und ’konservative’ Strömungen gibt wie im Christentum?
– daß die religiöse Praxis folgende fünf Säulen umfasst?:

1. Das Glaubensbekenntnis ’Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet’
2. Fünf tägliche Gebete in Richtung auf die Kaaba in Mekka
3. Die Almosensteuer und Armenhilfe
4. Das Fasten, besonders im 9. Monat ’Ramadan’
5. Die Pilgerfahrt nach Mekka, einmal im Leben
6. Oft angefügt: Der Heilige Krieg ’Jihad’

‑ daß der Koran sehr viele Anspielungen auf das Alte und Neue Testament enthält?
‑ daß die Juden und Christen beschuldigt werden, die drei genannten Bücher verfälscht zu haben und den Rest unberechtigterweise als Gottes Wort zu bezeichnen?
‑ daß Jesus im Islam ein wichtiger Prophet ist, aber nicht Gottes Sohn?
‑ daß die Frage um Jesus und die Dreieinigkeit der größte Streitpunkt zwischen Islam und Christentum ist?
‑ daß Jesus als Gottes Sohn zu bezeichnen, Gott als dreieinig und zu glauben, daß Jesus am Kreuz starb, als Gotteslästerung gilt?
‑ daß im Koran viel gegen das Christentum steht?
‑ daß trotzdem Juden und Christen als ’Religionen des Buches’ eine Sonderstellung zwischen Heiden/Ungläubigen und Moslems haben?
– daß man Christen dulden kann, solange sie nicht missionieren?
– daß Mission unter Moslems als die schwierigste überhaupt gilt?
– daß Moslems durch den Koran und andere Bücher, durch die politische Geschichte und die Tatsache, daß sie nur ein pervertiertes Christentum kennenlernten, meist gegen das Christentum und das Evangelium geimpft sind?

Diese stichwortartigen Merksätze zeigen, daß das Christentum und der Islam sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. An der Heiligen Schrift gemessen, ist der Islam eine antichristliche, ja sogar gefährliche Religion.

Wir müssen uns nun der Mühe unterziehen und den Gegensatz zwischen Isaak und Ismael herausstellen. Zuerst aber zwei Beispiele:

B 1 Bei einem Besuch in Jerusalem ging ich am Sonntagmorgen in den Gottesdienst der Erlöserkirche. Ein Kirchenältester, dem ich als Tourist auffiel, fragte mich nach meiner Heimat. Als er erfuhr, daß ich evangelischer Pfarrer bin, nahm er mich zur Kirchenbank der Gemeindeältesten. Es war in der Zeit nach dem Sechstagekrieg. Ich fragte ihn: „Wie sehen Sie die ganze Auseinandersetzung zwischen Israel und den Arabern an? Er antwortete: „Die Israelis haben unser Land geraubt. Ismael ist der erstgeborene Sohn Abrahams und damit der Erbe. Uns gehört das Land, nicht den Juden.” Ich war überrascht. Dieser Kirchenälteste war der Rasse nach Araber, dem Glauben nach Christ. In der Zeit, da Ludwig Schneller das syrische Waisenhaus baute und betreute, sind viele der jugendlichen Araber zum christlichen Glauben übergetreten. Der Übertritt kam aber manchmal nicht einer Lebenserneuerung durch Christus gleich. Dieser arabische Christ dachte ismaelitisch und nicht biblisch.

B 2 Ein anderes Beispiel hörte ich auf der gleichen Israeltour auf dem Ölberg. Ich besuchte das Haus der Marienschwestern. Eine Schwester erzählte mir folgendes. Ein arabischer Klempner wurde gerufen, um die defekte Wasserleitung zu reparieren. In den Essenspausen zog der Handwerker eine Taschenbibel heraus und las darin. Die Schwester freute sich, in ihm einen gläubigen Bruder zu entdecken. Sie fragte ihn nach seiner Meinung im Blick auf die Besetzung des Heiligen Landes. Der arabische Christ hob die Bibel hoch und sagte: „Die Schrift muss erfüllt werden. Dieses Land ist den Juden verheißen. Daran können wir Araber nichts ändern.“

Damit haben wir zwei arabische Christen vor uns. Der erste nennt sich Christ, denkt aber islamisch. Der zweite ist ein biblisch ausgerichteter Mann.

Wie erobert der Islam die Welt?  Wer steht hinter ihnen?

Der Ausgangspunkt des Islam ist eine falsche Schriftauslegung. Die Moslems sind die Nachkommen Ismaels, eines Sohnes Abrahams mit der Magd. In 1. Mose 21,12 steht: „In Isaak soll dir der Same genannt werden.“ (Röm. 9,7) Ismael ist der Ausdruck der Ungeduld Abrahams, der nicht auf die Verheißung Gottes warten wollte. Ismael ist der Sohn nach dem Fleisch. Isaak ist der Sohn der Verheißung.

Der Zwiespalt zwischen den Söhnen Abrahams besteht nun schon 4000 Jahre. Gott hat eine Linie des Segens und der Rettung aufgebaut von Abraham, über Isaak, Mose, David, Jesus und die Gemeinde des Sohnes Gottes.
Da Satan sich zum Gegenspieler der Gemeinde Jesu entwickelt hat, benützt er die Linie Ismaels und seiner Nachkommen, um gegen Jesus und seine Jüngerschar einen entscheidenden Vernichtungsfeldzug zu inszenieren. Er pflanzte in die Herzen der Ismaeliten einen fanatischen Hass gegen alles, was von Jesus kommt und zu Jesus gehört. Dieser Hass ist die Triebfeder aller Aktionen der Moslems. Man merkt es auch dem Koran an, daß da kein Platz ist für die Liebe zu Gott und zum Nächsten.

Eine zweite Wurzel des Islam ist die Herkunft Allahs, der von kurzsichtigen Christen in eins gesetzt wird mit dem Gott der Bibel. Hören wir kurz die Entstehung des Islam, aus der auch die Existenz und Bedeutung Allahs sichtbar wird.

Mohammed wurde 570 in Mekka geboren. Zu seiner Zeit bestand schon der schwarze Stein. Dieses schwarze Heiligtum war das Zentrum von 365 Göttern. Ursprünglich wurden diesem Heiligtum Menschen geopfert, später nur noch Kamele. Durch seine Reisen kam der junge Mohammed mit den beiden monotheistischen Religionen, dem Christentum und Judentum, in Berührung. Dadurch entstand bei ihm der Vorsatz, in seiner Heimat alle Götter außer dem einen vom schwarzen Stein auszufegen.

Der schwarze Stein ist die Sühnestelle des Islam. Jeder Moslem muss einmal im Leben nach Mekka, um den schwarzen Stein zu küssen. Dann sind alle seine Sünden vergeben.

Die Berührung mit den beiden monotheistischen Religionen vermittelten Mohammed zahlreiche Kenntnisse, die er dann im Koran verwertete und dabei umdeutete. Um diesem Koran Autorität zu verleihen, wurde behauptet, er sei ihm vom Engel Gabriel diktiert worden. Allah ist nach allem nicht unser Gott der Bibel, sondern der höchste Götze unter 365 „Nebenbuhlern”. „Die Menschen, die sich diesem Geist hingeben, werden Gebundene Satans.” (Marius Baar S. 62)

Durch seine Kontakte mit dem Monotheismus hat Mohammed viele Vorstellungen aus dem Alten und Neuen Testament in den Koran hineingetragen. Die Mohammedaner sind das auserwählte Volk, dem sich alle Völker und Religionen zu unterstellen haben. Atheisten und Christen, Juden und abgefallene Moslems müssen sich dem Islam beugen, oder es droht ihnen die Vernichtung. Vom

Felsendom aus, wo einst der Tempel Salomos stand, wurden die islamischen Völker zur Endlösung aufgerufen. Die Moslems sind also die Gegenspieler der Christen und Juden. Sie vertreten auch die christliche Vorstellung vom Propheten und Antichristen der Endzeit. Ein islamischer Prophet wird erwartet, der aus den arabischen Staaten von Marokko bis Pakistan ein großarabisches Reich aufbauen soll.

Um dieses Ziel der islamischen Weltherrschaft zu erreichen, hätte Allah ihnen das Öl geschenkt. In der Tat hat der Ölsegen die Welt verändert. Viele Scheichs legten ihre Milliarden in der Schweiz an.

Die Moslems haben ihr Übergewicht in der Weltwirtschaft erkannt. Sie wissen, daß sie im Westen alles zum Erliegen bringen, wenn sie den Ölhahn zudrehen. Kein Jet kann mehr im Westen fliegen, kein Panzer, kein Auto mehr fahren, wenn sie den Ölstrom stoppen.

Sie nützen diese wirtschaftliche Vorherrschaft aus, indem sie auch idealistische Pläne zu verwirklichen suchen. Es soll die Basis für ein einheitliches großarabisches Reich geschaffen werden. Darum ist ihr Ziel, daß in allen islamischen Staaten nur die Koransprache gesprochen wird. Gaddafi in Libyen hat als erster die Koransprache als Amtssprache eingeführt.
Der zweite Plan ist, eine einheitliche Währung einzuführen. Man denkt auch daran, den Dollar beim Ölgeschäft auszuschalten. Zur Werbung für das großarabische Reich soll in der ganzen Welt eine umfangreiche Werbung gestartet werden. So versorgen sie jeden japanischen Haushalt kostenlos mit einem Koran. Außerdem sollen 200000 Exemplare des Korans in Hotelzimmern ausgelegt werden. In einem asiatischen Hotel habe ich das schon erlebt, daß eine Gideonbibel und ein Koran im Nachtschränkchen lagen.
Ferner wird der Bau von vielen Moscheen mitfinanziert und der Bau von islamischen Universitäten in Angriff genommen. Alle Möglichkeiten und der Einsatz aller Medien werden ausgeschöpft. In Mekka ist ein mächtiger Sender gebaut worden, der sich „Die Stimme des Islam“ nennt. Die Weltmoslemliga und mehrere islamische Weltmissionswerke sollen für die Verbreitung des geistigen Ideengutes des Islam intensiv sich einsetzen.

Man fragt sich zum Schluss: „Woher kommt nun der Antichrist? Aus dem wiedererstandenen römischen Weltreich oder aus dem Islam?” Hat nicht der Islam mehr wirtschaftliche Trümpfe in seiner Hand?

Vergleichen wir ruhig einmal, was Pfr. Wolfgang Borowsky in seinem Buch „Christus und die Welt des Antichristen” schreibt mit dem, was Marius Baar über den Islam berichtet hat.

Ich bin ein neutraler Beobachter beider Bücher. Ich bin mit beiden Autoren befreundet. Borowsky setzte seine Karten auf die „One-World-Bewegung” und auf die Multimilliardäre der Geheimbünde. Marius Baar zeigt als Gegengewicht die Multimilliarden der Ölscheichs. Wo liegt das größere finanzielle Gewicht?

In dem monatlichen Magazin eines amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers (The Reaper von McMaster) vom Januar 1984 las ich folgende Zahlenangaben: USA hat gegenwärtig 5 Billionen Dollar Schulden, davon entfallen 1,3 Billionen auf den Staatshaushalt, der Rest auf private Schulden amerikanischer Bürger und Unternehmungen. Zu den 1,3 Billionen kommen noch 850000 Dollar als Darlehen an die dritte Welt, die natürlich auch verloren sind. Dem Staatssäckel fehlen demnach 2,15 Billionen Dollar. Dem amerikanischen Volk wachsen die Schulden, den Scheichs wachsen täglich die Ölmilliarden. Die westlichen Länder pumpen nahezu alle die Ölmilliardäre an.

Fragen wir nochmals: Wer hat die größeren Chancen? Wirtschaftlich liegen die Ölmilliardäre vorne. Intelligenzmäßig immer noch der Westen. Der Westen baut die Kernkraftwerke und die Satelliten. Die Ölscheichs müssen sich die Experten aus dem Westen holen, wenn sie auf speziellen Gebieten Schritt halten wollen.

Das Problem um den Vorrang ist trotzdem noch nicht gelöst. Es geht im Reich Gottes ja gar nicht darum, wer mehr Milliarden hat, sondern was Gott geplant hat.

Pfr. Borowsky und Marius Baar sind sich einig, daß der Antichrist ein Jude sein muss, sonst würde er in Jerusalem nicht angenommen werden.

Der Unterschied zwischen den beiden Autoren Borowsky und Baar liegt darin, daß Borowsky mehr an die Elite und geheimen Führer des wiedererwachten römischen Reiches denkt. Baar dagegen hat den Islam im Auge.

Ich streite mich in dieser Frage nicht sondern sehe dazu noch die übergeordnete Möglichkeit, daß die Multimilliardäre der One-World-Bewegung auch ihre Hintermänner unter den Ölmilliardären haben. Damit haben nämlich beide Autoren recht. Der Teufel ist ein schlauer Fuchs. Er handelt manchmal nach dem militärischen Grundsatz: getrennt marschieren, vereint schlagen. Die Multis in West und Ost können eines Tages unter einem Hut vereinigt werden und gemeinsame Sache gegen Christus machen, an dem sie dann zerschellen werden. Der Herr Jesus gibt seine Macht keinem anderen.

In den folgenden Abschnitten werden Beispiele aus meinem Bekanntenkreis gebracht, die zeigen, daß Jesus auch Moslems trotz ihres Fanatismus retten kann. Es wäre für den Leser belastend, wenn er nur negative Berichte vorgesetzt bekommt. Es muss als Gegengewicht der Sieg Jesu sichtbar werden. Das ist der Sinn der folgenden Beispiele.

Die Geschichte eines Moslemlehrers

In Madras/Südindien hörte ich die Geschichte von Iqbal dem Moslemlehrer. Ich lernte ihn persönlich kennen, als er bereits Christ war.

Iqbal stammt aus einer fanatischen mohammedanischen Familie. Die Eltern geben sich Mühe, ihre Kinder vor jedem christlichen Einfluss zu bewahren. Leider war an ihrem Ort nur eine christliche Schule. Lesen und Schreiben konnte er dort lernen, jedoch gegenüber dem christlichen Einfluss sollte er sein Herz verschließen. Das war aber nicht so einfach; denn an der Schule gab es einige gläubige Lehrer, die für alle Schüler beteten.

Immerhin schaffte es Iqbal, als überzeugter Moslem die Grundschule zu beenden und eine höhere Schule in Madras zu besuchen.

Sehr viele Schulen in Indien haben die Koedukation. Hindus, Moslems und Christen werden zusammen unterrichtet. Dieses System ist gar nicht so übel. Junge Leute sollen sich ruhig mit anderen Religionen auseinandersetzen.

Im College in Madras, auf das Iqbal übergesiedelt war, gab es lebhafte und oft hitzige Rededuelle und Auseinandersetzungen. Es blieb nicht bei geistigen Kämpfen. Die jungen Burschen trugen ihre Meinungsverschiedenheiten auch mit ihren Fäusten aus. Iqbal war einer der hauptsächlichsten Rädelsführer bei diesen Streitereien.

Um seine Kameraden zu ärgern, spielte er sonntags in der Gottesdienstzeit der Christen Fußball oder Kricket. Die regulären Andachten vermied er. Er sagte sich oft tagsüber Koranverse vor, um sich der christlichen Umklammerung zu erwehren.

Nach Abschluss der Collegezeit besuchte Iqbal die Universität. Dort lernte er einen echten Christen kennen, der sich auf keine Rededuelle einließ, sondern sein Christsein vorlebte.

Für den feurigen Moslem war das der erste echte Anstoß zum Nachdenken. Er merkte, daß es auch Christen gibt, die nicht nur über Lehren streiten, sondern ihren Glauben ausleben.

Aus Sympathie zu dem Kommilitonen ließ er sich eines Sonntags bewegen, eine Versammlung von Vater Daniel zu besuchen, der als christlicher Führer in Madras und in ganz Südindien einen Namen hatte. Der alte Bruder ist vor einigen Jahren heimgegangen. Ich war mit ihm befreundet.

In der christlichen, geistgewirkten Atmosphäre der Daniel-Bruderschaft geriet Iqbal in große Anfechtung. Er erlebte eine geistliche Kraft, die ihn verwirrte, bedrängte und an seinem bisherigen Glauben irre werden ließ.

Es war eine Entdeckung, die ihn geistig geradezu niederschmetterte, daß Mohammed kein Prophet war, sondern ein religiöser Hochstapler, ein Verführer der Menschheit. Er fühlte den Boden unter sich wanken. Bei dieser Revolution trat dann der in sein Leben, der in dem Zerbruch des Alten einen festen Boden unter die Füße gab: Jesus.

Damit trat Kampfesruhe, Waffenstillstand ein. Schritt für Schritt ging es weiter. Er ging zu Vater Daniel in die Beichte und Seelsorge. Im Glauben erlebte er Vergebung seiner Schuld. Er suchte nun­mehr die Gemeinschaft der Gläubigen. Sein Leben hatte einen neuen Kurs bekommen.

Eine Sorge erfüllte ihn noch. Wie würden seine Eltern seine Entscheidung aufnehmen? Oft werden ja Neubekehrte von ihren Angehörigen verstoßen. Viele beteten für ihn. Der Herr gab Gnade. Seine Eltern machten ihm keine Vorwürfe. Sie ließen ihn gewähren.

Noch eine andere Freude wartete auf ihn. Er fand an seiner früheren Schule, wo er so hart für den Islam gekämpft hatte, als christlicher Lehrer eine Anstellung.

Dabei blieb es aber nicht. Der Herr hatte einen anderen Plan. Eines Tages las Iqbal in der Tageslese das Wort Jes. 61,6: „Ihr aber sollt Priester des Herrn heißen, und man wird euch Diener unseres Gottes nennen.“

In diesem Augenblick spürte er die Unmittelbarkeit des Heiligen Geistes: „Du bist gemeint. Du bist berufen. Willst du folgen?“

Iqbal gehorchte. Er gab seinen Lehrerberuf auf und ging in der Bibelschule von Vater Daniel ins Bibelstudium und wurde als Evangelist abgeordnet.

Der Verkündigungsdienst von Iqbal ist vom Segen des Herrn begleitet.

Vom Sieg Jesu über den Koran zeugt der nächste Bericht über die Bekehrung eines Moslemführers. Der junge Mann studier­te an der Universität in Djakarta und wollte Lehrer werden. Ein ungeheurer Fanatismus beseelte diesen jungen Mann. Er übernahm daher die Leitung einer mohammedanischen Jugendgruppe, mit der er allerlei Terrorakte gegen die Christen durchführte. Einmal warf er mit seinen Freunden die Scheiben der christlichen Kirche und des evangelischen Pfarrhauses ein.

Der evangelische Pastor reagierte nicht auf diese Angriffe. Das reizte den jungen Studenten. Er suchte den Pastor auf und fragte ihn, warum er sich nicht wehre. Der Pastor erklärte ihm: „Christen wehren nicht Gewalt mit Gewalt ab.“

Dem jungen Moslemführer ließ das keine Ruhe. Er kaufte sich eine christliche Bibel, um die Grundlagen des Christentums zu studieren. Er wollte in der Lage sein, die Bibel und den christlichen Glauben zu widerlegen.

Es kam ein anderes Resultat heraus. Der Moslem bekehrte sich. Er legte seinen mohammedanischen Namen ab und nahm den christlichen Namen Timotheus an. Das gab in seinem Freundes­kreis eine ungeheure Revolution. Die Moslems ertragen eher ein Verbrechen ihrer Leute als eine Bekehrung zum christlichen Glauben.

Alle Versuche, ihn umzustimmen, schlugen fehl. Er gab sein Studium auf und beschloss, Theologie zu studieren. In Djakarta ist ein theologisches Seminar, bei dem er sich anmeldete.

Das gab die erste Enttäuschung. Dieses Seminar ist mit der modernen Theologie verseucht. Der jung bekehrte Moslem geriet in große Nöte. Dafür hatte er doch nicht sein Lebensziel geopfert und die Verachtung seiner Eltern und Freunde auf sich genommen, um sich den hart erkämpften Glauben wieder nehmen zu lassen! Er fragte sich: „Was ist das für ein Christsein? Dafür habe ich nicht meinen bisherigen Glauben eingetauscht.“ Er suchte dann nach Christen, die an das glauben, was in der Bibel steht. Und er fand sie.

Timotheus bekam Verbindung mit der Bibelschule in Batu und trat dort ein. Nach seiner Ausbildung empfand er genau wie seine Lehrer, daß er unter den Moslems in Sumatra arbeiten sollte. Seither steht er dort und tut einen gesegneten Dienst. Ich traf ihn mehrmals. Wir sind gute Freunde geworden. Auf meiner Gebetsli­ste für Sumatra steht er obenan.

Aus der Arbeit dieses tapferen Streiters Jesu seien einige Beispie­le erwähnt. Timotheus traf eines Tages einen 90 Jahre alten Diener der Moschee. Der junge Pastor sagte ihm: „Wenn du stirbst, fährst du zur Hölle.” Der 90-jährige antwortete: „Ja, ich weiß es. Wenn du aber den Weg zum Himmel weißt, dann zeige ihn mir.” Timotheus zeigte dem Alten den Weg zu Jesus. Der hochbetagte Greis nahm den Herrn Jesus als seinen Heiland an und war damit gerettet.

Ein andermal kam Timotheus ins Gespräch mit einem Moslem­priester. Als guter Korankenner zeigte ihm der ehemalige Moslem und Koranstudent die Unterschiede zwischen dem christlichen Glauben und dem Allah‑Glauben. Er sagte dem Priester: „Es gibt im Koran keine Gotteskindschaft. Die Bibel aber verheißt uns: ‚Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder sollen heißen’ (1. Joh. 3,1).

Ferner kennt der Koran keine Gewissheit der Vergebung, keine Gewißheit des ewigen Lebens. Die Bibel sagt uns aber: ,Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben’ (Joh. 3,36). Ferner sagt uns Paulus (Eph. 1,7): ,An Jesum haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade’. Der Priester wurde nachdenklich. Und was überhaupt kein Missionar fertig bringt, einen Moslempriester zu überzeugen, das tat der Heilige Geist. Der Priester zerriss sein Moslemgewand und warf es vor den Eingang der Moschee. Seither folgt er Jesus nach und wurde sogar von der christlichen Gemeinde als Ältester gewählt.

Jesus ist kommen, der starke Erlöser,
Bricht dem gewappneten Starken ins Haus,
Sprenget des Feindes befestigte Schlösser,
Führt die Gefangenen siegend heraus.
Fühlst du den Stärkeren, Satan, du Böser?
Jesus ist kommen, der starke Erlöser.

 

Christophorus

Bei einer Konferenz in Java lernte ich Christophorus kennen. Kaum war er am Tagungsort angelangt, da rief ihn ein Telegramm nach Sumatra zurück. Die Moslems hatten wieder einen Mordanschlag gegen die Christen geplant. Wo die Moslems die Herrschaft haben, sind sie brutal und grausam. Wo sie in großer Minderheit sind, benehmen sie sich freundlich und täuschen damit ihre Mitmenschen.

Christophorus ist ein jüngerer Mitarbeiter von Timotheus bei den Serawai. Er ist ebenfalls in Batu ausgebildet. Unter den Serawai hat er sich bereits in besonderer Weise bewährt.

Eines Tages hatte er eine Einladung zum Essen erhalten. Ahnungslos nahm er die Einladung an. Nach dem Essen befielen ihn schreckliche Schmerzen. Seine freundlichen Gastgeber hatten ihm Gift in das Essen gemischt, das sonst stets tödlich wirkte.

Christophorus legte sich ins Bett. Drei Tage war er einem furchtbaren Brennen im Magen und in der Lunge ausgesetzt. Unablässig schrie er zu seinem Herrn. Nach drei Tagen war die Krise überwunden. Die Moslems staunten, daß das Gift ihn nicht getötet hatte. Sie sagen seither: „Bei den Christen muss man aufpassen. Ihr Gott hilft ihnen immer.“

Die Frucht dieses misslungenen Giftanschlages war, daß einige Moslemfamilien sich bekehrten, aber nicht die betreffenden Giftmischer.

Wer unter den Moslems sich bekehrt, muss täglich auf seinen Tod gefasst sein. Es ist ein Leben in ständiger Todesbereitschaft. Das ist eine heilsame Lektion und Situation für die, die dort Christen werden.

Und doch kommt Gott auch mit den Giftmischern zum Ziel. Er gebraucht viele Mittel und Wege, um diese Moslems zu finden.

So betete ein Christ mit einem Moslempriester, der geisteskrank war. Auf Grund des Gebetes wurde er gesund. Er folgte dann Jesus nach. Den mohammedanischen Gouverneur ärgerte es, daß der Mann, der schon 38 Jahre Priester gewesen war, Christ geworden ist. Die Soldaten holten ihn. Unter drohenden Waffen wurde er verhört: „Warum bist du Christ geworden?“ Er antwortete: „Ich war geisteskrank, und der Herr Jesus hat mich gesund gemacht, darum bleibe ich bei ihm.“ Es war ein Wunder, daß sie ihm nichts taten, sondern ihn unbehelligt heimgehen ließen. Die Moslems, die Christen geworden waren, wurden ja manchmal von den Soldaten geprügelt oder auch kurzerhand ins Gefängnis gesteckt.

Auch die Moslemkinder hat Gott sich als Werkzeuge zugerüstet. Pastor Christophorus hatte einmal den Kindern den Vers beigebracht „Das Blut des Lammes reinigt uns und machet alles neu“. Als dann am nächsten Freitag, dem Sonntag der Moslems, in der Moschee Gottesdienst war, zogen die Kinder an der Moschee vorbei und sangen dieses Lied. Pastor Christophorus erschrak, ging hinaus und wollte die Kinder beschwichtigen. Da sah er, daß der Sohn des Moslempriesters mitsang. Dann ließ er es geschehen. Vielfach werden die Eltern durch ihre eigenen Kinder auf den Herrn Jesus hingewiesen.

Bei einem Gottesdienst der Moslems wurde heftig gegen die Christen gehetzt. Die Christen hatten sich in der gleichen Zeit zum Gebet versammelt, weil sie einen Angriff fürchteten. Es kam anders. Als der Moslempriester um 10 Uhr morgens die Moslems zu einem Angriff gegen die Christen anstachelte, lief ein Moslem aus der Moschee heraus und gerade auf das Haus von Pastor Christophorus zu. Er sagte dem Pastor: „Ich will Christ werden.” Christophorus fürchtete eine Falle und zögerte. Der Moslem sagte:

„Du zweifelst. Ich sehe, du hast hier Schweinefleisch. Gib mir davon zu essen, damit du überzeugt bist.” Den Moslems ist ja Schweinefleisch ein Greuel. Er aß davon und sagte: „Gib mir auch für meine Familie. Wir machen Schluss mit der Moschee und kommen alle zum Herrn Jesus.“ So geschah es auch. Die ganze Familie bekehrte sich. Das war die Antwort Gottes auf die Hetzerei des Priesters und das Gebet der Christen.

Ein Moslem mit Namen W. bekehrte sich. Er brachte auch seine ganze Familie und seine Nachbarn zu Jesus. Nicht lange danach brachten ihn die Moslems ins Gefängnis. Eines Nachts kam seine Frau angerannt: „Mein Reisfeld brennt ‑ vermutlich auch ein Racheakt der Verfolger ‑, kommt und helft mir löschen!“ Die Christen eilten zu Hilfe, denn der Reis war reif zur Ernte. Sie konnten allerdings nicht löschen, weil es die regenlose, trockene Zeit war. Es war kein Wasser da. Da knieten die Christen am Reisfeld nieder und baten den Herrn um Hilfe. Das Wunder geschah. In kurzer Zeit, unmittelbar nach ihrem Gebet, sandte der Herr Regen, obwohl es nicht Regenzeit war. Der Brand wurde rasch gelöscht. Die Ernte war gerettet. Durch dieses Wunder bekehrten sich wieder zwei andere Familien. So muss auch die Verfolgung dazu dienen, daß das Reich des Herrn gebaut wird.

Bei den Moslems gibt es viele Zauberer. Selbst die meisten der Priester üben nicht ihre Macht durch den Koran aus, sondern durch Magie. Bei seiner Verkündigung stieß Christophorus eines Tages auf drei Zauberer. Er kam mit ihnen ins Gespräch und wies sie auf Jesus hin. Zwei von ihnen bekehrten sich. Der dritte war reich und hing an seinen Gütern. Christophorus besuchte ihn und wies ihn auf das Wort hin: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.“ Der Zauberer wehrte sich und lehnte Jesus ab. Neun Tage später starb er ganz unerwartet, ohne jegliche Erkrankung gehabt zu haben.

Das Evangelium läuft. Weder Gift noch Drohungen, noch Mordanschläge können den Geist Gottes an seinem Werk hindern. Was ist das für ein wunderbares Geschehen in Indonesien! Und das alles ohne die übliche Schwärmerei, mit der man so oft eine Erweckung vortäuschen will.

In den letzten Jahren waren auf Sumatra viele Christen im Gefängnis. Auch das war des Herrn Wille. Die Christen sind dadurch oft den üblichen Mordanschlägen entkommen. Dazu haben sich andere Gefangene und Aufseher durch ihr Zeugnis im Gefängnis bekehrt.

Einer der bekanntesten Gefangenen war der Leiter der Moslemmission. Er war wegen politischer Dinge verurteilt worden. Auch er fand im Gefängnis durch den Dienst der Christen den Herrn Jesus. Als er entlassen wurde, marschierte er 75 Kilometer zu Fuß, um sich in der nächsten christlichen Kirche taufen zu lassen. Er hat also das außerhalb des Gefängnisses bewährt, was er innerhalb gehört und gelernt hatte.

Der Geist Gottes wirkt in der Erweckungszeit unter den Moslems. Der Herr Jesus verherrlicht seinen Namen. Es ist aber auch zugleich eine Zeit der Verfolgung, eine Epoche dämonischer Angriffe. Und das gehört notgedrungen dazu.

Die Moslems arbeiten mit allen Mitteln. Sie schleichen sich in geschlossene christliche Versammlungen ein, um die Christen auszukundschaften. Sie fälschen Ausweise. Sie schicken Polizei und Soldaten vor. Sie bringen Christen in die Gefängnisse. Gift und Brandstiftung ‑ alles passt in ihr Konzept. Sie isolieren die Christen. Sie entlassen sie aus den bisherigen Ämtern. Alle Regierungsstellen werden „sauber” gehalten. Wenn ein Moslem sich bekehrt, verliert er sofort seinen Posten. Und doch behält der Herr Jesus das letzte Wort. „Das Reich muss uns doch bleiben.”

Trotz aller Bedrängnis festigt sich die Gemeinde der bekehrten Moslems. Es sind jetzt schon 1400 Christen, alle ehemalige Moslems und Feinde des Kreuzes Christi. Seit 1965 haben sie eine eigene Bibelschule in Tendjung Enim, die von 30 jungen Serawai besucht wird. Ehemalige Giftmischer verkündigen nun das Evangelium. Es sind von Südsumatra aus auch andere Moslem‑Inseln, Lombok und Sumbaja, besucht worden. Auch dort festigt sich die Arbeit für den Herrn Jesus.

Kurt E. Koch

 

www.horst-koch.deinfo@horst-koch.de

[1] Dr. Koch schrieb diesen Artikel um ca. 1984. Heute, Oktober 2001, leben in Deutschland ca. 4 Millionen Moslems, in Europa zusammen über 20 Millionen. Die derzeitige Anzahl der Moscheen in Deutschland liegt bei ca. 2200.




Heilungsdienste (A.Seibel)

Alexander Seibel

Heilungsdienste ‑ Bereicherung oder Verführung?

 

Immer mehr wird man heute mit dem Anspruch konfron­tiert, man habe nur das »halbe« und nicht das »volle« Evangelium, wenn man nicht die Kranken heilt. Angeblich schließe die Evangeliumsverkündigung auch den Heilungs­auftrag mit ein. »Predigt und heilt« laute der biblische Missionsbefehl. Gott begleite auch heute noch die Verkündi­gung seines Wortes mit übernatürlichen Machtwirkungen, Zeichen und Wundern. Der Chor der Stimmen, der dies fordert und früher eher schwach zu vernehmen war, schwillt heute immer lauter an und ist unüberhörbar geworden.

Vorweg muß deutlich gesagt werden, daß in keiner Weise der Eindruck vermittelt werden soll, als könne Gott heute nicht mehr heilen. Zwar muß gesehen werden, daß unser Leib in diesem Äon noch nicht erlöst ist (Röm 8,23). Dies geschieht erst mit der Vollendung der Gemeinde (1 Kor 15,51‑55). Deswegen ist es unhaltbar zu behaupten (wie es zu den dogmatischen Aussagen der Pfingstbewegung gehört), das Kreuzesopfer Jesu schließe jetzt schon auch die Heilung von unseren Krankheiten ein. Dennoch heilt der lebendige Gott auch heute noch wann, wo und wie Er will. Ich selber weiß von Heilungen ‑ selbst von Krebs ‑ im Rahmen der Anleitungen nach Jakobus 5,14‑16.

Ein populärer Heilungsdienst

Doch in unseren Tagen offenbart sich mehr und mehr ein Heilungsdienst ganz besonderer Art. Heilungsevangelisten wie John Wimber, Reinhard Bonnke, Wolfram Kopfermann, Yonggi Cho und andere sprechen eine ständig zunehmende Zahl von Christen an.

John Wimber ist ein sympathisch wirkender Mann von faszinierender Ausstrahlung, der sicherlich nur das Beste für die Gemeinde beabsichtigt. Doch entheben uns selbst eine große Massenbegeisterung und edle Motive nicht von der Verpflichtung, die Geister zu prüfen. So deutet der Herr Jesus mit keinem Wort etwa eine Dämpfung des Geistes dadurch an, daß die Gläubigen zu Ephesus »geprüft haben, die da sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht« (Offb 2,2). Im Gegenteil, sie werden dafür gelobt.

Wie geschah nun bei John Wimber die Hinwendung zur charismatischen Bewegung, bei dem Mann, der heute viel­leicht am meisten zur Ausbreitung der Heilungsdienste innerhalb der Christenheit im Westen beiträgt? Über seinen Werdegang konnte man u. a. folgendes in einer englischen Zeitschrift lesen:

»Bevor er soweit war, ihre Ansichten zu teilen (Seine Frau hatte sich vor ihm der charismatischen Strömung geöffnet, Anm.), wollte seine Frau wissen, ob er die Gabe der Hei­lung habe. Eines Nachts, während er schlief, nahm sie seine Hand, legte sie auf ihre rheumatische Schulter und betete, >OK, Herr, nun tue es!< Eine Woge von Hitze strömte plötzlich in ihre Schulter und John Wimber wachte auf, seine eigene Hand heiß und pulsierend.«

Was soll man von dieser Art Heilung halten? Dies erinnert eher an den medialen Berührungskontakt bzw. Sympathie­zauber, als an ein biblisches Heilungswunder. Die Persön­lichkeit Wimbers bzw. sein Wille ist zweifelsfrei umgangen. Er ist als Schlafender buchstäblich Medium einer Geistes­kraft, die ihn wie einen Kanal benützt und durchströmt. Geistliche Wahrheiten aber werden bekanntlich über den Verstand und nicht über das Gefühl vermittelt. Umgehen oder Ausschalten des Verstandes aber bedeutet das Nichtbe­achten der Persönlichkeit bzw. des Willens des Menschen. Wie bereits gesagt, ist dies dem Heiligen Geist völlig fremd.

Die Geistheiler und ihre Begleitsymptome

Auch die Hitzeempfindung ist eine altbekannte Begleiter­scheinung von Geistheilem bzw. Geistheilungen. Dies soll an einigen Zitaten belegt werden.

Harry Edward, Englands berühmtester Geistheiler, erklärte, daß die Geister verstorbener Menschen durch seine Hände wirkten. Auf die Frage, wie er und der Patient den Heilvor­gang wahrnähmen, antwortete er: »Vor allem Wärme ‑ dort, wo man die Hand auflegt. Sowohl Heiler als auch Patient spüren das. Es muß sich dabei irgendein Energieumsatz abspielen.«

Über den in Deutschland tätigen Geistheiler Starczewski hieß es in einer Tageszeitung:

»Er heile Krankheiten nicht selbst, sondern als Medium mit Hilfe einer besonderen kosmischen Strahlkraft, einer gebündelten Wärme, die durch seine Hände fließe, als Medium von Geistern aus dem Jenseits, sagt er.«

Paul Uccusic, Fachautor über esoterische Themen und Geist­heilung, schrieb unter dem Titel »Die heilende Kraft der Hände«:

»Bei der Direktbehandlung wird der Heiler in der Regel seine Hände, die stärkste seiner Waffen im Kampf gegen die Krankheit, bemühen … Die meisten Heiler spüren die Kraft in Armen und Händen, und sie wissen auch, daß die Kraft nicht aus ihnen selbst kommt; aber dennoch wirkt sie mittels der Hände … Bei diesem Verfahren, dem Handauflegen, spürt der Kranke meist eine Wärme, die das Gewebe und die Knochen durchdringt und die Schmerzen in der Regel bald zum Verschwinden bringt. Der Kranke glaubt, die Hände des Heilers seien warm; aber das ist unrichtig: er spürt einfach die Kraft.«

Ständig wird betont, wie diese Heilungskräfte eine göttliche Gabe zum Wohle der Menschheit seien. Mit dieser Überzeu­gung verbindet sich oft ein selbstloser Einsatz.

Man kann nun berechtigterweise fragen, was denn dieser offensichtliche Mediumismus mit den christlichen Heilern zu tun habe?

Zunächst fällt auf, wie an einigen Beispielen der Heilungs­evangelisten und führender Charismatiker bereits aufgezeigt, daß die Symptome (Wärme etc.) verblüffend ähnlich sind. Doch berechtigt das zu solchen Schlußfolgerungen?

Wie wurde der Heilungsauftrag wiederentdeckt?

Dazu soll kurz und ohne Anspruch auf Vollständigkeit skizziert werden, durch welche Schlüsselleute der angebliche Auftrag zu heilen »wiederentdeckt« und in den Gemeinden verkündet wurde. Das Thema Heilung war schon immer eine Domäne der Pfingst‑ und späteren charismatischen Bewegung, doch wie drang es in die etablierten Kirchen und Freikirchen ein? Denn Tatsache ist, daß die Thematik Heilung erst in den letzten Jahrzehnten oder eigentlich Jahren so an Aktualität gewonnen hat.

Man liest weder von Missionaren des vorigen Jahrhunderts, noch bei solchen, die sich noch früher hinauswagten wie Bartholomäus Ziegenbalg oder William Carey, daß sie neben ihrer Verkündigung auch Heilungsdienste abgehalten hätten. So schrieb David Livingstone in einem Brief:

»Meine Praxis ist hier außerordentlich groß. Gegenwärtig habe ich Patienten, die mehr als 200 km weit hergekommen sind, um sich von mir behandeln zu lassen. Viele sehr schlimme Fälle wurden vor mich ge­bracht, und manchmal war mein Wagen von Blinden, Hin­kenden und Lahmen förmlich belagert. Welch ein gewaltiger Erfolg würde erzielt, wenn einer der siebzig Jünger hier wäre, um sie alle mit einem Wort zu heilen! ‑ Übrigens sind sie ausgezeichnete Patienten. Da gibt es kein Gejam­mer. Bei einer Operation sitzen selbst die Frauen unbeweg­lich.«

Gerade auf diese Aussendungsbefehle an die zwölf bzw. siebzig Jünger beruft man sich heute immer häufiger zur biblischen Legitimierung des Heilungsauftrages. David Livingstone, einer der gesegnetsten Missionare überhaupt, wußte nichts von dieser »Vollmacht des Heilens«. Hatte auch dieser einmalige Diener Gottes nicht das »volle« Evangelium?

So ist es auch von diesem historischen Standpunkt erwäh­nenswert, was Roland Brown in seiner Biographie »Gott ist gut, Jesus ist wunderbar« in diesem Zusammenhang, es war das Jahr 1924, schreibt:

»Ich malte mir aus, wie herrlich es wäre, wenn wir jeman­den berühren könnten und der Herr ihn heilen würde. Aller­dings hatte ich bisher von solchen Heilungen in unserer Zeit nicht gehört. Auch in Predigten kam dieses Thema nicht vor; ich kannte auch kein Buch darüber und keinen Zeit­schriftenartikel. In mir lebte der große Wunsch, daß das, was bei den Anfängen des Christentums geschehen war, auch heute geschehen sollte.«

Roland Brown lebte damals in Chikago. Teilweise waren noch Nachwirkungen der großen Erweckung unter D. L. Moody, der dort so segensreich gewirkt hatte, vorhanden. Ist es möglich, daß die damalige Christenheit solch einen angeblich wesentlichen Aspekt der Verkündigung einfach außer acht gelassen hat?

Wer waren nun die Schlüsselleute für die Wiederentdec­kung dieser »verschollenen« Gabe? Cameron Peddie, schotti­scher Pfarrer der anglikanischen Kirche, nannte sein Buch, in dem er die Krankenheilung als bleibenden biblischen Auftrag vertrat, bezeichnenderweise »Die vergessene Gabe«. Er schreibt von seinen Wahrnehmungen der » Heilungskräf­te«:

»Der, der die Behandlung durchführt, ist sich dabei stets dessen bewußt, daß Kraft durch ihn strömt (wenn er dafür in seinem Inneren genügend empfänglich ist), und der Pati­ent spürt ein eigenartiges Hitze‑ oder Kältegefühl. Die Hitze, die an den kranken Stellen entsteht, ist manchmal so stark, daß der Patient die Bemerkung macht: >O, es brennt ja geradezu!<«

Aus welcher Quelle bezieht nun Cameron Peddie seine Gabe und seinen Auftrag? Bei ihm ist der spiritistische Einfluß ganz offensichtlich. Er gibt zu, wie er 1942 zu einem Medium ging:

»Allmählich schienen sich ihre Gesichtszüge zu wandeln und ein östliches Aussehen anzunehmen. Sie befand sich im Trancezustand … Wir hatten das Gefühl, in der Gegen­wart eines Engels zu sein ‑ gewiß nicht in der eines Teu­fels. Sie legte meiner Frau die Hände auf … Die spirituali­stischen Medien heilten im Namen und in der Kraft vertrau­ter Geister, die nicht unbedingt böse, aber körperlose Geister waren.«

Seine Berufung, den Heilungsauftrag in der Kirche wieder bekannt zu machen, spielte sich folgendermaßen ab:

»Ich sagte zu Gott: Vater, ich bin noch immer im Dunkeln … Wie kann ich da meinen Mitbrüdern den Heilungsauftrag recht weitergeben? Wenn ich mein Schlafzimmer betrete, werde ich die Bibel öffnen. Bitte laß die ersten Worte, die ich dort sehe, eine Botschaft sein, die mir Weisung gibt. …Ich zeigte mit dem Finger auf einen Vers und wollte ihn gerade lesen, als sich drei Seiten von selbst einzeln umblätterten, eine nach der anderen, als ob sie von einer unsichtbaren Hand bewegt worden wären.«

Diese Berufung zum Heilungsauftrag ist hier jenseits allen Zweifels eine mediale Steuerung, ein Werk verführerischer Geister, die gemäß 1 Tim 4,1 am Ende der Tage besonders aktiv sein werden.

Ein biblischer Heilungsauftrag?

Als Beleg für den Heilungsauftrag zitiert man die Passagen aus den Evangelien, nämlich Mt 10,5 ff. und Luk 10,9. Dies aber war vor Golgatha und stand ganz offensichtlich in Beziehung zu Israel (besonders Mt 10,5‑6). Im Missions­befehl von Mt 28, wo (ganz im Gegensatz zu Mt 10) aus­drücklich gesagt wird, nun unter alle Völker zu gehen, wird ein Heilungsauftrag dagegen mit keiner Silbe erwähnt.

Auch findet sich der vollendete Ratschluß für die Gemeinde nicht primär in den Geschichtsbüchern oder gar Evangelien (das Wort Gemeinde wird nur dreimal in den vier Evangeli­en erwähnt), sondern in den Briefen. Vom Römer‑ bis Judasbrief wird jedoch kein einziges Mal befohlen, daß die Gläubigen Kranke heilen sollen.

Warum wird bei der Evangeliumsverkündigung ‑ selbst in der Apostelgeschichte ‑ den Zuhörern immer nur Vergebung der Sünden angeboten und nie Heilung von Krankheiten angesprochen? Hätte dann nicht z. B. Petrus im Hause des Kornelius sagen müssen: »Von diesem bezeugen alle Pro­pheten, daß durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen« (Apg 10,43) und (nun in diesem Sinne fortfahrend) Heilung von ihren Krankheiten erfahren? Sollten die Apostel solch einen wesentlichen Bestandteil des Verkündigungsauftrags vergessen haben zu erwähnen?

Besonders der 1. Johannesbrief zeigt den Grund des Kom­mens unseres Herrn, erwähnt die Warnung vor Verführung und befiehlt das Prüfen der Geister. Dieser Brief zeigt die biblischen Kriterien für den Gläubigen. Dort nun, wo der Grund für Jesu Kommen erwähnt wird (1 Joh 3, Verse 5 und 8 usw.) steht diese Aussage immer in Verbindung mit der Sünde. Kein einziges Mal heißt es, daß Jesus erschienen sei, um die Kranken zu heilen. »Darin besteht die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns ge­liebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden« (1 Joh 4,10). Dies wäre eine sonderbare Auslassung, wenn es einfach für selbstverständlich erachtet werden sollte, daß die Gemeinde zu heilen hat.

George Bennett und seine Heilungserfahrungen

Auch George Bennett, Priester der anglikanischen High Church, verkündigt mit Berufung auf die gleichen Bibelstel­len den Heilungsauftrag. Auf der Rückseite seines Buches »Heilung brauchen wir alle«, heißt es bezeichnenderweise: »In unseren Tagen entdeckt die Kirche neu ihren Auftrag zu heilen.«

Es ist also nicht etwas, das immer schon durch die Jahrhun­derte der Kirchengeschichte praktiziert wurde, sozusagen seit Beginn der Gemeinde oder der Reformation, sondern etwas, das neu auf uns zukommt.

Zunächst sind George Bennetts Ansichten, die er in seinem Buch vertritt, eine Vermischung von Heilungsdienst und kirchlicher Sakramentslehre. Besonders aufschlußreich ist der Abschnitt seines Buches, wo er erläutert, wie man die Krankheiten erfühlen bzw. die Krankheitsherde mit den Händen feststellen kann. Wörtlich heißt es:

»Eine >andere< Empfindung mag auch die Fähigkeit sein, durch Intuition oder Berührung die kranken Stellen im Körper eines Leidenden ausfindig zu machen. Manchmal spürt der Ausübende in seinen Fingerspitzen, daß die Stel­len, die geheilt werden sollen, heiß sind oder sich >tot< anfühlen. Der >Heiler< weiß dann unwillkürlich, wie lange er seine Hände über dem kranken Körperteil halten sollte. Manchmal vibrieren seine Hände, wenn die schöpferischen Energien Gottes durch sie hindurchströmen. Später berichtet der Leidende vielleicht, daß er eine >Glutwelle< oder so etwas wie einen elektrischen Strom verspürte, der durch ihn hindurchlief. Ein derartiges Geschehen hat als solches keine Bedeutung; es ist nur die äußere Erscheinungsform des Wirkens der wirklichen Kraft im Innern ‑ obwohl es sehr beunruhigend sein kann, wenn es das erste Mal auftritt.«

Dies sind nun wiederum unzweifelhafte Symptome des Mediumismus, nicht des Wirkens des Heiligen Geistes. Interessanterweise erklärt George Bennett unmittelbar da­nach, wie sich diese »Gabe«, die Krankheiten mit den Händen zu erfühlen, auswirkt:

»Der >Heiler< spürt, daß er von dieser Kraft in eine ganz andere, wunderbare Welt versetzt wird, die sich nicht richtig erklären läßt. Er mag manchmal darüber erschrocken sein. und unsicher werden, … Auch stellt er fest, daß er selbst verwundbarer gegenüber den Verletzungen in seinem Leben und den Zugriffen des Bösen wird.«

Auch hier werden die Zusammenhänge durch solche Selbst­zeugnisse offensichtlich.

John Wimber und die »Dritte Welle des Heiligen Geistes«

Diese Wahrnehmungen einer Wärme bzw. Hitze werden auf­fallend häufig in dem von John Wimber herausgegebenen Buch »Die Dritte Welle des Heiligen Geistes« erwähnt. So schreibt seine Frau Carol über das Kommen des angebli­chen Heiligen Geistes.

»Aber ich wußte, daß Gott zu uns gekommen war. Ich war sehr glücklich, denn ich hatte so lange um Gottes Kraft gebetet. Ich hatte es mir etwas anders vorgestellt, aber Gott gab uns seine Kraft eben auf diese Weise. Ich stand auf, ging umher und hielt meine Hände in die Nähe der Men­schen, die auf der Erde lagen. Ich konnte die Kraft spüren, die von ihren Körpern ausging, es war so etwas wie Hitze oder Elektrizität.«

In diesem Zusammenhang erscheint erwähnenswert, daß auch Katholiken, die nun angeblich von der Himmelköni­gin Maria geheilt worden sind, die gleichen Begleitsym­ptome erleben. Ein gelähmter Mann, der in Lourdes geheilt wurde, berichtet, wie er am ganzen Körper eine starke Hitze verspürte. Danach konnte er aus dem Rollstuhl aufstehen.

Überrascht es da noch sonderlich, daß John Wimber in seinem Buch »Vollmächtige Evangelisation« sogar Lourdes im positiven Sinne anführt? Angeblich soll es ein Ort sein, wo Gottes zeichenhaftes Wunderhandeln erfahrbar ist.

In demselben Buch erklärt Amerikas bekanntester Heilungs­evangelist wörtlich:

»Manchmal bekomme ich Schmerzen in verschiedenen Teilen meines Körpers. Das zeigt mir an, welche Krankhei­ten Gott bei anderen heilen will.«

Auch dafür gibt es keine biblische Parallele, doch sind solche Phänomene den Geistheilern nur zu gut bekannt.

Aus dem Glauben an den persönlichen Gott der Bibel wird mehr und mehr die Wahrnehmung einer unpersönlichen Kraftwirkung, die sich in erster Linie physisch bemerkbar macht. In Wimbers Buch »Die Dritte Welle des Heiligen Geistes«, das übrigens eine wahre Fundgrube für solche Phänomene darstellt, berichtet seine Frau Carol:

»So ging John im Zimmer umher und betete für uns. Von seinen Händen strömte eine unglaubliche Kraft. Wenn er die Menschen berührte, fielen diese einfach um. Für John war es, als ob aus seinen Händen eine geistliche Kraft strömte, ähnlich wie Elektrizität. Es war das erste Mal, daß John tatsächlich fühlte, wie Kraft von ihm ausging.«

Wie oben dargelegt, mißachtet dieser Geist, der leider als Heiliger Geist angesehen und angesprochen wird, die Per­sönlichkeit bzw. die Selbstkontrolle des Menschen. So erzählt Carol von ihrem Mann gleich danach:

»John ging zum Kühlschrank, weil er ein Glas Milch trinken wollte. Während er sich die Milch einschenkte, sagte er: >Ich glaube, wenn man das Wort Gottes lehrt, dann wird der Heilige Geist …< John konnte seine Gedanken nicht mehr ausführen. Als er >der Heilige Geist< sagte, sackten ihm plötzlich die Beine weg, und er konnte sich gerade noch an der Theke festhalten. Die Milch spritzte überall herum. Er schaute überrascht und lachend zu mir hoch und sagte: >Ich glaube, wir werden noch einiges erleben, Carol Kay<.«

Hier noch ein weiteres Beispiel zu diesen Phänomenen der sogenannten »Dritten Welle« des Heiligen Geistes. Terry Virgo, Pfingstprediger aus England, schreibt über ein Ge­betstreffen in Südafrika:

»Während wir für sie beteten, fiel auf einmal mit Macht der Heilige Geist … Etliche fielen unter der Kraft Gottes zu Boden, und einige fingen heftig an zu zittern. Ein junger Mann wurde mit Macht auf dem Boden hin und her gewor­fen, er bewegte sich wie ein aufs Trockene geworfener, zappelnder Fisch. Es war undenkbar, daß er die körperlichen Verrenkungen selber machte. Seit jenem Abend hat sein Leben einen ganz neuen Glanz bekommen.«

Hier wird zugegeben, wie eine andere Kraft den Menschen kontrolliert.

Wie vermittelt nun John Wimber die Gabe der Heilung? Wir haben schon erwähnt, wie sich diese Kraft primär im seelisch‑körperlichen Bereich manifestiert. Lassen wir aus diesem mehrfach zitierten Bestseller »Die Dritte Welle …« jemanden zu Worte kommen, der dies buchstäblich am eigenen Leibe erfahren hat.

Unter dem bemerkenswerten Titel »Darüber kann man lachen«, schildert der Neuseeländer Murray Robertson seine Ausrüstung für den Heilungsdienst folgendermaßen:

»>Alle, die der Herr zum Dienst der Heilung beruft, werden an ihrem Körper eine Reaktion merken<, fuhr John Wimber fort. >Wenn Sie dies merken, dann kommen Sie nach vorne, und wir werden für Sie beten.< …Da begann meine rechte Hand plötzlich stark zu zittern, so als ob sie einen Preßluft­bohrer festhalten würde… Darum ging ich nach vorne. Für alle, die nach vorne gekommen waren, wurde gebetet … In mir stieg ein Lachen auf, doch da der Augenblick dafür völlig unpassend war, unterdrückte ich es. >Der Geist wird in Wellen kommen<, sagte Wimber, >jede neue Welle wird mehr Menschen mit hineinnehmen als die vorherige.< In den ersten Reihen fingen einige Menschen an zu lachen … Diejenigen, die gelacht hatten, wurden still ‑ bis auf mich. Ich konnte einfach nicht aufhören. Und schließlich konnte ich auch nicht mehr stehen! Ich fiel zuerst nach vorne, dann nach hinten, und zum Schluß lag ich auf dem Boden, rollte hin und her und hielt mir vor Lachen die Seite. Inzwischen war ich umringt von Zuschauern, ich lieferte eine gute Unterhaltungsshow! … Ich lachte etwa eine dreiviertel Stun­de lang. Als ich schließlich aufhörte, kam ein Kollege, ein sehr guter Freund von mir, legte mir die Hand auf den Kopf und sagte: >Herr, gib ihm noch mehr davon< ‑ und ich mußte noch einmal eine dreiviertel Stunde lang lachen! Dann flehte ich ihn an, nicht mehr für mich zu beten, meine Rippen schmerzten schon von all dem Lachen!«

Der Brite H. E. Alexander, Gründer der Action Biblique, schrieb schon vor Jahrzehnten über die Phänomene des christlichen Spiritismus unmißverständlich deutlich – fast zu deutlich, jedoch für das gerade Zitierte möglicherweise nicht übertrieben:

»Hast du noch nie starke, physisch seelische Empfindun­gen, Verzückungen und seelisch geistliche Gemütserregun­gen gehabt? Hat dich ein außergewöhnliches Zittern befal­len? Wurdest du zur Erde geworfen und bliebest auf deinen Knieen liegen oder krochest du herum, indem du glaubtest, unter der Wirkung des Heiligen Geistes zu stehen? Sei versichert, daß in diesem Augenblick Satan von deinem Körper ganz oder teilweise Besitz genommen hat, der damit ein Medium des Geistes >des Engels des Lichts< wurde … Dabei wähnst du, daß die, welche dich vor dieser schreckli­chen Gefahr warnen, gegen den >Heiligen Geist sündigen<, indem sie sich dem Wirken Gottes entgegenstellen. Dein Leben steht in direkter Verbindung mit der Dämonenwelt und dies im Namen Gottes!«

Es war Prof. Peter Wagner, der John Wimber zu Vorlesun­gen am Fuller Theological Seminary (Kalifornien) berief. Nach dem theoretischen Teil wurde der Heilungsdienst gleich praktisch ausgeführt. John Wimbers Einfluß hat dadurch eine viel größere Plattform erhalten. So nahm an diesen Kursen auch der angesehene christliche Psychiater Dr. John White teil, Autor vieler einflußreicher und erfolg­reicher Bücher. Leider beweist auch er wenig Unterschei­dungsvermögen, wenn er über die Heilung des verletzten Beines eines Studenten im positiven Sinne berichtet: »Der junge Mann hatte sein Gesicht erhoben, es glänzte ein wenig von Schweiß. Die Augenlider zuckten. Nach einer Weile begannen sein Kopf und seine Oberarme zu zittern, zuerst nur leicht, dann immer stärker. Schon bald zitterte sein ganzer Körper, und zwar so stark, daß man befürchten mußte, er würde das Gleichgewicht verlieren und zu Boden stürzen. Seine Krücke polterte zu Boden, und zwei Studenten liefen zu ihm, um ihn vorsichtig auf den Boden zu legen, wo er noch stärker zu zittern begann… Inzwischen schlug das rechte Bein des jungen Mannes in alle Richtungen aus und gab dabei einer Aktenmappe einen kräftigen Schubs, so daß diese über den Boden rutschte. Ich machte mir Sorgen, weil das linke Bein (das ich fälschli­cherweise für das verletzte hielt) angewinkelt unter dem Bein lag, das wild hin und her zuckte. Ich bat die Studen­ten, die am nächsten bei dem jungen Mann saßen, das Bein vorsichtig unter dem anderen wegzuziehen. Als sie dies versuchten, wurden sie scheinbar ebenfalls von dem Zittern ergriffen, so daß sie meiner Bitte nicht nachkommen konn­ten. Nach fünf bis sieben Minuten hörte das Ganze wieder auf …«

Der vorhin erwähnte Dr. Peter Wagner ist Professor für Gemeindewachstum am Fuller Theological Seminary »School of World Mission«, Pasadena, Kalifornien. Seine Arbeiten zum Thema Gemeindewachstum sind so zahl‑ und einflußreich, daß man ihm schon den Namen »Mr. Church Growth« (Mr. Ge­meindewachstum) gegeben hat. Der Einfluß von Peter Wagner auf die weltweite evangelikale Bewegung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Nun liest man bereits in seinem Beitrag zu dem schon mehrfach zitierten Buch von John Wimber »Die Dritte Welle des Heili­gen Geistes« eher merkwürdige Dinge. Zunächst meint er, besonders im Visier Satans zu sein:

»Der Herr hatte mich nämlich auch wissen lassen, daß ich auf Satans schwarzer Liste ziemlich weit oben stände. Im Januar 1983 wurde nach einem Seelsorgegespräch mit John Wimber die Kraft eines bösen Geistes gebrochen, der mir seit Jahren Kopfschmerzen verursacht hatte, die mich sehr behinderten. Im März versuchte der Teufel, mich zu töten, indem er mir eine Leiter unter den Füßen wegzog. Aus drei Meter Höhe fiel ich mit dem Kopf zuerst auf den Betonboden.«

Unmittelbar danach nahmen die angeblichen Geisterangriffe noch sonderbarere Formen an:

»Dieses Ereignis weckte in uns die Vermutung, daß der Feind böse Geister in unser Haus geschickt hatte. Dies bestätigte sich später, als meine Frau Doris in unserem Schlafzimmer tatsäch­lich einen solchen Geist sah.

Dieser Mann versucht nun dank seines großen Einflusses, die Prinzipien des Heilungsdienstes und Gemeindewachstums ‑ verbunden mit Zeichen und Wundern ‑ in die von der charisma­tischen Bewegung noch nicht tangierten Kreise systematisch einzuschleusen. Sein letztes Buch, »How to Have a Healing Ministry Without Making Your Church Sick« (Regal, 1988), behandelt wiederum das Thema Heilungsdienste und wie diese von den Gemeinden in die Praxis umgesetzt werden können. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel »Der gesunde Aufbruch« (Wolfgang Simson Verlag, 1989).

In einer jüngsten Veröffentlichung behandelt nun Peter Wag­ner das Thema »Territorial spirits and world missions«, wo er sich besonders mit dämonischen Aktivitäten in Zusammenhang mit der Ausbreitung des Evangeliums auseinandersetzt. Dieser Artikel enthält manch Richtiges und zu Beherzigendes. Aller­dings finden sich auch eine Menge absonderlicher Berichte und Begebenheiten. So erzählt Peter Wagner von einer Südameri­kanerin namens Rita Cabezas, deren Dienst darin besteht, die Namen der Hierarchie Satans zu erforschen.

»Ich werde nicht ihre Methoden beschreiben, nur möchte ich erwähnen, daß alles mit ihren umfangreichen Psychologischen- ­und Befreiungspraktiken seinen Anfang nahm und später sich bis zum Empfang von Worten der Erkenntnis und Offenbarung entwickelte. Sie entdeckte, daß direkt unter Satan weltweit sechs Fürstentümer stehen, namens Damian, Asmodeo, Men­guelesh, Arios, Beelezebub und Nosferasteus. Unter jedem, so berichtet sie, sind sechs Regenten für jedes Land.«

Dann werden u. a. auch die sechs Namen der für die USA zuständigen Regenten aufgezählt, die angeblich folgendermaßen lauten: Ralphes, Anoritho, Manchester, Apolion, Devil­took und ein Ungenannter.

Hier meint man offensichtlich, die Tiefen Satans erkannt zu haben (Offb. 2, 24).

Vollends offenbar aber wird der fromme Spiritismus bei folgen­dem Bericht, den Peter Wagner im Zusammenhang mit dem berüchtigten »Bermuda Dreieck« zustimmend wiedergibt:

»Kenneth McAll verbrachte viele Jahre als Missionsarzt in China und kehrte danach nach England als beratender Psychia­ter zurück. In China begann er einen Befreiungsdienst und engagierte sich durch umfangreiche Untersuchungen und Ver­öffentlichungen zu diesem Thema. 1972 fuhren er und seine Frau mit dem Schiff durch das Bermuda Dreick. Viele Schiffe und Flugzeuge waren dort spurlos verschwunden, aber sie dachten, daß so etwas ihnen nicht widerfahren könne. Es geschah. Ein gewaltiger Sturm überwältigte sie, doch glücklich­erweise wurden sie gerettet. McAll entdeckte durch seine Nachforschungen, daß im Bermuda Dreieck Sklavenhändler an die zwei Millionen Sklaven, die entweder zu krank oder zu schwach waren, um verkauft werden zu können, über Bord geworfen und danach noch Versicherungsgelder für sie einge­strichen hatten. Er hatte den Eindruck, daß Gott ihn anleitete, etwas zu unternehmen. McAll versammelte mehrere Anglika­nische Bischöfe, Priester und andere in ganz England, um eine Jubiläums‑Eucharistiefeier im Jahre 1977 abzuhalten. Eine andere wurde kurz danach auf der Bermudainsel selber gefei­ert. Die erklärte Absicht war, >die spezielle Befreiung all derer zu erlangen, die ein unzeitgemäßes Ende im Bermuda Dreieck erfuhren<. Als Resultat davon wurde der Fluch aufgehoben. McAll berichtete 1982, >Von dem Zeitpunkt der Jubiläumsmes­se bis jetzt ‑ 5 Jahre ‑ hat sich kein unerklärlicher Unfall im Bermuda Dreieck ereignet<.

Gemeindewachstum und geistliche Kampfführung vorangetra­gen durch Messen für Verstorbene?

Inzwischen bekam Peter Wagner nicht nur das Charisma der Krankenheilung, sondern auch die besondere Gabe, zu kurze Beine verlängern zu können. Seine Geistestaufe erhielt er bei Yonggi Cho, von dem im »Dictionary of the Penetecostal und Charismatic Movements« berichtet wird, daß ihm bei seiner Bekehrung Jesus als Feuerwehrmann erschien.

Yonggi Cho ist Koreaner und Pastor der größten Kirche der Welt. Sein Bestseller »Die vierte Dimension« ist aber eher, wie Dave Hunt eindrücklich aufzeigt, eine Apologetik des Okkul­tismus bzw. christlich verbrämtes Schamanentum denn bibli­sches Christentum. So schrieb die englische Zeitschrift » Sword & Trowel« einen ganzen Artikel über Yonggi Chos Heilungstechniken unter der Überschrift »Occult healing bu­ilds the world’s largest church« (Okkultheilung baut die größte Kirche der Welt).

Ähnlich äußert sich Hank Hanegraaff. In seinem neuerschiene­nen Buch » Christianity in Crisis« stellt er unumwunden fest:

»Chos Vorstellung des vierdimensionalen Denkens ist nichts anderes als Okkultismus. In seinem Bestseller >Die vierte Dimension< offenbart Cho sein Abweichen von der histori­schen christlichen Theologie und sein Eindringen in die Welt des Okkultismus.«

Der Einfluß von Agnes Sanford

Als Schlüsselfigur für die Wiedereinführung der Heilungs­dienste in die Hauptgruppierungen der amerikanischen Chri­stenheit gilt Agnes Sanford. Vielleicht gibt es kaum eine Frau in diesem Jahrhundert, die einen so großen Einfluß auf die heutige Christenheit in Amerika ausübte, wie diese Lehrerin und Autorin vieler erfolgreicher Bücher. Sie ist die entscheidende Wegbereiterin zur Ausbreitung der »vergesse­nen Gabe«.

Francis MacNutt, ein katholischer Pater, wurde ebenfalls durch Agnes Sanford zu diesem Heilungsdienst motiviert. Er war einer der ersten Katholiken, der sich in der charis­matischen Erneuerung engagierte und einer der ersten, der Gebet für Heilung in Gebetsgruppen praktizierte. Er schreibt dazu:

»Diese Schulen wurden von Pastor Ted Sanford und seiner Frau Agnes gegründet, um die Geistlichen davon zu über­zeugen, daß der Heilungsdienst Teil des normalen Auftrags eines jeden Pastors sein sollte. Obwohl ihr Gatte vor ein paar Jahren starb, hat Frau Sanford das Werk des Unter­richts weitergeführt und ist vielleicht mehr als jeder andere für die Erneuerung des Heilungsdienstes in den großen Denominationen Amerikas verantwortlich.«

In ihrem Buch über die Heilungsgaben des Geistes schreibt sie:

»Beim Zungenreden wird nun diese Macht, die im Unbe­wußten aller Menschen verborgen liegt … zum Leben er­weckt, so daß das Unbewußte Verbindung aufnehmen kann mit dem Unbewußten eines anderen, der irgendwo auf dieser Erde lebt, oder mit jemandem, der früher hier gelebt hat oder erst in der Zukunft leben wird …«

In einem weiteren bedeutenden Werk, »Heilendes Licht«, wird die spiritualistische Verstrickung, die fromme Verbun­denheit mit Totengeistern, noch offensichtlicher.

»Auch die >Geister der vollendeten Gerechten<, für die wir vielleicht gebetet haben, als sie noch auf Erden waren, sind Gegenwart (Hebr 12) und wirken durch uns, denn die Brüc­ken, die von Geist zu Geist gebaut werden, dauern über den Abgrund des Todes hinüber … In der Bitte um sein Kommen und in der Mitarbeit der anderen »Heiligen« erleben wir einen Machtzustrom. Viele von uns empfinden ihn als einen wirklichen Strom voller Leben, der ins Inner­ste des Körpers dringt und durch das Rückgrat aufwärts steigt. Er ist so kräftig, daß wir gezwungen sind, uns ganz gerade zu halten und ganz leicht und ruhig zu atmen. Für eine kleine Weile können wir vielleicht auch nicht sprechen … Diese Fülle muß weitergegeben werden.«

Wie sich die Heilungsmethoden dieser Frau auswirken, kann man wiederum in dem Buch »Die Dritte Welle des Heiligen Geistes« nachlesen. Mike Flynn, Priester einer Episkopalkirche in Kalifornien, schreibt im Zusammenhang mit Agnes Sanford:

»Es gab einige Dinge, die mich beunruhigten, und ich beschloß, Agnes Sanford aufzusuchen … Agnes, die hinter meinem Stuhl stand, sagte, sie würde trotzdem für mich beten. Sie ließ mich wissen, daß sie beim Beten zitterte. Ich sollte mich davon nicht stören lassen. Sie legte mir die Hände auf den Kopf und war eine Weile still.«

Danach praktiziert er die typischen Visualisierungen, wo der Jesus des Wortes durch einen Jesus des Bildes bzw. der Vorstellung ersetzt wird. Eine Frau, die mit Schwierig­keiten und Problemen zu ihm in die Seelsorge kommt, wird folgendermaßen »geheilt«:

»Ich hatte mir angewöhnt, mir Jesu Gegenwart bildlich vorzustellen. Überall, wo ich war, konnte ich ihn auf dem Thron sitzen sehen. So blickte ich zu Jesus. Er erhob sich von seinem Thron, kniete sich neben die Frau, legte den rechten Arm um ihre Schulter, griff mit seiner Linken in ihr Herz und holte etwas heraus, das wie eine schwarze, gallertartige Masse aussah. Diese Masse tat er in sein eige­nes Herz, wo sie schrumpfte, bis sie sich in nichts auflöste. Dann griff er erneut in sein Herz und holte eine weiße Masse heraus, die er vorsichtig in das Herz der Frau legte, an die Stelle, wo vorher die dunkle Masse gewesen war. Schließlich wandte sich Jesus mir zu und sagte: >Tu das< … Innerhalb der nächsten Jahre betete ich in ähnlicher Weise für Hunderte von Menschen und lehrte viele diese Art des Gebets.«

Diese Methode der »Inneren Heilung« bzw. Visualisierung, nämlich die Überzeugung, daß man durch eine bildliche Vorstellung Jesu seiner göttlichen Kräfte teilhaftig wird, hat durch Agnes Sanford eine überaus große Verbreitung gefunden. Dave Hunt legt in seinem Bestseller >Die Verfüh­rung der Christenheit< dar, wie diese Visualisierungstechni­ken der heidnischen Welt und besonders den Schamanen bekannt sind und einen direkten und schnellen Zugang in die Geisterwelt vermitteln. Abgesehen davon, daß es un­denkbar ist, daß der erhöhte Herr, vor dem sich einmal alle Kniee beugen müssen, nun selber vom Thron herabsteigt und sich bei einer Frau hinkniet.

Diese Methode der Visualisierung empfiehlt auch Richard Forster in seinem vielgelesenen Buch »Nachfolge feiern«. Beispielsweise soll man sich vorstellen, wie man seinen Leib verläßt und immer tiefer in den Weltenraum ver­schwindet, bis man schließlich nur noch in der warmen Gegenwart des ewigen Schöpfers verweilt. Richard Forster aber gehört zu den vielen Bewunderern von Agnes Sanford. Er schreibt:

»Agnes Sanford und mein lieber Freund, Pfarrer Bill Vas­wig, haben mir sehr geholfen, die Bedeutung der Phantasie für die Fürbitte besser zu verstehen.

In dem Buch »Nachfolge feiern« finden sich auch sehr empfehlenswerte Passagen, doch tragisch ist wiederum die teilweise vorhandene Naivität gegenüber Strömungen und Gestalten, die die Gemeinde Gottes zerstörten und verfolg­ten. So empfiehlt er die Exerzitien des Ignatius von Loyola, des Gründers des Jesuitenordens, und versteigt sich sogar zu der Behauptung:

»Sein (Ignatius, Anm.) dünnes Büchlein über Meditations­übungen mit seiner Betonung der Phantasie (imagination) hatte einen unglaublich positiven Einfluß zum Guten im 16. Jahrhundert.«

In diesem Jahrhundert aber begann dank Ignatius von Loyo­la und seiner Jesuiten die Gegenreformation, in deren Folge Abertausende von Nachfolgern Jesu getötet wurden.

Jedenfalls sind durch Agnes Sanfords übergroßen mediumi­stischen Einfluß fast alle charismatischen Kreise, die Hei­lung propagieren, durchsäuert worden. So war sie eine beliebte und häufige Sprecherin bei Camp Farthest Out, dessen internationaler Direktor der oben erwähnte Roland Brown war. Auch Larry Christenson verdankt seine neop­fingstlichen Impulse wesentlich dem Buch »Heilendes Licht«, wie er im Vorwort zur deutschen Auflage anerken­nend schreibt.

Arnold Bittlinger, zusammen mit Larry Christenson der Vater der charismatischen Bewegung auf deutschem Boden, veröf­fentlichte in seiner Schrift »…und sie beten in anderen Sprachen« einen Artikel von Agnes Sanford unter dem Titel »Erfahrungen mit dem Sprachenreden.«

In dem Gaben‑Test von Christian Schwarz wird unter dem Charisma der Auslegung des Zungenredens Agnes Sanford als Autorität für die Existenz dieser Gabe zitiert. Dies ist nur eines von etlichen Beispielen bei diesem Test, wo man bezüglich der diakritischen Gabe dieser Gemeindewachstums­strategen größte Fragezeichen setzen muß.

Körperliche Heilung empfiehlt auch Morton Kelsey, der mit Agnes Sanford eng verbunden war. Eines seiner Hauptwerke trägt den Titel » Healing and Christianity« (Heilung und Chri­stentum). Kelsey gibt zu, wie ihm seine Methode durch das Studium von C. G. Jung erwachsen ist. Jungs wissenschaftliche Karriere aber begann durch spiritistische Sitzungen mit seiner Cousine Helly Preiswerk. Kelsey empfiehlt sogar den Kontakt mit Verstorbenen.

»Dank Jungs Eintreten für die aktive Phantasie und seinem Verständnis der Toten, die in Wirklichkeit weiterleben, konnte ich dieses besondere Zusammentreffen mit meiner (toten) Mutter erleben … es erschien mir alles ganz echt.«

Was ist dann von John Wimbers Unterscheidungsgabe zu halten, wenn auf seinen Büchertischen die Werke von Agnes Sanford und Morton Kelsey zum Verkauf angeboten werden? Ja, er preist sogar dieses zutiefst mediumistische Werk >Heilendes Licht< in seinem jüngst erschienen Buch>Heilungsdienst praktisch< als »den Klassiker unseres Jahrhun­derts über die Thematik der göttlichen Heilung« an.

Übrigens greift auch Arnold Bittlinger in der bereits genann­ten Veröffentlichung unter der Überschrift »Glossolalie ‑ psychologisch betrachtet« Morton Kelsey positiv auf.

»In der Schule C. G. Jungs wird die Glossolalie erklärt als eine Sprache, die aus dem Kollektiv‑Unbewußten kommt. So schreibt z. B. der Jung‑Schüler Prof. Morton Kelsey: >Bei der Glossolalie geschieht ein echtes Bewußtwerden von Inhalten, die aus den tiefsten Schichten des Kollektiv‑Unbe­wußten kommen.< (M. Kelsey, Tongue Speaking, New York 1964, S. 199).«

Bittlinger weiter:

»Nach dieser Meinung wäre also das Sprachenreden ein Ausdruck des Kollektiv‑Unbewußten, das die gesamte Menschheit miteinander verbindet. Dies war auch mein Eindruck, als ich zum ersten Mal dem Phänomen des Spra­chenredens begegnete. Dadurch könnte auch das Phänomen der Xenoglossia erklärt werden.«

C. G. Jung aber hat seine Lehre von dem Kollektiv‑Unbe­wußten bzw. den damit verbundenen Archetypen, wie oben kurz erwähnt, aus spiritistischer Literatur abgeleitet. Der nicht unbedeutende Einfluß von C.G. Jung, nach all den positiven Erwähnungen führender Leute der Neopfingstbewe­gung überrascht es auch keineswegs, wird von charismati­scher Seite offen zugegeben: »C.G. Jung spielt bei vielen Verantwortlichen der charismatischen Erneuerung eine wich­tige Rolle.«

Eingedenk der Tatsache, daß durch Arnold Bittlinger die charismatische Bewegung in Deutschland Fuß faßte, stellt sich erneut die Frage, um welchen Geist es sich bei dieser Bewegung handelt, wenn hier ohne Bedenken Personen als Autoritäten herangezogen werden, die sich offenkundig aktiv mit dem Spiritismus befaßt haben.

Diese Vermischung mit unbiblischen Strömungen wird durch eine jüngste Veröffentlichung von Arnold Bittlinger noch deutlicher.

Um einen Eindruck von der Schlüsselrolle und Lehrauffassung zu vermitteln, die sich mit dieser Person verbinden, möchte ich noch zwei Zitate voranstellen. So schreibt Wolfram Kopfer­mann:

»Ein eigenes Schrifttum der evangelischen Gemeinde‑Erneue­rung ist noch im Entstehen begriffen. Hinzuweisen ist bisher auf einige Veröffentlichungen von Arnold Bittlinger, vor allem zum Gesamtgebiet der Charismen, speziell auch zum Thema Sprachengebet, die als Standardwerke gelten. Überhaupt kommt Bittlinger das Verdienst zu, schon in den sechziger Jahren die Anliegen der charismatischen Bewegung theolo­gisch so reflektiert und dargelegt zu haben, daß sie von vielen sonst kritischen deutschen Zuhörern bzw. Lesern aufgenom­men werden konnten.«

Zum Phänomen des Zungenredens erklärt Arnold Bittlinger:

»Glossolalie ist sehr häufig das Phänomen, durch das Menschen Zugang zur Dimension des Charismatischen finden …. Im Privatgebet spielt die Glossolalie innerhalb der Charismati­schen Bewegung eine bedeutende Rolle. Millionen von Chri­sten, darunter viele Pfarrer, Priester und Bischöfe, haben durch die Glossolalie Zugang zu einem verinnerlichten Beten gefun­den ‑ ohne daß sie diese Gabe in einem öffentlichen Gottes­dienst praktizieren. Man kann deshalb zweitens sagen: >Ohne Glossolalie gäbe es keine Charismatische Erneuerung<.

»In Verbindung mit meiner Forschung im Bereich der Charis­matischen Erneuerung, der ökumenischen Spiritualität und der Tiefenpsychologie, bin ich allmählich in Verbindung mit nicht­christlichen geistlichen Erfahrungen und Praktiken ge­kommen.

Seit 1962 habe ich Forschungen über die Charismatische Er­neuerung angestellt. Ich war ein Mitglied des inneren Teams im Dialog zwischen der römisch‑katholischen Kirche und der pfingstlich/charismatischen Erneuerungsbewegung. Ich war auch als Berater für die charismatische Erneuerung beim Weltkirchenrat tätig.

Im Zuge meiner Nachforschungen begann ich mich für die afrikanischen unabhängigen Kirchen zu interessieren, wo ich eine harmonische Vermischung von traditionellen afrikani­schen und christlichen Elementen vorfand. Als ich entdeckte, daß viele charismatische Elemente dieser Kirchen ihre Wurzel in vorchristlichen Traditionen hatten, begann ich auch nach charismatischen Elementen in anderen Religionen Ausschau zu halten. Ich entdeckte, daß vor allem die Charismata der >Heilung< und der >Prophezeiung< in solchen Religionen manchmal überzeugender waren als in der charismatischen Erneuerungsbewegung ‑ wenigstens soweit sie von der nordamerikanischen Art des Christentums beeinflußt ist. Im Scha­manismus fand ich faszinierende Parallelen zu dem Dienst Jesu, den ich immer mehr als einen Archetypus des Schamanen erkannte. Bezüglich »Heilung« war ich besonders beeindruckt durch den ganzheitlichen Zugang zur Heilung, den ich unter den Indianern fand. Das hat mich motiviert, zu solch einem Zugang auch für unsere christlichen Heilungsdienste Mut zu machen.

Bezüglich >Prophetie< bin ich beeindruckt von Erfahrungen im Hinduismus. Einige unserer europäischen >Propheten< ent­deckten und entfalteten ihre prophetische Gabe unter dem Einfluß von indischen Gurus. Auch andere charismatische Erfahrungen haben ihre manchmal eindrücklichen Entspre­chungen in anderen religiösen Traditionen (z.B. >Beten im Geist< im Japa Yoga). Ich bin davon überzeugt, daß die charismatische Erneuerungsbewegung noch bedeutender wird ‑ besonders für die Mission der Kirche ‑ wenn sie auch die charismatischen Gaben von anderen Religionen ernst nimmt.

Seit 1966 habe ich in der Arbeit einer ökumenischen Akademie mitgewirkt, die auch mit einer ökumenischen Kommunität verbunden ist. Ein Hauptanliegen dieser Arbeit besteht darin, eine ökumenische Spiritualität zu entwickeln. Aber wir waren auch an der Spiritualität anderer Religionen interessiert. So hatten wir beispielsweise eine Konferenz zu dem Thema der Bedeutung von Abraham als eine Wurzel des Glaubens im Judaismus, Christentum und Islam und auch eine Konferenz über afrikanische, indische und jüdische Spiritualität mit Refe­renten dieser Traditionen. Wir hatten auch Konferenzen über das chinesische I Ging und das Tibetanische Bardo Gödol (Tibetanische Totenbuch, Anm.). Aber unser Hauptanliegen ist, zu unseren eigenen keltischen und alemannischen Traditio­nen zurückzugehen und sie wiederum zu beleben, um sie in unseren christlichen Glauben integrieren zu können.« – Soweit A. Bittlinger –

Nun werden sich zweifellos die meisten Charismatiker von solchen Aussagen distanzieren. Auch Wolfram Kopfermann lehnt diesen Synkretismus entschieden ab. Dennoch ist die Entwicklung Bittlingers fast ein Paradebeispiel für die Manife­station des verführerischen Geistes dieser Strömungen und für die damit verbundene Öffnung zu immer bibelfremderen Quel­len. Erst sind die charismatischen Erfahrungen im evangelikal­protestantischen Lager scheinbar bibeltreu verpackt. Dann entdeckt man auf einmal bereichernde spirituelle Elemente in der katholischen Kirche, danach in der Liturgie der orthodoxen Kirche und letztlich findet man ähnliche oder identische » Spiri­tualität« in anderen Religionen und heidnischen Kulten über die gemeinsame religiöse Erfahrung. Über charismatische Auf­brüche führt es in den ökumenischen Dialog, schließlich zurück zur katholischen Kirche und danach ins reine Heidentum.

Wunderheiler

Auch Oral Roberts verkündigt ganz entschieden den Hei­lungsauftrag. Schon seit Jahrzehnten hält er seine Heilungs­feldzüge. Er hat sich allerdings durch seine Methoden, den Leuten Spendengelder aus der Tasche zu ziehen, mehr als ein Wolf im Schafspelz denn als demütiger Diener Christi ausgewiesen. So verschickte er Gebetstücher und sogar »heiliges Wasser«, das richtig angewandt alle möglichen Probleme heilen sollte.

William Branham erschien ein Engel, angeblich aus der Gegenwart Gottes, der ihm mitteilte, er habe die Gabe der Glaubensheilung. Branham leugnete die Trinität und glaubte, daß uns das Wort Gottes in dreifacher Weise gegeben sei: Durch den Tierkreis, durch die ägyptischen Pyramiden und durch die Heilige Schrift.

Er war einer der entschiedensten Verfechter der notwendi­gen Heilung und Übertragung des Geistes durch Handauf­legung. Er hatte unglaubliche Heilungskräfte und spürte oft Hitze in den Händen, wenn er die kranke Seele berührte. Durch seine starken okkulten Fähigkeiten konnte er bei Leuten, die er überhaupt nicht kannte, ihre Krankheiten wie Sünden durch mediale Eingebung erkennen. Die Bewegung, die ihm am meisten ihre organisatorische Basis zur Verfü­gung stellte, waren die »Geschäftsleute des vollen Evangeli­ums« (GdvEI).

Als Branham starb, schrieb Demos Shakarian, der Gründer der GdvEI: »Rev. Branham machte öfters die Feststellung, daß die einzige Gemeinschaft, der er angehörte, die der GdvEI war.«

Sicherlich ließe sich noch manch anderes aufschlussreiche Beispiel anführen. Doch praktisch ausnahmslos stößt man auf dasselbe Grundmuster.

Greift man durch diese Lehren und Praktiken des Heilungs­auftrages nicht auf Quellen zurück, die womöglich höchst gefährlich sind? Nach Offb 13, Vers 3 wird einmal ein Heilungswunder in aller Welt Munde sein: Der antichristli­che Übermensch wird von einer tödlichen Wunde geheilt, worüber alle Welt verwundert sein wird. Ein Blick in die weltliche Literatur verrät, daß das Thema Heilung, beson­ders im Rahmen von New Age, die beherrschende Thematik ist. Die Hexen behandeln in ihren Seminaren ganz selbstverständlich Themen wie: Intuition, Prophetie, geistige und spirituelle Heilung. Geschieht hier womöglich eine eschato­logische Hinführung zu den übernatürlichen Manifestationen des kommenden Verführers (Offb 13,13‑14), und zwar sowohl im weltlichen wie im christlichen Bereich? Wir erleben ja in unseren Tagen einen wahren Dammbruch des Spiritismus. Die Tageszeitung »Die Welt« spricht sogar davon, wie »der Satan das Lebensgefühl dieser Generation verkörpert«. Das Totenreich hält machtvollen Einzug.

So erklärte John Wimber in einer Botschaft an seine Gemein­deglieder vor kurzem:

»Es werden Männer auftreten, die den Herrn Jesus Christus gesehen haben und die die Zeichen und Wunder eines Apostels tun werden. Wir haben Männer dieser Art seit dem ersten Jahrhundert nicht gehabt. Doch wenn Gott dies zu Beginn verwendet hat, warum soll er es nicht am Ende gebrauchen?… Weiter wird es ein neues Verständnis des Übernatürlichen geben. Engelerscheinungen werden in Versammlungen zum Normalen gehören und auch der Herr selbst wird in den kommenden Monaten und Jahren erscheinen. Hei­lungen werden so selbstverständlich werden, daß sogar Kinder imstande sein werden, sie auf regelmäßiger Basis durchzufüh­ren… sogar Auferstehungen von den Toten werden zum Allge­meingut werden… Ihr werdet Heilungsevangelisten erleben, die ihre Hände hochheben und Licht wird aus ihren Händen hervorgehen. Wenn dieses Licht irgend jemanden trifft, der krank ist, dann wird er sofort geheilt sein. Ihr werdet amputier­te Arme und Glieder nachwachsen sehen, wenn das Licht aus der Hand des Evangelisten sie trifft.«

Teilnehmer an den Kongressen mit John Wimber und Reinhard Bonnke berichten von starken psychischen Erfahrungen wie Ruhen im Geist, Berauschung, unerhörtes Glücksgefühl, »La­chen und Weinen im Geist« usw. Ist John Wimbers »Dritte Welle« und die Begleiterscheinungen von anderen Heilungs­evangelisten etwas Neues?

Den Befürwortern dieser »Power‑Evangelisationen« soll nicht eine Passage vorenthalten werden, die in dem Klassiker über geistliche Verführung »War on the Saints« nachzulesen ist. Unter der Thematik, wie sich ein falscher Geist auch unter Kindern Gottes während der Verkündigung manifestieren kann, berichten die Autoren Evan Roberts (das begnadete Werkzeug der Erweckung von Wales) und Jessie Penn‑Lewis mit zum Teil verblüffender Vorwegnahme aktueller Ereignisse:

»Die Mehrzahl der Anwesenden mag die eingeschlichene Mi­schung gar nicht erkennen. Einige fallen zu Boden, unfähig, die spannende Erregung länger zu ertragen. Andere werden von einer übernatürlichen Gewalt umgeworfen. Und wieder andere fangen an, ekstatisch zu schreien. Der Redner verläßt die Plattform und geht an einem jungen Mann vorüber, der sich eines Gefühls der Berauschung bewußt wird, das ihn lange nicht loslässt. Mehrere lachen in einem Überschwall der Selig­keit. Einige haben wirklich Hilfe und geistlichen Segen durch die Auslegung des Gotteswortes erhalten und das durch die ungetrübte Wirkung des Heiligen Geistes, ehe dieser >Höhe­punkt< erreicht wurde. Aus diesem Grund nehmen sie nun die nachfolgenden seltsamen Erscheinungen als >von Gott< hin. Sie können nicht die zwei total verschiedenen >Strömungen< durch denselben >Kanal< unterscheiden. Zweifeln sie die Ausartun­gen an, so fürchten sie, gegen ihre innere Überzeugung zu kämpfen, die ihnen sagt, daß der Anfang göttlich war. Andere wissen wohl, daß ihr geistliches Urteil die besagten Kundge­bungen ablehnen muß, aber um des erhaltenen Segens willen unterdrücken sie ihre Bedenken und sagen: >Wir können zwar diese körperlichen Erscheinungen nicht verstehen. Aber es ist nicht nötig, alles zu verstehen, was Gott tut. Wir wissen nur, daß die Verkündigung der Wahrheit von Gott war und unserem Bedürfnis entsprach. Niemand kann die Aufrichtigkeit und die reinen Motive des Redners in Frage stellen… darum, obgleich wir das Übrige nicht verstehen und zugeben, daß es uns abstößt, dennoch muß alles von Gott sein.< Dieses Streiflicht beleuchtet den Zustand der Mischung, in den z.B. die Gemein­de seit der Erweckung in Wales geraten war; denn beinahe ohne Ausnahme hat sich in jedem Land, wo neues Leben durchbrach, nach kurzer Zeit ein verführerischer Geist mit dem wahren vermengt. Und ebenso wurde beinahe ohne Ausnahme das Unechte mit dem Echten zusammen angenommen, weil die Gläubigen die Möglichkeit derartiger konkurrierender Einflüs­se nicht ahnten.«

Auch ist von keiner noch so falschen Religion bekannt, daß sie nicht Heilung in irgendeiner Form in ihrem Angebot hätte. Zurecht beklagt Peter May:

»Die Betonung, die gegenwärtig auf Heilungen gelegt wird, wirkt neurotisierend. Das Äußere, das Sichtbare und das Zeitliche werden in den Mittelpunkt gerückt, während das Innere, das Unsichtbare und das Ewige vernachlässigt werden. Hier werden wir vom positiven Wert des Leidens abgelenkt… Hinzu kommt, daß der, dem es um Zeichen und Wunder geht, das Sofortige und das Spektakuläre in den Mittelpunkt rückt und die Pflege der chronisch Kranken vernachlässigt. Diese Einseitigkeit läßt falsche Erwartungen bezüglich der Gesundheit und des Wesens der Erlösung aufkommen und untergräbt die Heilsgewissheit derer, die nicht geheilt werden. Im Blick auf die geistliche Gesundheit der Kirche sind diese Fakten von erheblicher Bedeutung.«

Ermutigt die Bibel zu Wunderberichten?

In der Bibel wird uns davon berichtet, wie jemand aus dem Totenreich missionieren wollte. Seine Absichten waren echt und gut gemeint. Es handelt sich um den reichen Mann, der in Lukas 16, die Verse 19‑31 erwähnt wird. Er möchte einen Toten, nämlich Lazarus, auferstehen lassen, um seine fünf Brüder zu warnen. Bei solch einem Wunder, so meint er, würden die Menschen nicht mehr zweifeln können und Buße tun.

Er bekommt zur Antwort: »Sie haben Mose und die Prophe­ten, mögen sie die hören«.

Doch dies ist dem reichen Mann eindeutig zu wenig, und aus dem Totenreich kommt das Nein gegenüber dem Worte Gottes: >Nein, sondern wenn jemand von den Toten zu ihnen geht, werden sie Buße tun.< Sein Vorschlag lautete, nun mit anderen Worten: Die Bibel ist gut, aber das Wort genügt nicht. Wir brauchen Zeichen, Wunder, Heilungen, Visionen, Totenauferweckungen usw., dann wird wirklich etwas für das Reich Gottes geschehen. Dann wird es atem­beraubendes Gemeindewachstum geben. Dann werden die Menschen glauben und sich bekehren.

Doch dies war buchstäblich ein Vorschlag von unten, aus dem Totenreich. Und weil dieses Totenreich (der Machtbe­reich Satans) sich leider immer mehr in den letzten Tagen ausweitet (Offb 6,8), deswegen wachsen parallel damit die Vorschläge und Rufe nach großen Zeichen und mächtigen Taten. Man belegt aber damit nur, daß man auch aus einer fremden Quelle getrunken hat.

Der oben erwähnte Cameron Peddie schrieb schon über die damalige (während des Krieges) Situation in England: »Wenn unsere Pfarrer wüssten, wie viele aus ihrer Gemein­de spiritualistische Medien aufsuchen, um sich von ihnen den Heilungsdienst erweisen zu lassen, wären sie be­stürzt.«

Wen nimmt es da wunder, daß in England fast alle evangelikalen Kreise von der charismatischen Bewegung durchsäuert sind? Dort gibt es kaum noch Berührungsäng­ste zwischen diesen Gruppen. Insofern muß man leider feststellen, daß die Geistheiler sowohl in der Welt wie auch fromm getarnt innerhalb der Gemeinde große Erfolge verzeichnen.

Diese Beziehung Totenreich und »Evangelisation mit Zeichen und Wundern« ist bei Benny Hinn, dem neuen Stern am amerikanischen »christlichen Fernsehhimmel« nicht einmal mehr getarnt. In einer Predigt vom 7. April 1991 offenbarte er, daß er das Grab von Amerikas berühmter Pfingstpredigerin, Aimee McPherson, Begründerin der einflußreichen »Foursquare Gospel Church«, besuchte:

»Ich fühlte eine unglaubliche Salbung . . .! Ich zitterte am ganzen Leib . . . zitterte unter der Kraft Gottes . . . >Lieber Gott<, sagte ich, >ich fühle die Salbung.< . . . Ich glaube, die Salbung verweilte über dem Körper von Aimee.«

Der reiche Mann muß jedenfalls zur Kenntnis nehmen, daß nicht ein Wunder die Menschen überführt, sondern das Wort Gottes: »Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufstünde (Luk 16,31).«
 
Ist alle Heilung göttlich?

Walter Hollenweger ist entscheidender Bahnbrecher für die Pfingst‑ und charismatische Bewegung gewesen. Sein Buch »Enthusiastisches Christentum« hat wesentlich zur gesamtkirchlichen Anerkennung dieser Strömungen beige­tragen.

Er verschleiert nicht einmal mehr diesen sich abzeichnen­den Sachverhalt der Geistesverwandtschaft zwischen den Geistheilern und den Heilungsevangelisten. In seinem Referat über »Heilung« auf der »Konferenz über pfingstli­che und charismatische Forschung« erklärt Prof. Walter Hollenweger ganz offen:

» >Alle Heilung kommt von Gott<, betonte Hollenweger und wollte keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Gabe der Heilung etwa bei den Geistheilem in der 3. Welt und der christlichen Heilungsgabe feststellen. Entscheidend sei der Kontext, in dem die Gabe ausgeübt werde.«

Auch in einem weiteren Bereich zeigt sich diese Geistes-Verwandtschaft. Es ist üblich, bei den Heilungsversamm­lungen mit John Wimber, Wolfram Kopfermann oder ande­ren, daß die Hände auf die kranken Stellen gelegt werden, soweit es der Takt erlaubt. Biblisch ist dafür kaum ein Vorbild zu finden, besonders nicht bei dem Dienst der Jünger Jesu bzw. seiner Apostel. Jedoch einer der Ersten, wenn nicht der Erste überhaupt, der lehrte, daß man dem Patienten wohlwollend die Hände auf die kranke Stelle legen und dadurch, bei freundlichem Anblicken des Kran­ken, Lebenskraft übertragen soll, war Franz Mesmer. Franz Mesmer aber ist der Begründer des sogenannten animali­schen Magnetismus und Bahnbrecher des Spiritismus.

Ein magisches Denken verlangt immer einen Berührungs­punkt, besonders den direkten Kontakt mit der erkrankten Stelle. Durch diesen sichtbaren Kontakt wird ein Wirken oder Hindurchströmen der Heilungskraft erwartet. Man wandelt nicht im Glauben, sondern im »berührenden« Schauen.

Kenneth Hagin, führender Wunderheiler der in Amerika zunehmend populärer werdenden Heilungsbewegung » faith movement«, spricht es ganz offen aus:

»Ich lege Hände auf durch Anleitung des Hauptes der Ge­meinde, Jesus Christus, und im Gehorsam gegenüber dem Gesetz der Berührung und Übertragung. Der Kontakt meiner Hände überträgt die Heilungskraft Gottes … Da ist sie! … Sie wird euch alle heilen, wenn ihr es mit Glauben vermischt …«

Ähnlich formuliert es John Wimber bzw. seine Frau Carol: »Wir hatten noch nicht erkannt, daß man das, was Gott einem selbst gibt, durch Handauflegung einem anderen weitergeben kann.«

Hier ist der Heiler auch magischer Mittler. Mag er auch noch so oft zur Beschwichtigung leichtgläubiger Gemüter behaupten, nicht er könne heilen, sondern nur allein Jesus, so ändert dies nichts daran, daß er tatsächlich das Medium eines verführerischen Geistes ist, der durch ihn heilt und eben jenen Kontakt benötigt.

Der Sog der Verführung

Ergibt sich bei den angeführten Fakten nicht fast unaus­weichlich die Schlussfolgerung, daß diese Zeichen und Wun­der in den Bereich der für die Endzeit angekündigten Ver­führungen fallen (2 Thess 2,9)? Daß diese Verführungen in den letzten Tagen besonders erfolgreich sein werden, hat uns das Neue Testament vorausgesagt (Mt 24,11 u. a.).

In eindrücklicher Weise führt Dr. Gerhard Maier in seinem Kommentar zu Matthäus, Kap. 24, aus:

»Es fällt auf, daß Jesus die Warnung vor den Verführern an die Spitze stellt. Verführung ist für die Gemeinde gefähr­licher als Verfolgung. Verfolgung eint die Gemeinde, Ver­führung spaltet sie. Verfolgung läßt das Echte hervortreten, Verführung das Unechte triumphieren … Aber was ist das Furchtbarste in jener Zeit? Körperliche Leiden? Nein. Kata­strophen und Kriege? Nein. Verfolgung? Nein. V. 23‑27 geben die Antwort. Es ist die Verführung … Von daher versteht man, wie notwendig der Kampf gegen die Irrlehre ist.«

Dies erinnert an die Ermahnung, von der wir im Judasbrief lesen, »daß wir nämlich für den Glauben kämpfen sollen, der ein für allemal den Heiligen übergeben ist« (V. 3).

So möchte ich das ermahnende Wort von Wilhelm Busch, das er damals in Zusammenhang mit dem Wunderwirken des deutschen Heilungsevangelisten Hermann Zaiß aus­sprach, wiederholen:

»Der Teufel kann sich verstellen in einen Engel des Lichts, wie die Bibel sagt. Es kann also geschehen, daß eine Bewe­gung den Namen >Jesus< rühmt und doch einen >fremden< Geist, ein fremdes Feuer (3 Mose 10) hat … Wunder bewei­sen nichts. Denn nach Offenbarung 13,13 tut auch der Geist aus dem Abgrund Wunder … Nein! Mit diesem Geist wollen wir nichts zu tun haben … Unser Herz schreit nach Erweckung. Aber nicht auf diesem Wege der alten, wieder neu aufgelegten Pfingstbewegung. Nein! Auf diesem Wege nicht!«

Zeichen und Wunder

Abschließend soll noch auf folgendes hingewiesen werden: Bei den heutigen Manifestationen von Zeichen und Wundern beruft man sich in der Regel auf die Apostelgeschichte. Man behauptet, weil Gott heute noch derselbe ist, deswegen geschehen auch in unserer Zeit diese übernatürlichen Macht­erweise.

Selbstverständlich kann der lebendige und allmächtige Gott übernatürlich wirken und eingreifen, wie und wann es Ihm gefällt. Doch es ist zunächst festzustellen, daß in den Ab­schnitten über die Wiederkunft Jesu die Begriffe »Zeichen und Wunder« nicht neutral oder gar positiv, sondern nur in Verbindung mit Verführung erwähnt werden. Daß unser Herr derselbe ist wie zu allen Zeiten, steht fest. Das bedeu­tet aber noch lange nicht, daß er auch heute noch genau so handelt. Hebr 1,1: >Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn…<

Wir glauben der Heiligen Schrift aufs Wort, daß Gott die biblischen Wunder getan hat. Doch man kann feststellen, daß es im Laufe der Heilsgeschichte nur ganz bestimmte Zeitabschnitte gegeben hat, in denen göttliche Zeichen und Wunder ihre besondere Aufgabe hatten bzw. gehäuft auftra­ten. Für die Zeit der Urgemeinde z.B. gilt Hebr. 2,3‑4: »Wie wollen wir entrinnen, wenn wir ein solches Heil nicht achten, welches zuerst gepredigt ist durch den Herrn, bei uns bekräftigt durch die, die es gehört haben. Und Gott hat dazu Zeugnis gegeben mit Zeichen und Wundern und Taten und Austeilung des Heiligen Geistes nach seinem Willen.«

Nun ist bekannt, daß der Herr gewöhnlich auf zwei oder drei Zeugen hin eine Sache bekräftigte, und in den Versen 3 und 4 haben wir nun die drei Zeugen des neuen Bundes.

Der erste Zeuge ist unser Herr Jesus Christus, »zuerst ge­predigt durch den Herrn«. Darauf folgen die Apostel, die Augen‑ und Ohrenzeugen, die das Wort bestätigen, denn es heißt, »bei uns bekräftigt durch die, die es gehört haben«. Als dritter Zeuge wird Gott selbst erwähnt, der sein Wort mit Zeichen und Wundern bekräftigte. Warum nun soll Gott heute noch so wirken, nachdem das Zeugnis vollgültig abgeschlossen ist? Wenn wir diese Verse näher betrachten, so stellen wir fest, daß das Prädikat des Hauptsatzes passiv ist und im Aorist des Indikativs steht. Also liegt hier ein­deutig eine Vergangenheitsform vor. Der Schreiber des Hebräerbriefes redet damit zu seiner Zeit schon in der Vergangenheit. Wohl steht der V. 4 dann in der Gegen­wartsform, dieser ist aber ein genetivus absolutus, somit zeitlich dem Prädikat des Hauptsatzes zu‑ und untergeordnet. Die Vergangenheitsform in diesen Versen des Hebräerbriefes gibt uns eine Erklärung dafür, daß Gott zur Zeit Jesu und zu Beginn der Gemeindezeit so zeichenhaft handelte und wirkte. Wenn wir uns beispielsweise das Gerichtshandeln Gottes bei Ananias und Saphira in Erinnerung rufen (Apg 5), so ist offensichtlich, daß dies nicht die normale Form der Bestrafung von Sünde bei Gläubigen seitens des Herrn heute ist! Die Verse Markus 16,17‑20b, die oft von Irrströmungen oder anderen sektiererischen Gruppen (Mor­monen, Christliche Wissenschaft etc.) zitiert werden, mün­den ebenfalls zeitlich ‑ jedenfalls in ihrem Zeichencharakter ‑ in die Darlegung von Hebr 2,3‑4 ein.

Wir müssen uns nun folgendes vor Augen halten: Genau die gleichen Begriffe von Hebr 2,4 ‑ nämlich Zeichen (semeion), Wunder (teras) und Krafttaten (dynamis) ‑ die nur in fünf Bibelstellen als gemeinsamer Ausdruck vor­kommen, finden wir, wenn auch in anderer Reihenfolge, in 2 Thess 2,9 wieder. Dort werden ja, wie bereits ausgeführt, die Wiederkunft Jesu und die unmittelbar vorausgehenden Ereignisse geschildert. Somit werden diese Zeichen, Wunder und Krafttaten, die zu Beginn der Gemeindezeit da waren, nochmals auftreten, aber mit anderem Vorzeichen. Und hier erfüllt die Charismatische Bewegung in gewisser Hinsicht Gottes Wort. Hätte man noch nie von solchen Strömungen gehört, müßte man allein schon aufgrund der biblischen Prophetie annehmen, daß genau so etwas kommen und sich ausbreiten muß. Doch ist diesmal die Quelle nicht aus Gott, sondern, wie der 9. Vers aus 2 Thess 2 unzweideutig sagt, aus Satan. Das zeigt auch die Geschichte der Pfingst‑ und Charismatischen Bewegung ziemlich deutlich. Wenn man auf den ersten Blick vielleicht versucht, im positiven Sinne an die Ereignisse der Urgemeinde zu denken ‑ es werden ja auch dieselben Begriffe gebraucht ‑, so verbirgt sich doch etwas völlig anderes dahinter. Wenn nüchterne Seelsor­ger hinter die Kulissen dessen blicken, was sich zunächst so biblisch gebärdet, dann finden sie gewöhnlich eine okkul­te Quelle. Wir haben bereits dargelegt, wie das einen guten Nährboden für das Verlangen nach Zeichen und Wundern und auch besonderen Charismen bedeutet.

Die Aussage von Hebr. 2,3‑4 dürfte auch erklären, warum die Abschnitte der Bibel, die sich mit der Zeit vor der Wiederkunft Jesu befassen (was einigermaßen unseren Ta­gen entspricht), die Begriffe Zeichen und Wunder, wie bereits kurz vermerkt, nur in Verbindung mit Verführung erwähnen.

So die oben erwähnte Stelle 2. Thess 2,9‑10 oder Matth 24,24: »Sie werden so große Zeichen und Wunder tun, so daß, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführt würden« oder Offb 13,14: »… und verführt, die auf Erden wohnen, durch die Zeichen.« Siehe auch Offb 16,14 und 19,20.

Aus diesem Blickwinkel erscheinen die in charismatischen Kreisen immer wieder »strapazierten« Passagen der Bibel, nämlich Apg 2,17‑18 als angebliche heutige Erfüllung der Prophetie bei Joel oder Mark 16, 17‑18 in einem neuen Licht. Es handelt sich hier um denBeginn der Gemeinde­zeit. Für das Ende der Gnadenzeit aber, wie oben dargelegt, ergibt sich ein völlig anderes Bild.

Interessanterweise greift auch der bekannte englische Bibel­lehrer und weitgereiste Missionar Michael Griffiths diese Verse aus dem Hebräerbrief auf. Im Zusammenhang mit der Gabe des Wunderwirkens schreibt er:

Wir sollten beachten, daß die Stelle in Hebr 2,4 nahelegt, Zeichen, Wunder, Machttaten und Gaben eine besondere Beglaubigung des apostolischen Zeugnisses für die Worte des Herrn Jesu sind, wobei Paulus den Korinthern erklärt, daß >die Zeichen eines Apostels unter euch geschehen sind in aller Geduld, mit Zeichen und mit Wundern und mit Taten<. Ein starkes Argument kann davon abgeleitet werden, besonders wenn man Wunder mit Zeichen zur Bestätigung des Dienstes der ursprünglichen Apostel in Verbindung bringt, zu behaupten, daß die Gabe aufgehört habe … Lukas scheint absichtlich Beispiele ausgewählt zu haben, um die apostolischen Dienste von sowohl Petrus als auch Paulus zu beglaubigen. Gewiss ist in der Schrift als Ganzes das Wun­derwirken im Alten Testament offenbar auf gewisse Perio­den der Geschichte konzentriert, wie etwa der Auszug aus Ägypten und die Zeit von Elia und Elisa. Ähnlich kann argumentiert werden, daß wir erwarten können, daß der Dienst des Herrn Jesu und die Bekräftigung des apostolischen Zeugnisses solch eine Periode sein dürfte. Wir haben auch die relative Seltenheit der apostolischen Wunder wie das Auferwecken von Toten und die völlige Abwesenheit der Heilung von Aussatz und Blindheit (abgesehen von Paulus’ zeitweiliger Blindheit) registriert. Doch während wir einerseits den relativen Mangel von Wundern erkennen, sollten wir andererseits uns offen halten für die Möglichkeit solcher Wunder heute, besonders vielleicht in der primitiven Pioniersituation, wo die Notwendigkeit für eine gewisse Bestätigung des apostolischen Zeugnisses gegeben sein mag … Ich muß jedoch aber auch berichten, daß ich Missionare in besonders schwierigen und harten Gebieten gekannt habe, die speziell um die Gabe des Wunderwirkens gebetet hatten. Mir ist kein Fall bekannt, daß dieses Gebet jemals erhört worden ist.«

Erklärt dies womöglich auch, warum man bei genauerem Überprüfen von solchen Fällen, die bei einem Heilungsfeldzug angeblich gesund geworden sind, gewöhnlich große Enttäu­schungen erlebt?

So wird von folgendem Untersuchungsergebnis berichtet:

Nach einem Heilungsfeldzug von Dr. Price in Vancouver wurden 350 Fälle von Heilungen proklamiert. Verschiedene Christen taten sich zusammen, um die Wahrheit dieser Behaup­tung zu überprüfen. Die Resultate waren: 39 Fälle starben innerhalb von sechs Monaten an der Krankheit, von der sie angeblich geheilt worden waren; fünf der Fälle wurden geistes­krank; bei 301 Fällen stellte sich nach sechs Monaten heraus, daß sie keinen Nutzen empfangen hatten; viele gaben dies unumwunden zu; von fünf wurde berichtet, daß sie tatsächlich geheilt waren, doch litten sie an psychosomatischen Beschwer­den, die auf psychiatrische Behandlung ansprachen.

Worauf es ankommt

Nüchternen Christen und Gemeinden wird heute oft der Vorwurf gemacht: Euch fehlt Vollmacht, euch fehlt Kraft, es ist doch bei euch nicht so, wie es nach der Bibel sein sollte! Wenn wir aufrichtig sind, müssen wir uns unter diesen Vorwurf beugen. Jeder, der von sich aus sagen würde, bei mir ist alles in Ordnung, müßte sich doch wohl wie ein Heuchler vorkommen. Aber die Alternative für echtes Glaubensleben ist keineswegs die Schnellmethode des Handauflegens, der eilige Empfang eines >zweiten Segens< durch Berührung, um die >Geistestaufe< zu erhalten, Erleb­nisse zu haben und Gaben, Charismen und Erfahrungen zu bekommen. Das alles führt letzten Endes zur Selbsterhö­hung. Der biblische Weg, zu mehr Geistesfrucht zu kom­men, ist ein anderer. Es steht nur einmal in der Bibel, daß der Vater läuft, daß der Schöpfer seinem Geschöpf mit Riesenschritten entgegeneilt, nämlich in der Geschichte vom verlorenen Sohn. Hier haben wir den Fall, wo jemandem der Segen, die Fülle und Gnade Gottes in >Windeseile< zuteil wird. Pastor Wilhelm Busch stellte einmal die Frage: Wem läuft der Vater entgegen? Den Großen dieser Welt, den Frommen oder den Kirchenchristen? Auf unser Thema bezogen müßten wir die Frage erweitern: Oder den Men­schen, die nach mehr Geistesgaben, nach einer >Geistestau­fe< oder nach mehr Erlebnissen streben? Nein, sondern der Vater läuft dem Sünder entgegen, der um Gnade fleht: >Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir< (Luk 15,21). Wenn wir so vor unseren Herrn treten, erhalten wir >in Eile< die Gnade, den Segen, die Fülle und die Kraft Gottes. Das ist der Weg zum Herzen Gottes, der Weg zu mehr geistlicher Kraft: Buße! In den Sendschreiben werden sehr beklagenswerte Zustände dargestellt. Es kann tatsäch­lich Rückschritte im Glaubensleben geben. Aber keiner der Gemeinden wirft der Herr Jesus vor, daß sie die Geistestau­fe nicht empfangen habe oder womöglich zu wenig Gaben besitze. Jedoch mahnt er fünfmal: Tue Buße!

Möge der Herr uns Gnade schenken, dass wir täglich den Weg des Kreuzes gehen, den Weg des Zerbruchs und des Gehorsams, und daraus immer neu die Gnade, den Segen und die Kraft Gottes empfangen dürfen, um auch in diesen letzten Tagen überwinden zu können und in aller Nüchternheit ein Leben zu führen, das zur Ehre Gottes gereicht und Segensspuren hinterlässt.

Alexander Seibel

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