Metallinos – Gottes Bote für Griechenland
Kostas Metallinos – Gottes Botschafter für Griechenland
von Yerasmus Zervopoulos Ph. D.
Zum Gedenken
Es sind nun zwanzig Jahre her, seit wir zum letzten Mal dein strahlendes Angesicht schauten, seit wir zum letzten Mal deine goldenen Worte vernahmen. Ja, zwanzig Jahre sind verflossen, doch die Wunde ist immer noch offen. Offen ist auch noch die klaffende Lücke, die dein plötzlicher Fortgang in dem Bereich hinterlassen hat, in dem du für Gott gearbeitet hast.
Jetzt schaust du deinen Herrn; du siehst ihn, „wie er ist!“. Die Herrlichkeit des Himmels, die menschliche Sprache nicht zu beschreiben vermag, ist nun deine Freude. Die Geheimnisse der göttlichen Weisheit, die wir nicht verstehen können, sind nun keine Geheimnisse mehr für dich. Du verstehst, du erkennst, du begreifst.
Mir und vielen Hunderten warst du Vater und Freund, Erleuchtung und starke Stütze. So schätze ich mich glücklich, dir und deinen geistlichen Kindern diese kurze Geschichte deines Lebens widmen zu dürfen.
Wir werden uns wiedersehen
Januar 1983
Vorwort
Manche von uns gehen durch das Leben, indem wir unser unbedeutendes Wesen hinter einem Riesen verbergen. Wir tun das, weil seine Persönlichkeit uns beeindruckt, sein Leben uns erleuchtet oder sein Wort unsere Dunkelheit erhellt. Häufig kennen wir ihn nur durch seine Schriften oder seine Reden; manchmal widerfährt uns das Glück, ihn persönlich kennenzulernen oder mit ihm zusammenzuleben. Ich durfte einer von diesen glücklichen Menschen sein. Es gibt keinen besseren Einfluß als den, der aus dem Zusammenleben mit einem bedeutenden Menschen erwächst. Da empfangen wir nicht nur die Ausstrahlung seiner erleuchtenden Worte, sondern auch die seines christlichen Charakters und Vorbilds.
Das herausragende Kennzeichen des christlichen „Wandels“ von Kostas Metallinos war sein großer Glaube an Gott. Dieser brennende und fruchtbare Glaube bewirkte in ihm eine tiefe und lebendige geistliche Erfahrung, von der er zunächst innerhalb der Griechisch orthodoxen Kirche Zeugnis gab. Es war jedoch von Anfang an sichtbar, daß die alten Schläuche nicht stark genug waren, den neuen Wein aufzunehmen. So lehnte die Orthodoxe Kirche Metallinos ab und verdammte seine Botschaft.
Doch der Widerstand der traditionellen Kirche brachte nicht das Ende. Statt dessen erwuchs daraus der Anfang einer kraftvollen Arbeit, die das Ziel verfolgte, diejenigen Ketten religiöser Formen und Traditionen zu zerbrechen, mit denen die gegenwärtige Orthodoxe Kirche die Seelen der Menschen bindet. Wie zur Zeit der Urgemeinde sollte das Gewissen des griechischen Volkes durch eine Leben spendende Predigt erweckt werden. Die Kirche der Gegenwart sollte den Weg wiederentdecken, den sie verloren hatte. Durch das Wort Gottes sollten die morschen Stützen des Unglaubens zerstört werden.
Metallinos war mehr als ein Christ, er war ein Ereignis, das neue Verhältnisse in die Geschichte des evangelischen Zeugnisses in Griechenland brachte.
Für seine Gegner, die hauptsächlich aus der griechisch orthodoxen Geistlichkeit kamen, war er lediglich ein Ketzer, ein Werkzeug auswärtiger Propaganda und ein Zerstörer der Einheit der Nation. Doch einflußreiche orthodoxe Laien priesen Metallinos als den größten Prediger den Griechenland im 20. Jahrhundert erlebt hatte. Andere sahen in ihm den begabten Vermittler der evangelischen Wahrheit, und ein griechischer Finanzminister bezeichnete sein Wirken als „Rettung der Nation“.
Zum ersten Mal in der Geschichte der griechischen Nation hörten viele Menschen in so bedeutenden Sälen und mit so glänzendem Erfolg durch Metallinos das Evangelium in seiner Einfachheit und Kraft.
Durch seine positive und weitreichende Tätigkeit gab dieser Mann Gottes als Führer einer geistlichen Bewegung dem religiösen Leben im modernen Griechenland neue Impulse. Seine Arbeit hinterließ in allen Bereichen der griechischen Gesellschaft einen lebhaften Eindruck.
Für seine unschätzbare Hilfe für die Übersetzung aus dem ursprünglichen Text möchte ich Evangelos Soteriades meinen Dank aussprechen. Dank gebührt Viola Palos für ihre Arbeit an der Schreibmaschine und ihre hilfreichen Ratschläge. Dieser gilt auch unseren Kindern John und Betsie, die sich den Titel für dieses Buch ausdachten und meiner lieben Frau Litsa für ihre Geduld und ständige Ermutigung. Y. Z.
Inhalt
1. Das Gelöbnis
2. Der Ruf
3. Mein Herr und mein Gott
4. Die Zubereitung
5. Das Ringen mit dem Satan
6. Durch Kämpfe vorwärts
7. Familienleben
8. Das Auswerfen und Einziehen der Netze
9. Das Hirtenamt
10. Das Erntefeld und die Arbeiter
11. Der Held ist gefallen
1. DAS GELÖBNIS
Oktober 1910. Es ist eine kalte und regnerische Nacht. Es ist spät. In einem ärmlichen Stadtviertel, genau unter dem Hügel der Akropolis, brennt in einem Fenster Licht. Innen beugt sich ein Student über ein aufgeschlagenes Buch, das vor ihm liegt und weint bitterlich. Nach einem Augenblick hebt er seine Augen auf und beginnt mit großer Mühe zu sprechen.
“O Jesus, ich kannte Dich nicht, darum kämpfte ich gegen Dich. Ich danke Dir, daß Du auch mich angenommen hast. Ich verspreche Dir, daß ich Dir völlig gehören will, und ich will Dir dienen mit meinem ganzen …“
Hier ersticken Tränen seine Worte.
Der Student hieß Kostas Metallinos; das Buch, in dem er las, war das Neue Testament. Das Gelöbnis, das er in dieser Nacht gab, entzündete die Flamme eines Lebens, das in den folgenden Jahren Weise und Unweise erleuchtete und die Herzen Gerechter und Gottloser erwärmte. Fünfzig Jahre lang brannte dieses zündende Leben, bis es am 22. Januar 1963 plötzlich ausgelöscht wurde.
Dieser Mann gehörte nicht zu den Reichen, Weisen oder Großen dieser Welt. Er war ein Diener des Herrn, der sich mit ganzem Herzen seinem Auftrag hingab. Die Richtschnur seines Lebens und das Geheimnis seines Erfolges finden wir in Jeremia 17, 5 8:
„Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt und hält Fleisch für seinen Arm . . . Gesegnet aber ist der Mann, der sich auf den Herrn verläßt und dessen Zuversicht der Herr ist. Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hinstreckt . . . und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.“
Die frühen Jahre
Im Norden der wunderschönen Insel Korfu liegt das Dorf Korakiana. Dieses in trostloser und felsiger Gegend gelegene Dorf trägt seinen Namen nach dem Berg Korakion, dem Berg mit den vielen Kronen, an dessen Hängen es gebaut wurde. Der Boden der Gegend ist arm und unfruchtbar, aber seine Bewohner waren immer reich an Freundlichkeit und sie umgab ein Hauch von Vornehmheit.
Der freundliche, lautere Führer des Dorfes hieß Spiros Metallinos, den man unter dem angestammten Namen „Gagas“ kannte. Sein begabtes und freundliches Wesen veranlaßte die Mitbewohner seines Dorfes, ihn zu ihrem Bürgermeister zu wählen.
Am 16. Februar 1891 herrschte im Hause des Bürgermeisters Metallinos eine festliche Feiertagsstimmung, denn man feierte ein außergewöhnliches und glückliches Ereignis. An diesem Tag bescherte seine Frau Konstantina der Familie einen Sohn, Kostas. Und da es das Haus eines Amtsträgers war, gingen viele Freunde und Bekannte aus und ein, um ihre Glückwünsche auszusprechen und sich an dem guten Wein des Bürgermeisters zu erfreuen.
Die Freude der Familie dauerte nicht lange. Der Junge war noch nicht zwei Jahre alt, als er wegen einer schweren Bronchitis das Bett hüten mußte. Diese erschwerte das Atmen, schwächte durch das Fieber den ganzen Körper und verursachte häufige und anhaltende Hustenanfälle.
Bei seinem ersten Besuch gab der Arzt der Familie der Mutter die strikte Anweisung: „Wenn sie wollen, daß der Junge am Leben bleibt, lassen sie ihn nur dann aus dem Hause gehen, wenn die Sonne scheint. Und lassen sie das Kind um Himmels willen niemals einen Schluck Wein trinken!“
Doch nach der Meinung der Mutter Konstantina war der Wein die lebensrettende Medizin für die Krankheit ihres Kostas. Die örtliche Volksmedizin wurzelte so tief im Leben des Dorfes, daß bestimmte Verhaltensweisen stärker beachtet wurden als die Anweisungen des Arztes.
Die Leute glaubten, daß sich der Wein im Körper eines Kranken in Blut verwandelt, vorausgesetzt, er wird unverändert getrunken, „so wie der gute Herr ihn gemacht hat“. Trotz aller Warnungen des Arztes pflegte Konstantina das Brot für den kleinen Kostas heimlich mit Wein zu tränken, „um das Antlitz des Kindes ein wenig zu erhellen, und ließ den Arzt sagen, was er wollte“.(…und laß den Arzt sagen was er will) Nach dem griechischen Sprichwort: „Was man in der Jugend gelernt hat, verwirft man nicht im Alter“, wurde in Wein getauchtes Brot zum bevorzugten Leckerbissen für Kostas Metallinos.
Wirtschaftlich gesehen lebte die Familie konservativ. Es war kein reiches Haus und es gab nichts Außergewöhnliches, aber die Gaben, die Gott darreicht, fehlten in der Speisekammer nicht. Spiros Metallinos diente als Bürgermeister ohne Gehalt. So mußten alle Bedürfnisse der Familie durch seinen Besitz erbracht werden, besonders durch die Weingärten und die Olivenbäume. Solange die Verwaltung des Geldes unter den erfahrenen Augen des Haushaltungsvorstandes geschah, lief alles gut, und der Familie fehlte es an nichts. Doch als Kostas noch sehr jung war, er besuchte gerade die Oberschule, erkrankte sein Vater an starkem Rheumatismus, der ihn bis zu seinem Tod ans Bett fesselte.
Für die Haushaltsführung bedeutete diese Krankheit einen schweren Schlag, so daß die Familie in Not geriet. Die Kämpfe in dieser kritischen Zeit veranlaßten Kostas Metallinos später zu schreiben: „Ich wuchs inmitten größter Armut auf.“
Trotzdem war er auch glücklich, denn er wuchs in einer Umwelt auf, die ihm den Wert eines guten Elternhauses lehrte. Sein Vater tat sein Bestes, um die warmen und glücklichen Beziehungen zu seinem Sohn aufrechtzuerhalten. Seine pädagogische Methode beruhte auf dem Satz: Nicht die Rute. Diese Verhaltensweise paßte besser zu dem gewissenhaften und ruhigen Charakter seines Sohnes. Kostas sagt, daß er in seiner Kindheit nur einmal von seinem Vater geschlagen wurde. In den wenigen anderen Fällen des Ungehorsams bestand die Strafe in einer praktischen Lektion. So berichtet er von folgender Begebenheit:
Im Garten unseres Hauses stand ein Feigenbaum, an dem meine Schwester Pagona und ich ein Seil anbrachten, um zu schaukeln. Bei diesem Spiel geschah es, daß die Zweige des Feigenbaumes brachen. Unser Vater verbot uns, weiter an dem Feigenbaum zu schaukeln. aber wir gehorchten nicht. Daraufhin kam er mit einer Säge in den Garten und ließ uns den Baum unmittelbar am Boden fällen und auf einen Platz fünfzig Schritte hinter dem Haus zerren.
Obgleich solche Methoden etwas ungewöhnlich erschienen, minderten sie in keiner Weiser die Liebe und die Achtung; die Kostas gegenüber seinem Vater empfand. Auch der Vater war heimlich stolz auf seinen Sohn. Und er besaß allen Grund dazu. Denn als Kostas heranwuchs, entwickelte er einen wundervollen Charakter und, was noch wichtiger war, er lernte gern. Seine schulischen Leistungen waren so bemerkenswert daß einer seiner Lehrer sich anbot, ihm kostenlosen Englischunterricht zu erteilen, so daß er dieses Studium später mit einem Stipendium anderswo fortsetzen könne. Dieses Angebot erschien dem jungen Kostas sehr verlockend, aber sein Vater vertrat eine andere Meinung. „Mein Junge“, sagte er, „du bist mein einziger, ich möchte nicht, daß du fortgehst. Ich brauche dich in meiner Nähe.“
Die Beziehung zwischen Kostas und seiner Mutter war ebenso herzlich. Vielleicht darf man sagen, daß Kostas als einziger Sohn der Liebling des ganzen Hauses war. Nach der Krankheit des Vaters wurde die Zuneigung seiner Eltern zu ihm noch stärker, weil sie jetzt in Kostas die einzige Quelle für ihre Unterstützung im Alter erblickten.
Im Winter 1903 wurde Bürgermeister Metallinos mit Rheumatismus bettlägerig. Nun hörte die anhaltende, aufmerksame Fürsorge des Hauptes des Hauses auf, und die Familie fing an, die schwere Last der Armut zu spüren. Und welch eine Armut war das! Manchmal befand sich nur Brot und Wein und Öl auf dem Tisch.
Es stimmt, daß in diesen Jahren die Bauern überall eine schwere Zeit durchstehen mußten. Eines Tages ließ Kostas beim Essen sorglos ein Stück Brot zu Boden fallen. Auf den ernsten Hinweis seines Vaters hin hob er es sofort auf, reinigte es sorgfältig, dann küßte er es und aß es auf. „Dies ist die Tradition unseres Hauses bemerkte sein Vater.“
Da Korikiana keine eigens Hauptschule besaß, mußte der Junge die Schule im drei Kilometer entfernten Nachbardorf besuchen. Welche lebendige Erinnerung behielt er sein Leben lang an diesen täglichen Schulweg!
Jeden Morgen pflegte ich mit dem Segen meiner Mutter und mit dem Verlangen zu lernen das Haus zu verlassen. Diese Wege zur Schule sind mir eine unvergeßliche Erfahrung geblieben. Voller Freude und Leben machten sich alle Kinder in kleinen Gruppen auf den Gang zur Schule. Sie sangen vaterländische Lieder, scherzten und lachten herzhaft; damit machten wir aus dem Weg eine wahrhaft festliche Angelegenheit. Ich denke noch daran, welche Freude es mir unterwegs bereitete, in den Hecken nach Veilchen zu suchen. Wo immer ich welche erblickte, wollte ich sie abpflücken und mitnehmen. Ihre Schönheit und ihr Duft erfüllten meine kindliche Seele. Auf dem Heimweg pflegte ich ein kleines Sträußchen zu binden, um es meiner Mutter zu schenken. Dennoch hatte ich in jener Zeit das bittere Gefühl, es mit Dingen zu tun zu haben, die ich nicht besaß. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, daß meine Mitschüler ihre Bücher voller Stolz zur Schule trugen, während ich mich schämte, weil ich lediglich ein Schulheft in meinen Händen hatte. Während meiner ersten Jahre auf der Oberschule konnte ich mir niemals ein Buch kaufen. Ich pflegte von den Notizen zu lernen, die ich machte, während ich auf die Erklärungen des Lehrers achtete, denn daheim blieb kein Geld übrig, um mir die Bücher zu kaufen, die ich brauchte.
Und dennoch schloß Kostas jedes Schuljahr mit der Note „ausgezeichnet“ ab. Sein Fleiß in der Schule machte den jungen Kostas im ganzen Dorf beliebt. Einige Dorfbewohner, die die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie kannten, pflegten ihn regelmäßig zum Essen einzuladen.
Schließlich kam der Tag, an dem Kostas die Hauptschule abschloß und sich auf den Besuch des Gymnasiums vorbereitete. In dieser Zeit schienen für ihn die Bedingungen ungünstig zu sein, das Elternhaus zu verlassen. Die Krankheit seines Vaters wurde immer schlimmer, und die Familie war von Armut geplagt. Unter diesen Umständen war es nur dem großen Selbstopfer aller Mitglieder der Familie zu verdanken, daß es Kostas ermöglicht wurde, sein Studium fortzusetzen. Seine Schwester Pagona sagte später: „Wir setzten Himmel und Erde in Bewegung, um Kostas studieren zu lassen.“ Kostas schrieb dieses Selbstopfer der Wirkung der göttlichen Vorsehung zu.
Dank der unglaublichen und außergewöhnlichen Opferbereitschaft, die Gott in die Herzen aller Mitglieder meiner Familie gelegt hatte ich war der einzige Sohn neben zwei Schwestern , setzte ich meine schulische Ausbildung auf dem Gymnasium fort und lebte vier Jahre lang in Kerkyra, der Hauptstadt Korfus.
Im Herbst 1904 begab sich Kostas nach Kerkyra, um sich in das Gymnasium aufnehmen zu lassen. Er erreichte die Hauptstadt, die achtzehn Kilometer von seinem Dorf entfernt lag, auf einem Esel, beschützt von seinem Onkel Christodoulos (kurz „Onkel Chtodoulos“), einem Mann der alle Eigenschaften eines einsamen Heiligen besaß. Weil Onkel Chtodoulos keine eigene Familie besaß, widmete er sich von ganzem Herzen dem Haushalt seines Bruders. Besonders nachdem die Krankheit den Vater für die Familie fast nutzlos werden ließ, wurde Onkel Chtodoulos eine Art Ersatzvater, der immer bereit war, die Oliven zu pflücken, die Trauben zu ernten, den Garten zu gießen und nach Kostas zu schauen. Mit welchen Gefühlen des Stolzes und der liebevollen Sorge begleitete er an diesem Tage den verheißungsvollen Gymnasiasten in die Stadt. Onkel Chtodoulos übernahm es selbst, für Kostas eine geeignete Bleibe zu suchen, ihn mit einigen Freunden bekanntzumachen und seinen Neffen am Anfang seines neuen schulischen Abenteuers zu ermutigen.
Obwohl Kostas zum ersten Mal von zu Hause fort war, benötigte er dennoch kaum einen ermutigenden Zuspruch. Seine Begeisterung für die Schule überwand jedes Gefühl der Angst und der Sorge, das mit seiner Trennung von seiner Familie zusammenhing. Er kam auf das Gymnasium mit einem Kopf, der einem trockenen Schwamm glich, bereit alles aufzusaugen, was er in seinen Schulbüchern las oder von seinen Lehrern hörte. Später erzählte er einige seiner Erinnerungen an diesen Lebensabschnitt.
Ich erinnere mich gut, daß damals das Verlangen meiner Seele so zusammengefaßt werden konnte: ein unersättlicher Durst nach aller wissenschaftlichen Erkenntnis und allen Glaubensweisen und Anschauungen, die mit dem Menschen, mit der Welt und mit Gott zu tun hatten. Ich wollte die Wahrheit finden und ihr dienen.
Bei seiner Suche nach der Wahrheit dauerte es nicht lange, bis der junge Kostas von der Theorie Darwins begeistert wurde, die damals stark in Mode war. Zum ersten Mal begegnete er der Lehre Darwins in einem Biologiebuch, das die darwinistische Evolution vertrat. Und als er hörte, daß sein Physiklehrer dieser Lehre anhing, wurde das Denken Kostas ganz von Darwin bestimmt. Damit öffnete er sich dem Materialismus und wurde ein Ungläubiger.
Seine ideologische Unrast hinderte jedoch keineswegs sein schulisches Fortkommen. Da er ernsthaft und fleißig war, hatte er bei seinem Lernen Erfolg, obwohl die Lebensbedingungen in seiner neuen Umwelt manchmal fast unerträglich waren. Onkel Chtodoulos hatte für seinen Neffen ein Zimmer in der Stadt gemietet, aber Kostas besaß es fast niemals für sich allein. Finanzielle Erwägungen machten es notwendig, es mit einem oder mehreren Mitschülern zu teilen.
Die Mahlzeiten waren ebenso der strengsten Wirtschaftlichkeit unterworfen. Damit Kostas kein Geld für Lebensmittel ausgeben mußte, pflegte sein alleinstehender Onkel jeden Samstag zu Fuß von dem Dorf in die Stadt zu kommen, um seinem Neffen einen Sack voll Käse, Kartoffeln, Öl und Wein zu bringen. Er unternahm diese Reise barfuß, doch er nahm Schuhe mit, die er anzog, sobald er die Stadt erreichte. Er wollte seinen Neffen nicht in Gegenwart seiner Klassenkameraden in Verlegenheit bringen.
In der Osterwoche 1906 starb Kostas Vater. Der gute Bürgermeister verließ dieses Leben, nachdem er bettlägerig geworden war und ungefähr drei Jahre lang arthritische Schmerzen erlitten hatte. Onkel Chtodoulos unternahm es, Kostas diese traurige Nachricht zu überbringen. Aber im letzten Augenblick entschloß er sich, es geheim zu halten „damit der Junge seine schulische Ausbildung nicht unterbrechen müßte“.
Bei seinem ersten Besuch nach dem Tode seines Bruders kam Onkel Chtodoulos mit einem Sack voller Lebensmittel in die Stadt, aber diesmal war sein freundliches Gesicht von Traurigkeit erfüllt, und er trug einen Strohhut mit einem schwarzen Trauerband. Kostas bemerkte die völlige Veränderung und neugierig geworden, fragte er danach. Der alte Mann nahm einen einfältigen Gesichtsausdruck an und antwortete: „Ich kaufte ihn, mein Lieber, um meinen Kopf vor der Sonne zu schützen.“
Erst als die Schule schloß und Kostas zu den Sommerferien in das Dorf zurückkehrte, erfuhr er von dem Tod seines Vaters. Diese Nachricht hinterließ im Herzen des Jungen eine tiefe Wunde, und es dauerte lange, bis diese heilte. Kostas übernahm nun die Rolle das Beschützers der Familie, doch in Wirklichkeit war das nur eine Formsache. Wie bisher übernahm der gütige und erfahrene Onkel die Verantwortung für die täglichen Aufgaben, aber Kostas trug das stolze Wesen eines Hausherrn zur Schau.
Doch Kostas Herz hing nicht am Besitz oder an der Aufsicht über den Haushalt, sondern am Lernen. Ja näher der Abschluß am Gymnasium heranrückte, um so mehr liebte er seine Studien. Mathematik war sein Lieblingsfach, aber er zeigte auch besondere Fähigkeiten in den Naturwissenschaften, der Dichtkunst, der Sprachwissenschaft und den Fremdsprachen, besonders im Französischen.
Der religiöse Hintergrund
Kostas Metallinos wuchs zu Hause ohne eine bestimmte religiöse Förderung auf. Der Grund dafür lag in der Gleichgültigkeit seiner Eltern – besonders seines Vaters – gegenüber den Bräuchen und Zeremonien der Kirche. Kostas Eltern hielten Litaneien, Totenmessen, Fasten, das Küssen der Ikonen und dergleichen für entartete und völlig überflüssige Darstellungen der Frömmigkeit. Diese Menschen waren nicht unfromm, im Gegenteil. Sie besaßen ein religiöses Bewußtsein und ein mitfühlendes Herz. Doch es ging ihnen mehr um den Inhalt als um die Form.
Obwohl Kostas Vater nur zwei oder dreimal im Jahr in die Kirche ging, war er bereit, denen ihre Schulden zu erlassen, die sie nicht bezahlen konnten. Wenn er Brot aus der Bäckerei holte, kam es häufig vor, daß er einen großen Teil davon an hungrige Bettler verteilte, die er unterwegs traf. An einem kalten Winterabend kam Kostas Vater ohne seinen Mantel nach Hause. Als ihn Konstatina danach fragte, erklärte er, er habe ihn irgendwo verloren. In Wirklichkeit hatte er ihn einem Armen gegeben, der fror.
So drückte die Familie Metallinos in praktischer Weise das aus, was man als ein allgemeines, natürliches sittliches Verhalten bezeichnen kann. Sie teilten ihr Geld mit den Armen, ihr Brot mit den Hungrigen, ihre Kleider mit den Nackten, doch sie verbanden ihr Tun nicht mit kirchlichen Ordnungen und religiösen Dogmen.
Vor allem war es der unverständliche Inhalt der Liturgie, der Kostas Eltern von der Kirche und ihren Lebensäußerungen trennte. Später schrieb Kostas:
Selten besuchten meine Eltern die Kirche das Ortes, wo keiner der Anwesenden etwas verstand, weil sie in der Regel ungebildete Leute waren. Die Liturgie und die Gesänge vollzogen sich in altgriechischer Sprache; es gab keine Erklärung und auch keine Predigt durch den Priester.
Da sie ohne Bildung und religiöse Unterweisung waren, bestimmten allerlei Vorurteile und der Aberglaube die Dorfbewohner. Sie nahmen ihre Zuflucht zum Spiritismus; so konnten sie mit den Seelen der Verstorbenen in Verbindung treten. Sie praktizierten Teufelsaustreibungen, um so von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Sie trugen einen Talisman, um das „böse Auge“ des Widersachers zu besiegen. Und sie ließen, ihre Kleider mit Weihrauch bestreuen, um so von ihren Anfechtungen loszukommen.
Manchmal pflegte das religiöse Leben des Dorfes einer seltsamen Mischung von gottesdienstlicher Anbetung und frommen Materialismus zu gleichen. Solche Atmosphäre herrschte besonders während der religiösen Feste vor, die an den Gedenktagen mancher Heiliger auf dem Gelände der Kirche stattfanden. Dort mischte sich der Weihrauchduft aus dem Allerheiligsten mit dem Geruch der am Spieß gebratenen Tiere. Das Singen der Choräle verschmolz mit dem Geschrei der Händler. Und unter den Klängen der den Tanz begleitenden Geigen offenbarte sich ein wahrer „Jahrmarkt der Eitelkeit“, ein Babel von Geschäftemacherei, Freudentaumel und Religion. Das alles diente mehr den Freuden des Fleisches als denen der Seele. In solch einem religiösen Umfeld wuchs Metallinos auf.
Die beiden Priester des Dorfes, fromme, aber fast gänzlich ungebildete Männer, verrichteten ihre religiösen Pflichten als treue Diener das Allmächtigen. In der Woche versahen sie in den Morgen und Abendgottesdiensten mit angemessener Andacht ihren Dienst, obwohl man die Teilnehmer am Gottesdienst an einer Hand abzählen konnte. Doch zu den Sonntagsgottesdiensten zogen die Dorfbewohner in Scharen in die Kirche Männer, Frauen und Kinder. Tief im Bewußtsein dieser Leute wurzelte die traditionelle Vorstellung, daß die bloße leibliche Anwesenheit eines Christen beim Gottesdienst ein Gnadenmittel für seine Seele sei. Es spielte keine Rolle, daß der Besucher weder verstand, was im Gottesdienst vor sich ging, noch begriff, was die Lesungen aus den Evangelien meinten. Kostas Eltern teilten diese Ansicht nicht und zogen es vor, mit der ganzen Familie am Sonntag daheimzubleiben. Kostas schrieb:
Weil der ganze Gottesdienst in altgriechischer Sprache abgehalten wurde, zog mein Vater es vor, mich an diesem Ruhetag so lange schlafen zu lassen, wie ich wollte, anstatt mich früh zu wecken und in die Kirche zu schicken.
Diese Einstellung führte jedoch zu einer Abkühlung in dem Verhältnis Kostas zu seinen Lehrern. Es galt als feststehende Regel des Rektors, daß alle Schüler an jedem Sonntag teilzunehmen hatten. Jeder, der fehlte, mußte bestraft werden. Und an jedem Montag erschien der Name Kostas auf dem Bericht an den Schulleiter für eine angemessene Strafe. Die meisten Kinder gingen aus Furcht oder aus Gewohnheit zur Kirche und wirkten sogar an der Durchführung des Gottesdienstes mit. Sie trugen brennende Kerzen, sagten das Vaterunser auf, entzündeten das Weihrauchgefäß und boten auf mancherlei Weise ihre Hilfe an. Doch Kostas wuchs im Blick auf diese Dinge als Fremder auf. Das führte ihn einmal zu einer sehr bitteren Erfahrung mit der Kirche.
Nachdem ich viele Jahre der Kirche ferngeblieben war, gelang es dem Lehrer nicht nur, mich zum Kirchgang zu veranlassen sondern auch im Gottesdienst mitzuwirken und das Vaterunser zu sprechen. Ich ging wirklich hin, aber ich machte mich lächerlich weil ich während des Gottesdienstes viermal begann das Gebet an der falschen Stelle aufzusagen. Jedesmal, wenn ich diesen Fehler machte“ wies mich der Chorleiter ärgerlich zurück: „Still, du Dummkopf, noch nicht!“ während die Gemeinde auf meine Kosten lachte.
Er berichtet als Schlußfolgerung:
Solche Ereignisse wie dieses machten einen tiefen Eindruck auf mich. Mein kindliches Gewissen empörte sich und ich wurde der Kirche völlig entfremdet. In meinem Herzen herrschte nicht nur Gleichgültigkeit, sondern auch Ablehnung gegenüber jeglicher Form von Religion.
In der Schule erhielten die Kinder Religionsunterricht, aber sie liebten dieses Fach nicht. An den Sonntagen empfanden sie besonderen Widerwillen, wenn sie aus den Briefen und aus anderen Abschnitten der Schrift in der alten Sprache lesen mußten, ohne zu verstehen, was sie lasen, und ohne Erläuterungen durch den Lehrer zu erhalten. Der junge Kostas hatte noch einen anderen Grund, warum er religiöse Bräuche ablehnte:
Einmal in der Woche pflegten wir in unserer Schule die Psalmen aus der Septuaginta, der vorchristlichen Übersetzung des Alten Testaments in die damalige griechische Sprache, zu lesen. Weil ich es mir nicht leisten konnte, das Buch zu kaufen, um vorher zu Hause darin zu lesen, sah ich mich diesem Buch erst gegenüber, wenn ich in der Schule war. Es war sehr schwer zu verstehen. Es wurde mir überdrüssig und erzeugte in mir einen Widerwillen.
Während der letzten Jahre im Gymnasium, als er die Lehren Darwins annahm, begann sich Kostas Widerwillen gegen die Religion immer mehr zu verfestigen. Von da an nahm er sich vor, die Fähigkeit zu erlangen, um Christus und Seine Lehren zu bekämpfen. Leidenschaftlich bezeichnete er Jesus als den größten Feind der Wissenschaft und des menschlichen Fortschrittes, ja er verlästerte sogar ihn und sein Evangelium.
Es ist bei Kostas offensichtlich, daß seine intellektuelle Wendung zum Unglauben nichts anderes darstellt, als einen revolutionären Ausbruch nach vielen Jahren der Bedrückung durch die Religion. In seiner Kindheit und Jugend war für Kostas die Religion mit ihren Forderungen und Büchern zu einem Alptraum geworden. Religion brachte ständig Schwierigkeiten mit den Lehrern, machte ihn in der Kirche lächerlich und verletzte seinen kindlichen Stolz und seine Selbstachtung vor seinen Klassenkameraden. Jetzt, als herangereifter junger Mann, fühlte er den inneren Drang, ein für allemal von dieser verwirrenden Last frei zu werden.
Trotzdem dürfen wir nicht versäumen, die edlen Ideale anzuerkennen, die das unruhige junge Herz bestimmten. Er sagt von sich selbst, daß ihn damals eine begierige Entschlossenheit erfüllte, die Wahrheit zu finden und ihr zu dienen. Doch was würde geschehen, wenn Kostas, wie Saul von Tarsus lange vor ihm, entdeckt, daß das wahre Wesen der Wahrheit nur in diesem Jesus Christus zu finden ist, den er lästerte und beschimpfte? Jedenfalls war dieser junge Mann weder ganz schlecht, noch äußerte sich sein Widerstand gegen die Kirche fanatisch. Unter solchen Umständen erweist sich das aufrichtige ernsthafte Suchen nach der Wahrheit immer als erfolgreich. Aber wo würde er die Antwort auf seine Fragen finden? Gewiß in Athen, besonders auf der Universität. Nachdem der günstige Zeitpunkt eingetreten war und er das Gymnasium in Kerkyra erfolgreich abgeschlossen hatte, bestieg Kostas das Schiff und machte sich auf den Weg nach der Stadt des Lichtes und der Weisheit.
2. DER RUF
Im Herbst 1908 erreichte Kostas die Hauptstadt. Der Anblick Athens erfreute sein Herz. Hier stand die berühmte Universität, das Ziel der akademischen Hoffnungen eines jeden jungen Menschen aus der Provinz. Hier befand sich die große Nationalbibliothek mit ihren Schätzen an griechischen und fremdsprachigen Büchern über alle Bereiche des menschlichen Wissens. Hier war die neue Umwelt, in der er seine berufliche Karriere beginnen und seine Familie gründen sollte.
Zuerst hatte er sich natürlich an der Universität einzuschreiben. Er wählte die mathematische Fakultät, seine erste Liebe. Und doch war es nicht allein die Mathematik, die Metallinos während dieser Zeit beschäftigte.
Mein Lernbedürfnis war unersättlich. Viele Stunden verbrachte ich in den Antiquariaten und in der Nationalbibliothek auf der Suche nach verschiedenen Büchern über alle möglichen Wissensgebiete.
Obwohl er zum ersten Mal in Athen war, hütete sich Kostas davor, einem losen Lebenswandel zu verfallen. Während seiner Studienzeit führte er ein reines und geordnetes sittliches Leben. Natürlich hörte die Armut nicht auf, sein unzertrennlicher Begleiter zu sein. Später sagte er: „Heute erkenne ich, daß damals meine große Armut dazu diente, mich vor den zerstörenden fleischlichen Leidenschaften zu bewahren.“
Die ersten Jahre, die Metallinos in Athen verbrachte, schufen keine bedeutenden Entwicklungen in seinem geistlichen Leben. Aber er machte an der Universität außerordentliche Fortschritte. Wie befriedigend wäre es gewesen, wenn er den gleichen Fortschritt in seinem Suchen nach der Wahrheit gemacht hätte!
Tatsache blieb jedoch, daß für Kostas damals das als Wahrheit galt, was Christus und Seine Lehre schmähte. Überwältigender Haß und Lästerungen gegen Christus beherrschten das Herz des jungen Ungläubigen. Immer wieder betonte er gegenüber seinen Mitstudenten: „Das Christentum ist eine Lüge und eine Täuschung. Ein Jude wie Christus kann den Fortschritt in der Wissenschaft und der Menschheit nicht aufhalten. Diese Religion muß bekämpft und lächerlich gemacht werden, damit die Welt von diesem Irrtum Jesus Christus befreit wird.“
Als Student der Mathematik wußte Metallinos jedoch, daß keine Theorie ohne Begründung bestehen kann. Worte waren darum nicht genug. Sein Kampf gegen das Christentum mußte durch logische und wissenschaftliche Argumente unterstützt werden. Auf diesem Schlachtfeld erwiesen sich die Bücher der weltlichen Schriftsteller als eine außerordentliche Hilfe. Eifrig las er zwei Jahre lang Voltaire und andere Schriftsteller, um neue Argumente gegen Christus und Seine Religion zu finden. Damit war er intellektuell beschäftigt, bis sich dies ereignete:
Eines Tages, – ein Tag, der unzerstörbar in meinem Gedächtnis haftet – stöberte ich in einem Buchantiquariat. Dort fand ich ein zweibändiges Werk von Chateaubriand „Le Genie du Christianisme“ (Der Geist des Christentums). Der Titel dieses Buches und sein französischer Verfasser zogen mich unwiderstehlich an, denn ich sagte mir: „Hier schreibt ein Franzose über das Christentum. Ich will es lesen, um mein Waffenarsenal gegen das Christentum zu vervollständigen.“ Mit diesem brennenden Vorsatz erstand ich es trotz meiner erbärmlichen Armut für eine Drachme.
Das geschah am 15. April 1910.
Niemals in den folgenden Jahren vergaß Metallinos diese kleine Transaktion bei dem Buchhändler in der Stadionstraße. Was zunächst lediglich als ein einfacher Bucherwerb erschien, erwies sich in Wirklichkeit als die erste bedeutsame Wegmarke in seinem geistlichen Leben.
Dies war die Stunde des göttlichen Erbarmens, die mir schlug. Sie führte mich zur Buße und schuf meine Bekehrung zu Christus, den ich zuvor bekämpft und gelästert hatte.
Gottes Angelhaken
Die Buße von Metallinos und seine Bekehrung waren kein plötzliches Ereignis. Das Licht fiel nicht plötzlich in seine Seele, wie es bei Saul von Tarsus auf dem Weg nach Damaskus gewesen war. Die Wahrheit gewann in Metallinos schrittweise Grund und schuf schwere innere Kämpfe. Zuerst war es natürlich nötig, daß der feste Turm seines Unglaubens niedergerissen wurde.
Metallinos hatte Christus aus Unwissenheit bekämpft. Er war ungläubig, aber nicht ungehorsam. Aus diesem Grund war es zunächst notwendig, das kennenzulernen, was er bekämpfte er mußte es gründlich studieren.
Solch eine Gelegenheit bot sich ohne sein Zutun in dem Augenblick, als er seine Drachme zahlte, um das Buch von Chateaubriand zu erwerben.
Kostas verließ die Buchhandlung, um sofort sein Zimmer aufzusuchen. Er war so begierig, die „atheistischen“ Argumente Chateaubriands kennenzulernen, daß er bereits unterwegs das Buch öffnete und darin zu lesen begann. Plötzlich hielt er inne. Er las noch einmal, was er soeben gelesen hatte. Er tat es mit Verwunderung und Enttäuschung. Er erkannte, daß er sich getäuscht hatte. Der Verfasser war zwar Franzose, aber er war kein Atheist, wie Kostas es angenommen hatte. Seine Gedanken waren alles andere als antichristlich.
Welches Erstaunen und welche Ernüchterung erfaßte mich, als ich nach kurzem Lesen entdeckte, daß der Verfasser das Christentum verteidigte, statt es anzugreifen. Statt gegen die Religion zu reden empfahl er sie.
Aber da es nun einmal in meine Hände gelangt war, würde ich es widerlegen und meine Kritik in einer kleinen Broschüre veröffentlichen.
Er begann mit der ersten Seite des Buches und fuhr fort, es geduldig und systematisch Kapitel für Kapitel zu studieren, um jedem Gedanken auf den Grund zu kommen und jedes Argument zu prüfen. Er hielt alles für völlig falsch und in seinen Augen besaßen alle Argumente keine Grundlage. Wie leicht und siegreich würde er sie widerlegen!
Einen Monat lang spielte er mit verbissener Entschlossenheit das Spiel, Christus zu widerlegen. Dann griff der Herr ein. Als Kostas an die Seite 30 des Buches kam, hielt er inne. Er stieß auf den Satz: In dem Augenblick, in dem du die Existenz des einen Gottes anerkennst, triffst du, ob du es willst oder nicht, auf die christliche Religion und ihre Lehren. So haben es Clarke und Pascal beobachtet.
Welch ein merkwürdiger Gedanke! Besonders das „ob wir es wollen oder nicht.“ Das war unerhört. Was sollte das bedeuten? Metallinos war verwirrt. Er glaubte an das Vorhandensein einer höheren Kraft, durch die die wunderbaren und zahlreichen Gebilde des Universums erhalten und regiert werden. Als logischer Mensch war er neugierig zu erfahren, wieso dieser Glaube an eine höhere Macht zu Christus führen sollte.
Seine Verwirrung war umso größer, weil er bei der Übersetzung des letzten Satzes des Zitates von Chateaubriand einen Flüchtigkeitsfehler gemacht hatte. Metallinos übersetzte das Zeitwort remarquer, beobachten, als ob es demontrer, beweisen, bedeutet. So dachte er irrtümlicherweise, Clarke und Pascal hätten die Wahrheit der christlichen Religion und ihrer Dogmen bewiesen. Dieses bewiesen fesselte die Aufmerksamkeit des mathematisch denkenden Metallinos außerordentlich.
Nun wird zum Beispiel in der Mathematik bewiesen, daß die Summe der Winkel eines Dreiecks zwei rechten Winkeln entspricht. Aber welche Bedeutung besitzt der Beweis, wenn er philosophische und religiöse Dinge betrifft? Das mußte er herausfinden. Clarke war für Metallinos ein unbekannter Schriftsteller. Bei Pascal war Metallinos nicht ganz sicher, ob sich der Hinweis auf den berühmten Erfinder und Mathematiker Blaise Pascal bezog. Auf jeden Fall brachte diese Fehlübersetzung eine große Unruhe in seine Gedanken und weckte den festen Entschluß, diese Angelegenheit gründlich zu untersuchen.
Sofort schloß ich das Buch. Und da es schon nach Mitternacht war, sagte ich mir: Morgen früh gehst du in die Nationalbibliothek und stellst fest, um welche Art von Beweisen es sich hier handelt. Ich bin wirklich neugierig. Wenn sie ernsthaft sind, werde ich sie nachprüfen und annehmen.
An diesen Sätzen kann man sehen, wie ernsthaft Metallinos der Entschluß war, diesen großen Schatz zu besitzen: die Wahrheit. Sei Streben war von wertvoller Art, denn es ging ihm nicht nur darum, seine intellektuelle Neugier zu befriedigen. Er empfand gleichzeitig die Notwendigkeit, das Verlangen seiner hungrigen Seele zu stillen.
Noch voller Unruhe machte sich Metallinos am nächsten Tag auf zur Bibliothek. Beim Lesen der Bücher Pascals wurde Kostas stärker als bisher bewußt, welche große mathematische und physikalische Begabung dieses Genie auszeichnete. Die Erfindungen und eigenen Anschauungen, die Pascal auf diesem Gebiet der Wissenschaft hervorgebracht hatte, waren wirklich ungewöhnlich. Die Konstruktion der ersten Rechenmaschine, die die Bewunderung der ganzen Welt hervorgerufen erregte, seine berühmten Sätze über die Kegelschnitte, seine Experimente im Bereich der Hydrostatik, die Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung und noch vieles mehr nahm Metallinos Gedanken gefangen.
Doch diesmal war der verwirrte Student mehr daran interessiert, Pascals „Beweise“ für die Religion zu finden als seine wissenschaftliche Leistungen zu bewundern.
Unter den Werken Pascals fesselte jedoch der Titel „Pensées“ („Gedanken“) seine ganze Aufmerksamkeit. Die „Gedanken“ enthielten religiöse und philosophische Betrachtungen Pascals, die nach seinem Tode in Buchform veröffentlicht worden waren.
Metallinos verliebte sich auf den ersten Blick in dieses Buch. Erstens war es französisch geschrieben, so daß er es ohne Schwierigkeiten lesen konnte. Zweitens war Pascal ein berühmter Mathematiker, ein anerkannter Wissenschaftler auf Kostas eigenem Gebiet. Und dann war es das Buch, das auf seine Fragen mit „Beweisen“ antworten würde. Metallinos erfüllte eine große Freude.
Hätte man mir die ganze Welt angeboten unter der Bedingung, daß ich das Buch wegwerfe, ich hätte das Angebot ohne Zögern abgelehnt. So groß war der Durst und das Verlangen meines quälenden Suchens.
Diese Worte erinnern uns an die Verheißungen des Herrn für die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit: „Sie sollen satt werden“ (Matthäus 5,6). Dennoch kann sich keiner ohne die Gnade Gottes eines solchen Sattwerdens erfreuen. Um zu erretten pflegt Gott manchmal Blinde zu erleuchten, manchmal aber auch Sehende blind zu machen. Um von Gottes Angelhaken gefangen zu werden, wurde Metallinos in doppelter Weise mit Blindheit geschlagen einmal, als er ein Buch kaufte, das er gar nicht kaufen wollte, zum andern, als er das Zeitwort „Beobachten“ mit „beweisen“ übersetzte.
„Mein Gott!“, rief Metallinos in Erinnerung an diese Begebenheit aus, „kann es sein, daß dieser unstillbare Durst und dieses Verlangen meine Seele nie ergriffen hätten, wenn ich nicht diese beiden Fehler gemacht hätte?“
Nein! Nein! Ich bin gewiß, Du verfügtest über zahllose andere Wege, um mir Dein Erbarmen zu zeigen, um mir, der sündhaften und blinden Seele, die Gnade zu bringen und das Licht Deines Christus. Doch unter diesen allen wähltest Du den geeignetesten Berührungspunkt, den „Anknüpfungspunkt“, der aus mir selber kam.
Der „Anknüpfungspunkt“, der aus seinem inneren Wesen kam, war sein großer Wunsch, die Wahrheit durch die Wissenschaft zu finden. Und in Seiner unergründlichen Zuneigung führte der Herr den ruhelosen Studenten zu den Füßen eines Mannes, der einen scharfen wissenschaftlichen Verstand und eine tiefe piety in seinem Herzen trug.
Zu Pascals Füßen
Von seinem Verlangen ganz überwältigt nahm Metallinos Pascals „Pensées“ in die Hand und begab sich zu einem der Tische in der Bibliothek. Dort nahm er Platz und begann, es von Anfang zu lesen.
Das erste Kapitel trug die Überschrift: Wider die Gleichgültigkeit der Atheisten.
„Laßt sie erst einmal lernen, was die Religion ist, die sie bekämpfen, ehe sie sie bekämpfen.“
Diese Worte klangen in Metallinos wie Donnerstimmen, und sein Geist wurde verwirrt. Er empfand, daß diese Anklage genau auf ihn zutraf. Auch er war schuldig, indem er das verfluchte und verdammte, was er gar nicht kannte.
Unwissenheit beseitigt natürlich nicht die Schuld vor dem Richterstuhl Gottes, aber sie bewirkt in einem Menschen eine günstige Voraussetzung zur Erneuerung. Christus bat um Vergebung für diejenigen, die ihn gekreuzigt hatten, weil sie nicht wußten, was sie taten. Der Apostel Paulus pries Gott, weil ihm wegen seiner Unwissenheit vergeben worden war, obwohl er Christus verflucht und verfolgt hatte.
Gott begann den nachdenklich gewordenen Metallinos in den gleichen Rahmen zu spannen, denn schon begann ein starkes Gefühl der Reue in seiner Seele zu erwachen.
„Kann es denn sein, daß ich wirklich nicht weiß, was ich bekämpfe?“, fragte er sich, als er die ersten Worte Pascals las.
In diesem Augenblick fühlte ich tief in meinem Herzen Verdammnis, weil ich nie das ganze Neue Testament gelesen hatte, ja nie ein Exemplar davon in meinen Händen gehalten hatte. Metallinos las weiter. Je mehr er las, je mehr wurde ihm bewußt, wie eindrucksvoll und logisch die Stimme des christlichen Zeugnisses war.
Die wahre Wissenschaft gerät nicht mit dem Glauben in Konflikt, und eine rechte Philosophie hebt die Offenbarung Gottes nicht auf. Alle Angriffe gegen den Glauben haben ihren Ursprung in der sittlichen Verderbtheit des Menschen. Diese Verderbtheit hat sein Denken und Urteilen im Blick auf die Wahrheit in die Irre geführt, denn so lange das Herz des Menschen Gott entfremdet ist, kann er in und um sich nur dichte Finsternis wahrnehmen. Gott hat Seiner Kirche deutliche Zeichen gegeben, an denen Er von denen erkannt werden kann, die Ihn aufrichtig suchen. Tatsächlich gibt es genug Licht, um die Aufrichtigen zu erleuchten, und genug Finsternis, um sie demütig zu machen. In derselben Erscheinung liegt genug Finsternis um sie blind zu machen, und genug Licht, um sie zu verdammen.
Solche Gedanken übten eine erschreckende Wirkung auf Metallinos aus. Bis zu diesem Augenblick war sein Problem zuerst und vor allem ein intellektuelles und nur in zweiter Linie ein moralisches. Zuerst wollte er seinen Horizont durch Argumente und überzeugende Gedanken erweitern. Beim Lesen der „Pensées“ wurde ihm bewußt, daß Pascal der Mann war, der ihm dabei helfen konnte. Die Kraft seiner Gedanken, die Größe seiner Aussagen, die Klarheit seines Denkens und vor allem die Macht seiner Logik demütigten den aufrichtigen Studenten, und die Stützen seines Unglaubens begannen zu wanken.
Als zur Mittagszeit die Glocke die Schließung der Bibliothek ankündigte, hatte sich Metallinos schon einer Art intellektueller Richtungsänderung unterzogen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der man Christus dem Barabbas vorzog, war er nun bereit, Pascal dem Atheisten Voltaire vorzuziehen.
Als ich mittags die Bibliothek verließ, war ich ein anderer Mensch als der , der am Morgen dort hineingegangen war. Obwohl es mir damals nicht bewußt war, war ich bereits überwunden, weil ich im tiefsten Inneren getroffen war. Von ganzem ungeteilten Herzen begehrte ich, weiterzusuchen. Ich erkannte, daß ich zum ersten Male auf die ernsthafte, klare und unwiderlegbare Wahrheit hörte, die aus dem Geist eines großen Denkers kam. Dieser redete zu mir über die Fragen, die mich betrafen, und wies mich zurecht auf meinen Platz.
Am gleichen Nachmittag kam er wieder in die Bibliothek. Diesmal brachte er Papier und Bleistift mit, um sich Notizen zu machen. Als er das Buch auf gut Glück öffnete, stieß er auf Pascals Gedanken über die Verwerflichkeit des Menschen, der ohne Gott lebt. Hier einige Schlußfolgerungen, die er aufschrieb.
Der Mensch trägt den Stempel der Größe in sich und das Brandmal der Lasterhaftigkeit. Die Größe des Menschen begegnet uns in seinem Ursprung. Seine Lasterhaftigkeit erwächst aus seiner Verderbtheit und aus seiner Sünde. Es gibt eine harmonische Beziehung zwischen der christlichen Wahrheit und dem Verlangen der menschlichen Seele. Der sich selbst überlassene Mensch ist hilflos und verloren, darum braucht er unbedingt eine Hilfe, eine die von außen kommt, eine höhere, göttliche Hilfe.
Er unterbrach sein Lesen. Er behandelte das Buch fast mit ehrfürchtiger Bewunderung. Ihn ergriff ein starkes Verlangen, dieses Buch zu besitzen. Drei Tage durchstreifte er die Bücherantiquariate der Stadt, bevor er endlich eines fand. Er schreibt: „Ich ging sofort in mein Zimmer, um seinen ganzen Inhalt in mich aufzunehmen.“
Metallinos nahm die Sache sehr ernst. Um sich ungeteilt dem Studium Pascals hingeben zu können, beschloß er, die Mathematik vorübergehend beiseite zu schieben. Er wollte unbedingt zu einigen bestimmten Ergebnissen kommen.
Fast völlig von der Außenwelt abgeschlossen, setzte er zwei Monate lang mit unersättlichem Eifer das Studium der „Pensées“ Pascals fort.
Allein mit meinem Buch, ausgelacht von dem kleinen Kreis meiner Studiengenossen, pflegte ich mich den ganzen Tag in meinem ziemlich ärmlich ausgestatteten Zimmer einzuschließen. Ich kam von einer erstaunlichen Entdeckung zur anderen. Aber zur gleichen Zeit erreichten mich Strahlen des Lichtes, dem ich nach und nach zustrebte.
In dieser Zeit fühlte sich der arme Student durch materielle Entbehrungen schwer bedrückt, aber sein Geist nährte sich mit Freuden von den allerbesten Weidegründen.
Diese Ruhe war jedoch nichts anderes als die Stille vor dem kommenden Sturm. Wolken des Unbehagens und moralische Vorwürfe fingen an, ihre Schatten auf die Seele Metallinos‘ zu werfen, während er fortfuhr zu lesen, wie dieser göttliche Verfasser den dramatischen Kampf zwischen dem menschlichen Gewissen und dem göttlichen Gesetz beschrieb. Er nahm auch wahr, daß Pascal selbst einen geistlichen Kampf erlebt hatte, als er in der Tiefe seiner eigenen Seele die verborgenen Keime seiner Schuld vor Gott und seiner moralischen Verderbtheit wahrnahm.
Diese Betrachtungen ließen Metallinos auf seinen eigenen moralischen Zustand achten. Und da spürte er zum ersten Mal in seinem Leben, daß er angesichts der göttlichen Gerechtigkeit, die befiehlt, richtet und verurteilt, schrecklich schuldig war. Diese Schuldgefühle hatten eine solche Wirkung auf den feinfühligen Studenten, daß sich sein Interesse und sein Sorgen plötzlich in eine andere Richtung entwickelten. Aus dem Suchen des Geistes war nun eine Betroffenheit der Seele geworden. Er suchte nun nicht mehr, seinen Geist mit Argumenten gegen den Materialismus und Unglauben auszurüsten. Jetzt suchte er zuerst und vor allen Dingen die Antwort zu finden, die sein verwirrtes Gewissen zur Ruhe brachte.
Besaß etwa Pascal die Antwort?
An diesem Punkt lernte Metallinos die ersten Schritte zu seiner moralischen Wiederherstellung und Heilung: Er mußte sich selbst erkennen. Pascal veranlaßte ihn, in die Tiefe seines eigenen Wesens zu steigen, um so die Verderbtheit und Verkehrtheit seiner Natur zu erkennen. Das Böse regiert den Menschen wie ein Gesetz; es gleicht einer unwiderstehlichen Kraft, die seine Seele, seinen Leib und seinen Geist ergreift und verdirbt. Deshalb ist der Mensch machtlos, Gutes zu tun, und unfähig, das moralische Gesetz zu erfüllen. Er hat Leben, besitzt aber nicht das höhere Leben. Er hat Kraft, aber um Gutes zu tun braucht er eine höhere Kraft. Darum ist die Heilung und Wiederherstellung des Menschen nicht möglich, wenn er nicht zuerst seinen moralischen Zustand erkennt, wenn er nicht erkennt, wer er in Wirklichkeit ist.
Metallinos brauchte nicht lange, bis er erkannte, wer er in Wirklichkeit war. Er erkannte in sich Verderbtheit, Ehrfurchtslosigkeit, ungesetzliche Leidenschaften, Haß, Irrtum, Finsternis. Er erkannte, wie er schreibt, „ein Chaos, das sich bedrohlich zu seinen Füßen ausbreitete.“ Dies ist der Abgrund, der jeden Sünder anschaut, wenn er nur seine eigene sittliche Verderbtheit wahrnimmt, ohne gleichzeitig Gottes Barmherzigkeit zu erkennen. Doch Pascal erklärte, daß der Mensch zuerst Christus erkennen muß, wenn er Gott und sein Erbarmen erkennen will. Ohne Ihn, den Mittler, kann es keine Verbindung zwischen Mensch und Gott geben. Diejenigen, die Gott außerhalb der Person Christi finden wollen, finden kein Licht, keine Erfüllung, weil Christus das Licht der blinden ist und der einzige, der Hungrige satt macht. Er ist der wahre Gott, dem wir uns ohne Stolz nähern, vor dem wir ohne zu verzweifeln niederknien.
Jesus von Nazareth war für Metallinos der verhaßte Jude gewesen, der die Wissenschaft und den menschlichen Fortschritt bekämpfte. Doch der aufrichtige Student hatte den Wunsch, wie der zweifelnde Thomas seine Hände in die Seite Christi zu legen, doch diesmal mit mehr Bedachtsamkeit und ohne jegliches Vorurteil.
3. MEIN HERR UND MEIN GOTT
Das Fundament des Christentums liegt in dem himmlischen Ursprung Jesu Christi. Das war die erste Schlußfolgerung, zu der Metallinos kam. Er lernte von Pascal, daß jeder, der die göttliche Natur Jesu leugnet, das Christentum auf die Ebene einer menschlichen Religion herabzieht und seinen Begründer auf die Ebene eines Menschen, der ein Lügner und ein egozentrischer Verrückter ist. Durch das Selbstzeugnis Jesu sind wir gezwungen, die eine oder die andere dieser beiden Schlußfolgerungen anzunehmen: Entweder war er ein Größenwahnsinniger, der Gott lästerte, oder er war in Wahrheit Gottes eingeborener Sohn.
Metallinos war tief beeindruckt von der klugen Methode, mit der Pascal die Lehre von der Gottheit Christi bewies, indem er sich auf die Logik und die Geschichte stützte. Nach Pascal gibt es drei Argumente, die den göttlichen Ursprung Christi bezeugen:
Das erste ist Seine sittliche Vollkommenheit. Er lebte vollkommen und sündlos. Jesus brauchte niemand um Vergebung für irgendeinen Fehler zu bitten, noch brauchte Er jemals etwas zu bedauern, was Er getan oder unterlassen hatte. Die Frage, die Er seinen Anklägern stellte, ist bis heute unbeantwortet geblieben: „Wer von euch überführt mich einer Sünde ?“ (Joh.8,46).
Diesem Selbstzeugnis Jesu fügte Sein himmlischer Vater Sein eigenes, sichtbares Zeugnis hinzu, die wunderbaren Taten, die Er durch Seinen Sohn vollbrachte.
Diese übernatürlichen Taten, die Seine grenzenlose Macht und Güte widerspiegeln, begründen die zweite Offenbarung des göttlichen Ursprungs Jesu Christi. Er heilt Kranke, macht Blinde sehend, reinigt Aussätzige, weckt Tote auf, stillt den Sturm das alles waren übernatürliche Ereignisse, die den Stempel der Zustimmung Gottes auf Seine Lehre drückten.
Neben die sittliche Vollkommenheit Jesu und Seine Wunder stellt Pascal ein drittes Argument für Seinen göttlichen Ursprung, das sogar noch größer ist und wirklich nicht zurückgewiesen werden kann: Die Weissagungen über die Person und das Werk Christi. Hier sind Pascals eigene Worte: die Weissagungen sind der stärkste Beweis für Jesus Christus. Hätte ein einzelner Mensch ein Buch mit Weissagungen über Jesus Christus geschrieben, in dem er die Zeit und den Ort Seines Kommens voraussagt, und Christus wäre in genauer Übereinstimmung mit diesen Weissagungen erschienen, so wäre dies sicher von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Aber in unserem Fall begegnet uns etwas viel Größeres. Hier erscheint eine ganze Reihe von Propheten während eines Zeitraumes von 4000 Jahren, und einer nach dem anderen weissagt von dem gleichen geschichtlichen Ereignis. Wir sehen, wie ein ganzes Volk dieses Ereignis vor seinem Eintreten ankündigt, und dieses Volk bleibt bestehen, und trotz aller Verfolgungen, die es erlitten hat, ist es davon nicht abgewichen. Das ist von noch größerer Bedeutung.
Diese logischen Argumente bedeuteten für Metallinos eine Offenbarung. Schrittweise begann die Wahrheit über die Person Christi seinen Geist zu erleuchten, bis endlich jeglicher Zweifel vertrieben war.
Als ich das Kapitel Pascals von den Weissagungen über Christus las, brach in mir ein Licht auf. Die Schuppen fielen von den Augen meiner Seele, und ich erkannte in Seiner Person, in dem von mir gehaßten Juden, den eingeborenen Sohn Gottes.
Entsetzen erfaßte seine Seele, als ihm bewußt wurde, daß er Gott durch sein Handeln aus Unglauben in der Person Seines Sohnes den Krieg erklärt hatte. Immer wieder wurde er von den gleichen Alpträumen bedrängt, die ein Schuldiger erfährt, der sich zu verbergen sucht, während er gleichzeitig vom Gesetz verfolgt wird.
Der Schrecken und die Verdammnis, die Metallinos empfand, erwiesen sich als Zeichen echter Buße. Er empfand nicht nur Trauer über das schwankende Verhalten in seinem bisherigen Leben, sondern auch ein tiefes Schuldbewußtsein. Wie der Zöllner im Gleichnis bekannte er dies vor Gott und bat aufrichtig um Erbarmen. In Reue bekannte er, daß seine gefallene Natur in Auflehnung gegen Gott lebte, und in tiefer Buße sagte er sich davon los und brach mit seiner sündigen Vergangenheit.
Um von dieser vollzogenen Buße zur vollkommenen Vergebung und zur Rettung seiner Seele zu gelangen, bedurfte es nun eines weiteren Schrittes: Er mußte sich Christus zuwenden, denn nur Christus vergibt Sünden und rettet den Sünder. Und so streckte Metallinos unter der geistlichen Führung von Pascal seinem Retter seine flehenden Hände entgegen und empfing inneren Frieden und vollkommene Vergebung. Später erinnert er sich so an diese glückliche Erfahrung:. Nach jedem Seufzen überströmte mich jedesmal eine friedvolle Ruhe, und wie ein Blitzstrahl durchdrang mich der Gedanke: Fürchte dich nicht, Christus hat dich angenommen, du bist erlöst.
Die Gnade Gottes wirkte vollkommen mit der Aufrichtigkeit von Metallinos zusammen und verwandelte ihn von einem bitteren Feind Christi in einen hingebungsvollen Jünger Jesu. Das Licht des Erkennens wurde nun zum Glauben des Herzens. Was Metallinos mit seinem Verstand aufgenommen hatte, empfing er nun in seinem Herzen, nicht nur als Weisheit, sondern als seelenrettende Wahrheit.
Metallinos bezeichnete seine damalige Entdeckung, die er durch bestimmte Bücher machte, in denen er eine Fülle wohlbegründeter Argumente zur Verteidigung des christlichen Glaubens fand, als Gottes Barmherzigkeit. Gründlich und immer wieder studierte er diese Werke.
Das war es, was ich brauchte. So konnte ich in den Kampf ziehen, nicht mehr gegen Christus, sondern gegen die Feinde Christi.
Nun war für ihn die Zeit gekommen, seine neuen Überzeugungen öffentlich darzulegen. Er begann damit bei seinen Mitstudenten. Mit der Begeisterung eines aufrichtigen Idealisten zog er aus, um gegen die Irrtümer zu protestieren, die die Universitätsprofessoren über den Materialismus und den Ursprung des Menschen lehrten. Der Lohn für diesen schwierigen geistlichen Feldzug bestand in drei oder vier Mitstudenten, die sich ihm anschlossen. Um ihr Interesse an christlichen Grundsätzen wachzuhalten, versorgte Metallinos seine ersten Nachfolger mit Zeugnissen anderer Wissenschaftler, die die Theorien des Darwinismus und des Unglaubens bekämpften.
Doch ihr Hauptgesprächsthema handelte von der Gottheit Christi. Später erinnerte sich Metallinos:
Einige meiner Studiengenossen nahmen die Tatsache zur Kenntnis, daß ich mit wirksamen Argumenten gerüstet zu sein schien, und sie übernahmen meine Überzeugung, daß Christus wirklich Gott ist und daß wir mit ganzem Herzen an Ihn glauben müssen.
Mit Christus reden
Nach seiner Bekehrung erfüllte Metallinos zum ersten Mal das Verlangen nach einer lebendigen und persönlichen Verbindung mit Christus.
Eines Tages, als er allein in seinem Zimmer war, durchzuckte ihn eine Erleuchtung: „Wenn du glaubst, daß Christus Gott ist, warum sprichst du jetzt nicht mit ihm im Gebet ?“
So begann er zu beten. Von dem Gefühl tiefer Demut überwältigt hob er seine Augen auf und ließ seinen Geist dem Geist Gottes begegnen. Die Worte, die er sprach, klangen so einfach, doch sie stiegen mit innerer und instinktiver Kraft aus der Tiefe seines Herzens zu Gott empor. Ein kurzes Schuldbekenntnis, wenige Worte tiefempfundenen Dankes, ein aufrichtiges Gelöbnis und viele Tränen. Als er aufhörte, erfüllte ihn eine unbeschreibliche Freude. Unmittelbar darauf wollte er diese beglückende Erfahrung wiederholen. „Ich empfand solchen süßen Frieden, daß ich mir sagte: Warum sollte ich nicht noch einmal beten?“
Er fing erneut an zu beten mit neuem Sündenbekenntnis, mit neuer Danksagung, mit neuem Gelöbnis; er vergoß weitere Tränen und erfuhr neue Freude. Als er aufhörte, sagte er sich:
Ich habe das Geheimnis entdeckt! Von heute an werde ich mit Jesus reden. Ich werde in Seine Nähe treten und viele Male an jedem Tag mit Ihm reden.
In der Tat hatte er eine große Entdeckung gemacht, denn seit diesem Tag im Herbst 191o wurde das Gebet für Metallinos die Spindel, mit der er anfing, sein geistliches Werk auf dem Teppich seines Lebens zu weben.
Von da an nahm das Gebet in meinem Leben die Art eines lebendigen und bedeutsamen Gespräches mit Christus an und wurde zur Quelle des tiefsten Trostes und der höchsten Freude.
An jenem milden Nachmittag, an dem er diese reiche, neue Erfahrung in seinem Gebetsleben machte, trat er an das Fenster seines bescheidenen Zimmers, öffnete die Schlagläden und warf einen zufälligen Blick auf den Horizont. Da stand das Parthenon in dem klaren, goldenen Licht eines wundervollen attischen Sonnenuntergangs und leuchtete stolz vor ihm auf. Daneben, kaum von der Akropolis getrennt lag die massive,. konturenlose Silhouette des Areopags, auf dem der Apostel der Heiden zum ersten Mal zu den götzendienerischen Athenern den auferstandenen Christus verkündigt hatte. Seit Jahrhunderten standen beide Bauwerke nebeneinander, gewaltige Symbole für das umfassende menschliche Streben, das höchste Gut zu erlangen. Das eine ist das Symbol menschlicher Weisheit; das andere das Symbol göttlichen Heils. Das eine verkörpert die höchsten Leistungen menschlicher Anstrengungen; das andere stellt in der Predigt des Paulus das wunderbare Wirken der Macht und der Liebe Gottes für die Menschheit dar.
In der Schule hatte Metallinos in einigen Stunden des Religionsunterrichts von dem Areopag gehört. Er erinnerte sich an die Predigt des Paulus, an die Art, mit der die Athener den Apostel verspottet hatten, an den Ratsherrn Dionysius. Nun schaute er, die Ellenbogen auf die Fensterbank gestützt, in tiefer Verehrung der Vergangenheit in dieselbe Richtung. Nun rief er sich im Geist die Szene in Erinnerung, als der Apostel der Heiden vor den den Götzen dienenden Athenern stand und ihre Finsternis mit seinem geistlichen Licht erleuchtete. Er schaute die epikureischen und stoischen Philosophen, wie sie über Paulus spotteten und seine Predigt lächerlich machten. Er sah die Neubekehrten, die dem Apostel folgten, nachdem sie zum Glauben an Jesus und an die Auferstehung gekommen waren.
Als er aus seinen Träumen erwachte und in die Wirklichkeit zurückkehrte, erschien ihm die Welt verändert. Nun hatte der steinige Areopag für Metallinos eine größere Bedeutung gewonnen als der Parthenon, und Dionysius, der Areopagite, stand ihm nun näher als Sokrates.
Im Reich des Lichtes
Das Wunder war geschehen. Der Glaube an Christus fing nun für Metallinos an, zu einem umgestaltenden, lebendigen, persönlichen Heilserlebnis zu werden. Doch das genügte nicht. Die geistliche Erleuchtung, die er empfangen hatte, mußte noch stärker werden. Das unsichtbare innere Zeugnis des Geistes, das er in seinem Herzen schon besaß, mußte in gleicher Weise durch das sichtbare, geschriebene Zeugnis Gottes, das Neue Testament, bestätigt werden. Metallinos hatte niemals eine Bibel erworben, noch hatte er sie jemals gelesen. Durch die wenigen Abschnitte, die seine Lehrer früher in der Schule erklärt hatten, besaß er nur eine ungefähre Vorstellung von ihrem Inhalt. Er wußte nur, daß die Worte und Taten Jesu im Neuen Testamen zu finden waren.
Er sagte sich:
Da du nun vollkommen überzeugt bist, daß Christus Gott ist, warum kaufst du kein Neues Testament? Da kannst du mehr von Seinen Worten lesen und lernen, was Er von dir erwartet. Die Folge dieses inneren Dranges war, daß dieser Einfall ein Feuer in meinem Herzen entzündete; mich überkam das innere Verlangen, ein eigenes Neues Testament zu besitzen.
Noch am gleichen Tage konnte Metallinos erwerben, wonach ihn verlangte. Als er im Wagen eines wandernden Buchhändlers stöberte, fiel sein Blick auf ein kleines, schönes antiquarisches Buch mit dem Titel „Neues Testament“. Sofort kaufte er das Buch. Er konnte es kaum abwarten, in sein Zimmer zu gelangen. Er legte sich auf sein Bett, öffnete das Buch auf gut Glück und fing an zu lesen:
Ich bin die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe. Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt rette (Johannes 12.46.47).
Diese äußere, geschriebene Tatsache des Neuen Testaments nahm Metallinos als Siegel Gottes entgegen, durch das die eigene, innere Tatsache der Heilserfahrung bestätigt wurde. Das Wort „Finsternis“ und das damit verbundene Gericht stellten ihm für einen Augenblick das häßliche Bild seines früheren Lebens vor Augen. Trotz desselben hatte Christus ihm viele Jahre lang Geduld erwiesen, denn er kam ja nicht, um zu verdammen, sondern um jeden Sünder zu retten um Kostas Metallinos zu retten.
Zum ersten Mal in meinem Leben las ich diese Worte im Neuen Testament, und zum ersten Mal erfüllte mich aus tiefster Seele der Dank gegenüber Ihm, der mich so viele Jahre getragen hatte. Ich hatte mich selbst nicht mehr in der Gewalt. Tränen der Reue und Buße über das, was ich einem wie Ihm angetan hatte, erschütterte mich gänzlich. Aber auf dem Grund meines seelischen Zustandes lebte nicht die Verzweiflung, sondern der trostreiche Zuspruch und der himmlische Friede, weil ich wußte, daß Er mich angenommen und mir vergeben hatte.
Das kleine Zimmer wurde für Metallinos zum Paradies. Eine süße, himmlische Erhebung kam über ihn, als ob Gott ihn liebkosen würde. Von seinen Gefühlen überwältigt erhob er sich von seinem Bett. Er ging zu seinem Tisch und setzte sich langsam, fast unbeholfen auf seinen Stuhl. Mit Tränen im Gesicht und in Gedanken versunken hielt er mit beiden Händen das Neue Testament. Es war auf derselben Seite geöffnet. In demütiger Haltung hob er seine Augen auf und flüsterte Christus sein feierliches Gelöbnis: „O Jesus, ich kannte Dich nicht, darum kämpfte ich gegen Dich. Ich danke Dir, daß Du sogar mich angenommen hast. Ich verspreche Dir, daß ich Dir völlig gehören will, und ich will Dir dienen mit meinem ganzen…“
Überwältigt von seinen Gefühlen vermochte er nicht mehr zu sagen. Doch vom Standpunkt des Herrn aus genügte das , was er gesagt hatte.
Metallinos kam sich wie ein Krieger vor, der in heftigen Kämpfen alle Höhen erobert hatte und sich nun anschickte, die Beute ins Tal zu schaffen. Sechs Monate lang hatte er zahlreiche schwere Krisen durchstanden, die sein Innerstes erschüttert hatten.
Die heftige Infragestellung seines ursprünglichen Unglaubens; sein Verwirrtsein bei seiner späteren Wahrheitssuche; die geistigen Qualen und plötzlichen Umwandlungen, die er beim Studium Pascals durchmachte; die Annahme der Gottheit Christi, den er bis dahin geschmäht und gehaßt hatte; die Kämpfe, die der Buße vorangingen; die starken Gefühle, die mit seiner Wiedergeburt verbunden waren, das alles mußte sich in seinem Geist und Sinn als eine eindrucksvolle und unvergeßliche persönliche Geschichte festsetzen.
Für Metallinos wurde es nun notwendig, die Schrift zu studieren, damit er Licht gewann und mit der höheren geistlichen Weisheit vertraut wurde. Getrieben vom Geiste Gottes gelangte er dahin, das Neue Testament mit wahrer Leidenschaft zu lieben.
So wie ich das Gebet als Quelle meines Glückes bezeichnet hatte, fand ich nun im Studium der Worte Christi eine Quelle unbeschreiblicher Freude und Erhebung. Für mich war es mehr als bloßes Lesen und Studieren. Es war die innigste Form persönlicher Gemeinschaft mit meinem Heiland, während Er fortfuhr, lebendige Worte unmittelbar in meine Seele zu legen.
Der Neubekehrte las nun mit Eifer Gottes Wort. Allein in seinem kleinen Zimmer las er täglich fünfzehn Stunden im Neuen Testament, ohne dabei zu ermüden. Das Ergebnis bestand darin, daß er nach zehnmonatiger Beschäftigung mit dem ganzen Neuen Testament, jeden Teil desselben genau zitieren konnte.
Weil er bei vielen Abschnitten der Paulusbriefe Verstehensschwierigkeiten hatte, entwickelte sich bei ihm eine stärkere Vorliebe und Wertschätzung der Evangelien, in denen er die Abschiedsreden Jesu in Johannes 13 16 besonders liebte.
Am Ende seines Lebens schrieb er: Bis auf den heutigen Tag habe ich diese Ausgabe des Neuen Testaments als meinen kostbarsten Besitz aufbewahrt. Seine Seiten tragen die Spuren vieler Tränen des Dankes und der Erleichterung, Tränen, die ungefragt flossen, als ich die Worte meines Heilandes studierte.
Neben dem Studium des Neuen Testaments begann er mit Eifer die Auslegungen der Kirchenväter zu lesen, besonders die das Chrysostomus. Dieser half ihm bei der Lösung vieler schwieriger Fragen in geistlichen Dingen, denn vor allem Chrysostomus half ihm, tiefer in das Verständnis des Neuen Testaments einzudringen.
In dieser Zeit beschloß Metallinos eines Tages, die Heilige Kommunion zu empfangen. „Warum soll ich nicht zur Beichte gehen und ich dann die Heilige Kommunion empfangen?“, fragte er sich. Und so ging er. In dem Bewußtsein, geistlich vorbereitet zu sein, ging er zu dem Priester und beichtete. Er sprach von seiner Buße über sein sündhaftes Leben. Er sprach von der Veränderung, die Christus in sein Leben gebracht hatte. Er sprach von seiner neuen geistlichen Erfahrung. Der Priester hatte es eilig. Er unterbrach die Beichte und legte ihm eine sechsmonatige Bußübung auf: Zehn Gebete an jedem Tag und einige geringere Bußübungen. Als Metallinos die Kirche verließ, fühlte er sich in seinem Gewissen betroffen, denn er empfand, daß ihm gerade etwas widerfahren war, das der Wahrheit widersprach, die er bereits aus dem Neuen Testament kannte. „Warum soll ich auf den Priester hören?“, fragte er sich. „Wenn ich weiß und glaube, daß Christus mich angenommen hat, wozu brauche ich dann noch einen Priester?“
So ging er am nächsten Sonntag in die Kirche zum Empfang der Heiligen Kommunion. Seine Seele verlangte nach Gemeinschaft, aber er begehrte keinen Priester mit seinen Bußübungen. Dieses Problem löste sich jedoch von selbst. Als er drei Wochen lang gekommen war, schickte ihn der Priester fort. „Was soll das alles? Jede Woche immer wieder dieselbe Geschichte. Geh fort und komm nicht wieder!“ Metallinos ging.
Trotzdem blieb Metallinos weitere acht Jahre in der Orthodoxen Kirche.
4. DIE ZUBEREITUNG
Zu Beginn des Jahres 1911 lud einer der Universitätsstudenten Metallinos ein, an einem Treffen junger Männer teilzunehmen, die das Neue Testament studierten.
Die Folge dieser Einladung war, daß Metallinos mit dieser kleinen Gruppe junger Männer bekannt und später eng vertraut wurde. Einige von ihnen sollten in den folgenden Jahren entscheidenden Einfluß auf sein Leben und Wirken ausüben.
Metallinos Teilnahme an dieser ersten Zusammenkunft zum Bibelstudium machte auf die Anwesenden einen tiefen Eindruck. Am Ende der Versammlung war jeder in der Gruppe begeistert von dem Beitrag, den der junge Besucher zu dem Gespräch geleistet hatte, besonders der Leiter Christophilos. Er nahm Metallinos beiseite und fragte ihn, woher er seine Kenntnisse erworben habe. Metallinos erzählte ihm einiges von dem, was ihm widerfahren war.
Christophilos war durch das Gehörte tief bewegt und forderte ihn auf, regelmäßig an den Zusammenkünften teilzunehmen.
Von da an entwickelten sich die Dinge in eine neue Richtung.
Die Verbindungen, die Metallinos in den Räumen der orthodoxen Gesellschaften, dem Reform Club, der Gemeinschaft Mariä Verkündigung und darüber hinaus anknüpfte, waren auf zwei Weisen von großem Nutzen für seine christliche Berufung. Zunächst boten sie ihm gute Möglichkeiten und günstige Bedingungen, seine Gabe zum öffentlichen Reden zu pflegen eine Gabe, durch die Gott später Wunder wirken sollte. Außerdem bildete sich aus dem dadurch entstandenen Kennenlernen eine feste Gruppe von vier oder fünf gläubigen jungen Männern, die später mit der Schleuder des Glaubens auszogen, um wie der junge David gegen Riesen zu kämpfen.
Die Kennzeichen, die diese kleine Schar damals bestimmte, waren das regelmäßige Studium des Neuen Testaments, die persönliche Erfahrung, die jedes einzelne Mitglied mit der Wahrheit des Evangeliums machte, und der feste Wunsch, diese seelenrettende Wahrheit zu verkündigen, auch wenn das große persönliche Opfer fordern sollte.
Die Versammlungen folgten einer einfachen Ordnung. Jede Zusammenkunft zum Bibelstudium begann mit dem Aufsagen des Vaterunsers. Darauf folgte die Auslegung eines bestimmten Abschnitts aus dem Neuen Testament. Nach Beendigung der Aussprache suchten die Mitglieder des Kreises eine Gelegenheit, um ein gemeinsames öffentliches Zeugnis ihres Glaubens zu geben. Damals entwickelte sich die kleine Gruppe zu einer Wandermission, zu einer Art von Gemeinde unterwegs. Immer waren sie auf der Suche nach Orten, wo ihre geistlichen Bestrebungen dankbar angenommen wurden in den Wohnungen von Freunden, in öffentlichen Hallen und sogar im Freien
Die Allgemeine Mobilmachung, die zu jener Zeit in Griechenland angeordnet wurde, und der sich anschließende Balkankrieg zerstreute diese christliche Gruppe. Metallinos wurde am 1. April 1913 einberufen und tat bis zum Jahre 1916 aktiven Heeresdienst. Dann wurde er zur Reserve ausgemustert. Während dieser drei Jahre, in denen er immer wieder zu Wehrübungen einberufen wurde, versuchte er jede Gelegenheit zu nutzen, um sich und seinen Standort im Leben zu festigen. So schloß er am 19. Dezember 1915 an der Universität sein Studium ab und erhielt für seine bemerkenswerten Leistungen in dem von ihm gewählten Studienfach den Grad eines Doktors der Mathematik.
Aber er vernachlässigte auch nicht seine geistliche Tätigkeit. In dem kleinen Zimmer von Metallinos pflegten sich Mitstudenten und Freunde zu Aussprachen und Predigten über geistliche Themen zu treffen.
Schon während er sich für diese Tätigkeit einsetzte, war er bereits in den Öffentlichen Dienst eingetreten. Dort sollte er sich später nicht nur als Regierungsbeamter auszeichnen, sondern auch als ein Apostel Jesu Christi, berufen zum Dienst unter seinen Kollegen. Seine erste Einstellung in den Regierungsdienst war am 11. Februar 1911 unterzeichnet worden.
Als Lehrling wurde er der Generalbehörde für das Rechnungswesen zugewiesen, mit einem Gehalt von 20 Dollar im Monat. Davon sandte er seiner Mutter regelmäßig 4 Dollar. Drei Jahre blieb er in dieser Stellung, bis er im Jahre 1914 der Behörde für das Rechnungswesen als ständiger Angestellter zugeteilt wurde.
Dort führte Metallinos einen wirklichen Kampf mit sich und mit dem Satan. Es stellte sich heraus, daß diese Ernennung für ihn zu einer harten Schule wurde, in der er die ersten Lektionen in Ausdauer und Demütigung lernen sollte. So dauerte es nicht lange, bis sein christliches Zeugnis unter seinen Kollegen für diese zu einer Zielscheibe und für ihn zu einer anhaltenden Prüfung wurde. Spott, Verfolgung, Hohn und Schelte waren an der Tagesordnung. Metallinos schluckte alles mit gutem Humor und vollkommenen Gleichmut, niemals mit einer Gesinnung von Haß oder Vergeltung. Wann immer seine Mitarbeiter einen dummen Witz über ihn machten, um ihn zu reizen, versuchte er stets seine Haltung zu bewahren. Wenn sie zum Beispiel eine Nadel aufrecht in seinen Stuhl steckten, so daß er gestochen wurde, sprang er lächelnd von seinem Stuhl auf und flüsterte leise: Es wird euch nicht gelingen, mich verrückt zu machen, ihr Werkzeuge Satans. Ich bete für euch. Jesus ist dabei euch zu ergreifen. Ihr könnt nicht entkommen.
Damit weissagte er richtig, denn nach einigen Jahren hatte Christus tatsächlich die meisten von ihnen ergriffen. Die Hand des Herrn zur Errettung dieser Angestellten wurde völlig sichtbar, als der Lebhafteste von allen, dem Metallinos den Spitznamen „Teufel“ gegeben hatte, weil er mit ihm die schlimmsten Scherze trieb, Buße tat und sich Christus zuwandte und dessen Erbarmen und Heil begehrte. Als er das hörte, bekannte Metallinos, daß er 15 Jahre lang für das Heil dieses Mannes gebetet habe.
Von Anfang an war es Metallinos klar, daß er einen besonderen Ruf Gottes besaß, sich für die geistliche Arbeit unter den Regierungsbeamten einzusetzen. Das war sein Evangelisationsgebiet. Und weil er sich stets auf die Macht des Gebets und auf die Führung des Herrn verließ, lebte er in großer Erwartung. Eifrig bemühte er sich darum, daß seine Kollegen mit ihm an der geistlichen Erfahrung des Heils in Christus Anteil bekamen. Und wie wunderbar war es, wenn während seiner verschiedenen Regierungsämter Bibelstudiengruppen entstanden. In dieser Zeit lautete sein Lieblingsspruch: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Auf diese Verheißung gestützt, setzte Metallinos seine geistliche Arbeit unter seinen Kollegen mit großer Ausdauer fort. Er glaubte, daß er später mit Freuden ernten würde, was er damals mit Tränen säte. Wir werden sehen, daß Gott den Glauben seines ergebenen Arbeiters ehrte.
Die ersten Predigten
Mit Furcht und Zittern stand Metallinos vor seiner ersten Zuhörerschaft. Die Gelegenheit ergab sich, als Basil Christophilos verreisen mußte. Christophilos war Mitglied der Gruppe und regelmäßiger Redner in der Kirche Sankt Demetrius und mußte einen Ersatzmann finden. Er dachte an Metallinos.
„Sag, Kostas, möchtest du am kommenden Sonntag in Sankt Demetrius sprechen? Dann müssen die Leute nicht ohne Predigt nach Hause gehen“, schlug Christophilos vor.
Kostas zögerte mit seiner Antwort. Der Gedanke, allein auf sich gestellt in einer großen Kirche voller Menschen so lange sprechen zu müssen, schreckte ihn. Aber Christophilos tat alles, um ihn zu ermutigen. Schließlich stimmte Metallinos zu, wenn auch nur mit halbem Herzen.
Dem Thema seiner ersten Predigt lag der Text zugrunde: „Schaut die Lilien auf dem Felde an“ (Matthäus 6,28).
In seiner Botschaft pries der Laienprediger die Liebe und Güte Gottes. Doch gleichzeitig betonte er, daß der Glaube des Menschen wesentlich an der Auswirkung dieser Güte und Liebe beteiligt ist.
Die Lilie auf dem Felde ist eine Pflanze, auf die man täglich sorglos tritt. Doch ihr Schöpfer kleidet sie mit außerordentlicher Schönheit und Lieblichkeit. Ist es möglich, daß Gott für solch eine kurzlebige Pflanze sorgt und im Blick auf den Menschen gleichgültig ist, dessen Bestimmung das ewige Leben ist? Hier soll sich unser Glaube einschalten. „Ich glaube“, heißt, ich besitze eine große Vorstellung von Gott, von Seiner Güte, von Seiner Macht und von Seiner Zuverlässigkeit im Blick auf Seine Verheißungen. Wer sich fürchtet und an den Verheißungen Gottes zweifelt, setzt Ihn herab und macht Ihn klein. Wenn wir wirklich glauben, müssen wir uns mit völligem Vertrauen auf die Verheißungen das Herrn verlassen. Das gilt nicht nur für die alltäglichen Bedürfnisse unseres Lebens, sondern auch für die Bedürfnisse unserer Seelen.
Es waren solche Gedanken, die Metallinos in seiner ersten Botschaft darlegte. Kaum hatte er geendet, ertönte eine Stimme aus der Zuhörerschaft, die bestätigte, daß er seine Sache gut gemacht hatte. „Bravo, mein Junge, bravo! Du hast uns eine gute Botschaft gegeben!“ Die Frauen jedoch verhielten sich zurückhaltender mit ihrem Lob. „Für uns hast du zu schnell gesprochen. Beim nächsten Mal sag es für uns ein wenig langsamer.“
Trotz allem erfahrenen Lampenfiebers hatte Metallinos einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen. Die Ansprachen setzten sich mit einzigartigen Erfolg fort. Die Gemeinde wuchs immer weiter, und vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtete der Priester den jungen Prediger als ein Gottesgeschenk, als eine Wohltat, die der heilige Demetrius seiner kleinen Kirche erwies.
Als Christophilos von seiner Reise zurückkehrte und diese Neuigkeit hörte, war er darüber ganz begeistert. Und statt seinen Platz als Redner wieder einzunehmen, nötigte er Metallinos, mit seinem Predigen fortzufahren.
Hier ist es angebracht, auf die demütige christliche Persönlichkeit des Christophilos, „des Lehrers“, hinzuweisen. Gott gebrauchte diesen Mann und ließ ihn eine bedeutende Rolle in der Zubereitung und Mission des Metallinos spielen, ähnlich wie Barnabas bei der Zubereitung und Mission des Apostels Paulus.
Zuerst führte Christophilos Metallinos in die christlichen Kreise ein. Und er war es auch, der ihn ermutigte und half, seine Ängste zu überwinden, als er begann, öffentlich zu predigen. Er überließ Metallinos sein eigenes Predigtamt und nahm jede Gelegenheit wahr, ihn als ein geistbegabtes Werkzeug Gottes herauszustellen. Und das alles, obwohl auch Christophilos selbst ein Prediger war.
Weil Metallinos in Sankt Demetrius so großen Erfolg hatte, sah sich der Priester von Sankt Katharina veranlaßt, Metallinos in seine Kirche einzuladen. Metallinos nahm diese Einladung an mit dem Erfolg, daß sich nun in beiden Kirchen große Gemeinden versammelten.
Doch die harmonische Zusammenarbeit zwischen Metallinos und der Orthodoxen Kirche währte nicht lange. Das anhaltende Studium der Bibel, besonders des Neuen Testaments, ließ Metallinos geistliche Wahrheiten erkennen, von denen er vorher niemals gehört oder gelesen hatte. Darum fing er an, seinen Hörern diese Wahrheiten mit heiligem Eifer in seinen Predigten mitzuteilen. Aber einige der Kirchenbesucher fingen an, sich zu beschweren, nicht über das, was er predigte, sondern über das, was er nie erwähnte. So sprach er zum Beispiel in seiner Botschaft zum 15 August, dem Fest der Gesegneten Jungfrau, ausschließlich über Jesus Christus und Sein Erlösungswerk, ohne überhaupt die Jungfrau Maria zu erwähnen. Es war verständlich, daß solche Auslassungen bei einem Teil der Gemeinden Enttäuschungen hervorriefen.
Neuer Wein in neuen Schläuchen
Durch ihr Bibelstudium und Gebetsleben wurden die Glieder dieses christlichen Kreises schrittweise zu einem tieferen Verständnis geführt. Dies trat in Erscheinung, als sie anfingen herauszufinden, daß viele Wahrheiten des Neuen Testaments nicht mit bestimmten Dogmen übereinstimmten, die von der Orthodoxen Kirche geglaubt und gefordert wurden. In der schwierigen Frage der Beichte und der Sündenvergebung waren sie zum Beispiel gewiß, daß hier eine fehlende Übereinstimmung zwischen der heutigen Orthodoxen Kirche und der Kirche des Neuen Testaments vorlag. Ähnliche mangelnde Übereinstimmung entdeckten sie bei anderen Dogmen und Glaubenslehren, so über die mündliche Tradition, die Sakramente und die Kirchenordnungen.
Bei ihren Einwänden beabsichtigten sie natürlich nicht, sich als Theologen aufzuspielen oder die Orthodoxe Kirche zu verleumden und in Mißkredit zu bringen. Es muß festgestellt werden, daß sie diese achteten. Durch das Zeugnis des Neuen Testaments hatten sie jedoch die Überzeugung gewonnen daß ein einfacher Gläubiger, mit der Wahrheit der Schrift gewappnet, weiser und geistlich besser ausgerüstet ist als der höchste Würdenträger, dem das Licht der Schrift und das Leben des Geistes fehlt. Ihr Glaube gründete sich auf die klaren Aussagen der Heiligen Schrift, nach der jeder Gläubige ein „Tempel Gottes“ ist (1. Korinther 3.16), ganz gleich ob er zum Klerus oder zu den Laien gehört. Der Herr rüstet alle Gläubigen, sowohl die Laien als auch den Klerus, aus mit „dem Geist der Weisheit und der Offenbarung“ (Epheser 1,17) und auch mit der Fülle aller Erkenntnis. So läßt er sie teilhaben an „allen Schätzen der Weisheit und Erkenntnis“ (Kolosser 2,3), die in Christus verborgen sind.
Darum braucht der Heilige Geist keine Helfer, die als Mittler walten, um dem Menschen die ersten Grundsätze des Heils und das wahren Glaubens zu offenbaren.
Von Anfang an beschäftigte Metallinos die Frage: „Warum sollen wir für wahr halten, daß nur die Priester und nicht ebenso die Laien die gottgeschenkte Gabe besitzen, die Schrift richtig auszulegen, zumal die Theologen im Klerus von den Laienprofessoren an den Universitäten gelehrt werden, die Schrift auszulegen?“ Gewiß ist es dann überhaupt nicht befremdlich, wenn Gott den Laien die Wahrheit der Schrift ummittelbar durch Seinen Geist mitteilt. Ob einer Arbeiterkleidung trägt oder ein anderer die Gewänder eines Erzbischofs, ob einer willig eine Prüfung erträgt, in der er seinen Herrn mit Glauben und Vertrauen ehrt, oder ein anderer mit himmlischer Rednergabe von der Kanzel predigt, jeder, der durch den Heiligen Geist wiedergeboren ist, ist ein Vermittler der Wahrheit. Jeder von ihnen besitzt die Salbung des Geistes und ist ein Träger das Zeugnisses von oben.
Obwohl Metallinos und seine Freunde nicht dazu neigten, darüber Auseinandersetzungen aufkommen zu lassen, empfanden sie die Notwendigkeit als ernsthafte Gläubige darzulegen, daß sie die Wahrheit wirklich mehr liebten als irgendetwas anderes. Mit anderen Worten: Sie durften sich nicht scheuen, ihrer Überzeugung in der Öffentlichkeit Ausdruck zu verleihen wann immer sich eine günstige Gelegenheit dazu bot.
Die Gelegenheit dazu ergab sich für sie im Herbst 1916. Auf einer stark besuchten Veranstaltung zum Bibelstudium im Saal des Reformclubs richtete Christophilos an seine Hörer die folgende rhetorische Frage: „Wenn Gott nach dem gewissen Wort des Neuen Testaments jedem nach seinen Taten vergilt (Römer 2,6), können Sie mir dann sagen, welchen Wert die Totenmessen haben sollen?“ Er beantwortete sofort seine eigene Frage: „Wir sehen im Neuen Testament, daß dort Totenmessen überhaupt keine Geltung oder Wert besitzen, sie können den Zustand eines Menschen nach seinem Tod nicht verändern.“ Diese Bemerkung fand die Beachtung der Clubleitung, und der Redner wurde um eine Erklärung gebeten. Christophilos freute sich über diese gute Möglichkeit und wiederholte seine Ansicht über die Totenmessen vor den Mitgliedern der Clubleitung.
Wenn ein Mensch als unbußfertiger Sünder und Ungläubiger stirbt, können für ihn noch so viele Totenmessen gelesen werden; sie werden ihm überhaupt nichts nützen, denn Christus selbst sagt: „Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Markus 16,16). Stirbt aber ein Mensch als ein Gläubiger, dann nützen ihm weder Totenmessen noch Gebete, weil sich die Seele des Gläubigen bereits im Zustand der Seligkeit befindet. „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben“ (Offenbarung 14.13). Welche zusätzlichen Segnungen können von daher Totenmessen den Seelen bringen, die in der vollkommenen Freude des Paradieses und in der völligen Gegenwart des Herrn leben? Entweder besitzt der Mensch das Leben oder er besitzt es nicht. Daraus folgt, daß er nach seinem Tode entweder bei Christus oder nicht bei Christus ist.
Nachdem Christophilos seine Anschauungen dargelegt hatte, folgte die kurze und einmütige Entscheidung der Leitung: Der Beschuldigte darf nicht länger im Saal des Clubs predigen. So verließ Christophilos mit dem Kreis seiner Vertrauten den Reformclub. In Wirklichkeit löste er sich ebenso endgültig von der Orthodoxen Kirche.
Metallinos dagegen blieb weitere zwei Jahre und predigte in verschiedenen orthodoxen Gemeinden das Wort Gottes. Er hoffte, daß es ihm durch Ausdauer und Geduld gelingen würde, einigen der frömmsten Menschen jene Elemente der Wahrheit nahezubringen, die später zum Samen für eine Reformation der Kirche von innen heraus werden könnte.
Doch sein großer Wunsch nach einer solchen Reformation verwirklichte sich nicht. Die wirklich fehlende Übereinstimmung mit der Orthodoxen Kirche bestand für Metallinos darin, daß ihm „nicht erlaubt wurde, frei über die große Hauptwahrheit das Evangeliums von der Errettung durch die Gnade zu predigen“.
Sein ständiges Predigen über die Person und das Werk Christi und sein gleichzeitiges Schweigen über die Jungfrau Maria und bestimmte Traditionen weckte den Verdacht, er glaube nicht an die Jungfrau Maria und an die kirchlichen Traditionen. Als er um das Jahr 1918 die ersten Anzeichen eines Nervenleidens spürte, entstand das Gerücht, die Jungfrau Maria habe ihn wegen seines Unglaubens mit Krankheit geschlagen. So lösten sich die Bindungen zwischen Metallinos und der Orthodoxen Kirche fast vollkommen.
Der endgültige Bruch fand statt, als Metallinos zufällig das Kloster Pentele besuchte und einem dort lebenden Mönch begegnete, der bei diesem Zusammentreffen begeistert ausrief: „Ihre wunderbaren Predigten haben mich hierhergebracht, Herr Metallinos. Ihretwegen bin ich ins Kloster gegangen.“
„Wieso das? Habe ich gepredigt, um Menschen ins Kloster zu schicken?“, rief er zu sich selbst aus.
Das war der Augenblick, in dem Metallinos beschloß, den neuen Wein in neue Schläuche zu füllen.
Die ersten Fundamente
Es war an einem Abend zu Beginn des Jahres 1919. Metallinos hatte sich einer Gruppe von fünf Freunden angeschlossen, die in der Heracleidonstraße 49, dem Haus von John Demopoulos, mit regelmäßigen Zusammenkünften begonnen hatten. Von 1916 bis 1928 blieb es der ständige Versammlungsort.
Am Anfang fanden die Zusammenkünfte einmal in der Woche statt. Die Predigten, die gehalten wurden, waren einfach in der Form, aber äußerst kraftvoll. Der Leiter pflegte aus dem Wort Gottes vorzulesen und dann die wesentlichen Grundsätze des christlichen Glaubens und Lebens zu erklären. Mit dem gemeinsam gesprochenen Vaterunser pflegten sie zu schließen.
Doch bei dieser Zusammenkunft schlug Metallinos dem kleinen Kreis vor, daß sie dem Herrn durch laute persönliche Gebete danken sollten, nicht durch die üblichen aufgesagten Formelgebete. „Meine Brüder, warum beten wir heute abend nicht laut zu dem Herrn und bitten um Seinen Segen für uns?“, fragte Metallinos.
Ohne zu zögern knieten alle nieder. Jeder dankte, wenn die Reihe an ihn kam, für das Opfer am Kreuz, für die Vergebung der Sünden, für die Errettung seiner Seele, für das Licht des Evangeliums, das seinen Geist erleuchtete. Jeder bat um tiefere geistliche Erkenntnis und um eine vermehrte Fruchtbarkeit in der Arbeit für den Herrn.
Als sie geendet hatten, standen sie erfüllt von dieser himmlischen Erfahrung von den Knien auf, und einer sagte zu dem anderen: „Das war es, was uns fehlte! Das war es was wir brauchten!“ Für Metallinos war dieser Abend ein Ereignis von geschichtlicher Bedeutung. Später schrieb er: Als wir in der Heracleidonstraße 48 zum ersten Mal miteinander beteten, war unsere Begeisterung unbeschreiblich. Ohne daß wir es wußten, legte Gott an diesem Abend den Grundstein für unsere Gemeinde.
Durch dieses laute Beten nahm die Gemeinde im Bewußtsein der Gruppe Gestalt an. Aber endgültig trat sie in Erscheinung, als man das Mahl des Herrn miteinander feierte.
Am Gründonnerstag 1919 spürten die Glieder der kleinen Gemeinde zum ersten Mal den Wunsch, miteinander um den Tisch des Herrn zu sitzen. Oft hatten sie in den Evangelien die Worte unseres Herrn gelesen: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20).
Indem sie sich fest auf diese zuverlässige Verheißung stützten, glaubte sie, daß der Herr in ihrer Mitte gegenwärtig sei und daß Er sich wirklich darüber freue, wenn sie in Erinnerung an Seinen Tod das Heilige Abendmahl feierten.
Für dieses besondere Ereignis hatte man ein Lied geschrieben. Dieses wurde später dem ersten Gesangbuch hinzugefügt und besonders mit Tinte gekennzeichnet. Es war ein kleines Heftchen mit zehn Liedern, die mit der Hand geschrieben waren.
Von da an nahm die neu gegründete Gemeinde das Herrenmahl als einen ordentlichen Teil des sonntäglichen Anbetungsgottesdienstes an.
Geleitet durch das Licht der Schrift erhob die kleine Gemeinde von Anfang an zwei wesentliche Grundsätze zur Grundlage ihrer Verkündigung: Erstens: Der Glaube an die Person und das Werk Christi ist das einzige und ausreichende Mittel zum Heil für den Sünder.
Zweitens: Kirchliche Traditionen, die in klarem Widerspruch zu Aussagen der Schrift stehen, müssen als schädliche Täuschungen für die Seele abgelehnt werden.
Von Anfang an legte Metallinos großen Nachdruck auf die Bedeutung und den Inhalt das Glaubens. Er wollte zeigen, daß der orthodoxe Gläubige der Gegenwart die Verheißungen Gottes nicht richtig versteht, noch sich daran erfreut, weil der Inhalt seines Glaubens sich von dem unterscheidet, was Gott nach der Schrift erwartet. Besonders verlangt Gott einen Glauben, der vor allem von dem völligen Vertrauen zur biblischen Wahrheit und von dem willigen Gehorsam ihr gegenüber bestimmt ist. Der orthodoxe Gläubige hingegen wird belehrt, er solle den Dogmen der kirchlichen Konzilien und den Traditionen der Kirche Glauben entgegenbringen.
Wenn der Glaube nicht inhaltlich dem entspricht, was Gott erwartet oder fordert, dann führt dieser Glaube im Herzen eines Menschen nicht zur Gewißheit und Freude an seiner Errettung, Nur ein vollständiger und vollkommener Glaube vermag die Fülle der Verheißung zu umfangen. Das Evangelium läßt den Gläubigen nicht in Qualen der Ungewißheit, sondern führt ihn zur Freude „Freuet euch in dem Herrn allewege.“ Schließlich wird es deshalb Evangelium, „Gute Nachricht“, genannt, weil es ein Buch mit einer Freudenbotschaft ist.
In seinen Predigten erklärte Metallinos diese Heilsfreude mit ansprechenden lebendigen Illustrationen aus dem Alltagsleben: „Sag mir Georg, alter Knabe, ich sehe, daß du außergewöhnlich glücklich bist. Was ist geschehen? Hast du das große Los gewonnen?“ „Nein, ich habe in keiner Lotterie gewonnen.“ „Warum bist du dann so glücklich?“ „Ich bin so glücklich, weil ich Anteil an der Errettung in Christus habe. Ich bin glücklich, weil ich den Heiland aufgenommen habe in mein Herz, weil ich den Sinn des Lebens gefunden habe, weil ich nun unter dem immerwährenden Schutz des Sohnes Gottes stehe, der für mich starb. Darum bin ich glücklich. Und diese Freude wird mich nie verlassen, weil sie nicht abhängig ist von den Dingen dieser Welt. Gepriesen sei der Name des Herrn!“
Eindringlich pflegte Metallinos seine Hörer zu warnen: Hütet euch, euer Vertrauen auf euch selbst zu setzen, indem ihr sagt: „Ich habe niemals im Gefängnis gesessen; ich bin ein guter Mensch; ich bin angesehen in der Gesellschaft; ich habe viele gute Taten vollbracht.“ O Mensch, alle diese Dinge gelten rein gar nichts. Sie machen dich nur blind für deine wahren Bedürfnisse. Das einzige, was wirklich Wert besitzt, ist das Kreuz Christi, das Blut, das Er für unsere Sünden vergossen hat; das allein besitzt Kraft. Der Apostel Paulus sagt uns: Der Vater hat uns tüchtig gemacht (Kolosser 1,12).
Das heißt: Er hat uns Sündern die Möglichkeit gegeben, durch den Glauben teilzuhaben an dem Erbteil der Heiligen im Licht. Das einzige Mittel zum Heil, das dem Sünder bleibt, besteht darin, daß er sich vollständig lossagt von der irrigen Vorstellung, er besitze irgendeinen moralischen Wert in sich selbst. Stattdessen muß er sich dem Erlösungswerk Christi zuwenden und daran von ganzem Herzen glauben, das heißt: darin ruhen, sich darüber freuen und den Herrn dafür preisen.
Von Anfang an ging es Metallinos in seinem öffentlichen Dienst nicht darum, die Lehren der modernen Orthodoxen Kirche einer Prüfung zu unterziehen oder sie zu verurteilen. Es lag ihm mehr daran, die positiven Seiten des evangelischen Glaubens darzulegen.
„Ich glaube“, bedeutete für Metallinos, „ich nehme jedes Wort und jede Gnade, die Gott mir in Jesus Christus anbietet, mit völligem Vertrauen an.“ Er gebrauchte eine Vielzahl von Bildern, um zu erklären, wie Glaube geschieht. Manchmal pflegte er den Glauben mit einem Seil zu vergleichen, das den Sünder aus der tiefen Grube der Verzweiflung zieht. Manchmal mit einem „eingepfropften Reis“, das die wilde ungezähmte Natur des Menschen zu einem brauchbaren, wertvollen Leben mit ewiger Bestimmung verwandelt. Bei anderen Gelegenheiten mit einem Rettungsring, den ein Mann ergreift, der im Begriff ist, in einem Meer dunkler und widriger Umstände zu ertrinken. Dann wieder mit einem Flugzeug, das den bußfertigen Sünder zu der luftigen Höhe der großen göttlichen Lebensplanung emporhebt. Doch meistens pflegte er von dem Glauben zu reden, der allein in der Lage ist, dem Sünder einen festen Stand in der Gegenwart Gottes zu geben.
Er schrieb:
Im Gegensatz zu der ichhaften Meinung der Menschen, daß man durch Werke mit Gott zurechtkommt und so einen festen Stand vor den Augen Gottes erhält, zeigt uns der aus Liebe und Gnade geborene Plan Gottes mit der Menschheit, wie er uns im Neuen Testament begegnet, einen anderen Weg. Diese gesegnete Versöhnung, diese wunderbare „Zurechtbringung der Dinge“, diese Rechtfertigung wird von dem Sünder durch ein ganz einfaches Mittel erlangt, das für alle erreichbar ist, durch den schlichten Glauben an Christus, durch ihn allein. Das Evangelium Christi bezeugt, daß uns der Glaube diese segensreiche Rechtfertigung, von der alles abhängt, umsonst gibt.
Der Glaube ist auch das Sittliche, der Geist des Sieges und Triumphes im Leben eines Christen.
Der Herr möchte, daß die Seinen Herren sind über die eigenen Lebensumstände, Vollmacht ausüben, herrschen und jede Macht des Feindes überwinden. Weil Er uns zu Königen gemacht hat, will der Herr, daß wir auf dem Thron sitzen. Das bedeutet, wir sollen einen überwindenden Glauben leben; das heißt: wir sollen über unsere Lebensumstände herrschen, über unsere Sünde, über die Macht des Feindes, über das Leiden und das alles, weil wir durch den Glauben mit dem erhabenen und siegreichen Herrn vereint sind.
Metallinos lehrte darum, daß sich der Glaube vor allem auf drei Weisen darstellt: Er ist der einzige Weg, das Heil durch Christus zu erlangen, die einzige Bedingung für die Erfüllung der Verheißungen Gottes in unserem Leben und der einzige Kanal für die Kraft und den Sieg Christi.
Das Wort Gottes und die Traditionen
Die sogenannten „mündlichen Traditionen“ waren der zweite wichtige Gegenstand, der von Anfang an die Aufmerksamkeit der jungen Gemeinde fand. Die Heilige Schrift enthält die völlig ausreichende Wahrheit über das Heil des Menschen. Für Metallinos bestand darin von Beginn an die Grundlage für sein Lehren und Predigen.
Auf die Argumente der Orthodoxen Kirche, die so entschieden an dem Wert und an der Autorität der mündlichen Tradition festhielt, gab Metallinos folgende Antwort: Findet sich eine christliche Wahrheit sowohl in der Bibel als auch in der mündlichen Tradition, dann reicht die Autorität der Bibel ohne Zweifel vollkommen aus. Wir brauchen keinerlei Unterstützung durch die Tradition.
Keine dieser Traditionen störte Metallinos mehr und fand bei ihm größere Beachtung als die Lehre, daß man seine Sünden nicht unmittelbar Gott, sondern dem Priester bekennen müsse. Nachdem sein Beichtvater ihn fortgeschickt hatte, hatte die Frage „Wie vergibt Gott Sünden?“ angefangen, sein Gewissen zu beunruhigen. Obschon er sofort Schritte unternommen hatte, einen anderen Beichtvater zu finden, war zur gleichen Zeit sein Interesse wachgeworden. So begann er, in der Bibel nach einer Antwort auf diese schwierige Frage zu suchen. Es war ihm unmöglich, zu erklären, warum sich das Neue Testament über die Teilnahme des Priesters an der Vergebung völlig ausschwieg.
Er litt unter einem doppelten Zwiespalt: Warum hören Priester Sündenbekenntnisse und vergeben Sünden, wenn doch die Apostel selber niemals Sünden „bekannten“ oder die Sünden eines Sünders vergaben, ja es sogar ablehnten, solche Art von Sündenbekenntnissen anzunehmen. Er sah sich zu der Schlußfolgerung geführt, daß das heutige Dogma, welches dem Priester die Vollmacht gibt, Sündenbekenntnisse eines Menschen anzunehmen nicht apostolischen Ursprungs ist, weil dieses Dogma in der apostolischen Kirche völlig unbekannt war.
Als er diese Angelegenheit mit einem gebildeten Mitglied des Klerus besprach, erinnerte ihn dieser an die Worte des Herrn: „Welchen ihr die Sünden erlaßt, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“ (Johannes 2o,23). Und er fuhr fort, zu erklären, daß unser Herr diese Worte zu den Apostel gesagt habe, daß die Apostel die Priester als ihre Nachfolger zurückgelassen haben und daß die Priester demzufolge in Übereinstimmung mit dem Gebot des Herrn die Vollmacht besitzen, die Sünden der Menschen zu vergeben oder zu behalten.
Obgleich die Schlußfolgerung des Geistlichen einfach klang, schien es Metallinos schwierig zu sein, das zu begründen. Denn wenn der Herr mit diesem Gebot seinen Aposteln wirklich die Macht verliehen hatte, Sünden zu vergeben, warum handelten dann diese nicht dementsprechend? Warum machten sie nicht von ihrem Vorrecht Gebrauch, statt den Menschen zu sagen, sie sollten unmittelbar zu Gott gehen und ihre Sünden bekennen. Diese Überlegungen führten Metallinos zu dem Schluß, daß die Apostel die Worte des Herrn sicher nicht so gedeutet hatten wie sein geistlicher Freund.
Sein anderer Zwiespalt war dieser: Wenn es stimmte, daß Gott nur durch die Vermittlung der Priester Sünden vergibt, warum fügten dann die Apostel, die doch von Gott inspiriert waren, nicht noch fünf Worte hinzu (die Worte „durch die Vermittlung des Priesters“), wenn das so wesentlich für die Vergebung ist. Metallinos bemerkte dazu in seinen Aufzeichnungen:
Es ist, als wenn jemand sich in Todesgefahr befindet. Der Arzt verschreibt ihm ein unvollständiges Rezept (das dem Patienten nichts nützt) und versäumt es absichtlich, mit wenigen Worten die nötigen Medikamente aufzuschreiben, ohne die der Patient sterben würde oder wenigstens nicht geheilt werden kann.
Es war eine feststehende geschichtliche Wahrheit, wenigstens für Metallinos, daß die Alte Kirche keinerlei apostolische Tradition besaß, die nicht in der Schrift stand. Sie gebrauchte auch den Ausdruck „Tradition“ nicht, um damit mündliche Lehren zu bezeichnen, die für das Heil des Menschen wichtig sind, aber nicht niedergeschrieben werden sollten.
Eine völlige Zerstörung der Wahrheit findet dort statt, wenn man, wie es einige tun, lehrt, daß es Traditionen gibt, die, obwohl sie nicht in der Heiligen Schrift stehen, der Bibel gleichgeachtet oder, was noch schlimmer ist, sogar über die Bibel gestellt werden müssen.
Kann es möglich sein, daß der allweise Gott die Vorbilder, Anweisungen und Symbole mit solchen genauen Einzelheiten in das Alte Testament aufnahm, wobei er sogar so weit ging, das Rezept für die Herstellung des Rauchopfers anzugeben, während er andererseits im Neuen Testament wichtige Lehren ausließ, die mit dem überaus wichtigen Gegenstand des Heils des Menschen zu tun hatten? Solch eine Annahme ist für uns nicht nur völlig unvorstellbar, sondern sie ist auch eine Beleidigung der Weisheit Gottes.
Früh hatte die kleine Gemeinde im Licht der Schrift klare und gültige Überzeugungen herausgestellt, die die grundlegenden Wahrheiten des Glaubens, des Heils und der mündlichen Tradition betrafen. In allen anderen Fragen schritt sie in der Gewißheit vorwärts, daß der Herr sie nach Seiner Verheißung „in alle Wahrheit“ leiten werde.
5. DAS RINGEN MIT DEM SATAN
„Gott stellte mich in das Lager Satans, damit ich die Strategie Satans kennenlernte. Das war für meine späteren geistlichen Aufgaben notwendig.
Ungefähr ein halbes Jahr, bevor er mit der Orthodoxen Kirche brach, begann für Metallinos die schmerzvollste Erfahrung seines Lebens. In dieser Zeit begegnete er in einer sehr wirklichen Erscheinung dem Engel der Finsternis von Angesicht zu Angesicht. Dieser sprach zu ihm, verspottete ihn mit lautem, grimmigen Gelächter und drohte, ihn zu töten.
In den folgenden zehn Jahren erlebte Metallinos immer wieder Zeiten, in denen er sich ziemlich eigenartig verhielt.
Er selbst erzählte seinen Freunden von einem solchen dramatischen Ereignis:
Als ich auf meinem Bett ausruhte, erschien mir gegenüber plötzlich eine abscheuliche dämonische Gestalt mit grimmig lachendem Angesicht und drohenden Augen. „Ich werde dich töten, ich werde dich töten“, rief er mir zu. „Sieh doch, sieh doch! Hörst du es?“, sagte ich voller Erstaunen zu meinem Freund, der damals zum Gebet in meinem Zimmer weilte. „Ich sehe ihn, ich sehe ihn auch“, antwortete mein Freund und fügte hinzu: „Fürchte dich nicht, er kann uns nicht schaden. Jesus Christus wird es nicht zulassen, daß er uns schadet.“ Das ganze Geschehen dauerte nur wenige Sekunden.
Für dieses Erleiden, für diese Zeit der Versuchung, gibt es unterschiedliche Erklärungen. Einige sagten, Metallinos habe einen Nervenzusammenbruch erlitten. Andere meinten, er würde von der Jungfrau Maria bestraft und von den Heiligen, weil er sie nie in seinen Predigten erwähnte. Wieder andere sahen in seinen schmerzhaften Erfahrungen einen Eingriff Gottes, der seinen verheißungsvollen Knecht reinigen und zubereiten wollte.
Als er anfing, die ersten beunruhigenden Symptome zu verspüren, predigte er noch in der Orthodoxen Kirche. Die langen Zeiten der Schlaflosigkeit verbunden mit nervösen Spannungen und schweren Kopfschmerzen hielten an und raubten ihm nach und nach die Kräfte seines Leibes und seines Geistes. Er besuchte einen Arzt nach dem anderen. Ihre Diagnose lautete: Körperliche und geistige Überanstrengung und Erschöpfung.
Nach schweren Kämpfen mit sich selbst war er in der Lage, in seinem neuen Kreis seinen Predigtdienst und andere geistliche Tätigkeiten wieder aufzunehmen, jedoch immer gegen den starken Widerstand seines Nervensystems. Immer wieder machten ihn seine Kopfschmerzen zu allem unfähig, und es dröhnte in seinen Ohren, als ob sie von einem Schmiedehammer getroffen worden wären. Bis 1922 fuhr Metallinos mit verzweifelter und entschlossener Ausdauer fort zu predigen. Dann ereignete sich das, was er später so darstellte:
Eines Abends sprach ich über die Versuchungen unseres Herrn. Als ich die zweite Versuchung erklärte, wurde ich plötzlich blitzartig von einer geistigen Verwirrung ergriffen, die mich zwang, mitten in der Veranstaltung zu gehen. Erst nach sechs Monaten konnte ich meine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen.
Doch obwohl er nach sechs Monaten erneut anfing, die Veranstaltungen zu halten, fühlte er sich zu elend, um seine Pflichten richtig wahrnehmen zu können oder das Programm eines ganzen Tages durchzuhalten.
Sein häufiges Aussetzen mit jeglicher geistlichen Tätigkeit, sein Fernbleiben von der christlichen Gemeinde und jeglicher anderen Gesellschaft und das Fehlen des regelmäßigen Betens, das alles waren Anzeichen einer neuen inneren Krise. Nachdem er ein weiteres Jahr hart gekämpft hatte, ließ er zuletzt „seine Arme sinken“, denn, so erklärte er: „Mein ganzes Nervensystem bebte und war so belastet, daß ich weder reden, noch studieren oder schreiben konnte.
Oft wenn er sich in der Gesellschaft anderer Menschen befand, besonders wenn er Gesprächen über religiöse Themen zuhörte, pflegte er plötzlich die Gruppe zu verlassen und sich in sein Zimmer zurückzuziehen, um dort allein zu sein.
Doch jede Prüfungszeit, die ein Christ durchzustehen hat, muß irgendwann ihr Ende finden. Im Buch der Offenbarung kündigt Gott der Gemeinde in Smyrna an, daß sie zehn Tage in Trübsal sein wird, nicht mehr. Ganz gleich, ob es sich um zehn Tage handelt oder wie bei Metallinos um zehn Jahre, es gibt eine zeitliche Grenze, die Gott festsetzt.
Als die Tage der Prüfung sich dem Ende zuneigten, zeigte Gott endlich an, daß Seine festgesetzte Stunde gekommen war, in der Metallinos von den Anläufen Satans befreit werden sollte. Diese Befreiung brachte ihm keine plötzliche und vollkommene Heilung. Er sprach von „Befreiung“. Sie kam nicht durch ein Arzneimittel zustande, das die menschliche Wissenschaft liefern konnte, sondern allein durch das Gebet. Es ereignete sich so:
Es war Sonntag, der 17. Januar 1927. Sieben seiner Glaubensbrüder besuchten Metallinos, um miteinander zu beten. Ihre einzige Bitte war „die Heilung von Bruder Kostas“. Ein Augenzeuge beschreibt das eindrückliche Geschehen:
Sobald Metallinos hörte, warum die Brüder gekommen waren, verließ er sofort das Zimmer. Er wollte kein Gebet hören, davon sollte nicht einmal gesprochen werden. Trotzdem knieten die sieben Brüder nieder. Nachdem sie zwei Stunden lang ernsthaft gebetet hatten, betrat Metallinos das Zimmer und fragte voller Erstaunen:
„Meine Brüder, habt ihr etwa für mich gebetet? Ich verspüre ein Gefühl der Erleichterung. Der Druck in meinem Kopf ist gewichen. Ich höre nicht länger das Hämmern und Klingeln in meinen Ohren. Mein Kopf ist klar.“
Als die Brüder ihm das bestätigten, kniete er mit ihnen nieder. Unverzüglich salbten sie Kostas mit Öl im Namen des Herrn. Dann beteten sie drei Stunden lang weiter. Als sie sich von ihren Knien erhoben, glänzte das Angesicht von Metallinos.
Zum ersten Mal nach Jahren begannen seine nervösen Beschwerden abzuklingen. Fast einen Monat dauerte es, bis er wieder zu sich selbst fand, sein früheres inneres Gleichgewicht wiederhergestellt war und er sein neues Leben gestalten konnte. In diesem Zeitraum hörte sein merkwürdiges Verhalten auf. Nach und nach wurde für ihn das Gebet zu einer täglichen innerern Notwendigkeit. In seinem Inneren herrschte nun Frieden.
Nachdem Metallinos zehn Jahre lang durch die schreckliche Wildnis der Versuchung gegangen war, führte ihn der Herr aus der Bedrängnis auf das weite Feld des überfließenden Lebens. Gereinigt, wiederhergestellt und fähig zum öffentlichen Dienst kam er hervor. Die folgende Aufzeichnung aus seinen persönlichen Papieren, klingt wie der Siegesruf einer Fanfare:
Am Mittwoch, dem 9. Februar 1927, morgens um halb acht fand meine vollständige Befreiung durch den Sohn Gottes statt. Wir lasen gerade den Bericht über die Auferweckung des Lazarus. Preis sei Jesus Christus, der mich aus der Bedrückung das Teufels befreit hat.
Natürlich findet sich der Ausdruck „Bedrückung des Teufels“, mit dem Metallinos hier seine Krankheit beschreibt, in keinem medizinischen Lexikon. Untersuchte ein heutiger Psychiater seine Krankheit, würde seine Diagnose auf das Vorhandensein einer nervösen Erschöpfung, möglicherweise auf eine Psychoneurose hinweisen. Er würde dann versuchen die Ursachen zu entdecken, die zu diesen Störungen führten.
Der Wissenschaftler hat dazu das Recht. Aber er hat nicht das Recht, entschieden und von vornherein auszuschließen, daß übernatürliche Kräfte in der Lage sind, solche Störungen hervorzurufen.
Der Wissenschaftler wird niemals die Existenz des Teufels durch seine Forschungen im Laboratorium beweisen können, noch wird ein Chirurg mit seinem Seziermesser jemals die menschliche Seele finden. Die Welt des Geistes und der Bereich der christlichen Wahrheit besitzen Gründe und Beweise, die über die Reichweite der Sinne hinausgehen und sogar über das logische Denken des Menschen. Nur der Glaube vermag das Unsichtbare hinter dem Sichtbaren zu sehen und zwischen geistlicher Wirklichkeit und physischen Erscheinungen zu unterscheiden.
Eine solche geistliche Wirklichkeit im Bereich der christlichen Offenbarung stellen die unsichtbaren Angriffe Satans dar, des Todfeindes der Menschen, dessen Ziel es ist, das geistliche wie das leibliche Leben der Gläubigen zu zerstören. In diesem heftigen Kampf gibt es nur ein Mittel, das dem Erlösten Schutz und endgültigen Sieg verleiht, die geistliche Waffenrüstung, die Gott uns darreicht.
Die Waffenrüstung Gottes
Während seiner geistigen Schwermut lernte Metallinos wertvolle Lektionen. Am Anfang wußte er wenig über die Person das Teufels, über sein Wirken im Verborgenen, über die große Macht, die er besitzt. Metallinos ging durch eine äußerst schmerzhafte Zeit, bis er gelernt hatte, wer der war, mit dem er es zu tun hatte, und wie er seinen Feind bekämpfen konnte. Er selbst bezeichnet diese Zeit als ein „Schmoren“ in der Bratpfanne Satans.
Weder er noch seine Ärzte konnten zu einer richtigen Beurteilung seines Zustandes kommen. Er wußte nicht, was sich wirklich in ihm abspielte. Es schien so, als ob all sein Denkvermögen, seine Gedanken und seine Erinnerungen zu einem festen Knoten verwickelt waren. Er merkte, wie sein Geist in tiefste Finsternis versank. Seine Seele glich einem Vogel in einem engen Käfig, der keine Möglichkeit hatte, seine Flügel zu spreizen.
Angst umschloß sein ganzes Sein, besonders die Angst, daß seine Gesundheit sich auf dem Wege zum völligen Zerbruch befände. Obgleich er nicht arbeitete und ihm organisch nichts fehlte, fühlte er sich völlig erschöpft. Die heftigen Kopfschmerzen setzten ihm mehr zu als sein körperliches Unvermögen. Seine Unfähigkeit zu predigen und seine Abscheu vor dem Studium der Bibel und dem Beten ließen ihn geistlich verkümmern. Seine einzige Hoffnung bestand darin, den „Rettungsring“ der Verheißungen das Herrn fest zu ergreifen. In den persönlichen Aufzeichnungen, die er in dieser Zeit machte, finden wir folgendes Gebet:
O mein Gott, verleihe mir, daß ich aus diesen tiefen Wassern befreit werde. Rette mich, o Gott, mein Erlöser, denn die Wasser strömen in meine Seele. Ich finde keinen festen Grund, auf dem ich stehen könnte. Ich befinde mich in den Tiefen des Wassers und die Fluten überwältigen mich. Sei mir nahe und rette meine Seele. O Herr, höre mein Gebet und laß mein Schrein vor Dich kommen.
Sein Schreien erreichte tatsächlich den Herrn, und dieser öffnete nun Metallinos die Augen, so daß er die Strategie Satans erkennen konnte.
Die erste Schlußfolgerung, die Metallinos zog, lautete: Sein mächtiger Feind gebrauchte Lügen, um ihn zu bekämpfen. Nachdem er das erkannt hatte, stellte er sich selbst Fragen:
Wie ist es möglich, daß meine Schwierigkeiten durch zu vieles Studieren hervorgerufen werde, (wie die Leute zu sagen pflegten und ich anfing zu glauben), wenn Gott uns auffordert, Sein Wort „Tag und Nacht“ zu studieren und unaufhörlich seine Größe zu verkündigen? Oder: Wie kann die Gemeinschaft mit Christen meinen Kopf ermüden, wenn sein Wort sagt, daß wir die Versammlung der Brüder nicht vernachlässigen sollen? Und dann: Wie kann das Gebet mich erschöpfen, wenn ich weiß, daß die Gemeinschaft mit Gott meinen Geist erfrischt?
Er erkannte, daß das Ziel der bösen Geister darin besteht, unsere Gedanken durch ihre zu verdrängen, unser Urteil durch ihres, unsere Ängste durch ihre.
Metallinos konnte nun die Ursachen seiner geistlichen Schwankungen erkennen. Er entdeckte auch die Wurzeln seiner Ängste und woher der Verlust seiner Gesundheit kam.
Doch wie konnte er dagegen ankämpfen? Womit sollte er in seiner Kraftlosigkeit die heftigen Angriffe des Bösen abwehren? Die Antwort lautete: indem er „den Schild des Glaubens“ ergreift.
Der Teufel wird durch unseren Glauben besiegt. Gegen die Hoffnungslosigkeit, die Angst, die Feigheit, die er in uns wirken möchte, müssen wir unseren Glauben auf Jesus Christus ruhen lassen. Es geht um einen festen Glauben, der die Anschläge Satans abwehrt und zerstört und der Lächerlichkeit preisgibt.
Grund und Inhalt unseres Glaubens ist das vollendete Werk Christi, die Frucht Seines vollkommenen Gehorsams. Der Herr Jesus wehrte alle Listen und alle Angriffe des Satans ab, indem er dem Vater gehorsam wurde, sogar bis zu Seinem Tode. Und Christi Sieg über den Teufel wird genauso unser Sieg, wenn auch wir dem Willen Gottes gehorchen und in Christus bleiben. Mit anderen Worten: Wenn wir dem Willen Gottes gehorchen sind wir Sieger über den Teufel; sind wir ungehorsam werden wir vom Teufel besiegt.
Metallinos konnte nun deutlicher die verschiedenen Wege unterscheiden die der Satan anwendet. Immer versucht er ja, das sittliche und geistliche Leben der Menschen zu zerstören. Er sah, wie er die Umstände benutzt, wie er das Herz verunreinigt, wie er das Gewissen täuscht, wie er die Vorstellungskraft zerstört, wie er die Beweggründe für unser Handeln verdreht, wie er sich selbst in einen Engel des Lichts verwandelt. So gebraucht er Worte und Gedanken, Gefühle und Handlungen, um im Leben der Christen seine abgründigen Verhaltensweisen täglich zur Geltung zu bringen.
Die Antwort auf diese so listigen Verhaltensweisen des Feindes ist einfach: Jesus Christus und Sein am Kreuz vergessenes Blut.
Als ich noch nicht genug Erkenntnis über den Teufel besaß, meinte ich, er säße verborgen, mit einer Flinte in einer Ecke, und sobald er einen Christen erblickt Bumm! Er würde ihn sich nicht entgehen lassen. Ich wußte nicht, daß die Beziehungen eines Christen mit dem Teufel die Gestalt eines Ringkampfes annehmen kann. Beim Ringkampf steht man seinem Gegner von Angesicht zu Angesicht gegenüber, man spürt seinen Atem, man kommt mit seinem Schweiß in Berührung.
Metallinos spricht hier von dem Angstschweiß, der nachts bei ihm ausbrach, wenn ihn die Zweifel an der Gewißheit seines Heils überfielen. Konnte das Fehlen der christlichen Freude bedeuten, daß er sein Heil verloren hatte? Konnten die plötzlichen Veränderungen in seinem geistlichen Leben die Zeichen eines Schiffbruchs sein?
Später sagte er:
Diese Fragen hielten mich oft wach und verursachten solche Angstzustände, daß mein Bett oft mit Schweiß getränkt war. Gott öffnete mir die Augen, als ich einen diesbezüglichen Satz des Schweizer Theologen Frédéric Godet las, der mit Entschiedenheit feststellte, daß das Heil fest und wahr und unbeweglich bleibt, wie der Leuchtturm an der Küste, auch wenn unsere „Wogen“ auf und abgehen. Das brachte mir Stärkung, Trost, Erlösung. Ich hielt mich daran und kam zur Ruhe.
Natürlich müssen wir einsehen, daß wir ohne die Kenntnis der Schrift keinen entscheidenden Sieg über den Teufel gewinnen können.
„Es steht geschrieben“, das ist es, was den Satan überwindet. Die eigenen Erfahrungen von Metallinos beweisen das reichlich. Während der dunklen Tage seiner Versuchung erwies es sich als eine große Hilfe, daß er sich in früheren Jahren Zeit genommen hatte, sich mit dem ganzen Neuen Testament vertraut zu machen. Den Verlockungen und Anschuldigungen der bösen Geister konnte er leicht mit den gewissen Aussagen des Wortes Gottes begegnen. Wider die Ängste und Anfechtungen der eigenen Seele besaß er in den geschriebenen Verheißungen des Herrn ein wirksames Gegenmittel.
Hier erkennen wir, wie wichtig der Glaube an die göttliche Eingebung der Bibel ist, die vollkommene Gewißheit, daß das geschriebene Wort und die darin enthaltenen Verheißungen unmittelbar aus dem Munde Gottes kommen. Wir können das Wort mit der Person gleichsetzen.
Auf der anderen Seite erlangt der Feind unserer Seelen einen bedeutsamen Sieg, wenn es ihm gelingt, den Unglauben an die göttliche Eingebung der Schrift zu wecken.
Der Unglaube straft uns wirklich sehr hart. Er beraubt uns der Segnungen Gottes. Zur Zeit des Elia gab es viele Witwen, aber zu keiner von ihnen wurde er gesandt außer zu der Witwe in Sarepta im Lande Sidon. Es gab viele Aussätzige in Israel, doch keiner wurde geheilt außer Naeman. Ebenso gilt heute: „Wer anders ist Sieger als der Glaubende?“
Wo immer der Feind mit seinem Frontalangriff keinen Erfolg hat, pflegt er seine Zuflucht zu einem Flankenangriff zu nehmen. Ein schlauer Trick, den Satan zu seinem Plan, die Seele von Metallinos zu zerstören, benutzte, bestand darin, ihn zu weltlichem Ehrgeiz zu verlocken und überheblich zu machen.
„Kostas, du besitzt die Erkenntnis der Wahrheit. Gott hat dir erstaunliche Offenbarungen geschenkt. Du bist Doktor der Mathematik. Du bekleidest ein hohes Regierungsamt. Kostas, du bist wirklich jemand. Du mußt dich über alle anderen stellen. Weil du jemand bist und weil du viel erreicht hast, mußt du um dich eine Atmosphäre von Bedeutung verbreiten.“
Daß Metallinos lernte, solchen Verlockungen in rechter Weise zu begegnen, machen seine Aufzeichnungen deutlich, die er bei einer solchen Gelegenheit für sich machte:
Kostas, du bist nichts. Dein Ich, deine Persönlichkeit was immer das sein mag sie sind durch Gott gekreuzigt. So steht jeder Gedanke, der dir deine Würdigkeit vor Augen stellt, und jeder Stolz, der sich in dir regt, unter dem Verdammungsurteil des Kreuzes Christi. Sage nie etwas, tue nie etwas, daß dich selbst in der Wertschätzung durch andere erhöht und dazu dient, Menschen zu veranlassen, dich zu bewundern und zu preisen. Sie müssen Christus bewundern, sie müssen Sein Wort preisen. Du selbst, Kostas, bist ein sündhaftes Geschöpf, das den Tod verdient hat. Du kannst überhaupt nichts aus dir selbst tun. Vergiß nicht, Kostas, du bist nicht der Weinstock, du bist lediglich eine der Reben. Als Rebe besitzt du keinerlei Vermögen, aus dir selbst Frucht zu bringen. Jede Frucht, die entsteht, kommt von dem himmlischen Weinstock, von dem erhöhten Christus.
Reinige mich, o Herr, von eitler Ruhmsucht und von dem Wunsch, beliebt sein zu wollen. Das sind Feinde, die meine Seele entzünden und den Dienst des Evangeliums anpassen und schwächen. Lösche mich aus, Vater, daß die Menschen nicht mehr mich wahrnehmen, sondern erhebe Deinen Sohn zu der Herrlichkeit, die Ihm zurecht gehört. Zerstöre und mache zunichte jeden Versuch Satans, mir irgendwelchen Ruhm und Ehre zuzuschreiben. Verhülle mich vor den Augen der Zuhörer, damit Dein eingeborener Sohn sich in ihren Herzen offenbart, denn Ihm allein gehört aller Ruhm und alle Ehre.
Die Angriffe Satans vollzogen sich manchmal in der Form von Anklagen und Verurteilungen. Oft war Metallinos im Herzen angefochten. Doch wann immer er eine anklagende und. verurteilende Stimme in sich vernahm, wies er diese unmittelbar mit dem folgenden Gebet ab.
O Herr, wenn die Zurechtweisung, die ich in mir verspüre, von Dir kommt, bitte ich Dich, daß Du mir vergibst und mich mit Deinem Blut reinigst. Wenn aber die Zurechtweisung von dem Feind kommt, bitte ich, daß Du ihn kräftig zurückweist und mir die wahre Quelle dieser falschen Anschuldigungen enthüllst. Und vor allem, schenke mir Deinen Frieden.
So erwuchs aus jeder verborgenen Gefahr eine neue Einsicht. Durch seine Erfahrungen in der Schule der Anfechtung lernte Metallinos den Satan und seine Methoden kennen. Zugleich übte er sich in der Kunst, gegen ihn Krieg zu führen. Er entdeckte, daß das ernsthafte Gebet und das Studium des Wortes unbedingt nötig sind, um ein Siegesleben zu führen. Er flehte zu dem Allmächtigen, alle Bande zu zerreißen, mit denen der Satan seinen Leib und seine Seele gefesselt habe, jede satanische Falle zu zerstören, alle Festungen des Feindes bis zu ihrem Grund niederzureißen, alle seine Bollwerke zu vernichten und die Dämonen, die sich ihm entgegenstellten, wie eine Wolke verschwinden zu lassen. Metallinos bat Gott, er möge ihn ausrüsten mit der Kraft Seines kostbaren Blutes und mit einem siegreichen Glauben. Er möge ihn bei den Angriffen Satans zu einer Feuerflamme machen.
Jesus Christus ist der eine, der die Werke das Teufels an Leib und Seele zerstört. Für jedes Leiden und für jede Krankheit schafft er Heilung. Aber dazu ist der Glaube an Ihn unbedingt notwendig. Das heißt, man muß anerkennen, daß Er in der Lage ist, solche Wunder zu vollbringen. Ohne Glauben kannst du diese Quellen der Allmacht des Herrn nicht in Anspruch nahmen. Fürchte dich nicht, glaube nur.
Nachdem Gott eingegriffen und seine Gesundheit wiederhergestellt hatte, wurden für Metallinos die Verheißungen des Herrn zur größten Wirklichkeit seines Lebens. Sie bildeten den festen Grund, auf den er sich immer verlassen konnte. Die Verheißung des Herrn „Seht, ich habe euch Macht gegeben … über alle Gewalt des Feindes“ (Lukas 10,19) bedeutete für Metallinos der Ruf, in seinem geistlichen Krieg zum Gegenangriff anzutreten.
Wir sollten um Wunder beten, damit der Vater in dem Sohn verherrlicht wird. Aber wenn ein Wunder geschieht, darf nicht der geringste Eindruck entstehen, als ob dies das Verdienst der Gläubigen sei. Gottes Grundsatz lautet: „Glaube, damit ich wirken kann.“
Metallinos glaubte, und Gott wirkte.
Nachdem der Herr in die Krankheit Metallinos eingegriffen hatte, begann eine Zeit, in der Gott in der kleinen Gemeinde wahrhaft große und wunderbare Taten vollbrachte. In den folgenden achtzehn Monaten geschahen durch die Gebete der Gläubigen sofortige Heilungen an Leib und Seele. Viele ernste Magenleiden, Lähmungen verschiedener Körperglieder, Fieber, dämonische Besessenheit, angebotene Taubheit und andere Leiden verschwanden sofort als Antwort auf das Gebet und die Salbung mit Öl.
In seinen persönlichen Aufzeichnungen hielt Metallinos besondere Beispiele fest, in denen Gott unmittelbar vor ihren Augen Wunder vollbrachte.
Seiner Darstellung dieser Fälle gab er die folgende Erklärung bei, unter der Überschrift: „Geh und sage, wie große Dinge Gott an dir getan hat.“
Jeder, der von den Ereignissen seines eigenen Erlebens berichtet, um dadurch Ruhm zu erlangen und um von den Lesern bewundert zu werden, steht im Begriff, die törichtste und sogar lästerlichste Tat zu vollbringen, die er vermag. Wer jedoch diese Ereignisse so darstellt, daß Gott und Sein Christus erhöht und verherrlicht wird, muß dies als seine Pflicht ansehen. Es zu verschweigen ist ein Verbrechen äußerster Undankbarkeit gegenüber dem Herrn.
In dieser Gesinnung schreibe ich das Folgende nieder:
B.T., ein Seeoffizier, der an einigen Predigtgottesdiensten teilgenommen hatte, litt unter Magengeschwüren. Sein Zustand wurde so ernst, daß er nur noch Molke zu sich nehmen konnte. Als er von meiner Heilung hörte, wurde er ermutigt und bat, daß auch für ihn so gebetet würde. Als Antwort auf das Gebet wurde er sofort geheilt.
Maria, die vierjährige Nichte das Seeoffiziers, die im gleichen Hause wohnte, erkrankte zwei Tage später an Malaria. Das Fieber stieg auf 40 Grad und sie verlor jegliches Verlangen nach Speise. Die Familie bat um Fürbitte für sie. Nachdem man gebetet hatte, fiel die Temperatur und sie setzte sich auf und verlangte nach Speise. Die Folge dieser plötzlichen Heilung war, daß die Mutter der kleinen Maria Christus aufnahm und sich der Gemeinde anschloß.
Unsere zwanzigjährige Hausangestellte wurde von Dämonen besessen so daß sich ihr Verhalten plötzlich völlig veränderte. Sie zeigte eine starke Abneigung gegen den Namen „Christus“ und auch gegen das Gebet. Einmal versuchte sie, sich ihre Augen mit einer Nadel auszustechen. Wiederholt versuchte sie, alle Bibeln, die in unserem Hause waren zu zerreißen. Ganz verrückt fing sie an, sich die Haare auszureißen. Sie wurde ganz trübsinnig, und ihr Gesicht nahm einen fremden, wilden Ausdruck an. Als man für sie betete und sie mit Öl salbte, wurde das Mädchen ganz ruhig und fand ihr altes Wesen wieder. An ihr früheres unsinniges Verhalten konnte sie sich nicht erinnern.
Wenige Monate später wurde dasselbe Mädchen plötzlich taub und bekam eine Schwellung im Nacken. Zwanzig Stunden befand sie sich in diesem Zustand, als für ihre Heilung gebetet wurde. Während das Gebets fing sie laut an zu schreien: „Ich habe Hunger, ich habe Hunger!“ Ihre Heilung geschah schnell und vollkommen.
Einer unserer Brüder in Christus, der sich wegen starker Rheumabeschwerden nicht bewegen konnte, forderte uns auf, für ihn zu beten. Als wir für ihn gebetet und ihn mit Öl gesalbt hatten, wurde dieser Bruder geheilt.
Diese Zeichen ereigneten sich jedoch nicht dauernd im Leben der Gemeinde. Solche plötzlichen und eindrucksvollen Heilungen hörten nach achtzehn Monaten auf. Natürlich stimmt es, daß die Gemeinde nie aufhörte, die Heilungskraft des Herrn an ihren Gliedern zu erfahren. Solche göttliche Eingriffe umfaßten schrittweise Heilungen und wurden oft als das Ergebnis anhaltenden Betens erfahren, aber es waren keine „plötzlichen“ Heilungen wie in jener Zeit.
Warum wollte Gott das Leben der kleinen Gemeinde auf solche Weise bereichern?
Metallinos antwortet: „Nicht weil wir würdig waren, sondern weil Er unser Herz in der Wahrheit Seines Wortes festigen wollte. Er wollte uns ermutigen und uns alle zu einer völligen Hingabe an Sein heiliges Werk führen.“
6. DURCH KÄMPFE VORWÄRTS
Die Schar der Gläubigen beschloß, das Haus in der Heracleidonstraße 49 als ständigen Versammlungsort zu benutzen. Hier trafen sie sich zum Bibelstudium und zu Gebetsversammlungen. Hier kamen sie zusammen, um von Metallinos die Botschaft von der Liebe Gottes zu hören. Ein Gemeindeglied gab den folgenden Bericht von dem, was sich einmal ereignete.
Als in der Anfangszeit unserer Zusammenkünfte Metallinos an einem Abend sprach, hob er plötzlich seine Augen zum Himmel, breitete seine Arme zu uns hin aus und sagte: „Meine Freunde, ehe wir aus dem Leben scheiden, wird der Herr uns ein großes und ansehnliches Gotteshaus geben.“
„Reg uns nicht auf, lieber Kostas“, widersprach einer der Anwesenden, „wir sitzen hier auf Kisten und Truhen, weil wir nicht genug Stühle haben, und du willst uns glauben machen, daß wir ein großes und ansehnliches Gotteshaus bekommen werden.“
„Du darfst nicht zweifeln, du darfst nicht kleingläubig sein,“ antwortete Metallinos. „Wenn wir aufrichtig glauben und beten, wird der Herr es uns geben.“
Doch Gott gibt uns keine großen Gaben, ehe wir nicht treu mit dem umgegangen sind, was wir bereits von Ihm empfangen haben. Metallinos hatte solche Treue in der Arbeit für den Herrn bewiesen. Er hatte Ihm das feierliche Versprechen gegeben: „Ich verspreche, daß ich Dir ganz gehören und alle Tage meines Lebens dienen will.“ Und von jenem ersten Tage an ist er niemals von diesem Wort abgewichen. Sein früheres Leben mit all seinen weltlichen Plänen und ehrgeizigen Zielen war völlig geschwunden. Es sah so aus, als ob er einen Stein in einen tiefen Brunnen geworfen hätte, ohne im geringsten zu erwarten, daß er jemals wieder an die Oberfläche steigen würde. Die tiefe Gewißheit, daß der Herr ihn zum Dienst an Seinem Evangelium gerufen habe, floß oft aus dem Herzen von Metallinos in seine Feder. In der Anfangszeit seines Dienstes für Christus schrieb er:
Christus ist meine Liebe, das heißt: das Ideal meines Lebens. Meine mich ganz verzehrende Leidenschaft besteht darin, daß Christus mich in Seinen Dienst gestellt hat und ich an der Ausbreitung Seines Evangeliums mitwirken kann. Das ist das Ziel, das zu erlangen mein ganzes Leben geweiht ist.
Die neue Gemeinde hielt nun regelmäßige Gebetstreffen, setzte Abendmahlsfeiern ein und kam zusammen, um Lieder aus ihrem eigenen neuen Gesangbuch zu singen. Die wunderbaren Heilungen, die in der ersten Zeit unter ihnen stattfanden, bereicherten das geistliche Leben der Gläubigen und machten sie doppelt gewiß, daß ihre kleine Gemeinde wirklich ein von Gott gepflanzter Weinstock ist.
Zur gleichen Zeit entfaltete sich ihr Dienst an den Menschen außerhalb ihrer Gemeinschaft wirkungsvoll und fruchtbar. Unter anderem veröffentlichten sie drei Bücher, die hauptsächlich der Erklärung und Verteidigung der christlichen Wahrheit dienen sollten. Jeden Monat verteilten sie eine große Anzahl von Neuen Testamenten. Und im Jahre 1925 begannen sie, eine kleine Zeitschrift in Umlauf zu bringen, die sie Worte des Lebens nannten.
Im Sommer 1928 wurde der Versammlungsort in das Haus von Metallinos in der Orpheusstraße 24 verlegt. Dort gab es angenehmere und geräumigere Unterbringungsmöglichkeiten für die Gruppe. Dieser Ortswechsel bedeutete gleichzeitig einen weiteren Schritt vorwärts im Wachstum und in der Entwicklung der Arbeit.
Die junge Gemeinde verhielt sich in den Dingen des Glaubens entschieden positiv und nicht negativ. Ihre Glieder diskutierten nicht darüber, was sie von der Orthodoxen Kirche oder von anderen Kirchen unterschied, noch lenkten sie die Aufmerksamkeit darauf, sondern sie legten einfach die aufbauenden Wahrheiten des neuen Testaments dar und betonten besonders die Notwendigkeit einer geistlichen Neugeburt des Menschen, die Mitte der Botschaft des Evangeliums.
Im Laufe der Jahre ließ der Herr die Zahl derer anwachsen, die gerettet wurden. Die Gemeinde wurde so groß, daß das Haus von Metallinos überquoll, besonders an den sonntäglichen Gottesdiensten. Wer keinen Stuhl fand, saß auf Truhen, Betten oder Tischen, und ein Teil der Zuhörer drängte sich draußen auf einem Balkon.
Durch die Freude und das Glück, die seiner wunderbaren Heilung folgten, erlebte Metallinos in dieser Zeit eine ungewöhnliche Erquickung des Geistes. Die Aufzeichnungen in seinem Tagebuch aus dem Jahre 1928 offenbaren eine wirkliche Leidenschaft, Seelen zu retten, und entwickeln zahlreiche Ideen, um Gottes Heilsbotschaft den Massen zu bringen. Es gab Pläne, eine christliche Zeitschrift herauszugeben mit Artikeln und Abhandlungen „für die Gebildeten, das einfache Volk und die Gläubigen“, eine christliche Buchhandlung zu errichten, eine Bibelschule zu gründen das alles und manche andere Vorhaben bewegten ständig seine Gedanken, sein Herz und seine Gebete.
Das Leben und Wachstum der kleinen Gemeinde hing allein ab von dem starken Arm des Herrn. Doch bald wurde sichtbar, daß es heftige Kämpfe geben würde, wenn sie ihre eigenen Anschauungen, ihren Predigtdienst und ihre Unabhängigkeit erhalten wollte.
Im Jahre 1926 gab es mancherlei Gespräche, um sich mit anderen Gruppen evangelischer Gläubigen zu vereinen, aber daraus wurde nichts.
Metallinos sagte in diesem Zusammenhang:
Zur Rechten wie zur Linken finden wir sowohl Wahrheitselemente als auch zahlreiche unterschiedliche Meinungen. Wir sind glücklich, daß wir euch alle in unserem Herzen tragen, daß wir unsere Gemeinschaft im Gebet aufrechterhalten und daß wir mit all denen zusammenarbeiten, die Christus mit aufrichtigem Herzen ihren Herrn nennen mit allen zur Linken wie auch mit allen zur Rechten. Die Einheit dagegen ist in Wahrheit eine Sache des Geistes. Dazu müssen wir weder an einem einzigen Ort zusammenkommen noch uns zu einer einzigen Körperschaft vereinigen
Der Angriff der Staatskirche
Nachdem Metallinos die Griechisch Orthodoxe Kirche verlassen hatte, vermied er lehrmäßige Auseinandersetzungen mit deren Priestern und Theologen. Bei seinem zurückhaltenden und bescheidenen Wesen gefielen ihm heftige Diskussionen und Streitgespräche nicht.
Wurde er gefragt: „Was bist du und was glaubst du?“, so pflegte er zu antworten: „Ich bin Christ, ein unabhängiger Sucher und Nachfolger der christlichen Wahrheit, mit der ich mich gründlich beschäftige und die ich unter rein griechischen Gesichtspunkten verteidige, und das mit beträchtlichem persönlichen Einsatz.
Tatsächlich legte Metallinos am Anfang seines Wirkens Nachdruck darauf, sich eher als ein christlicher Mann der Wissenschaft darzustellen, der gegen den Unglauben kämpft, und nicht als der Führer einer christlichen Bewegung. Als Beispiel dafür eine Erklärung, in der er dem Ministerium für religiöse Angelegenheiten seinen Standpunkt darlegt:
Ich bin lediglich ein christlicher Mann der Wissenschaft. Als solcher habe ich das dringende Bedürfnis empfunden, so wichtige und umstrittene Gegenstände wie den Ursprung und die Bestimmung des Menschen, das Wesen Gottes, die Person Jesu Christi, die Autorität der Bibel und das Leben nach dem Tode durch sorgfältige wissenschaftliche Forschungen zu untersuchen. Ich besitze eine natürliche Neigung und eine besondere Ausbildung für wissenschaftliche Diskussionen und habe mit Akademikern, Rechtsanwälten und hohen Regierungsbeamten zu tun. Ich habe nicht die Absicht, sie für irgendeine Sonderlehre zu gewinnen. Ich möchte lediglich, daß sie von ihren rein materialistischen Theorien gelöst werden und eine christliche Anschauung annehmen, die sich auf eine gesunde, kritische und wissenschaftliche Lebensphilosophie gründet.
Das alles ging gut, solange es in diesen Bahnen verlief. Aber das Evangelium spricht nicht nur zu den Gebildeten und Klugen, es spricht ebenso zu den Ungebildeten. Als Prediger des Evangeliums mußte Metallinos mehr tun, als dieses lediglich den Intellektuellen zu bezeugen. Er mußte ebenso die Einfältigen und Ungebildeten erleuchten. Diese seine Arbeit unter dem einfachen Volk war es, die zum ersten Zusammenstoß mit der Staatskirche führte. Der unmittelbare Anlaß war die Bekehrung seiner Schwester Pagona zum evangelischen Glauben.
Es geschah im Jahre 1929. Pagona wurde ernsthaft krank, und die Ärzte auf der Insel Korfu entschieden, daß sie unverzüglich zu einer Notoperation nach Athen gebracht werden müsse.
Was dann geschah, berichtet sie so:
Als ich in Athen ankam, ging ich in das Haus meines Bruders Kostas. Kaum hatte er mich gesehen, kam er mir entgegen, nahm seinen Hut ab und erhob seine Augen zum Himmel. Er pries den Herrn mit lauter Stimme. Dann wandte er sich mir zu und sagte: „Hab keine Angst, Pagona, du bist nicht krank. Seit vielen Jahren bete ich dafür, daß Gott mir einen Menschen aus meiner Verwandtschaft daheim schickt, damit er das Evangelium hört.
Ganz aufgeregt und voller Furcht wegen meiner Krankheit bat ich aufgelöst in Tränen immer wieder: „O Kostas, ich möchte nicht ins Krankenhaus gehen. Lieber möchte ich sterben, als operiert zu werden.“
„Laß dich dann nur nicht operieren, wenn du es nicht wirklich willst“, sagte er. Und dann fragte er: „Pagona, glaubst du, daß Jesus Christus dich zu heilen vermag?“
„Ich glaube, daß Er es kann, lieber Kostas“, sagte ich mit bewegter Stimme.“ Von da an pflegte er an jedem Tag an meinem Bett zu knien und zu beten.
Sobald er aufgehört hatte zu beten, goß er ein wenig Öl auf mein Gesicht und rief den Namen des Herrn an. Mein Zustand begann sich entschieden zu bessern, und bald konnte ich auf sein und herumgehen. Am ersten Tag meiner Genesung, als ich mit meinem Bruder die Straße herunterging, spürte ich plötzlich eine Blutung. Ich wurde ganz blaß, und mich ergriff ein plötzliches Gefühl der Schwäche und des Schreckens. Ich fühlte mich so schwach in den Knien, daß ich im Begriff war umzufallen. Ich meinte, wir müßten ein Taxi rufen und sofort nach Hause fahren.
Seine Antwort setzte mich in Erstaunen:
„Fürchte dich nicht, Pagona, versicherte er mir voller Ruhe, „das alte, verbrauchte Blut fließt heraus, damit neues, gesundes Blut durch deinen Körper fließen kann. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, geschah etwas in mir. Mein Zustand besserte sich sofort, und statt nach Hause zu gehen setzten wir unseren Weg fort. Der Blutfluß hörte auf, und von da ab hatte sich mein Zustand entschieden verbessert.
Aber da gab es noch etwas viel Wichtigeres. Die gütigen Worte und das hingebungsvolle christliche Leben meines Bruders übten in Verbindung mit dem Studium der Bibel, die er mir gegeben hatte, einen solch großen Einfluß auf mich aus, daß nach kurzer Zeit das herrliche Licht Jesu Christi in meine Seele kam. So wie Gott meinen Leib geheilt und gestärkt hatte, so erleuchtete er nun meinen Geist. Ich kam mir als jemand vor, den ich vorher nie gekannt hatte.
Als Pagona auf die Insel zurückkehrte, geheilt am Leibe und erleuchtet im Geist, begann sie von den Wundern zu erzählen, die Gott an ihrem Leibe und an ihrer Seele getan hatte. In den Augen der Orthodoxen Kirche erschien diese Art des Zeugnisses als Proselytenmacherei, eine Widersätzlichkeit, die man keineswegs dulden konnte, sondern streng bestrafen mußte. Als Pagona anfing, den Bewohnern ihres Dorfes von ihrem neuen christlichen Erleben zu berichten, machten die beiden Priester des Ortes davon solch ein Aufheben, daß das ganze Dorf in Aufruhr geriet. Die Sache wurde noch schlimmer, als bekannt wurde, daß sich drei enge Verwandte Pagonas der „neuen Ketzerei“ angeschlossen hatten.
Polizeiliche Befragungen, Vorladungen, Verhöre und falsche Anklagen folgten im schnellen Wechsel. Berichte erschienen in den Zeitungen, und die „Ketzer“ wurden offiziell aus der Kirche ausgeschlossen und zu Verfluchten erklärt.
Das alles geschah in der Öffentlichkeit. Die Geistlichkeit jedoch entdeckte „hinter dem Vorhang“, daß Pagonas Bruder Kostas Metallinos, der damals Abteilungsleiter im Finanzministerium war, hinter der ganzen Angelegenheit stand. Sofort eröffneten sie mit Zeitungsartikeln ein starkes Feuer gegen ihn. Hier ein Auszug aus einem derselben:
Indem er von allen möglichen Tricks Gebrauch macht, ist es diesem Erzketzer, einem Abteilungsleiter im Staatsdienst, gelungen, einige einfältige Frauen als Proselyten zu gewinnen, indem er ihnen ketzerische und irrige Lehren darbot. So hat er seine Mitbürger dahin gebracht, daß sie gegeneinander Stellung beziehen. Unter dem Vorwand, das Evangelium zu predigen, sind dieser Abteilungsleiter und seine Schar wie räuberische Wölfe in unsere Herde eingedrungen und verkünden verkehrte Lehren.
Doch wenn das, was Metallinos predigte und schrieb, „verkehrte Lehre“ war, hätte doch die Geistlichkeit im Geiste väterlicher Liebe ihre Herde ermahnen und beschützen müssen, indem sie die falsche Lehre herausstellte und widerlegte. Sie konnte sogar den „ketzerischen“ Abteilungsleiter vor die Schranken das Gerichts ziehen, wenn sie bestimmte Anklagen gegen ihn vorzubringen hatte. Seine geistlichen Widersacher bevorzugten jedoch eine andere Methode. Sie zogen es vor, Metallinos von hinten anzugreifen.
Die Heilige Synode (die oberste Kirchenleitung) übermittelte dem Finanzministerium ein Memorandum des Diözesanbischofs der Insel Korfu mit Anklagen gegen Metallinos. Darin wurde betont, er habe es „durch seine Schwester fertiggebracht, einige einfältige und arme Christen der Gemeinde in Korakiana durch Zuwendungen, Zeitschriften und Bücher, die er seiner zuvorerwähnten Schwester geschickt hatte, in die Irre zu führen.“
Eine Zusammenfassung der Anklagen des Bischofs wurde Metallinos von seinem Vorgesetzten zugeleitet und mit der Bemerkung „vertraulich“ versehen. Hinzugefügt war die Aufforderung: „Reichen sie uns eine ausführliche und genaue Erklärung in Bezug auf die obigen Anklagen ein.“
Ganz offensichtlich schlug die orthodoxe Geistlichkeit genau an jener Stelle gegen Metallinos zu, wo er als Regierungsangestellter am leichtesten zu treffen war an seinem guten Rufe und vor allem an seinen Aussichten, beruflich aufzusteigen, für jeden Beamten ein äußerst empfindlicher Bereich.
Doch statt sich zu fürchten, zeigte Metallinos wahren Mut. In seinen persönlichen Aufzeichnungen aus jener Zeit zitierte er oft Schriftstellen, die vom Mut und vom Sieg handelten. Und um diese bestimmten Stellen tatsächlich seiner Lage anzupassen, änderte er die Verbform aus der Vergangenheit in die Zukunft.
In einer Aufzeichnung mit der Überschrift „Fürchte dich nicht“ schrieb er den Abschnitt Jesaja 41,9 13 ab, aber er änderte ihn so:
Du bist mein Knecht, Ich habe dich erwählt und ich werde dich nicht verwerfen. Fürchte dich nicht, denn Ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich werde dich stärken; ja Ich werde dir helfen; ja Ich werde dich verteidigen mit der rechten Hand meiner Gerechtigkeit. Siehe, zu Spott und zuschanden werden alle, die dich hassen; sie werden wie nichts. Die Leute, die mit dir hadern, werden umkommen. Wenn du nach ihnen fragen wirst, wirst du sie nicht finden. die mit dir hadern, sollen werden wie nichts. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand faßt und zu dir spricht: Fürchte dich nichts Ich helfe dir.
Gestärkt durch Gottes Verheißungen schrieb Metallinos zu seiner Verteidigung den folgenden Brief:
An das Finanzministerium
An Seine Exzellenz den Finanzminister
Im Zusammenhang mit der Anklage Seiner Hochwürden, des Bischofs der Insel Korfu, der mein Privatleben angreift, ist es mir eine Ehre, ihnen die folgende Erklärung abgeben zu dürfen: Was die Anklage betreffs der Sekte oder sogenannten Irrlehre der „Evangelischen“ betrifft, so kann ich mit Stolz sagen, daß ich in den letzten zwanzig Jahren das Neue Testament unseres Herrn Jesus Christus geglaubt und es studiert habe. Und ich habe die wahre Freude und den Frieden erfahren, der aus der Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus erwächst. Die Verhaltensweisen die ich seit zwanzig Jahren in Gegenwart aller meiner Kollegen gezeigt habe, ist sehr wohl bekannt, und ich bin stolz, darauf hinweisen zu können, das sie unabweislich und beispielhaft ist.
Wir haben keine neue Religion begonnen. Wir halten an dem Glauben fest, den die Apostel lehrten, aufrichteten und auslebten. Wenn einige uns Irrlehrer nennen, so ist das ihr gutes Recht. Doch die Inquisition wurde vor vielen Jahrhunderten abgeschafft. Heute kann jeder unter dem vollen Schutz unserer Verfassung und unserer bürgerlichen Gesetzgebung seinem eigenen Glauben folgen, und er besitzt die Freiheit, an Christus, Buddha, Mohammed oder sonst jemanden zu glauben.
Was die sogenannte „Proselytenmacherei“ meiner Schwester in unserem Dorf betrifft, so beruht die ganze Angelegenheit darauf, daß einige unserer Verwandten, nachdem sie das Neue Testament in einer Sprache gelesen hatten, die ihnen vertraut war und die sie verstehen konnten, den Sinn der geistlichen Lehre Christi erfaßt und mit Begeisterung und Freude aufgenommen hatten, wie es jeder vernünftig denkende Mensch tun würde. Das heißt, sie kamen zu dem Glauben, daß man nicht durch Fastenübungen oder durch religiöse Formen und Zeremonien gerettet wird, sondern allein durch das alles überragende Erlösungsopfer Christi. Gott möchte, daß unsere Herzen Seine Tempel sind. Man muß täglich die Bibel in der eigenen vertrauten Sprache lesen, damit man sie versteht und durch sie erleuchtet wird. Doch diese Grundwahrheiten, die im Neuen Testament vom Anfang bis zum Ende klar und deutlich verkündigt werden, genügten offensichtlich, um den erbarmungslosen Zorn der Ortspriester zu erregen. Diese haben die ungebildeten, einfältigen Dorfbewohner mit allen möglichen verleumderischen Anklagen aufgehetzt und die Tatbestände völlig verdreht, indem sie jene wenigen Seelen in Verruf brachten, die dem Herrn mit neugefundenem, aufrichtigem Glauben dienten.
Was die Anklage betrifft, daß Geld geschickt wurde, um „Proselyten zu machen“, weise ich diese gewissenlosen und unaussprechlich billigen Vorwürfe mit verächtlichem Lächeln zurück. Sie kommen von Menschen, die sich einfach nicht vorstellen können, daß eine Bewegung für das Evangelium entstehen könnte, die nicht mit der Erwartung irgendeiner finanziellen Belohnung verbunden ist. Gott aber sei Dank, daß es einige Menschen mit reinen und heiligen christlichen Motiven und Idealen gibt. Wir sind stolz, dazu gehören zu dürfen und sind nicht nur bereit, für diese Sache einen Teil unseres Gehaltes zu geben, sondern auch, wenn es nötig sein sollte, unser Leben für die Sache Christi zu opfern.
Ihr allerergebenster Diener
Kostas Metallinos
Die Vorgesetzten von Metallinos leiteten seine Stellungnahme an die Heilige Synode weiter. Von da an erhoben „Ihre Hochwürden“, das Bischofskollegium, keine weiteren Anschuldigungen. Er hatte sich so verteidigt, daß Freund und Feind sehen konnten, daß Jesus Christus ihm alles bedeutete. Metallinos würde Ihn gegen nichts anderes eintauschen. Er war bereit, alles für Christus aufzugeben, sei es das hohe Ansehen das er gewonnen hatte, sei es seine Laufbahn als hoher Beamter, ja sogar sein Leben.
Da er von Natur aus ein ruhiger und milde gesonnener Mann war, hätte Metallinos normalerweise gezögert, eine förmliche und öffentliche Verteidigung seines Glaubens, seines Wirkens und seiner Person abzugeben. Doch als seine Widersacher ihn zu heftig bedrängten, sprang er aus seinem Graben und stürmte mit hocherhobener Fahne zum Angriff, ohne auf irgendwelche Konsequenzen Rücksicht zu nehmen.
7. FAMILIENLEBEN
Kostas Metallinos verliebte sich zum ersten Mal, als er 26 Jahre alt war. Einige seiner persönlichen Aufzeichnungen enthüllen die reinen und erhebenden Gefühle, die der junge Mann empfand, als er zum ersten Mal Alcmene Kapsalis begegnete, jenem Mädchen, das er später zu seiner Lebensgefährtin erwählen sollte.
Ihre Begegnung fand ganz zufällig statt. Ein Freund hatte Metallinos in Alcmenes Haus eingeladen zu einer Feier anläßlich des Geburtstages ihres Bruders John. Sobald Metallinos sie sah, verliebte er sich in sie.
In einer Eintragung in seinem Tagebuch, unmittelbar danach niedergeschrieben, schildert Metallinos seine ersten Eindrücke von Alcmene:
Ein Meisterwerk Gottes, ausgestattet mit einem klaren Verstand und mit Schönheit. Sie übertrifft bei weitem mein Ideal, das ich mir von Frauen gemacht habe. Eine Persönlichkeit mit Ausstrahlung. Ihre Unschuld und Schönheit fesseln mich.
Zur gleichen Zeit schrieb er einen Brief an John Kapsalis, in dem er den Wunsch ausdrückt, seine Schwester näher kennenzulernen, „wenn das Ihre Zustimmung findet.“ Aber dieses Begehren fand bei allen Beteiligten wenig Wohlwollen.
Alcmene selbst zögerte. Unter keinen Umständen wollte sie um der Ehe willen ihre Freiheit verlieren. Sie hatte mit höchster Auszeichnung ihr Studium abgeschlossen und begann gerade ihre Laufbahn als Lehrerin. Alcmene war entschlossen es in ihrem Beruf zu etwas zu bringen. In der Ehe sah sie ein ernsthaftes Hindernis, ihr großes Ziel zu erreichen. Als Christin war sie jedoch bereit, jeden Weg zu gehen, wenn sie sah, daß er dem Willen des Herrn entsprach. Um die Führung Gottes zu erkennen, stellte Alcmene die folgenden vier Bedingungen auf und machte sie zu einem Gebetsanliegen. Wer immer auch ihr Lebensgefährte würde, ganz wesentlich sollte es sein, mit ihm in engster geistlicher Gemeinschaft leben zu können. Jeglichem Versuch einer Eheanbahnung würde sie ihre Unterstützung verweigern. Der Bewerber durfte nicht drängen. Und schließlich durfte er nicht nach ihrer Mitgift aus ein.
Nach kurzer Zeit wurde es deutlich, daß Kostas Metallinos die Antwort auf Alcmenes Beten war. So stand es fest, daß der voraussichtliche Bräutigam weder drängte noch nach ihrer Mitgift aus war. Aber heimlich sehnte er sich danach, seine Erwählte so häufig wie möglich zu sehen. Obwohl dieser Wunsch verständlich und natürlich war, wurde er für Kostas niemals zu einem wirklichen Problem, da er von Natur aus ängstlich war. Wie könnte er es wagen, der Familie Alcmenes eine solche Bitte vorzutragen? Die Lösung erfolgte auf eine unerwartete Weise.
Da damals Krieg herrschte, gab es einen ernsten Mangel an Brot. Das eröffnete dem jungen Liebhaber eine Möglichkeit. Mit überlegter Planung verbündete er sich mit einem befreundeten Bäcker, der dafür Sorge tragen sollte, daß es im Hause Kapsalis nie an Brot fehlen sollte. Der Bäcker stimmte zu.
Kostas selbst sollte das Brot abliefern. So konnte er jeden Tag ein Lächeln und einen Gruß mit seiner Erwählten austauschen. Ach, welch beglückendes Erleben! Kurz nachdem er Alcmene kennengelernt hatte, versuchte er das außerordentliche Entzücken, das er in seiner Seele empfand, mit dem folgenden Gedicht zu beschreiben, das er „Ekstase“ nannte:
Aus den Tiefen, dem innersten Sein meiner Seele strömen ungebeten süße Harmonien empor; Da ist ein himmlisches Orchester, das mich mit seinen Tönen beglückt; oder ein Chor von Engeln, deren Lieder zu mir herüberschallen; irgendetwas, irgendjemand nimmt in meiner Seele Gestalt an und begehrt, Flügel zu bekommen und davonzufliegen, ja, verlangt, sich von meiner unwilligen Gestalt zu lösen. Du Ewiger, der mein ganzes Sein erfüllt, Dessen magische Kraft fortfährt meine Seele zu ziehen, nun gebe ich mich Dir glücklich und begierig hin. Nimm mich an, denn nur dann werde ich ohne Qual sein.
Sieben lange Jahre sollten vergehen, ehe endlich der glückliche Hochzeitstag anbrach. Die verworrene politische Lage und die ungeordneten Verhältnisse, die in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herrschten, nötigten die Familie Kapsalis fortzuziehen. Eine beträchtliche Zeit lang hatte Kostas keine Möglichkeit, seine geliebte Alcmene zu sehen. Hochzeitspläne mußten unbestimmt bleiben, aber der zukünftige Bräutigam sorgte dafür, daß die Verbindung durch einen regelmäßigen Briefwechsel aufrechterhalten wurde. Doch er schrieb nicht unmittelbar an seine Braut, sondern an ihren Vater und sandte bei jeder Gelegenheit Grüße „an die ganze Familie“.
Die Hochzeit fand in Callithea statt, einem Vorort Athens, in Anwesenheit des engeren Familienkreises.
Der Bräutigam war ein gut aussehender Mann von 33 Jahren. Als promovierter Mathematiker leitete er eine Abteilung im Finanzministerium, damals die Schiffahrtsabteilung. Sein sorgfältig gekämmtes, dunkles, lockiges Haar glänzte unter den hellen Leuchtern das großen Wohnzimmers. Die dicken, dunklen Augenbrauen bedeckten fast seine durchdringenden, haselnußbraunen Augen, und ein vorbildlich gestutzter Schnurrbart schmückte seine Oberlippe. Seine ganze Erscheinung zeigte an diesem Tag Würde, Männlichkeit, Schönheit, Lebenskraft und klaren Verstand.
Neben ihm stand seine Braut, bescheiden und besonnen, bekleidet mit einem unbefleckten weißen Brautkleid, ihr Angesicht strahlte in Schönheit und Frische.
Die Trauung verlief einfach und kurz. Den Neuvermählten war bestimmt, sich an einem reichen Fest an der Tafel des Lebens zu erfreuen, doch nicht sofort.
So befremdlich es erscheinen mag, am Anfang ihres gemeinsamen Lebens sollten sie sich unvorhergesehenen Schwierigkeiten gegenübersehen. Ihre Hochzeit hatte in jener Zeit stattgefunden, in der Metallinos noch jene sich wiederholenden Anfälle seines Nervenleidens erlebte. Und es war zu erwarten, daß wegen dieser besonderen Zustände zu bestimmten Zeiten dunkle Wolken die Atmosphäre des Hauses überschatten würden.
Diese Schwierigkeiten hielten ungefähr drei Jahre lang an. Aber als Gott ihn an jenem denkwürdigen Tage im Januar 1927 heilte, fanden sein wechselhaftes Verhalten, die häuslichen Spannungen und alle anderen Schwierigkeiten, die von seinen nervösen Spannungen herrührten ihr Ende. Seine Befreiung erwies sich als vollkommen und anhaltend. Von da an herrschte Liebe und Friede in ihren Herzen und in ihrem Hause.
Das tägliche häusliche Leben verlief einfach und reibungslos. Alcmene übernahm die häuslichen Pflichten und die finanziellen Angelegenheiten. Kostas widmete sich seinen Studien und seiner Stellung als Staatsbeamter. In ihrer geistlichen Tätigkeit blieben sie miteinander vereint, und in allen seelischen hielten sie enge Gemeinschaft. Er predigte, lehrte und schrieb; sie half, tröstete und diente.
Metallinos nahm die Dienste seiner Gefährtin in den kleinen Dingen des häuslichen Lebens in Anspruch. Immer lag Alcmenes Name auf seinen Lippen, denn er pflegte sie zu rufen, wann immer er irgendetwas benötigte. „Liebe Alcmene, würdest du, bitte, eine Telefonnummer für mich heraussuchen?“
Alcmene, bring mir, bitte, ein Messer oder etwas anderes, womit ich meinen Bleistift spitzen kann.“
„Alcmene, Liebling, deck doch, bitte, den Tisch, damit wir essen können.“
Seine Stimme klang freundlich, aber manchmal lag darin auch eine Spur von Gereiztheit. Wenn der Geruch von irgendeiner Mahlzeit auf dem Herd Kostas‘ Appetit anregte, das war oft der Fall, weil er immer hungrig zu sein schien, pflegte er von seinem Schreibtisch aufzustehen, sofort in die Küche zu eilen, einen großen Löffel zu nehmen und ihn mit langsamen geübten Bewegungen einige Male in den Topf zu führen, indem er erklärte, er „koste gerade das Essen, um zu sehen, ob genug Salz darin sei.“
„Du liebe Güte, bleibst du von dem Topf weg, pflegte Alcmene zu schimpfen.“
Kostas legte dann etwas enttäuscht den Löffel beiseite, doch immer verbunden mit seinem üblichen Kompliment für die Köchin: „Ja, ja, heute gibt es bestimmt ein ganz vorzügliches Essen.“
Nicht nur durch ihr gutes Kochen, sondern auf mancherlei andere Weise erwies sich Alcmene als eine ergebene Frau, die immer bereit war, ihrem geschäftigen Ehemann zu dienen. So pflegte sie zum Beispiel saubere, deutliche Abschriften von seinen unleserlichen Manuskripten herzustellen; sie erinnerte ihn an seine Termine; war er erkältet, pflegte sie seinen Rücken zu behandeln.
Eine andere ihrer Pflichten bestand darin, auf die Finanzen der Familie zu achten. Alcmene hatte ihren gebefreudigen Ehemann überredet, die Hände von seiner Brieftasche zu lassen und ihr die ganze Verfügungsgewalt in Geldangelegenheiten zu übertragen. Sein Gehalt als Staatsbeamter war natürlich nicht sehr hoch, obwohl es ausreichte, um die normalen Bedürfnisse der Familie zu decken. Zuerst wurde ein Zehntel des monatlichen Gehaltes beiseite gelegt für das Werk das Herrn. Sodann verteilte sie einige weitere kleinen Summen für die Bedürfnisse bestimmter armer Christen. Was übrig blieb, mußte für die eigenen Bedürfnisse während des Monats reichen. Metallinos dachte über das Geben des Zehnten so:
Ein Grund, warum manche Christen die Segnungen ihres Herrn nicht erfahren, liegt darin, daß sie keinen Zehnten geben. Die Bedürfnisse der Familie sollten niemals zuerst in Betracht gezogen werden. Wenn wir den Zehnten des Herrn für uns selbst verwenden, werden wir die finanziellen Probleme unserer Familie nicht lösen. Würden wir nicht zahlen, wenn der Finanzminister von uns eine zehnprozentige Steuer fordert? Manche sagen, der Zehnte gehöre in die Zeit des Alten Testaments. Dann müssen wir als Christen des Neuen Testaments noch mehr geben. Von uns Christen wird sicher mehr erwartet als von den Juden. Doch das ist nur ein erster Schritt. Wir müssen darüber hinaus geben. Der Herr ist ein reicher Vergelter.
Immer war irgendetwas im Hause los. Neben den regelmäßigen Versammlungen, wenn die Leute zusammenkamen, um das Wort zu hören und zu beten, schien das Haus voller christlicher Aktivitäten. Dort trafen sich zum Beispiel die Regierungsangestellten zu ihren monatlichen Zusammenkünften, dort wurden Traktate zum Versand fertiggemacht, dort hielt eine Sonntagsschule für Kinder ihre Stunden. Bald erkannte Metallinos, daß geeignetere Räume dafür nötig waren, und er erbat sie von dem Herrn. Und gewiß erhörte Gott sein Gebet. Mit einem Darlehen das Staates erwarb Metallinos in Lahana Straße 38 ein neues Haus auf einem Hügel Athens mit einer wundervollen Aussicht und einer überdachten Terrasse.
Lahana Straße 38
Metallinos betrachtete das neue Haus als ein „Haus Christi“, darum stand seine gastliche Tür jedermann offen. Es wurde zum Heim für die heimatlosen Verwandten, die auf Reisen waren, zum Zufluchtsort für die Verfolgten und zum Ort der Geborgenheit für junge Leute, die keine Freunde besaßen. Eine Lieblingsaufgabe bestand für Metallinos darin, entschieden gläubige junge Leute als Gäste in seinem Hause aufzunehmen, die begabt waren, aber nicht die notwendigen Mittel besaßen vorwärtszukommen. Er pflegte zu sagen:
Wenn Gott dir keine Kinder gegeben hat, heißt das, daß er dich berufen hat, die Verantwortung für andere Kinder zu übernehmen. Werde ihr geistlicher Vater und weihe dein Leben der Aufgabe, sie aufzunehmen und zu versorgen. Auf diese Weise könntest du zum Werkzeug für ihre zweite Geburt werden. Diese ist wichtiger als die erste Geburt, denn es ist die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist.
Metallinos nahm sich vieler solcher Patenkinder an. Er beherbergte sie in seinem Hause und kümmerte sich wie ein geistlicher Vater um sie. In einigen Fällen geschah das für einige Monate, in anderen für etliche Jahre. Er teilte nicht nur sein Dach mit ihnen, sondern auch sein Geld und sein Brot. Zu manchen Zeiten beherbergte und versorgte das „Haus Christi“ bis zu zehn Menschen.
In der schweren Zeit der feindlichen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs, als die Geißel des Hungers die Menschen zu Tausenden auslöschte, entdeckten diejenigen, die Lahana Straße 38 bewohnten, eine sehr tröstliche Lektion der Schrift. Sie studierten den Bericht über den Propheten Elia, als die Raben ihn morgens und abends mit Nahrung versorgten, und auch den über die Witwe, deren wunderbarer Krug eine nicht versiegende Ölquelle darstellte. Diese beiden Ereignisse bestimmten ihre Gespräche und Gebete. Brachte zum Beispiel einer der christlichen Brüder wildes Gemüse oder ein Glas mit Syrup oder etwa trockene Erbsen in den gemeinsamen Haushalt in Lahana Straße 38 mit, wurde er als „Rabe des Herrn“ bezeichnet. In den Tagen des äußersten Mangels, als das vorhandene Öl fast zur Neige ging, lautete die besondere Bitte bei dem Gebet der Familie: „Herr, segne unser Öl, wie Du das Öl im Krug der Witwe zu Zarpat gesegnet hast.“ Dann kam die Zeit, als der kleine Ölvorrat erschöpft war und die kleine geistliche Gemeinschaft auf die Antwort des Herrn wartete. Immer wieder versicherte ihnen Metallinos:
Gott antwortet nicht auf unsere Gebete, indem er uns volle Körbe aus dem Himmel sendet, sondern indem er bestimmte Menschen als Seine Werkzeuge gebraucht. Er bewegt die Herzen und läßt so das geschehen, was Er will und wünscht.
Und genau das geschah im Falle des Öls. Eines Tages war Metallinos im Begriff ins Büro zu gehen, als er jemanden rufen hörte: „Kostas, Kostas!“ Es stellte sich heraus, daß es der Besitzer einer Fabrik war, den er kannte. Komm morgen bei meiner Firma vorbei. Ich möchte dich gerne sprechen. Und bring einen Behälter mit. Ich möchte dir gerne etwas von dem Olivenöl geben, da ich für meine Angestellten einkaufe.“
Am nächsten Tag ging Metallinos hin und nahm einen zwei Liter fassenden Krug mit. Mit seinem Behälter voll Öl in bester Qualität ging er wieder weg. Der Spender fügte hinzu: „Schicke jede Woche jemanden, damit der Krug wieder nachgefüllt werden kann.“ So fehlte bis zum Ende des Krieges niemals der Vorrat an Olivenöl in Lahana Straße 38. Die Hausbewohner bezeichneten den Besitzer der Fabrik als „der Krug“.
Bei Metallinos finden wir alle Kennzeichen eines glücklichen und frohen Lebens, das völlig Gott hingegeben ist. Der Tag daheim begann mit dem Singen geistlicher Lieder. Er neigte dazu, diese etwas in die Länge zu ziehen, aber er sang sie mit tiefer Empfindung. Er pflegte zu sagen:
Wenn wir Kinder Gottes wirklich die große Liebe kennen, die uns unser himmlischer Vater erzeigt, würden wir wie die Vögel Tag und Nacht vor Freude singen.
Im Haus von Metallinos gab es immer viel zu lachen. In seinen Adern schien Humor und gesunder Spaß zu pulsieren. Es bereitete ihm viel Freude, Verse mit humorvollen Wortspielen zu machen oder kluge, witzige Bemerkungen, um Freunde zu necken. Diese Verhaltensweise störte Alcmene sehr. Oft pflegte sie ihn zu unterbrechen, um ihn von seinen witzigen Sprüchen mit der ernsten Zurechtweisung abzuhalten: „Du liebe Güte, willst du nicht mit deinem Necken und Sticheln aufhören?“ Doch die Neckerei von Kostas war so harmlos, daß keiner befremdet war, der sie hörte, auch die nicht, auf die er es abgesehen hatte. Im Gegenteil, im Geheimen erfreute sie sein glänzender Humor. Metallinos machte es ebenso Freude, wenn andere ihn neckten. Einmal blieb ein Gast, der zum Essen eingeladen war, an der Tür stehen und sagte voller Scherz, indem er einen etwas dramatischen Ton anschlug: „Was sehe ich, Kostas! Du hast gewaltig zugenommen, mein Junge! Oh, oh, das ist schlimm, das ist sehr schlimm!“
Metallinos lachte von Herzen über diese Beobachtung und erwiderte: „Ich glaube, du hast noch nie in der Bibel gelesen: ‚Wer sein Vertrauen auf den Herrn setzt, den macht Er fett.‘ Was mich verwundert und bedrückt, ist, daß du so hager wirst.“
Ganz gleich, welches Essen auf dem Tisch der Familie stand, immer pflegte Metallinos Gott für Seine guten Gaben zu danken. Er wußte, wie es ist, Überfluß zu haben, und wie es ist, Mangel zu leiden. Bestand zum Beispiel während des Krieges die Mahlzeit nur aus etwas Maisbrot und einigen Oliven oder gelben Erbsen, pflegte er zu beten: „Herr, segne diese Speise und gib, daß sie in unserem Körper wie Kotelett und Hähnchen wirkt, so daß wir die körperliche Kraft gewinnen, Dir zu dienen.“
Man sprach über Ernstes und Leichtes, unter geistlichen Gesichtspunkten oder auch nicht. Hier sind einige seiner charakteristischen Aussprüche und Bemerkungen:
Wenn ich in den Himmel komme, will ich die ersten hundert Jahre zu Füßen meines Herrn sitzen und Tränen der Dankbarkeit weinen.
Als er einmal gefragt wurde, ob er sich auf seiner ersten Reise mit dem Flugzeug gefürchtet habe, antwortete Metallinos: „Wenn ich gehe, setze ich mein Vertrauen auf meine beiden Füße und auf den Herrn. Doch wenn ich mit dem Flugzeug fliege, setze ich mein Vertrauen auf Gott allein. So fühle ich mich, wenn ich fliege, sicherer.“
Das Verlangen, der neuesten Mode zu folgen, stammt vom Teufel. Eine Braut kam einmal zu ihrer Trauung in die Gemeinde und trug ein völlig unpassendes Brautkleid. Es ist traurig, wenn die Modemacher von Paris in der Kirche Jesu Christi den Ton angeben. Allen, die in meiner Gemeinde getraut werden wollen, habe ich klar gemacht, daß sie anständig gekleidet sein müssen, nicht halbnackt. Wenn nicht, verlasse ich die Kanzel und lasse sie sich selbst trauen.
Unsere Herzen sollten denen der kleinen Kinder gleichen. Es stimmt, daß sie manchmal Streit haben. Aber ehe man sich es versieht, haben sie eingelenkt und spielen wieder miteinander.
Wie undankbar und töricht sind wir, was unser Verhältnis zu Gott betrifft und wie wir mit Ihm umgehen. Nehmen wir an, eines unserer Augen ist schwer krank und der Arzt empfiehlt es zu entfernen, damit nicht auch das andere Augen Schaden leidet. Wir gehen dann zum Arzt und sagen ihm: „Bitte, Herr Doktor, entfernen sie das Auge, ich werde sie dafür bezahlen.“ Und nach der gelungenen Operation sagen wir ihm: „Hier ist das Geld für die Entfernung meines Auges, ich möchte die Hand küssen, die die Operation ausgeführt hat.“ So gehen wir mit Menschen um. Aber wenn Gott uns etwas widerfahren läßt, erheben wir lauter Anklagen gegen Ihn. O welche Geduld zeigt der Herr, wenn er an uns handelt!
Christus sagt, wir sollen unseren Feinden Gutes tun, wenn sie uns Böses tun. Wenn ein psychisch kranker Mensch seinen Arzt tritt, wird dieser keine Vergeltung üben und ihn auch treten. Er wird zu der Schwester sagen: „Geben sie dem armen Kerl, der mich eben getreten hat, ein Beruhigungsmittel. Er scheint es nötig zu haben.“
Viele dieser Einfälle kamen Metallinos, wenn er an milden Sommerabenden auf die Dachterrasse von Lahana Straße 38 stieg, um auszuruhen und nachzudenken. Dort unter dem Eindruck des Himmels von Athen, wo die zahlreichen Lichter der Stadt um ihn und über ihn ein strahlendes Panorama erzeugten, konnte man ihn leise betend oder im Selbstgespräch antreffen, während er auf der Terrasse langsam auf und ab ging. Er mochte ein theologisches Problem bedenken oder, indem er fest auf einen Punkt am Horizont schaute, sich über den Reichtum der göttlichen Wahrheit freuen, die in Jesus Christus offenbar geworden ist.
Seine Vorstellungen von der Ordnung der Ehe
Die Anschauungen, die Metallinos über die Ehe hegte, glichen den hohen Vorstellungen, wie sie der Apostel Paulus ausdrückt. Die Ehe ist weder eine Art fleischlicher Austausch noch in irgendeiner Weise eine geschäftliche Transaktion. Die Ehe bedeutet die Verbindung zweier Menschen zu einer göttlichen Einheit, um so die reinste und heiligste Form der Liebe hervorzubringen.
Die Ehe ist ein heiliges Bündnis. Sie ist eine Darstellung, eine Erfüllung, eine praktische Verwirklichung des Geheimnisses der Liebe Christi (dargestellt durch den Mann) zu der Gemeinde (dargestellt durch die Frau). Gott möchte, daß die Liebe Christi auf menschlicher Ebene nachgebildet wird, die Er erweist, indem Er uns arme Sünder durch ein Heil rettet, das unbeschreiblich herrlich ist und in alle Ewigkeit währt. Er möchte, daß diese Liebe zwischen zwei Herzen, einem Mann und einer Frau, erneut dargestellt wird, sei es in einer armen Hütte, in einem Haus oder in einem Palast.
Das folgende Bekenntnis zeigt sein übermenschliches Begehren, den Himmel zu erreichen, ohne die Berührung mit der Erde zu verlieren. So suchte er seine menschlichen, romantischen Gefühle in göttliche zu verwandeln. Er wollte die ideale Liebe darstellen und sich ihrer als christlicher Ehemann erfreuen. Dieses Bekenntnis fand sich in seinen privaten Aufzeichnungen und war an seine Lebensgefährtin gerichtet:
Aus dem gewaltigen turbulenten Strom des Lebens hat Gott uns beide auf der Bühne dieser gegenwärtigen Welt zusammengebracht. Es ist diese wirbelnde Welt, in der sich Menschen begegnen, ohne erkannt zu werden und ohne sich zu kennen, jeder geht in eine andere Richtung. Gott brachte uns auf denselben Weg, damit wir uns begegnen und von nun an für immer miteinander gehen. Damit wir miteinander in eng verbundener Gemeinschaft Sein Lob singen. Damit unsere Liebe und Anbetung wie ein Rauchopfer zum Thron unseres ewigen Erlösers aufsteigen. Damit unsere Seelen zwei Harfen gleichen, die in vollkommener Harmonie Preis und Anbetung Ihm bringen, der Sein Blut für uns vergoß, um uns zu erlösen, um Sich für uns dahinzugeben und in unserer Seele zu wohnen und unser Leben zu werden, der wahre Pulsschlag unseres Lebens. Angesichts dieser Tatsachen sollen wir uns einander anschauen, und unsere Herzen werden vor Freude springen. Unsere Seelen werden von Liebe überfließen.
Neben diesem ethischen und moralischen Gesichtspunkt, hat die Ehe eine weniger hohe, aber notwendige Aufgabe ihre rein leibliche Funktion. Kinder zur Welt bringen sichert den Erhalt der Rasse. Kinder sind in einem sehr realen Sinn das Material, das wir nach dem Willen des Herrn für Ihn bereiten sollen, weil er einen Bau im Himmel errichten will das große und grenzenlose Königreich des Himmels. Für Sein Königreich braucht Gott Männer und Frauen. Jeder von uns gleicht einem geistlichen Stein, einem Baustein, der durch seine Teilhabe am Leben und Geist Christi zubereitet wird, damit er ein Teil des großen Bauwerks wird und das Angesicht Gottes schaut.
Metallinos empfahl auch, sich streng an die Anweisungen zu halten, die die Schrift für das Verhältnis zwischen Mann und Frau gibt. Die Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes ist von großer Bedeutung und verdient höchste Beachtung. Bei seinen Predigten legte Metallinos darauf großen Wert:
Gott schuf die Frau nicht aus dem Kopf des Mannes, denn Er wollte nicht, daß sie über ihn herrschen und ihn sich untertan machen sollte. Auch schuf Gott die Frau nicht aus dem Fuß des Mannes, denn Er wollte nicht, daß der Mann das Recht habe, sie zu treten und auf ihr herumzutrampeln. Die Frau hat eine enge Beziehung zu der Seite ihres Mannes, nämlich zu seinem Herzen, seiner Liebe.
Diese Bande der Liebe und Achtung zwischen Mann und Frau entstehen und werden erhalten durch ihre geistliche Gemeinschaft. Das tägliche gemeinsame Bibellesen und Beten erinnert die Eheleute an die göttliche Bestimmung ihrer Beziehung, belebt ständig neu ihre erste Liebe, verhindert das Entstehen bitterer Gefühle und veranlaßt die Hausgenossen, an dem göttlichen Leben und dem heiligen Dienst teilzunehmen. Metallinos nannte dieses geistliche Erleben „erfrischend.“
Doch Metallinos blieb hier nicht stehen. Nachdem er empfohlen hatte, das Eheleben ständig zu „erfrischen“, schlug er weiter vor, die Trauung zu „erfrischen“. Er fragte die Glieder seiner Gemeinde: „Warum sollten wir nicht ständig Hochzeit feiern?“ Wie gern sah er es, wenn der Vater und die Mutter einer großen Familie ihre Hochzeit erneuerten, indem sie wie Braut und Bräutigam Arm in Arm durch die Gemeinde zur Kanzel kamen, sich liebevoll ansahen und ein halbes Dutzend Söhne und Töchter ihnen folgten, während der Chor entsprechende Hochzeitslieder sang.
Metallinos besaß keine eigenen Kinder. Aber hätte er sich zu einer solchen „Erfrischung“ entschlossen und seine eigene Trauung erneuert, wären ihm eine große Schar von Jungen und junger Menschen gefolgt, die Kinder, die er geliebt hatte, für die er gesorgt hatte, die er großgezogen hatte.
Ich danke Gott, daß Er meiner Frau und mir, obwohl Er uns keine eigenen Kinder gab, dennoch die Möglichkeit schenkte, die Verantwortung für zahlreiche Kinder zu übernehmen. So können wir sagen: Wir hatten viele Kinder, ja eine große Menge Kinder
8. DAS AUSWERFEN UND EINZIEHEN DER NETZE
Keiner kann alles tun, aber jeder muß seine Aufgabe erfüllen“, pflegte Metallinos zu sagen. Darüber konnte kein Zweifel bestehen, daß er zum Seelenfischer bestimmt war. Wo immer er sein evangelistisches Netz auswarf, wurde das Wirken des Heiligen Geistes sichtbar. Ob in einem persönlichen evangelistischen Gespräch oder bei einer Predigt auf der Kanzel, in einer kleinen Gesprächsrunde oder in einem öffentlichen Vortrag, ganz gleich welche Methode er benutzte, immer pflegte Metallinos sich den Menschen mit Weisheit und Geschick zu nähern, so wie es die jeweiligen Umstände erforderten. Vom Anfang seiner Laufbahn als Regierungsbeamter an sah sich Metallinos genötigt, die rettende Botschaft des Evangeliums zuerst seinen Mitarbeitern zu vermitteln. Viele von ihnen verhielten sich geistlichen Dingen gegenüber völlig gleichgültig. Andere blieben ablehnend, und wieder andere spotteten über ihn und bekämpften ihn so heftig, daß er sich wie ein Schaf inmitten eines Rudels von Wölfen vorkam. Dennoch besaß er den unerschütterlichen Glauben, daß seine Bemühungen Erfolg aufkommen zu lassen oder daß irgendwelche Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Er tat alles, um sein gutes christliches Zeugnis zu bewahren.
Als er zum Beispiel im Finanzamt dem Büro zur Verwaltung der Staatsausgaben angehörte, begehrte ein Teil der Angestellten sehr, in die Kommission versetzt zu werden, die die Wiedergutmachungszahlungen an die Flüchtlinge zu überweisen hatte. Bei der Größe der Wiedergutmachungen, die zu leisten waren, war das verständlich. Metallinos hatte entscheidend über die Zusammensetzung dieser Kommission zu bestimmen. Darum versuchten verständlicherweise viele Mitarbeiter, die dorthin versetzt werden wollten, ziemlichen Druck auf ihn auszuüben. Obwohl Metallinos auf Grund seiner Stellung und seines Ranges gerechterweise einen Platz als stimmberechtigtes Mitglied hätte beanspruchen können, machte er sich selbst zum Sekretär mit einer vergleichsweise geringeren Vergütung, die er mit seinem Stellvertreter teilte, der in Wirklichkeit besser bezahlt wurde als Metallinos.
Als man ihn fragte, warum er so handle, antwortete er: „Gerade auf diese Weise konnte ich vermeiden, die anderen herauszufordern.“
Trotz des guten Zeugnisses seines Lebens als Regierungsbeamter trug die Saat des Evangeliums, die Metallinos säte, keine Frucht. Sie fiel auf das Erdreich, damit war es aus. Offensichtlich fiel einiges auf felsigen Grund und einiges unter Dornen. Aber die Saat, die auf gutes Erdreich fiel, trug wirklich Frucht. Diejenigen, die zuerst Interesse zeigten, waren bereit, sich in Privathäusern zu Gesprächen über geistliche Fragen und zum Bibelstudium zu treffen. So entstand ein kleiner Kreis geistlich gesonnener Menschen, und Metallinos fuhr fort, andere einzuladen, dieser Gruppe beizutreten und an den Aussprachen teilzunehmen.
Die Gegenstände, über die man sprach, wechselten, und es gab keinen bestimmten Ablauf für diese Gespräche. Doch mit Geduld und Takt sorgte Metallinos dafür, daß die Gedanken der Teilnehmer immer auf die Wahrheit gerichtet wurden, die rettet und frei macht. Manchmal durch eine systematische Darlegung der Lehre über die Erlösung durch Christus, dann wieder durch ein gründliches Studium des Johannesevangeliums vermittelte er seinen Mitarbeitern die Botschaft von der Liebe Gottes in ihrer ganzen Tiefe und Macht.
Denen, die ein ernsthaftes Verlangen nach geistlichen Dingen zeigten, wandte Metallinos besondere Aufmerksamkeit zu. Er pflegte sie regelmäßig in ihren Büros zu besuchen, ihnen ein Neues Testament zu schenken und ihre Namen auf seine persönliche Gebetsliste zu setzen. Die Frucht dieser Zusammenkünfte bestand darin, daß einige Regierungsangestellte das Licht des Evangeliums erkannten.
George Sophronopoulos, ein früherer Mitarbeiter von Metallinos und späterer Finanzminister, gab dieses öffentliche Zeugnis von seinem eigenen Erleben:
Während einer dieser Zusammenkünfte in unserem Gesprächskreis lasen wir den fünften Vers von Johannes fünfzehn: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Ich fragte Kostas Metallinos: „Aber wie kann das je möglich sein?“ Er sagte zu mir: „Durch Gebet, durch persönliche Hingabe, durch eine enge Verbindung mit dem Herrn des Lebens. Wenn Sie Ihn von ganzem Herzen darum bitten, wird er es Ihnen geben, und Sie werden ein wahrhaft Glaubender.“ In diesem Augenblick durchströmte mich etwas wie ein elektrischer Strom, vom Scheitel meines Kopfes bis zur Sohle meiner Füße, und ich wurde in einem Augenblick ein Glaubender. Genau in diesem Augenblick empfand ich die echte Freude, Anteil zu haben an dem Reichtum, den Jesus für uns bereithält. Von diesem Moment an verstand ich die Größe und Tiefe der Liebe des Herrn.
Basil Beretsos, Direktor des Außenministeriums, bezeugte öffentlich:
„Ich preise den Herrn, der Metallinos als ein Werkzeug in Seinen Händen gebrauchte, um mir zu der Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen, die mich frei gemacht hat. Dieser Bruder hielt keine Anstrengung für zu groß und zögerte nie, ungewöhnliche Methoden anzuwenden, wenn es darum ging, einen Menschen zu gewinnen und ihn auf den Weg des Heils zu führen.“
Einige frühere Mitarbeiter von Metallinos gaben ähnliche öffentliche Zeugnisse.
Voller Begeisterung über seinen Erfolg beschloß Metallinos, jede sich bietende Gelegenheit wahrzunehmen. Er nannte die neue geistliche Bewegung: „Regierungsangestellte untersuchen die Gültigkeit des christlichen Glaubens“. Gleichzeitig traf er Vorbereitungen für eine Reihe von Vorträgen in öffentlichen Sälen, die sich hauptsächlich mit der Verteidigung des christlichen Glaubens beschäftigten. Mit diesem Vorträgen versuchte er immer, die geistige Führungsschicht, die eine höhere Bildung besaß, zu erreichen. Und er hatte Erfolg. Vorträge über Themen wie „Durch die Wissenschaft zu Gott“, „Die Stellung der heutigen Wissenschaft zur Person Jesu Christi“, „Vom Wesen der Seele“ und ähnliche Themen weckten das Interesse vieler Gebildeter.
Der damalige Finanzminister Papathanis wies alle ihm unterstellten Beamten an, sich mit diesen Vorträgen von Metallinos zu beschäftigen, „weil diese dazu dienen, den Bildungsstand der Staatsbeamten zu heben“. Und Loberdos, ein anderes Kabinettsmitglied, der noch mehr von dieser Arbeit unter den Regierungsbeamten begeistert war, meinte, sie habe eine Heilswirkung für das ganze Land.
Da alles so gut zu laufen schien, ging Metallinos einen weiteren Schritt vorwärts. Als Vertreter des Klubs unterbreitete er der Regierung die Bitte, das frühere Parlamentsgebäude für öffentliche Vorträge benutzen zu dürfen, zu denen der Eintritt völlig frei sein sollte. Die Bewilligung wurde unverzüglich erteilt. Etwa drei Jahre lang vom Herbst 1935 bis zum Sommer 1938 kamen jede Woche zweimal große Scharen zusammen, um von der Rednertribüne des früheren griechischen Parlaments die Wahrheiten zu hören, die die Erlösung durch Christus betrafen.
Später, während der heldenhaften Kämpfe des griechischen Volkes gegen das faschistische Italien, wurde Metallinos am Radio Athens Redezeit eingeräumt, um durch seine Ansprachen die Moral der Zivilbevölkerung zu stärken. Zur gleichen Zeit druckte das Amt für Öffentlichkeit der Regierung kostenlose Flugschriften von Metallinos, die an Tausende von Soldaten an der Front verteilt wurden.
Der Klub der Regierungsangestellten war das ideale Mittel, um die klare, seelenrettende Wahrheit des Evangeliums über das Radio allen Schichten der Bevölkerung zu senden und alle Ereignisse im Leben der Nation anzusprechen. Sophronopoulos, der frühere Finanzminister, sagte treffend: „Metallinos war das Werkzeug, das Gott gebrauchte, um Griechenland in seiner Zeit der Not zu helfen.“
Lycurgusstraße 18
Die ganze geistliche Bewegung nahm eine völlig neue Form an und empfing ein neues Leben, als die Gemeinde aus dem Haus von Metallinos in der Orpheusstraße 24 in ihr erstes eigenes Gotteshaus umzog, ein Gemeindehaus von ansehnlicher Größe in der Lycurgusstraße 18. Dies geschah am 7. Februar 1939. Der neue Saal besaß ungefähr 300 Sitzplätze. Trotz des Nachteils, daß das Gebäude an einer Terrasse lag – 72 Stufen von der Straße aus – war die Gemeinde ganz gewiß, daß der Herr sie dorthin geführt hatte.
Um die Öffentlichkeit von diesem kleinen Ort in Kenntnis zu setzen, verlegte Metallinos seine Vorträge von dem alten Parlamentsgebäude nach Lycurgusstraße 18 und vermehrte zur gleichen Zeit die Zahl der wöchentlichen Veranstaltungen der Gemeinde auf fünf. Auf diese Weise wurde das Gesamtprogramm verbreitert und bereichert. Neben den volkstümlichen Vorträgen zur Verteidigung des Glaubens gab es auch evangelistische Predigten, Ansprachen zur Vertiefung des Glaubenslebens und Gebetsstunden
Im Oktober 1940 wurde Griechenland der Krieg erklärt. Im April des folgenden Jahres drangen die feindlichen Truppen in das Land ein, um die Herrschaft zu übernehmen, zu töten und zu verwüsten. Die Bevölkerung war entsetzt. Die Folge dieser dramatischen und tragischen Entwicklung der Ereignisse bestand darin, daß jeder Schutz und Gnade bei Gott suchte.
Diese Umstände schufen für die verstörte Bevölkerung eine günstige Zeit, um die tröstende Botschaft des Evangeliums zu hören. Metallinos, dessen machtvolles Wort durch seine bewegende Redeweise verstärkt wurde, fing an, von der Kanzel aus Gottes Unzufriedenheit mit dem Wandel der Menschen und ihrem aufrührerischen Verhalten zu verkündigen. Sein Lieblingstext in jener Zeit stand in Jesaja 1,3: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht.“
Dennoch lädt Gott jene, die sich gegen Ihn aufgelehnt haben, ein, sich wieder versöhnen zu lassen. Er will ihnen entgegenkommen, ihre Vergangenheit übersehen und ihnen völlig vergeben. „So kommt denn und laßt uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden“ (Jesaja 1,18).
„Gott sendet den Nationen und Völkern der Erde Gericht. Laßt uns für unsere bösen Taten Buße tun, damit wir dem Zorn Gottes entfliehen, wie ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerissen wird“, predigte Metallinos. Die Zuhörer nahmen die Botschaft wie eine kostbare, heilende Salbe an. Tag für Tag waren die Räume in Lycugusstraße 18 brechend voll. Die Menge besetzte die Treppe und die Dachterrasse des Gebäudes. Einige drängten sich unter die Kanzel, fast zu des Redners. Voller Erwartung schauten sie auf zu ihm, um jedes Wort zu trinken, das von seinen Lippen strömte. Das Wort des Herrn wirkte mächtig in dieser Zeit. An jedem Sonntag begehrten Neubekehrte, in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Diejenigen, die im Glauben erkaltet waren, spürten in sich einen neuen, brennenden Eifer, während andere mit Tränen in den Augen zu Gott schrieen und Ihn um Reinigung „von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes“ baten.
Plötzlich entstand eine weitere Schwierigkeit. An einem Sonntagmorgen im Juli 1941 erschien ein italienischer Offizier mit dem amtlichen Befehl, den Saal unverzüglich zu räumen, weil eine Militäreinheit dort am gleichen Tag ihr Quartier beziehen sollte. Man ließ ihnen nur zwei Stunden, das Anwesen zu räumen.
Verwirrt und enttäuscht verließen die Leute sofort den Saal, ihre Herzen waren so leer wie der Raum, den sie gerade verlassen hatten. Als Metallinos an jenem Morgen ankam, um seine Predigt zu halten, verwunderte er sich über die Glieder seiner Gemeinde. Er sah, wie sie eilig Stühle, Bücher und Möbel auf die Straße hinabtrugen. Als er hörte, was sich ereignet hatte, schien ein Schwert seine Seele zu durchbohren. Schweren Herzens ging er die vielen Stufen zu dem Saal hinauf, gab einige Anweisungen zur richtigen Verwendung des Mobiliars und versuchte, die Glieder der Gemeinde zu trösten. „Seid nicht traurig, weil wir ausgewiesen worden sind; alles wird sich zur Ehre des Herrn erweisen, versicherte er der Gemeinde. Dann warf er einen wehmutsvollen Blick auf den Saal und ging weg. Als er die Treppe hinabging, füllten sich seine Augen mit Tränen.
Diejenigen, die an diesem Morgen zum Gottesdienst gekommen waren, hatten es nicht eilig, sich zu zerstreuen und nach Hause zu gehen. Zusammengedrängt blieben sie am Eingang des Gebäudes stehen und beobachteten, ohne ein Wort zu sagen, den italienischen Offizier mit traurigen Blicken. Sie glichen Vögeln, die zuschauen, wie eine Schlange ihr Nest zerstört.
Sie alle fragten sich, warum wohl der Herr dem Teufel gestattet habe, diese böse Tat zu vollbringen. Ihr Rätsel wurde jedoch sehr bald gelöst. Unmittelbar nach dieser Machenschaft Satans begann der Plan sichtbar zu werden, den Gott zuvor gefaßt hatte. Es sieht so aus, als ob Gottes wichtigstes Werk darin besteht, die Dinge so zu lenken, daß sogar das größte Übel benutzt werden kann, um dem persönlichen Wohl einiger der Seinen zu dienen oder dem größten Nutzen Seiner Kirche.
Die Gemeinde blieb nicht lange ohne ein Zuhause. In derselben Woche begann Metallinos, die Zeichen der Führung Gottes zu erkennen. Als offizieller Vertreter des „Klubs der Regierungsbeamten“ verfaßte er eine Bittschrift an das Büro des Premierministers, die er persönlich überreichte. Diese enthielt die Bitte, „daß Sie freundlicherweise erlauben, die Halle des Parlaments im „alten Palast“ zu benutzen, die gegenwärtig nicht gebraucht wird. Hier sollen eine Reihe von Vorträgen stattfinden, in denen den Damen und Herren der Gesellschaft Athens geistiger Zuspruch, christlicher Trost und Wegweisung vermittelt werden, was unserem Gemeinwesen und unserem Land zum Nutzen sein wird.“
Am 4. August 1941 wurde der Bittschrift stattgegeben. Unverzüglich begannen die Vorträge, die große Menschenmengen anzogen. Diese kamen aus allen Gesellschaftsschichten und Bildungsstufen. Die Bewohner eines Altersheim nahmen daran teil und der wohlhabende Geschäftsmann; der Pförtner eines Ministeriums wie der Direktor desselben; der Arzt, die ungebildete alte Frau und der Professor. Es war eine wahrhaft schillernde Zusammensetzung der Hörerschaft, die ein gemeinsames Anliegen hatte, den brennenden Wunsch, von den Lippen Kostas Metallinos‘ die seelenrettende Botschaft des Evangeliums zu hören.
Es war ganz deutlich, daß Gott in Seiner Vorsehung dafür gesorgt hatte, daß seine Botschaft von vielen unter idealen Bedingungen gehört werden konnte. Die Halle des Parlaments war geräumig und anziehend und besaß bequeme Sitze. Sie lag zentral und konnte leicht von allen Stadtteilen Athens aus erreicht werden. Da außerdem die Mehrheit der Bevölkerung wegen des Krieges arbeitslos war und ohne ihre normalen beruflichen Pflichten, verfügte sie über genügend freie Zeit, um sich geistlichen Dingen widmen zu können. Andererseits veranlaßten die ständigen Ängste und Gefahren, die der Krieg brachte, viele, sich Gott näher zuzuwenden.
Metallinos erkannte die einzigartige Gelegenheit, die diese ungewöhnlichen Umstände boten. Dreieinhalb Jahre lang predigte er dreimal wöchentlich unermüdlich von der Rednertribüne des Parlaments aus. Die Themen, ,die er wählte, umfaßten ein weites Gebiet. An einem Tag sprach er über die Seele und die Beweise für ihre Existenz, an einem anderen über Ehe und Familie. In einem Vortrag konnte er Darwins Evolutionstheorie angreifen, während er im nächsten die Lehre eines der Gleichnisse unseres Herrn zu erklären versuchte. Dann befaßte sich eine seiner Ansprachen mit den Irrtümern des Spiritismus, während er in der nächsten Gottes Heilsplan für die Menschen darlegte. Manchmal forderte er als Mathematiker und Naturwissenschaftler seine Hörer auf, zum Himmel aufzusehen und die vollkommene Harmonie der Gesetze der materiellen Welt zu bedenken, während er sie bei einer anderen Gelegenheit als Theologe zur Erde zurückbrachte und sie veranlaßte, in die geheimen Tiefen des menschlichen Herzens zu schauen.
Doch unabhängig von seinen Themen versäumte Metallinos niemals, in jeder Ansprache die Hauptwahrheiten des Evangeliums zu bringen: Gottes Liebe zu dem Sünder, die Notwendigkeit der Wiedergeburt für den Menschen, das Heil durch den persönlichen Glauben an das Erlösungswerk Christi. Wenn wir den Segen des Herrn haben wollen, dann muß das Evangelium in jeder Botschaft enthalten sein. Unsere Mission ist die Evangelisation. Jede Woche sollten wir dafür beten, daß Gott Menschen zubereitet.
Zum ersten Mal in der Geschichte der griechischen Nation wurde die Botschaft des Evangeliums in seiner ganzen Schlichtheit und Kraft von so vielen Menschen während einer so langen Zeit mit solch hervorragenden Ergebnissen gehört.
Während dieser Vorträge nahm die ganze Atmosphäre den Charakter eines geistlichen Festes an. Die Zuhörer bekamen nie genug, den vom Herrn begabten Menschenfischer zu beobachten, wie er unter der Leitung des Heiligen Geistes das Netz des Evangeliums in das Meer der Menschen um ihn herum auswarf.
Tausende hörten und verstanden den Heilsplan, und eine große Zahl neuer Glaubender, unter ihnen Professoren. Ärzte, Rechtsanwälte und hohe Regierungsbeamte, schlossen sich der Gemeinde an.
Im März 1944 hatte sich das Kriegsgeschick gewendet, und die Italiener hielten es für notwendig, Lycurgusstraße 18 zu räumen. Kurz danach fand die feindliche Besetzung Griechenlands ihr Ende, und der Parlamentssaal mußte der Regierung zurückgegeben werden. Dieser Abschnitt des Wirkens Gottes war nun zu Ende. Und so kehrte die Gemeinde in ihr altes Haus Lycurgusstraße 18 zurück. Sie kehrten zufrieden und glücklich zurück, wie Soldaten, die beladen mit der Beute eines erfolgreichen Feldzuges zurückkehren.
In den folgenden Monaten erwies sich Lycurgusstraße 18 als ein Gottesgeschenk. Hier war ein Zufluchtsort, wo Männer und Frauen, die von vielen Nöten erschöpft waren und denen fast nichts geblieben war, den Mut fanden, Loblieder zu singen und wieder zu lachen. Alle die Treuen kamen zu jedem Gottesdienst, obwohl es als Folge des Krieges keine Verkehrsmittel gab. Einige waren wegen des Nahrungsmangels zu Haut und Knochen abgemagert. Einige waren wegen des Mangels an Vitaminen aufgedunsen und kaum wiederzuerkennen. Andere kamen mit hageren Gesichtern und eingefallenen Wangen, eine Folge der Nöte, die sie während des Krieges erlitten hatten. Einige hatten sich noch nicht von den Schrecken der Belagerungen und Massenhinrichtungen erholt. Und andere litten noch unter Krankheiten, weil sie verdorbene Nahrungsmittel gegessen hatten. Sie kamen alle zu Fuß, einige mit Krücken, andere schwer auf Stöcke gestützt. Andere mußten sich an die Hauswände lehnen, um Kraft zu gewinnen. Und wenn sie nach mühsamen und anstrengenden Wegen Lycurgusstraße 18 erreicht hatten, mußten sie noch die 72 Stufen zum Dach des Gebäudes bewältigen. Langsam, Schritt für Schritt nahmen sie eine Stufe nach der anderen, getrieben von dem Verlangen, den Saal auf dem Dach zu erreichen, damit ihre Seele durch eine süße, geistliche Erquickung gesegnet würde. Sie waren gewiß, daß Gott diese über sie ausgießen würde, besonders während ihrer Gebetsstunden und bei der Teilnahme am Mahl des Herrn.
Metallinos als Schriftsteller
Eine andere Weise, auf die Metallinos seinen evangelistischen Dienst versah, bestand in dem Gebrauch des gedruckten Wortes. Leider fiel ihm das Schreiben für Veröffentlichungen nicht leicht. Er war ein lebhafter Redner, aber eher ein langsamer Schreiber. Oft benötigte er Stunden tiefer geistiger Konzentration, um den Stoff für eine Seite zu schaffen, bis sie ihm als druckreif erschien. Tatsächlich konnte er manchmal nach vielen arbeitsreichen Stunden, in denen er nichts zuwege brachte, von seinem Stuhl aufstehen und erklären, er sei heute nicht fähig, einen gescheiten Gedanken hervorzubringen. Oft neckten ihn seine Freunde, weil seine „Untersuchung des Römerbriefes“ nur so langsam vorwärtskam. Um die Tiefe der Themen, über die er schrieb, deutlich zu machen, pflegte er zu antworten: „Ein Kaninchen bringt seine Jungen in drei Monaten zur Welt, ein Elefant braucht dafür zwei Jahre.
Er gab sich große Mühe, seine Gedanken so deutlich niederzuschreiben, daß jeder sie leicht verstehen kann. Um darin sicher zu sein, ging er mit einigen seiner Freunde das Geschriebene durch und besprach sich mit ihnen über schwierige Abschnitte. Einige seiner Manuskripte pflegte er sogar der Hausangestellten vorzulegen, einem Mädchen, das nur die Grundschule besucht hatte. Er pflegte sie dann zu bitten, ihm zu sagen, was sie darin nicht verstanden habe.
Ehe Metallinos anfing, die Feder in die Hand zu nehmen und zu schreiben, pflegte er immer zuerst zu beten. Er bat Christus, ihn so zu erleuchten, daß sein Schreiben so wirkungsvoll würde „wie der kleine Stein Davids“.
Für den christlichen Autor sollte sein Hauptziel nicht darin bestehen, in sich zu schauen und dort Wahrheiten zu finden, und den besten Weg zu suchen, diese zu entfalten. Er sollte vielmehr danach trachten, vom Himmel her zu hören, so daß das, was er schreibt, von Christus eingegeben ist. Diese Frage nach dem Quellgrund, nach dem wahren Ursprung unseres Schreibens, ist von höchster Bedeutung. Wo stammen die Worte wirklich her, die wir weitergeben wollen? Kommen sie lediglich aus uns selbst, werden sie keine Frucht tragen. Kommen sie aber von Christus, dann werden sie in den Herzen der Menschen Wurzeln schlagen und Frucht bringen, weil sie der Heilige Geist bestätigen wird. Es hängt also von der inneren Einstellung des christlichen Schreibers ab. Der wahre Gläubige muß beim Schreiben ständig und ernsthaft Christus anflehen, daß Er ihm Einsicht gibt in Seine „Schätze der Weisheit und Erkenntnis“, damit alles, was er schreibt, zu seiner Ehre und zur Ehre Gottes geschieht.
Alle schriftlichen Arbeiten von Metallinos tragen ihre bestimmte Eigenart. Sowohl die Gedanken, die er darlegt, als auch der Stil, in dem er schreibt, spiegeln etwas von seiner Persönlichkeit wieder. Niemals folgt er in seinen Schriften allgemeingültigen Regeln und den Maßstäben fester literarischer Formen. Freimütig schmückt er seine Sätze aus und folgt seinen eigenen Einfällen, um an den Wahrheiten festzuhalten, die er weitergeben will. Die Wahrheiten, mit denen er sich an den Verstand wendet, formuliert er sorgfältig und mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Er kleidet sie in ein schönes, kraftvolles, gelehrtes Griechisch. Wendet er sich aber an das Herz, benutzt er das vom einfachen Volk gesprochene Griechisch und einen ernsten, ausdrucksvollen Stil, der stark vom Gefühl bestimmt ist. In welchem Stil er jedoch auch schreibt und welches Thema er auch immer entfaltet, stets wird in allem, was er schreibt, seine ungewöhnliche Begabung deutlich, schwierige Dinge einfach auszudrücken und ihren Sinn ausführlich und umfassend darzulegen.
Das Werk Christi (1922) ist die Übersetzung eines Buches von Frédéric Godet aus dem Französischen.
Die Französische Akademie der Wissenschaft und ihre Einstellung zu Religion und Wissenschaft (1932) heißt der Titel eines von Metallinos ins Griechische übersetzten Buches, das Ansichten von Mitgliedern der Französischen Akademie wiedergibt.
Das Problem der Bibel (1933) verteidigt die Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift. Es ist besonders für Laien geschrieben. In dieser Studie, die auch in zweiter Auflage erschien, entwickelt Metallinos zum ersten Mal seine Gedanken über die Bibel, wie Gott Sich den Menschen mitteilt und an ihnen handelt. Dann behandelt er sein Hauptthema: den Nachweis des göttlichen Ursprungs der Bibel.
Mehrere Jahre lang hatte sich Metallinos Aufzeichnungen über den prophetischen Abschnitt in Daniel 9,25 27 gemacht, der sich auf die Zeit des ersten Kommens Christi bezieht. Eine erstaunliche Weissagung über Christus (1945) handelt von diesem wahrhaft prophetischen Abschnitt und weist auf, wie er sich se ich genau erfüllt hat. Es handelt sich um eine Verteidigungsschrift, die die Vertrauenswürdigkeit und die Autorität des prophetischen Wortes deutlich herausstellt.
Eine Untersuchung über den Beichtstuhl und die Vergebung der Sünden (1949) trägt einen ganz lehrhaften Charakter.
Nun kommen wir zu dem Werk, an das Metallinos sein Herz gehängt hat, von dem er geträumt, für das er gebetet hat, seine Untersuchung des Römerbriefs (1949).
Er plante ihre Veröffentlichung in sechs Bänden, die, wie er betonte, „das Ergebnis seines 40jährigen Studierens und Mühens“ enthalten sollten. Es war ein umfassend geplantes Projekt, das nie vollendet wurde. Metallinos konnte nur den ersten von sechs Bänden vollenden, dann wurde er dem irdischen Leben entrissen.
Die sogenannten „wissenschaftlichen“ Ergebnisse der Ungläubigen sind nicht die einzigen Faktoren, die zur Zerstörung des Glaubens und der Hoffnung der Christen führen. Ebenso zerstörend wirken die dogmatischen Abwegigkeiten jener, die zwar die Bibel lesen, aber durch ihre eigenen vorgefaßten Meinungen und Vorurteile verblendet sind. Das stellte Metallinos in seinem Buch Der Streit um die Seele heraus.
Obwohl er zuerst beabsichtigt hatte, in diesem Buch „den Irrtum der Zeugen Jehovas zu widerlegen, die die völlige Bewußtlosigkeit der Seele nach dem Tode lehren“, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, in dieses Buch eines seiner Lieblingsthemen einzuarbeiten: die Existenz, das Wesen und der göttliche Ursprung der menschlichen Seele.
Ein Beitrag, der unter den Schriften von Metallinos überrascht, ist seine Darstellung einer eigenen Methode, das Studium der Hebräischen Sprache zu vereinfachen. Diese neue Methode bot er zuerst als deutsches Buch dar: Neue und leichte Methode der Hebräischen Sprache (1962).
Metallinos schrieb diese Grammatik hauptsächlich für diejenigen, die den Text des Alten Testaments in seiner hebräischen Grundsprache studieren wollten. Sie trug die Widmung: „Meinem Herrn und Heiland, Jesus dem Messias“.
Eine weitere erstaunliche Entwicklung in seiner schriftstellerischen Laufbahn, diesmal in einem völlig anderen Bereich, bestand darin, daß er eine Erzählung schrieb, die er Claudia (1954) nannte. Hier wollte Metallinos seine Fähigkeiten auf dem Feld der reinen Dichtung erproben.
Ein weiterer Bereich der schriftstellerischen Tätigkeit von Metallinos begegnet uns in Beiträgen über verschiedene Themen, die als Fortsetzungsreihen in christlichen Zeitschriften erschienen.
Metallinos als Dichter und Verfasser geistlicher Lieder
Metallinos liebte die Dichtkunst. Aus einer Sammlung seiner Gedichte wird deutlich, daß er über eine beachtliche Begabung verfügte, Verse zu schreiben. Er war, noch sehr jung, als er begann, seine ersten Gedichte zu verfassen. Obwohl diese sich nicht durch eine besondere rhythmische Vollkommenheit auszeichneten oder literarisch überragend waren, offenbarten sie doch seine Gabe poetischer Vorstellungskraft und zeigten eine reiche Ausdrucksfähigkeit. Seine ersten Verse waren durch eine romantische Grundstimmung mit einer melancholischen Unterströmung gekennzeichnet. Darin offenbarte sich die innere Tiefe und die empfindliche Seele eines jungen Menschen Das folgende Gedicht gehört zu seinen ersten und ist von einer bedrückenden Traurigkeit geprägt. Er nannte es:
„Für die Blumen auf meinem Schreibtisch“.
Oh ihr lächelnden, lieblichen kleinen Blumen,
Wie lange soll meine Seele fortfahren,
Von eurem süßen Duft vergiftet zu werden?
Wie lange werde ich mich an eurem Honig laben können,
Wie die Biene, die saugend immer Abstand hält?
Nur für kurze Zeit welch ein Jammer
Denn euer Leben gleicht dem der Menschen;
Auch euch wirft der gnadenlose Tod zu Boden,
Und dann spendet ihr keinen Honig mehr
Sondern ihr zerstiebt wie die Asche des Räuchwerks,
Wie alles, was dahinschwindet, wie alles, was stirbt.
Wie zu erwarten, war es Metallinos unmöglich, seine Lieblingsblume, das Veilchen, in seinen Gedichten auszulassen. Diese liebliche Blume erinnerte ihn an die sorglosen Jahre seiner Kindheit und das Glück, das er auf seinem Schulweg empfand. Er verstand das Veilchen als ein Gleichnis für die Demut und erinnerte sich an ein Wort der Schrift, in dem es heißt, daß „wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden“. So schrieb er dieses Gedicht.
Demut
Scheu hinter dem Zaun hervorschauend, sich den Blicken wie ein Vagabund entziehend, So verbirgt sich das Veilchen vor den Vorübergehenden, Verbirgt seine Schönheit und seinen lieblichen Duft. Doch plötzlich tritt es in den Blick, Und seine Pracht ist zu sehen. Es findet sich im Palast auf des Königs Tafel. Und es schmückt die Brust der Königin. Lerne, mein Freund, deine Lektion vom Veilchen: Wahre Demut kleide dich, Immer bedecke sie deine göttliche Seele Solche Haltung wird dich stark machen. Dann wird eines Tages die Hand eines Engels Gottes Dich sanft aus dem Leben pflücken, Und du wirst im Himmel allezeit anbeten den Herrn, Deinen Heiland befreit von den Mühen der Erde
Um einen jungen Seeoffizier mittleren Grades zu necken, der gerade zum Glauben gekommen war und mehr streitbaren Eifer zeigte als reife Urteilskraft, wenn er sich bemühte, die Richtigkeit seiner Ansichten aus der Bibel zu begründen, schrieb Metallinos diese Zeilen:
Basil Tsoulouhopoulos
Todfeind des Materialismus! Kritiker und Verkläger der Priester! Der jeglichen Irrtum völlig vernichtet, Der selbst alle falsche Lehre verbrennt Mit dem heiligen teuer göttlicher Aussprüche! In Wirklichkeit jedoch nur ein Seeoffizier mittleren Grades.
Doch in seiner weisen Vorsehung hat Gott Metallinos diese dichterische Gabe nicht so sehr dazu gegeben, um mit seinen Versen die Natur zu preisen oder Menschen zu necken, sondern um die Bedürfnisse der Glaubenden zu befriedigen und das Wirken der Gemeinde fördern. Die junge Gemeinde mußte singen. „Loblieder reinigen die Atmosphäre der Gemeinde von allen Bazillen und jeglichem Schmutz Satans“, pflegte Metallinos zu sagen. Und so fuhr er fort, von seinem Talent Gebrauch zu machen, und Singweisen aus dem Englischen und anderen Sprachen griechische Worte zu verleihen. Er lernte die Melodien mit dem Ohr und schuf dazu geistliche Gedichte. Ihr erstes Gesangbuch bestand nur aus einem zwölfseitigen, handgeschriebenen Heft, aber seine Lieder fanden Zustimmung und Begeisterung. Diese unvergessenen Loblieder haben immer wieder die Herzen der Erlösten entfacht und sie zu neuen Höhen christlichen Erlebens geführt. Die Beiträge von Metallinos zu den drei gedruckten Ausgaben von 1936, 1947 und 1961 wurden noch zahlreicher und waren sehr geschätzt.
9. DAS HIRTENAMT
Sein Dienstamt an der Ortsgemeinde versah Metallinos mit Güte, Liebe und Hingabe – ein Hirte der aufrichtig für das Wohlergehen jeder Seele in seiner Herde sorgte. Als er, wie es seine Gewohnheit war, an einem Frühlingsmorgen nach einer Zeit des Betens in seinem Garten auf und ab ging, fiel sein Auge auf eine wunderschöne Rose. Irgendetwas schien ihn innerlich zu bewegen. Er näherte sich der Rose, bewunderte sie still, dann nahm er sie vorsichtig in seine Hand, beugte sich über sie und küßte sie. Mit diesem bewegenden Geschehen läßt sich die tiefe Anteilnahme vergleichen, die er jenen Seelen erwies, die der Herr ihm anvertraut hatte, und auch jene liebevolle Fürsorge, die er an ihnen ausübte. „Als ein Glied am Leibe Christi, der Gemeinde,“ so schrieb er einmal, „richtet sich mein ganzes Trachten auf den Leib. Mit ganzer Aufrichtigkeit und tiefer Hingabe möchte ich in der Gemeinde und für sie wirken.“ O Herr, gib mir die Leidenschaft zu helfen, zu dienen und Deine Kinder zu trösten.“
Der Herr gewährte ihm diese Bitte. In seiner Gebetsliste, die einige Notizbücher füllte, befinden sich die Namen von über 500 Personen. Neben jedem Namen stand ein besonderes Anliegen, und jedes Anliegen machte er zum Gegenstand einer besonderen Fürbitte. Er mußte für Georg beten, der sich in den Stricken der Versuchung verwickelt hatte, für Helene, die seit wer weiß wie langer Zeit ans Bett gefesselt war, für Basil, der in einem abgelegenen Dorf für die Sache Christi leiden mußte. Die persönlichen Probleme jedes Einzelnen standen in seinem Notizbuch und in seinem hingebungsvollem Hirtenherzen.
Niemals verhielt er sich gleichgültig gegenüber den Bedürfnissen „einer dieser Geringsten“. So konnte er zum Beispiel während seines Betens um geistliche und heilige Anliegen plötzlich sein Herz ausschütten, um für die Aufbesserung der Rente einer armen Witwe zu beten oder für die Aufnahme eines leidenden Bruders in ein Krankenhaus.
Mit besonderer Hingabe betete er für alle, die besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung und Förderung der Gemeindearbeit trugen die Ältesten, die Lehrer des Wortes, die schriftliche Arbeiten erledigten, die Glieder des Chores und überhaupt die verschiedenen Arbeitszweige der Gemeinde und alle, die in irgendeiner Weise der Gemeinde dienten. Der letzte auf seiner Liste, der letzte, für den er betete, war er, Metallinos, selbst: „Herr, mache etwas aus mir. Bereite mich zu, damit ich als brauchbarer und treuer Diener erfunden werde. Hilf mir, daß ich wie eine jener klugen Jungfrauen in dem Gleichnis werde und so das Vorrecht empfange, Dein Angesicht zu schauen und allezeit Dein Lob zu singen.“
Doch er beschränkte sich nicht darauf, nur für die Bedürfnisse der Kinder Gottes zu beten. Es wurde ebenso an seinem Handeln deutlich. So pflegte er zum Beispiel in jedem Monat einen Teil seines Gehaltes beiseite zu legen, um es an Arme zu verteilen, die sich in besonderer Not befanden. Er pflegte das Geld in ein Stück Papier zu wickeln, auf dem der Name des Empfängers stand, und fand dann eine Gelegenheit, es in dessen Tasche zu stecken und ihm leise zuzuflüstern: „Hier ist etwas, das Jesus Christus dir geben möchte. Nimm es.“ Durch sein hohes Regierungsamt war es ihm möglich, vielen auf mancherlei Weise zu helfen und für mancherlei Bedürfnisse zu sorgen. Da er ein ziemlich hohes öffentliches Amt bekleidete, machte er manchmal von seiner Dienstbezeichnung Gebrauch. Dann wiederum nutzte er seine Beziehungen, um Arbeitslosen eine Stellung zu vermitteln, um alten Menschen zu ihrer Rente zu verhelfen, um Mittel für einen Kuraufenthalt zu erlangen. Oder er setzte sich für einen Angestellten ein, dem man die verdiente Beförderung verweigert hatte. Den Montag hielt er sich frei für Gespräche, im Gemeindebüro mit den Gliedern seiner Gemeinde, die irgendwelche persönlichen Gespräche hatten. Dort verbrachte er viele Stunden, in denen er zuhörte, ermutigte tröstete. Doch obwohl die Schar der Gläubigen in vielen Bereichen ihres Lebens durch ihren Hirten hingebungsvoll betreut wurden, hatte sie mit manchen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen.
Als besonders ernst erwies sich der etwas ungeordnete Zustand der wachsenden Gemeinde. Natürlich wußte man, daß die organisatorische Struktur der Gemeinde auf allgemein gültigen Grundsätzen der Führung beruhte. Diese Grundsätze mußten jedoch auf diejenigen Personen angewendet und, wenn nötig, durchgesetzt werden, die solche Führungsverantwortung wahrnahmen. Diese Ausübung der Autorität zur rechten Zeit dient dazu, „den Frieden und das Wohlergehen“ der ganzen Gruppe zu bewahren. Hier ergab sich für diese Gemeinde eine Schwierigkeit. Entstanden irgendwelche Nöte, empfand jeder, daß es die Aufgabe des Pastors sei, als erster etwas zu unternehmen. Doch Metallinos scheute sich, sich einzumischen und Autorität auszuüben. Selten zeigte er die Bereitschaft, Brüder in Zucht zu nehmen, die den geraden und schmalen Weg verließen oder sich in ihrem christlichen Wandel ernste Fehltritte zu Schulden kommen ließen, es sei denn, andere bestanden darauf, daß er sich darum kümmere. Ebenso pflegte er nicht die Initiative zu ergreifen und sich vermittelnd einzuschalten, wenn es heftige Mißverständnisse gab oder ein überzogener Standpunkt zu Parteiungen in der Gemeinde führte, so daß sie schließlich völlig aus der Hand glitt.
Ohne Zweifel rief die Neigung ihres Hirten, sich in solche Angelegenheiten nicht einzumischen, bei den Gemeindegliedern beträchtliche Enttäuschung und Besorgnis hervor. Als noch notvoller erwies es sich, daß er gewöhnlich zu schnell nachgab, wenn sich gegen einen seiner Anregungen und Vorschläge von seiten einiger lautstarker und herausfordernder Brüder Widerspruch erhob. Ohne Zweifel, so sicher er von der Richtigkeit seiner Anschauung in einer bestimmten Angelegenheit überzeugt war, er hielt daran nur bis zu einem gewissen Punkt fest, um dann in der Regel den Kampf „um des lieben Frieden willens“ aufzugeben. In weniger wichtigen Gemeindeangelegenheiten schadete diese von ihm geübte wohlwollende, zurückhaltende, nachgebende Art nicht so sehr. Aber ging es um wichtige Entscheidungen, die die ganze Gemeinde betrafen, dann rief natürlich solches Nachgeben „um des lieben Frieden willen“ in der Gemeinde sorgenvolle Gedanken hervor. Manche begannen zu fragen, ob die Gemeinde unter solchen Umständen wirklich wachsen könne. Doch trotz dieser Schwäche liebte die Gemeinde ihren Hirten. So lange er da war und ihnen durch seine bloße Anwesenheit Licht und Wärme vermittelte, bestand keine Gefahr für irgendeine ernsthafte Schwierigkeit. Sie alle erblickten in ihm einen vertrauenswürdigen, hingebungsvollen, aufrichtigen, heiligen Diener des Herrn. Wenn es sein sollte, waren sie bereit für ihn ihre Augen hinzugeben, um so ihrem geistlichen Vater ihre Dankbarkeit zu erweisen. Hatte er sie doch aufgezogen und ihnen zum Wachstum im Glauben geholfen, ohne jemals die geringste materielle Vergütung dafür zu erbitten.
Metallinos hingegen spürte die Liebe und Hingabe seiner Herde, diente ihr mit Demut, ermahnte sie mit Liebe, lehrte sie, wies sie zurecht und betete ohne Aufhören für sie und ihre Bedürfnisse oft mit Tränen in den Augen. Allzuoft lag er mit tränenreichen Bitten ganz anderer Art auf den Knien. Diese Gebete wurden durch eine geistliche Krise hervorgerufen, die die Gemeinde erlebte. Immer wieder stifteten einige Personen Unruhe unter den Gliedern und riefen solche Spannungen und Nötigungen hervor, daß Wachstum und Einheit der Gemeinde ernsthaft bedroht waren. Diese geistlichen Krisen schmerzten wie Dornen im Fleisch und bedruckten, ja zerbrachen fast die Seele des empfindsamen Hirten. Überängstlich besorgt, nur kein Mißfallen zu erregen, und entschlossen, lieber stille zu halten, als irgend jemand zu verletzen, pflegte Metallinos den bitteren Kelch ganz selbst zu trinken. Bei solchen Gelegenheiten nahm er seine Zuflucht zu dem „Gnadenthron“ und erfuhr über dem Weinen und Beten Trost und Erleuchtung. Er glich einer Mutter, die lieber selber Leiden auf sich nimmt, als daß ihr unartiges, wildes Kind, das sie so sehr liebt, die Strafe empfängt, die es verdient hat. Wann immer es darum ging, jemanden für etwas Verkehrtes verantwortlich zu machen, pflegte er immer ohne zu zögern aufzustehen und bereitwillig die Verantwortung auf sich zu nehmen. Er nahm die Verantwortung für allen Mißbrauch und alle ungerechten Anklagen auf sich, um so die Gemeinde vor allen Schuldzuweisungen zu bewahren. „Schießt weiter, Jungs“, sagte er einmal, „ich bin ein gutes Ziel, ich bin dick.“
Es ist überflüssig, zu betonen, daß unter solchen Umständen dieser Anflug von Humor in Wirklichkeit als Maske diente, die den tiefen Schmerz verbergen sollte, den er über das, was da geschah, empfand. In seinen persönlichen Aufzeichnungen begegnen wir manchen Klagen, Feststellungen, Zurückweisungen und Anklagen, die er schriftlich festgehalten hatte. Aber es ist beachtenswert, daß er es am Ende seiner Überlegungen immer wieder zuwege brachte, alles unter den Mantel der Liebe und Vergebung zu stellen. Häufig jedoch vergab er nicht nur, sondern deckte die Fehler anderer, indem er deren Schuld auf sich nahm und so sein eigener Ankläger wurde. Schauen wir, mit welch feiner christlichen Einsicht und Demut er sich einmal äußerte, um einen Streit zu schlichten, der in der Gemeinde entstanden war:
Um unserer christlichen Gemeinsamkeit willen haben diese Brüder und wir alle als Glieder eines Leibes diese Angelegenheit vor den Herrn gebracht. Wir wollen fortfahren, Ihn für sie und für uns um Erbarmen anzuflehen. In einer so ernsten Meinungsverschiedenheit wie dieser, ist es höchst unwahrscheinlich, daß wir alle richtig gehandelt haben und umsichtig gewandelt sind. Auch haben wir nicht immer und in allen Dingen die Haltung eingenommen und die Weisheit gezeigt, die unser Herr besaß. Uns ist das bewußt und wir alle haben das Gefühl tiefer Beugung.
Diese liebenswerte Gesinnung der Selbstverurteilung, jene von Gott gegebene Tugend der Bereitschaft, die Schuld auf sich zu nehmen, drückt sich in vielen Aufzeichnungen aus, die Metallinos in Augenblicken starker innerer Bewegung niederschrieb. Das geschah besonders dann, wenn er sich in heftige Kämpfe verwickelt sah. So schreibt er zum Beispiel: „Ich bin den in mich gesetzten Erwartungen nicht nachgekommen, ich habe in vielen Fällen versagt, ich bitte dich, mir zu vergeben“. Oder: „Ich möchte die Dinge wieder in Ordnung bringen auslöschen, womit immer ich dich betrübt habe.“
Obwohl es einige in der Gemeinde gab, deren Worte und Taten er wie bittere Pillen schlucken mußte, fanden sich viele, die durch ihr opferbereites Leben und durch ihren Lebenswandel das Herz des Hirten erfreuten. Das wurde besonders deutlich, als Metallinos die Gemeinde aufrief, das Anwesen in Alcibiadestraße 3 als neuen Versammlungsort zu erwerben. Im Jahre 1952 wurde es durch äußeren Druck für die Gemeinde unmöglich, weiter den Saal in Lycurgusstraße 18 für ihre Gottesdienste zu benutzen. Die Brüder mußten versuchen, an einen anderen Ort zu ziehen. Es wurde der Vorschlag gemacht, etwas Eigenes zu erwerben. Durch eine Kette wunderbarer Umstände ermöglichte es ihnen der Herr, ein geeignetes Anwesen zu finden. Der Preis für das Gebäude und das Grundstück betrug 2300 Goldpfund. Als Metallinos das Anwesen sah, entschloß er sich sofort und erklärte: „Wir kaufen es!“ Der Kassenverwalter verfügte nur über 150 Pfund. Wie sollten sie den fehlenden Betrag aufbringen? „Unser Gott ist reich und weiß, daß wir das alles für seine Ehre begehren“, lautete Metallinos‘ sofortige Antwort.
An dem Tag, als er diese große finanzielle Herausforderung von der Kanzel aus darlegte, reagierten die Brüder unvergleichlich und mit großem Eifer. Die Ärmsten zeichneten ein Darlehen oder gaben das wenige, was sie vermochten. Die Reicheren reagierten mit großzügigeren Beiträgen. Ein Mädchen, das sich kürzlich verlobt hatte, opferte ihren Verlobungsring. Eine alte Frau brachte das Geld, das sie für eine notwendige Zahnbehandlung zurückgelegt hatte. Eine alleinstehende Frau brachte ihre Ersparnisse, die für ihre Altersversorgung bestimmt waren. Eine andere Frau schenkte ihren ganzen Schmuck. Ein armer Mann brachte seine Milchziege und ihre drei Zicklein. Jeder zeigte eine solche gebefreudige Gesinnung, daß Metallinos davon sehr bewegt war und sich veranlaßt sah, in seinen privaten Aufzeichnungen dieses Gebet festzuhalten: „Ich danke Dir, Herr, daß Du mich berufen hast, solchen Brüdern zu dienen.“
Am 3. Juli 1954 bezog die Gemeinde ihr neues Gebäude.
Das Gebetsleben von Metallinos
Die Gebete von Metallinos umschlossen eine ganze Welt von Menschen, Dingen und Situationen. Er machte es sich zur Gewohnheit, seine Gebetsanliegen aufzuzeichnen und sich auf sie zu beziehen, um so sein Gedächtnis aufzufrischen und unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Die meisten Gebete, die sein persönliches geistliches Leben betrafen, stammen aus der Bibel zumeist aus den Psalmen und aus den Briefen des Paulus und werden oft wörtlich zitiert. Er besaß auch eine Sammlung von ihm selbst verfaßter Gebete, aus denen er bestimmte nach den jeweiligen geistlichen Bedürfnissen auswählte. Wir halten es nicht für verkehrt, hier eine Auswahl aus dieser Sammlung seiner persönlichen Gebete aufzunehmen. Doch wir bringen jedesmal nur Auszüge und keine vollständigen Gebete.
Gebet um innere Erneuerung
Nimm weg, o Herr, alle Hindernisse und alle Widerstände, die mich aufhalten, und schenke mir die Freiheit, die in Deinem Heiligen Geist zu finden ist. Zerreiße, o mein Herr, alle Stricke des Satans wie ein Spinnennetz. Erfülle jede Faser von mir mit neuem Leben, indem die Kraft Deiner Auferstehung mich durchdringt. Erquicke meine Seele und laß sie überfließen. Gewähre mir die Fülle Deiner Freude. Durchströme mich mit froher Ergriffenheit, damit ich Deinen heiligen Namen preise und verherrliche und rühme und erhebe, durch Jesus Christus, meinen Erlöser.
Gebet um Errettung
Erweise mir, o Herr, zur Zeit meiner Not Deine Gnade. Errette mich aus dem tiefen Schlamm, damit ich nicht versinke. Befreie mich aus den Händen derer, die mich hassen, und errette ich aus den tiefen Wassern. Dein starker Arm komme mir zu Hilfe. Strecke von oben Deine Hand aus. Befreie mich und beschütze mich vor der Menge der Dämonen, laß sie ohne Kraft sein. Rette mich, o Herr, mein Erlöser, denn die Wasser überfluten meine Seele. Ich versinke im Schlamm und finde keinen Platz, wo ich stehen kann. Laß deinen Blitzstrahl das Heer der Dämonen, die mich bedrängen, zerschmettern, erschrecke sie, bitte, mit der Stimme Deines Donners. Gürte mich mit Stärke, daß meine Feinde unter meinen Füßen zertreten werden.
Gebet um geisterfülltes Wirken
Lösche mich aus, o Vater, in den Gedanken meiner Hörer, denn allein Dein Sohn darf erhoben werden. Reiße mich aus den Herzen der Menschen, damit nur Dein Name verherrlicht wird. Mache jeden Versuch Satans zunichte, daß ich gepriesen und geehrt werde, denn Preis und Ehre gebührt allein Dir.
Gebet um Führung
O Herr, laß auf alle Bereiche meines geistlichen Lebens Dein Licht fallen, damit ich Deine Führung erlebe und erkenne, was ich tun soll. Laß mich in allen Begebenheiten dieses Tages die Zeichen Deiner Gegenwart erkennen. Laß mich meine Stellung zu Dir klar und deutlich erkennen, damit ich in Demut wandle, so wie Du mich nach Deinem Willen führst. Nimm von mir ganz Besitz und leite mich an allen Tagen meines Lebens, damit ich Dir allezeit diene, dich verherrliche und anbete Deinen heiligen Namen.
Gebet um Frieden in den Gemeinden
O Herr, Gott des Friedens, laß die Glieder Deines Leibes immer im Frieden miteinander leben, daß sie eines Sinnes in Christus Jesus sind. Zerstöre die Macht Satans und zertritt ihn unter den Füßen Deiner Heiligen. Laß Zwietracht, üble Nachrede, Parteiungen und Uneinigkeit unter Deinen Heiligen ein Ende finden. Öffne ihnen die Augen, damit sie ihren wahren Zustand erkennen. Fülle sie mit Eifer, Deinen Namen zu verherrlichen. Erfülle alle Deine Heiligen mit Kraft, mit Glauben und mit geistlichem Verständnis. Öffne, ihnen die Augen, damit sie erkennen, daß die Gemeinden Liebe und Frieden brauchen. Dann können sie siegreich vorwärtsschreiten, als ein Leib, der mit dem Haupt verbunden ist, und jubelnd die Wahrheit bezeugen, die in Christus ist.
Gebet um persönliche Erbauung
O mein gepriesener Erlöser, laß mich allen Listen Satans widerstehen, damit ich in jedem Augenblick unter der Führung Deines Heiligen Geistes wandle und die unaussprechliche und herrliche Freude eines geisterfüllten Lebens erfahre. Gib mir die unaussprechliche Gnade, so zu leben, daß jeder Schritt und jeder Atemzug das Leben des Heiligen Geistes bezeugt, der durch mich wirkt. Es ist meine Bitte, daß ich mich eines Lebens voll süßen Friedens erfreuen kann und voll himmlischer Freude im Glanz der Ewigkeit. Zerstöre, o Herr, jede fleischliche Gesinnung und jedes unheilige Begehren, damit Deine kostbare Gabe an mich, das Leben im Geist, weder verdunkelt noch ausgelöscht wird. Hauche mich an, damit alle Ruhelosigkeit aus meinem Herzen verschwindet wie die Wolke am Morgen.
Laß mich im Heiligen Geist und mit völlig reinem Herzen so auf meine Schwestern und Brüder schauen wie auf Dich. Laß Deine Gedanken, Deine Worte, Deine Wege sich tief einprägen in meinem Herzen.
Gib mir, Herr, solch brennende Leidenschaft, daß jede Botschaft, in der ich Deinen heiligen Namen verkündige, reich gesegnet wird. Mache mich begierig und eifrig, Deinen Kindern zu helfen, Ihnen zu dienen, sie zu trösten. Laß mich als Dein guter und treuer Diener erfunden werden.
Metallinos meinte, das Gebet sei für die Seele das, was das Atmen für den Leib ist. Je häufiger ein Christ betet, umso stärker drückt er damit seine Zuneigung zu seinem Herrn aus, und das erfreut Ihn sehr Gott gibt uns Verstandeskraft und sagt zu uns: „Ich bin die einzige Quelle deines Glücks und deiner Freude. Erkennst du, wie arm und bedürftig du bist? Gestehst du deine Fehler ein? Bete stets zu mir, dann werde Ich dich aus dem Warenhaus Meiner himmlischen Güter mit allem versorgen, was du brauchst.“ Der Herr ermutigt uns, alles, was wir nötig haben, von Ihm zu erwarten, die großen Dinge wie die kleinen, denn in Seinen Augen ist nichts zu groß und nichts zu klein
Halte an, den Herrn darum anzurufen, daß Er Eifer und Verlangen in dein Beten legt, sowohl in die Bitten, die dich persönlich betreffen, als auch in die, die sich auf Sein Reich beziehen.
Die Predigt des Wortes
Unter der vielseitigen geistlichen Tätigkeit von Metallinos nahm das Predigen ohne Zweifel den ersten Platz ein. Doch wenn ein Prediger das Wort Gottes wirkungsvoll verkündigen will, muß er ständig unter der unmittelbaren Leitung des Heiligen Geistes stehen wenn nicht, macht er nur Worte. Metallinos wußte das. Darum machte er es zu seiner Gewohnheit, erst dann die Kanzel zu betreten, wenn er sich vorher durch brennendes, anhaltendes Beten in die richtige geistliche „Form“ gebracht hatte. Dabei pflegte er drei wesentliche Bitten auszusprechen: Daß der Geist Gottes ihn reinige von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes; daß der Herr ihn vor den Augen der Hörer verberge, damit nur Christus gesehen und verherrlicht wird; und daß Gott ihm eine reiche und fruchtbare Predigt schenke, damit die Bedürfnisse der Menschen durch ihn gestillt würden.
Bei seiner Vorliebe für originelle Aussprüche und seiner Begabung für ungewöhnliche Aussagen pflegte Metallinos gelegentlich die Vorbereitung einer Predigt als das „Kochen“ und das Halten derselben als das „Servieren“ zu bezeichnen. Die Hörer bezeichnete er als „Feinschmecker“ („herzhafte Esser“ wäre eine bessere Wiedergabe des griechischen Ausdrucks), weil sie nach immer mehr geistlicher Speise verlangten. Doch er achtete sorgfältig darauf, ihnen niemals zu viel auf einmal vorzusetzen. „Ich ziehe es vor“, pflegte er zu sagen, „daß meine Zuhörer hungrig nach mehr weggehen, als mit einem überfüllten Magen, der Beschwerden bereitet, weil man sich übergessen hat. Es ist besser, sie verlassen die Gemeinde und klagen, daß ich zu früh aufgehört habe, als daß sie verstimmt sind, weil ich zu lange gemacht habe. In Wirklichkeit natürlich hörte Metallinos nie Klagen darüber, daß er zu lange reden würde. Seine Botschaften waren immer so interessant und anregend, daß seine Hörer ihm gerne stundenlang zugehört hätten, ohne sich im geringsten ermüdet zu fühlen.
Wenn er die Kanzel betrat, hatte er gewöhnlich die Bibel, ein Neues Testament in der griechischen Grundsprache und ein Gesangbuch bei sich. Er pflegte seinen Platz hinter der Kanzel einzunehmen und seine Zuhörer in Erwartung einer ersten Eingebung einige Augenblicke still anzuschauen. Fing er endlich an zu sprechen, schienen die Zuhörer lebendig zu werden. Seine kraftvolle Stimme, voll Spannung und Wärme, beherrschte die Anwesenden und weckte ihre Aufmerksamkeit. Die Worte kamen klar, packend, kraftvoll und fließend aus seinem Munde. Verstärkt durch eine angemessene, ausdrucksvolle Gestik wurden seine Worte zum Träger einer bewegenden und überzeugenden Verkündigung der Wahrheit.
Niemals las er seine Predigten ab. Er nahm nur wenige Notizen mit auf die Kanzel, eine Abfolge der wichtigsten Punkte, das übrige überließ er der Führung durch den Heiligen Geist. Deshalb überrascht es nicht, daß es ihm zur Gewohnheit geworden war, diese Bitte in sein Eingangsgebet einzuschließen: „Gib mir, Herr, heilige Gedanken. Laß das Gesagte Dein Wort sein, nicht Menschenwort, Worte des Heiligen Geistes, nicht des Fleisches.“
Metallinos brachte einige grundsätzliche Neuerungen in die Verkündigung des Evangeliums und in die Predigtweise überhaupt. Das eine war seine Gliederung der Botschaft in drei getrennte Teile. Der erste Teil sollte ermuntern und trösten. Einige Verse aus den Psalmen oder Propheten gaben den bewegten und bewegenden Prediger eine Fülle von Stoff, der dazu diente, die Kleingläubigen zu stärken und die Angefochtenen zu trösten. Manchmal brachte er im ersten Teil seiner Predigt einige geistreiche, praktische Illustrationen, um damit die Anschauungen der Ungläubigen lächerlich zu machen. Hier ein Beispiel:
Jeden Abend frage ich meine Frau: „Hast du die Türen abgeschlossen, Alcmene; und hast du sie gut verriegelt?“ Warum verriegeln und verschließen wir unsere Türen so sorgfältig? Wollen wir uns vor Bären oder vor Löwen schützen? Nein! Wir schützen uns vor den Menschen des 20. Jahrhunderts, vor den Menschen, die ohne Gott leben, die aus unserer Welt einen richtigen Dschungel gemacht haben. Leider! Leider! Mensch! Das ist Gottes größtes Problem!
Einmal stellte der die hohle, heuchlerische Frömmigkeit mancher Geschäftsleute unserer Tage heraus, indem er die folgende Geschichte erzählte:
Eines Tages traf ich einen befreundeten Geschäftsmann und fragte ihn, wie die Geschäfte gingen. „Es läuft wirklich gut, Gott sei Dank!“, sagte er. „Kürzlich übernahm ich den Laden meines Nachbarn, so daß sich nun meine Schaufensterfront vergrößert hat. Wissen sie, Herr Metallinos, Gott ist gut zu uns.“
Sechs Monate später traf ich denselben Mann wieder. Als ich ihn begrüßte, fragte ich ihn erneut, wie die Geschäfte gingen. „Sie fragen mich nach meinem Geschäft, Herr Metallinos“, antwortete er mit bitterer Stimme. „Nun, ich habe keins mehr. Ich hatte ernsthafte finanzielle Rückschläge und mußte den Laden schließen. Und nun reden sie mir nicht von Gott. Es gibt keinen Gott, Herr Metallinos!“
Nach diesem ersten Teil des Gottesdienstes sprach Metallinos ein Gebet und ließ die Gemeinde ein oder zwei Lieder singen. Dann ließ er den zweiten Teil seiner Predigt folgen. Dieser war gewöhnlich für die Darlegung der Botschaft des Evangeliums bestimmt. Hier nahm er die Gelegenheit wahr, die Grundwahrheiten des göttlichen Heilsplans für die Menschen zu erklären und herauszustellen: Die ewige Praeexistenz Jesu Christi; die wesenhafte Gottheit Seiner Person; Seine Menschwerdung; Sein Erlösungswerk am Kreuz; Seine leibliche Auferstehung aus den Toten; Seine zukünftige Wiederkehr zur Entrückung Seiner Gemeinde. Metallinos berührte und erklärte diese Themen immer wieder, so daß sich einige seiner Zuhörer beschwerten, weil er in jeder Ansprache immer wieder dasselbe predige. „Hör zu, mein Freund“, sagte er zu einem dieser Kritiker, „du mußt dir bewußt machen, daß eine Predigt, die sich nicht auf diese seelenrettenden Wahrheiten gründet, keine echte Evangeliumsverkündigung darstellt, sondern nur frommes Gerede ist, ohne die Kraft, sterbende Seelen zu retten.“
Ein oder zwei weitere Lieder schlossen diesen zweiten Teil des Gottesdienstes und leiteten zu einem dritten Teil der Botschaft über, die mehr lehrhafter Art war.
Die Gleichnisse Jesu, die Wunderberichte des neuen Testaments und die Geschichten aus dem Alten Testament waren die reiche Quelle, aus der er seine Wahrheiten und Illustrationen zu schöpfen pflegte. Sie dienten ihm als Bausteine, aus denen er ein wunderbares Bauwerk praktischer Unterweisung errichtete. Diese geistliche Feierstunde endete mit einem weiterem Lied und mit dem Schlußgebet. Auf diese Weise erwies sich die Verkündigung von Metallinos, in der der Trost, die Lehre des Evangeliums und die praktische Unterweisung ihre jeweils besondere Rolle spielten, als reich, beeindruckend und wirksam.
In Worten liegt Ausstrahlung und Kraft. Es gibt Menschen, die können kleine Kinder nur mit Worten zum Einschlafen bringen. Andere vermögen, durch den Gebrauch des Wortes ein ganzes Volk zu heldenhaften Taten zu entflammen. Wenn Metallinos predigte, waren seine Worte mit göttlicher Kraft erfüllt, so daß sie sich Eingang zu den geheimsten Kammern der menschlichen Seele verschafften und dort Wunder wirkten. Seine Worte glichen nicht kunstvollen Reden, die nur eines beabsichtigten, dem Ohr zu gefallen. Es waren wirkungsvolle Äußerungen, die die Kraft besaßen, Seelen zu erregen und zur Entscheidung zu führen.
Eine besondere Stärke, die Metallinos auf der Kanzel so erfolgreich sein ließ, lag in der persönlichen Art seines Predigens. Dies war das Ergebnis seiner langen und gründlichen Erfahrung in der Kunst der öffentlichen Rede. Er sprach zu dem einzelnen Zuhörer mit derselben Anteilnahme wie ein Arzt, der mit seinem Patienten spricht, oder ein Vater mit seinem Kind. Ein weiterer Wesenszug, der in seiner Predigt eine Rolle spielte, lag in jener Begabung, die wir Ausdrucksstärke nennen könnten. Er gebrauchte eine einfache Sprache, kurze Sätze und Ausdrücke, die dem einfachen Menschen vertraut waren. Dabei kleidete er seine Darbietungen über die Wahrheiten des Heilsplans Gottes in Jesus Christus in das Gewand einer Erzählung, die eine anziehende Frische besaß.
Metallinos liebte es besonders, sich an das „moderne Denken“ zu wenden – er meinte damit den gebildeten Menschen der Gegenwart. Er empfand die Verpflichtung, die Begebenheiten und Lehren der Schrift auf eine Weise darzubieten, die der geistigen Einstellung der Zeit entsprach. Dieser äußerst moderne Einstieg bedeutete eine weitere Erneuerung, die er mit seiner Predigt erreichte.
Religiöse Begriffe und Ausdrücke, die man jahrelang immer wieder verwendet hatte, sollten durch andere, modernere, ansprechendere, interessantere ersetzt werden. So wurde aus der Heiligen Schrift „das Buch“. Das Neue Testament wurde in „Gottes gute Nachricht für die Menschen“ umbenannt. Der Begriff für Beten lautete nun: „Ich habe mit Ihm gesprochen.“ Die Predigt nannte er nun „eine geistliche Rede“ oder einfach eine „Ansprache“. Die Lehren des Evangeliums, die auf Gleichnissen beruhten, die das bäuerliche Leben Palästinas im 1. Jahrhundert widerspiegeln, wurden nun in modernem Gewand dargeboten und mit Bildern aus der modernen Technik und dem Leben in der Stadt erläutert. Die Gemeinschaft des Christen mit seinem auferstandenen Herrn fand nun seine Entsprechung in einem Stecker, der ein Elektrogerät mit der Stromquelle verbindet. Den Glauben verglich er mit dem Schalter eines Radios. Solange er abgestellt ist, besitzen wir keine Verbindung mit den elektromagnetischen Wellen, die uns ständig umgeben. Doch sobald wir den Schalter des Glaubens betätigen, empfängt unsere Seele die ganze Welt der Wahrheiten und Offenbarungen, eine Welt, der wir vorher völlig fremd gegenüberstanden.
10. DAS ERNTEFELD UND DIE ARBEITER
Die Gebete von Metallinos verbanden sich mit der Kraft Gottes. Das Werk breitete sich aus und festigte sich. Bald drang dieser Dienst am Evangelium in neue Bereiche. Der Erfolg ihrer Arbeit in Athen machte der Gemeinde Mut, ihre Tätigkeit auf die Vororte auszudehnen. Dort wurden kleine Gruppen gebildet, die in Privathäusern zusammenkamen. Indem sie das Wort studierten und miteinander beteten, fanden sie den Trost und die Kraft, die sie brauchten, um die schrecklichen Belastungen der Kriegsjahre ertragen zu können. Die ersten beiden Vorposten wurden um 1943 in Neo Smyrna und Neo Ionis errichtet. Durch die missionarischen Anstrengungen der Glieder der Gemeinde Lycurgusstraße 18 vermehrten sich in den folgenden Jahren die Zahl dieser neuen Zentren.
Doch während die neuen Arbeitsfelder reif wurden für die Ernte, wurde immer deutlicher, daß es an fähigen Arbeitern fehlte. „O Herr, sende Arbeiter aus in Deinen Weinberg. Sende uns ein Heer von Mitarbeitern am Evangelium und salbe sie für ihre Aufgabe.“ Das war das tägliche Gebet von Metallinos. Er lud einige besonders fähige und besser ausgebildete Gemeindeglieder ein, besonders junge Männer und Frauen, um sie zum Bibelstudium anzuleiten. So sollten sie besser für den christlichen Dienst zubereitet werden. Auf diese Weise entstand 1945 eine zwanglose kleine Bibelschule, die später als Griechisches Bibel-Institut bekannt wurde. Im ersten Jahr waren es ungefähr zwanzig Studenten.
Der Unterricht erfolgte zumeist in der Form freier Aussprachen. In den vielen Stunden, die sie jede Woche zusammenkamen, beschäftigten sich die Studenten und ihr Lehrer mit einer Fülle von Themen. Fast über alles, was zur Sprache kam, tauschten sie sich aus. Sie sprangen von dem Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit zur Auferstehung von den Toten, um dann anschließend eine einfache Methode, Hebräisch zu lernen, vermittelt zu bekommen. Dann konnte eine Aussprache über die Irrtümer der Evolutionstheorie Darwins folgen, um schließlich mit einem Gespräch über die Grippe und ihre wirkungsvollste Bekämpfung zu enden. Während der Diskussionen pflegten die Studenten Fragen zu stellen – alle Arten von Fragen. Sie wollten über viele Dinge Bescheid wissen: Hat der Teufel wirklich Hörner und einen Schwanz? Werden wir uns im Himmel wiedererkennen? Haben Bazillen etwas mit bösen Geistern zu tun? Kommen die Priester der Orthodoxen Kirche in die Hölle?
Obwohl es noch an ausgearbeiteten Lehrplänen fehlte (erst nach ein oder zwei Jahren wurde der Unterricht vereinheitlicht und die Stoffverteilung geregelt), gelang es dem Griechischen Bibel-Institut viele begabte christliche Arbeiter zuzurüsten. Diese leisteten später unschätzbare Dienste für die Arbeit der Freikirche in Athen und für die ganze Evangelische Kirche Griechenlands. Die Lehrgabe von Metallinos trug wesentlich zu diesem Erfolg bei. Die Einfachheit und Klarheit seiner Darbietung und seine besondere Fähigkeit, Wissen zu vermitteln, machten seinen Studenten das Lernen zum Vergnügen. Er besaß eine erstaunliche Fähigkeit, neue Worte und Ausdrücke zu prägen, und seine persönliche Art machte seine Darbietungen lebendig und seine Ansichten verständlich.
Immer strebte Metallinos in seiner Theologie praktische Ziele an. Niemals trennte er in seinem persönlichen Wandel zwischen Lehre und Leben. Obwohl er in seinem Denken die Freude am reinen Theoretisieren genoß, vergaß er niemals, daß er einen heiligen Wandel zu führen hatte. Diesen Schwerpunkt behielt er auch bei seiner Lehrtätigkeit bei. Obwohl es ihm große Freude bereitete, theoretische Themen wie „Der Glaube philosophisch betrachtet“ oder „Der Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Gnade“ zu behandeln, hörte er nicht auf, ebenso den praktischen Gesichtspunkt des christlichen Lebens zu betonen.
„Liebet eure Feinde“, das ist die höchste Vollendung. Die zu lieben, die euch lieben, bedeutet wenig oder nichts, das tun die Diebe auch. „Liebt diejenigen, die eurer Liebe nicht wert sind. Wenn ihr das nicht tut, seid ihr nicht besser als die Zöllner und Sünder.“ Die zu lieben, die euch lieben, ist eine selbstverständliche Pflicht. Doch wenn ihr einen liebt, der eurer Liebe nicht wert ist, dann begebt ihr euch in den Bereich der christlichen Liebe und werdet eurem himmlischen Vater ähnlicher. Wenn wir jemand hassen und erklären, daß wir ihn nicht sehen wollen, dann findet der Satan bei uns Raum. Wo immer Menschen uns Unrecht tun, sollten wir beten: „0 Gott“ gib uns ein Herz wie Deins, so daß ich alle lieben kann.“
Ist euer Herz nicht zur Vergebung bereit, regiert euch noch euer „alter Mensch“. Wir dürfen nicht sagen: „Vor zwei oder drei Jahren hast du mir dieses oder jenes angetan“ und versuchen, Rache zu nehmen. Stattdessen sollten wir beten: „Mein Gott, sei ihm gnädig.“
Macht ihr euch über viele Dinge Sorgen, so laßt ihr letztlich zu, daß eure Kraft vergeudet wird. Wo das geschieht, verliert ihr jegliches Empfinden für geistliche Dinge. Gebt der Sorge keinen Raum. Ihr habt einen Vater im Himmel, der für euch sorgt. Denkt an die Vögel, die keine Nahrungsmittelvorräte besitzen, die weder säen noch ernten. Der Herr hört nicht auf, sie mit Nahrung zu versorgen.
Einmal ließ ich in meinem Garten einige Brotkrumen fallen; sofort stürzte sich eine Schar Vögel darauf. Wer hat sie herbeigeholt? Der Instinkt, den Gott ihnen gab, führte sie genau zu diesem Platz. Stimmt es nicht, daß Gott sich noch mehr um uns sorgt?
Ihr geht zu eurem Bruder und sagt ihm: „Du hast einen kleinen Splitter in deinem Auge, laß mich ihn entfernen.“ Doch gleichzeitig seht ihr nicht den dicken Balken in eurem Auge. Was seid ihr für Heuchler! Zieht nicht los, um andere zu verurteilen. Das tut Gott. Er ist dabei, euch zu richten. Kümmert euch um eure Angelegenheiten. Schaut in den Spiegel. Seht ihr in ihm, daß ihr ohne Flecken seid, könnt ihr hingehen und mit den Menschen reden – nicht um sie zu verdammen, sondern um ihnen im Geist der Liebe den rechten Weg zu weisen. Doch zuerst seht zu, daß der dicke Balken aus eurem Auge verschwindet. Es ist schlimm, wenn Christen in üble Nachrede verwickelt sind, das schmerzt den Herrn. Wenn ihr nicht bald mit der Nachrede aufhört, wird der Herr euch an den Ohren ziehen müssen. Gerne gebt ihr vor, ihr tut es aus Liebe, und ihr versucht, euch zu verteidigen, indem ihr sagt: „Bin ich nicht der Hüter meines Bruders?“ Wer hat euch zu Hütern bestellt? Jesus Christus und der Heilige Geist sind die Hüter eures Bruders. Anstatt eilig euren Bruder zurechtzuweisen, bekennt ihm zuerst eure Sünden, dann könnt ihr mit ihm auch über seine reden.
So unterwies Metallinos die Gläubigen nicht nur über Fragen der Lehre, damit sie mehr über Christus verstehen lernen, sondern er lehrte sie auch praktische Wahrheiten, um sie in dem Leben in Christus zu stärken.
Besonders achtete der darauf, daß diejenigen, die vorhatten in den Dienst Christi zu treten, geistlich und moralisch gut zugerüstet wurden. Er betrachtete die Mahnung des Apostels Paulus: „Das befiehl treuen Menschen an, die tüchtig sind, auch andere zu lehren“, als eine große persönliche Verantwortung. Er wollte, daß diejenigen, die an dem Evangelium dienten, fest in der Schrift gegründet waren. Ihr Wandel sollte weise und ihr Leben heilig sein. Tag für Tag betete er: „Schirme, o Herr, und beschütze Deine Diener vor falschen Anklagen des Teufels.“ Gleichzeitig vermittelte er ihnen praktische Ratschläge, die aus der Fülle eigenen Erlebens stammten.
Die Gemeinde Jesu Christi wird durch Christus gebaut und nicht durch Menschen. Das bedeutet, es ist Christus, er allein, der Menschen entzündet und beeinflußt, damit sie den Weg in die Hürde finden. Er ist es, der sie rettet und stärkt. Darum laßt uns darauf achten, daß wir immer aufschauen und beten: „Herr, führe mich zu einem Menschen, den du zubereitet hast.“ Wir dürfen nicht auf unsere Fähigkeiten vertrauen und erklären, wir würden unseren Nachbarn zu einem Christen machen. Wir sind einfach nur Werkzeuge, die Christus gebrauchen kann. Wir können Tote nicht lebendig machen. Doch das ist es gerade, was an den Nicht-Geretteten geschehen muß. Es ist Christus, der das Werk ausführen muß. Ihr müßt predigen und dann anfangen zu beten: „0 Herr, nimm einem Menschen seine Sorgen und Ängste, laß ihn hier Dein Wort hören und führe ihn zu Deinem Heil.“
Menschen, die ihr aus euch herzubringt, bleiben nicht. Nur die, die Christus herbeibringt, bleiben. Es war Christus, der den Kämmerer aus Äthiopien berief. Er sandte Philippus, um mit ihm zu reden. Es war Christus, der Paulus zur Lydia sandte. Paulus konnte nicht wissen, wie es in den Herzen der Menschen aussah. Es ist ein Fehler, wenn man, wie es einige tun, sagt: „Ich mache aus ihm einen Christen“ oder: „Ich sorge dafür, daß er seinen Sinn ändert.“ Wer so redet, scheint nicht zu wissen, wer das Bauwerk errichten muß. Wiederum mag einer klagen: „Wir sind so wenige.“ Das macht nichts. Seid ihr zu zweit? Nun, dann seid ihr viele. Haltet fest am Glauben und haltet an am Gebet. Das Leben wird zeigen, wo du stehst. „Aber er hat uns keinen Menschen in den Weg gestellt.“ Vielleicht ist noch keiner so weit. Der Herr wird einige Menschen zubereiten und sie dir zuführen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Überstürze dich nicht. Christus hat ein größeres Verlangen als wir. Unser Verlangen, die Dinge voranzutreiben, kommt aus unserem Stolz; wir wollen Zahlen sehen. „Der Herr … fügte … hinzu, die gerettet wurden.“ Nehmt ihr euch nicht in acht, und wollt ihr lediglich Aufmerksamkeit erregen, geratet ihr in ernste Schwierigkeiten.
Das heißt nicht, ihr sollt euch hinsetzen und nichts tun. Weit gefehlt! Haltet an am Gebet, bleibt abhängig von Ihm, dem Haupt der Gemeinde. Geht dort hin, wohin Er euch führt. Verteilt dort Traktate wohin er euch leitet. Doch verfallt nicht dem Fehler zu meinen, ihr seid das Haupt. Wenn wir uns nahe zu Gott halten, wird Sein Geist uns führen. Dann werden wir spüren, wohin wir gehen und mit wem wir für unserem Herrn reden sollen. Wir wollen uns unter Seine unmittelbare Führung stellen und gewiß sein, daß Er uns dorthin sendet, wo Menschen für unseren Dienst zubereitet sind.
Wenn ihr in enger Verbindung mit Gott lebt, wird Er euch dorthin führen, wo ihr predigen sollt. Schaut den Herrn an. Von Ihm lesen wir: „Er mußte aber durch Samarien reisen“ (Johannes 4,4). Und seht, was geschah, nachdem Er mit der Samariterin gesprochen hatte.
In Philippi ging der Apostel Paulus zum Flußufer und sprach zu einigen Frauen, die zum Gebet dorthin gegangen waren. Das Ergebnis: Lydia wurde bekehrt, und daraus entstand eine Gemeinde in Philippi.
Fängt einer an, feierlich zu schwören, sprecht nicht mit ihm. Warum wollt ihr mit ihm reden? Daß er noch mehr beschwört? Es ist der Herr, der hinzufügt, die gerettet werden (Apostelgeschichte 2,47). Wenn wir das täten, was der Herr uns tun heißt, würden wir nicht so viel Durcheinander anrichten.
Verfolgt, aber siegreich
Nach 25jähriger ausgezeichneter Zusammenarbeit zwischen Metallinos und den Protestantischen Kirchen Griechenlands (1925-1950) bestand kein Grund, einen solchen Aufstand zu erwarten, wie er über der christologischen Frage aufbrach.
Der Funke wurde gezündet, als ein Student des Griechischen Bibel-Instituts, dessen Präsident Metallinos war, über die Erniedrigung Christi predigte. In seiner Predigt vertrat der Redner die Lehre von Metallinos, daß sich der Sohn Gottes während seiner Menschwerdung von allen seinen göttlichen Eigenschaften „selbst entäußerte“ und Seinem Vater in allen Dingen völlig gehorsam war. Diese christologische Schau hatte in den Ohren bestimmter evangelischer Gläubiger, die sich an das traditionelle Glaubensbekenntnis hielten, einen harten Klang.
Der Kern der Sache ist, kurz gesagt, dieser: Nach der traditionellen Lehrmeinung, wie sie auf dem Konzil zu Chalcedon (451 n.Chr.) formuliert worden war, eine Lehrmeinung, die auch die meisten Protestanten angenommen hatten, war Jesus Christus während seines 33jährigen Lebens auf Erden „wahrer Mensch und wahrer Gott. Er besaß zwei getrennte Naturen, eine göttliche Natur und eine sündlose menschliche Natur. Diese waren voneinander unterschieden, doch untrennbar in einer Person miteinander verbunden, mit all Seinen unveränderten göttlichen Vorrechten und Vollkommenheiten.“
Metallinos, der immer bemüht war, die Tradition an der Schrift zu prüfen, war nicht bereit, diese traditionelle Anschauung zu übernehmen, ehe er nicht selbst die Schrift über diesen wichtigen Gegenstand befragt hatte. Er wußte, daß diese sogenannten „traditionellen Glaubensbekenntnisse“ auf Entscheidungen der Ökumenischen Konzilien beruhte, denen er mit Vorbehalt begegnete. Beim Forschen in der Schrift fand er seinen Verdacht bestätigt. Er kam zu dem Ergebnis, daß der Sohn Gottes „Gott gleich“ war, den Himmel verließ und wahres menschliches Wesen annahm. Er entäußerte sich freiwillig Seiner göttlichen Eigenschaften, seiner Allgegenwart, Allmacht und Allwissenheit. Er wurde ganz Mensch, jedoch vollkommen, ohne durch die Sünde seine Gemeinschaft mit Gott zu zerstören.
Einige unternahmen den Versuch, Metallinos den Mut zu nehmen, so sehr die Person Christi zu erforschen. Sie meinten, „wir dürften nicht versuchen den Schleier wegzuziehen, der das Geheimnis des menschgewordenen Sohnes vor unseren Augen verhüllt.“
Metallinos sah die Dinge nicht so. Für ihn war es nicht verboten, Christologie zu treiben. Dieser Gegenstand verdient unser Studium. Durch dieses in rechter Demut und Ehrfurcht ausgeübte Studium, werden die Herzen der Gläubigen in Wirklichkeit gesegnet und belebt. Er schreibt:
Für uns ist es keine Sünde oder mangelnde Frömmigkeit, wenn wir uns bemühen, immer mehr die Natur Christi zu erkennen, vorausgesetzt, wir gehen niemals über das hinaus, was die Bibel über Ihn offenbart. Alles, was wir über die Person Jesu lernen können, erquickt die Seele. Christus heißt uns, Sein Fleisch zu essen und Sein Blut zu trinken, damit wir durch Ihn das Leben haben. Und es wird uns gesagt, es sei Gottes Wille, daß wir alle zu „der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ kommen sollen, um „zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis(Epheser 4,13; Kolosser 2,2.3).
Von dieser Erklärung aus fuhr Metallinos unverzüglich fort, aus der Schrift zu. zeigen, daß das Wort – Jesus Christus – „Fleisch wurde“ (Johannes 1, 14), „arm wurde“ (2.Korinther 8,9), „sich entäußerte“ (Philipper 2,7). Das alles kann nur heißen, daß der Sohn während Seiner 33jährigen irdischen Lebenszeit voll und ganz die menschliche Seinsweise angenommen hat, ohne damit aufzuhören, der ewige Sohn Gottes, der Gott-Mensch zu sein. Er verzichtete auf seine Selbstbestimmung und führte ein Leben in völliger Anhängigkeit von seinem himmlischen Vater (Johannes 5,30.36) und in völliger Unterordnung unter Seinen Vater in allen Dingen (Johannes 6,57; 8,26 29; 11,41 42; 12,49 50; 13,3; 14,10; 16,28).
Die Vertreter der traditionellen Anschauung sagten: „Ein Gott, der aufhört, Gott zu sein, war niemals Gott.“
Metallinos antwortete: „Dieses Argument hält nicht stand. Eigentlich müßten wir sagen: Ein Gott, der der Gefangene Seiner eigenen Natur ist und nicht ganz genau das werden kann, was Er will, ist überhaupt kein Gott.“
Es wäre ein Glück gewesen, wenn sich dieser Dialog auf theologische Argumente beschränkt hätte. Doch je länger die Diskussion anhielt, um so mehr gewann sie an Umfang. Sie wurde so hitzig, daß heftige Erwiderungen vernünftige Argumente ersetzten. So wurde die ganze Situation immer schwieriger. Statt die christologische Frage auf der Ebene einer fruchtbaren Diskussion zu halten, gingen einige, die damit befaßt waren, dazu über, Metallinos persönlich anzugreifen. Dies war ein unglücklicher Irrtum. Diejenigen, die es unternommen hatten, eine fruchtbare Diskussion über die Person Jesu Christi zu führen, hatten die Liebe Christi vergessen.
Für diese Angriffe und Anklagen gab es keine stichhaltige Rechtfertigung, denn im September 1951 hatte Metallinos in einer offiziellen Erklärung seinen Standpunkt unmißverständlich dargelegt:
Von ganzem Herzen glaube und bekenne ich, daß Jesus Christus, als Er auf Erden war, die zweite Person der göttlichen Dreieinheit war und blieb, der ewige Gottessohn, der die Gestalt eines Knechtes angenommen hatte, um sich als Stellvertreter für alle Menschen darzubieten. Nach Seiner Menschwerdung blieb Er Gott dem Wesen nach, die zweite „Person“ der göttlichen Dreieinigkeit, obwohl er in das menschliche Leben getreten und wesensmäßig und um aller praktischer Ziele willen wahrer Mensch geworden ist.
Metallinos war keiner, der die traditionellen „Glaubensbekenntnisse“ annahm, wie jemand, der in einem Restaurant die vorgesetzten Speisen zu sich nimmt, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Wann immer ihn irgendwelche allgemein vertretenen theologischen Anschauungen nicht ganz befriedigten, wollte er selber am „Kochen“ beteiligt sein. Immer forschte er, wie er es häufig bezeugte, „mit Gebet und aufrichtigem Herzen und mit viel ernsthaftem Studium“ in der Schrift.
Als tüchtiger Bibelgelehrter und gründlicher Kenner der griechischen Sprache konnte Metallinos nicht einsehen, daß die christologischen Aussagen des Konzils von Chalcedon irgendeine Unterstützung durch das Neue Testament fanden. So konnte er zum Beispiel nicht einsehen, wieso Christus als eine Person zur gleichen Zeit als Gott alle Dinge wußte und dieselben Dinge als Mensch nicht wußte. Als Gott konnte Er alle Dinge tun, als Mensch konnte Er dieselben Dinge nicht tun. Als Mensch war Er am Kreuz von Seinem Vater verlassen, und als Gott war er zur gleichen Zeit in der Herrlichkeit des Himmels. Statt dieser Widersprüche entdeckte Metallinos in der Schrift die harmonische Lösung: Christi Erkenntnis nahm schrittweise zu (Lukas 2,52), Er empfing Seine Allmacht vom Vater (Johannes 14,10b) und befand sich während seiner Erdentage nicht im Himmel (Johannes 16,28). Diese oben genannten Widersprüche wurden aufgehoben und dem Geheimnis seiner Selbsterniedrigung zugeschrieben (Philipper 2,6 8). Das war eine Tat, in der Christus, ohne jemals aufzuhören, der zu sein, der Er war (der ewige Sohn), sich freiwillig in das verwandelte, was Er war (Eigenschaften, Bedingungen), indem Er sich ganz den menschlichen Bedingungen unterwarf und so der einzigartige Mensch wurde.
Auf die oben erwähnte Erklärung antworteten die Vertreter der traditionellen Anschauung: „Für einen Menschen ist es unmöglich, die wahre Natur des Mensch gewordenen Gottessohnes zu erklären. Hier haben wir es mit einem Geheimnis zu tun, und das muß im Glauben angenommen werden.“
Metallinos erkannte, daß diejenigen, die nicht mit ihm übereinstimmten, das Wort „Geheimnis“ nur zu ihren Gunsten verwandten. Sie sprachen von „Geheimnis“, wenn sie ihn an der Darlegung seiner christologischen Anschauungen hindern wollten. Boten sie jedoch ihre christologische Anschauung dar, unternahmen sie große Anstrengungen, eben dieses „Geheimnis“ zu erklären.
Sie erklärten zum Beispiel: „Christus muß in zwei Naturen erkannt werden, ohne Vermischung, ohne Veränderung, ohne Teilung, ohne Trennung. Die Unterscheidung der Naturen hebt keineswegs die Einheit auf, sondern bewahrt die Merkmale jeder Natur und verbindet sie zu einer Person und Seinsweise. Diese ist nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt, sondern ist derselbe Sohn und der Eingeborene Gott und das Wort, Jesus Christus.“
Ist die Menschwerdung des Sohnes Gottes ein Geheimnis, so ist sie ein Geheimnis für alle und nicht für einige, stellte Metallinos fest. Außerdem erscheint im Neuen Testament das Wort „Geheimnis“ niemals in der Bedeutung von etwas Geheimnisvollem und/oder für den menschlichen Geist Unbegreiflichem. Im Gegenteil, dieses Geheimnis wurde dem Apostel Paulus völlig offenbart (Epheser 3,4 6), der in Wirklichkeit alle Gläubigen auffordert, „zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“(Kolosser 2,2 3).
Was Metallinos über diese Anschauungen lehrte und schrieb, versuchte er niemals irgend jemandem aufzunötigen. Als Bibelgelehrter war er ohne Vorurteile und tolerant. Er achtete die Überzeugungen anderer und empfand eine besondere Freude, die verschiedenen Lehrmeinungen nebeneinander stehen zu lassen.
Doch er litt unter dem Verhalten bestimmter Brüder. Trotz all seiner Erklärungen und Erläuterungen trachteten diese danach, das Feuer der Auseinandersetzung am Brennen und die Gedanken der Brüder in ständiger Verwirrung zu halten.
Während dies alles das empfindsame Herz von Metallinos tief verwundete, diente es zugleich dazu, seinen christlichen Charakter sichtbar zu machen. Noch während die Auseinandersetzung tobte, schrieb er seinen Gegnern und Anklägern in demütiger und vornehmer Gesinnung einen Brief. Indem er auf bestimmte Ereignisse hinwies, wollte er ihnen zeigen, welches Unrecht ihm getan wurde. Und er versicherte ihnen: „Ich halte es kaum für nötig hinzuzufügen, daß ich, während ich dieses schreibe, sie alle mit brüderlicher Zuneigung aufrichtig liebe. Ich trage gegenüber Keinem Bitterkeit in meinem Herzen. Ich rufe Gott als meinen Zeugen an. Bitte, nehmen sie meine brüderlichen Grüße in Christus an.“ Und dann bietet er ihnen sogar die andere Backe dar und fügt hinzu: „Ich stelle mich ihnen zur Verfügung und bin bereit, meinen Brüdern zu dienen, wo immer sie es wünschen.“
Dennoch schien dieser unglückliche Zustand kein Ende zu nehmen. Während dieser Streitigkeiten drangen die Anklagen sogar nach Europa und nach Nordamerika.
Die Folge war: Metallinos brachte seine mit Schreibmaschine geschriebene Studie über die Person Christi einigen ausländischen Theologen zur Kenntnis und bat sie um ihre kritische Stellungnahme. Besonders bat er sie, ihm genau zu zeigen, wo seine Untersuchungen und Schlußfolgerungen nicht mit dem Neuen Testament übereinstimmen. Er erklärte ihnen, daß es nicht auf die Dogmen ankäme, die durch die „Tradition der Kirchen“ überliefert worden seien, sondern auf die Lehren, die ihren Grund im Neuen Testament haben.
Daraufhin trafen viele Briefe aus dem Ausland ein. Einige bestanden darauf, er müsse seine Studie veröffentlichen. Viele andere drückten ihre Zustimmung zu der Stellung aus, die er in dieser wichtigen Frage einnahm.
Doch nun wurde Metallinos durch den unglücklichen Verlauf, den die Diskussion von Anfang an genommen hatte, so müde, daß er die hier folgenden endgültigen Erklärungen abgab und damit die Tür zu jeder weiteren Auseinandersetzung über diese Angelegenheit schloß.
Erklärung I
Von ganzem Herzen glaube und bezeuge ich, daß „das Geheimnis der Gottseligkeit ist groß: Gott ist offenbart im Fleisch“ (1.Timotheus 3,16).
Um es deutlicher zu sagen: Zu keinem Augenblick habe ich aufgehört zu glauben und zu bekennen, daß der geschichtliche Jesus immer Gott-Mensch war, die zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit, der Sohn Gottes vor allen Zeitaltern, der den Menschen gleich war (Philipper 2,7), der sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat (Jesaja 53,10), Sein Leben zu einer Erlösung für viele (Matthäus 20,28).
Darum betone ich hiermit entschieden, daß alle Anschuldigungen, die mich darstellen als einen, der die oben genannten lebenswichtigen und fundamentalen göttlichen Wahrheiten leugnet oder gering achtet, völlig ungerecht und unbegründet sind. Alle wissen, daß ich durch Gottes Gnade 24 Jahre lang unermüdlich und opfervoll für die Verkündigung dieser Grundwahrheit des Glaubens gearbeitet habe. Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich an diesem herrlichen Zeugnis festhalten. Zum Zeugen dafür rufe ich Ihn an, der die Geheimnisse des Herzens kennt und auch die Beweggründe für unser Handeln, vor dem ich an jenem Tage stehen werde, um Rechenschaft zu geben.
Erklärung II
Was meine mit Schreibmaschine geschriebene Studie „Die Person unseres Herrn Jesus Christus“ betrifft, in der die christologischen Abschnitte des Neuen Testaments zur Übereinstimmung gebracht werden, ziehe ich willig alle außerbiblischen Ausdrücke, die darin gefunden werden, zurück – die philosophischen und die psychologischen – und ich bitte demütig darum, sie als nie geschrieben zu betrachten. (gezeichnet) Kostas Metallinos
Einige deuteten die Erklärung von Metallinos als eine Zurücknahme seines christologischen Standpunkts, aber das war sicher nicht der Fall. Er war nicht der Mann, der mit einem Federstrich Schlußfolgerungen und Überzeugungen widerrief, die er nach vielen Jahren gründlichen Studiums des griechischen Neuen Testaments formuliert hatte. Der einzige Zweck der oben gebrachten „Erneuten Bestätigung des Glaubens“ lag darin, wie er selbst sagt, „alle außerbiblischen Ausdrücke, philosophische und psychologische, zurückzuziehen“. Er wollte nicht seine ursprünglichen christologischen Ansichten zurückziehen, die sich auf biblische Aussagen gründeten. Er schrieb: „Die Lehre von der Selbstentäußerung gründet sich nicht nur auf den Abschnitt Philipper 2,7-8, sondern auch auf die Evangelien, genauer gesagt, auf die klaren und zahlreichen Aussagen unseres Herrn über Seine Person und auf den historischen Bericht über Sein Leben, wie er in den Evangelien enthalten ist, besonders im Johannesevangelium.“ Im Verlauf der Jahre ebbte diese Auseinandersetzung nach und nach ab.
Verbindungen mit dem Ausland
Hauptsächlich dadurch, daß Metallinos Christen in anderen Ländern kannte, entwickelte sich nach und nach ein beachtlicher Grad der Zusammenarbeit zwischen dem Bund der Freikirchen Griechenlands und dem Internationalen Bund Freier evangelischer Gemeinden. Der erste Kontakt wurde 1950 aufgenommen.
Als Präsident des Bundes Freier evangelischer Gemeinden von Griechenland nahm Metallinos an den jährlichen Konferenzen des Internationalen Bundes teil. So hatte er die Gelegenheit, zahlreiche Brüder in Christus kennenzulernen. Häufig wurde er als Gast in ihre Häuser eingeladen, und oft wurde er gebeten, länger zu bleiben.
Jedesmal, wenn er die europäischen Länder bereiste, erfuhr er eine freundliche Aufnahme. Die Zeitungen der Länder, die er besuchte, berichteten ausführlich über ihn, besonders in Deutschland, Dänemark und Schweden. Und jedesmal ließ er beim Abschied einen Teil seines Herzens dort zurück. Als ihm einige Monate vor seinem Tod die Art und Weise, wie einige Leute in der Gemeinde in Athen die Dinge behandelten, große Seelenqual bereitete, sagte er zu seiner Frau: „Alcmene, ich kann nicht mehr länger hier bleiben. Warum gehen wir nicht von hier nach Deutschland, um dort zu leben?“
Natürlich war das nicht ernsthaft gemeint. Es waren lediglich Worte, – Worte, die aus einem beschwerten und erschöpften Herzen kamen. Niemals dachte Metallinos ernsthaft daran, die Gemeinde zu verlassen, die er so sehr liebte. Seine Rundschreiben, die er an seine geistlichen Kinder sandte, wenn er während seines letzten Lebensabschnitts regelmäßig Reisen ins Ausland unternahm, offenbaren, welche zarten und heilige Gefühle er für sie empfand.
Diese Briefe werden der Gemeinde immer in Erinnerung bleiben. Sie waren ein anderer Bereich seines anregenden und fruchtbaren Hirtendienstes. Die erregende, brennende Weise, in der Metallinos Gott lobte; die Fülle biblischer Wahrheiten, die er darbot, um seinen Leuten Trost und Friede zu bringen; der siegreiche Klang, mit dem er die verzweifelten Herzen ermutigte; und die heiligen Gedanken, die er zum Tragen brachte, wenn er Alte und Junge ermunterte – das alles spiegelt die verschiedenen Seiten seiner Persönlichkeit wieder, einer Persönlichkeit, die in einem heiligen und völlig dem Herrn und Seiner Gemeinde geweihten Leben milde und abgeklärt geworden war. Von seinem Besuch in Ewersbach in Deutschland schrieb er seiner Gemeinde:
Meine geliebten Brüder!
Wir sind Pilger in dieser Welt. Wir sind in die Welt gekommen, um Christus kennenzulernen, Ihn zu lieben, Ihm zu dienen und Ihn in Kürze von Angesicht zu Angesicht zu schauen.
Doch sollen wir, meine geliebten Brüder, immer von Herzen die heiligen Gebote unseres Herrn bewahren und befolgen. Nur so machen wir Ihm Freude. Und er wird uns mit neuer Liebe lieben und mit göttlicher Kraft in unserem Herzen leben.
Die Versuchungen, durch die Er uns gehen läßt, das Feuer der Feindschaft, in das wir durch die Verhältnisse gestoßen werden, das alles kommt von Ihm. Das alles hat Er zuvor sorgfältig geprüft, denn Er will uns dadurch zu einem höheren Standpunkt verhelfen, von dem aus wir Ihn besser erkennen und durch Seine Gegenwart, Seinen Trost und Seine Freude erquickt werden. Als dem Paulus diese Wahrheit offenbart wurde, schrieb er in jubelndem Geist: „Ich will mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.“
Darum, meine Lieben, seid allezeit fröhlich und danket dem Herrn für alles, auch wenn wir in unserer Schwachheit aneinander leiden. Keiner verdamme seinen Bruder, laßt uns nicht einander richten, laßt uns nicht eifersüchtig aufeinander sein. Bittet den Herrn, daß Er uns Ihm gleich macht, denn Er hat uns dazu geschaffen, dieses herrliche Ziel zu erreichen.
Meine lieben Brüder, der Herr hat mir hier eine Arbeit anvertraut, die mich noch einen weiteren Monat hier festhalten wird.
Von der Kanzel aus schaue ich Eure strahlenden und heiligen Gesichter und ich umarme euch in Christus.
Euer Diener in dem Herrn, Kostas
11. DER HELD IST GEFALLEN
An jenem Samstag im Januar 1963 war der Terminkalender von Metallinos übervoll. Nach der Predigt am Morgen feierte er das Mahl des Herrn. Danach mußte er an einer Konferenz mit Gemeindevertretern aus den Außenbezirken teilnehmen. Und am Nachmittag hatte er zwei Trauungen zu halten. Obwohl er blaß und erschöpft aussah, vernachlässigte er keine seiner Aufgaben. Um jeden zufriedenzustellen kümmerte er sich um alles. Es schien so, als ob er schon ahnte, daß dies sein letzter Sonntag in Alcibiadestraße 3 sein würde. Am nächsten Tag brach er mit einigen Brüdern zu einer geistlichen Rüstzeit nach Sounion auf.
„Laßt uns gehen,“ sagte er zu ihnen, „laßt uns nach Sounion gegen, damit wir allen Menschen und allem Irdischen absterben und für den Herrn leben. Möchte Er uns doch von dort aus in den Himmel aufnehmen.“
Sie gingen wirklich nach Sounion. Und der Herr erfüllte ihm den erbetenen Wunsch und nahm ihn von dort auf in den Himmel. Als in früheren Jahren ähnliche Gruppen aus verschiedenen Gemeinden nach Sounion gingen, um dort die Bibel zu studieren und geistliche Gemeinschaft zu erleben, wählte Metallinos für die Botschaften, die er zu ihrer Erbauung gab, eine Vielzahl von Themen. Dieses Mal jedoch hatte ihr geistlicher Vater das starke Bedürfnis, zu den Versammelten über das Buch der Offenbarung zu sprechen.
Fünfzehn Tage lang hatte er die Lehren, Weissagungen und geheimnisvollen Bilder der Offenbarung des Johannes ausgelegt. Nun war er zu dem 20. Kapitel des Buches gekommen. Er war gerade dabei, das Gericht vor dem großen, weißen Thron zu beschreiben, als ihn ein plötzliches Unwohlsein überfiel, so daß er seine Botschaft abbrechen mußte. Unmittelbar danach bat er darum, besonders dafür zu beten, „daß der Satan zurückgeschlagen werden möchte“. Das geschah. Nun schien er wieder er selbst zu sein und fuhr fort. Doch kurz darauf brachte er seine Botschaft zu einem vorzeitigen Ende.
Hier die Zusammenfassung jener Botschaft, die die letzte seines Lebens sein sollte:
Diejenigen, die im Herrn entschlafen, gehen ein in Seine Gegenwart. Doch das Wort Gottes schildert uns keine Einzelheiten. Sind wir zu sehr bestrebt, mehr Einzelheiten zu erfahren, besteht die Gefahr, daß wir in die Irre geführt werden. Was uns froh macht, ist die Tatsache, daß wir bei Christus sein werden. Diejenigen, die in dem Herrn sterben, befinden sich bereits in einem gesegneten Zustand, aber sie befinden sich noch nicht in der Herrlichkeit.
In Kapitel 21,3 finden wir eine Schilderung, in der beschrieben wird, wie Gott unter den Menschen wohnt. Auf wunderbare Weise wird Er die Menschen mit einer neuen Art Leben beschenken. Es wird ein himmlisches Leben sein. Es wird keine Schmerzen, kein Leid, keine Tränen mehr geben.
Nun noch etwas über die himmlische Stadt. Hier auf Erden begegnen uns Städte mit hohen Gebäuden, mit Fabriken und wunderbaren Maschinen, mit Erfindungen und Unternehmungen. Denn die Menschheit träumt von einem idealen Staat, streckt sich nach etwas aus, sehnt sich danach, von den Lasten des Lebens, unter denen die Menschen voller Angst seufzen, befreit zu werden. Die Menschheit gibt sich große Mühe, diesen Idealstaat hervorzubringen. Doch Gott besitzt einen solchen Ort, der unseren Augen noch verborgen ist. Wenn Er ihn uns offenbart, wird all unser Verlangen gestillt sein. Was sonst könnte unser Herr gemeint haben, wenn er sagt: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten“? Diese Stadt wird dem Ideal entsprechen, das wir begehrt haben, ein Ort von unbeschreiblicher Schönheit und absoluter Vollkommenheit. Und wir werden darin wohnen, für alle Zeitalter, die kommen werden. Der Name unseres Herrn sei gelobt.
Es war Montag, der 21. Januar. Am Abend mußte sich Metallinos mehrmals übergeben. „Ein brennender Schmerz an der Magenöffnung“ hielt ihn fast die ganze Nacht hindurch wach. Er meinte, er litte unter einer „bösen Magengrippe“. Keiner erkannte den Ernst der Lage. Er blieb im Bett und verbrachte einen Teil seiner Zeit im Gebet. Die andere Zeit nutzte er, um seine Gedanken für die Botschaften der nächsten Tage über die beiden letzten Kapitel der Offenbarung zu sammeln. Doch am nächsten Tag war er nicht in der Lage aufzustehen. Irgendwann am Nachmittag nahm er ein Blatt Papier, auf das er mit großer Mühe dieses Gebet schrieb: „O Herr, nimm diese brennenden Magenschmerzen von mir, mit denen der Teufel mich plagt.“ Am Abend bat er Alcmene, die bei ihm war, ihm aus dem Bücherschrank einen Kommentar über die Offenbarung zu holen. Als sich Alcmene dem Bücherschrank näherte, um nach dem Buch zu suchen, hörte sie hinter sich ein leichtes Röcheln. Es war der letzte Atemzug von Kostas Metallinos.
Man schrieb Dienstag, den 22. Januar 1963, acht Uhr abends.
Kurz darauf trat eine liebe Schwester aus der Gemeinde von Metallinos hinzu und schloß mit einer leichten Berührung ihrer Finger seine beiden Augen. Es waren die beiden Fenster, durch die seine Leute so viele Jahre lang die Schönheit seiner Seele wahrgenommen hatten, die ihn gerade verlassen hatte.
Die Nachricht von seinem Tode breitete sich aus, von Mund zu Mund, durch Telefon und Telegramme, durch das gedruckte Wort. Sie wirkte tiefe Trauer bei alt und jung, bei groß und klein, bei Freunden und Bekannten. Als die Menschen hörten, daß er gestorben sei, hatten sie das Empfinden, in ihnen sei etwas ausgelöscht worden, ein Teil von ihnen sei für immer von ihnen gegangen. Am folgenden Tage brachte man den Leichnam von Sounion nach Alcibiadesstraße 3, wo er vor der Kanzel aufgebahrt wurde.
Die Beerdigung fand am Donnerstag, dem 24. Januar, um 10.30 Uhr vormittags statt.
Lange vor Beginn des Gottesdienstes war der Raum mit Menschen und Blumengaben überfüllt. Es schien, als ob jeder von nah und fern gekommen sei, um über ihn zu trauern. Der eine kam, um seinen Vater im Glauben zu beklagen, der ihn über Jahre hindurch geistlich versorgt und sich um seine verschiedenen materiellen Nöte gekümmert hatte. Ein anderer kam, um über den Kollegen im hohen Regierungsamt zu trauern, der ihn durch seine Geduld und seine Demut dahin geführt hatte, das Licht des Heils Gottes zu schauen. Ein anderer trauerte über den Diener des Evangeliums, der über einen Zeitraum von 50 Jahren ein würdiger Diener des Evangeliums gewesen war, ohne dabei den geringsten materiellen Vorteil für sich zu erlangen. Dieser Dienst war in voller Lebendigkeit geschehen und hatte reiche Frucht getragen. Ein anderer kam, um diesen „wunderbaren Mann“ zu beklagen und gleichzeitig um seine Neugier zu befriedigen. Wollte er doch wissen, wie dieser wahre Mensch Gottes im Sarg aussah.
Zu Ehren des heimgegangenen Dieners Gottes sang der Gemeindechor, dessen Dienst Metallinos sehr geschätzt hatte, in ruhigen, getragenen Weisen Lieder der Hoffnung und des Sieges. Außer diesen eindrücklichen Weisen war nichts in diesem überfüllten Heiligtum zu hören. Die einen standen da, schweigend, bewegt, benommen. Die anderen zogen als ein langsamer, schweigender Strom am Sarg vorüber.
Die tiefe Trauer derer, die an der Beerdigung teilnahmen, machte auf den Bestattungsunternehmer einen solchen Eindruck, daß er für seine Bemühungen keine Vergütung annahm, obwohl ihm Metallinos völlig fremd war. Tief bewegt von dem, was er sah, sagte er: „Die Tatsache, daß eine so große Menge gekommen ist, diesen Mann zu beweinen, macht deutlich, daß er wirklich ein heiliger Mann gewesen sein muß“.
Die Sargträger waren junge Männer, die eifrig am Wort dienten. Sie alle waren durch Metallinos zum Glauben gekommen. Durch ihn hatten sie ihre geistliche Speise empfangen und waren Nachfolger und Nachahmer ihres geliebten Lehrers geworden. Wo immer sie auch predigten, trugen sie die Botschaft von Metallinos weiter und verbreiteten so seine theologischen Ansichten. Sie hatten sogar manche seiner besonderen Verhaltensweisen angenommen.
Es war fast Mittag, als der Leichenzug sich in Bewegung setzte. Es war ein regnerischer Tag voll durchdringender Kälte. An der Spitze fuhr der Leichenwagen mit den sterblichen Überresten von Kostas Metallinos. Dann folgte eine lange Auto-Prozession mit Menschen und wunderbaren Kränzen und Blumengebinden. Die lange Wagenkolonne brauchte eine halbe Stunde, um den Eingang des Friedhofs zu erreichen. Von dort zog, fast beredt in seiner würdigen Feierlichkeit, ein langer Zug zur eigentlichen Beerdigungsstätte.
Der Sarg wurde neben das offene Grab gestellt, und alle versammelten sich zu einem letzten Abschiednehmen. Es gab ein kurzes Zeugnis von der lebendigen Hoffnung der Christen. Dann sang die Schar der Gläubigen einige Lieder. Langsam wurde der Sarg in das Grab gesenkt und mit einem milden Regen von Erde und Blumen sanft bedeckt.
„Wie sehr wünschte ich mir, ich würde aufwachen und erkennen, daß das alles nur ein böser Traum war“, sagte einer der Trauernden beim Verlassen des Friedhofs. Aber leider war es kein Traum. Einer der Helden war wirklich gefallen.
Die Bedeutung des Mannes
Die Person und das Werk von Kostas Metallinos kann man mit einer der hohen Pyramiden vergleichen, deren gewaltige Größe uns ebenso stark beeindruckt wie die Kammern mit ihren verborgenen Schätzen im Inneren. Den äußeren Dimensionen seines geistlichen Wirkens entsprach die innere Heiligkeit seines Herzens.
Ein Beitrag, den Metallinos der christlichen Kirche leistete, bestand in seiner Lehrtätigkeit. Als Lehrer der Bibel bot Metallinos in Wort und Schrift die göttliche Wahrheit dar, kristallklar, interessant und, wie er gern sagte, „frisch“. Seine Verkündigung war nicht mit den traditionellen dogmatischen Klischees überladen. Er war ein wagemutiger Prediger. Wenn er davon überzeugt war, daß seine Gedanken auf der Schrift beruhten, scheute er sich nicht, diese auszusprechen, auch wenn er wußte, daß dies einigen seiner Hörer mißfallen würde.
Sowohl seine Anschauungen über die christologischen Probleme, über die Verkündigung des Evangeliums unter den Toten und über die moralische Freiheit des Menschen, als auch seine Argumente, die er bei der Darlegung dieser Themen verwandte, zeigen uns einen unabhängigen theologischen Denker. Die Grundwahrheiten unserer Erlösung durch Christus deutete er durch das Licht, durch das Gott ihm das Sehvermögen geschenkt hatte. Er tat es aber immer erst, nachdem er gründlich geforscht, hart gearbeitet und besonders für diese Aufgabe gebetet hatte.
Doch das Herausragende an der Lehrtätigkeit von Metallinos bestand darin, daß es ihm gelang, einfache, ungebildete Gläubige so für ihren Glauben zu begeistern, daß sie sogar bereit waren, über theologische Fragen zu diskutieren und Argumente auszutauschen. Dieser Erfolg beruhte auf seinem Vermögen, Themen und Vorstellungen klar auszudrücken, so daß sogar einfache Menschen sie verstehen konnten. Auf diese Weise veranlaßte er durch sein Lehren einen Schneider zu einer Diskussion über die moralische Verantwortung des Menschen; eine Hausfrau zu begeisterten Aussagen über den Heilsplan durch Christus; einen Friseur zu einer langen Erklärung über den Tod Christi als wirksames Mittel, Gottes Gerechtigkeit und Gnade miteinander zu versöhnen. Die Theologie wurde lebendig und so vereinfacht, daß Laien sie verstehen konnten. Diese Theologie schlug in den Freikirchen wurzeln und wurde nicht nur zu ihrem Kennzeichen, sondern sie erwies sich auch als eine reale Kraft, die ihre Glieder über Jahre hinaus hellwach hielt und ihnen dazu verhalf, die Quellen ihres Glaubens und dessen wesentlichen Inhalt bewußt zu erleben.
Ein weiterer wichtiger Beitrag, den Metallinos der Gemeinde Christi leistete, lag in der Wahrnehmung seines Hirtenamtes. Er war ein beliebter und hingebungsvoller Hirte, von dem viele anregende und bewegende Züge seines opfervollen Dienstes in Erinnerung geblieben sind. Nur in einem Bereich seiner Arbeit, auf dem Gebiet verantwortlicher Führerschaft, scheint er eine gewisse Schwäche gezeigt zu haben. Es lag ihm sehr daran, daß in der Gemeinde alles „anständig und ordentlich“ geschieht. In seinem Bemühen, aus der Gemeinde eine reine demokratische Körperschaft zu machen, versäumte er es als ihr verantwortlicher Leiter, Maßnahmen zu ergreifen, die die rechte Ordnung und Zucht in der Gemeinde sicherten. Das Ergebnis war, daß jeder in der Gemeinde Tätigkeiten ausüben konnte – ohne rechte Anleitung, ohne Einschränkungen und ohne irgendeine Aufsicht. Einige, noch jung an Jahren und im Glauben, übernahmen – völlig aus eigener Verantwortung – Aufgaben, die ihre geistliche Erfahrung und Reife überstieg. Diese ungezügelte Freiheit verursachte in der Gemeinde eine Unzahl von Reibungen und Mißverständnissen, besonders dann, wenn sie mehr mit Kraft als mit Weisheit ausgeübt wurde. Dieser Zustand hemmte nicht nur die Entwicklung der Gemeinde, sondern verursachte Rückschläge, die Metallinos häufig in große Bedrängnis brachten und am Ende seines Lebens zu starken Seelenängsten führte.
Weil er sich ganz dem Dienst am Wort verschrieben hatte, kam die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bei ihm zu kurz. Doch auf jenem Gebiet erkennen wir den überragenden Beitrag von Metallinos an die Gemeinde Christi. Er hat es selbst bezeugt, daß er von Gott den Ruf empfangen habe, zu predigen, das Wort auszulegen, den Griechen das Evangelium Christi in einer schlichten, leicht verständlichen Weise zu bringen.
Seit Beginn seiner Wirksamkeit im Jahre 1917 empfand er, daß er vom Herrn für diese besondere Aufgabe gesalbt worden sei. Damals schrieb er:
Mein Lebensideal, der so wichtige Plan für mein Leben, dessen Erfüllung ich als Sinn meines Daseins empfinde, liegt in meinen Eintritt in den Dienst Christi und in meinem Bemühen, Sein Evangelium auszubreiten.
Und es gelang ihm tatsächlich, das zu verwirklichen, was er als das Ideal seines Lebens ansah. Und außerdem gelang es ihm durch die Art, wie er die Wahrheit bezeugte, dem Evangelium zu hohem Ansehen zu verhelfen. Seine ihm eigene Predigtweise diente dazu, die Grundwahrheiten des Neuen Testaments zum Leuchten zu bringen. Dieses übte bis dahin kaum irgendeinen Einfluß auf das moderne griechische Denken aus. Die Geistlichkeit und die Mönche der Staatskirche hatten bis dahin mehr dazu beigetragen, die Wahrheit des Evangeliums zu verbergen als ans Licht zu bringen. Metallinos machte den Inhalt des Evangeliums so lebendig und betonte seine Bedeutung für die Gegenwart so geschickt, daß Gläubige wie Ungläubige von seiner Ausstrahlung angezogen wurden. Er war ein Wegbereiter, ein Pionier, der für das religiöse Leben Griechenlands neue Pfade eröffnete und neue Markierungen setzte.
Außerdem war er der erste Staatsbeamte, der die Wahrheit unter denen verbreitete, die im Staatsdienst standen. Er war darin so erfolgreich, daß einige der höchsten Beamten Bibelstudienkreise und Gebetsgruppen für Regierungsangestellte einrichteten.
Als Wissenschaftler, der das Christentum angenommen hatte, war er der erste, der den Mut besaß, unserem materiellen Zeitalter in öffentlichen Vorlesungen über wissenschaftliche Themen den Glauben an Christus als etwas darzustellen, das nicht im Widerspruch zu unserer modernen Gesellschaft steht. Sogar die Orthodoxe Kirche ist Metallinos zu großem Dank verpflichtet. Widmete er doch sein ganzes Leben der Aufgabe, das religiöse Gewissen des griechischen Volkes zu wecken und den Kampf gegen die Mächte des Unglaubens zu führen. Darüber hinaus brachte er durch seine Predigten das Licht des Evangeliums zu angesehenen orthodoxen Laien, die, nachdem sie die Rettung durch den Glauben erfahren hatten, aktive Mitarbeiter in ihrer Kirche wurden und dazu beitrugen, daß wünschenswerte Reformen innerhalb der Orthodoxen Kirche in Gang gesetzt wurden.
Das Fundament, aus dem alle Arbeit von Metallinos erwuchs, war sein persönlicher Glaube. Ein Blick in den Reichtum geistlicher Schätze, die in diesem Mann verborgen lagen, mag uns gut tun. Er war weder ein systematischer Theologe noch ein überragender Organisator oder Verwalter. Er war jedoch ein Mann des Glaubens. Mit dem schlichten Glauben eines kleinen Kindes vertraute er den Zusagen und Verheißungen Gottes. Solch einfältiger und unmittelbarer Glaube begegnet uns niemals ohne wahre Demut. Diese Tugend gab seinem Auftreten und seinen täglichen Verrichtungen einen besonderen Glanz. Nie suchte er das Licht der Öffentlichkeit. Er besaß genug Demut und genug Einsicht, um zu erkennen, daß Gottes Werk durch Gott geschieht und nicht durch Menschen. Seinen Erfolg betrachtete er als eine Kraftwirkung des Evangeliums, niemals verstand er ihn als persönliche Leistung.
Im Verlauf seiner geistlichen Entwicklung erwies er sich nicht als ein streitbarer Krieger, sondern als ein einfältiges Lamm. Seine einzige Angriffswaffe war seine Predigt, seine einzige Verteidigungswaffe war sein zartfühlendes heiliges Leben. So war Metallinos um seines Herrn willen allezeit bereit zu predigen und zu leiden. Doch das Hauptmerkmal dieser gebildeten und zarten Seele war die Liebe, die Liebe Gottes, die übersieht, die vergibt, die mitleidet, die versteht. Diese alle umschließende Liebe verspürte er zum ersten Mal in seinem kahlen, kleinen Zimmer, während seiner Studentenzeit. Damals vergoß er Tränen der Freude und der Dankbarkeit. Diese Liebe hatte ihn so ergriffen, daß er bereit wurde, für alle Zeit ein Sklave in Fesseln zu werden. Damals hatte er mit leiser Stimme seinem Herrn gesagt: „Ich verspreche Dir, daß ich Dir ganz gehören will und daß ich mein ganzes Leben nicht aufhören will, Dir zu dienen.“ Kostas Metallinos hielt sein Versprechen, und der Herr trieb sein Werk.
Dieses Werk starb nicht mit Metallinos. Im Gegenteil, es wurde größer und breitete sich aus. Einige ehemalige Studenten der Bibelschule von Metallinos gründeten in Griechenland zahlreiche neue Ortsgemeinden. Andere trugen die Botschaft in fremde Länder. Diese hingebungsvolle Arbeit für Gott wurde auf vielfältige Weise für die in zahlreichen Ländern zerstreuten Auswanderer, die unter Einsamkeit und manchmal unter Verzweiflung litten, zur Botschaft der Hoffnung.
Der Herr bestätigte diesen Dienst. Das führte dazu, daß sich heute zahlreiche griechischsprechende Gemeinden in Europa, den USA, Kanada und besonders in Australien entfalten. Alle diese Gemeinden sind durch ein gemeinsames Zeugnis, ein gemeinsames Ideal und ein gemeinsames Streben verbunden. Und die Arbeit geht weiter.
Das Reich Gottes gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter einen halben Zentner Mehl mengte, bis er ganz durchsäuert war (Lukas 13,18).
In herzlicher Verbundenheit mit den Christen Griechenlands, herausgegeben von Horst Koch, Herborn, im März 2006
Kontakt: info@horst-koch.de