John Paton – Missionar unter Kannibalen
John Paton
Missionar unter Südseekannibalen
Gekürzt von Horst Koch, Herborn
Madrid, im Februar 2025
Jugendjahre
Die Neuen Hebriden
Reisen
Ernte auf Aniwa
Epilog
(Im Original 245 Buchseiten)
Vorwort
1772 brach Kapitän Cook, bekannt als Entdecker der Ostküste Australiens, von Plymouth auf zu einer Expeditionsreise in den Pazifik…
Als die ersten Missionare um 1842 die Neuen Hebriden anvisierten, stießen sie bereits auf die Auswüchse jener zweifelhaften Sendboten der Zivilisation, die Volk und Land rücksichtslos ausbeuteten, um Gewinn zu machen. Die Habsucht vieler Weißer waren dem Naturvolk zur zweiten Geißel geworden – neben den alten Greueln des Kannibalismus, der Ausdruck eines pervertierten Kultes war.
Der CLV – Verlag
1. Die Jugend
John Paton wurde 1824 in Südschottland geboren. Seine Eltern waren treue Christen der Covenanters . . .
John studierte in Glasgow uns arbeitete nebenher in verschiedenen Berufen, was ihm im späteren Leben eine große Hilfe war… Auch seine Besuche von medizinischen Vorlesungen waren ihm später eine Hilfe…
In den christlichen Kirchen wurde zu jener Zeit nach Missionaren gesucht, die die Arbeit von Dr. Inglis auf den Neuen Hebriden unterstützen möchten. Dazu entschied sich dann nach einigem Abwägen John Paton. Nach einem Jahr der Vorbereitung wurde er am 16. April 1858 mit seiner Frau Mary Ann und dem Kollegen Copeland in Schottland ausgesandt…
Über Melbourne waren sie nach viereinhalb Monaten auf der Insel Aneityum angekommen.
Ab Seite 40: Ankunft und erste Eindrücke
„Wir waren vor der Insel vor Anker gegangen; endlich kam das Boot des Händlers, und ein kleiner Missionsschoner , die ‚John Knox‘, und die etwas größere ‘Columbia‘. Bald waren unsere 50 Kisten an Bord gebracht, und Dr. Geddie, Mr. Mathieson, meine Frau und ich waren zwischen unseren Kisten und mussten uns an diesen, so gut wir konnten, festhalten. Beim Abschwenken von der ‘F.P. Sage’ zerbrach ein Mast. Und er wäre auf meine Frau gefallen und hätte sie zerschmettert, hätte ich sie nicht auf eine fast unmöglich erscheinende Weise auf die Seite zu reißen vermocht…
Das Boot, ohnehin überladen, war natürlich unfähig zu segeln; wir waren 10 eng. Meilen weit vom Lande und in Gefahr…, trotzdem lichtete die ‘Sage‘ die Anker und überließ uns unserem Schicksal.
Wir trieben auf Tanna zu, eine von Kannibalen bewohnte Insel, die sicherlich über uns und unseren Besitz hergefallen sein würden. Wir waren im Tau von Dr. Geddies Boot, während Mr. Copeland und seine Eingeborenen hart arbeiteten, um die Columbia nach Aneityum zu bringen. Ungeachtet aller Mühe trieben wir aber vom Lande ab, bis Dr. Inglis vom Hafen her unsere Lage beobachtet hatte, mit mehreren Booten zu Hilfe kam. Alle diese wurden unserem Schoner vorgespannt, und den vereinten Anstrengungen aller Ruderer gelang es endlich, das Schiff vorwärts zu bringen…
Unser Dank gegen Gott an diesem Tage war riesengroß!
Meine Frau und ich erhielten liebevolle Aufnahme auf der Station von Dr. Inglis. Nach einer Zeit der praktischen Hilfe beim Erweitern der Missionsstation, die mir später sehr zunutze kam, wurde beraten, auf welcher Insel wer arbeiten sollte.
Dr. Mathison aus Kanada sollte mit seiner Frau auf der Südseite der Insel Tanna sich niederlassen. Meine Frau und ich sollten auf die Ostseite, nach Port Resolution gehen. Mr. Copeland sollte auf beiden Stationen aushelfen…
Dr. Inglis und einige der zuverlässigen Eingeborenen begleiteten uns nach Kwamera auf Tanna. Wir kauften dort Land für Missionshaus und Kirche… Dasselbe geschah in Port Resolution; … Für alle Arbeit und Grund und Boden wurde bezahlt. Leider lagen die Missionshäuser zu nahe am Meer, und waren damit dem Fieber ausgesetzt, das den Europäern die Südseeinseln so gefährlich macht.
Auf beiden Stationen fanden wir die Bewohner in sehr unruhigem, aufgeregtem Zustand. Kriege und Kämpfe, teils mit entfernteren Stämmen, teils mit den Nachbardörfern, hielten sie in Schrecken. Die Häuptlinge verkauften uns überall gern Grund und Boden, . . . und Messer, Äxte, Fischhaken, Decken und Kleider machten sie so willig. Sie mochten auch hoffen, durch Plünderung mehr davon zubekommen als durch Arbeit, denn sie weigerten sich, uns ihren Schutz zu versprechen…“
Seite 43: Paton machte seine erste Bekanntschaft mit der Mentalität der Eingeborenen Insulaner. Versprechen waren immer zwiespältig: entweder wurden sie garnicht gehalten oder nur teilweise. Die Tannesen waren unzuverlässig, und man musste jederzeit eines Hinterhaltes gegenwärtig sein. „Meine ersten Eindrücke ließen meinen Mut tief sinken.“
Es dauerte ein wenig, bis sich Abscheu in Mitleid verwandelt hatte. Die bemalte Nacktheit, die Unberechenbarkeit und der Kannibalismus waren eine harte Probe…
Ermutigend wirkte sich aber der große Erfolg der Missionsarbeit auf der Nachbarinsel Aneityum durch Dr. Geddie und Inglis aus.
Während die Frauen der Missionare von Frau Geddie und Frau Inglis auf Aneityum in die Arbeit unter den weiblichen Inselbewohnern eingeführt wurden, bauten die Männer zwei Missionsstationen auf Tanna auf…
„Den Tannesen waren Dr. Inglis und ich sichtlich ebensowohl Gegenstände der Neugier als der Furcht; sie kamen in Haufen, unserem Bau von Holz, Korallen und Kalk zuzusehen und sprachen unaufhörlich untereinander in offensichtlicher Bewunderung. Ein Trupp Bewaffneter folgte dem anderen; sie kamen und gingen, große Beunruhigung hinterlassend. Man ließ uns durch unsere Lehrer aus Aneityum versichern, es würde niemand unsere Arbeit hindern…
Eines Tages kam es zwischen unseren Nachbarn und Leuten aus dem inneren Teil der Insel zu lautem, wüstem Zanken. Die Fremden traten den Heimweg an, wurden aber von unseren Leuten, die doch nicht hatten kämpfen wollen, mit den Waffen verfolgt. Flintenschüsse und furchtbare Schreie der Wilden im nahen Wald zeugten von einem tödlichen Kampf… Bewaffnete mit ihrem Federschmuck in den Haaren sah man in allen Richtungen kommen und vorbeirennen, die Gesichter rot, schwarz oder weiß bemalt…
Als am Nachmittag der Tumult uns näher kam, sagte Dr. Inglis, ‘Die Mauern Jerusalems sind in unruhigen Zeiten gebaut worden…, aber lassen Sie uns für heute aufhören…, wir wollen für diese armen Heiden beten.‘ …
Spät am Abend kehrte die Bevölkerung in die uns nahen Dörfer zurück, indes verlautete, daß fünf oder sechs der Erschlagenen gebraten und verzehrt worden seien, an einer heißen Quelle, kaum eine Meile von uns entfernt… Wir erfuhren es durch einen Jungen, den Dr. Inglis mitgebracht hatte und der uns als Koch diente. Er pflegte abends Wasser aus der heißen Quelle zu holen, um uns Tee zu machen. Diesmal kam er leer heim und sagte: ‘Missi, dies ist ein böses Land. Die Leute haben ihre Feinde gegessen und haben das Blut in die Quelle laufen lassen. Alles ist rot, ich kann heute keinen Tee machen…!‘
Am nächsten Abend hörten wir furchtbares Geschrei aus dem Dorf schallen. Auf unsere Frage, was geschehen, hieß es, einer der gestern Verwundeten sei eben gestorben und man habe nun unter verschiedenen Zeremonien seine Witwe erdrosselt, damit sie in einer anderen Welt ihm dienen könne wie hier. Wir waren entsetzt, dass das in unserer Nähe hatte vorgehen können, ohne dass wir davon gewusst und versuchen konnten, es zu verhindern. Kein Tag verging, ohne uns neue Einblicke in die Finsternis zu gewähren.
Wie sehnten wir uns, ihnen etwas von Jesus und der Liebe Gottes sagen zu können! Wir sammelten fleißig jedes Wort ihrer Sprache, um möglichst bald den Reichtum von Gottes Gnade vor den armen Menschen auszubreiten.
Nachdem wir mit dem Haus ziemlich weit gekommen waren . . . fuhren Dr. Inglis und ich nach Aneityum, um unsere Frauen samt unseren Kisten nach Tanna zu bringen…“
Leben und Tod auf Tanna
Seite 48:
Rückblick
„Ich möchte einen kleinen Rückblick zusammenfassen, was vor 1858 auf diesen Inseln versucht worden war, um das Evangelium zu verbreiten. Die ersten Missionare waren John Williams und sein junger Gefährte Harris. Sie landeten 1839 auf der Insel Erromanga, wurden aber, als sie kaum den Fuß an Land gesetzt hatten, von den Wilden erschlagen und – gegessen. So war gleich Märtyrerblut auf diesen Boden geflossen, und er gehörte nun umso mehr dem Herrn. Sein Kreuz musste umso gewisser dort gepredigt werden, wo seine Boten das Leben hingegeben hatten… 1842 sandte die Londoner Missionsgesellschaft Turner und Nisbet aus. Sie wählten die Insel Tanna. Nach nur sieben Monaten war die Mordlust der Wilden nicht mehr zu bändigen, sodass die Missionare mit einem kleinen Boot entflohen, und – wie durch ein Wunder – von einem vorbeifahrenden Schiff aufgenommen wurden. Sie siedelten dann in Samoa an, wo sie in großem Segen wirkten.
Im Jahre 1848 kam John Geddie nach Aneityum, John Inglis 1852. Die Einwohner von Aneityum zeigten von Anfang an Interesse am Evangelium. Nach nur wenigen Jahren erreichten die beiden Männer, dass 3500 Insulaner ihre Götzenbilder vernichteten, ihre heidnischen Gebräuche verließen und sich zum Christentum bekannten…
Langsam legten sie das Heidentum ab, aber dann gingen sie voll Hoffnung in der christlichen Erkenntnis vorwärts. Nach einiger Zeit wurde eine einfache häusliche Andacht eingeführt, und man betete bei den Mahlzeiten. Friede und Ordnung waren ungestört und das Eigentum war völlig sicher geworden…
Mit Mr. Copeland zusammen hatten sie mit großem Fleiß die Bibel übersetzt und die Londoner Bibelgesellschaft hatte sie gedruckt… So erhielten sie das erste gedruckte Buch in ihrer nun neuerfassten Sprache auf Aneityum, und weil sie den Druck selbst bezahlten, schätzten sie das Wort Gottes um so mehr.
Ankunft auf Tanna
Als im November 1858 die Patons und Dr. Copeland auf Tanna eintrafen, kamen täglich unzählige Schaulustige um zu sehen, was die Weißen so machten.
„Wir verstanden sie nicht, und so sahen wir sie an, lächelten und nickten ihnen freundlich zu. . . . Einer der Eilden hob einen uns gehörenden Gegenstand auf und sagte: ‚Nunski nari enu?‘ Ich schloss, dass er sagte: ‚‘Was ist das?‘ Ich nahm ein Stückchen Holz , zeigte darauf und fragte: ‘Nunski nari enu?‘ sie lachten und sahen einander an. Dann nannten sie mir das Wort… und ich sah, dass sie meine Frage verstanden hatten… Ich notierte mir die Worte und wählte Buchstaben dazu nach dem Gehör…
Unter denen, die uns am meisten Hilfe leisteten, waren zwei schon ältere Häuptlinge, Nowar und Nouka, … aber auch sie standen leider in der Gewalt des kriegerischen Oberhauptes Miaki, einer Art dämonischen Herrschers über viele Dörfer und Stämme. Er prahlte mit dem vergossenen Blut geschlachteter Feinde, und er und sein Bruder besaßen Macht über eine große Zahl von Leuten, die ohne Besinnen ihren Befehlen folgten.“
Kein Wunder, dass die Menschen auf Tanna in einer Atmosphäre der Angst und der Dämonie lebten… Ein gefürchteter Zauber war der Nahak. Speisereste wurden mit einer Beschwörung belegt, um dem, der davon gegessen hat, zu schaden…“
Langsam fortschreitend konnte Paton damit beginnen, den Insulanern den allmächtigen, gütigen Gott und seinen Sohn Jesus Christus, näherzubringen. Die dem Volke fremden Begriffe wie die Sündhaftigkeit des Menschen, die Liebe Gottes und eine ewige Erlösung in Christus waren diesem Volk nur langsam zu vermitteln. Dass es überhaupt möglich war, hatte Paton aber auf Aneityum erlebt. …
„In ihrer bisherigen Naturreligion hatten sie das Bestreben, immer mächtigere Götter als die bisherigen zu suchen und für sich zu gewinnen. Dies nahmen wir zum Anlass, ihnen von unserem Gott und seinem Sohn Jesus Christus zu erzählen. Aber als wir weiter gingen und sagten, dass sie aber ihre Götter verlassen mussten, standen sie in Wut gegen uns auf und verfolgten jeden, der sich uns freundlich erwies…“
Todbringende Malaria
„Mein erstes Haus war nahe der Küste erbaut, weil wir die Nähe des Meeres für kühlend hielten. Bald zeigte sich, dass diese Gegend eine Brutstätte für Wechselfieber und Malaria war…“
Die Malaria war es dann auch, die John Paton fünf Monate nach der Ankunft zum Witwer machte. Am 12. Februar 1859 wurde sein Sohn Robert geboren. Kurz darauf bekam die noch geschwächte Mary Ann eine heftigen Malariaanfall. Schnell waren die Kräfte der vorher gesunden Frau aufgezehrt… Drei Wochen nach der Geburt des ersten Kindes starb Mary Ann. Und nur drei Wochen später stand Paton vor dem Grab seines Sohnes. …
„Betäubt von dem schrecklichen Verlust, immer wieder von der Malaria niedergeworfen, verlebte ich schwere Zeiten. Aber nie fühlte ich mich ganz verlassen. Der ewig gnädige Gott war stets bei mir. … Auch stärkte er mich für die schwere Arbeit, meine Liebsten der Erde zu übergeben, die ich ja größtenteils selbst zu verrichten hatte. … Ohne Jesus wäre ich an jenem einsamen Grab wohl wahnsinnig geworden.“
Berichte aus der Arbeit
Seite 58:
Copeland und Paton verfassten für die Unterstützer in der Heimat regelmäßig Berichte, die die Gefahr widerspiegelten, in der die Missionare auf Tanna standen. …
„Wir fanden in den Tannesen nackte, ganz bemalte Wilde, erfüllt von Aberglauben und Bosheit. Sie sind außerordentlich unwissend, ihren Gebräuchen blind ergeben und fast ohne Spur von Zuneigung für ihre Familien. Die Einwohner von Port Resolution sind durch den Umgang mit Weißen nicht besser, sondern eher schlechter geworden, da sie deren üble Laster rasch angenommen haben. Man muss sich dieser Landsleute in der Seele schämen, die als Pioniere des Handels diese fernen Inseln besuchen, um Sandelholz zu erhalten. Die Eingeborenen werden von ihnen bedrückt und betrogen, und wenn sie Widerstand leisten, ohne Bedenken von ihnen niedergeschossen. … Und so ist es nur natürlich, dass sie alle Weißen hassen, Rache gegenseitig üben und am liebsten keinen einzigen auf ihrer Insel landen sehen möchten. …
Bald begann sich ihre Listigkeit immer mehr zu zeigen . . . Als wir anfingen unser Grundstück einzuzäunen, verboten sie es uns und bedrohten unsere Helfer aus Aneityum mit dem Tode. So unterließen wir es … dennoch wurden diese Leute mit jedem Tag unvernünftiger, so daß unser Leben schon damals sehr gefährdet war. …
Bald darauf kam große Dürre über das Land, … und natürlich waren wir die Schuld diese Unglücks. Von weit und breit versammelten sich die Insulaner und beschlossen, wenn nicht bald genügend Regen käme, sie uns ermorden würden. Diesen Beschluss überbrachte uns am nächsten Morgen der Häuptling Nouka in Begleitung des Kriegshäuptlings Miaki. Sie fügten hinzu, daß auch Nouka mit uns sterben sollte, weil er uns schützte.
‘Bittet Euren Gott um Regen und geht nicht aus Eurem Hause. Ihr seid in größter Gefahr, wenn der Kampf ausbricht, und wir mit Euch‘. – Mit diesen Worten verließen sie uns.
Aber all diese Freundlichkeit war nur Maske. Denn im Glauben des Volkes waren ja gerade diese beiden ‘Herren über Sonnenschein und Regen‘, und es kam gerade für sie gelegen, die Wut des Volkes von sich auf uns lenken konnten. …
Der ewig Barmherzige sandte uns Hilfe. Als wir uns am Sonntag zum Gottesdienst trafen, begann der Regen zu fallen, so ausgiebig, dass alle Wünsche erfüllt waren. …
Aber nun hatten die Regengüsse Fieber und andere Krankheiten im Gefolge, und bald galten wir als die Ursache. …
Das Leben unter einem so von Aberglauben verfinsterten Volk ist voll der traurigsten Erfahrungen. …
Unter sich waren die verschiedenen Stämme in fast fortwährenden Kriegen. Da jeder Häuptling tat, was ihm gefiel, mussten immer wieder die Waffen entscheiden. Und außer bei diesen Siegesmahlen verzehrten sie ihresgleichen auch in Verbindung mit den Götzenkulten. … Einmal war der grosse Häuptling Nouka ernstlich erkrankt. Um ihn zu retten, opferte man drei Frauen dem entsetzlichen Gebrauch. Obwohl die Eingeborenen versuchten, derartiges vor uns zu verbergen, die es streng verboten, kamen uns doch eine Menge Fälle zu Ohren. …
Das Los der Frauen und Alten
„Auf allen Inseln der Neuen Hebriden sind die Frauen die mit Füßen getretenen Sklavinnen der Männer. Die Frau hat alle, auch härteste Arbeit zu verrichten, während der Mann mit Flinte oder Speer hinter ihr geht. Ist sein Zorn durch sie gereizt, so misshandelt er sie aufs grausamste. Wenn die Frau dabei stirbt, nimmt niemand Notiz davon… Die Alten überlässt man fast allgemein dem Hunger und der Not, – wenn man sich ihrer nicht in noch direkterer Weise entledigt. …
Die Kinder
„Die Erziehung eines Jungen besteht darin, dass sein Pfeil und sein Speer nie ihr Ziel verfehlen…, und kann er Flinte und Revolver halten, so wird er auch für deren Gebrauch abgerichtet. Er begleitet Vater und Brüder in alle Kämpfe und wird da in alle Grausamkeiten und Begierden eingeführt, die er kennen muss, ehe er von den übrigen als Mann in den Stamm aufgenommen wird. Die Mädchen müssen mit der Mutter die Felder bebauen. …
„Traurig, niedrig und entwürdigend ist die Lage der Frau überall dort, wo Christus nicht gepredigt wird. …
Wirklichen Fortschritt konnten wir erst erwarten, wenn wir die Sprache beherrschten . …
Nach und nach hatten wir einige Lehrer aus Aneityum bekommen, die aber weder Schulung noch Bücher hatten. Ihre Aufgabe bestand darin, ihnen durch gute Sitten und ihre veränderte Lebensführung als Beispiel zu dienen. …
Eines Tages war die Nachricht gekommen, dass auf der Insel Erromanga drei Weiße und mehrere Eingeborene, die für die Sandelholzhändler gearbeitet hatten, erschlagen worden seien. …
Miaki, der Kriegshäuptling, ließ am andern Morgen einen entsetzlichen Lärm machen, das Zeichen, das alle Untergebenen herbei rief. … Das Ergebnis waren mehrere Tote und viele Verletzte. …
Ungefähr zur Zeit, als ich meine Frau verlor, erkrankte mein Gefährte Mr. Mathieson auf seiner Station und musste in einem Zustand nach Aneityum befördert werden, der seinen baldigen Tod anzudeuten schien. Auch dies Ereignis hatte auf die Eingeborenen die schlechteste Wirkung wegen ihrer abergläubischen Begriffe von Krankheit und Tod. Zum Unglück erkranke auch noch ein Lehrer und starb auf jener Station. Er war vorher noch bei mir gewesen und sagte, kurz ehe er entschlief: ‘Ich werde meinen lieben Missi nicht mehr sehen. Sagt ihm, dass ich glücklich sterbe, denn ich liebe Jesus sehr und gehe nun zu ihm‘
Die Insulaner kamen jetzt zu mir und fragten mich in heftigem Ton nach der Ursache dieser Unglücksfälle. Da vernünftige Erklärungen nichts nutzten, drehte ich den Spieß um und fragte, ob sie selbst nicht schuld an allem seien. So unglaublich es klingt, diese Frage machte sie stutzig, und sie entfernten sich. …
Später kamen sie zu mir und sagten: ‘Wir geben Euch keine Schuld, aber Ihr dürft auch uns nicht anklagen. Wir glauben, dass jemand aus einem der Stämme, die im Wald wohnen, ein Stück von etwas, was wir gegessen und übrigliessen, gefunden hat und hat es dem bösen Geist im Vulkan gegeben, und der bringt all das Elend über uns.‘ …
Eine kurze Zeit scheinbarer Ruhe folgte nun, bis Nowhat, ein bekannter Häuptling aus Aneityum, uns besuchte. Als er bald nach der Heimkehr starb, wurden die Tannesen aufs neue wütend gegen uns und erklärten rundheraus, wenn wir die Insel nicht verließen, würden sie uns alle ermorden. … Sogar ein Bund mit feindlichen Stämmen wurde geschlossen, der einige Menschenopfer forderte … Wiederholt kamen Frauen Zuflucht suchend in das Missionshaus. Wir konnten die ihnen folgenden Männer nur anflehen um Gnade für die zitternden, unglücklichen Frauen. Schutz zu gewähren lag außer unserer Macht.
Unser Untergang wurde in vielen Versammlungen beschlossen, aber Gott gab selbst heidnischen Herzen Barmherzigkeit ein.
Der alte Häuptling Nowar warnte uns immer wieder und widersetzte sich auch offen den feindlichen Absichten. …
Wieder waren sie beisammen, hielten wütende Reden, als unter einer plötzlichen Eingebung, die sicher vom Gott der Barmherzigkeit kam, ein Kriegshäuptling aufstand, und seine Keule furchtbar schwingend ausrief: ‘Wer Missi töten will, muss zuerst mich töten, wer die Lehrer umbringt, muss vorher mich und meine Leute erschlagen… Als noch ein zweiter angesehener Häuptling sich ihm angeschlossen hatte, ergriff Furcht die Versammlung, und sie löste sich auf. Obwohl diese Häuptlinge zu unseren Feinden zählte, erinnerte ich mich, dass ich seinem Bruder einmal die Wunden verbunden hatte, und er war gesund geworden. Aber ich lege darauf nicht allzu viel Gewicht.
Es war der Herr, der für uns eintrat mit seinem Schutz, den wir in innigsten Gebeten, auf den Knien liegend, angerufen hatten.
Aber nur nach und nach legte sich die Erregung, unter der die armen Frauen sehr zu leiden hatten. …
Auf den Herrn vertrauend setzte ich zunächst alles dran, dies Schlagen der Frauen und das Erwürgen der Witwen abzuschaffen. Nach und nach gewann ich zehn Häuptlinge, die beides ihren Stämmen verboten. . . .
Als die Frau eines Häuptlings gestorben war, bat dieser, ihr ein christliches Begräbnis zu veranstalten. Ich bot ihm an, bei der Beerdigung zu beten, aber er lehnte es ab, mit der Begründung, dass dann niemand kommen würde, aber er wollte, dass alle Tannesen dieser ersten Begräbnisfeier beiwohnen sollten. Dem alten Häuptling Nowar, der sich längst zu mir hielt, erlaubte er, am Grab ein Gebet zu sprechen. Es waren wunderbare Empfindungen, die mich bei dieser Nachricht durchzogen: Ein Heide, dessen Glaube noch schwach war, rief am Grab einer Heidin den wahren Gott an! Die Lehre von der Auferstehung zog die Tannesen am meisten an. So wechselten Mutlosigkeit und Hoffnung in Beziehung auf Erfolg in uns. …
Es war aber eine schwere Arbeit, erschwert durch die Verstellung, die Verlogenheit und die Leidenschaft zur Dieberei. … Bei den meisten wurde nicht der Diebstahl als Vergehen angesehen, sondern ungeschickte Ausführung, die zur Entdeckung führte. …
Eines Tages, nach langem Regen, der alles durchfeuchtet hatte, bewachten die Lehrer und ihre Frauen unsere Bettstücke, die wir an der Sonne zum Trocknen aufgehängt hatten. Plötzlich erschien atemlos vom langen Lauf Miaki und rief: Missi, komm schnell, ich brauche Rat. Er rannte in meine Wohnung, ich folgte ihm, aber ehe er nacheinander Worte hatte sagen können, hörte ich die Frauen nach mir rufen. Als ich hinaus kam, sah ich Miakis Leute im nahen Wald verschwinden. Alle Decken und Tücher waren fort! Das alles hatte nur zwei Minuten gedauert. Miaki schlug einen Moment die Augen wie beschämt nieder, dann schwang er wütend seine Keule und rief: So will ich die Kerle bestrafen. Sie sollen alles zurück bringen. … Als ich ihn später sprach, versicherte er mir, nicht ein Stück gefunden zu haben. Natürlich war das eine Lüge, aber in ihren Augen ein guter Charakterzug. …
Einmal, in einer recht dunklen Nacht hörte ich, wie eine Bande meine Hühner und einige meiner Ziegen, von deren Milch ich größtenteils lebte, stahl. Ich hatte diese Tiere gegen Messer und Äxte von den Insulanern gekauft. Mögllcherweise ging es ihnen weniger um die Beute als um mein Erscheinen unter ihnen in der totalen Finsternis, wo man nicht mit Genauigkeit hätte feststellen können, wer mich erschlagen hätte.
Da kein Kamin im Haus war, obgleich ein wärmendes Feuer in der Regenzeit wünschenswert war, stand ein Häuschen nahe, auf dessen Herd ich meine Speisen zubereitete und wo wir das Geschirr aufbewahrten. Auch dieser Raum wurde eines Tages total ausgeleert. Alles Toben des Häuptlings brachte kein Stück zurück. Da ich mindestens den Wasserkessel brauchte, bot ich eine Wolldecke für diesen an. Kein Geringerer als der Kriegshäuptling Miaki brachte ihn mir …
Weil wir keine Möglichkeit hatten, uns zu widersetzen, ließen die Lehrer und ich alles über uns ergehen. Wir trugen es gern im Dienste unseres Herrn. …
Umzug
„Vierzehnmal hatte die Malaria mich niedergeworfen. … Der mir erteilte Rat war, mich in der Höhe anzusiedeln … Ich kaufte den Hügel, der ca. 400 Fuß hoch lag und ziemlich frei war von Sumpfmiasmen, soweit wie das hier überhaupt möglich ist. …
Mitten in diesen Vorbereitungen überfiel das Fieber mich wieder …
Mein treuer aneityumanischer Lehrer Abraham und seine Frau halfen mir den Berg ersteigen, auf dem allein stärkende Luft zu erhoffen war. Ich kroch mehr als ich ging, …, dann brach ich zusammen … und befahl meine Seele dem Herrn an. Als ich aus langer Ohnmacht erwachte, trugen die beiden mich auf die Höhe, bereiteten mir ein Lager aus Palmwedeln und brachten mir Kokosmilch, als endlich das Bewusstsein wiederkehrte … Die Eingeborenen hatten mich wohl aufgegeben, denn keiner von ihnen war während dieser Zeit zu mir gekommen, da sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt waren. …
„Während ich dann den Bau begann, waren wieder der alte Abraham und seine Frau mir Hilfe und Rettung. Mein Kräfte reichten nicht weiter, als Balken und Bretter zusammenzufügen. Ich fühlte mich unfähig, alles heraufzutragen, und sie taten es für mich. … Was Abraham, der wie sein Bruder auf Aneityum Kannibale gewesen war, mir in dieser Zeit an Hilfe und Wohltaten geleistet hat, übersteigt jedes Lob. … Ja, er war so ganz und gar ein neuer Mensch in Christus geworden. … und als ich zum Beten zu schwach geworden war, stärkten mich seine Gebete und erbauten mich, wie einst die meines Vaters.“
Weitere Missionsblätter aus Tanna
Seite 79:
„Meine Friedenspartei, die zwanzig Häuptlinge, hielten eine Zeitlang ihr Versprechen treu und fingen keinen Krieg an. Als aber acht von ihnen auf dem Rückweg von Stämmen im Innern der Insel, die sie in Frieden besucht hatten, ermordet worden waren, folgten sie dem Brauch und erklärten den Krieg …
Die Leute in meiner Nähe rieten mir, mich für einige Zeit zu entfernen. Die Feinde ließen mir jedoch sagen, ich brauche nichts zu fürchten. … Ich beschloss, einen Versuch zu machen, Frieden zu stiften und ging mit Abraham und einem anderen Lehrer zu den feindlichen Stämmen. Wir kamen durch verlassene Dörfer und Pflanzungen. Meinen Gefährten sank der Mut. Auch ich war in Sorge, wie es uns ergehen würde. In tiefem Schweigen und fortwährenden Bitten zu Gott um seine Hilfe legten wir den Weg zurück.
… Plötzlich stießen wir auf den ganzen versammelten Feind. Bei unserem Anblick griffen alle zu ihren Waffen. Ich betete mit voller Seele und rief ihnen laut in ihrer Sprache zu: ‘Ich grüße euch alle, Männer von Tanna. Fürchtet nichts, ich bin euer Freund. Ich liebe euch alle und komme, um euch zu erzählen, was Gott will und was ihm gefällt, dass ihr tun sollt.‘
Natürlich waren wir wie immer unbewaffnet. Ein alter Häuptling ging mir entgegen, nahm meine Hand und führte mich in die Mitte der Leute mit den Worten: ‘Setzt Euch zu mir und erzählt mir. Nach und nach werden die anderen auch keine Furcht mehr haben.‘
Einige rannten zu Tode erschrocken in den nahen Wald. Andere sprangen in wilder Freude herum mit dem Ruf: Missi ist gekommen, Missi ist hier. Die Aufregung wuchs von Minute zu Minute. Männer und Jünglinge, alle schrecklich bemalt, ihre geflochtenen Haare mit vielen Federn bedeckt, drängten sich von allen Seiten herbei. …
Nachdem wir eine Stunde verhandelt hatten, willigte der Häuptling in den Frieden ein. Die meisten stimmten ihm bei. Es wurde mir erlaubt mit ihnen zu beten und vom Heiland zu erzählen. Als wir uns zur Heimkehr anschickten, brachten sie als Geschenk zwei Hühner, Kokosnüsse und Zuckerrohr… Ich gab ebenfalls Geschenke wie Fischhaken, Hemden und noch einiges.
… Unsere Leute glaubten, dass wir bei diesem äußerst wilden Stamm erschlagen und verzehrt werden würden. Als sie uns mit Geschenken heimkehren sahen, trauten sie ihren Augen nicht. Es war jedenfalls ein ihnen unerhört erscheinender Vorgang. Der Frieden dauerte nur einige Wochen. …
… viel entmutigender noch war es, wenn ich dem Tun und Treiben eines Menschen entgegentreten musste, den ich nur mit dem tiefsten Gefühl der Schande als Landsmann anerkennen musste. Einer war Mr. Winchester, Kapitän eines Handelsschiffes. Er hatte die feste Absicht, meine Arbeit zu zerstören. Wenn er auf die Insel kam, verkaufte er vor allem Gewehre und Munition … Er hetzte die Hafenbewohner geradezu in einen grundlosen Kampf, nur um zu verkaufen. … Ich stellte dem Elenden wiederholt seine Sünde vor und seine Schande, die er auf das Christentum wälzen würde. Er lachte mir frech ins Gesicht und sagte: Friede passt mir nicht für mein Geschäft! Das war ein Blick in den Abgrund menschlicher Habgier. Ich war ihm gegenüber natürlich völlig machtlos. …
Als dieser Kampf begann, holte Häuptling Miaki seinen achtzehnjährigen Bruder Rarip aus meinem Hause, wo er sich sehr gerne aufhielt, denn er hatte sich mir angeschlossen. … Missi, ich hasse diesen Krieg, sagte er mir …
Obwohl Rarip bei mir bleiben wollte, riss Miaki ihn von mir fort, hin zum Kampf. … Schon eine der ersten feindlichen Kugeln traf den Jüngling, … So starb er in den Armen seines Bruders Miaki. ,.. Als ich zu der Leiche eilte, fand ich schon eine Menge Trauernder, die mit allen Arten von wilden Gebärden die Trauer um den Bruder des Häuptlings an den Tag legten: Frauen, teils auf der Erde sitzend, rauften sich die Haare, bemalten sich Gesicht und Arme schwarz, verwundeten sich mit Scherben. … Männer rannten mit den Köpfen gegen Bäume, schlitzten sich die Haut auf mit Messern, dass das Blut an ihnen herablief und schrieen ebenfalls. Mein Herz war tief betrübt, diese Zeichen eines Schmerzes zu sehen, für den sie keinen Trost zu finden wussten.
Ich holte ein Leintuch, um Rarips Leiche einzuwickeln und für das Grab vorzubereiten. Augenscheinlich war es den Eingeborenen wohltuend zu sehen, dass ich den Toten liebgehabt hatte. …
Bei der Beerdigung las ich aus dem Worte Gottes und betete mit einem vollen Herzen inmitten der unvergesslichen Auftritte. …
Der Krieg zog sich in die Länge, und die Verluste waren ungewöhnlich hoch. Nun begann die Rache des Volkes sich gegen den Händler und seine Mannen zu wenden. …
Schließlich floh er mit seinem Boot, als ein Handelsschiff vorbei kam und ihn aufnahm. Der durch ihn entstandene Krieg dauerte drei Monate. …
Während dieser Zeit hielt ich Sonntag für Sonntag unseren Gottesdienst, der von vierzig Personen besucht war, wobei der Häuptling Nowar der treuste war. …
Eines Tages starb einer der Zauberer, der von einem giftigen Fisch gebissen wurde. …
Man war eben mit der grausigen Zeremonie beschäftigt, die der Erdrosselung seiner zwei Frauen vorhergehen sollten, als ich in das Dorf kam. Es gelang mir durch Bitten und Erklärungen, die beiden Todgeweihten zu retten, und jeder solche Fall, wo sie bereit waren, von ihren schrecklichen Gebräuchen Abstand zunehmen, machte mir Mut, dass diese mit der Zeit verschwinden würden.
Eines Morgens zu früher Stunde sah ich das Haus von vielen Bewaffneten umringt. Ein Anführer sagte mir klipp und klar, sie seien gekommen, um mich zu töten. Ich sah, dass ich völlig in ihrer Gewalt war. Von einer Verteidigung gegen so viele konnte keine Rede sein. Ich kniete nieder, übergab in heißem Gebet Jesus Leib und Seele, wie ich dachte, zum letztenmal, und trat dann unter die Männer. Ruhig setzte ich ihnen auseinander, wie wenig gut sie an mir handelten und dass ich ihnen allen nie etwas zuleide getan hätte. … Plötzlich sagte der Anführer: ‘Ihr habt Recht. Wir handelten schlecht an Euch. Nun aber wollen wir für Euch kämpfen und alle töten, die Euch hassen.‘
Mit Gewalt musste ich die Hand des Häuptlings halten, um meinetwegen niemand zu töten, weil Jesus uns gelehrt hätte, auch unsere Feinde zu lieben und ihnen Gutes zu tun. Mehrere schlichen während unserer Unterhaltung fort. Die Bleibenden versprachen, uns freundlich gesinnt zu bleiben. …
Aber wieder einmal beschloss eine allgemeine Versammlung, uns die Wahl zu lassen, ihnen entweder nichts mehr vom Herrn zu sagen oder getötet zu werden. Wir könnten mit ihnen Waren austauschen und dann bleiben, da sie uns gern hätten, aber ich dürfte nichts mehr über unseren Gott lehren. Ich erwiderte, ich sei hier nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Liebe zu ihnen, aus Mitleid mit ihren verdunkelten Seelen. Da trat ein Häuptling vor, der in Sydney gelebt hatte und Englisch sprechen konnte. Er hielt dann folgende Rede: ‘Missi, unsere Väter liebten und beteten den bösen Geist an, den ihr Teufel nennt. Wir sind entschlossen, das gleiche zu tun, denn wir lieben die Wege unserer Väter. Missi Turner kam und störte unsere Anbetung, aber unsere Väter besiegten ihn, und er floh. Sie besiegten auch Peta, den Lehrer aus Samoa, so wie wir den Fremden töteten, der vor euch hier war. Wir haben auch die Lehrer aus Aneityum gemordet und ihre Häuser verbrannt. Nach jeder Tat war es gut in Tanna. Wir lebten wie unsere Väter, und Tod und Krankheit verließen uns. Jetzt sind meine Leute entschlossen, euch umzubringen, denn wir wollen nichts von euren Sitten und eurem Gott wissen‘.
Dann rief er einige seiner Leute in seine nächste Nähe – es waren solche, die in Australien gewesen waren – und fuhr in bitterem Ton fort: ‘Die Leute in Sydney gehören zu Eurem Britannien. Sie wissen so gut wie Ihr, was Recht ist und was Unrecht, und wir alle haben sie am Sonntag fischen, kochen arbeiten und sich vergnügen gesehen, wie an jedem anderen Tage. Ihr sagt, wir sollen am Sonntag nicht arbeiten. Ihr selbst kocht das Wasser zum Tee, wie die ganze Woche. Wir haben die Leute in Sydney tun sehen, was Ihr Schlecht nennt, was wir aber lieben. Ihr seid nur einer, sie sind viele. Sie haben Recht, so müsst Ihr Unrecht haben! Ihr lehrt Lügen über Euren Gott und seinen Willen!‘
Ich hatte bei der Erwiderung leider zuzugeben, daß die große Menge den Befehl Gottes nicht beachtet und den Sonntag zum Vergnügen benutzt. Aber ich sagte, dass auch Tausende ihm auch hierin gehorchen und wahre Diener ihres Herrn seien. Bei den so oft wechselnden Stimmungen dieses Volkes konnte es geschehen, daß jene, die mit offen ausgesprochenem Mordvorsatz zu mir gekommen waren, nun doch in Gespräche über die höchsten Dinge eingingen und mir aufmerksam zuhörten, wie ich ihnen den Segen schilderte, den die Bibel in alle Länder bringt und dass sie später meinem Gebet für sie still lauschten.
Aber schon wenige Tage später, als viele Eingeborene bei mir waren, erhob einer seine Axt wütend über meinem Kopf. Ein Häuptling der Kaserumini schlug sie ihm aus der Hand und rettete mich vom Tode. Ein Leben unter solchen Gefahren ließ mich immer näher und enger dem Heiland anschließen. Ich wusste ja nie, ob nicht im nächsten Augenblick der Hass wieder hervorbrechen würde und mich ums Leben bringen würde. Ich lernte täglich meine schwache Hand fester in die einst durchbohrte zu legen, und Ruhe und Frieden erfüllten meine Seele trotz allem.
Schon am nächsten Tag folgte mir ein Häuptling mit seiner Flinte fast vier Stunden lang, bei allen meinen Gängen, meiner Arbeit im Hause oder draußen. Oft erhob er die Waffe zum Schuss. Aber meines Gottes Macht hat die Hand zurückgehalten von der Tat. Ich sprach freundlich mit dem Mann, verrichtete dabei meine Arbeit, als wenn er nicht anwesend wäre. . . Diese wunderbaren Errettungen stärkten meinen Glauben mächtig und machten mich bereit für kommende Gefahren, die sich aneinanderreihten. Ohne die unumstößliche Gewissheit der Gegenwart und Macht unseres Erlösers würde ich sicherlich den Verstand verloren haben und elend umgekommen sein. Seine Worte: ‘Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende‘ wurden eine solche Wirklichkeit für mich, dass ich mich kaum erschreckt haben würde, wenn ich den Herrn auf mich herabschauend gesehen hätte wie Stephanus. . . .
Eines Nachts erwachte ich dreimal durch die Versuche eines Häuptlings, mit seinen Leuten mein Haus zu erbrechen. Obgleich mit Flinten bewaffnet, fehlte ihnen doch der Mut, weil sie das Gefühl von Unrecht hatten. . . . Am nächsten Tag sagten sie, mit Spießen sei gegen mich nichts zu machen. Das beste wäre, sie würden das Haus anzünden und uns beim Entfliehen mit Keulen zu erschlagen . . . Aber auch hier half uns der Herr. Der Plan wurde einem Lehrer mitgeteilt, und als man. bemerkte, dass wir Wache hielten, schlossen sie, dass ihre Absicht uns bekannt sei. . . .
Namuri, einer der Lehrer, wurde eines Morgens durch einen Kawasaki, einen Mordstein, schwer verwundet. Der Angreifer, ein sog. Priester der Tannesen, schlug den Niedergesunkenen noch wiederholt mit der Keule, . . . der taumelnd unser Haus erreichte, worauf die Verfolger abließen . . .
Seine schweren Verletzungen heilten nur langsam. . . . dann verlangte er seine Arbeit wieder, aber ich bat ihn, sich noch zu schonen. . . worauf er antwortete: ‘Missi, wenn ich die Unglücklichen nach meinem Blut dürsten sehe, erkenne ich mich selbst in ihnen. Ich wollte den ersten Missionar auch töten. Wäre er aber fern von uns geblieben, so wäre ich heute ein Heide . . ., derselbe Gott kann auch die armen Tannesen erleuchten, dass sie ihm dienen . . . Ich kann nicht fern von ihnen bleiben, Missi!‘
Er kehrte unter seine Leute zurück . . ., aber eines Morgens, während er mit ihnen betete, schlug ihn der gleiche Heidenpriester mit der Keule und ließ ihn für tot liegen. Alle flohen, und so blieb Namuri länger ohne Hilfe liegen . . . bis er sich endlich bis zu mir schleppte, indem er sagte: ‘Missi, ich sterbe . . .‘, ich verband seine Wunden und betete mit ihm . . . Er war ganz ruhig und beklagte seine Schmerzen mit keinem Wort, sondern wiederholte stets: ‘‘Für Jesus! Um meines Jesu Willen!‘. ‘Herr, bringe alle Tannesen dazu, dich zu lieben und dir zu folgen!‘, wiederholte er oft, bis er den letzten Atemzug tat. Ihm war Jesus alles in allem . . . Klein und niedrig mag der Mann von der Welt geachtet werden, aber ich wusste, dass ein guter Diener des Herrn im Kampf für ihn gefallen war . . .
Es gab auf dieser Seite der Insel nur heiße Quellen, und in der heißen Zeit brauchte das Wasser Tage, um abzukühlen und trinkbar zu sein. . .
So gelang es mir, in 12 Fuß Tiefe gutes kaltes Wasser zu finden. . . .
Den Insulanern schien es ein wahres Wunder, ‘dass Regen von unten herauf käme‘. . . . Von der Zeit an versorgten sich alle an meinem Brunnen . . .
Nun verwandte ich längere Zeit zum Bau eines Hauses, das als Schule und Kirche dienen sollte . . .
Wachsende Gefahren
Während ich eines Tages an meinem Haus arbeitete, erschien der Kriegshäuptling mit einer Menge bewaffneter Leuten. Sie beobachteten mich eine Weile, dann erhoben alle das Gewehr, auf meinen Kopf zielend. Entfliehen war unmöglich! Hätte ich gesprochen, so würde es die Gefahr vergrößert haben. Das Sehen verging mir, dessen erinnere ich mich deutlich. Dann betete ich inbrünstig zum Heiland, er möge mich beschützen, oder mich zu sich in sein Reich nehmen. Als meine Augen ihren Dienst wieder taten, versuchte ich weiterzuarbeiten, als ob niemand in meiner Nähe wäre. . . . Sie entfernten sich, und ich blieb zurück mit wieder neuem Grund, ihm in allem für Zeit und Ewigkeit zu vertrauen.
Aber die Gefahren schienen nun von allen Seiten zu kommen. . . .
Ich musste vorsichtiger werden, und so konnte ich an manchen Tagen mein Haus oder Garten nicht verlassen . . . Denn ich habe stets geglaubt und halte heute noch daran fest, dass wir Gottes Schutz für unser Leben nur dann erwarten dürfen, wenn wir selbst jedes erlaubte und mögliche Mittel zu diesem Zweck anwenden. . . .
Der Häuptling Nowar blieb mir treu, und ihm konnte ich am meisten trauen. Er fehlte nie beim Gottesdienst, begleitete mich mit mehreren anderen auch stets auf meinen Wegen in die landeinwärts gelegenen Dörfer zum Gottesdienst und wehrte dabei mehr als einmal Gefahren von mir ab. Dieser Nowar verabredete sich mit anderen Häuptlingen, ein großes Fest zu Ehren Gottes , den sie von nun an allein anbeten wollten, zu veranstalten. Es war die größte Versammlung, die ich auf Tanna gesehen habe. Als alle versammelt waren, holten mehrere Häuptlinge meine Lehrer und mich ab. Vierzehn Häupter von Stämmen redeten nach und nach zu der Menge, und zwar schlugen sie vor, daß niemand mehr durch Nahak getötet werden sollte, denn die Zauberei sei eine Lüge. Ihre Priester sollten nicht länger behaupten, dass sie Wind und Regen, gute Jahre und Missernten, Krankheit und Tod zu senden oder abzuwehren imstande seien. Alle Anwesenden sollten den Dienst Gottes aufnehmen, wie der Missionar sie gelehrt habe, und die verbannten Stämme sollten aufgefordert werden, wiederzukehren und bei ihnen wohnen.
Diese Reden riefen nicht die leiseste Entgegnung unter der großen Menge hervor. . . . Aber die Tannesen sind von einem unzuverlässigen und wankelmütigen Charakter. Es war sicher, dass sie durch entgegengesetzte Einflüsse ebenso rasch wieder ihren alten Göttern sich zuwenden würden.
Den Reden folgten eine Reihe heidnischer Zeremonien, die mir Entsetzen einflößten. Sie bezogen sich auf die ungeheuren Speisevorräte, die man angehäuft hatte. In zwei langen Reihen aufgestellt hielten die Männer anfangs tiefes Schweigen inne, dann folgten unter Niederknien und Aufstehen die entsetzlichsten Töne, Schreien und Stöhnen. Nachdem sie dies dreimal getan hatten folgte ein geradezu wahnsinniger Gesang, darauf allgemeines Händeschütteln und nochmals eine Rede von Nowar. Dann ging es an das Austeilen der Speisen. . . . Darauf nahten sich Nowar und Nerwangi, als Leiter des Ganzen, zu mir und meinen Lehrern, und Nowar sprach: ‘Wir halten dieses Fest, um den Krieg aufzugeben, Freunde zu werden und euren Gott anzubeten. Wir wünschen, dass ihr bei uns bleibt und uns gute Sitten lehrt. … als Dank, bringen wir euch diese Speisen‘.
Ich erwiderte der ganzen Versammlung, dass es mich erfreut, ihre Versprechen, und bat sie herzlich, daran festzuhalten . . . dann ging ich in ihre Mitte, legte ein Bündel roten Baumwollstoff, einige Messer und Fischhaken und dergleichen dort nieder und ebenso die uns gebrachten Speisen, und indem ich die Häuptlinge bat es unter die Stämme zu verteilen, sagte ich, es sei ein Zeichen unserer Liebe zu ihnen allen.
Aber man drang in uns, die Speisen zu behalten. Ich musste ihnen nun erklären, dass wir für die Speisen zwar dankbar sind, aber es unmöglich sei, sie zu genießen, da sie ihren Götzen geweiht seien, ja sogar dem bösen Geist Karapanamun. Christen würden nur den Segen des lebendigen Gottes auf sich und ihre Speisen herab erbitten . . . Doch dankte ich ihnen für den guten Willen ebenso, als ob ich die Speisen genommen hätte, womit sie auch ganz befriedigt schienen . . .
Es folgten nun Tänze mit Hintergrundmusik aus Händeklatschen und Singen. . . Zum Schluss fand noch ein Austauschen von Kleidungsstücken statt . . . Wenn man nun diesem Geben und Nehmen zusah, konnte man die Leute für einander freundlich gesinnt halten. Das waren sie auch, doch nur für die Dauer des Festes. Die alten Fehden blieben unvergessen. Die Rachsucht war nicht ertötet in diesen Herzen und musste über kurz oder lang wieder zu bösen Kämpfen führen.
Ich hatte nun in sechs Dörfern an der Küste Stationen mit Lehrern aus Aneityum besetzt . . . Aber sobald Unruhen ausbrachen, mussten sie zu mir flüchten. Doch die Schwierigkeit ihrer Lage trugen diese Lehrer, die teilweise selbst noch Kannibalen gewesen waren, mit großer Geduld und wirklicher Selbstverleugnung. Keine irdischen Einflüsse hätten diese Wirkung bei ihnen erzielen können. Das konnte nur die Gnade Gottes tun. . . . Am hellsten leuchtete der neue Geist in meinem Abraham…
. . . Als nach einer gewissen Zeit wegen eines alten Streites neue Kämpfe ausbrachen, ging ich in ihr Lager um Frieden zu stiften. Drei heidnische Priester erklärten mir offen, sie wollten nichts von meinem Gott hören. Sie seien mächtig, und könnten mich mit Nahak, das heißt Zauberei, töten, wenn sie nur ein Stückchen einer Frucht, von der ich gegessen hätte, erhielten. Letzteres ist die wesentliche Bedingung ihrer Schwarzen Kunst und zugleich die Ursache, warum die Eingeborenen keine Speisereste liegen lassen. . . . Da dieser Aberglaube die weitaus häufigste Ursache für allen Streit ist, gedachte ich einen Schlag dagegen zu führen. …
.
Eine Frau hatte einen Zweig mit Pflaumen in der Hand. Ich erbat drei und biss hinein, gab aber die angebissenen Früchte den ‘weisen Männern’ mit den Worten: . . . ihr habt alle gesehen, dass ich von den Früchten gegessen habe. Ich behaupte, dass eure Priester mich nicht töten können, denn sie haben keine Macht über mein Leben.
Die Eingeborenen erstarrten vor Schreck, sie sahen mich schon vernichtet . . . Und liefen, wie immer, vor Angst davon. Ich aber blieb, um die Zauberpriester zu beobachten.
Unter allerlei Zeremonien wickelten sie die Pflaumenreste in Blätter eines ‘heiligen Baumes‘, der in der Nähe stand, und formten eine Art Kerze, die sie unter Murmeln anzündeten. Dabei warfen sie mir Blicke zu, in der Hoffnung, dass die Wirkung schnell eintreten würde. . . . Nach längerem Bemühen sagten sie, sie brauchten Hilfe von mehreren Priestern . . . ‘wir wollen Missi töten, bevor sein Sonntag wiederkehrt‘, sagten sie. Ich rief laut: ‘wenn ich am Sonntag gesund in euer Dorf komme und zu meinem Gott bete, so werdet ihr alle zugeben, dass eure Götter mir nichts anhaben können und dass ich im Schutze des wahren Gottes stehe‘.
Die Woche verstrich in großer Erregung. Von nah und fern waren die Zauberer gerufen. Die Kauris, große Muscheln, wurden geblasen und bezeugten, dass man bei der Arbeit sei. Ab und zu kamen einzelne Götzendiener, um zu sehen, ob ich noch lebte.
Als ich am Sonntag mit dem Friedensgruss unter die Leute trat, waren Massen von Menschen versammelt und kein Laut war zu hören. Ich sagte: ‘Meinen Gruss euch allen, Freunde. Ich bin gekommen, um euch von meinem Gott zu erzählen und für euch zu ihm zu beten.‘
Die drei Zauberer gestanden offen ein, dass sie den Nahak unablässig versucht hätten, und antworteten mir, ich sei selbst ein geweihter Mann. Und weil mein Gott stärker sei, hätte er mich beschützt. Jawohl, rief ich aus, mein Gott ist stärker als eure Götter. Er ist der alleinige wahre Gott. Eure Götter können nicht hören, der meine kann es. Er will auch euer Gott und Beschützer, sein, wenn ihr auf ihn und sein Wort hören wollt.
Ich setzte mich anschließend auf einen Stein und begann meine Erzählungen vom Herrn. Zwei der Zauberer setzten sich ebenfalls. Der dritte Zauberer griff zu seinem Speer und erhob ihn gegen mich. Ich sagte daraufhin zu den Leuten: Natürlich kann er mich mit seinen Waffen töten, aber er hat mich doch durch Zauberei umbringen wollen und versprach, seine Waffen nicht zu gebrauchen. Wenn ihr jetzt erlaubt, dass er mich ersticht, so tötet er einen, der euer Freund ist und euch nur Gutes tun will.
Der Mann lief wütend umher und beschimpfte die Menge, diese aber rückte so nahe an mich ran, sodass er seinen Speer nicht auf mich werfen konnte.
Schließlich konnte ich doch heimkehren, aber der wütende Mann erschien die kommende Woche erneut bei meinem Haus und bedrohte mich. Aber Gott hielt seine Hand, sodass er seine Waffe nicht warf.
Aber eine Anzahl anderer Menschen kam treu zu den Gottesdiensten und hatte ihre Freude an der Belehrung aus dem Wort Gottes.
Kapitel 19: Tiefere Schatten
Seite 113 bis 137
Nach zwei Jahren Arbeit auf Tanna trugen einige Ereignisse dazu bei, dass die Lage sich zuzuspitzen begann.
Einer der Sandelholzhändler brüstete sich Paton gegenüber, er würde den Insulanern auf ganz subtile Weise den Garaus machen. Er hatte vier erkrankte junge Leute in verschiedenen Häfen Tannas ausgesetzt, die das für die Naturvölker todbringende Masernvirus in sich trugen.
„Über alle Maßen empört protestierte ich gegen solche Schändlichkeit und erhielt die Antwort: ‘Unsere Parole ist – diese Geschöpfe vertilgen, damit der Weiße sich des Landes bemächtige.‘ In solchem teuflischen Geiste hatten sie auch einen jungen Häuptling, Kepuku, den Schützer von Mr. und Mrs. Mathieson, durch Verspechen eines Geschenkes auf eines ihrer Schiffe gelockt. An Bord hatten sie ihn vierundzwanzig Stunden ohne Nahrung gelassen und ihn in den Raum gesperrt, in dem Masernkranke lagen. Dann hatten sie ihn wieder auf die Insel gebracht, wo er schwach noch zu seinem Stamm zurückkehren konnte. Er hatte in der Missionsstation Mr. Mathieson erzählt, was ihm geschehen war und glaubte, die Krankheit schon in sich zu fühlen. Ich schäme mich einzugestehen, dass diese Sandelholzhändler meine Landsleute waren. . . .
Die Krankheit verbreitete sich rasch und trat in ihrer schlimmsten Form auf. In manchen Dörfern lagen fast alle, so dass kaum jemand zu finden war, der den Fiebernden einen Schluck Wasser bringen konnte. Die Furcht wuchs so unter den armen Menschen, dass sich fast niemand fand, der mir beim Begraben der Leichen helfen wollte. Von meinen Lehrern waren allein schon dreizehn Personen hingerafft worden. Die Überlebenden waren von Schreck und Angst so gelähmt, dass, als der kleine Missionsschoner John Knox in Port Resolution landete, alle nach Aneityum zurückkehrten, mich und meinen alten treuen Abraham ausgenommen.
Abraham glaubte, die ganze Station würde aufgelöst, und auch ich würde die Insel verlassen. So kam er mit seinen wenigen Habseligkeiten an den Hafen. Als er sah, dass ich blieb, sagte er: Missi, wir sind jetzt in großer Gefahr! Wollt Ihr nicht mitkommen? Oder soll ich bleiben? Würdet Ihr es gerne sehen, wenn ich bei Euch bliebe? – Ja, Abraham, erwiderte ich, ganz gewiss behielte ich Euch sehr gerne in meiner Nähe. Aber die Umstände sind derart, dass ich Euch nicht darum bitten kann. – Dann bleibe ich aus freier Wahl, Missi, antwortete Abraham, und ich bleibe gerne. Wir wollen zusammen arbeiten, solange wir auf Tanna am Leben bleiben. Mit diesen Worten legte der gute Mann sein Bündel auf die Schulter und ist in allen späteren Schicksalen treu an meiner Seite gewesen!
Ehe die Epidemie unter den Tannesen verbreitet worden war, hatten Mr. Copeland und ich begonnen, auf der Nordseite der Insel eine Station zu gründen. . . .
Aber diese Krankheit vernichtete alle unsere Hoffnungen. Die Wut der armen misshandelten Bewohner kehrte sich ebenso gegen uns wie gegen ihre Feinde – waren ja doch auch wir Weiße. Selbst meine Arzneien, die doch früher gern und sogar von den Feindlichsten in der Not begehrt worden waren, wurde nun nicht mehr angenommen. . . . Im Fieber taten sie die unsinnigsten Dinge . . . Viele sprangen einfach ins Meer, nur um Abkühlung zu finden. . . .
Unvergesslich bis zum letzten Atemzug bleibt mir der 1. Januar 1861. Mr. Johnston, seine Frau, Abraham und ich, hatten uns erneut vor Gott versprochen, im Dienst auszuhalten im Dienst auf den Neuen Hebriden, und fühlten uns im Glauben gestärkt. Als die Johnstons nach dem Abendgebet zu ihrem 12 Fuß entfernten Häuschen gingen, kehrte er zurück, um mich zu benachrichtigen, dass zwei mit Keulen Bewaffnete unter meinem Fenster ständen. Auf meine Frage, was sie wollten, sagten sie, Medizin für einen kranken Jungen! Da ihre Gesichter nicht umsonst geschwärzt waren, behielt ich sie ständig im Auge. Als beide nach ihrem Killingstone, einem steinernen Totschläger griffen, sah ich sie mit festem Blick an und sagte, sie müssen sich sofort entfernen. Meine Entschlossenheit überraschte sie, so dass sie tatsächlich gingen. Mr. Johnston war vorausgegangen. Er hätte nur wenige Schritte zu seiner Wohnung gehabt, aber er bückte sich, um ein Kätzchen aufzuheben, das aus meiner Wohnung entwischt war. In diesem Augenblick schlug der nachfolgende Eingeborene mit der Keule auf ihn ein. Sie wollten ihn nochmals schlagen, aber unsere beiden treuen Hunde sprangen ihnen ins Gesicht und vereitelten den Schlag. Da die Hunde nicht nachließen, flüchteten die Übeltäter. Den Fliehenden schloss sich eine Menge anderer an, die sich im Gebüsch versteckt hatten.
Mr. Johnston war lange Zeit sehr erregt, und ich habe den von Natur aus fröhlichen Mann von dem Moment an nie wieder lächeln gesehen. Er sagt mir am nächsten Morgen: Ich kann immer nur sagen: Schon am Rande der Ewigkeit. . . .
Mr. Johnston sah von Tag zu Tag elender aus, da er fast garnicht schlief. Als er sich bei mir Laudanumtropfen holte, ein pflanzliches Beruhigungsmittel, konnte er endlich länger schlafen.
Am dritten Tag kam Frau Johnston zu mir, sie könne ihren Mann nicht aufwecken. Trotz meines hohen Wundfiebers schleppte ich mich an Mr. Johnstons Bett. Er wachte dann auf, aber der Betäubungszustand kam dann wieder, und nach zwei Tagen hatte er ausgelitten. Seine Frau und ich empfanden den Verlust aufs schmerzlichste. . . .
Mrs. Johnston kehrte mit dem ersten Schiff nach Aneityum zurück, wo sie für drei Jahre die Mädchenschule übernahm. … Später heiratete sie Mr. Copeland und brachte den Rest ihres Lebens mit ihm auf Fotuna zu, wo beide mit größtem Eifer ihre Missionsarbeit verrichteten.
Für mich war Mr. Johnstons Tod ein schwerer Verlust. Er schien ganz und gar der Mann zu sein, der durch seine Gesundheit geeignet war, dem Klima zu widerstehen . . .
Während der drei Wochen, die er nach dem Überfall am Neujahrstag noch lebte, war er von Grund auf verändert. … Unser Umgang war besonders für mich, den schon Jahre hindurch Vereinsamten eine große Freude gewesen und ich vermisste ihn sehr.
– Nicht verloren – nur vorausgegangen! –
Eine andere traurige Begebenheit muss ich erwähnen. Kowia, ein tannesischer Häuptling hohen Ranges, war in seiner Jugend nach Aneityum gekommen, er hatte dort eine christliche Frau geheiratet und war nun wieder nach Tanna heimgekehrt und stellte sich entschieden auf meine Seite. Er bot mir an, als Lehrer unter mir zu arbeiten, was ich dankbar annahm. Auch für Abraham waren eine große Hilfe. … Die Stammesgenossen jedoch bedrängten ihn, Gott aufzugeben. …
Meine Verwundung am Bein warf mich aufs Krankenlager . . .
Eines Tages, als ich nach längerer Bewusstlosigkeit wieder zu mir kam, saß Kowia an meinem Lager. Er begann mir von allem zu erzählen, was geschehen war, seit ich krank lag. „Missi, sagte der treue Mensch, alles ist tot. Wenn ich auch sterbe, wer wird Euch die Kokosnüsse vom Baum holen? Wer wird Euch kühles Wasser bringen? Aufs tiefste gerührt durch die Äußerungen eines ehemaligen Kannibalen lag ich da, konnte kaum sprechen.
Da kniete Kowia nieder und ich hörte ihn beten: O mein Heiland Jesus! Missi Johnston ist tot, du hast ihn in dein Reich aufgenommen. Missi Paton ist schwer krank. Ich bin krank. O Herr, willst du deine Diener und dein heiliges Wort ganz wegnehmen aus diesem dunklen Land? Die Tannesen hassen dich, lass sie nicht in der Finsternis…, und mache Missi Paton gesund, damit Tanna gerettet werde.
Das war Arznei für mich, und ganz langsam erholte ich mich wieder. … Wenige Tage später kam Kowia wieder und sagte: Missi, ich bin zu schwach, ich werde sterben. Ich komme, um Abschied von euch zu nehmen. Ich werde bald bei Jesus sein.
Er kniete an meinem Bett und wir beteten aus tiefstem Herzen füreinander und für Tanna.
Dann sagte er: Missi, wir sehen uns bei Jesus wieder.
Auf Abraham gestützt ging er zu seiner Frau und starb. . . .
So starb ein Mann, der einst Kannibale und Häuptling der Kannibalen gewesen, aber durch die Gnade Gottes zu einem wahren Christen geworden war. Er starb wie er gelebt hatte, seit Jesus in seinem Herzen wohnte. Kowia beschämt alle Verächter der Mission. Ich verlor in ihm einen meiner besten Freunde.
Indem ich hiermit die schreckliche Zeit der Epidemie abschließe, will ich noch erwähnen, dass ein Drittel der Bevölkerung Tannas wegstarb. Nicht besser war es auf den übrigen Inseln der Gruppe. Natürlich benutzten die Holzhändler die Erregung der Bewohner wieder gegen die Mission . . .
Im März 1861 suchten zudem noch furchtbare Orkane die Insel heim…
Durch den Tod eines Kindes von Miaki, dem Kriegshäuptling, wurden wieder Menschenopfer veranlasst. Da diesem Kind ‘vier Seelen zur Bedienung mitgegeben werden mussten‘, wurden ebensoviele getötet. Auch wir waren wieder Gegenstand der Verfolgung. Tagelang mussten wir uns in unserem einzigen bewohnbaren Raum verschanzen, während die Wütenden draußen meine Hühner und Ziegen töteten und Feuer anzulegen versuchten. Was anderes als Gottes Barmherzigkeit hielt sie ab, in das leicht zu erbrechende Stübchen einzudringen. Wir konnten nur beten – und Gott erhörte und schützte uns.
Um diese Zeit befiel den uns freundlich gesinnten Häuptling Nowar die Furcht, dass er seine Sympathie für uns mit dem Leben bezahlen musste. Er kam, mich zu bitten, zu beschwören, die Insel zu verlassen. Ich lehnte es ab, worauf Nowar böse wurde, seine Kleider ablegte und sich bemalte wie früher. Auch kam er nicht mehr zum Gottesdienst. Einige Wochen später reute es ihn, er trug wieder Kleidung und er kam wie zum Gottesdienst.
Doch 1861 brachte noch ein schreckliches Ereignis. Es war der Märtyrertod der Gordons auf Erromanga, der nächsten Insel zu Tanna.
Im Jahre 1857 hatte Pastor Gordon seine Arbeit dort begonnen und erfolgreich gewirkt. Eine nicht geringe Zahl junger Leute waren Christen geworden. . . , aber auch hier wütete der Orkan und die Händler brachten die Leute gegen die Missionare auf.
Zwei Männer baten Mr. Gordon um Arznei, als er an seinem neuen Haus beschäftigt war. Auf dem Weg zum alten Haus glitt beim Durchwaten eines Baches Mr. Gordons Fuß aus. Im Straucheln wurde er von rückwärts durch die Tomahawks der beiden niedergeschlagen und der Kopf abgetrennt. Die ringsumher Versteckten kamen aus ihrem Hinterhalt hervor und zerhieben die Leiche unter wüstem Geschrei in Stücke. Mrs. Gordon trat aus dem Haus, als sie den Lärm hörte. Quben, einer der Mörder, rannte zu Gordons Haus und erschlug mit seinem Tomahawk Mrs. Gordon . . .
Das war das Schicksal der zwei treuen Diener ihres Herrn! Liebe spendend während ihres ganzen Lebens, im Tod nicht getrennt, erhielten sie die Krone der Märtyrer zu gleicher Zeit, um gemeinsam den Heiland zu schauen.
Nur wenige Tage später brachte ein Händler auf seinem Schiff eine Anzahl Bewohner von Erromanga nach Tanna. Sie beriefen die Häuptlinge und forderten sie auf, ihrem Beispiel zu folgen und die Mathiesons, die Lehrer, Abraham und mich aus dem Weg zu räumen. Dann wollte sie nach Aneityum ziehen und dort ebenso handeln und so die Hebriden von den verhassten Christen ganz befreien. Unsere Häuptlinge wiesen, durch den Allbarmherzigen gehalten, dieses Anerbieten zurück, und die Leute kehrten verärgert nach Erromanga heim. Aber ohne Wirkung blieb die Besprechung nicht. Schon am nächsten Tag drangen zahlreiche Insulaner in unsere Station ein um uns das Vorgefallene zu erzählen und um die Tat zu rühmen.
Auf allen Inseln halten die Leute den Tod nicht für einen natürlichen Vorgang, sondern stets für die Folge von Nahak, also Zauberei. Stirbt jemand, so wird so lange darüber gesprochen, bis sie den Schuldigen gefunden zu haben glauben, und dann bestimmen sie den ein oder anderen, den Tod durch Blut zu rächen. Aus Rache dafür entstehen dann immer wieder die neuen Kämpfe.
Miaki, der Kriegshäuptling, kam wiederholt und warf mir und dem Dienst unseres Gottes alles Unglück vor, das die Insel betroffen hatte. … Das Beispiel der Erromanganer wirkte zu stark. Mord und Menschenopfer seien in Tanna erlaubt und keine Sünde . . .
Es war schwer, in einer solchen Lage das Richtige zu wählen. Von so vielen Feinden umgeben, konnte es scheinen, es sei das Rechte, die Insel zu verlassen. . . . Aber ich kannte nun einmal die Sprache und hatte einen gewissen Einfluss gewonnen. Hinzu kam, dass mehrere aufrichtig mir in der christlichen Lehre anhingen. Fortgehen hieße alles preisgeben. Deshalb beschloss ich zu bleiben und mit Gottes Beistand weiterzuarbeiten. . . .
Zu dieser Zeit hatte ich Gelegenheit zwei Weißen das Leben zu retten. Das Schiff eines Händlers hatte Anker geworfen, und Kapitän und Steuermann waren gelandet. Sie hatten Briefe für mich, durften aber nicht zu mir gehen. Sie wurden umringt, und als ich der Botschaft zu kommen folgte, fand ich die beiden in der Mitte von vielen, die ihre Speere erhoben hatten und sie bei der geringsten Bewegung durchbohren wollten; denn das Schiff war eines von jenen, die die Masernkranken gebracht hatten, und die Eingeborenen waren entschlossen Rache zu nehmen. ‘Ihr, Missi, und diese‘ schreien die Bewaffneten mir zu, ‘habt uns diese Pest gebracht. Wenn Ihr Euch nicht mit diesen Männern sofort einschifft, töten wir Euch alle‘. Fest und doch liebevoll erwiderte ich: ‘Ich kann und will Euch so nicht verlassen. Ermordet Ihr uns, dann wird Gott Euch aufs neue strafen. Ihr wisst, ich habe Euch viel Gutes getan … und jetzt lasst diese Leute auf ihr Schiff zurückkehren‘. Diese hatten sich auf mein Zeichen während der Debatte unbemerkt entfernt. Die Briefe an mich durften sie mir nicht übergeben, da eine andere Pest darin enthalten sein könnte. Aber man ließ sie ihr Schiff ungefährdet erreichen, sogar Miaki rief: ‘Lasst sie. Tötet sie heute nicht‘. … Dafür sollten Abraham und ich noch vor dem Abend getötet werden. Diesmal war es Häuptling Nowars Einspruch, der uns nach Gottes Willen rettete …
Die Rache für die vier bei dem Tod von Häuptling Miakis Kind Geopferten war Ursache neuer Kämpfe. … Nowar kam wieder einmal, uns zu bitten, die Insel zu verlassen, da die für den Augenblick gebändigte Kriegswut sich gegen uns und ihn wendete. In der Tat, waren wir jede Nacht von einer blutgierigen Menge umgeben. Einmal verjagte sie mein wertvoller Hund, der einzige, der mir noch geblieben war, da sie den anderen schon früher erschlagen und gegessen hatten. . . .
Der Nahrungsmangel infolge der Zerstörungen durch die furchtbaren Orkane wurde nun so groß, dass man von einer Hungersnot sprechen konnte. …
So besorgte ich ihnen ein Netz zum Fischfang, welches ich reihum an die Dörfer verlieh. . .
Eine Pflanze muss ich besonders erwähnen. Es ist eine Dioscoria, der Kartoffel ähnlich, die ungewöhnliche Dimensionen erreicht. Bei meiner Ernte hatte ich welche von 40 und mehr Pfund…
Im Ganzen wuchs die Freundlichkeit unter den Leuten, weil das, was ich für sie tat, ihnen begreifbarer war als das, was ich sie zu lehren versuchte. Ich fand für Bezahlung mit Messer und Äxten und Decken eine Menge Leute, welche mir bei der Wiederherstellung meiner Wohnung usw gern und ordentlich halfen. Dadurch boten sich umso reicher die Gelegenheiten, auf die Leute zu wirken, und die Zahl derjenigen, welche sonntags zum Gottesdienst kamen, wuchs in dieser Zeit. Unter ihnen waren Miakis Frau, zwei Söhne und neun Häuptlinge
Miaki war darüber sehr erbost und ließ bald die Verfolgungen wieder beginnen. Einmal konnte ich nur gerade noch ein Feuer löschen, das man an mein Häuschen gelegt hatten. Ein andermal brachte er mir selbst einen Fisch zum Kauf, den Nowar noch sah, ehe ich ihn zubereitete. Nowar sagte, dass er giftig sei und sie niemanden retten könnten, der von dieser Art Fisch gegessen habe. …
Ich hoffte nun wirklich, das Schlimmste überwunden zu haben. Die Leute wurden zutraulicher und taten ihre Arbeit trotz Miakis Zorn und hörten die Botschaft, die ich ihnen zu bringen hatte. Eines Abends freilich zeigte mir ein auf meine Tür abgefeuerter Flintenschuss, dass ich noch stets von Gefahr umgeben war…
Miaki war und blieb die Seele des Widerstandes. Eines Tages kam Nowar und sagte: ‘Missi, Ihr und Abraham müsst uns verlassen. Miaki wird einen großen Sturm machen und jedes Kriegsschiff vernichten‘. Er hatte kaum ausgeredet, als die Nachricht kam, es sei der John Knox in Sicht und hinter ihm zwei große rauchende Schiffe. Ich konnte es nicht lassen, Nowar zu sagen, es sei nun an der Zeit, dass Miaki den Sturm mache. Die Leute, welche Nowar begleitet hatten, entflohen in Schreck und Angst. Nowar aber sagte, das mit dem Sturm ist eine Lüge. Aber sie wollen Euch und mich töten, das ist die Wahrheit. Meine Antwort war: ‘Traut dem Herrn, der uns wieder beschützt. Diesmal durch die Schiffe‘. …
Commodore Seymor, Kapitän Hume und Dr. Geddie landeten. Sie drangen in mich, die Insel mit ihnen zu verlassen… Aber auch jetzt konnte ich mich nicht dazu entschließen. Die beiden Stationen und alles, was bisher geschehen und erreicht war, wäre ja verloren gewesen. Und das Schicksal derer, die mir anhingen, war besiegelt, wenn ich den Rücken drehte. Ich wusste, auf welch entsetzliche Art man Rache an ihnen nehmen würde. Nein, ich konnte noch nicht gehen. …
Aber ich bat, mit den zu versammelnden Häuptlinge ein ernstes Wort zu reden, und das tat der Commodore. Die Leute erklärten offen, gegen mich hätten sie nichts. Aber sie wollten von dem Gott der Christen nichts hören. Der Commodore, den ein Häuptling aus Aneityum übersetzte, ließ sich das Versprechen geben, daß sie mich fortan als ihren Wohlltäter beschützen wollten. . . .
Der Commodore lud einige ein, die Schiffe zu besehen… und ließ einige Kanonen abfeuern. …
Ich war ihm für sein Bemühen dankbar. .. aber ich wusste auch, wie schnell die Tannesen alles vergessen würden. … Geändert werden konnten diese in Dunkelheit lebenden Menschen nur durch Gottes Gnade. . .
Miakis Eindrücke des Geschehenen waren von kurzer Dauer. . . So wechselten Licht und Schatten, aber die letzteren wurden dunkler und schwärzer.
Kapitel 10. Abschiedsbilder
Seiten 138 bis 180
Die Flucht aus Port Resolution
„Eine Zeit größter Erregung war wieder einmal eingetreten. Krieg, und diesmal ein langer heftiger Kampf.. Sämtliche Arbeit ruhte, und es zeigten sich die schlimmsten Eigenschaften der Leute. Diesmal war die friedliche Missionsstation der Gegenstand, über den man sich ereiferte und es sollten sich dabei so manche Rachegefühle der einzelnen untereinander kanalisieren. Miaki und Nouka sagten: Wenn ihr Missi behalten wollt, so nehmt ihn auf euer Gebiet. Jan, ein Häuptling aus dem Inland schrie ihnen wütend entgegen: Wohnt denn Missi nicht auf seinem Land? Es gehört doch ihm, er hat doch richtig bezahlt. Wir wollen Frieden, wir wollen, dass Missi uns lehrt, was er von Gott weiß, – ihr wollt den Krieg. Gut, so werden wir kämpfen. Wir werden Missi auf unserem Boden beschützen. …
Die Tannesen reden viel, und sie gefallen sich darin. Sie halten eine Versammlung nach der anderen, die jedesmal in heftigen Drohungen endete. Zu letzten Besprechung hatten sie auch mich eingeladen. Ja, der Häuptling, kam, um mich abzuholen. Der große Festplatz war zur Hälfte von Miaki und seiner Partei besetzt. Die andere Hälfte füllten Jans Anhänger. Alle waren stark bewaffnet. Mein Beschützer trat vor seine Leute, mich mit sich führend. Missi, schrie er, das sind meine Leute, die da drüben sind eure Feinde. Missi, sag nur ein Wort, ne die Musketen meiner Leute werden allen Widerstand vernichten. Aber ohne Euren Willen schießen wir nicht. Wenn ihr Euch weigert, werden sie Euch töten… ‘Ich liebe euch alle gleich’, sagte ich laut, ‘ich will doch alle den Weg zum Himmel zeigen, und wie ihr schon hier in Frieden leben könnt. . . . ‚‘
Mit lauter Stimme, damit es jeder hören konnte, rief ich: ‘Ja, ihr könnt mich erschiessen. Aber dann mordet ihr euren besten Freund, der euch nur Gutes wlll. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, ihr sendet mich dadurch nur früher zu meinem Gott, den ich liebe und dem ich diene, und der mich zu euch sandte, um euch von seiner Liebe zu allen Menschen zu erzählen. Wenn ihr aber mich, seinen Boten tötet, so wird er euch nicht ohne Strafe lassen. Meine Liebe gilt ich allen‘.
Dann wandte ich mich zum Gehen. Jan aber rief: Missi, sie werden euch und uns töten, und ihr tragt daran die Schuld.
Miaki und Nouka, die stets voll Falschheit waren, riefen nun: ‘Missi hat Recht. Lasst uns ihm gehorchen. Lasst uns seinen Gott anbeten‘. . . . Auch der alte Sirawia, ein Unterhäuptling von Jans Partei, sagte: ‘Wir wollen Missi in Frieden dort wohnen lassen, den er wohnt auf unserem Land…‘
Miaki erwiderte nichts, sondern ging in sein Dorf, um Nahrungsvorräte zu holen, die sie Jan und seinen Leuten als Zeichen des Friedens überbrachten. Die Gegengeschenke von Jan nahm Miaki an und gab gute Versprechungen für die Zukunft. . . .
Auf dem Heimweg sagte Jan zu Abraham: ‘Sagt Missi, er wohnt jetzt auf unserem Boden, und wir werden Euch beschützen‘ . . .
Da wandte sich die Wut Miakis gegen Jan, weil nun er mich beschützen wollte. Sie machten ihren Nahak, ihre abscheulichen Zaubereien, und sonderbarerweise erkrankte Jan heftig, als er davon gehört hatte. Ich schrieb es der Wirkung des Aberglaubens und dem Schrecken über die Nachricht zu, aber sein Zustand wurde so schlimm, die Schmerzen, die ihn peinigten und der Verfall des Körpers und der Kräfte waren groß, dass ich an eine Vergiftung zu glauben begann. Sein Bruder holte mich eines Tages zu ihm. Ich hatte ihn schon wiederholt besucht und durch ärztliche Behandlung getan, was ich konnte. . . . Nachdem ich mit Jan gebetet hatte, sah ich, dass wir beide allein geblieben waren. Schon bei meiner Ankunft war mir aufgefallen, dass im Dorf fast kein Mensch zu sehen war. Das bedeutete nichts Gutes.
Jan sprach mich an und sagte, ich solle ihm erzählen . . . Darauf schien er in eine Art Schlummer zu versinken. Plötzlich jedoch griff er in das Dach seiner Hütte, und zog aus dem trockenen Zuckerrohr ein großes Messer, wie es bei uns die Schlachter gebrauchen, und hielt es zitternd vor meine Brust. Ich konnte mich nicht rühren sondern betete laut zu Gott um seinen Schutz. Ein paar angstvolle Momente vergingen, nachdem ich schwieg: Dann warf Jan das Messer von sich und rief: ‘Fort, fort, schnell‘.
Im nächsten Augenblick war ich draußen. Auch jetzt sah ich niemanden. Ich begriff, dass alles verabredet war. Kein Mensch sollte Zeuge der Tat sein, so dass man, falls ein Kriegsschiff käme, sagen konnte, der Mörder sei tot – denn Jan lag im Sterben – und niemand sonst wäre daran beteiligt gewesen. Wirklich starb der Arme am zweiten Tag darauf. Seine Leute erwürgten zwei seiner Frauen und versenkten sie im Meer.
Miaki triumphierte, dass er seinen Feind durch Zauberei aus dem Weg geräumt hatte. Der Fall trug viel dazu bei, den Aberglauben wieder zu befestigen. Die Rächer wiederum wurden von Sirawia angeführt. Darauf erwiderte Miaki: ‘Ich werde sie durch Stürme vernichten‘.
Unglücklicherweise brach gleich darauf wieder einer jener furchtbaren Orkane aus, die diese Inseln häufig heimsuchen, und richtete große Verheerungen an. Das steigerte die Wut gegen Miaki, dass meine Bitten um Frieden gar nichts nützten.
Beide Parteien bestanden auf der Entscheidung durch die Waffen.
Beide Parteien sagten mir, dass Abraham und mir nichts geschehen soll, wenn wir auf der Station blieben. Was von solchen Versprechungen zu halten war, sollten wir bald erfahren.
Am 18. Januar 1862 begannen die Kämpfe. Miaki zog sich zurück und suchte Schutz gerade hinter unserem Haus und in dem Busch, der dahinter war. So war die Station bald der hauptsächliche Ort der Schlacht geworden. Nowar setzte sich wieder für uns ein und schützte uns. Aber ein Speer verwundete ihn schwer am Knie, und seine Leute konnten ihren Häuptling nur mit Mühe vor den Feinden sichern. Wer in deren Hände fiel, musste damit rechnen, kannibalischen Auswüchsen zum Opfer zu fallen.
Nachdem Nowar weggetragen war und uns nicht mehr beschützen konnte, richtete sich die Wut der Kämpfenden gegen die Station. Sie zerschlugen die Türen mit ihren Keulen, schossen im Hause und darum herum, zerrissen meine Bücher, und jeder schleppte weg, was er ergreifen konnte und ihm gefiel. In Abrahams Hütte geschah dasselbe. . . .
Abends ging ich zu Miaki und Nouka. Nouka gestand mir, dass Miaki alles angestiftet hatte und diese Leute für den nächsten Tag wieder bestellt hatte. Miaki fragte höhnisch: ‘Missi, wo war denn Gott heute? Er hat Euch nicht beschützt. Das sind lauter Lügen, und wir fürchten ihn nicht mehr. Die Leute werden Euch doch töten und in jedem Dorf von Tanna soll ein Stück von Euch verzehrt werden‘. ‘Nun‘, antwortete ich, ‚wenn ihr solche Pläne mit mir hattet, so hat mich mein Gott doch sehr wunderbar beschützt, denn sonst würde ich ja nicht lebendig vor Euch stehen‘. . . .
‚Die Leute von Erromanga haben die Gordons getötet und niemand hat sie bestraft. So werden wir Euch morgen töten und uns nehmen, was Ihr noch besitzt‘. . . .
Ich sandte nun Abraham zu Nowar, der uns daraufhin versprach, dass wir in seinem Dorf Schutz finden würden. … Da wir auf dem Wege aber Miakis Dorf passieren mussten, war äußerste Vorsicht angesagt. Wir wagten nicht einmal Licht anzuzünden, und so rafften wir im Dunklen das Wenige zusammen, was wir tragen konnten. Ich fühlte den Verlust von allem, was ich besaß, härter als ich dachte, aber da Gott es zugelassen hatte, versuchte ich mich darein zu finden. . . .
Noch vor Tagesanbruch, blies Miaki ein Signal auf einer der großen Muscheln und schon strömten ganze Haufen von Eingeborenen herbei. Nun zu bleiben, wäre der sichere Tod gewesen. Man hätte es Gott versuchen nennen müssen. Solange wie irgend möglich hatte ich ausgehalten, immer noch hoffend, eine Sinnesänderung bei den Insulanern erwirken können zu können. Jetzt war es meine Pflicht, zu versuchen, ob wir das Leben retten könnten. Ich rief meine Treuen und unter flehentlichem Gebet um Gottes Schutz verließen wir eilends unsere Station. …
Alles blieb zurück, nur meine Bibel und meine Notizen . . .
Auf großen Umwegen, denn wir durften nicht der Küste entlang gehen, sondern mussten uns durchs Dickicht schleichen, kamen wir zu Nowar. . . . Alles war hier in Aufregung, weil der Strand schon von weitem gesehen mit einer großen Menge vorrückender Feinde bedeckt war. . . .
Als die endlosen Mengen von tobenden und schreienden Wilden näher und näher kamen, rief Nowar: Missi, es nützt nichts hier zu bleiben. Wir werden heute alle getötet und gegessen. Die Leute hier waren mehr als verzweifelt, viele warfen sich verzweifelt auf die Erde, andere reannten mit dem Kopf gegen Bäume, manche liefen ins Meer, soweit sie Grund unter den Füssen hatten . . .
Der verwundete Nowar, der das alles sah, sagte: ‚Missi, setzt Euch neben mich und betet zu Eurem Gott; denn wenn der uns nicht hilft, so sind wir alle tote Leute. Betet, ich werde beobachten‘.
Wir beteten, wie man nur in solchen Momenten und am Rand der Ewigkeit stehend beten kann. Und wir fühlten wieder, wie so oft, die Nähe des Herrn. Wir wussten, er ist allmächtig und würde das tun, was in seinen Augen das beste ist. — Als die Krieger etwa fünfhundert Schritt entfernt waren, berührte Nowar mich leise und sagte: Missi, Gott hört. Sie stehen alle still.
Als ich aufblickte, bemerkte ich, dass die Masse haltgemacht hatte. Es war ganz still dort drüben. Man sah einen Boten an der Menge entlanglaufen, und es schien, als würde er etwas bestellen. Zu unserer größten Überraschung kehrten die Leute um und marschierten auf einen Wald zu. Nowar und seine Leute waren in freudiger Aufregung und wiederholten immer wieder: Gott hat Missis Gebet gehört. Er hat uns alle beschützt.
Wir waren an jenem Tag Gottes schwache verteidigungslose Kinder, die seiner Macht voll und ganz vertrauten.
Eine Botschaft von Miaki an uns lautete, dass wir in Ruhe heimkehren könnten. Wir wussten, daß es eine Falle war, in der wir gefangen werden sollten. . . . Schon am nächsten Tag brachen sie unser Haus auf und raubten den Rest . . .
Am Abend sagte Nowar mir: ‚Missi, Ihr könnt hier nicht länger bleiben. Sie töten uns alle‘.
Er riet mir Mr. Mathiesons Station zu erreichen. Als es ganz dunkel war, sollte ich, von seinem Sohn geleitet, zu einem alten Kastanienbaum gehen, der Nowar gehörte. Auf diesem sollte ich mich verbergen, bis der Mond aufgehen würde.
Ganz in den Händen dieser Leute, blieb mir nichts übrig, als Nowars Willen zu tun. Die Stunden, die ich in den Ästen verbrachte, leben in mir, als sei es gestern gewesen. Ich hörte aus der Ferne das Geschrei der Krieger, ich hörte Flintenschüsse, und doch ruhte ich da oben wie in den Armen Jesu. Nie ist mir mein Heiland näher gewesen, als in jener Nacht auf dem Baum, wo ich innig mit ihm sprach. Allein und doch nicht allein!
Kurz nach Mitternacht kam Nowars Sohn, um mich zu holen. Am Strand wartete Nowar, der ein Boot für mich gemietet hatte, das ich mit Baumwollstoff bezahlt hatte. . . .
Ein Eingeborener, noch ein halber Junge, setzte sich ans Steuer, wir anderen nahmen die Ruder. . . . Doch als wir um eine vorspringende Spitze fahren mussten, war die See in höchstem Aufruhr und wir hatten furchtbar zu arbeiten. ‚Missi, sagte der Junge, das Meer verschlingt uns. Es verschlingt alle, die sich ihm anvertrauen‘! ‚Wir vertrauen nicht dem Meer, erwiderte ich, wir vertrauen auf Gott und unseren Herrn Jesus!‘
Nach längerem Kampf legte Abraham das Ruder weg und sagte: ‚Missi, es geht nicht. Wir sind verloren und Futter für die Haifische. Wir hätten uns ebenso gut von den Tannesen essen lassen können!‘
‚Bleibt auf euren Posten‘, rief ich. ‚Abraham, wo ist Euer Glaube an Jesus? Er regiert die Fluten wie das Land. Abraham, betet und rudert. Blickt nicht um euch, sondern nur auf die Ruder, und betet, Gott rettet uns. . . .‘
Mit unsäglicher Mühe und Todesgefahr gelang es uns, das Boot zu wenden, und nach noch vierstündigem Rudern erreichten wir wieder den Ort, wo wir uns vor fünf Stunden eingeschifft hatten.
Durchnässt und die Hände wund traten wir unter die Leute, die herbeigelaufen waren, als sie das Boot kommen sahen. Katasian, der Bursche, floh gleich landeinwärts und hat leider sein Leben bald nachher verloren, da man ihm nicht verzieh, dass er sich zu uns hielt…
Dann trat Faimungo heran, ein Häuptling, der öfters zu unseren Gottesdiensten gekommen wa … Ihm folgten wir, da er in die Richtung zu Mr. Mathiesons Station gehen musste. Bald stießen wir auf Bewaffnete Miakis. Als diese Leute die Flinte anlegten, rief Faimungo: ‚Nein, heute dürft ihr Missi nichts tun, er ist bei mir. . . .‘
Bald erreichten wir einen Dorfplatz. Und schon sah man einen Trupp Feinde herankommen, alle bewaffnet und förmlich berauscht von den Taten der letzten Tage. . . .
Es begann, was ich so oft erlebt hatte, einer spornte den anderen an, zuerst zu schiessen. Ich sah ihnen fest in die Augen und sagte so ruhig wie möglich: ‘Mein Gott wird euch bestrafen, wenn ihr mich oder einen seiner Diener tötet‘.
Eine steinerne Waffe verfehlte meinen guten Abraham nur um Haaresbreite. Sein Blick nach oben, mit dem er sagte: Missi, ich war nahe daran, zu Jesus zu gehen, bleibt mir unvergesslich. Kurz darauf verfehlte ein Keulenschlag sein Ziel. Sie stachelten sich ständig gegenseitig zum ersten Schuss an. Meine Seele wendete sich in heißem Gebet zum Heiland – ich wusste, er sah alles. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich nicht früher sterben würde, bis Gott meine Arbeit für beendet hielt. Tiefer Friede erfüllte mich, umringt von Feinden.
Und dennoch sage ich nicht, dass ich in diesen Momenten ganz ohne Furcht gewesen wäre. Nein, oft schwindelten die Gedanken, meine Knie zitterten und Hören und Sehen konnten mir schon vergehen, wenn ich dem Tode so nahe war…
Faimungo brach zum Heimweg auf, und wir folgten ihm dicht. Aber die Feinde brachen nun auch auf und rannten, bewaffnet, neben uns her. Wieder konnte ich alles nur dem Herrn übergeben… Als wir einen Bach zu passieren hatten, glitt ich am jenseitigen Ufer aus. In diesem Augenblick hörte ich in den Zweigen über meinem Kopf das Geräusch eines Wurfsteines…
Meinem Gott dankend kroch ich die Böschung hinauf und versteckte mich eilends im nahen Dickicht. Schweigend blickten die Eingeborenen, die ihr Ziel mit dieser scharfkantigen Waffe mit größter Sicherheit treffen, nach mir. Sie mussten den Schutz erkennen, in dem ich stand, denn sie warfen mir keinen Wurfstein mehr nach…
Der Durst quälte uns entsetzlich. Wir kamen an Bächen vorüber, durften aber nicht daran denken zu trinken. Der Augenblick, in dem man sich gebückt hätte, wäre eine sichere Versuchung für ihre Mordlust gewesen, ja, der sichere Tod…
Schließlich näherten wir uns der Station Kwamera. Hier erhielten wir von den Eingeborenen, die sich zu Mr. Mathieson hielten, eine Kokosnuss — die ersten Tropfen Flüssigkeit nach den dauernden Strapazen bei glühender Hitze an diesem Tag…
Mr. Mathieson eilte uns entgegen. Er hatte uns schon tot geglaubt, da die Gerüchte der Aufstände auch zu ihm gedrungen waren. Die Mathiesons waren in sehr schlechter körperlicher Verfassung und wirkten äußerst bedrückt. Sie hatten soeben ihr einziges Kind begraben! Die Gefahr, in der ihre Station schon immer geschwebt hatte, konnte nun durch die Ereignisse in Port Resolution nur größer werden. Wir beteten um Beistand und dankten dem Herrn, dass wir nun zusammen und gemeinsam aushalten durften – so lange wie möglich. . . .
. . . In Port Resolution gingen zwischendurch einige Kapitäne an Land. Wir hofften, dass wir von irgendeinem nach Aneityum. mitgenommen würden, – gegen Bezahlung, wie wir in Briefen an sie, die Nowar ihnen übergab – mitgeteilt hatten. Doch da sie auch etliche Sachen, die uns geplündert wurden, gegen ihrerseits Tabak, Pulver und Kugeln eingetauscht hatten, zogen sie es vor, uns nicht mitzunehmen. Wir wären ihnen wohl gerade bei solcher Ladung unbequeme Gäste gewesen.
1. In Kwamera
In Kwamera begann Paton neu sein Tagebuch zu führen, nachdem das erste verloren gegangen war.
„Am 22. Januar 1862 hörten wir, dass wieder drei von Manumans Leuten getötet worden waren. Von dem einen hörte ich kurz vor meiner Flucht bei Nowar die Worte: ‘wenn so viele Kinder hier getötet werden, warum sendet ihr mitnichten eins? Sie sind zarter als junge Hühner‘. Eine solche Äußerung läßt einen Blick in das Herz der Kannibalen tun.
Am 23. Januar versprachen drei Häuptlinge Mr. Mathieson und uns allen Schutz, bis ein Schiff uns holen wütet. Wir hatten aber oft genug die Erfahrung gemacht, wie wenig man sich auf das Versprechen der Tannesen verlassen darf.
24.1. Neue Berichte über entsetzliche Bluttaten Miakis an Manumans Leuten. Auch ließ er sich von fast allen Häuptlingen versprechen, dass sie keinen von uns verschonen wollten.
Sonntag, 26.1. Es kamen etwa dreissig Personen in unseren Gottesdienst. Nachher beteten wir noch in den uns am wenigsten freundlich gesinnten Dörfern mit denen, die sich zu Mr. Mathieson hielten, und verkündeten Gottes Wort etwa hundert Personen. Es war eine Aussaat in Tränen und Angst, und doch, – trotz allem was später geschah – wer wollte darüber urteilen, dass es ganz umsonst war?
Jetzt, 20 Jahre später, steht in diesem Gebiet von Tanna eine Kirche, in der Gott Lob und Preis auch von den früheren Kannibalen gebracht wird. –
Auf dem Heimweg an jenem Sonntag entrannen wir nur durch Gottes Barmherzigkeit den Keulenschlägen eines Kannibalen, und entschlossen uns, nun nicht mehr auf größere Strecken vom Missionshaus entfernen zu wollten.
Am 27. 1. fuhr ein Schiff vorüber. Trotz unserer Signale kam der Kapitän nicht in den Hafen. Es war einer von denen, die uns kannten … .
Am 31. kam Faimungo zu uns mit Nachrichten über Miakis sich ausweitende Anschläge gegen uns. Auch Manumans Sohn Raki erzählte, was seine Familie erleiden musste. Rakis Frau war vor Miaki zu ihrem Vater, ein Häuptling, geflohen. Auch dorthin war Miaki gedrungen und hatte den Vater gezwungen, die Tochter auszuliefern. Vor seinen Augen wurde sie erschlagen und dann verzehrt.
Dritten Februar. 32 Mann kamen zum Gottesdienst. Nachmittags wagten wir uns doch in einige Dörfer…
Abends müde ins Bett. Fest geschlafen. Da zerrte mein treuer Hund Clutha mich vorsichtig an der Kleidung, und ich weckte Mr. Mathieson ebenso leise. Licht durften wir ja keines machen, und so knieten wir im Finstern nieder und übergaben uns in die Hand des Herrn. Nun wurde es hell im Zimmer. Männer mit Fackeln gingen auf das Haus zu. Andere zündeten die Kirche an und einen Rohrzaun. In wenigen Minuten musste auch das Haus in Flammen stehen und wir beim Hinauslaufen in die Hände der Wütenden fallen. Ich griff zu meinem ganz unbrauchbaren Revolver und einem kleinen amerikanischen Tomahawk und bat Mr. Mathieson, mich hinauszulassen, und die Tür wieder zu schließen. Er sagte wiederholt: Bleiben sie hier, sterben wir zusammen! . . . Ich sagte: Schnell, schnell, lassen Sie mich. Ich bin auch draußen in Gottes Hand. Brennt das Haus erst, rettet uns nichts mehr!
. . . Draußen schlug ich mit dem Tomahawk den brennenden Zaun auseinander und warf die brennenden Teile zurück ins Feuer, so dass das Feuer unser Haus nicht erreichen konnte. Plötzlich umringten mich etliche Eingeborene und schwangen ihre Keulen, indem sie schrien: Tötet ihn, tötet ihn. Einer griff nach meinem Arm. Ich erhob den Revolver mit den Worten: Wagt es, mich anzutasten. Gott wird euch bestrafen. Er beschützt uns und straft euch, weil ihr ihn hasst und seine Kirche verbrennt. Wir lieben euch alle, und obwohl wir euch nur Gutes tun, wollt ihr uns töten. Aber unser Gott ist hier und beschützt uns…
Sie heulten vor Wut und feuerten einander an, den ersten Schlag zu führen, aber der Unsichtbare ließ es nicht zu. Ich stand unter seinem starken Schild … und die Flammen erreichten das Wohnhaus nicht.
In diesem furchtbaren Augenblick trat ein Zwischenfall ein . . . den ich als das direkte Eingreifen Gottes zu unserer Rettung sehe. Ein Brausen, wie vom Rollen einer schweren Lokomotive ertönte vom Süden her. . . . Ein Wunder geschah: Der Südwind trug die Flammen der Kirche vom Wohnhaus weg … Ein Regenguss, wie es ihn nur in den Tropen gibt, machte es nun völlig unmöglich, das Haus anzuzünden!
Das heulende Brausen des Taifuns ließ die Krieger rasch verstummen. Die Gebrüll war in tiefes Schweigen verwandelt. Dann sagten sie: Das ist Gottes Regen. Ihr Gott hilft ihnen. Lasst uns fliehen. . . .
Mr. Mathieson öffnete die Tür und rief: wenn Gott je Hilfe in der Not war, so war er es heute. Gelobt sei sein heiliger Name in Ewigkeit.
In Ehrfurcht und Freude dankten wir ihm gemeinsam. Jesus hat Macht über die Natur und über die Herzen der Menschen.
Den Rest der Nacht lag ich wach. Schon am nächsten Morgen kamen einige unserer Anhänger laut weinend mit der Nachricht, die Wut gegen uns sei durch das gescheiterte Unternehmen noch gestiegen. Die Feinde stachelten sich mit Geschrei gegenseitig auf, wieder einen Angriff gegen uns zu machen. Ihr Gebrüll drang bis zu uns und die uns treuen Eingeborenen flohen dem Wald zu, sobald die Scharen sichtbar wurden. Da, in dem Augenblick der höchsten Gefahr, ertönte der Ruf: Ein Schiff.
Wir waren in einem Zustand, in dem man kaum noch den eigenen Sinnen zu trauen wagt. Aber wieder und wieder ertönte der Ruf: Schiff. Schiff. Er pflanzte sich vom Strand aus fort. Jetzt erreichte er die wütenden Haufen vor uns, dessen Toben leiser und leiser wurde, bis er sich auflöste. Und wirklich – ein Schiff näherte sich der Insel. Wir zündeten Holz an, und befestigten ein weißes und ein schwarzes Tuch auf dem Dach, um Kapitän Hastings Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. – Es war aber unnötig, denn Hastings war von Dr. Geddie gesandt worden, um uns zu holen, falls wir noch lebten. Es begleiteten ihn 20 Bewaffnete. Diese Leute halfen, die gepackt Sachen in die Kähne zu bringen…
Als wir fertig waren zum Einschiffen, sagte Mr. Mathieson plötzlich, er wolle in Tanna bleiben und hier sterben. Seine Frau und ich könnten uns retten. Er schloss sich in sein Zimmer ein und war erst nach langer Verhandlung dazu zu bewegen, die Tür zu öffnen und sich mit uns einzuschiffen. Wahrscheinlich handelte es sich um eine plötzlich eintretende geistige Störung durch die furchtbaren Aufregungen der letzten Monate.
Mittlerweile war es Abend geworden und die Dunkelheit der Tropen brach herein, während wir mit schwer beladenen Booten dem Schiff zusteuerten. Wir fanden es nirgends. Es war seewärts abgetrieben worden. Es blieb nur, das nächste Licht anzusteuern, und das war Port Resolution. Es war wieder eine Nacht voller Gefahr und Not, aber auch hier schützte uns der Herr. Vorsichtshalber blieben wir am Tage auf dem Meer in unserem offenen Boot, einer glühenden Sonne ausgesetzt.
Natürlich waren wir bemerkt worden, und so kamen Nowar und Miaki in einem Boot zu uns. Nowar brachte uns Kokosnüsse…, und Miaki forderte mich treuherzig auf, ins Missionshaus zu kommen, um meine Sachen zu holen. Es wäre alles unberührt.
Als er sah, dass ich nicht in die Falle ging, prahlte er mit der Plünderung und fluchte uns und unserer Lehre, die alle Krankheiten und den Tod bringen würde und die verbietet, was ihre Freude wäre, nämlich den Kannibalismus. …
Gegen fünf Uhr kam endlich das rettende Schiff in Sicht, und wir konnten nun auf Aneityum endlich sicher schlafen und vor allem Gott danken für eine unzählige Reihe von Rettungen…
Mrs. Mathiesons zarte Gesundheit war völlig untergraben worden… und sie starb schon im März 1862, kaum fünf Wochen nach ihrer Flucht aus Tanna. Schon im folgenden Juni starb auch Mr. Mathieson. Beide waren voller Hingabe für ihre Aufgabe, aber ihre Gesundheit war den Einflüssen des Klimas und den psychischen Belastungen eines Lebens unter Kannibalen nicht gewachsen.
Nur wer unter den Kannibalen gelebt hat, kann begreifen, was für ein unbeschreiblicher Segen es ist, dass nun durch Gottes Gnade sein heiliges Wort auch hier verkündet wird und die Menschen zu Menschen gemacht hat.
Nowar und Manuman sind noch lange angefeindet worden, weil sie nicht in diese Greuel zurückfielen. Aber auch Sirawia und Faimungo sind alt geworden und haben noch gelebt, als die Kriege alle aufgerieben hatten, die zu meiner Zeit dort waren. Als es später gelang, das Christentum in Tanna einzuführen, hielten sich diese Männer zu den neuen Missionaren und betrachteten sich auch als Christen. Allerdings blieb ihre Erkenntnis sehr schwach und ihre Standfestigkeit gering.“
Teil 3. Reisen. Ein neuer Weg – ein neues Arbeitsfeld
In Aneityum überlegten die Missionare gemeinsam, wie es weitergehen sollte. Außer seiner Bibel hatte Paton nichts retten können.
Seine Gesundheit war in einem derart schlechten Zustand, dass eine spätere Missionsarbeit in der Südsee in Frage gestellt sein würde, wenn er sich nicht zuerst erholte.
So kamen alle überein, dass Paton vorerst nach Australien gehen sollte, um dort für die Mission auf den Neuen Hebriden zu werben.
Um die Inselgruppe der Neuen Hebriden wirklich zu evangelisieren, mussten mehr Missionare und mehr Unterstützung eingesetzt werden.
Die Geschehnisse auf Tanna hatten zur Folge, daß in Australien durch Patons Berichte eine Welle des Interesses ausgelöst wurde. So wurden allein zwei neue Missionsschiffe angeschafft und unterhalten.
Ein Missionar nach dem anderen wurde von Australien ausgesandt – eine Insel nach der anderen für den Herrn gewonnen. Die Tränensaat auf Tanna führte zur Ernte auf den Neuen Hebriden. Für Paton hatten sich neue Wege aufgetan…
Australien
„Ein Sandelholzhändler, der nach Sydney absegeln wollte, nahm mich für 10 Pfund Sterling mit. Er erwies sich an Bord als ein brutaler und wilder Geselle, der typische gott- und gewissenlose Händler auf jenen Meeren. Er schlug seine Männer oft im Zorn, seine Frau, eine Eingeborene, war nicht viel besser. Das Essen war oft ungenießbar, mein Lager war zwischen den Sandelholz Stämmen, … Tag und Nacht in meinen Kleidern…
Zwei Insulaner waren ebenfalls an Bord. Man kann ruhig von Sklaven sprechen, den oft wurden diese armen Menschen an den Meistbietenden weiter verkauft. . . Das Schicksal der Insulaner war, dass die gewissenlosen Händler den Missionaren zuvorgekommen waren. Die gleiche Beobachtung machte er bei den Ureinwohner Australiens, den Aborigines. Auch hier waren die Siedler und Händler schneller als die Missionare. Nirgends konnte Paton bessere Studien über den Untergang eines nicht missionierten Volkes in der Berührung mit einer angeblich „christlichen“, aber in Wirklichkeit materiell gewordenen Zivilisation machen, als bei den Aborigines.
Paton rief die Australier in die Verantwortung. Er predigte in den Gemeinden von der geistlichen Not der Inseln Melanesiens. … Seine Erlebnisberichte rührten die Herzen vieler Christen Australiens an… Um diese Zeit erreichte Paton die Nachricht vom Tod der beiden Mathisons. Nun waren nur noch vier Missionare auf den Inseln. . . .
Sollte Paton nun auch nach Schottland gehen, um neue Diener für das Werk des Herrn zu rufen?
Reisen in Australien – Die Aborigines
„Die Reisen in Australien waren 1862-63 noch nicht so leicht wie heute. Straßen gab es nur in der Nähe größerer Städte. . . .viele verirrten sich…
Das Land, das erst seit einigen Generationen überhaupt von Weißen besiedelt wurde, war noch voll im Aufbau. Aber er fand an allen Orten Interesse und erwachendes Bewusstsein für die Mission unter den Kannibalen der Südsee.
Aber auch diese Reisen gingen nicht ohne lebensbedrohende Situationen ab. Paton aber vertraute dem , der ihn ausgesandt hatte und ihn jetzt leitete.
Wiederholt begegnete er bei seinen Fahrten den Ureinwohnern des Landes. Ihnen galt die ganze Verachtung der Neusiedler, die die nomadisierende, primitive Lebensart der Aborigines ablehnten. Paton beobachtete, wie das wehrlose Volk immer mehr in die Ecke gedrängt wurde. Die australischen Christen hielten es schlicht für „nicht evangelisierbar“. Ein renommierter Kanzelredner verkündete: „Die Schwarzen Australiens sind nicht imstande, das Evangelium zu verstehen . Alle Versuche, ihnen Kenntnis vom wahren Gott beizubringen, sind fehlgeschlagen. …Arme Tiere in Menschengestalt, müssen sie wie Tiere vom Erdboden nach und nach verschwinden.“
John Paton sah weiter, dass der größte Feind auch hier mit den Weißen zu ihnen gekommen ist, – der Branntwein. . . .
Paton versuchte, den religiösen Kult der Aborigines zu erkunden. Als er ihnen polierte Steine von Tanna zeigte, (die dort verehrt wurden) fand er starke Reaktionen bei den Eingeborenen. . . . Die Götzensteine bewiesen ihm: Ehe die Europäer hier eindrangen, waren die Ureinwohner des Landes keine Tiere, die an einen Gott nicht glauben lernen können, sondern sie ersehnen und suchen ihn, wie alle Völker.
Er lernte auch Christen unter den Aborigines kennen und zog das Resümee: Für mich wäre eine dem Herrn gewonnene Seele Beweis genug, dass jene Urteile über diese Rasse falsch sind, und ich will alles versuchen, um sie zu entkräften. Der Herr hat ja seinen Segen zu der Arbeit an so vielen gegeben. Sind doch allein in Aneityum 3.500 Kannibalen, die in der Rasse jenen Australnegern sehr nahe stehen, bekehrt worden und führen jetzt ein zivilisiertes und christliches Leben. In Fidschi sind 70.000, in Samoa 34.000 Kannibalen Christen geworden. Auf unseren Neuen Hebriden sind mehr als 12.000 der Eingeborenen zu Christen bekehrt…
Wäre das Evangelium den Australiern gebracht worden, so würde es ebenso gewirkt haben, denn Jesus Christus ist derselbe heute noch.
Seine letzte Australienreise machte Paton 1888…, und immer wieder setzte er sich für die Arbeit unter den Aborigines ein.
Nach Schottland und Wiederkehr zur Arbeit
Am 16. Mai 1863 fuhr er mit der Kosciusko von Aberdeen aus Richtung Schottland. Diesmal waren Schiff und Kapitän angenehmer, so dass er sogar Gottesdienste an Bord halten konnte. Dennoch war es auch diesmal wieder eine Reise mit Gefahren. . . .
„Bei der Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung hatten wir ein böses Gewitter zu überstehen. Ein Blitz schlug direkt in unser Fahrzeug, und die Männer, die an Deck zu arbeiten hatten, wurden zu Boden geschleudert. Festgeschraubte Stühle wurden losgerissen und einige Männer verletzt… Auch mir wurde das Bein zwischen Tisch und Stuhl eingeklemmt, so dass ich nur gestützt mein Lager erreichen konnte. Als die Betäubten zur Besinnung gebracht waren, sagte mir der Kapitän: Halten Sie ein Dankgebet, Mr. Paton. Lassen Sie uns alle für die wunderbare Errettung danken. Das Schiff brennt nicht, auch ist keiner tödlich verletzt worden!
Der gute Mann selbst hatte eine schwere Erschütterung erlitten. Es dauerte drei Wochen, bis er hergestellt war. Der Herr erhielt ihn…, und unter seiner Leitung landeten wir am 26. August 1863 in London, nach über drei Monaten…
Das Wiedersehen mit meinen Eltern war unbeschreiblich… Fünf Jahre waren vergangen, seit ich von hier Abschied genommen hatte, an der Seite einer geliebten Frau. . . Nun ruhten Mutter und Kind auf Tanna, bis zum Tage der Auferstehung. . .
In Edinburgh hatte ich dem Missionskomitee Bericht zu erstatten… Der Empfang war warm. Meiner Bitte, für das Werk unter den Kannibalen Reden zu dürfen, kam man entgegen. Auch öffnete man mir die Türen zur Universität. . . Ich sprach gerne unter dem Motto: Kommt herüber und helft uns!
Es ist eine Erfahrung jeden Missionars, dass Gemeinden, die viel für die Ausbreitung des Reiches Gottes tun, desto größer ist der Segen für die Gemeinde selbst…
Meine Reisen brachten mich durch ganz Schottland. . . Auf einer Fahrt in der offenen Kutsche zog ich mir Erfrierungen an beiden Füßen zu. Die Behandlung zog sich über Monate und noch heute, nach Jahren, leide ich noch an meinen Füßen…
Inzwischen führte derHerr mir auf wunderbare Weise eine Gefährtin zu, die bereit war, mein Schicksal und meine Arbeit auf den Neuen Hebriden zu teilen. Nachdem wir Anfang 1864 geheiratet hatten, fuhren wir gemeinsam nach Australien. . . .
Teil 4: Ernte auf Aniwa
Ansiedlung auf Aniwa
Bei einer gemeinsamen Besprechung der Missionare auf Aneityum entschied man, nach Tanna erst zurückzukehren, wenn die Mission auf den umliegenden Inseln Fuß gefasst hätte. So musste Paton einwilligen, zunächst nach Aniwa, der Tanna nächstgelegenen Insel, zu gehen.
Die Rückkehr selbst und die verstärkte Zahl der Boten Gottes legten für die Insulaner ein besseres Zeugnis ab als viele Worte es vermocht hätten. . .
„Wir fuhren von Insel zu Insel um unsere neuen Helfer einzuführen. Die Häuptlinge waren freundlicher als in Tanna. . . .
Auf dem Weg nach Aniwar suchten wir Tanna passierend einige Tage vor sehr schwerer See in Port Resolution Schutz. Nowar, der alte, zwar freundlich gesinnte Häuptling, wollte uns gerne auf Tanna festhalten. …
Doch der Kapitän beantwortete seine Bitten, meine Sachen an Land zu bringen, der Rat der Mission habe das verboten. . . .
Erst Jahre später habe ich erfahren, was Nowar, damals einem Häuptling aus Aniwa sagte, der eben in Tanna war. Als Nowar sah, dass seine Bitten nicht erfüllt wurden, ging er zu diesem Häuptling, der zugleich einer der großen geweihten Männer war, nahm das Zeichen seiner Würde als Häuptling, die Weißen Muscheln, von seinem Arm und sagte: Versprecht mir bei diesem Zeichen, dass Ihr meinen Missi beschützen wollt. Lasst ihnen nichts Schlimmes widerfahren. Bei diesem Zeichen, ich und meine Leute würden es an Euch rächen!
Aniwa wurde im November 1866 meine Heimat und ist es bis heute geblieben. Gott hat mich auch später nicht nach Tanna zurückgeführt.
Diese Insel ist eine der kleineren der Hebridengruppe. Sie ist ringsum von einem Gürtel von Korallenriffen umgeben, an denen sich die See mit Donnergetöse bricht … Es gibt dort kein Gestein, keine Felsen. … Der höchste Punkt ist kaum dreihundert Fuß über dem Meer.
Der Boden ist nicht tiefgründig, aber doch recht gut, und im Süden findet man reich tragende Pflanzungen. …
Aniwa hat keinen Hafen, keinen sicheren Ankerplatz für Schiffe. Eine einzige kleine Unterbrechung des Riffgürtels, eigentlich nur ein Spalt, erlaubt einem Boot die Landung. …
Alles musste von Anfang an neu gelernt werden, wie vorher in Tanna.
Bei der Landung wurde ich freundlich empfangen. Die Insulaner führten uns in eine Hütte, die sie mit Hilfe der Lehrer aus Aneityum für uns errichtet hatten. . . . Das ganze bestand aus einem Rahmen aus Holz, und Wände und Dach bestanden aus geflochtenem Zuckerrohr. … Es war ein Raum…, und von den Eingeborenen fanden sich stets eine Menge ein, um uns zuzusehen, bei allem, auch wenn wir aßen oder kochten. …
Die Aniwaner waren weniger diebisch als die Tannesen, aber wenn sie etwas wollten, hatten sie die komische Art es zu fordern: mit geschwungenem Tomahawk. …
Die traurigen Erfahrungen mit der Malaria in Tanna ließen mich den höchsten Punkt der Insel zum Bau des Missionshauses wählen, wo die Luft rein ist und Passatwinde freien Zutritt haben. Aber irgendein Aberglaube schien die Leute daran zu hindern, uns jenen Platz zu verkaufen. So musste ich einen gleichfalls hochgelegenen Ort etwas näher dem Strand nehmen. Später stellte sich dieser Ort in jeder Beziehung als besonders günstig heraus. …
Beim Ausschachten der Fundamente musste ich etwa zwei Körbe Menschenknochen sammeln, Überreste des Kannibalismus. …
Man beobachtete uns aus einiger Ferne und glaubte, die Götter würden uns töten, weil wir diese Stätte betraten. Als nichts Übles geschah, sagten sie, unser Gott müsse stärker sein als ihre Götter. … So wurde es ein gesundes und einigermaßen schönes Haus. … Und es ist nicht nur für uns, sondern für viele Flüchtende ein Rettungsort gewesen, wenn die furchtbaren Orkane der Tropen Bäume umherschleuderten wie Federn, Häuser umrissen und Zerstörung und Verwüstung brachten.
So schwierig der Umgang mit den Leuten anfangs war, so zeigte sich uns doch bald, dass wir auch hier dem finstersten Heidentum gegenüberstanden. Hatten zB meine Arzneien geholfen, so stand es bei den Leuten fest, dass wir auch Krankheiten machen könnten, denn ihre geweihten Männer besaßen ja beide Künste. … Was Tanna Nahak genannt wurde, hieß hier Tafigeitu. Es genügte wie dort, dem geweihten Mann irgendeine Kleinigkeit zu geben, die mit jemandem in Berührung gekommen war, um diesen durch Zauberei erkranken zu lassen. Daher kam die fortwährende Angst der Eingeborenen, daher die vielen Versammlungen und Reden, wenn einer erkrankt war. Bei diesen wurde beraten über denjenigen, der die Krankheit gemacht haben könnte. Einigte man sich über diese Person, so wurden ihr Matten, Körbe und Speisen als Geschenk gebracht. Starb der Kranke, so wurde die Rache in Angriff genommen, nicht nur dem Verdächtigen gegenüber, sondern an seiner Familie, an seinem Dorf, oft sogar an seinem ganzen Stamm. Auf diese Weise war selten oder nie Friede unter den Leuten.
Erste Schritte
Einige Aniwaner konnten etwas Tannesisch. Im übrigen musste ich alles neu lernen. . .
Einen Vorfall aus dieser Zeit will ich erwähnen, weil Gott ihn ganz direkt benutzte. Als ich am Haus arbeitete, fehlte mir eine Sorte Nägel. Ich nahm ein Stück gehobeltes Holz, schrieb mit Bleistift einige Worte darauf und bat unseren alten Häuptling es meiner Frau zu bringen. ‚Aber was wollt ihr haben, Missi?‘, fragte der Mann. Und als ich erwiderte, das Holz würde es sagen, rief er ärgerlich: ‚Wer hat je gehört, dass ein Holz spricht? Aber er ging … und brachte voller Erstauen die Nägel mit. Ich fragte ihn, was meine Frau getan hätte. Sie hätte das Holz angesehen, war fortgegangen und hatte ihm die Nägel gebracht. Ich las ihm nun die Worte vor und sagte, ebenso könnten wir die Befehle Gottes in seinem Buch lesen. Wenn er erst lesen könnte, so würde er den Willen Gottes so verstehen, wie meine Frau meinen Wunsch verstanden hatte.
Von dem Augenblick an erwachte in dem Mann die Sehnsucht, Gottes Wort in seiner Sprache lesen zu können. … Als später meine Übersetzung von Bibelteilen in seiner Sprache begann, war er voller Freude dabei und eine unschätzbare Hilfe.
Eines Tages kam ein Häuptling aus dem Inneren mit seinen drei Söhnen, um unseren Hausbau zu besehen. Einer erkrankte nach der Heimkehr und natürlich musste ich die Veranlassung davon sein. Wir alle sollten sterben, wenn er den Sohn verlor. Gott segnete meine Behandlung: Der Kranke wurde gesund. Von dem Tag an war der Mann uns nicht nur freundlich gesinnt, sondern er schloss sich uns ganz an. Er kam zu den Gottesdiensten, auch übersetzte er hin und wieder etwas, was ich in tannesisch sagte, in ihre Sprache.
Die Lage des Hauses erwies sich mehr und mehr als sehr günstig. … Als nach mehreren Jahren alles fertig war, lebten wir inmitten eines schönen Dorfes: Die Kirche, die Schule, zwei Häuser für Waisen, die Schmiede, die Werkstatt des Tischlers, die Druckerei, das Küchenhaus usw. umgaben uns. Die einzelnen Wege waren mit den glänzendweissen Korallen bestreut. Verschiedene Insulaner versuchten dies oder jenes nachzuahmen. Aber arbeiten wollten die Insulaner nicht. Nur wenn jemand Fischhaken oder Baumwollstoff haben wollte, war er bereit, uns etwas zu helfen… Doch sobald das Evangelium ihre Herzen berührt hatte, ging in ihnen eine große Änderung vor. Sie bauten dann ihre Kirche und ihre Schule mit eigenen, oft recht ungeschickten Händen, aber freudig und ohne Geld zu fordern und hielten alles bestens instand.
Viel Arbeit hatten wir mit unserer Kalkbrennerei, denn die Art der Muscheln, die dazu zu gebrauchen war, konnte nur an einem ziemlich entfernten Ort gebrochen werden. …
Wenn ich auf all diese Mühe zurückblicke, bin ich froh, dass solche Anstrengungen den jetzigen Missionaren erspart bleiben. Häuser, die nur zusammengesetzt werden müssen, kommen fertig aus Australien. …
Wir wussten damals noch nicht, warum man uns den zuerst von mir erwählten Platz zum Bauen ebenso entschieden verweigerte, wie man uns den anderen aufdrängte. Als später der alte Häuptling Namakei Christ geworden war, hörte ich ihn an seine Leute folgende Rede halten: ‘Als Missi kam, sahen wir seine Kisten. Wir dachten, er hätte Decken und Stoffe, Äxte und Messer darin. Wir sagten: wir wollen ihn nicht wegschicken, sonst bekommen wir die Sachen nicht. Lasst ihn landen. Aber er soll auf dem ‘geweihten Feld‘ wohnen. Unsere Götter werden ihn töten, und wir Männer von Aniwa wollen seine Sachen unter uns teilen. Und Missi baute sein Haus auf unserem heiligsten Ort. Er und seine Leute wohnten dort und die Götter taten ihm nichts. Er pflanzte dort Bananen, und wir sagten: wenn sie von den Früchten essen, werden sie sterben; denn unsere Väter haben uns gesagt, nur unsere ‘weisen Männer‘ sterben nicht von dem, was auf geweihtem Boden wächst. Die Bananen reiften. Sie aßen sie. Wir sahen keinen sterben. Da sagten wir: Es ist nicht wahr, was unsere Väter gesagt haben. Unsere Götter können sie nicht töten. Ihr Gott ist stärker als die Götter von Aniwa.
Als Namakei schwieg, nahm ich das Wort und sagte, Gott hätte, obgleich sie es nicht wüssten, ihnen alles gegeben. Jetzt hätte er mich zu ihnen gesandt, damit ich sie lehren sollte, wie sie ihm dienen und ihn lieben könnten. In Schweigen und Staunen hörten sie mich an, als ich versuchte, ihnen vom Sohn Gottes zu erzählen, der für sie gelebt hatte, für sie gestorben und zum Vater zurückgekehrt war. Ich sagte ihnen, dass er sie retten und sie lehren lassen wollte, wie sie einst zu ihm kommen und ewig mit ihm leben könnten.
Und nun begann der Häuptling zu beten – ein fremdes, tastendes Beten war es. Jeder Satz hatte noch heidnische Anklänge. Aber doch war es ein herzbewegendes Gebet, dieser Schrei des einstigen Kannibalen, der die ersten Regungen des Geistes Christi empfand, der ihn in die Worte: Vater, Vater, unser Vater ausbrechen ließ.
Als diese Menschen begannen, sich zu bekleiden, war es ein äußerliches Zeichen einer Veränderung. Als sie begannen, zu einem Wesen aufzublicken, und zu beten, das sie Vater, unser Vater nennen durften, begann ihre innere Umwandlung, auch wenn sie damals noch fern davon waren, Christen genannt zu werden. Und ich weiß, auch im Himmel hat das Herz Jesu Freude empfunden!“
15. Die Entwicklung auf Aniwa
„Kurze Zeit vor unserer Ankunft war ein Lehrer aus Aneityum auf Aniwa getötet worden. Der Grund dafür war bezeichnend für die Handlungen der Leute, unter denen wir nun lebten. Vor langen Jahren war ein Trupp Aniwaner auf Aneityum, das damals noch völlig heidnisch war, ermordet worden. Ein einziger entfloh, verbarg sich in den Wäldern und benutzte in dem Boot, das ihn und seine Gefährten gebracht hatte, eine günstige Windrichtung zur Heimkehr. Seine Berichte feuerten in jedem Aniwaner das Gefühl der Rache an. Da aber die 45 Meilen Seefahrt eine Unmöglichkeit darstellten, viele zugleich in den Kampf zu führen, wurde er verschoben. Sie machten einen tiefen Einschnitt in die Erde und erneuerten ihn jedes Jahr als Zeichen, dass sie bei der ersten Gelegenheit Rache nehmen wollten.
Jahrzehnte später hatten die Aneityumesen das Christentum angenommen. Sie waren voller Eifer, das Evangelium auf den Nachbarinseln zu verbreiten. Unter Gebeten erwählten die jungen Christen zwei ihrer Lehrer, Aniwa zu evangelisieren. Navalak und Nemeyan fuhren hinüber.
Als nun an den Tag kam, dass die Lehrer aus dem Teil Aneityums stammten, wo vor langen Jahren die Aniwaner ermordet worden waren, legten sie zwar nicht selbst Hand an die Lehrer, liessen sie aber von zwei Tannesen ermorden. Nemeyan war tot und damit zum Märtyrer geworden. Navalak lebte noch, als der Häuptling Namakei ihn fand. Er trug ihn in sein Dorf und pflegte ihn, so gut er konnte. Dann sandte er ihn heim nach Aneityum, wo er noch als Häuptling lebt. Oft ist er seitdem in Aniwa gewesen, um unter diesen Leuten, die ihn töten wollten, Gott zu loben.
Längere Zeit war Aniwa ohne Lehrer geblieben. Da sandte Namakei seinen Sprecher Taja nach Ameityum mit der Botschaft, der Spalt in der Erde sei zugeworfen und eine Kokospalme darauf gepflanzt. Es würde keinem, der käme, etwas geschehen. … Zwei Lehrer erboten sich, eine Niederlassung auf Aniwa zu versuchen.
Diese beiden, Kangaru und Nelmai, fanden wir bei unserer Ankunft vor. Sie und ihre Frauen waren fast wie Sklaven in den Händen ihrer Herren, in deren Dienst sie den ganzen Tag hart arbeiten mussten. Sie hielten am Sonntag Gottesdienst in ihrer Sprache , die nur wenige verstanden. Die Leute saßen rauchend und plaudernd dabei und später ein Fest ab. …
Natürlich machte ich gleich diesen Sonntagsgelagen ein Ende, was die Leute sehr erboste. …
Sobald ich ein wenig mit den Leuten sprechen konnte, begann ich sie zu besuchen, und für unsere Gottesdienste zu gewinnen. Nasi und einige andere folgten aus einiger Entfernung, aber sie kamen nie ohne ihre geladenen Gewehre.
Auch wenn wir oft die Gefahr vor Augen hatten, wussten wir uns doch sicher im mächtigen Schutze des Herrn. Oft bin ich einem Eingeborenen in den Arm gefallen, wenn er seine Keule drohend aufhob, oder wenn er seine Flinte auf uns anlegte. Manchmal hob ich den auf uns gerichteten Lauf rasch in die Höhe, so dass der Schuss sein Ziel verfehlte. …
Die ersten die kamen … waren unser Häuptling Namakei und Naswei, Häuptling eines Nachbarstammes, und seine Frau. Diese drei Kannibalen wurden durch den Einfluss des Evangeliums liebevolle Menschen, mit denen uns wirkliche Freundschaft verband.
Eines Tages brachte Namakei seine kleine Tochter, sein einziges Kind, Litsi Soré, und sagte: Ich möchte Litsi bei euch lassen. Missi, erzieht sie für Jesus. Es war ein kluges Kind, das leicht lernte. Sie wurde meiner Frau bald eine wirkliche Hilfe.
Der Bruder Namakeis, der mich hatte erschiessen wollen, brachte nach einiger Zeit auch seine Tochter, Litsi Sisi, zu uns. Die Mütter beider Mädchen waren gestorben. … so wuchs das Interesse mehr und mehr, und bald hatten wir alle Waisen in der Station. Die Schule füllte sich. Die Jungen halfen mir bei der Arbeit, während meine Frau für die Mädchen eine Mutter wurde. Diese Kinder hingen an uns … und haben uns auch in jener ersten Zeit vor Gefahren und Anschlägen heimlich gewarnt und uns gerettet.
Nach und nach brachten einzelne ihre Steine und Götzenbilder und sagten, sie wollten nicht mehr zu ihnen sondern zu meinem Gott beten. Ich sollte diese Sachen kaufen. Als ich es ablehnte, … gingen die meisten grollend weg und wollten mit dem neuen Gott nichts mehr zu tun haben. Hierdurch kam es zu wiederholten Anschlägen auf uns. Eines Nachts weckte der alte Häuptling mich und riet mir, überall die Räume zu erleuchten und viel und laut mit ihm zu sprechen, damit die lauernden Krieger uns für zahlreicher halten sollten als wir es waren. Ich hörte, dass Namakei mit seinen Leuten … schon viele Wachen vor der Station gehalten hatte. Sie hatten alle Arten von Gefäßen mit Wasser gefüllt, weil sie erwarteten, dass man unser Haus anzündete. …
In jenen ersten Zeiten in Aniwa kam eines Morgens der Eingeborene Tupa erregt zu mir und sagte: Missi, ich habe den Tebil getötet. Teapolo ist tot. … Um Tagesanbruch schlug ich ihn tot. Nun werden wir keine bösen Menschen mehr sein. …
Ich begleitete den Mann zu einem Korallenfelsen. Dort zeigte er mir den Körper einer riesigen Seeschlange: Dort liegt er … Ich sagte: Das ist nicht der Teufel, es ist nur eine tote Schlange. Der Mann antwortete: Das ist ganz dasselbe. Es ist Teapolo, er macht uns böse und ist schuld an allem Übel.
Bei meinen folgenden Untersuchungen stellte ich fest, dass überall die Menschen ihre Sorgen und Leiden mit der Schlange in Verbindung bringen. Sie bezeugen der Schlange als einem Geist des Bösen Verehrung, den sie Matschiktschicki nannten. Sie lebten in sklavischer Angst vor seinem Einfluss, und ihre Anstrengungen waren auf die Versöhnung seiner Wut gegen die Menschen gerichtet. …
Ein grässlicher Fleck ist die Sitte, Kinder zu morden. Drei Fälle kamen noch nach meiner Ankunft vor … diese drei Elternpaare sind gute Christen geworden, und haben fremde Kinder bei sich aufgenommen.
Sich der Frau durch Mord zu entledigen, war ihnen bisher nichts Böses. Bald nach meiner Ankunft erschoss ein junger Mann seine Frau, weil er ihrer überdrüssig war. Sie lebte noch zehn Tage. Während dieser Zeit pflegte er sie treu, behauptete aber, im Recht zu sein. Seine Frau sei sein Eigentum, mit dem er tun könnte, was er wolle. Niemand bestrafte ihn, niemand zeigte ihm weniger Achtung als vorher. …
Eines Tages, als ein Trupp unruhiger Leute gegen die Station kämpfen wollte, sagte einer der geweihten Männer zu ihnen: Nowar, der größte Häuptling auf Tanna, gab mir diese Muscheln, als er sah, dass Missi nicht auf seiner Insel bleiben durfte und ließ sich von mir bei diesem Zeichen seiner Macht versprechen, dass ich Missi schützen wolle. … Das änderte die Stimmung der Leute und es trat wieder Ruhe ein.
Das Christentum bricht sich Bahn
Und nun muss ich erzählen, was unter Gottes Beistand dazu diente, dem Heidentum auf Aniwa die letzte Stütze zu nehmen. Ich habe schon gesagt, dass diese Insel ohne höhere Berge wenig Wasser hat und wenn der Regen fällt, er in dem sandigen Boden rasch versickert. Es gab also lange Monate, wo die Eingeborenen nur schlechtes, ungesundes Wasser tranken. Das am besten den Durst löschende Mittel ist die Milch der Kokosnuss, oder man kaut das Zuckerrohr. …
So beschloss ich, den Versuch zu machen, einen Brunnen zu graben. Wissenschaftliche Kenntnisse zur Auffindung des besten Ortes hatte ich keine. So bat ich den Herrn, dass er meine Schritte lenkt und meine Bemühungen segnet.
Als ich Namakei von meinen Absichten erzählte, sagt er: Missi, Regen kommt nur von oben. Wie könnt ihr nur glauben, dass Regen aus der Erde kommen kann?
Als ich ihm sagte: Bei uns zuhause kommen Wasserquellen aus der Erde!, schüttelte er nur den Kopf, Missi, euer Kopf ist krank, sonst könntet ihr nicht so schrecklich sprechen. …
Ich wählte zu meinem gewagten Unternehmen eine Stelle, die nahe bei der Station lag, … Als ich mit Spaten und Hacken an die Arbeit ging, sagte der gute alte Häuptling: So ist es mit allen die verrückt werden. Niemand kann es ihnen ausreden. …
Es war auf die Dauer alles sehr ermüdend. Die umherstehenden jungen Leute konnte ich nur zum Helfen bewegen, wenn ich ihnen etwas gab. Für einen Fischhaken trugen sie mir gerade mal drei Eimer Erde weg. …
An einem Morgen kam ich und sah, dass ein Teil des Erdreichs abgerutscht war. Seht ihr, Missi, ihr konntet tot sein, und wir waren schuld. Gebt doch auf. Ihr grabt euer Grab, sagte der treue Zuschauer Namakei. … Ich erklärte dem Guten, dass alles nur eine Folge meiner Unvorsichtigkeit sei, und ich es nun besser machen will. Als ich aber nach Hilfe suchte, weigerten sie sich. Nicht für zehn Fischhaken wäre einer von ihnen in die Öffnung gestiegen. Alles, was ich erreichte, war, dass sie die von mir gefüllten Eimer am Flaschenzug hinaufzogen. … Manchesmal wollte mir der Mut sinken, doch mein fester Glaube an Gott und seine Hilfe hielt mich aufrecht. ...
Doch an einem Morgen bohrte ich ein enges Loch in der Grube, und siehe, Wasser strömte mir entgegen. Es war Süßwasser. …
Ein Brunnen Gottes! Ich stieg in die Höhe, wo die Häuptlinge mit ihrem Anhang versammelt und in größter Aufregung waren. Es war die Wiederholung des Augenblicks, als Mose an den Felsen schlug und um Wasser betete.
Ich warf mich nieder und dankte dem Herrn für seine wunderbare Hilfe und gab ihm die Ehre, die ich in und mit dieser Arbeit für ihn gesucht hatte.
Mittlerweile war das Wasser klarer geworden. Ich stieg mit einem Gefäß hinunter … und wurde von dem Menschenknäuel dicht umdrängt. Ich reichte es Namakei. Er schüttelte den Krug, um zu sehen, ob das Wasser sich bewegte wie anderes Wasser. Endlich probierte er es, und rief dann: Regen, Regen. Ja, es ist wirklich Regen. Aber wie ist das möglich?
Ich sagte: Gott gab uns dies Geschenk aus seinem Eigentum der Erde, als Antwort auf unsere Gebete.
Keiner wagte es, über den Rand in den Brunnen hinein zu sehen. …
Es lag das größte Erstaunen in den Zügen eines jeden, der Gottes geheimnisvollen Regen gesehen hatte. Großes Schweigen. …
Bis Namakei sagte: Missi, Eures Gottes Werk ist wunderbar. Keiner unserer Götter hat uns je geholfen. Aber wird es denn immer so durch die Erde regnen? Oder wird das Wasser kommen und gehen wie die Wolken?
Ich sagte, ich hoffte, dass Gottes Geschenk ein dauerndes sein würde. Gut, erwiderte Namakei, aber ist es nur für euch, oder dürfen wir auch kommen?
Ihr und alle könnt trinken und nach Hause tragen, was ihr braucht. …
Als der Häuptling gehört hatte, dass der Brunnen allen gleich zugänglich sein sollte, und welcher Schatz das Wasser für die Insel war, sagte er: Missi, wie können wir Euch weiter helfen? …
Ihr habt gesehen, dass uns die Wand schon einmal einstürzte, sagte ich. … Aber um das Wasser für immer zu erhalten, müssen wir ihn mit Korallenblöcken auslegen. Lasst die Leute davon holen, soviel sie können.
Alle rannten und in kürzester Zeit war viel Material zusammen. Ich war hinuntergestiegen um das Fundament zu legen. … Ein Flaschenzug diente als Hilfsmittel … und als ich vor Erschöpfung und mit wunden Händen eine Pause einlegen wollte, beendeten die Insulaner freudig das Werk; Eingeborene, die vor wenigen Jahren nicht einmal Arbeit gegen Bezahlung gekannt hatten, gingen nun freudig ans Werk.
Als wir vor einigen Jahren unter furchtbarer Dürre und Hitze zu leiden hatten, sagte mir einhalten Mann: Missi, ohne den Brunnen wären wir jetzt alle des Todes gewesen.‘
Als auch ein schönes Geländer den Brunnenplatz umgab, sagte Namakei zu mir: ‚‘Missi, ich möchte Sonntag über den Brunnen zu den Leuten reden…
Gewiss, sagte ich, tut es und sorgt dafür, dass auch alle Leute kommen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde: Namakei werde nächsten Sonntag auch Missi sein. …
Ich begann mit Gebet und Namakei erhob sich, leicht zitternd, folgendes zu sagen: Freunde von Namakei, hört auf meine Worte! Seit Missi bei uns ist, hat er uns viele Dinge gesagt, die wir nicht verstehen konnten… Aber von allem, was er uns gesagt hat, war das unglaublichste, dass er Regen aus der Erde bringen wollte. Wir sagten, er ist verrückt. Und, hat er nicht wirklich Wasser erhalten? …Wir haben über andere Dinge gelacht, die Missi uns sagte, weil wir sie nicht sehen konnten. Aber jetzt glaube ich, dass alles wahr ist, was er uns über Gott sagt, auch wenn wir ihn nicht sehen. Einmal werden wir ihn gewiss sehen, wie wir das Wasser gesehen haben, das aus der Erde kommt.
Mein Volk von Aniwa, alles ist anders, seit Gottes Wort zu uns gekommen ist. Freunde Namakeis, alle Macht der Erde hätte uns nicht zwingen können zu dem Glauben an Wasser aus der Erde, wenn wir es nicht gesehen und getrunken hätten. … Nun weiß ich – und er schlug heftig auf seine Brust – ich weiß hier, dass Gott wirklich da ist, der Unsichtbare, von dem Missi erzählt. Unsichtbar war das Wasser für uns, denn unsere Augen konnten nicht durch die Erde hindurch sehen. Aber deswegen war es doch da. Und so glaube ich, euer Häuptling, nun sicher und fest, dass, wenn ich sterbe, mit der Seele Gott sehen werde, wie Missi uns gelehrt hat. Von diesem Tag an bete ich zu Gott, der uns mit Wasser aus der Erde beschenkt hat. Unsere Götter haben das nicht gekonnt. Von heute an folge ich dem einen Gott, den Missi uns gebracht hat. …
Wenn Gott uns Wasser gab, warum sollte er uns nicht seinen Sohn gegeben haben? Namakei gehört jetzt Gott!
Diese mit Feuer gehaltene Rede des Häuptlings zerbrach die Stützen des Heidentums. Wer denkt wie ich, sagte der Häuptling, hole seine Götzenbilder. Wir wollen sie zerstören und verbrennen, und Missi soll uns täglich mehr sagen von Gott, der seinen Sohn sterben ließ…
Schon am Nachmittag kam der alte Häuptling und mit ihm viele, um sich ihrer Götzen zu entledigen…
Haufenweise brachten sie die Dinge, die sie bisher so hoch verehrt und gefürchtet hatten, manche mit Tränen, andere mit Begeisterung und mit dem Namen Gottes auf den Lippen und im Herzen. Was aus Holz war, wurde verbrannt. Steinerne Bilder versenkten wir weit von der Insel im Meer. Steine vergruben wir tief in der Erde.
Ich will nicht sagen, dass dieses Bringen in allen Fällen reinen Beweggründen entsprang. Manche wollten die Gegenstände ihrer Verehrung verkaufen. Als ich das ablehnte, gaben einige sie trotzdem, andere nahmen sie wieder mit sich. …
Man begann nun allgemein sich zu bekleiden. Eine der ersten Einrichtungen, die die neuen Christen in ihren Häusern trafen, war das Gebet bei den Mahlzeiten, wie sie es bei uns sahen. Auch bei den Morgen- und Abendandachten folgten sie dem Beispiel, das wir und die Lehrer ihnen gaben. . .
Das aber, was am meisten von der Veränderung der Bewohner zeugte, waren die Sonntage. Dorf um Dorf schloss sich daran an, dass alle gewöhnliche Arbeit an diesem Tage ruhte. Sie bezeichneten ihn als Gottes Tag. Samstag wurde bald Kochtag genannt. …
Streitigkeiten und Diebstähle wurden nicht mehr durch Selbsthilfe, nicht durch Tomahawk und Muskete geschlichtet, sondern durch einen Spruch des Häuptlings und seiner besten Leute, dem sich alle unterwarfen. Alles wurde neu durch Gottes Segen und seinen Beistand. …
Man konnte sein Eigentum ruhig verlassen. . .
Das Heidentum verschwand…, und alle kamen zu den Gottesdiensten um mehr vom wahren Gott zu hören und ihn anzubeten. Er hatte gesiegt.“
Kapitel 16. Immer hellerer Schein des Lichts
„Der Druck meines ersten Buches in der Sprache der Aniwaner war eine große Begebenheit. Die Freude, die der alte Häuptling Namakei darüber empfand, lohnte allein die sehr große Mühe des Druckes. . . .
Namakei hat mir große Dienste bei der Übersetzung geleistet, als ich seine Sprache noch nicht beherrschte. Namakei kam während des Drucks öfter zu mir mit der Frage: Missi, ist das Buch fertig? Kann es sprechen? Als ich endlich mit Ja antworten konnte, fragte er: Und spricht es wirklich in meiner Sprache? Daraufhin las ich ihm Verschiedenes aus dem Buch vor? Strahlend vor Freude rief er: Wirklich, es spricht! Es spricht in meiner Sprache! Gebt mir das Buch, Missi!
Er ergriff es hastig, wendete es nach allen Seiten, drückt es an seine Brust, um es mir dann enttäuscht zurückzugeben. Missi, ich kann es nicht sprechen machen. Zu mir wird es niemals reden.
Ihr könnt es jetzt noch nicht lesen, erwiderte ich. Aber ich will es Euch beibringen. Dann spricht es zu Euch wie zu mir. . . .
Ich schrieb die Buchstaben A, B und C in den Sand, brachte ihm bei, sie zu lautieren und zeigte ihm dies Zeichen im Buch. . . .
Gebt mir noch mehr Buchstaben, sagte er nach einer Weile zu mir. Und so lernte er weiter und weiter, mit einem unglaublichen Eifer. . . .
So wurde Namakei meine treueste Hilfe bei der Umkehr Aniwas.
Großen Einfluss übte auch die Musik aus. … Meine Frau hatte eine schöne Stimme, … und so hatte zuerst dieser Teil des Gottesdienstes ohne Zweifel in den Herzen der Kannibalen Anklang gefunden, noch bevor Verständnis für Gebet und Wort Gottes geweckt wurden. So hatte Namakeis Frau eine abergläubische Furcht vor der Mission und ihren Mann nie begleitet. Als sie doch einmal aus der Ferne meine Frau ein einfaches Lied zum Harmonium singen hörte, vergaß sie ihre Furcht und kam immer näher und näher. Dann rief sie: Awai Kai Missi!
Das ist der Ausdruck der Aniwaner für etwas ganz Wunderbares. Dann rannte sie hinweg, um mit einer ganzen Schar Frauen zurückzukehren. Von dem Augenblick an entwickelte sich eine Beziehung zu uns. . . . Später lernte sie nähen und lesen und übte einen guten Einfluss auf die jüngeren Frauen aus.
Als sich mehr und mehr Leute zu unseren Gottesdiensten einfanden, regte ich den Bau einer Kirche an. Die Kirche sollte die Leistung aller sein, denn sie würde auch allen Segen bringen. . . .
Der Bau war einfach, aber so stark wie möglich. Alleine wegen der furchtbaren Stürme immer wieder… So waren alle Verbindungen nicht nur genagelt, sondern auch noch gebunden. . . .
Es herrschte große Eintracht beim Bau, und es kam auch kein Unglück vor. Der einzige Fall verlief glücklich. Ein junger Eingeborener stürzte aus ziemliche Höhe herunter. Einen Moment blieb er liegen, sprang dann aber mit den Worten auf: Ich arbeite für Gott. Er hat mich beschützt. Mir fehlt nichts. Nach wenigen Minuten war er wieder oben und hämmerte weiter.
Aber die allgemeine Freude über die vollendete Kirche wurde rasch zerstört. Einer der entsetzlichsten Stürme, die ich in den vielen Jahrzehnten auf diesen Inseln erlebte, kam auf und machte das eben vollendete Gotteshaus fast der Erde gleich. Die Trauer war groß, bis ein Häuptling sagte: Lasst uns nicht weinen wie Jungen, deren Bogen zerbrochen ist. Lasst uns eine noch stärkere Kirche für Gott bauen. . . .
. . . Es gibt nur eine Art der Wiedergeburt, durch und aus dem Geist Gottes. Aber es gibt viele Arten der Bekehrung, der Umkehr und des ersten Schrittes, der zeigt, auf wessen Seite man sich stellen wird. Die Wiedergeburt ist allein das Werk des Heiligen Geistes an Seele und Herz des Menschen und dadurch immer und in allen Fällen ein und derselbe geheimnisvolle Vorgang! Die Bekehrung aber, die den Willen und das Tun des Menschen dann mit ins Spiel bringt, geschieht kaum in zwei Fällen auf die völlig gleiche Weise.
. . . Erst konnten wir es garnicht glauben, dass nun der junge Häuptling Youwili dem Heiland nachfolgte. Aber sein finsteres Gesicht wurde freundlich und hell. Sein Frau kam zu uns. Sie bat um ein Buch und um Bekleidung und sagte, ‘Youwili schickt mich. Sein Hass gegen den Dienst Jesu ist vorüber. Ich darf Kirche und Schule besuchen. Er wird auch kommen. Er will von Euch lernen, stark für Gott und Jesus zu sein, wie Ihr.‘
Als nun unser erstes Buch fertig war, konnten wir darangehen, in jedem Dorf der Insel eine Schule einzurichten. Meine Frau und ich hatten die, die bei uns lehrten, von Anfang an sorgfältig unterrichtet, und so hatten wir nun eine Anzahl solcher, die uns helfen konnten. Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass für die ersten Anfänge des Lernens ihre Landsleute bei den Insulanern die größten Erfolge erreichen. Jedes Dorf baute eine Hütte für seine Schule, die am Sonntag auch zum Gottesdienst benutzt wurde, wenn ich ins Dorf kam. … Die Lehrer bekamen ein kleines Gehalt.
Die Stunden in diesen Dorfschulen mussten bei Tagesanbruch gegeben werden, denn sobald der starke Tau dieser Insel verdunstet ist, arbeiten die Leute auf ihren Feldern. …
Das ganze Leben, das uns umgab, nahm eine andere Form an unter dem Einfluss des Evangeliums. Meine Frau hatte etwa fünfzig Frauen und Mädchen täglich bei sich, um ihnen Nähen, Korbflechten, Lesen und Singen beizubringen. Fast alle haben es soweit gebracht, dass sie ihre eigenen Kleidungsstücke, sowie die Hemden ihrer Männer und die Kleidung ihrer Kinder anfertigen konnten.
Drei Jahre waren vergangen, seit wir nach Aniwa gekommen waren. Die Gebete, die die neuen Christen in ihren Häusern hielten, haben mich oft gerührt. In einer Zeit sehr großer Not, die einer langen Dürre folgte, hörte ich einen Vater ein sehr herzliches Dankgebet bei seiner Mahlzeit sprechen, ‘für die von Gott gegebene Speise und die Gnade, die er uns in Christus geschenkt hat‘. Ich betrat die Hütte und erfuhr bei der Unterhaltung mit den Leuten, dass sie Feigenblätter aufgelesen und gekocht hatten. Es war selbst für Insulaner einarmseliges Gericht. . . .
Täglich beteten wir, das Missionsschiff möge endlich kommen. Täglich liefen die Waisenjungen auf die Korallenfelsen am Strand, und immer war es ein trauriges Tavaka jimra, noch kein Schiff. Eines Tages erklang es: Tavaka oa, Das Schiff, hurra!
Durch mein Fernglas sah ich, dass Waren in ein Boot geladen wurde, denn Schiffe können wegen des Riffgürtels nicht nahe an die Insel herankommen. . . .
Die Kinder rollten das Fass auf die Anhöhe, und mit Hammer und anderem Werkzeug schlug ich einige Reifen ab, … und gab jedem seinen Zwieback. Sie hielten ihn in der Hand, und eines der älteren Kinder sagte: Missi, wir wollen zuerst beten und danken, dass der Hunger vorbei sein wird…
Europäische Nahrungsstoffe waren uns ausgegangen und wir lebten nur noch von Kokosnüssen, und selbst davon gab es nicht genug. . . .
Die australischen Missionsfreunde hatten ein Schiff zusammengespart, die Morgenröte. Doch es war am 6. Januar 1873 auf ein Riff geworfen worden und hatte Schiffbruch erlitten. Der Verlust des Schiffes war für die Mission ein empfindlicher Schlag. …
Zudem wurde Paton schwer krank durch Gelenkrheumatismus, seine Frau erkrankte ebenfalls, eins seiner Kinder starb – alles während einer Zeit furchtbarer Stürme von Januar bis April 1873. . . . Paton fiel in einen langen tiefen Schlaf, aus dem er mit vollem Bewusstsein erwachte. Rückfälle blieben zwar aus, aber er war völlig geschwächt, seine Gelenke trugen ihn nicht mehr und er bewegte sich nur noch auf Krücken fort. . . .
Erholung war unbedingt nötig, und so machte er einen Aufenthalt in Australien …, die Zeit nutzend, die Mission auf den Hebriden in Erinnerung zu rufen. Ein Jahr später war Patons Gesundheit wieder hergestellt, auch ein neues Missionsschiff war in Dienst gestellt und Paton kehrte 1874 nach Aniwa zurück.
Kapitel Siebzehn. Kleine Skizzen aus Aniwa
„Unter den Heiden wird aus jedem Bekehrten bald ein Missionar. Das veränderte Leben, das sich hell von dem Dunkel abhebt, in dem die übrigen leben, ist wie ein Buch mir großen Buchstaben, die jeder schon von weitem lesen kann. . . .
Aber auch Prüfungen anderer Art waren die jungen Christen Aniwas ausgesetzt.
Eines Tages landeten über hundert Tannesen auf der Insel, die im Kampf unterlegen waren, und hier Schutz und Rettung gesucht hatten. Wenige Jahre früher wären sie als Feinde behandelt worden. Vielleicht hätten sie es überhaupt nicht gewagt, hierher zu flüchten, weil die Aniwaner ebensolche Kannibalen waren wie ihre Genossen auf Tanna.
Doch die Vertriebenen wurden sehr freundlich aufgenommen und blieben, bis die Fehde einigermaßen vergessen war. Mein alter Freund Nowar, der unter den Flüchtlingen war, tat, was er konnte, um seine Leute dazu anzuhalten, Gesetz und Ordnung aufrechtzuhalten, denn nur unter dieser Bedingung hatte man die Tannesen aufgenommen…
Diese Zeit war für diese eine Art Erziehung. Viele fingen an, sich zu bekleiden und zu den Gottesdiensten zu kommen. Für die Aniwaner, denen die Insel nur gerade den Lebensunterhalt gab, war die Einquartierung eine ziemliche Last. Sie trugen sie aber freudig und bewiesen auch damit, dass christlicher Geist sie zu erfüllen begann.
Wie Gott überall da, wo das Land für den Herrn in Anspruch genommen worden ist, besonders geeignete Männer erweckt, die das Werk segensreich weiterführen, hatte ich auch auf Aniwa erfahren. Vor allen übrigen musś der alte Häuptling Namakei genannt werden. Langsam aber sicher schritt seine Erkenntnis fort, und mit ihr wuchs Eifer, seine Leute alles zu lehren, was er selbst in sich aufgenommen hatte. Dabei war er Kannibale und ein roher Anführer im Krieg gewesen.
Als uns auf Aniwa ein Sohn geboren wurde, verlangte er, das Kind solle sein Erbe sein – er hatte seinen Sohn verloren – und er brachte die Leute herbei, um den ‘weissen Häuptling‘ von Aniwa zu sehen. Die Ehre, das Kind ‘Namakei den Jüngeren‘ nennen zu dürfen, haben wir wohl nicht genügend zu schätzen gewusst. Als er größer wurde, nahm der alte Mann ihn oft mit sich, ließ ihn nicht von der Hand und brachte ihm bei, zu sprechen wie ein Eingeborener.
Namakei war von dem Wunsch ganz erfüllt, der jährlichen Versammlung der Missionare auf Aneityum beizuwohnen. Ich fürchtete, er könne auf Aneityum sterben, deswegen ging ich auf seinen Wunsch nicht ein.
Aber meine Bedenken wurden nicht beachtet… Er versammelte seine Leute umsichtig, nahm herzlich Abschied, empfahl ihnen ‘stark in Jesus‘ zu bleiben, ob er nun zurückkehren würde oder nicht, und allezeit treu zu Missi zu stehen. …
Er überstand die Seereise gut. Von den Missionaren freundlich begrüßt, schien er ganz glücklich zu sein. …
Am fünften Tag ließ er mich aus der Versammlung holen und begrüßte mich mit den Worten: ‘Missi, ich bin dem Tode nahe. Ich möchte Euch noch Lebewohl sagen. Meinem Volk sagt, sie sollen fortfahren Jesus zu lieben,und dass ich sie beim Herrn wiedersehen werde‘.
Ich versuchte ihm Mut zuzusprechen, aber er flüsterte schwach: ‘Nein, Missi, der Tod berührt mich schon‘. Als er sich ausgestreckt hatte, sagte er: ‘Jetzt gehe ich heim. O Missi, lasst mich Euer Gebet hören, das wird meiner Seele Kraft geben‘. Unter Tränen betete ich. Er drückte meine Hand und sagte: ‘Mein lieber Missi, ich gehe Euch voran, und bei Jesus sehen wir uns wieder!‘ – Es waren seine letzten Worte.
Mein Schmerz war tief und groß. Namakei war der erste Bekehrte auf Aniwa, und war mir ein treuer, hingegebener Freund und Helfer gewesen.
Am nächsten Morgen halfen mir die anderen Missionare, ihn zu bestatten. Wir vergossen Tränen um einen, der noch wenige Jahre zuvor ein blutbefleckter Kannibale gewesen war. … Er war eine neue Schöpfung in Christus geworden.
Wir sahen mit wirklichem Schmerz unserer Rückkehr entgegen. Am Strand war fast die ganze Bevölkerung versammelt. … Namakeis Tochter Litsi rief mir von weitem zu: Missi, wo ist mein Vater? …
Als ich näher hinzugekommen war, sagt ich ihnen: ‘Namakei ist tot. Er starb auf Aneityum, er ist nun beim Herrn!‘
Der Schmerzensschrei, den Litsi ausstieß, wurde von den anderen aufgenommen und erscholl wie ein Klagelied, mal leiser, dann wieder lauter. . . .
Als ich endlich den Fuß aufs Land setzen konnte, kamen Litsi und Kalangi, der Bruder des Verstorbenen, und sagte unter Schluchzen: Ach, Missi, wir wussten, dass er fast sterbend war. Aber er verbot uns, es Euch zu sagen. Er freute sich, in Aneityum zu schlafen, bis Jesus ihn auferwecken wird. Er hat uns befohlen, Euch zu gehorchen und Jesus zu lieben, und das wollen wir auch tun.‘
Der zweite Häuptling Naswei begleitete uns zum Missionshaus, und der ganz Zug folgte unter Wehklagen…
Am nächsten Sonntag erzählte ich die Geschichte der Bekehrung Namakeis, seines Lebens für und in Christus, und seines Todes. Gottes Gnade hat es gefügt, dass dieser Tod keinerlei schlimme Folgen für unser Werk gehabt hat, dass im Gegenteil bei vielen das Interesse dafür noch gewachsen ist.
Naswei, der Freund Namakeis, war der Häuptling des volkreichsten Stammes der Insel und nahm nun seine Stelle auch bei uns ein. Er hatte ein würdevolles Auftreten; auch seine Frau Katua war im Vergleich zu den anderen Frauen eine Dame. Ihr und ihres Mannes Beispiel war ein guter Einfluss. Naswei war jünger und intelligenter als sein Vorgänger und konnte mir noch mehr helfen als Namakei. Nur bei der Bibelübersetzung kam er nicht an Namakei heran, der mit einer wunderbaren Begabung mir die besten und genauesten Ausdrücke angeben konnte.
Naswei war auch Lehrer seiner Dorfschule und ebenfalls Ältester der Gemeinde. Seine Reden waren von großer Wirkung, durch meist sehr glücklich gewählte Bilder.
Als einmal unser Schiff, die Morgenröte, eine Anzahl von Bewohnern der Insel Fotuna gebracht hatte, um die Veränderungen auf Aniwa zu sehen, redeten eines Sonntags einige der jungen Christen zu den noch nicht bekehrten Fotunesen. Naswei Anrede lautete:
‘Männer von Fotuna, ihr seid gekommen, um zu sehen, was das Evangelium in Aniwa gewirkt hat. Es ist der lebendige Gott, der diese Änderung machte. Als Heiden stritten wir untereinander, wir bekämpften und aßen einander. Wir hatten keine Freunde und keinen Frieden im Herzen und im Haus, nicht in Dörfern, nicht im Land. Jetzt sind wir Brüder. Wir leben in Frieden und sind glücklich. Wenn ihr nach Fotuna heimkehrt, werden sie euch fragen: Nun, was ist das Christentum? Und ihr werdet antworten: Es ist das, was die Aniwaner so ganz verändert hat. Und sie werden wieder fragen: Was ist es? Und ihr werdet sagen: Das ist es, was den Leuten Kleidung und Decken, Messer und Äxten, Fischangeln und viele nützlich Dinge gegeben hat.
Das ist es, was sie den Krieg aufgeben ließ und sie in Frieden leben lässt. Sie werden Fragen: Wie sieht das Christentum aus?
Und ihr werdet sagen müssen, dass man es selbst nicht sehen kann, sondern nur seine Wirkungen. Sagt ihnen, dass niemand verstehen kann, was das Christentum ist, bis er Jesus, unseren unsichtbaren Herrn liebt, bis er ihm nachfolgt, bis er ihm gefallen wird. Nun, ihr Leute von Fotuna, ihr denkt, wenn ihr nicht tanzt und singt und zu euren Göttern betet, so werden eure Felder keine Ernte bringen. Das dachten auch wir, und so begingen wir Wochen hindurch viele Greuel zu Ehren unserer Götter. Da sahen wir Missi und dass es nichts von alledem tat. Er betete um Segen zum unsichtbaren Gott, wenn er seine Yams pflanzte, und seine wuchsen besser als unsere. Ihr seid zu müde zur Arbeit, denn ihr habt wochenlang euren Göttern durch eure Greuel gefallen wollen. Wir aber gehen voller Kraft an die Arbeit. Wir beten zu Gott, der keine wilden Tänze verlangt, der uns Ruhe gibt und Freude zur Arbeit.
Bei diesen wendete sich Naswei zu mir: Missi, habt ihr noch von den riesigen Yams? Ich will ihnen davon welche mitgeben, dass sie sie zuhause zeigen können, wie Gott auch da unsere Gebete erhört und wie er segnet.
Uns so geschah es. Die Fotunesen nahmen die schönen Yams mit zum Beweis, was das Christentum in Aniwa wirkte.
Bis zum Jahre 1875 stand Naswei mir treu zur Seite. Er starb, nachdem er kurz zuvor seine Frau Katua begraben hatte. Er sprach noch in der letzten Stunde dankbar aus, wie Jesus ihn zu einem neuen Menschen gemacht hatte, dass er sich freute, zu ihm zu gehen und dass alle ihm treu anhängen möchten.
Zwei Häuptlinge, Nerwa und Ruwawa, hatten kaum weniger Einfluss als Namakei und Naswei. Nerwa war uns feindlich gesinnt, wurde aber samt seiner Frau durch ein Waisenkind seines Dorfes gewonnen, das wir bei uns aufgenommen hatten, um es zu erziehen. Die Erzählungen der Kleinen, wenn sie mitunter die Heimat besuchte, erweckte Nerwas Interesse. Er kam zu den Gottesdiensten, auch wenn er sich anfangs in ziemlicher Entfernung hielt. So erlaubte er doch seiner Frau, sich uns anzuschließen, und endlich wurde auch ihm das Herz geöffnet. Auch in ihm zeigte sich, sobald er Christ geworden war, dieser Eifer, die Botschaft zu verbreiten . . .
Als Naswei 1875 gestorben war, trat Nerwa an seinen Platz in unseren Gottesdiensten. Wie dieser trug er meine Bibel zur Kirche, und ich habe gesehen, wie er sie an sich drückte. Oft hörte ich ihn sagen: Oh, dass ich diesen Schatz besitze! Und noch dazu in der Sprache von Aniwa! Er las viel in den Evangelien und war auch imstande, sie ganz fließend und richtig vorzulesen. Auch lehrte er, zusammen mit Ruwawa, in der Schule…
Nach langen glücklichen Jahren kam Nerwas Ende heran. Er war so beliebt, dass sein Lager fast dauernd von seinen Untergebenen und Schülern umgeben war. Er las oft einen Bibelabschnitt vor und sang Lieder mit denen, die gekommen waren, ihn zu trösten.
Bei meinem letzten Besuch fand ich Nerwa recht schwach vor. Er flüsterte mir zu: Missi, mein Missi, ich bin froh, dass ihr kommt. Seht Ihr jene jungen Leute. Sie haben mich sehr ermüdet, denn sie haben nichts von Jesus gesprochen. Lest Ihr mir das Evangelium vor.‘
Als ich mich anschickte, sagte er: Ruft die jungen Leute alle an mein Lager. Ich will zu ihnen sprechen. Alle näherten sich dem Sterbenden, der mit seinen letzten Kräften sagte: ‘Lasst kein heidnisches Geschwätz, keine heidnischen Bräuche wiederkehren, wenn ich tot bin. Singt Gott Lieder, betet zu Jesus, … und gebt gut acht auf meinen Missi, helft ihm, wo ihr könnt. Ich sterbe glücklich, weil ich zu Jesus gehe. Den Weg zu ihm hat Missi mir gezeigt. Wer von euch wird meine Arbeit in der Dorfschule übernehmen? Wer von euch wird sich für den Herrn einsetzen?
Viele vergossen Tränen. Keiner antwortete. Dann sagte Nerwa.: Lasst uns aus der Bibel lesen, jeder der Reihe nach einen Vers. Dann will ich für Euch alle beten, und Missi betet für mich. Singt dann und Gott wird mich zu sich nehmen, während die Töne noch klingen.
Wir handelten nach Nerwas Wunsch.
Während wir leise das Lied sangen Es gibt ein Land der Seligkeit, ergriff der Sterbende meine Hand, er konnte nichts mehr sprechen, und sein Kopf viel zurück – und wie er es sich gewünscht hatte, so verschied er.
Bald nach Nerwas Begräbnis erbot sich ein Mann jenes Dorfes, die Schule zu übernehmen, der sich ganz gut dazu eignete. Seine Frau half ihm dabei. Sie war das kleine Waisenkind, das wir viele Jahre bei uns gehabt hatten und das durch Erzählungen von Jesus im Dorf zu Nerwas Umkehr das erste Werkzeug gewesen war.
Ruwawa, der Freund des Heimgegangenen, hatte ihn bis wenige Tage vor dem Ende treu gepflegt. Dann war er selbst schwer erkrankt.
Eines Sonntagsnachmittags, als ich ihn besuchte, war er außerhalb seiner Hütte. ‘Ich habe mich aufs Feld tragen lassen‘, sagte er mir, ‚ich hoffe, ich kann hier leichter atmen. Alle weinen, weil sie denken, ich sterbe. Ich bin im Schutze Gottes. Nimmt er mich weg, so ist es gut. Lässt er mich weiter Euch helfen, so ist es auch gut. Bitte, Missi, betet und sagt dem Heiland alles.‘
Ich trug es dem Herrn vor, wie sehr wir wünschten, Ruwawa wieder gesund an der Arbeit zu sehen…
Als ich mich entfernen musste, sagte Ruwawa: ‘Lebt wohl, Missi. Gehe ich voraus, so empfange ich Euch drüben. Werde ich gesund, so will ich mit Euch für das Reich Gottes arbeiten‘.
Unsere Gebete wurden lange wiederholt, und als schon die Hoffnung auf Erhörung fast aufgegeben war, kam die Erhörung. Der Häuptling wurde wieder gesund. Als er das erste Mal mit fremder Hilfe zum Gottesdienst kam, er war noch schwach beim Sprechen, doch nach einem warmen Dankgebet sagte er:
‘Liebe Freunde, Gott hat mich euch zurückgegeben. Und ich danke ihm, der uns geschaffen hat und der uns erhält. Ich wünsche, dass ihr alles tut für Jesus, was ihr könnt, und keine Gelegenheit versäumt, wo ihr Gutes tun könnt. Mein Weg hat mich nahe ans Grab geführt. Und doch war ich ruhig, weil ich Jesus liebe. Unser Meister hat viel mehr gelitten und lehrte mich, es zu tragen. .. Mein Jesus ist für mich gestorben, und in seinem Tod werde ich leben, wenn ich gestorben bin. … ‘
Dann erhob er die Hände und sagt: ‚Mein lieber lieber Heiland!‘
Dann folgte eine tiefe Stille. Der Eindruck seiner Worte hatte sich tief eingeprägt.
Als ich 1888 wieder nach Aniwa kam, war Ruwawa noch kräftig bei der Arbeit. Ein Lehrer aus Aneityum unterstützt ihn, und in meiner Abwesenheit kommen Mr. Watt und seine Frau öfter von Tanna herüber und helfen bei Ruwawas Arbeit.
Litsi, die als Tochter des Oberhäuptlings Namakei in ihrer Weise eine Art Königin war, war zweimal verwitwet und heiratete nun zum drittenmal. Sie hielt sich, ebenso wie ihr Mann, fest zu uns, und auch in ihr erwachte die Sehnsucht, das Christentum verbreitet zu sehen. Oft sagte sie: ‘Wird denn kein Missionar nach Tanna gehen? Ich bete, dass auch sie Jesus kennenlernen möchten.‘
Litsi, sagte ich eines Tages, … wenn ich für euch gebetet hätte, aber in Schottland geblieben wäre, würde ich euch dadurch zu Jesus gebracht haben? Gewiss nicht, antwortete sie. Nun denn, wollt ihr nicht selbst gehen, das Evangelium zu bringen?
Der Gedanke war auf ein gutes Land gefallen. Als endlich ein Missionar für Tanna gefunden war, siedelte sie mit ihrer Familie dorthin über, mit noch sechs weiteren Aniwanern. Sie unterstützten als eingeborene Lehrer den Missionar und seine Frau. …
Viele Jahre sind seitdem verflossen. Als ich sie kürzlich in Tanna besuchte, umschlang sie meine Hände und sagte mit Freudentränen: ‘O mein Vater! Ich danke Gott, dass Euch wiedersehe. Ist meine Mutter, Eure liebe Frau, gesund? Eure Kinder . . .
Als sie ruhiger geworden war, hatten wir lange Unterhaltungen. Sie sagte: ‘Meine Arbeit hier ist schwer, Missi. Ich könnte in Aniwa die reiche Königin sein. Aber ich bleibe doch lieber hier, denn die Heiden fangen nun an zu hören. Sie kommen dem Herrn näher. Wie schön wird es sein, wenn wir erst des Erlösers Lob und Preis singen hören werden. Die Hoffnung macht mich stark in aller Arbeit, die oft schwer und hart ist.
Nasi, ein Tannese, war ein gefährlicher, gewalttätiger Mensch, der den zweiten Mann Litsis, den Häuptling Mungaw, getötet hatte. Als er noch in Aniwa lebte, wurde er schwer krank. Wir taten alles für seine Pflege, und ich besuchte ihn regelmäßig. Er ließ es geschehen, doch schien unsere Liebe keinerlei Eindruck zu machen. Kurz vor meiner Reise nach Australien ging ich zu ihm hin, um ihm Lebewohl zu sagen. Dabei fragte ich ihn: Nasi, seid Ihr glücklich? In düsterem Ton antwortete er mir: Nein, niemals. Und, erwiderte ich, möchtet Ihr, dass Euer kleiner Sohn, den Ihr doch sehr liebt, so wird und lebt wie Ihr selbst?
Nein, sagte der Mann mit Wärme, ich möchte ihn glücklich sehen!
‚Dann müsst Ihr Christ werden, Nasi. Ihr müsst Euer Leben ändern, sonst wird das Kind zu Streit, Krieg und Mord heranwachsen und wird unglücklich sein, wie Ihr. O Nasi, er wird Euch in der Ewigkeit anklagen, dass Ihr ihn zu einem solchen Leben erzogen habt‘.
Dies machte sichtlichen Eindruck, aber eine Antwort erfolgte nicht.
Nach meiner Abreise besprachen sich einige unserer jungen Christen wegen Nasi und sagten: Wir wissen, welche Last dieser Mann Missi gewesen ist, wie oft er durch ihn in Gefahr gebracht wurde. Wir wissen, dass er mit eigenen Händen mehrere Morde vollführt hat… Lasst uns miteinander täglich beten, dass Gott sein Herz erweicht und ihn lehrt, was gut ist. Wie Missi es auch mit uns gemacht hat.
Nun begannen sie, Nasi jede nur denkbare Freundlichkeit zu erweisen. Anfangs wies er die um ihn Bemühten rauh zurück und hielt sich fern von ihnen. …
Endlich, nach langem Warten, wurden sie belohnt. Nasi sagte ihnen eines Tages: Ich kann eurem Jesus nicht länger Widerstand leisten. Wenn er es ist, der euch so gut gegen mich macht, so will ich ihm und euch nachgeben. Er soll mein Herz auch so verändern wie eure Herzen.
Er wusch nun die hässliche Farbe von seinen Wangen, ließ sich die langen geflochtenen Haare abschneiden, wusch sich im Meer und kam zu den Christen, die ihm gern Kleidungsstücke gaben. Später erhielt er einen Teil der Bibel, das Johannes Evangelium, und nun konnte er Stunden zuhören, wenn man ihm daraus vorlas.
Mit demselben Eifer, den er nun der Botschaft von Gott zuwandte, lernte er lesen und war bald imstande, nicht mehr durch andere sich vom Herrn erzählen lassen zu müssen. Nach einiger Zeit wurde er getauft und zum Abendmahl zugelassen.
Wer begreift nicht meine große Freude, als ich das bei meiner Heimkehr erfuhr…
Als ich im Jahre 1886 wieder nach Aniwa heimkehrte, hatte ich ein noch größeres Zeichen göttlicher Gnade zu bewundern. Nasi, der Mörder von ehedem, hatte gelernt, in wunderbar ergreifender Weise den Leuten einen Bibelabschnitt vorzulesen und zu erklären!
Epilog
Am ersten Sonntag, den ich nach meiner letzten Reise nach Australien in Aniwa verlebte, erwartete mich eine große Überraschung. Der Tag fing an zu dämmern, als ich erwachte. Alle meine Erlebnisse überdenkend und den Herrn für seine Gnade preisend…, hörte ich plötzlich ein Loblied erschallen.
Der Tag war noch nicht voll angebrochen, und ich konnte mir nicht denken, was das zu bedeuten hatte. Als ich zu den Singenden kam, sagte mir einer ihrer Anführer: Missi, wir haben es schwer gefunden, Gott recht nahe zu bleiben, als ihr uns verlassen hattet. Deswegen beschlossen der Häuptling und die Lehrer, am Sonntag in der frühesten Frühe zusammenzukommen, um die erste Stunde dieses Tages stets mit Loben und Danken zuzubringen. Jetzt wollen wir für Euch beten. Wir wollen Gott danken, dass er Euch zu uns zurückgebracht hat und ihn bitten, dass er an den Herzen aller das segne, was Ihr uns heute sagen werdet.‘
Beim späteren Gottesdienst fehlte wohl niemand als nur die Kranken.
Wenn ich an den Eifer und die Arbeit der Lehrer und Ältesten auf Aniwa denke, wie sie die langen Jahre für den Herrn nach Maßgabe ihrer Kräfte gearbeitet haben, so denke ich: Was könnten ihre hochbegabten und vielseitig erzogenen weißen Brüder leisten, wenn sie für den Herrn arbeitend die Unwissenden lehrten, die Schwankenden stützten und den Gefallenen nachgingen.
Nachwort des Verlegers Wolfgang Bühne.
Der Mann mit nur einem Gedanken
Wenn es um die Unbekehrten, die Kannibalen auf den Neuen Hebriden ging, war Paton nach dem Urteil seiner Zeitgenossen der Mann mit nur einem Gedanken. Paton bekannte sich zu der Aussage dieses Ausspruchs. Er sah sein Lebensziel darin, Menschen zu Jesus Christus zu führen, deren Leben den meisten Europäern eher einen Schauder über den Rücken jagte, ihn aber zu Tränen des Mittleids rührte.
Umwege erst führten ihn nach Aniwa…
Auf der ersten Insel starben ihm Frau und Kind, und alle weißen Missionare auf Tanna wurden Opfer mordgieriger Insulaner.
Das Vertrauen, das John Paton seinem Herrn und Meister entgegenbrachte, trug ihn durch alles hindurch …
Paton war ein Zeitgenosse großer Männer des Christentums. Der Glaubensmann Georg Müller lud ihn in seine Waisenhäuser nach Bristol ein…, Charles Spurgeon, der ihn mit Spenden unterstützte, nannte ihn König der Kannibalen…
Und wie Hudson Taylor war Paton mit der Sprache seiner Einheimischen so verwachsen, dass er in der Sprache Aniwas zu denken begonnen hatte, dass es ihm passierte, in einer Versammlung in der Heimat plötzlich bar aller englischen Worte dazustehen…
Er eiferte dafür, alle Inseln mit einem Missionar besetzen zu können…
John Patons starke Waffe war seine selbstlose Liebe zu diesen Menschen und ein unendliches Vertrauen in seinen himmlischen Vater.
Gekürzt von Horst Koch, Herborn. Auch die Hervorhebungen im Text sind von mir.
Im Februar 2025
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