Holocaust – Industrie (N.Finkelstein)
Norman G. Finkelstein
Die Holocaust – Industrie
– Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird –
Einführung
Dieses Buch ist eine Anatomie der Holocaust – Industrie und zugleich eine Anklage gegen sie. Auf den folgenden Seiten werde ich darlegen, daß DER HOLOCAUST eine von Ideologie geprägte Darstellung der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist. Wie alle Ideologien ist sie, wenn auch schwach, mit der Wirklichkeit verbunden.
DER HOLOCAUST ist kein willkürlich zusammengestelltes, sondern vielmehr ein in sich stimmiges Konstrukt. Seine zentralen Dogmen stützen wichtige politische und Klasseninteressen. Tatsächlich hat DER HOLOCAUST sich als unentbehrliche ideologische Waffe erwiesen. Durch deren Einsatz hat eine der stärksten Militärmächte der Welt mit einer erschreckenden Menschenrechtsbilanz sich in die Rolle eines „Opfer“ – Staates versetzt, und ebenso hat die erfolgreichste ethnische Gruppe der Vereinigten Staaten sich einen Opferstatus zugelegt. Aus dieser scheinbar bestechenden Opferrolle erwachsen beträchtliche Dividenden – insbesondere die Immunität gegenüber Kritik, wie berechtigt sie auch sei.
Aus dieser Sicht ist Elie Wiesels Auftreten als offizieller Interpret DES HOLOCAUST kein Zufall. Zu dieser Stellung hat ihm nicht sein humanitäres Engagement oder seine literarisches Talent verholfen. Wiesel spielt seine Hauptrolle vielmehr deshalb, weil er unbeirrbar die Dogmen DES HOLOCAUST artikuliert und so die Interessen stützt, die hinter diesem stehen.
Den ersten Anstoß zu diesem Buch erhielt ich von Peter Novicks wegweisender Abhandlung The Holocaust in American Life, die ich für eine britische Literaturzeitschrift besprochen hatte. Der kritische Dialog, den ich mit Novick aufgenommen habe, wird auf den folgenden Seiten ausgeweitet; daraus ergeben sich die zahlreichen Hinweise auf seine Untersuchung.
The Holocaust in American Life, mehr eine Ansammlung provozierender Aperçus als eine fundierte Kritik, steht in der ehrwürdigen amerikanischen Tradition der Enthüllungsstorys. Wie die meisten Verfasser von Enthüllungsstorys konzentriert Novick sich auf die ungeheuerlichsten Mißstände.
The Holocaust in American Life ist bissig und erfrischend geschrieben, aber keine Kritik, die an die Wurzel geht. Grundlegende Annahmen werden nicht weiter hinterfragt. Das Buch ist weder banal noch ketzerisch; es nimmt beherzt eine Gegenposition zu den gängigen Meinungen des Mainstream ein. Wie vorauszusehen war, fand es in den amerikanischen Medien viel, wenn auch gemischte Beachtung.
Novicks zentrale analytische Kategorie ist „Erinnerung“. Diese „Erinnerung“, derzeit das Objekt der Begeisterung im Elfenbeinturm, ist sicherlich seit langem der armseligste Begriff, der von den akademischen Höhen herabgekommen ist. Mit der obligatorischen Verbeugung vor Maurice Halbwachs möchte Novick vorführen, wie die „Erinnerung an den Holocaust“ von „aktuellen Anliegen“ geformt wird. Es gab einmal eine Zeit, da verwendeten Intellektuelle mit abweichender Meinung einerseits aussagekräftige politische Kategorien wie „Macht“ und „Interessen“, andererseits den Begriff „Ideologie“. Heute ist davon nichts geblieben als die konziliante, entpolitisierte Sprache der „Anliegen“ und der „Erinnerung“.
Mein ursprüngliches Interesse an dem Thema der Vernichtung der Juden durch die Nazis war persönlich motiviert. Mein Vater wie meine Mutter waren Überlebende des Warschauer Ghettos und der Konzentrationslager der Nazis. Abgesehen von ihnen selbst sind alle Familienmitglieder meiner beiden Eltern von den Nazis ausgelöscht worden. Meine erste Erinnerung an die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ist, wenn ich so sagen darf, der Anblick meiner Mutter, die den Eichmann-Prozeß (1961) wie gebannt im Fernsehen verfolgte, als ich von der Schule nach Hause kam. Obwohl sie erst sechzehn Jahre vor dem Prozeß aus dem Konzentrationslager befreit worden waren, waren die Eltern, die ich kannte, in meinen Augen immer durch einen unüberbrückbaren Abgrund davon getrennt. An der Wand des Wohnzimmers hingen Fotografien der Familie meiner Mutter. (Photos der Familie meines Vaters gingen im Krieg verloren.) Was mich mit meinen Verwandten verband, konnte ich nie ganz begreifen, noch viel weniger konnte ich mir vorstellen, was mit ihnen geschehen war. Es waren die Schwestern, der Bruder und die Eltern meiner Mutter, nicht meine Tanten, mein Onkel oder meine Großeltern.
Ich erinnere mich, als Kind John Herseys The Wall und Leon Uris Mila 18 gelesen zu haben, beides waren romanhafte Schilderungen des Warschauer Ghettos. (Ich weiß noch, wie meine Mutter eines Tages klagte, daß sie, versunken in die Lektüre von The Wall, auf dem Weg zur Arbeit nicht an ihrer U-Bahnstation ausgestiegen war.) So sehr ich es versuchte, es gelang mir auch nicht für einen Augenblick, in meiner Vorstellung den Sprung zu vollziehen, der meine Eltern in ihrer ganzen Alltäglichkeit mit dieser Vergangenheit in Verbindung gebracht hätte. Ehrlich gesagt, ich kann das noch immer nicht.
Doch es gibt einen wichtigeren Punkt: Abgesehen von dieser Präsenz von Phantomen kann ich mich nicht erinnern, daß die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis je in meine Kindheit eindrang. Das lag hauptsächlich daran, daß außerhalb meiner Familie sich niemand dafür zu interessieren schien, was geschehen war. Der Freundeskreis meiner Kindheit las umfassend über die Tagesereignisse und diskutierte leidenschaftlich darüber. Doch ich kann mich ehrlich gesagt an keinen einzigen Freund (oder an Eltern eines Freundes) erinnern, der auch nur einmal gefragt hätte, was meine Mutter und mein Vater durchgemacht hatten. Das war kein respektvolles Schweigen. Es war nichts weiter als Gleichgültigkeit.
In diesem Licht kann man die Ergüsse des Grauens in späteren Jahrzehnten, als die Holocaust-Industrie fest etabliert war, nur mit Skepsis betrachten. Daß die amerikanischen Juden die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis „entdeckt“ haben, scheint mir manchmal schlimmer als die Tatsache, daß sie in Vergessenheit geraten war. Es ist wahr: Meine Eltern grübelten allein für sich über ihr Leid nach; was sie erlitten hatten, wurde nicht öffentlich bestätigt. Aber war das nicht besser als die derzeitige dreiste Ausbeutung jüdischen Märtyrertums?
Ehe aus der Massenvernichtung der Juden DER HOLOCAUST wurde, waren zu dem Thema nur ein paar wissenschaftliche Untersuchungen – zum Beispiel Raul Hilbergs Die Vernichtung der europäischen Juden – und Memoiren wie Viktor Frankls … trotzdem Ja zum Leben sagen und Ella Lingens-Reiners Prisoners of Fear veröffentlicht worden. Doch diese kleine Sammlung von Edelsteinen ist besser als die Regale über Regale mit trivialer Literatur, die nun Bibliotheken und Buchläden füllen.
Obwohl meine Eltern bis zu ihrem Todestag die Vergangenheit jeden Tag aufs neue erlebten, verloren sie gegen Ende ihres Lebens das Interesse an DEM HOLOCAUST als öffentlichem Schauspiel. Einer der lebenslangen Freunde meines Vaters war mit ihm gemeinsam Lagerinsasse in Auschwitz gewesen, ein scheinbar nicht korrumpierbarer Idealist vom linken Flügel, der die deutsche Entschädigungszahlung nach dem Krieg aus Prinzip ablehnte. Am Ende wurde er einer der Leiter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Zögernd und mit aufrichtiger Enttäuschung räumte mein Vater schließlich ein, daß selbst dieser Mann von der Holocaust-Industrie korrumpiert worden war und seine Überzeugungen angepaßt hatte an das, was Macht und Gewinn versprach.
Als die Darstellung DES HOLOCAUST immer absurdere Formen annahm, zitierte meine Mutter gern (und ironisch) Henry Ford: „Geschichte ist Quatsch.“ Die Geschichten der „Überlebenden des Holocaust“ – alle waren KZ-Insassen, alle Helden des Widerstands gewesen – bildeten zu Hause eine ganz besondere Quelle der Erheiterung. Vor langer Zeit hat John Stuart Mill erkannt, daß Wahrheiten, die nicht ständig hinterfragt werden, schließlich „nicht länger als Wahrheit wirken, weil sie durch Übertreibung zur Unwahrheit werden“.
Meine Eltern fragten sich oft, weshalb mich Verfälschung und Ausbeutung des Völkermords der Nazis so empörten. Der Hauptgrund ist der: Man hat ihn dazu benutzt, die verwerfliche Politik des israelischen Staates und die amerikanische Unterstützung für diese Politik zu rechtfertigen.
Doch es gibt auch ein persönliches Motiv. Ich sorge mich um das Andenken an die Verfolgung meiner Familie. Die laufende Kampagne der Holocaust-Industrie, mit der im Namen „bedürftiger Opfer des Holocaust“ Geld von Europa erpreßt werden soll, hat das moralische Format ihres Martyriums reduziert auf einen Einsatz im Casino von Monte Carlo. Doch auch abgesehen von dieser Besorgnis: Wir sollten die Integrität der historischen Überlieferung bewahren, ja, für sie kämpfen. Wie ich auf den letzten Seiten dieses Buches vorschlage, können wir durch das Studium der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis nicht nur etwas über „die Deutschen“ oder „die Nichtjuden“ erfahren, sondern über uns alle. Wenn wir jedoch wirklich etwas aus der Massenvernichtung der Juden lernen wollen, so muß, wie ich glaube, deren physische Dimension verkleinert und die moralische Dimension vergrößert werden. Zu viele öffentliche und private Mittel sind für das Gedenken an den Völkermord der Nazis eingesetzt worden. Was dabei herauskommt, ist zumeist wertlos; es ist nicht dem Leiden der Juden gewidmet, sondern dient ihrer Erhöhung.
Es ist schon seit langer Zeit überfällig, daß wir unser Herz für das Leiden der übrigen Menschheit öffnen. Das war die wichtigste Lektion, die mir meine Mutter auf den Weg gab. Niemals hörte ich sie sagen: Du sollst nicht vergleichen. Meine Mutter stellte immer Vergleiche an. Zweifellos muß man historische Unterschiede machen. Doch wenn man moralisch zwischen „unseren“ und den Leiden „jener“ unterscheidet, ist das selbst eine moralische Farce. „Man kann zwei Menschen im Elend nicht vergleichen“, erklärte Plato, „und behaupten, der eine sei glücklicher als der andere.“ Angesichts der Leiden der Afro-Amerikaner, Vietnamesen und Palästinenser lautete das Credo meiner Mutter stets: Wir sind alle Holocaust-Opfer.
New York, April 2000, Norman G. Finkelstein
1. Wie aus dem Holocaust Kapital geschlagen wird
Im Zuge eines denkwürdigen Meinungsaustauschs, der ein paar Jahre zurückliegt, warf Gore Vidal Norman Podhoretz, dem damaligen Herausgeber von Commentary, dem Publikationsorgan des American Jewish Committee, vor, er sei unamerikanisch. Als Beleg führte er an, daß Podhoretz dem amerikanischen Bürgerkrieg – „dem großen tragischen Ereignis, das in unserer Republik bis auf den heutigen Tag nachklingt“ – weniger Bedeutung zumesse als jüdischen Anliegen. Doch damit war Podhoretz vielleicht amerikanischer als sein Ankläger. Denn es ist der „Krieg gegen die Juden“ und nicht der „Krieg zwischen den [amerikanischen] Staaten“, der im Kulturleben Amerikas eine größere Rolle spielt.
Die meisten Hochschulprofessoren können bezeugen, daß weit mehr Studenten die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis dem richtigen Jahrhundert zuordnen und im allgemeinen die korrekte Zahl der Getöteten nennen können, als das für den Bürgerkrieg der Fall ist. Tatsächlich ist die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis schon fast der einzige historische Bezug, der heutzutage in einer Lehrveranstaltung der Universität anklingt. Umfragen zufolge können mehr Amerikaner den Holocaust einordnen als den Angriff auf Pearl Harbor oder die Atombomben auf Japan.
Es ist jedoch noch nicht so lange her, daß die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis im Leben Amerikas kaum eine Rolle spielte. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den späten sechziger Jahren rührten nur eine Handvoll Bücher und Filme an das Thema. In den USA wurde nur ein Hochschulseminar zu diesem Gegenstand angeboten. Als Hannah Arendt 1963 Eichmann in Jerusalem veröffentlichte, konnte sie sich nur auf zwei wissenschaftliche Untersuchungen in englischer Sprache beziehen – Gerald Reitlingers Die Endlösung und Raul Hilbergs Die Vernichtung der europäischen Juden. Hilbergs Meisterwerk schaffte es nur knapp, das Licht der Welt zu erblicken. Sein Doktorvater an der Columbia University, der deutsch-jüdische Sozialtheoretiker Franz Neumann, riet ihm dringend ab, über das Thema zu schreiben („Das wird Ihre Beerdigung“), und kein Herausgeber eines Universitäts- oder eines Publikumsverlags wollte mit dem vollendeten Manuskript zu tun haben. Als Die Vernichtung der europäischen Juden schließlich veröffentlicht wurde, erhielt es nur wenige, zumeist kritische Besprechungen.
Nicht nur die Amerikaner im allgemeinen, sondern auch die jüdischen Intellektuellen schenkten der „Massenvernichtung“ der Juden durch die Nazis wenig Beachtung. In einer maßgeblichen Untersuchung von 1957 berichtete der Soziologe Nathan Glazer, daß die Endlösung der Nazis (wie auch der Staat Israel) „bemerkenswert geringe Auswirkungen auf das Seelenleben der amerikanischen Juden hatte“. Bei einem Symposium zum Thema „Judentum und die jüngeren Intellektuellen“, das die Zeitschrift Commentary 1961 veranstaltete, betonten nur zwei von einunddreißig Rednern ihre Bedeutung. In einer Gesprächsrunde zum Thema „Mein jüdisches Selbstverständnis“, zu der die Zeitschrift Judaism im Jahr 1961 einundzwanzig gläubige Juden eingeladen hatte, wurde das Thema ebenfalls fast vollständig außer Acht gelassen. In den Vereinigten Staaten gab es keine Denkmäler oder Gedenkfeiern, um angesichts der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ein Zeichen zu setzen. Im Gegenteil, wichtige jüdische Organisationen widersetzten sich einem solchen Gedenken. Es fragt sich nur, warum?
Der gängigen Erklärung zufolge waren die Juden wegen der Massenvernichtung durch die Nazis traumatisiert, weshalb sie die Erinnerung daran unterdrückten. Doch in Wahrheit gibt es keinen Beleg, der diesen Schluß stützen würde. Zweifellos wollten manche Überlebende damals (und auch in späteren Jahren) nicht über das sprechen, was geschehen war. Viele andere jedoch wünschten sich sehr, darüber zu reden, und wollten, sobald sich eine Gelegenheit ergab, gar nicht mehr damit aufhören. Das Problem lag darin, daß die Amerikaner nicht zuhören wollten.
Der wahre Grund für das öffentliche Schweigen über die Vernichtung durch die Nazis liegt in der konformistischen Politik der Führung der amerikanischen Juden und im politischen Klima im Amerika der Nachkriegszeit. In innen- wie außenpolitischen Angelegenheiten gingen die jüdischen Eliten Amerikas konform mit der offiziellen Politik der USA. Das machte es leichter, die überlieferten Ziele wie Assimilation und Zugang zur Macht zu erreichen. Mit Beginn des Kalten Krieges stürzten die Organisationen des jüdischen Mainstream sich in den Kampf. Die jüdischen Eliten Amerikas „vergaßen“ die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis, weil Deutschland – seit 1949 Westdeutschland – zu einem entscheidenden Nachkriegsverbündeten der Amerikaner in der Konfrontation der USA mit der UdSSR wurde. Es brachte nichts ein, die Vergangenheit ans Licht zu zerren; tatsächlich wurde dadurch alles komplizierter.
Mit kleineren Vorbehalten (die man rasch fallenließ) stimmten die wichtigsten Organisationen der amerikanischen Juden schnell der Unterstützung eines wiederbewaffneten und kaum entnazifizierten Deutschland durch die USA zu. Weil man befürchtete, daß „jede organisierte Opposition amerikanischer Juden gegen die neue Außenpolitik und gegen den veränderten strategischen Ansatz sie in den Augen der nichtjüdischen Mehrheit isolieren und ihre Nachkriegser-rungenschaften im Inland gefährden könnte“, predigte das American Jewish Committee (AJC) als erste Organisation die Vorzüge dieser Wiedereingliederung.
Der pro-zionistische Jüdische Weltkongreß (World Jewish Congress, WJC) und seine amerikanische Dependance ließen ihren Widerstand fallen, nachdem Anfang der fünfziger Jahre mit Deutschland eine Übereinkunft über Entschädigungszahlungen unterzeichnet worden war, während die Anti-Defamation League (ADL) 1954 als erste wichtige jüdische Organisation eine offizielle Delegation nach Deutschland entsandte. Gemeinsam mit der Bonner Regierung arbeiteten diese Organisationen daran, die unter den Juden verbreitete „antideutsche Welle“ einzudämmen.
Noch aus einem anderen Grund war die „Endlösung“ für die jüdischen Eliten Amerikas ein Tabu. Politisch links stehende Juden, die gegen das durch den Kalten Krieg bedingte Arrangement mit Deutschland gegen die Sowjetunion waren, hörten nicht auf, darauf herumzureiten. Das Andenken an die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis wurde deshalb als kommunistische Angelegenheit abgestempelt. Behaftet mit dem Klischee, das Juden mit Linken gleichsetzt – in der Tat stammte 1948 ein Drittel der Stimmen für den fortschrittlichen Präsidentschaftskandidaten Henry Wallace von jüdischen Wählern -, schreckten die jüdischen Eliten Amerikas nicht davor zurück, jüdische Mitbürger auf dem Altar des Antikommunismus zu opfern. Indem das AJC und die ADL ihre Unterlagen über angebliche jüdische Umstürzler den Behörden zur Verfügung stellten, beteiligten sie sich aktiv an der Hexenjagd der McCarthy-Ära. Das AJC billigte die Todesurteile gegen die Rosenbergs, während seine Monatszeitschrift Commentary in einem Leitartikel erklärte, diese seien nicht wirklich Juden.
Aus Angst, mit der politischen Linken im In- und Ausland in Verbindung gebracht zu werden, lehnten es die konformistischen jüdischen Organisationen ab, mit Nazi-Gegnern aus der deutschen Sozialdemokratie zusammenzuarbeiten; ebenso lehnten sie den Boykott deutscher Hersteller ab und beteiligten sich nicht an öffentlichen Demonstrationen gegen Ex-Nazis, die durch die USA reisten. Andererseits mußten bekannte deutsche Dissidenten wie der protestantische Pastor Martin Niemöller, der acht Jahre in den Konzentrationslagern der Nazis verbracht hatte und sich nun gegen den antikommunistischen Kreuzzug aussprach, beim Besuch der USA Schmähungen der führenden amerikanischen Juden über sich ergehen lassen.
Mit dem arabisch-israelischen Junikrieg von 1967 wurde alles anders. Praktisch allen Berichten zufolge wurde DER HOLOCAUST erst nach diesem Konflikt zu einem festen Bestandteil des jüdischen Lebens in Amerika. Als gängige Erklärung für diesen Wandel gilt, daß Israels extreme Isolation und Verwundbarkeit während des Junikriegs die Erinnerung an die Vernichtung durch die Nazis wachrief. In Wahrheit wird diese Analyse weder den Gegebenheiten der Machtbalance im Mittleren Osten zu jener Zeit noch der Art der sich entwickelnden Beziehung zwischen den jüdischen Eliten Amerikas und dem Staat Israel gerecht.
So, wie die amerikanischen Mainstream-Organisationen der Juden die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis in den Jahren nach dem Krieg herunterspielten, blieb auch ihre Haltung gegenüber Israel mit der Politik der USA im Gleichschritt. Seit den frühesten Anfängen hegten die jüdischen Eliten Amerikas grundlegende Bedenken gegen einen jüdischen Staat. An erster Stelle stand ihre Angst, er würde dem Vorwurf einer „doppelten Loyalität“ Glaubwürdigkeit verleihen. Schon vor der Gründung des Staates Israel brachten Führer der amerikanischen Juden die Besorgnis zum Ausdruck, seine weitgehend osteuropäische, linksgerichtete Führungsriege würde sich dem Lager der Sowjets anschließen. Auch wenn sie am Ende die von den Zionisten angeführte Kampagne für die Staatsgründung zu ihrer eigenen Sache machten, achteten die Organisationen der amerikanischen Juden genau auf die Signale aus Washington und paßten sich ihnen an. Tatsächlich unterstützte das AJC die Gründung Israels vor allem aus der Angst heraus, es könne für die Juden zu einem innenpolitischen Rückschlag führen, wenn die in Europa verschleppten Juden nicht rasch angesiedelt würden. Obwohl Israel sich bald nach der Staatsgründung dem Westen anschloß, behielten viele Israelis eine starke Zuneigung zur Sowjetunion; die Führer der amerikanischen Juden hielten Israel, wie vorauszusehen gewesen war, auf Abstand.
Von seiner Gründung im Jahre 1948 bis zum Junikrieg von 1967 spielte Israel in der strategischen Planung Amerikas keine entscheidende Rolle. Als die Führung der Juden Palästinas die Ausrufung des Staates Israel vorbereitete, war Präsident Truman unschlüssig und wog innenpolitische Gesichtspunkte (die jüdischen Wählerstimmen) gegen die Warnungen des Außenministeriums ab (die Unterstützung eines jüdischen Staates würde die arabische Welt auf Distanz gehen lassen). Um die Interessen der USA im Mittleren Osten zu wahren, balancierte die Regierung Eisenhower die Unterstützung für Israel und die arabischen Länder aus, wobei sie jedoch die Araber begünstigte.
Immer wieder aufbrechende Konflikte der Israelis mit den USA über politische Fragen gipfelten in der Suezkrise von 1956, als Israel mit Großbritannien und Frankreich gemeinsame Sache machte, um Gamal Abd el Nasser, den nationalistischen Führer Ägyptens, anzugreifen. Obwohl Israels schneller Sieg und die Annexion der Sinai-Halbinsel die allgemeine Aufmerksamkeit auf sein strategisches Potential lenkten, wurde es von den USA weiterhin nur als einer von mehreren regionalen Interessenschwerpunkten geführt. Dementsprechend erzwang Präsident Eisenhower den bedingungslosen Abzug Israels von der Sinai-Halbinsel.
Während der Krise unterstützten die Führer der amerikanischen Juden für kurze Zeit die Anstrengungen Israels, den Amerikanern Zugeständnisse abzuringen, doch zuletzt, so erinnert sich Arthur Hertzberg, „zogen sie es vor, Israel zu empfehlen, lieber [auf Eisenhower] zu hören, anstatt sich den Wünschen des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu widersetzen“.
Außer als Objekt gelegentlicher Nächstenliebe verschwand Israel bald nach der Gründung des Staates aus dem Blickfeld des jüdischen Lebens in Amerika. Für die amerikanischen Juden war Israel in der Tat nicht von Bedeutung. In seiner Untersuchung von 1957 berichtete Nathan Glazer, daß Israel „bemerkenswert wenig Auswirkungen auf das Innenleben der amerikanischen Juden hatte“. Die Zahl der Mitglieder in der Zionist Organization of America fiel von mehreren Hunderttausend im Jahre 1948 auf mehrere Zehntausend in den sechziger Jahren.
Vor dem Juni 1967 machte sich nur einer von 20 amerikanischen Juden die Mühe, Israel zu besuchen. Bei Eisenhowers Wiederwahl im Jahre 1956, die stattfand, nachdem er unmittelbar zuvor Israel zu seinem demütigenden Rückzug von der Sinai-Halbinsel gezwungen hatte, wuchs die schon beträchtliche Unterstützung der Juden für den Präsidenten weiter an. Zu Beginn der sechziger Jahre bezog Israel wegen der Eichmann-Entführung sogar Prügel von einem Teil der Meinungsführer der jüdischen Elite, zum Beispiel von Joseph Proskauer, dem früheren Vorsitzenden des AJC, von dem Harvard-Historiker Oskar Handlin und der in jüdischem Besitz befindlichen Washington Post. „Die Entführung Eichmanns“, meinte Erich Fromm, „ist ein Akt der Gesetzlosigkeit von genau der Art, deren sich auch die Nazis … schuldig gemacht haben.“
Die jüdischen Intellektuellen Amerikas erwiesen sich quer durch das politische Spektrum als besonders gleichgültig gegenüber dem Schicksal Israels. In detaillierten Untersuchungen über die linksliberale jüdische Intellektuellenszene während der sechziger Jahre wird Israel kaum erwähnt. Unmittelbar vor dem Junikrieg veranstaltete das AJC ein Symposium zur „Jüdischen Identität hier und heute“. Lediglich drei der einunddreißig „besten Köpfe der jüdischen Gemeinde“ erwähnten Israel überhaupt; zwei von ihnen jedoch nur, um seine Bedeutung abzuwerten. Bezeichnende Ironie: Die einzigen beiden in der Öffentlichkeit stehenden jüdischen Intellektuellen, die vor dem Juni 1967 eine Verbindung zu Israel geknüpft hatten, waren ausgerechnet Hannah Arendt und Noam Chomsky.
Dann kam der Juni-Krieg. Die USA waren von Israels überwältigender Demonstration der Stärke beeindruckt und gingen dazu über, es sich als strategischen Besitz einzuverleiben. (Schon vor dem Juni-Krieg waren die USA vorsichtig zu Israel umgeschwenkt, als die Regimes von Ägypten und Syrien Mitte der sechziger Jahre einen zunehmend unabhängigeren Kurs einschlugen.) Militärische und wirtschaftliche Hilfe begann zu fließen, als Israel sich in einen Stellvertreter amerikanischer Macht im Mittleren Osten verwandelte.
Für die jüdischen Eliten Amerikas war Israels Unterordnung unter die Macht der USA ein gefundenes Fressen. Der Zionismus war aus der Prämisse entstanden, daß Assimilation ein Hirngespinst sei, daß Juden immer als potentiell illoyale Fremdlinge angesehen würden. Um diesen Zwiespalt aufzulösen, waren die Zionisten bestrebt, eine Heimat für die Juden zu schaffen. In der Tat wurde das Problem durch die Gründung Israels zugespitzt, jedenfalls für die Juden in der Diaspora – der Vorwurf der doppelten Loyalität erhielt damit eine institutionalisierte Ausprägung. Paradoxerweise erleichterte die Existenz Israels nach 1967 die Assimilation in den Vereinigten Staaten: Jetzt standen Juden an der Front und verteidigten Amerika – eigentlich die „westliche Kultur“ – gegen die rückständigen arabischen Horden. Während Israel vor 1967 das Schreckgespenst einer doppelten Loyalität verkörperte, suggerierte es jetzt eine Super-Loyalität. Schließlich waren es nicht Amerikaner, sondern Israelis, die kämpften und starben, um die Interessen der USA zu schützen. Und anders als die amerikanischen GIs in Vietnam wurden die israelischen Kämpfer nicht von Emporkömmlingen aus der Dritten Welt gedemütigt.
Dementsprechend entdeckten die jüdischen Eliten Amerikas plötzlich Israel. Nach dem Krieg von 1967 konnte Israels militärischer Elan gefeiert werden, weil seine Gewehre in die richtige Richtung zeigten – auf die Feinde Amerikas. . . .
In einer Kurzbiographie, die unmittelbar vor dem Juni-Krieg veröffentlicht wurde, erinnerte Norman Podhoretz sich leichtsinnigerweise daran, an einem Staatsdinner im Weißen Haus teilgenommen zu haben, „wo nicht einer unter den Teilnehmern war, der nicht sichtlich außer sich vor Freude gewesen wäre, dort dabei zu sein.“ Obwohl er schon Herausgeber einer führenden jüdischen Zeitschrift war, enthalten seine Erinnerungen nur eine flüchtige Anspielung auf Israel. Was konnte Israel einem ehrgeizigen Juden bieten?
In einem späteren Memoirenband erinnerte Podhoretz sich daran, daß Israel nach dem Krieg von 1967 „zur Religion der amerikanischen Juden“ wurde.
Nach dem Juni-Krieg arbeiteten die jüdischen Mainstream-Organisationen Amerikas unablässig daran, die amerikanisch-israelische Allianz zu festigen. Im Fall der ADL schloß das eine weitreichende Überwachungsoperation im Inland mit Verbindungen zum israelischen und südafrikanischen Geheimdienst ein. In der New York Times nahm die Berichterstattung zum Thema Israel nach dem Juni 1967 auffällig zu. Im New York Times Index belegten die Israel betreffenden Einträge 1955 und 1965 jeweils 60 Inches Spaltenlänge. Der Eintrag zu Israel für das Jahr 1975 belief sich auf 260 Inches Spaltenlänge. „Wenn ich mich besser fühlen will“, sinnierte Wiesel 1973, „wende ich mich den Israel-Artikeln in der New York Times zu.“ Wie Podhoretz fanden auch viele amerikanisch-jüdische Mainstream-Intellektuelle plötzlich zur „Religion“. Novick berichtet, daß Lucy Dawidowicz, die Nestorin der Holocaust-Literatur, einst eine „scharfe Kritikerin Israels“ gewesen sei. Israel könne von Deutschland keine Wiedergutmachung verlangen, während es die Verantwortung für die vertriebenen Palästinenser scheue, haderte sie 1953: „Moral kann nicht so biegsam sein.“ Doch fast unmittelbar nach dem Juni-Krieg wurde Dawidowicz zu einer „glühenden Verteidigerin Israels“, das sie zum „gemeinsamen Paradigma für das Idealbild des Juden in der modernen Welt“ ausrief.
Eine beliebte Pose der nach 1967 als Zionisten Wiedergeborenen bestand darin, ihre eigene freimütig geäußerte Unterstützung für ein vermeintlich belagertes Israel gegen die Feigheit der amerikanischen Juden während des Holocaust auszuspielen. In Wahrheit taten sie genau das, was die jüdischen Eliten Amerikas immer getan hatten: Sie marschierten im Gleichschritt mit der Macht in Amerika. . . .
Man sehe sich den ersten arabisch-israelischen Krieg an. 1948, am Vorabend der Unabhängigkeit, schien die Gefahr für die Juden Palästinas weit bedrohlicher zu sein. David Ben-Gurion erklärte, „700.000 Juden“ hätten es gegen „27 Millionen Araber aufgenommen – einer gegen vierzig“. Die Vereinigten Staaten schlossen sich einem von der UNO über die Region verhängten Waffenembargo an, womit sie einen klaren Bewaffnungsvorteil der arabischen Armeen verstärkten. Ängste vor einer weiteren Nazi-„Endlösung“ trieben die Juden Amerikas um. Das AJC klagte, daß die arabischen Staaten nun „Hitlers Spießgesellen, den Mufti [von Jerusalem], bewaffneten, während die Vereinigten Staaten ihr Waffenembargo verschärften“, und sah „Massenselbstmorde und eine vollständige Vernichtung der Juden in Palästina“ voraus.
Selbst der Außenminister George Marshall und der CIA prophezeiten eine sichere jüdische Niederlage, falls es zum Krieg kommen würde. Obwohl „tatsächlich die stärkere Seite gewann“ (der Historiker Benny Morris), war es für Israel wahrlich kein Spaziergang. Während der ersten Kriegsmonate zu Beginn des Jahres 1948 und besonders, als im Mai die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, wurden Israels Überlebenschancen von Yigael Yadin, dem Befehlshaber der Haganah, „fifty-fifty“ eingeschätzt. Ohne einen geheimen Waffendeal mit der Tschechoslowakei hätte Israel wahrscheinlich nicht überlebt. Nachdem es ein Jahr gekämpft hatte, hatte Israel 6000 Gefallene zu beklagen, ein Prozent seiner Bevölkerung.
Warum also wurde DER HOLOCAUST nicht schon nach dem Krieg von 1948 zu einem Brennpunkt des jüdischen Lebens in Amerika?
Israel bewies schnell, daß es 1967 weit weniger verwundbar war als in seinem Kampf um die Unabhängigkeit. Die israelischen und amerikanischen Führer wußten schon vorher, daß Israel in einem Krieg mit den arabischen Staaten leicht die Oberhand behalten würde. Als Israel seine arabischen Nachbarn innerhalb weniger Tage in die Flucht schlug, wurde diese Wahrheit überzeugend offenbar. Novick berichtet: „Anläßlich der Mobilisierung der amerikanischen Juden zugunsten Israels wurde vor dem Krieg erstaunlich wenig auf den Holocaust Bezug genommen.“ Erst nach Israels überwältigender Demonstration seiner militärischen Stärke entstand die Holocaust-Industrie und florierte inmitten der größten israelischen Siegesgewißheit.
Die schockierenden Rückschläge Israels zu Beginn und seine bedeutenden Verluste während des arabisch-israelischen Oktober-Krieges von 1973 sowie seine zunehmende internationale Isolation danach verschärften die Befürchtungen der amerikanischen Juden bezüglich Israels Verwundbarkeit. Entsprechend trat nun die Erinnerung an den Holocaust in den Mittelpunkt des Geschehens. Novick schreibt dazu: „Unter amerikanischen Juden … bekam die Situation eines verwundbaren Israels allmählich eine erschreckende Ähnlichkeit mit der der europäischen Juden dreißig Jahre zuvor … Nicht nur war das der ›Take off‹ des Redens über den Holocaust in Amerika, es wurde auch zunehmend institutionalisiert.“ – Doch im Krieg von 1948 hatte Israel sich näher am Abgrund befunden und weit mehr Opfer zu beklagen gehabt als 1973.
Israel war nach dem Oktober-Krieg von 1973 international nicht mehr gut angesehen. Abba Eban erinnert sich traurig seiner glänzenden Vorstellung vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die, „nachdem sie die Rede mit anhaltendem und heftigem Applaus bedacht hatte, in der Folge mit großer Mehrheit gegen uns stimmte“. Bei diesem Konsens spielten die USA eine herausragende Rolle. Nicht nur, daß Eisenhower Israel zum Rückzug zwang, auch die öffentliche Unterstützung für Israel in den USA fiel auf einen „erschreckenden Tiefstand“ (so der Historiker Peter Grose).
Tatsächlich trat die Holocaust-Industrie nicht deshalb in den Mittelpunkt des Geschehens, weil Israels unerwartete Rückschläge während des Oktober-Krieges von 1973 Erinnerungen an die „Endlösung“ wachriefen. Die historischen Dokumente legen überzeugend nahe, daß die amerikanischen Juden, wenn Israel nach dem Oktober-Krieg wirklich allein dagestanden hätte, sich um keinen Deut mehr an die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis erinnert hätten als nach den Kriegen von 1948 oder 1956.
Eine schlüssigere, wenn auch weniger schmeichelhafte Erklärung lautet, daß die jüdischen Eliten Amerikas sich vor dem Juni 1967 nur dann an die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis erinnerten, wenn es politisch zweckdienlich war. Israel, ihr neuer Schutzherr, hatte während des Eichmann-Prozesses aus der Judenvernichtung Kapital geschlagen.
Angesichts ihrer erwiesenen Nützlichkeit bedienten sich die organisierten Juden Amerikas nach dem Juni-Krieg der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis. Einmal ideologisch umgeformt, erwies DER HOLOCAUST (entsprechend der eingangs von mir angegebenen Erläuterung in Versalien) sich als die perfekte Waffe, um Kritik an Israel abzuwehren. Und zwar in genau der Weise, die ich im folgenden aufzeigen werde. Was hier hervorgehoben zu werden verdient, ist jedoch die Tatsache, daß DER HOLOCAUST für die jüdischen Eliten Amerikas die gleiche Funktion erfüllte wie Israel:
Er war ein weiterer unschätzbarer Chip in einem Machtspiel mit hohen Einsätzen. Die bekundete Besorgnis um die Erinnerung an den Holocaust war ebenso gespielt wie die bekundete Besorgnis um Israels Schicksal. Deshalb war Ronald Reagans umnachtete Erklärung 1985 auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg, wonach die dort begrabenen deutschen Soldaten (einschließlich der Angehörigen der Waffen-SS) „so gewiß wie die Opfer in den Konzentrationslagern Opfer der Nazis“ seien, bei den organisierten Juden Amerikas rasch vergeben und vergessen. 1988 wurde Reagan von einer der bekanntesten Holocaust-Organisationen, dem Simon-Wiesenthal- Zentrum, für seine „standhafte Unterstützung Israels“ mit der Auszeichnung „Humanitarian of the Year“ bedacht; 1994 erhielt er von der pro-israelischen ADL die Auszeichnung „Torch of Liberty“.
Der weiter zurückliegende Ausbruch von Reverend Jesse Jackson im Jahre 1979, er sei es „leid und müde, etwas über den Holocaust zu hören“, war dagegen nicht so schnell vergeben und vergessen. Tatsächlich hörten die Angriffe der jüdischen Eliten Amerikas gegen Jackson niemals auf, wenn auch nicht wegen seiner „antisemitischen Bemerkungen“, sondern eher wegen seiner „Parteinahme für die Position der Palästinenser“. Im Falle Jacksons war noch ein zusätzlicher Faktor beteiligt: Er repräsentierte Wählerschichten, mit denen die organisierten Juden Amerikas sich seit dem Ende der sechziger Jahre in den Haaren gelegen hatten. Auch in diesen Auseinandersetzungen erwies sich DER HOLOCAUST als mächtige ideologische Waffe.
Nicht Israels behauptete Schwäche und Isolation, nicht die Furcht vor einem zweiten Holocaust, sondern eher seine erwiesene Stärke und seine strategische Allianz mit den Vereinigten Staaten brachten die jüdischen Eliten dazu, die Holocaust-Industrie nach dem Juni 1967 anzukurbeln. Novick liefert, wenn auch unabsichtlich, den besten Beweis für diese Schlußfolgerung. Um nachzuweisen, daß die amerikanische Politik gegenüber Israel von Machtüberlegungen und nicht von der „Endlösung“ der Nazis bestimmt war, schreibt er: „Als der Holocaust im Bewußtsein der amerikanischen Führung noch ganz frisch war – während der ersten fünfundzwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg -, war die Unterstützung der Vereinigten Staaten für Israel am geringsten … Nicht als Israel für schwach und verwundbar gehalten wurde, sondern nachdem es im Sechs-Tage-Krieg seine Stärke bewiesen hatte, verwandelte die amerikanische Hilfe für Israel sich von einem Tröpfeln in eine Flut“. Dieses Argument läßt sich in gleichem Maß auf die jüdischen Eliten Amerikas beziehen.
Die Holocaust-Industrie speist sich auch aus inneren Quellen. Gängige Interpretationen verweisen auf das jüngste Auftreten einer „Politik der Identitätsbesinnung“ auf der einen und der „Kultur der Übernahme von Opferrollen“ auf der anderen Seite. In der Tat kann sich Identität auf eine bestimmte Geschichte von Unterdrückung gründen; entsprechend suchten Juden ihre eigene ethnische Identität im Holocaust zu finden.
Doch unter den Gruppen, die ihre Opferrolle beklagen, darunter Schwarze, Latinos, amerikanische Ureinwohner, Frauen, Schwule und Lesben, sind allein die Juden in Amerikas Gesellschaft nicht benachteiligt. In Wahrheit haben die Politik der Identitätsbesinnung und DER HOLOCAUST sich unter amerikanischen Juden nicht wegen deren Opferstatus verbreiten können, sondern weil diese keine Opfer sind.
Als die antisemitischen Schranken nach dem Zweiten Weltkrieg schnell fielen, stiegen die Juden in den Vereinigten Staaten zu überragender Bedeutung auf. Lipset und Raab zufolge ist das Pro-Kopf-Einkommen der Juden fast doppelt so hoch wie das der Nichtjuden; sechzehn der vierzig reichsten Amerikaner sind Juden, 40 Prozent der amerikanischen Nobelpreisgewinner in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften sind Juden, ebenso wie 20 Prozent der Professoren an den großen Universitäten und auch 40 Prozent der Partner in den führenden Anwaltskanzleien in New York und Washington. Die Liste läßt sich fortsetzen. Die jüdische Identität ist weit davon entfernt, dem Erfolg im Weg zu stehen – sie ist die Krone dieses Erfolges. So, wie viele Juden Israel auf Abstand hielten, solange es eine Belastung darstellte, und wieder zu Zionisten wurden, als es zu einem Wert wurde, hielten sie auch ihre ethnische Identität von sich fern, als sie eine Belastung war, und wurden erneut zu Juden, als das einen Wert darstellte.
Die weltliche Erfolgsstory der amerikanischen Juden bildete einen zentralen – vielleicht den einzigen – Glaubenssatz ihrer neu erworbenen Identität als Juden. Wer konnte noch bestreiten, daß die Juden ein „auserwähltes“ Volk waren. In A Certain People: American Jews and Their Lives Today schwärmt Charles Silberman – auch er ein „wiedergeborener“ Jude – in charakteristischer Manier: „Die Juden wären keine Menschen gewesen, hätten sie sich jeglicher Vorstellung von Überlegenheit enthalten“, und „für amerikanische Juden ist es außerordentlich schwer, das Gefühl von Überlegenheit ganz auszuschalten, wie sehr sie sich auch bemühen mögen, es zu unterdrücken“. Dem Romancier Philip Roth zufolge erbt ein jüdisches Kind „keine Gesetzessammlung, keine zusammengefaßte Überlieferung des Lernens und keine Sprache und letztlich keinen Herrgott …, sondern eine Art Psychologie – und diese Psychologie kann man in vier Worten zusammenfassen: ›Juden sind etwas Besseres‹“. Wie gleich zu sehen sein wird, war DER HOLOCAUST die negative Version ihres gepriesenen Erfolges: Er diente dazu, die jüdische Auserwähltheit zu bestätigen.
In den siebziger Jahren war der Antisemitismus kein herausragendes Merkmal des amerikanischen Lebens mehr. Ungeachtet dessen begann die jüdische Führung Alarm zu schlagen, daß die Juden Amerikas von einem ansteckenden „neuen Antisemitismus“ bedroht seien. Zu den wesentlichen Beweisstücken einer bekannten Untersuchung der ADL („gewidmet all denen, die gestorben sind, weil sie Juden waren“) gehörten das Broadway-Musical Jesus Christ Superstar und ein Magazin der Gegenkultur, das „Kissinger als schwanzwedelnden Kriecher, Feigling, tyrannischen Flegel, Schmeichler, Tyrannen, sozialen Aufsteiger, üblen Manipulator, unsicheren Snob und prinzipienlosen Streber nach Macht“ karikierte – in diesem Fall eine Untertreibung.
Für die organisierten Juden Amerikas diente diese gespielte Hysterie eines neuen Antisemitismus mehreren Zwecken. Sie wertete Israels Bestehen als letzte Zuflucht auf, falls Amerikas Juden eine benötigten. Überdies trafen die Appelle der angeblich den Antisemitismus bekämpfenden jüdischen Organisationen um Spenden auf offenere Ohren. „So ist der Antisemit dazu verurteilt“, merkte Sartre einst an, „ohne den Feind, den er vernichten will, nicht leben zu können.“ Für jene jüdischen Organisationen ist die Umkehrung dieses Satzes ebenso wahr. Nachdem der Antisemitismus zur Mangelware geworden ist, ist in den letzten Jahren eine scharfe Rivalität zwischen wichtigen jüdischen „Verteidigungs“-Organisationen – insbesondere der ADL und dem Simon-Wiesenthal-Zentrum – ausgebrochen. Hinsichtlich der Spendenbeschaffung dienen die behaupteten Gefahren für Israel übrigens dem gleichen Zweck. Bei seiner Rückkehr von einer Reise in die Vereinigten Staaten berichtete der angesehene israelische Journalist Danny Rubinstein: „Nach Ansicht der meisten Leute im jüdischen Establishment ist es sehr wichtig, immer wieder die äußeren Gefahren zu betonen, denen Israel sich gegenübersieht … Das jüdische Establishment in Amerika braucht Israel lediglich als Opfer des grausamen arabischen Angriffs. Für ein solches Israel kann man Unterstützung, Spender, Geld gewinnen … Jeder kennt die offiziellen Zahlen der Beiträge, die vom United Jewish Appeal in Amerika gesammelt werden, wo man den Namen Israels verwendet und wo etwa die Hälfte der Summe nicht an Israel geht, sondern an die jüdischen Organisationen in Amerika. Kann es einen größeren Zynismus geben?“ Wie wir sehen werden, ist die Ausbeutung der „bedürftigen Holocaust-Opfer“ durch die Holocaust-Industrie die jüngste und wohl auch häßlichste Manifestation dieses Zynismus.
Das zentrale, eigentliche Motiv für das Läuten der antisemitischen Alarmglocken lag jedoch anderswo. Als die amerikanischen Juden sich größerer säkularer Erfolge erfreuen konnten, bewegten sie sich politisch allmählich nach rechts. Auch wenn sie in kulturellen Fragen wie Sexualmoral und Abtreibung immer noch links von der Mitte stehen, werden die Juden zunehmend konservativer, was Politik und Wirtschaft betrifft. Ergänzend zur Wende nach rechts erfolgte eine Wende nach innen, als die Juden, die keine Rücksicht mehr auf frühere Verbündete unter den Habenichtsen nahmen, ihre Mittel in zunehmendem Maß nur für jüdische Belange reservierten. Diese Neuorientierung der amerikanischen Juden wurde in den zunehmenden Spannungen zwischen Juden und Schwarzen deutlich sichtbar. Traditionell mit den Schwarzen gegen die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen in den USA verbündet, verließen viele Juden gegen Ende der sechziger Jahre das Bündnis für die Bürgerrechte, als, wie Jonathan Kaufman berichtet, „die Ziele der Bürgerrechtsbewegung sich verlagerten – von der Forderung nach politischer und gesetzlicher Gleichstellung zu der Forderung nach wirtschaftlicher Gleichstellung“. Ähnliche Erinnerungen hat auch Cheryl Greenberg: „Als die Bürgerrechtsbewegung den Norden erreichte, die Viertel jener liberalen Juden, bekam die Frage der Integration eine andere Färbung. Die Juden drückten ihre Besorgnisse nun eher in Klassen- als in Rassenbegriffen aus, und sie flohen ebenso schnell in die Vorstädte wie die weißen Christen, um dem zu entgehen, was sie als Verfall ihrer Schulen und Viertel wahrnahmen.“
Die jüdischen Eliten, die aggressiv vorgingen, um ihre Gruppen- und Klasseninteressen zu verteidigen, brandmarkten jede Opposition gegen ihre neue konservative Politik als antisemitisch. So behauptete der Chef der ADL, Nathan Perlmutter, der „wirkliche Antisemitismus“ in Amerika liege in politischen Initiativen, die „jüdischen Interessen“ abträglich seien, zum Beispiel in der Integration von Minderheiten, Kürzungen des Verteidigungshaushalts und dem Neo-Isolationismus sowie dem Widerstand gegen die Kernkraft; selbst die Reform der Wahlen an den Colleges zählte er dazu.
In dieser ideologischen Offensive sollte DER HOLOCAUST eine entscheidende Rolle spielen. Am offensichtlichsten ist, daß man mit der Berufung auf historische Verfolgung aktuelle Kritik abwehrte. Als Vorwand für den Widerstand gegen die Aktion zur Integration von Minderheiten konnten Juden sogar auf den „Numerus clausus“ verweisen, unter dem sie in der Vergangenheit gelitten hatten. Darüber hinaus wurde der Antisemitismus im Rahmen des Holocaust als vollkommen irrationale Verachtung der Juden seitens der Nichtjuden verstanden. Die Möglichkeit, daß eine feindselige Stimmung gegen Nichtjuden vielleicht in einem wirklichen Interessenkonflikt (mehr dazu später) begründet sein könnte, wurde von vornherein ausgeschlossen. Die Berufung auf DEN HOLOCAUST war deshalb ein Trick, jeglicher Kritik an Juden die Legitimation zu entziehen – eine solche Kritik konnte nur einem krankhaften Haß entspringen.
So, wie die organisierten Juden sich DES HOLOCAUST entsannen, als die Macht Israels auf dem Höhepunkt war, erinnerten sie sich auch an DEN HOLOCAUST, als die Macht der amerikanischen Juden ihren Gipfel erreicht hatte. Sie gaben jedoch vor, die Juden sähen sich hier und heute einem unmittelbar bevorstehenden ZWEITEN HOLOCAUST gegenüber. So konnten die jüdischen Eliten Amerikas heroische Posen einnehmen, während sie feige Druck ausübten. Norman Podhoretz hob die neue jüdische Entschlossenheit nach dem Juni-Krieg von 1967 hervor, sie habe „jedem zu widerstehen, der, in welcher Weise, in welchem Umfang und aus welchem Grund auch immer, den Versuch machen sollte, uns Schaden zuzufügen … Wir werden von nun an allen Angriffen standhalten.“ So, wie die Israelis, von den Vereinigten Staaten bis an die Zähne bewaffnet, aufsässige Palästinenser mutig in ihre Schranken wiesen, wiesen auch die amerikanischen Juden aufbegehrende Schwarze in ihre Schranken.
Jene herumzukommandieren, die am wenigsten in der Lage sind, sich zu wehren: Das steckt wirklich hinter der von den organisierten Juden Amerikas kultivierten Courage.
2. Schwindler, Geschäftemacher und die Geschichte
„Dieses Bezugnehmen auf den Holocaust“, merkt der angesehene israelische Autor Boas Evron an, ist eigentlich „eine offizielle propagandistische Indoktrination, die unaufhörlich Schlagworte sowie eine falsche Weltsicht hervorbringt und tatsächlich keineswegs darauf abzielt, die Vergangenheit zu verstehen, sondern darauf, die Gegenwart zu manipulieren.“ Der Holocaust an sich ist keinem speziellen politischen Programm dienlich. Mit ihm kann sowohl eine Ablehnung als auch eine Unterstützung der Politik Israels motiviert werden. Durch eine ideologische Betrachtungsweise verzerrt, ließ sich – in Evrons Worten – „die Erinnerung an die Vernichtung durch die Nazis“ jedoch „als mächtiges Werkzeug in den Händen der israelischen Führung und der Juden in anderen Ländern“ einsetzen. Aus der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis wurde DER HOLOCAUST.
Zwei zentrale Dogmen bilden das Fundament für das Gefüge DES HOLOCAUST:
1. DER HOLOCAUST stellt ein absolut einzigartiges Ereignis der Geschichte dar;
2. DER HOLOCAUST steht für den Höhepunkt eines irrationalen, ewigen Hasses der Nichtjuden gegenüber den Juden.
Vor dem Junikrieg 1967 spielten diese beiden Dogmen in der öffentlichen Auseinandersetzung überhaupt keine Rolle, und obwohl sie zu den Kernbestandteilen der HOLOCAUST-Literatur geworden sind, tauchen sie auch in der ursprünglichen wissenschaftlichen Forschung zur Massenvernichtung der Juden durch die Nazis überhaupt nicht auf. Andererseits stützen sich beide Dogmen auf wichtige Züge des Judentums und des Zionismus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Völkermord der Nazis zunächst nicht als ausschließlich jüdisches – und schon gar nicht als geschichtlich einzigartiges – Ereignis gezeichnet. Insbesondere die organisierten Juden Amerikas gaben sich größte Mühe, ihn in einen universellen Zusammenhang zu stellen. Nach dem Juni-Krieg hat man die „Endlösung“ der Nazis jedoch in einen radikal anderen Rahmen eingeordnet. „Der erste und wichtigste Anspruch, der aus dem Krieg von 1967 hervorging und zum Wahrzeichen des amerikanische Judentums wurde“, erinnert sich Jacob Neusner, sei gewesen, daß „der Holocaust …einzigartig und in der Menschheitsgeschichte ohne Parallele war“. In einem erhellenden Aufsatz spottet der Historiker David Stannard über die „kleine Industrie der Holocaust-Hagiographen, die mit der ganzen Energie und dem Einfallsreichtum theologischer Eiferer für die Einzigartigkeit der jüdischen Erfahrung streiten“. Das Dogma von der Einzigartigkeit ergibt schließlich keinen Sinn.
Auf der allgemeinsten Stufe ist jedes geschichtliche Ereignis einzigartig, und sei es nur, weil es zeitlich und räumlich festgelegt ist. Und jeder historische Vorgang trägt sowohl unterscheidende Merkmale wie auch solche in sich, die er mit anderen gemeinsam hat. Das Ungewöhnliche am HOLOCAUST ist, daß man seine Einzigartigkeit für absolut entscheidend hält. Welchem anderen historischen Ereignis, könnte man fragen, ordnet man hauptsächlich die Kategorie der Einzigartigkeit zu? Bezeichnenderweise greift man die unterscheidenden Merkmale des Holocaust heraus, um das Geschehen in eine vollkommen eigene Kategorie einzuordnen. Dabei wird jedoch nie klar, weshalb die vielen gemeinsamen Merkmale als vergleichsweise belanglos erachtet werden sollten.
Alle Holocaust-Autoren sind sich einig, daß DER HOLOCAUST einzigartig sei, aber nur wenige, wenn überhaupt, sind sich einig, weshalb. Jedesmal, wenn ein Argument für die Einzigartigkeit des Holocaust widerlegt worden ist, bringt man statt dessen ein neues vor. Jean-Michel Chaumont zufolge führt das zu vielfältigen, einander widersprechenden Argumenten, die sich gegenseitig aufheben: „Der Wissensstand wird nicht erweitert. Um es besser zu machen als beim vorhergehenden Argument, fängt man vielmehr jedesmal wieder bei Null an.“ Anders gesagt: In der Konstruktion DES HOLOCAUST gilt seine Einzigartigkeit als gegeben – dies zu beweisen ist zulässig, es zu widerlegen kommt der Leugnung des Holocaust gleich. Das Problem liegt möglicherweise in der Voraussetzung, nicht im Beweis. Selbst wenn der Holocaust einzigartig wäre, was würde das für einen Unterschied ausmachen? Wie würde unser Verständnis sich verändern, wenn die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis nicht die erste, sondern die vierte oder fünfte in einer Reihe vergleichbarer Katastrophen wäre?
Novick hat diese Mystifizierung „Heiligsprechung des Holocaust“ getauft, und Elie Wiesel ist ihr erfahrenster Fürsprecher. Für Wiesel ist DER HOLOCAUST, wie Novick zu Recht anmerkt, wirklich eine „Mysterien“-Religion. So intoniert Wiesel, daß DER HOLOCAUST „in die Finsternis führt“, „alle Antworten verweigert“, „außerhalb, wenn nicht jenseits der Geschichte liegt“, „sich dem Wissen wie der Beschreibung widersetzt“, „nicht erklärt oder bildlich vorgestellt werden kann“, „niemals zu erfassen oder zu vermitteln“ sei, eine „Zerstörung der Geschichte“ und eine „Veränderung im kosmischen Maßstab“ markiere. Nur der Priester-Überlebende (sprich: nur Wiesel) ist geeignet, sein Mysterium zu erahnen. Und doch ist das Mysterium DES HOLOCAUST, wie Wiesel bekennt, „nicht zu vermitteln“; „wir können noch nicht einmal darüber sprechen“. Folglich trägt Wiesel in seinen Reden für das Standardhonorar von 25000 Dollar (plus Limousine mit Chauffeur) vor, daß das „Geheimnis“ von Auschwitz‘ „Wahrheit im Schweigen liegt“.
Aus dieser Perspektive läuft ein rationales Verständnis DES HOLOCAUST darauf hinaus, ihn zu leugnen. Denn eine rationale Annäherung leugnet die Einzigartigkeit und das Mysterium DES HOLOCAUST. Und wer diesen HOLOCAUST mit den Leiden anderer vergleicht, begeht für Wiesel „absoluten Verrat an der jüdischen Geschichte“. Vor einigen Jahren trug die Parodie auf ein New Yorker Sensationsmagazin die Schlagzeile: „Michael Jackson und 60 Millionen andere sterben bei nuklearem Holocaust.“ Auf der Leserbriefseite folgte ein wütender Protest Wiesels: „Wie kann es jemand wagen, etwas, das sich gestern zugetragen hat, als Holocaust zu bezeichnen? Es gab nur einen einzigen Holocaust …“ Zum Beweis, daß auch das richtige Leben Parodien bereithält, tadelt Wiesel in seinem neuen Erinnerungsband Shimon Peres dafür, daß er „[nicht] zögerte, von den ›beiden Holocausts‹ unseres Jahrhunderts zu sprechen: Auschwitz und Hiroshima. Das hätte er nicht tun dürfen.“ Ein von Wiesel gern benutztes Schlagwort lautet, daß „die Allgemeingültigkeit des Holocaust in seiner Einzigartigkeit liegt“. Wenn der Holocaust aber unvergleichlich und unbegreiflich einzigartig ist, wie kann er dann eine allgemeingültige Seite besitzen?
Die Debatte um die Einzigartigkeit des Holocaust ist unfruchtbar. Die Behauptungen, der Holocaust sei einzigartig, haben mittlerweile in der Tat eine Form von „intellektuellem Terrorismus“ (Chaumont) angenommen. Jene, die die normalen vergleichenden Verfahren wissenschaftlicher Untersuchungen anwenden, müssen zunächst tausendundeinen Vorbehalt voranschicken, um den Vorwurf gar nicht erst aufkommen zu lassen, sie würden „DEN HOLOCAUST trivialisieren“.
In der Behauptung von der Einzigartigkeit des Holocaust ist auch enthalten, daß DER HOLOCAUST einzigartig böse gewesen sei. Die Leiden anderer, wie schrecklich auch immer, seien damit einfach nicht zu vergleichen. Vertreter der Einzigartigkeit des Holocaust weisen diese Implikation immer weit von sich, doch solche Einwände sind unaufrichtig.
Die Behauptungen, daß der Holocaust einzigartig sei, sind intellektuell unfruchtbar und moralisch verwerflich, doch sie bleiben bestehen. Die Frage lautet, warum? Zunächst verleiht einzigartiges Leid einen einzigartigen Anspruch. Das unvergleichlich Böse des Holocaust sondert die Juden laut Jacob Neusner nicht nur von den anderen ab, sondern gibt den Juden auch einen „Anspruch gegenüber diesen anderen“. Für Edward Alexander stellt die Unvergleichlichkeit DES HOLOCAUST „moralisches Kapital“ dar; Juden müßten die „Herrschaft“ über diesen „wertvollen Besitz beanspruchen“.
Die Einzigartigkeit des Holocaust – dieser „Anspruch“ gegenüber anderen, dieser „wertvolle Besitz“ – dient Israel in der Tat als vorzügliches Alibi. „Da das jüdische Leiden so einmalig ist“, bringt der Historiker Peter Baldwin vor, „erweitert es die moralischen und emotionalen Ansprüche, die Israel an andere Länder … stellen kann.“ So gab, Nathan Glazer zufolge, der Holocaust, indem er auf die „besondere Unverwechselbarkeit der Juden“ verwies, den Juden „das Recht, sich selbst als besonders bedroht und als aller möglichen zum Überleben notwendigen Anstrengungen besonders würdig anzusehen“. Um ein typisches Beispiel zu zitieren: Jeder Bericht über Israels Entscheidung, Nuklearwaffen zu entwickeln, beschwört das Gespenst des Holocaust herauf. Als ob Israel sich sonst nicht auf den Weg zur Nuklearmacht begeben hätte.
Es spielt noch ein anderer Faktor mit. Die Behauptung der Einzigartigkeit des Holocaust ist auch die Behauptung der jüdischen Einzigartigkeit. Nicht das Leiden der Juden machte den Holocaust so einzigartig, sondern die Tatsache, daß die Juden litten. Oder: Der Holocaust ist etwas Besonderes, weil Juden etwas Besonderes sind. Ismar Schorsch, Kanzler des Jüdischen Theologischen Seminars, kritisiert heftig den Anspruch auf die Einzigartigkeit des Holocaust als „eine geschmacklose, säkularisierte Version der Auserwähltheit“. So vehement Elie Wiesel in bezug auf die Einzigartigkeit des Holocaust ist, so nachdrücklich vertritt er auch die These, daß die Juden einzigartig seien. „Alles an uns ist anders.“ Juden sind ontologisch außergewöhnlich. DER HOLOCAUST bezeichnete den Höhepunkt eines tausendjährigen Hasses der Nichtjuden; damit bezeugte er nicht nur das unvergleichliche Leiden der Juden, sondern eben auch ihre Einzigartigkeit.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg, berichtet Novick, „hätte kaum jemand innerhalb der Regierung [der USA] – und auch kaum jemand außerhalb – die Worte ›Verlassenheit der Juden‹ verstanden“. Nach dem Juni 1967 kam es zu einer Wende. „Das Schweigen der Welt“, „die Gleichgültigkeit der Welt“, „die Verlassenheit der Juden“: Diese Themen wurden zu einer Klammer der HOLOCAUST-Diskussion.
Mit der Aneignung eines zionistischen Glaubenssatzes wurde Hitlers „Endlösung“ innerhalb der Konstruktion DES HOLOCAUST zum Höhepunkt eines tausendjährigen Judenhasses der Nichtjuden erhoben. Die Juden kamen um, weil alle Nichtjuden, sei es als Täter oder als passive Mittäter, ihren Tod wünschten. Laut Wiesel lieferte „die freie und zivilisierte Welt“ die Juden „an ihren Henker aus. Da waren die Vollstrecker – die Mörder -, und da waren jene, die schwiegen.“ Für einen mörderischen Impuls der Nichtjuden in ihrer Gesamtheit gibt es keinen einzigen historischen Beweis. Daniel Goldhagens nachhaltige Anstrengung, in Hitlers willige Vollstrecker eine Variante dieser Behauptung zu beweisen, ist allenfalls komisch. Politisch ist sie jedoch ausgesprochen nützlich. Man könnte übrigens noch festhalten, daß der „ewige Antisemitismus“ es dem Antisemiten leicht macht. Arendt erklärt in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: „Daß die antisemitische Geschichtsschreibung sich dieser Theorie professionell bemächtigt hat, bedarf keiner Erklärung; sie liefert in der Tat das bestmögliche Alibi für alle Greuel: Wenn es wahr ist, daß die Menschheit immer darauf bestanden hat, Juden zu ermorden, dann ist Judenmord eine normale, menschliche Betätigung und Judenhaß eine Reaktion, die man noch nicht einmal zu rechtfertigen braucht. Das Überraschende und Verwirrende an der Hypothese eines ewigen Antisemitismus liegt darin, daß sie von den meisten unvoreingenommenen und von nahezu allen jüdischen Historikern geteilt wird.“
Das Holocaust-Dogma vom ewigen Judenhaß der Nichtjuden hat sowohl dazu gedient, die Notwendigkeit eines jüdischen Staates zu rechtfertigen, als auch dazu, die Feindschaft zu erklären, die Israel entgegengebracht wurde. Der Staat der Juden ist der einzige Schutz gegen den nächsten (unvermeidlichen) Ausbruch eines mörderischen Antisemitismus; im Gegenzug steckt der mörderische Antisemitismus hinter jedem Angriff auf den jüdischen Staat. Die Romanautorin Cynthia Ozick hatte eine Antwort bereit, um die Kritik an Israel zu erklären: „Die Welt will die Juden ausrotten … Sie hat immer den Wunsch gehabt, die Juden auszurotten.“ Wenn alle Welt die Juden tot sehen will, ist es wahrhaft ein Wunder, daß sie immer noch leben – und, anders als große Teile der Menschheit, nicht gerade hungern.
Dieses Dogma hat Israel außerdem einen umfassenden Freibrief verschafft: Nachdem die Nichtjuden ständig darauf aus sind, Juden zu ermorden, haben die Juden das uneingeschränkte Recht, sich zu schützen, wie es ihnen beliebt. Auf welche Mittel die Juden auch immer zurückgreifen mögen, selbst Aggression und Folter, sie stellen eine legitime Selbstverteidigung dar. Boas Evron bedauert die „Lehre des Holocaust“ vom ewigen Haß der Nichtjuden und merkt dazu an, daß durch sie „wirklich vorsätzlich Paranoia herangebildet wird … Diese Mentalität … entschuldigt von vornherein jede unmenschliche Behandlung von Nichtjuden, denn die vorherrschende Mythologie besagt, daß ›bei der Vernichtung der Juden alle Völker mit den Nazis zusammengearbeitet‹ [haben], von daher ist den Juden in ihrem Verhältnis zu anderen Völkern alles erlaubt.“
Der Antisemitismus der Nichtjuden ist in der Konstruktion DES HOLOCAUST nicht nur unausrottbar, sondern immer auch irrational. Goldhagen geht weit über die hergebrachten zionistischen (ganz zu schweigen von den normalen wissenschaftlichen) Analysen hinaus, wenn er die Auffassung vertritt, der Antisemitismus habe „mit tatsächlichen Juden nichts zu tun“, sei „grundsätzlich keine Antwort auf objektiv bewertetes jüdisches Handeln“, habe „nichts mit dem Handeln der Juden zu tun … und auch nichts mit Kenntnissen über tatsächliche Charaktereigenschaften“. Als pathologische Störung der Nichtjuden ist er im „Kopf zu Hause“. Getrieben von „irrationalen Argumenten … verübelt … der Antisemit … dem Juden“ laut Wiesel „einfach, daß es ihn gibt“. „Alles, was Juden tun oder unterlassen, hat nicht nur nichts mit Antisemitismus zu tun“, merkt der Soziologe John Murray Cuddihy kritisch an, „sondern jeder Ansatz, Antisemitismus durch einen Verweis auf den jüdischen Beitrag zu diesem Antisemitismus zu erklären, ist selbst ein Beispiel für Antisemitismus!“
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß Antisemitismus zu rechtfertigen wäre oder daß man Juden für Verbrechen verantwortlich machen könnte, die gegen sie begangen wurden, sondern nur, daß Antisemitismus sich in einem spezifischen geschichtlichen Kontext mit dem entsprechenden Zusammenspiel von Interessen entwickelt. „Eine begabte, gut organisierte und weithin erfolgreiche Minderheit kann Konflikte hervorrufen, die sich aus objektiven Spannungen zwischen Gruppen herleiten“, wie Ismar Schorsch zeigt, obwohl diese Konflikte „oft in antisemitische Klischees eingebettet sind.“
Indem das Holocaust-Dogma die Rolle der Juden völlig ausspart, macht es Israel und die amerikanischen Juden immun gegen legitime Kritik. Die Feindseligkeit der Araber, die Feindseligkeit der Afro-Amerikaner: Sie sind „grundsätzlich keine Reaktion auf irgendeine objektive Bewertung jüdischen Handelns“ (Goldhagen). Man bedenke, was Wiesel zur Judenverfolgung meint: „Zweitausend Jahre lang … waren wir ständig bedroht … Weshalb? Ohne jeden Grund.“
Und zur Feindschaft der Araber gegenüber Israel: „Wegen dem, was wir sind und wofür unsere Heimat Israel steht – für unser innerstes Leben, für unseren Traum aller Träume – wenn unsere Feinde uns zu vernichten versuchen, werden sie es tun, indem sie Israel zu vernichten versuchen.“ Zur Feindschaft der Schwarzen gegen die Juden Amerikas: „Die Menschen, die sich ihre Inspiration von uns holen, danken es uns nicht, sondern greifen uns an. Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen Lage. Wieder sind wir nach allen Seiten der Sündenbock … Wir haben den Schwarzen geholfen; wir haben ihnen immer geholfen … Die Schwarzen tun mir leid. Es gibt etwas, das sie von uns lernen sollten, und zwar Dankbarkeit. Kein Volk der Welt kennt die Dankbarkeit so wie wir; wir sind auf ewig dankbar.“ Immer gezüchtigt, immer unschuldig angegriffen: Das ist die Bürde, ein Jude zu sein.
Das Holocaust-Dogma vom ewigen Judenhaß der Nichtjuden bestätigt auch das komplementäre Holocaust-Dogma der Einzigartigkeit. Wenn der Holocaust der Höhepunkt eines tausendjährigen Judenhasses der Nichtjuden war, dann müßte man folgern, daß die Verfolgung von Nichtjuden im Verlauf des Holocaust nur beiläufig geschah, und die Verfolgung von Nichtjuden in der gesamten Geschichte war lediglich eine Episode. Von jedem Standpunkt aus war das Leiden der Juden während des Holocaust dann einzigartig.
Schließlich war das Leiden der Juden auch noch einzigartig, weil die Juden einzigartig sind. DER HOLOCAUST war unvergleichlich, weil er nicht rational war. Letztlich war sein Impetus eine höchst irrationale, wenn nicht gar allzumenschliche Leidenschaft. Die nichtjüdische Welt haßte die Juden aus Neid und Eifersucht: Ressentiment. Laut Nathan und Ruth Ann Perlmutter entsprang der Antisemitismus aus „Eifersucht und Groll, weil die Juden die Christen auf dem Markt ausstachen …, eine große Anzahl nicht so fähiger Nichtjuden ärgerte sich über eine kleine Anzahl fähigerer Juden.“ Somit bestätigte DER HOLOCAUST, wenn auch negativ gewendet, die Auserwähltheit der Juden. Da Juden besser oder erfolgreicher sind, zogen sie den Zorn der Nichtjuden auf sich, von denen sie dann ermordet wurden.
In einer kurzen Randbemerkung sinniert Novick darüber, „wie die Diskussion über den Holocaust in Amerika wohl aussehen würde“, wenn Elie Wiesel nicht ihr „hauptsächlicher Interpret“ wäre? Die Antwort ist nicht schwer zu finden: Vor dem Juni 1967 fand die universalistische Botschaft Bruno Bettelheims, der das Konzentrationslager überlebt hatte, Widerhall unter den amerikanischen Juden. Nach dem Juni-Krieg wurde Bettelheim zugunsten Wiesels aufs Abstellgleis geschoben. Wiesel ist so prominent geworden, weil er ideologisch nützlich war. Einzigartigkeit des Leidens der Juden/Einzigartigkeit der Juden, ewig schuldige Nichtjuden/ewig unschuldige Juden, bedingungslose Verteidigung Israels/bedingungslose Verteidigung jüdischer Interessen: Elie Wiesel ist DER HOLOCAUST.
Ein beträchtlicher Teil der Literatur zu Hitlers „Endlösung“ ist, soweit darin die entscheidenden Holocaust-Dogmen zum Ausdruck kommen, wissenschaftlich gesehen wertlos. Auf dem Feld der Studien zum Holocaust findet sich in der Tat eine Menge Unsinn, wenn nicht schierer Schwindel. Besonders entlarvend ist das kulturelle Umfeld, das diese Holocaust-Literatur nährt.
Der erste große Holocaust-Schwindel war The Painted Bird des polnischen Emigranten Jerzy Kosinski. Wie Kosinski erklärte, hatte er das Buch „in Englisch geschrieben“, damit „ich leidenschaftslos schreiben konnte, frei von den emotionalen Assoziationen, die die Muttersprache immer enthält“. In Wahrheit sind alle Teile, die möglicherweise von ihm selbst geschrieben worden sind – eine ungelöste Frage -, in polnischer Sprache verfaßt. Das Buch wurde als Kosinskis autobiographischer Bericht seiner Wanderungen als einsames Kind im ländlichen Polen während des Zweiten Weltkriegs ausgegeben. In Wahrheit lebte Kosinski während des gesamten Krieges bei seinen Eltern. Hauptmotiv des Buches sind die sadistischen sexuellen Quälereien, die die polnische Bauernschaft beging. Leser, die das Buch vor seiner Veröffentlichung kennengelernt hatten, machten sich darüber lustig; es sei „Gewaltpornographie“ und „das Ergebnis eines von sadomasochistischer Gewalt besessenen Geistes“. Tatsächlich beschwor Kosinski fast alle von ihm erzählten Episoden aus dem Nichts herauf. Das Buch schildert die polnischen Bauern, mit denen er zusammenlebte, als ausgeprägt antisemitisch. „Schlagt die Juden“, johlen sie. „Schlagt die Bastarde!“ In Wirklichkeit wurde die Familie Kosinskis von polnischen Bauern aufgenommen, obwohl diese genau wußten, daß es sich um Juden handelte, und auch die schrecklichen Folgen kannten, die sie zu erwarten hatten, wenn man sie erwischte.
In der Zeitschrift The New York Times Book Review lobte Elie Wiesel The Painted Bird als „eine der besten“ Anklagen der Nazizeit, „geschrieben mit tiefer Aufrichtigkeit und Empfindsamkeit“. Später schwärmte Cynthia Ozick, sie habe Kosinskis Authentizität als „jüdischer Überlebender und Zeuge des Holocaust … sofort“ erkannt. Lange nachdem Kosinski als vollendeter literarischer Hochstapler entlarvt worden war, überhäufte Wiesel dessen „bemerkenswertes Gesamtwerk“ noch immer mit Lobreden.
The Painted Bird wurde zu einem grundlegenden Text DES HOLOCAUST. Es war ein Bestseller und gewann Preise, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und war Unterrichtstext in Highschools und Colleges. Kosinski, der die Holocaust-Rundtour mitmachte, nannte sich selbst einen „Elie Wiesel zum Billigtarif“. (Jene, die sich Wiesels Vortragshonorar nicht leisten konnten – „Schweigen“ ist nicht billig -, wandten sich an ihn.) Als er schließlich von einem Enthüllungsmagazin entlarvt worden war, wurde Kosinski von der New York Times, die behauptete, er sei einer kommunistischen Verschwörung zum Opfer gefallen, weiterhin tapfer verteidigt.
Ein neuerer Schwindel, Binjamin Wilkomirskis Bruchstücke, bedient sich wahllos beim Holocaust-Kitsch von The Painted Bird. Wie Kosinski zeichnet Wilkomirski sich als einsames, überlebendes Kind, das stumm wird, in einem Waisenhaus aufwächst und erst verspätet entdeckt, daß es ein Jude ist. Wie bei The Painted Bird besteht das wesentliche erzählerische Konzept von Bruchstücke in der schlichten, auf das Notwendigste beschränkten Stimme eines naiven Kindes, wodurch auch der Zeitrahmen und die Ortsbezeichnungen vage bleiben können. Wie in The Painted Bird gipfelt jedes Kapitel von Bruchstücke in einer Gewaltorgie. Kosinski stellte The Painted Bird als „langsames Auftauen der Seele“ vor; Wilkomirski stellt Bruchstücke als „wiedergefundene Erinnerung“ dar.
Bruchstücke, durch und durch ein Schwindel, ist dennoch der Archetyp der HOLOCAUST-Erinnerung. Es beginnt zunächst im Konzentrationslager, wo jeder Aufseher ein wahnsinniges, sadistisches Monster ist, das mit Wonne die Schädel jüdischer Neugeborener zerschmettert. Doch die klassischen Erinnerungen an die Konzentrationslager der Nazis stimmen mit der Aussage der Auschwitz-Überlebenden Dr. Ella Lingens-Reiner überein: „Es gab nur wenige Sadisten. Nicht mehr als fünf bis zehn Prozent.“ In der HOLOCAUST-Literatur tritt der allgegenwärtige Sadismus der Deutschen dagegen stark hervor. Das dient einem doppelten Zweck, denn er „dokumentiert“ die einzigartige Irrationalität DES HOLOCAUST ebenso wie den fanatischen Antisemitismus der Täter.
Bruchstücke ist deswegen ein Einzelfall, weil es weniger das Leben während des Holocaust schildert als vielmehr das danach. Der kleine Binjamin, der von einer schweizerischen Familie adoptiert worden ist, muß noch weitere Qualen durchleiden. Er ist in einer Welt gefangen, in der man den Holocaust leugnet. „Das mußt du jetzt vergessen! Vergessen wie einen bösen Traum“, sagt seine Mutter. „Es war nur ein böser Traum … Du mußt alles vergessen.“ „Hier in diesem Land“, erregt er sich, „sagen dauernd alle, ich soll vergessen und daß es nie geschehen ist, und ich hätte es nur geträumt. Aber sie wissen über alles Bescheid!“
„Sogar in der Schule zeigen die Knaben auf mich, machen Fäuste und rufen: ›Der spinnt doch, das gibt es gar nicht! Lügner! Er ist übergeschnappt, er ist verrückt, so ein Idiot.‹“ All die Kinder der Nichtjuden schlagen auf ihn ein, singen antisemitische Liedchen und verbünden sich gegen den armen Binjamin, während die Erwachsenen ihn weiter quälen: „Du bildest dir das ein!“ So in bittere Verzweiflung getrieben, erlebt Binjamin eine Holocaust-Erscheinung. „Das Lager ist noch da. Es ist nur versteckt und gut getarnt. Die Menschen haben ihre Uniformen ausgezogen und sich schön gekleidet, damit man sie nicht erkenne … Deute ihnen nur leise einmal an, daß es sein könnte, daß du ein Jude bist, und du wirst spüren: Es sind noch immer die gleichen Menschen, und ich bin sicher: Sie können noch immer töten, auch ohne Uniform.“ Bruchstücke ist mehr als eine Huldigung an das Holocaust-Dogma – es ist der letzte Beweis: Sogar in der Schweiz – der neutralen Schweiz – wollen all die Nichtjuden die Juden töten.
Bruchstücke wurde weithin als ein Klassiker der Holocaust-Literatur gefeiert. Das Buch wurde in ein Dutzend Sprachen übersetzt und gewann den Jewish National Book Award, den Preis des Jewish Quarterly und den Prix de Mémoire de la Shoah. Als Star von Dokumentationen, Hauptredner bei Holocaust-Konferenzen und -Seminaren und Spendenbeschaffer für das United States Holocaust Memorial Museum wurde Wilkomirski schnell zu einem Aushängeschild des HOLOCAUST.
Daniel Goldhagen, der Bruchstücke als „kleines Meisterwerk“ lobte, wurde zum wichtigsten akademischen Vorkämpfer Wilkomirskis. Kenntnisreiche Historiker wie Raul Hilberg dagegen bezeichneten Bruchstücke schon früh als Schwindel. Nachdem die Täuschung entlarvt war, stellte Hilberg auch die richtigen Fragen: „Wie konnte dieses Buch bei mehreren Verlagen als Erinnerungswerk durchgehen? Wie konnte es diesem Herrn Wilkomirski Einladungen an das United States Holocaust Memorial Museum sowie an renommierte Universitäten einbringen? Wie ist es dazu gekommen, daß wir keine anständige Qualitätskontrolle haben, wenn es darum geht, Holocaust- Stoffe vor ihrer Veröffentlichung zu prüfen?“
Wilkomirski, halb Spinner, halb Scharlatan, lebte, wie sich herausstellte, den ganzen Krieg über in der Schweiz. Er ist noch nicht einmal Jude. Doch man höre sich die Nachrufe der Holocaust-Industrie an:
Arthur Samuelson (Verleger): Bruchstücke „ist ein recht gutes Buch . . . Ein Schwindel ist es nur, wenn man es als Sachbuch bezeichnet. Ich würde es eben in der Kategorie Belletristik herausgeben. Vielleicht ist es nicht wahr – desto besser ist sein Autor!“
Carol Brown Janeway (Herausgeberin und Übersetzerin): „Falls sich die Anschuldigungen . . . als zutreffend herausstellen, dann stehen keine nachprüfbaren empirischen Tatsachen zur Debatte, sondern es sind spirituelle Tatsachen zu beurteilen. Man müßte die Seele überprüfen, und das ist unmöglich.“
Das ist noch nicht alles. Israel Gutman ist einer der Leiter der Gedenkstätte Yad Vashem und hält Vorlesungen zum Holocaust an der Hebrew University. Außerdem war er selbst Häftling im Konzentrationslager Auschwitz. Laut Gutman „ist es nicht so wichtig“, ob Bruchstücke ein Schwindel ist.
„Wilkomirski hat eine Geschichte geschrieben, die er tief empfunden hat; das steht fest . . . Er ist kein Schwindler. Er ist einer, der diese Geschichte sehr tief in seiner Seele erlebt. Der Schmerz ist authentisch.“
Demnach spielt es also keine Rolle, ob er die Zeit des Krieges in einem Konzentrationslager zubrachte oder in einem schweizerischen Chalet; Wilkomirski ist kein Schwindler, wenn sein „Schmerz authentisch ist.“ So argumentiert ein Überlebender von Auschwitz, der sich zum Holocaust- Experten gewandelt hat. Die anderen verdienen Verachtung – Gutman nur Mitleid.
Im Oktober 1999 gab Wilkomirskis deutscher Verlag, als er Bruchstücke aus den Buchhandlungen zurückzog, schließlich öffentlich bekannt, daß der Autor kein ehemaliges jüdisches Waisenkind, sondern der in der Schweiz geborene Bruno Doessecker sei. Als er erfuhr, daß die Party vorbei war, tönte Wilkomirski trotzig: „Ich bin Binjamin Wilkomirski!“ Der amerikanische Verlag, Schocken, nahm Bruchstücke erst einen Monat später aus seinem Programm.
Die jüngste große Holocaust-Show ist Daniel Jonah Goldhagens Hitlers willige Vollstrecker. Innerhalb weniger Wochen nach seinem Erscheinen druckte jedes wichtige Meinungsblatt eine oder mehrere Besprechungen. Die New York Times brachte mehrere Artikel, in denen Goldhagens Buch als „eines jener seltenen neuen Werke“ gelobt wird, „die die Bezeichnung Meilenstein verdient haben“ (Richard Bernstein). Mit einer halben Million verkaufter Exemplare und vorgesehenen Übersetzungen in 13 Sprachen wurde Hitlers willige Vollstrecker im Time-Magazin als das „am meisten diskutierte“ und zweitbeste Sachbuch des Jahres gefeiert.
Elie Wiesel verwies auf die „bemerkenswerten Recherchen“ und die „Fülle an Belegen …, gestützt von einer überwältigenden Zahl an Dokumenten und Tatsachen“, um Hitlers willige Vollstrecker als „großartigen Beitrag zum Verständnis und zur Vermittlung des Holocaust“ anzukündigen. Israel Gutman pries das Buch, weil es „eindeutig zentrale Fragen wieder aufwirft“, die vom „Großteil der wissenschaftlichen Holocaust-Forschung“ ignoriert würden. Goldhagen, nominiert für den Holocaust-Lehrstuhl der Harvard University und in den Medien mit Wiesel zusammengespannt, gelangte schnell zu allgegenwärtiger Präsenz im Vortragstourismus zum Thema Holocaust.
Die zentrale These von Goldhagens Buch ist eines der üblichen Holocaust-Dogmen: Getrieben von pathologischem Haß, stürzte sich das deutsche Volk auf die von Hitler gebotene Gelegenheit, die Juden zu ermorden. Selbst der führende deutschsprachige Holocaust-Autor Yehuda Bauer, der an der Hebrew University lehrt und zu den Leitern von Yad Vashem gehört, hat dieses Dogma zeitweilig übernommen. Noch vor einigen Jahren schrieb Bauer über die geistige Verfassung der Täter: „Die Juden wurden von Leuten umgebracht, die sie größtenteils nicht wirklich haßten … Die Deutschen mußten keinen Haß für die Juden empfinden, um sie zu töten.“
In einer kürzlich erschienen Besprechung von Goldhagens Buch behauptete Bauer jedoch genau das Gegenteil: „Die radikalste Ausprägung mörderischer Gesinnung herrschte von den dreißiger Jahren an vor … Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte sich die breite Mehrheit der Deutschen in einem solchen Ausmaß mit dem Regime und seiner antisemitischen Politik identifiziert, daß es kein Problem war, die Mörder zu rekrutieren.“ Als man ihn zu dieser Diskrepanz befragte, erwiderte Bauer: „Ich kann keinerlei Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen erkennen.“
Hitlers willige Vollstrecker, voll mit groben Fehldeutungen von Quellenmaterial und inneren Widersprüchen, ist ohne wissenschaftlichen Wert. In Eine Nation auf dem Prüfstand haben Ruth Bettina Birn und der Autor dokumentiert, wie schludrig Goldhagens Unternehmung angelegt ist. Die darauf folgende Kontroverse beleuchtete das Funktionieren der Holocaust-Industrie auf lehrreiche Weise.
Birn, weltweit die führende Autorität für die Archive, die Goldhagen zu Rate zog, veröffentlichte ihre kritischen Befunde zuerst im Historical Journal von Cambridge. Goldhagen wies die Einladung der Zeitschrift zu einer umfassenden Erwiderung zurück und beauftragte statt dessen eine führende Londoner Anwaltskanzlei, Birn und die Cambridge University Press wegen „vieler schwerwiegender Verleumdungen“ zu verklagen. Goldhagens Anwälte verlangten eine Entschuldigung, die Rücknahme der Kritik und eine Zusicherung Birns, die Kritik nicht zu wiederholen, und drohten zudem, daß „jegliches öffentliche Aufsehen, das Sie aufgrund dieses Briefes auslösen sollten, auf eine weitere Vergrößerung des Schadens hinauslaufen würde“.
Kurz nachdem die ebenfalls kritischen Befunde des Autors in der New Left Review veröffentlicht wurden, erklärte sich der Metropolitan-Verlag, ein Label von Henry Holt, bereit, beide Aufsätze zusammen als Buch herauszugeben. In einer Titelgeschichte warnte daraufhin Forward, Metropolitan sei „dabei, ein Buch von Norman Finkelstein herauszubringen, einem bekannten ideologischen Gegner des Staates Israel“. Die Zeitschrift Forward ist die wichtigste Instanz, die in den Vereinigten Staaten die (politische) Holocaust-Correctness durchsetzt.
Leon Wieseltier, Literaturredakteur der pro-israelischen New Republic, intervenierte persönlich bei Michael Naumann, dem Verleger von Holt. „Sie wissen nicht, wer Finkelstein ist. Er ist Gift, ein abstoßender Jude voller Selbsthaß, so etwas wie ihn finden Sie unter einem Stein.“ Elan Steinberg, geschäftsführender Direktor des World Jewish Congress, bezeichnete Holts Entscheidung als „Schande“ und meinte: „Wenn sie Müllmänner sein wollen, sollten sie sich die Uniform der Stadtreinigung anziehen.“
„Nie zuvor habe ich“, erinnerte sich Naumann später, „einen vergleichbaren Versuch interessierter Kreise erlebt, eine bevorstehende Veröffentlichung vor aller Augen schlecht zu machen.“ Der bekannte israelische Historiker und Journalist Tom Segev merkte in der Zeitschrift Haaretz an, daß die Kampagne an „Kulturterrorismus“ grenze.
Als leitende Historikerin der für Kriegsverbrechen zuständigen Abteilung des kanadischen Justizministeriums wurde Birn als nächstes von jüdischen Organisationen in Kanada angegriffen. Mit der Behauptung, ich sei „der überwiegenden Mehrheit der Juden auf diesem Kontinent ein Greuel“, prangerte der Canadian Jewish Congress (CJC) an, daß Frau Birn an diesem Buch mitgearbeitet hatte. Über ihren Arbeitgeber machte der CJC Druck und reichte eine Beschwerde beim Justizministerium ein. Zusammen mit einem vom CJC unterstützten Bericht, der Birn als „Mitglied der Rasse der Täter“ (sie ist in Deutschland geboren) bezeichnete, löste diese Beschwerde eine offizielle Ermittlung gegen sie aus.
Auch nach dem Erscheinen des Buches ließen die persönlichen Angriffe nicht nach. Goldhagen behauptete, Birn, die die Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat, vertrete eine antisemitische Einstellung, und ich selbst sei der Meinung, die Opfer der Nazis einschließlich meiner eigenen Familie hätten den Tod verdient. Goldhagens Kollegen am Harvard Center for European Studies, Stanley Hoffmann und Charles Maier, stellten sich öffentlich hinter ihn.
The New Republic bezeichnete die Vorwürfe, es handle sich um Zensur, als „Ente“, und hielt dagegen, daß „es einen Unterschied gibt zwischen Zensur und der Einhaltung von Standards“. Von den führenden Historikern des Nazi-Holocaust einschließlich Raul Hilberg, Christopher Browning und Ian Kershaw erhielt Eine Nation auf dem Prüfstand Rückendeckung. Eben diese Wissenschaftler verwarfen Goldhagens Buch; Hilberg nannte es „wertlos“.
Man sehe sich zum Schluß noch folgendes Beziehungsmuster an: Wiesel und Gutmann unterstützten Goldhagen, Wiesel unterstützte Kosinski, Gutman und Goldhagen unterstützten Wilkomirski. Man verbinde die Spieler miteinander: Das ist HOLOCAUST-Literatur.
Ungeachtet des ganzen Rummels gibt es keinen Beleg, daß die Leugner des Holocaust in den USA einen nennenswert größeren Einfluß ausüben als die Gesellschaft zur Unterstützung der Erdscheiben-Hypothese. Angesichts des Unsinns, den die Holocaust-Industrie täglich auf den Markt wirft, wundert man sich eher, warum es so wenige Skeptiker gibt. Das Motiv hinter der Behauptung, die Leugnung des Holocaust sei weit verbreitet, ist leicht zu finden. Wie anders sollte man in einer Gesellschaft, die bis oben hin mit DEM HOLOCAUST gesättigt ist, immer noch weitere Museen, Bücher, Lehrpläne, Filme und Programme rechtfertigen, als damit, das Gespenst der Leugnung des Holocaust heraufzubeschwören? So wurde Deborah Lipstadts gefeiertes Buch Leugnen des Holocaust. Rechtsextremismus mit Methode just zur Eröffnung des Washington Holocaust Memorial Museum veröffentlicht.
Der einzige, der dem Mainstream zuzurechnen ist und einen Holocaust leugnet, ist Bernard Lewis. Ein französisches Gericht hat Lewis sogar wegen Leugnung des Völkermords verurteilt. Doch Lewis verneinte den Völkermord, den die Türken während des Ersten Weltkriegs an den Armeniern verübt hatten, nicht den Völkermord der Nazis an den Juden, und Lewis ist pro-israelisch eingestellt. Dementsprechend brachte dieses Beispiel der Leugnung eines Holocaust in den Vereinigten Staaten niemanden auf die Palme.
Die Türkei ist ein Verbündeter Israels, das die Dinge fast noch mehr beschönigt. Deshalb ist es tabu, einen Völkermord an den Armeniern zu erwähnen. Sowohl Elie Wiesel und Rabbi Arthur Hertzberg als auch der AJC und das Yad Vashem verließen eine internationale Konferenz zum Thema Völkermord in Tel Aviv, weil die akademischen Veranstalter entgegen dem Drängen der israelischen Regierung auch Sitzungen zum Fall der Armenier eingeplant hatten. Außerdem bemühte sich Wiesel einseitig, die Konferenz abzubrechen, und bearbeitete, Yehuda Bauer zufolge, andere persönlich, nicht daran teilzunehmen. Auf Israels Geheiß sorgte der Holocaust Council der Vereinigten Staaten dafür, daß die Armenier im Washington Holocaust Memorial Museum praktisch nicht erwähnt werden, und jüdische Lobbyisten im Kongreß verhinderten einen Gedenktag für den armenischen Genozid.
Wenn die Aussage eines Überlebenden in Frage gestellt oder die Rolle der jüdischen Kollaborateure angeprangert wird, wenn vorgebracht wird, Deutsche hätten während der Bombardierung Dresdens gelitten oder irgendwelche anderen Staaten außer Deutschland hätten im Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrechen begangen – dann sind das laut Lipstadt alles Belege für eine Leugnung des Holocaust. Und wenn man sagt, Wiesel habe von der Holocaust-Industrie profitiert, oder ihn persönlich in Frage stellt, so läuft das auf ein Abstreiten des Holocaust hinaus.
Die „bösartigsten“ Formen der Leugnung des Holocaust sind, wie Lipstadt vorbringt, die „unmoralischen Gleichsetzungen“ – das heißt, die Verneinung der Einzigartigkeit DES HOLOCAUST. Dieses Argument bringt faszinierende Folgerungen mit sich. Daniel Goldhagen vertritt den Standpunkt, daß die serbischen Aktionen im Kosovo „sich ihrem Wesen nach nur durch die Größenordnung von denen Nazideutschlands unterscheiden“. Das würde Goldhagen „seinem Wesen nach“ zu einem Leugner des Holocaust machen. Tatsächlich verglichen israelische Kommentatoren Serbiens Vorgehen im Kosovo mit Israels Vorgehen gegen die Palästinenser im Jahre 1948. Nach Goldhagens Einschätzung hätte Israel damals also einen Holocaust begangen. Das behaupten nicht einmal mehr Palästinenser.
Jedoch ist nicht die gesamte revisionistische Literatur – wie skurril die politischen Ansichten auch sein mögen – vollkommen nutzlos. Lipstadt brandmarkt David Irving als „einen der gefährlichsten Sprecher der Holocaust-Leugner“ Doch Irving, ein notorischer Bewunderer Hitlers und Sympathisant des deutschen Nationalsozialismus, dessen Meinungen scharf abzulehnen sind, hat ungeachtet dessen, wie Gordon Craig feststellt, einen „unentbehrlichen“ Beitrag zu unserem Wissen über den Zweiten Weltkrieg geleistet. Sowohl Arno Mayer als auch Raul Hilberg zitieren also Veröffentlichungen, die den Holocaust leugnen. „Wenn diese Leute reden wollen, soll man sie lassen“, meint Hilberg. „Das bringt jene von uns, die Forschung treiben, dazu, Dinge, die wir vielleicht als offensichtlich erachtet haben, erneut zu überprüfen. Und das ist nützlich für uns.“
Holocaust-Gedenktage sind ein nationales Ereignis. Alle 50 Bundesstaaten veranstalten Gedenkfeiern, häufig in Räumen der jeweiligen Parlamente. Die Vereinigung der Holocaust-Organisationen führt mehr als 100 Holocaust-Institutionen in den Vereinigten Staaten auf. Sieben große Holocaust-Museen sind über ganz Amerika verteilt. Kernstück dieses Angedenkens ist das United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Die erste Frage ist, weshalb es überhaupt ein von der (amerikanischen) Bundesregierung finanziertes Holocaust-Museum in der Hauptstadt des Landes gibt. Diese Einrichtung an der Washington Mall verträgt sich insbesondere nicht mit der Tatsache, daß hier kein Museum existiert, welches der Verbrechen im Laufe der amerikanischen Geschichte gedenkt. Man stelle sich das Klagegeschrei hierzulande [in den USA] gegen die Heuchelei der Deutschen vor, wenn diese in Berlin ein Nationalmuseum zum Gedenken nicht des Nazi-Völkermords, sondern der Sklaverei in Amerika oder der Auslöschung der amerikanischen Ureinwohner errichten würden.
Sein Schöpfer schreibt über das Holocaust-Museum, es sei „sehr darum bemüht, sich jeglichen Versuchs einer Indoktrination zu enthalten“, „jeder Manipulation der Eindrücke oder Emotionen“. Doch von der Planung bis zur Fertigstellung war das Museum in die Politik verstrickt. Angesichts der anstehenden Kampagne für seine Wiederwahl regte Jimmy Carter das Projekt an, um jüdische Spender und Wähler zu beschwichtigen, die wegen der Anerkennung der „legitimen Rechte“ der Palästinenser durch den Präsidenten aufgebracht waren. Der Vorsitzende der Präsidentenkonferenz der großen amerikanischen Judenorganisationen, Rabbi Alexander Schindler, beklagte Carters Anerkennung der Palästinenser als Menschen als „schockierenden“ Vorstoß. Carter verkündete die Pläne für das Museum, während der israelische Premierminister Menachem Begin Washington besuchte und eine erbitterte Redeschlacht im Kongreß über die von der Regierung vorgeschlagenen Waffenverkäufe an Saudi-Arabien tobte. Auch andere politische Themen scheinen in dem Museum auf. So verschweigt es den christlichen Hintergrund des europäischen Antisemitismus, um eine mächtige Wählerschicht nicht zu verprellen. Es spielt die diskriminierenden Einwanderungsquoten der USA vor dem Krieg herunter, übertreibt die Rolle der Vereinigten Staaten bei der Befreiung der Konzentrationslager und geht stillschweigend über die umfangreiche Anwerbung von Nazi-Kriegsverbrechern durch die USA bei Kriegsende hinweg. Die übergreifende Botschaft des Museums lautet, daß „wir“ uns derart böse Taten nicht einmal vorstellen, geschweige denn sie begehen könnten. Der Holocaust „läuft dem amerikanischen Ethos zuwider“, merkt Michael Berenbaum im Begleitbuch des Museums an. „Daß er begangen wurde, betrachten wir als Verletzung aller wesentlichen Werte Amerikas.“ Mit den abschließenden Szenen jüdischer Überlebender, die darum kämpfen, nach Palästina einreisen zu dürfen, führt das Holocaust-Museum die zionistische Lektion vor, daß Israel die „angemessene Antwort auf den Nationalsozialismus“ war.
Die Politisierung beginnt sogar schon, ehe man die Schwelle des Museums überschreitet. Es liegt am Raoul-Wallenberg-Platz. Wallenberg, ein schwedischer Diplomat, wird geehrt, weil er Tausende von Juden rettete und in einem sowjetischen Gefängnis starb. Der Schwede Graf Folke Bernadotte, der auch Tausende von Juden gerettet hat, wird nicht geehrt, denn der spätere israelische Premierminister Yitzak Shamir hatte seine Ermordung befohlen, weil er „proarabisch“ eingestellt gewesen sei.
Die Crux der Politik der Holocaust-Museen liegt jedoch darin, wessen eigentlich gedacht werden soll.
Waren die Juden die einzigen Opfer des Holocaust, oder zählen andere, die der Verfolgung durch die Nazis ausgeliefert waren, ebenfalls als Opfer?
Während der Planungsphase des Museums setzte sich Elie Wiesel (zusammen mit Yehuda Bauer vom Yad Vashem) an die Spitze derer, die dort ausschließlich der Juden gedenken wollten.
Wiesel, dem man sich als dem „unbestrittenen Experten für die Zeit des Holocaust“ unterwarf, stritt hartnäckig für den Vorrang des jüdischen Opferstatus. „Wie immer fingen sie mit den Juden an“, tönte er in typischer Weise. „Wie immer hörten sie nicht bei den Juden allein auf.“ – Doch die ersten politischen Opfer des Nationalsozialismus waren Kommunisten, und die ersten Opfer des Nazi-Massenmords waren Behinderte.
Die größte Herausforderung für das Holocaust-Museum bestand darin, den Vorrang vor dem Völkermord an den Zigeunern zu rechtfertigen. Die Nazis hatten eine halbe Million Zigeuner systematisch ermordet, was proportional zur Bevölkerung grob den Verlusten beim Völkermord an den Juden entspricht. Holocaust-Autoren wie Yehuda Bauer behaupteten, die Zigeuner seien nicht im selben Ausmaß dem Genozid zum Opfer gefallen wie die Juden. Angesehene Holocaust-Historiker wie Henry Friedlander und Raul Hilberg dagegen haben die Ansicht vertreten, dies sei der Fall gewesen.
Hinter der Tatsache, daß das Museum den Zigeuner-Genozid an den Rand schob, lauerten mehrere Motive.
Erstens: Den Verlust des Lebens von Zigeunern konnte man einfach nicht mit dem Verlust jüdischen Lebens vergleichen. Die Forderung nach einem Vertreter der Zigeuner im US Holocaust Memorial Council bezeichnete Rabbi Seymour Siegel, der geschäftsführende Direktor, als „mies“; er bezweifelte, ob die Zigeuner als Volk überhaupt „existierten“: „Es müßte eine gewisse Anerkennung des Volks der Zigeuner vorhanden sein …, wenn es so etwas überhaupt gibt.“ Immerhin gab er zu, daß „es unter den Nazis einen leidenden Teil gab“. Edward Linenthal erinnert sich an das „tiefe Mißtrauen“ der Vertreter der Zigeuner gegenüber dem Rat, „gespeist von der offenkundigen Tatsache, daß einige Ratsmitglieder eine Beteiligung der Roma so behandelten, wie eine Familie mit unwillkommenen, störenden Verwandten umgeht“.
Zweitens: Wenn man den Genozid an den Zigeunern anerkannte, bedeutete das den Verlust einer exklusiven jüdischen Lizenz für DEN HOLOCAUST, was einen entsprechenden Verlust jüdischen „moralischen Kapitals“ mit sich brachte.
Drittens: Falls die Nazis Zigeuner wie Juden in gleicher Weise verfolgt hatten, war das Dogma, wonach DER HOLOCAUST den Höhepunkt eines tausendjährigen Hasses der Nichtjuden auf die Juden bezeichnete, eindeutig unhaltbar. Und ebenso, falls der Neid der Nichtjuden den Genozid an den Juden antrieb, war es dann auch Neid, der den Genozid an den Zigeunern antrieb? In der ständigen Ausstellung des Museums wird den nichtjüdischen Opfern des Nationalsozialismus nur pro forma Anerkennung zuteil.
Schließlich ist die politische Agenda des Holocaust-Museums auch noch durch den israelisch-palästinensischen Konflikt geformt worden. Ehe er dem Museum als Direktor diente, verfaßte Walter Reich eine Lobrede auf Joan Peters‘ verlogenes Buch From Time Immemorial, in dem behauptet wird, vor der Besiedlung durch die Zionisten sei Palästina buchstäblich leer gewesen. Auf Drängen des Außenministeriums wurde Reich gezwungen zurückzutreten, nachdem er sich geweigert hatte, Yassir Arafat, der mittlerweile ein willfähriger Verbündeter Amerikas geworden war, zu einem Besuch des Museums einzuladen. Dem Holocaust-Theologen John Roth, dem man die Stelle eines stellvertretenden Leiters angeboten hatte, wurde damals solange zugesetzt, bis er zurücktrat; er hatte in der Vergangenheit Israel kritisiert. Als der Vorsitzende des Museums Miles Lerman ein Buch, mit dem das Museum zunächst einverstanden gewesen war, ablehnte, weil es ein Kapitel von Benny Morris (einem bekannten israelischen Historiker und Kritiker Israels) enthielt, verkündete er: „Dieses Museum auf die Seite der Gegner Israels zu stellen – das ist unvorstellbar.“ Im Kielwasser von Israels entsetzlichem Angriff gegen den Libanon im Jahre 1996, der in dem Massaker an mehr als hundert Zivilisten in Qana gipfelte, stellte der Haaretz-Kolumnist Ari Shavit fest, Israel könne straflos handeln, weil „wir die Anti-Defamation League … und Yad Vashem sowie das Holocaust Museum haben“.
3. Doppelt abkassiert
Ursprünglich bezeichnete der Begriff Überlebender des Holocaust jene, die das einzigartige Trauma der jüdischen Ghettos, der Konzentrationslager und Sklavenarbeitslager, häufig eines nach dem anderen, durchlitten hatten. Die Zahl dieser Überlebenden des Holocaust bei Kriegsende wird allgemein auf etwa 100.000 geschätzt. Mittlerweile dürfte nur noch ein Viertel dieser Überlebenden am Leben sein. Da es zur Krönung des Märtyrertums wurde, die Lager überstanden zu haben, bezeichneten sich viele Juden, die Krieg und Verfolgung anderswo überstanden hatten, ebenfalls als Überlebende der Lager. Ein weiteres starkes Motiv hinter dieser schiefen Darstellung lag jedoch im Materiellen. Die deutsche Nachkriegsregierung stellte Entschädigungen nur für Juden bereit, die in Ghettos oder Lagern gewesen waren. Viele Juden konstruierten sich deshalb eine entsprechende Vergangenheit. „Wenn jeder, der behauptet, ein Überlebender der Lager zu sein, wirklich einer ist“, pflegte meine Mutter auszurufen, „wen hat Hitler dann umgebracht?“
In der Tat haben viele Wissenschaftler Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussagen Überlebender geäußert. „Ein großer Prozentsatz der Fehler, die ich in meiner Arbeit entdeckt habe“, erinnert sich Hilberg, „konnte auf Aussagen von Zeugen zurückgeführt werden.“ Selbst innerhalb der Holocaust-Industrie merkt beispielsweise Deborah Lipstadt ironisch an, daß Überlebende des Holocaust häufig behaupten würden, in Auschwitz von Josef Mengele persönlich untersucht worden zu sein.
Neben den Unzulänglichkeiten der Erinnerung dürfte es noch weitere Gründe geben, die die Aussagen mancher Überlebender des Holocaust als zweifelhaft erscheinen lassen. Da Überlebende mittlerweile wie weltliche Heilige verehrt werden, wagt man nicht, sie in Frage zu stellen. Absurde Behauptungen läßt man kommentarlos durchgehen. In seinen gefeierten Memoiren erinnert Elie Wiesel sich, daß er kurz nach seiner Befreiung aus Buchenwald, gerade achtzehn Jahre alt, “ . . . die Kritik der reinen Vernunft (lachen Sie nicht) in Jiddisch . . . las“. Abgesehen von Wiesels Bekenntnis, daß er zu jener Zeit „keine Ahnung von der jiddischen Grammatik“ hatte, wurde die Kritik der reinen Vernunft nie ins Jiddische übersetzt.
In den letzten Jahren ist Überlebender des Holocaust umgedeutet worden; der Begriff bezeichnet jetzt nicht nur jene, die unter den Nazis litten, sondern auch jene, die es schafften, ihnen zu entgehen. Dazu gehören zum Beispiel mehr als 100.000 polnische Juden, die nach dem Einmarsch der Nazis in Polen in der Sowjetunion Zuflucht gefunden hatten. Doch „jene, die in Rußland gelebt haben, sind nicht anders behandelt worden als die übrigen Bürger des Landes“, merkt der Historiker Leonard Dinnerstein an, während „die Überlebenden der Konzentrationslager wie lebende Leichname aussahen“. In einem Beitrag für eine Holocaust-Website meinte einer, er sei, obwohl er die Zeit des Krieges in Tel Aviv verbracht hatte, ein Holocaust-Überlebender, weil seine Großmutter in Auschwitz umgekommen ist. Wenn es nach Israel Gutman geht, ist Wilkomirski ein Überlebender des Holocaust, weil sein „Schmerz authentisch ist“. Das Büro des israelischen Premierministers Netanjahu bezifferte die Zahl der „noch lebenden Holocaust-Überlebenden“ auf fast eine Million. Das Hauptmotiv hinter dieser inflationären Änderung ist auch hier leicht zu finden. Es ist schwierig, neue umfangreiche Ansprüche auf Wiedergutmachung durchzusetzen, wenn nur noch wenige Opfer des Holocaust am Leben sind. In der Tat hatten Wilkomirskis Hauptkomplizen auf die eine oder andere Weise Zugang zum Netzwerk der Holocaust-Reparationen. Seine Kindheitsfreundin aus Auschwitz, die „kleine Laura“, kassierte Geld von einer schweizerischen Holocaust-Stiftung, obwohl sie eine in Amerika geborene Anhängerin von Satanskulten war. Seine israelischen Hauptförderer waren in Organisationen tätig, die in die Holocaust-Entschädigung einbezogen waren, oder sie wurden von diesen finanziell unterstützt.
Die Frage der Wiedergutmachung liefert einzigartige Einblicke in die Holocaust-Industrie. Wie wir gesehen haben, war Deutschland als Verbündeter der USA im Kalten Krieg rasch rehabilitiert und die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis vergessen. Dennoch trat Deutschland zu Beginn der fünfziger Jahre in Verhandlungen mit jüdischen Einrichtungen ein und unterzeichnete Abkommen über Entschädigungszahlungen. Bis heute hat es etwa 60 Milliarden Dollar ausbezahlt, was, wenn überhaupt, nur wenig äußeren Druckes bedurfte. Hiermit vergleiche man zuerst die Bilanz Amerikas. Infolge der Kriege der USA in Indochina starben etwa 4-5 Millionen Männer, Frauen und Kinder. Nach dem Abzug der Amerikaner benötigte Vietnam, wie ein Historiker schreibt, dringend Hilfe. „Im Süden waren 9000 von 15000 Dörfern, 10 Millionen Hektar Ackerland sowie 5 Millionen Hektar Wald zerstört; 1,5 Millionen Nutztiere waren getötet worden. Schätzungen zufolge gab es 200.000 Prostituierte, 800.000 Waisen, 180.000 Behinderte und 1 Million Witwen; alle sechs Industriestädte des Nordens waren schwer beschädigt, ebenso wie Provinz- und Distrikthauptstädte sowie 4000 von 5800 landwirtschaftlichen Gemeinden.“
Doch Präsident Carter verweigerte jegliche Wiedergutmachung und erklärte, daß „die Zerstörung wechselseitig war“. William Cohen, Verteidigungsminister unter Präsident Clinton, verkündete, er sehe keine Notwendigkeit für „irgendwelche Entschuldigungen, was den Krieg selbst betrifft“, und äußerte ebenfalls die Meinung: „Beide Länder haben durch ihn gelitten. Sie haben von dem Krieg Narben zurückbehalten. Sicherlich haben auch wir welche.“
Im Rahmen von drei verschiedenen Abkommen, die 1952 unterzeichnet wurden, war die deutsche Regierung bestrebt, jüdische Opfer zu entschädigen. Ein separates Abkommen mit Israel stellte Subventionen für die Eingliederung mehrerer hunderttausend jüdischer Flüchtlinge bereit. Gleichzeitig verhandelte die deutsche Regierung mit der Conference on Jewish Material Claims Against Germany, einer Dachorganisation aller großen jüdischen Organisationen, über eine finanzielle Regelung. Man nahm an, die Claims Conference würde die Gelder, zwölf Jahre lang jeweils 10 Millionen Dollar oder etwa eine Milliarde Dollar nach heutigem Wert, für jüdische Opfer der Naziverfolgung verwenden, die im Entschädigungsprozeß durch das Raster gefallen waren. Meine Mutter war ein solcher Fall. Als Überlebende des Warschauer Ghettos, des Konzentrationslagers Majdanek und der Zwangsarbeits-Lager von Czestochowa und Skarszysko-Kamiena bekam sie von der deutschen Regierung nur 3500 Dollar Entschädigung. Andere jüdische Opfer (und viele, die in Wahrheit keine waren) erhielten von Deutschland jedoch lebenslange Pensionen, die sich schließlich zu mehreren hunderttausend Dollar summierten. Die Gelder, die der Claims Conference übergeben wurden, waren jenen jüdischen Opfern zugedacht, die nur minimale Entschädigungen bekommen hatten.
Die deutsche Regierung war in der Tat bestrebt, in der Vereinbarung mit der Claims Conference ausdrücklich festzuhalten, daß die Gelder ausschließlich an genau bezeichnete jüdische Überlebende gehen sollten, die von deutschen Gerichten unfair oder unangemessen entschädigt worden waren. Die Konferenz zeigte sich empört, daß man ihre guten Absichten in Zweifel zog.
Vor kurzem versuchte die Claims Conference, sich reprivatisiertes jüdisches Eigentum in den neuen Bundesländern im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar anzueignen, das von Rechts wegen lebenden jüdischen Erben zusteht. Als die Konferenz deswegen und wegen anderer Mißstände von betrogenen Juden angegriffen wurde, verwünschte Rabbi Arthur Hertzberg beide Seiten und höhnte, daß „es nicht um Gerechtigkeit geht, es ist ein Kampf ums Geld“. Wenn die Deutschen oder die Schweizer sich weigern, Entschädigungen zu zahlen, kann der Himmel die gerechte Entrüstung der organisierten Juden nicht fassen. Doch wenn jüdische Eliten jüdische Überlebende berauben, kommen keine ethischen Fragen auf: Es geht ja nur um Geld. Auch wenn meine verstorbene Mutter nur 3500 Dollar Entschädigung erhielt, haben andere, die am Reparationsverfahren teilhatten, recht gut abgeschnitten. Angeblich beläuft sich das Jahresgehalt von Saul Kagan, lange Zeit Erster Sekretär der Claims Conference, auf 105.000 Dollar. Alfonse D’Amato, der ehemalige Senator von New York, vertritt Holocaust-Klagen gegen deutsche Banken für ein Honorar von 350 Dollar pro Stunde plus Spesen. Für seine Bemühungen in den ersten sechs Monaten nahm er 103.000 Dollar ein. Zuvor pries Wiesel D’Amato öffentlich für dessen „Einfühlungsvermögen in jüdisches Leid“. Lawrence Eagleburger, Minister unter Präsident Bush, verdient als Vorsitzender der Internationalen Kommission für Versicherungsansprüche aus der Zeit des Holocaust ein Gehalt von 300.000 Dollar jährlich. „Was immer man ihm bezahlt“, meinte Elan Steinberg vom World Jewish Congress, „ist in jeder Hinsicht gut angelegt.“ Was meine Mutter für sechs Jahre Leiden unter der Nazi-Verfolgung erhielt, kassiert Kagan in zwölf Tagen, Eagleburger in vier Tagen und D’Amato in zehn Stunden.
Der Preis für den umtriebigsten Holocaust-Händler geht jedoch mit Sicherheit an Kenneth Bialkin. Jahrzehntelang war er eine bekannte jüdische Führungspersönlichkeit in den USA, er leitete die ADL und war Vorsitzender der Präsidentenkonferenz der großen jüdischen Organisationen in Amerika. Derzeit vertritt Bialkin für eine – so hört man – „hohe Geldsumme“ die Versicherungsgesellschaft Generali gegen die Eagleburger-Kommission.
In den letzten Jahren ist die Holocaust-Industrie geradezu zu einem erpresserischen Geschäft geworden. Unter dem Vorwand, die Juden in aller Welt, ob lebendig oder tot, zu vertreten, erhebt sie in ganz Europa Anspruch auf jüdische Besitztümer aus der Zeit des Holocaust. Dieses doppelte Abkassieren sowohl bei europäischen Ländern als auch bei Juden mit legitimen Ansprüchen, das man passend als „letztes Kapitel des Holocaust“ tituliert hat, zielte zunächst auf die Schweiz.
Zuerst möchte ich die Anschuldigungen anführen, die man gegen die Schweiz erhob. Anschließend wende ich mich den Beweisen zu, wobei ich zeigen werde, daß viele der Vorwürfe nicht nur auf Täuschung beruhten, sondern sich sogar viel besser auf jene anwenden lassen, die sie vorbringen.
Beim Gedenken an den fünfzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs bat der schweizerische Präsident im Mai 1995 formell dafür um Entschuldigung, daß man den Juden während der Massenvernichtung durch die Nazis keine Zuflucht gewährt hatte. Etwa zur gleichen Zeit kamen auch wieder Diskussionen über die seit langem schwelende Frage nach den jüdischen Vermögenswerten auf, die vor und während des Krieges auf schweizerischen Konten deponiert worden waren. In einer weitverbreiteten Story zitierte ein israelischer Journalist ein Dokument – es wurde, wie sich herausstellte, falsch interpretiert -, welches bewies, daß in Schweizer Banken noch immer jüdische Konten aus der Zeit des Holocaust im Wert von mehreren Milliarden Dollar existierten.
Der Jüdische Weltkongreß – eine Organisation, die sich bis zu der Kampagne, die Kurt Waldheim als Kriegsverbrecher bloßstellte, im Niedergang befand – stürzte sich auf diese neue Gelegenheit. Schon früh war klar, daß die Schweiz eine leichte Beute sein würde. Wenige würden mit den reichen Bankiers der Schweiz sympathisieren, denen die „bedürftigen Überlebenden des Holocaust“ gegenüber standen. Was jedoch wichtiger war: Die Schweizer Banken waren überaus anfällig für wirtschaftliche Pressionen seitens der USA.
Ende 1995 trafen Edgar Bronfman, der Präsident des WJC und Sohn eines offiziellen Mitglieds der Jewish Claims Conference, und Rabbi Israel Singer, Generalsekretär des WJC und Immobilien-Tycoon, mit den schweizerischen Bankiers zusammen. Bronfman, Erbe des Seagram Spirituosen-Vermögens (sein persönlicher Besitz wird auf 3 Milliarden Dollar geschätzt), informierte später den Bankenausschuß des Senats bescheiden, er spreche „im Namen des jüdischen Volkes“ wie auch „jener 6 Millionen, die nicht für sich sprechen können“. Die schweizerischen Bankiers erklärten, sie könnten nur 775 nachrichtenlose Konten im Wert von insgesamt 32 Millionen Dollar ausfindig machen. Diese Summe boten sie als Grundlage für Verhandlungen mit dem Jüdischen Weltkongreß an, der sie als unzureichend zurückwies.
Im Dezember 1995 tat sich Bronfman mit Senator D’Amato zusammen. Da D’Amatos Umfragewerte auf dem Tiefpunkt waren und ein Senats-Wahlkampf bevorstand, kostete er diese Möglichkeit aus, sein Ansehen bei der jüdischen Gemeinde mit ihren entscheidenden Wählerstimmen und den wohlhabenden politischen Spendern zu verbessern. Bevor die Schweizer schließlich auf die Knie gezwungen wurden, hatte der Jüdische Weltkongreß, der die ganze Bandbreite der Holocaust-Einrichtungen (einschließlich des US Holocaust Memorial Museums und des Simon-Wiesenthal-Zentrums) einsetzte, das gesamte politische Establishment der Vereinigten Staaten mobilisiert. Von Präsident Clinton, der sein Kriegsbeil mit D’Amato (die Whitewater-Hearings waren noch nicht abgeschlossen) begrub, um zu Hilfe zu kommen, über elf Regierungs -einrichtungen sowie Parlament und Senat, bis hinunter zu Behörden von Bundesstaaten und Gemeinden im ganzen Land, kamen Pressionen beider Parteien zum Tragen, und ein Amtsträger nach dem anderen reihte sich ein, um die perfiden Schweizer anzuklagen.
Die Holocaust-Industrie benutzte die Banken-Komitees von Parlament und Senat als Sprungbrett, um eine schamlose Diffamierungskampagne in Gang zu setzen. Mit einer unendlich willfährigen und leichtgläubigen Presse, die bereit war, jeder noch so absurden Story, die mit dem Holocaust zu tun hatte, Schlagzeilen zu widmen, erwies sich die Schmutzkampagne als unaufhaltsam.
Gregg Rickman, D’Amatos wichtigster Berater in Fragen der Gesetzgebung, brüstet sich in seinem Bericht, daß die schweizerischen Bankiers „in das Gericht der öffentlichen Meinung“ gezwungen worden seien, „wo wir die Tagesordnung bestimmten. Die Bankiers mußten auf unserem Platz antreten, und praktischerweise waren wir zugleich Richter, Geschworene und Vollstrecker.“ Tom Bower, in der anti-schweizerischen Kampagne einer der wichtigsten Rechercheure, nennt die Forderung D’Amatos nach einer Anhörung eine „verharmlosende Bezeichnung für einen Schauprozeß oder ein Femegericht“.
Das Sprachrohr der gegen die Schweiz gerichteten geballten Macht war der geschäftsführende Direktor des WJC, Elan Steinberg. Seine Hauptaufgabe war es, Desinformation zu verbreiten. Bower schreibt:
„Durch immer neue peinliche Enthüllungen Angst zu erzeugen und bedenkenlos Anschuldigungen in die Welt zu setzen, das waren Steinbergs Waffen. Die Berichte des OSS [Office of Strategic Services, ein amerikanischer Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg], die häufig auf Gerüchten und unbestätigten Quellen beruhten und von den Historikern jahrelang als bloßes Gemunkel abgetan worden waren, galten plötzlich als uneingeschränkt glaubwürdig und fanden breite öffentliche Aufmerksamkeit.“
„Das letzte, was die Banken brauchen, ist negative Publicity“, erklärte Rabbi Singer. „Wir machen weiter, bis die Banken sagen: ›Genug. Wir wollen einen Kompromiß.‹“ Rabbi Marvin Hier, Präsident des Simon-Wiesenthal-Zentrums, den es ebenfalls ins Rampenlicht drängte, stellte die aufsehenerregende Behauptung auf, die Schweizer hätten jüdische Flüchtlinge in „Zwangsarbeitslager“ eingesperrt. (Gemeinsam mit Sohn und Ehefrau betreibt Hier das Simon-Wiesenthal-Zentrum als Familienbetrieb; 1992 bezogen die Hiers zusammen 520.000 Dollar an Gehältern).
Bower schreibt in einer von D’Amatos Büro und dem Simon-Wiesenthal-Zentrum getragenen Studie in typischer Diktion, daß „ein Land, dessen Bürger … sich … vor ihren Nachbarn ihres beneidenswerten Wohlstands gerühmt haben, sich ganz bewußt am Gold der Juden bereichert hat“; daß „die stillen Bankiers … aus der schönen, sauberen und neutralen Schweiz … gewissenlose Profiteure“ gewesen seien; daß „Unehrlichkeit ein kultureller Kodex war, den einzelne Schweizer beherrschten, um das Image und den Wohlstand der Nation zu schützen“; daß „die kleine verschworene Gruppe der Schweizer Bankiers … immer gieriger und unmoralischer geworden war“; daß die Schweizer „nicht nur ein besonders plumpes Volk waren, das keine Künstler, nach Wilhelm Tell keine Helden und keinen Staatsmann hervorgebracht hat, sondern außerdem noch unehrliche Nazi-Kollaborateure, die vom Völkermord profitiert hatten“. Und so weiter. Rickman verweist auf die „tiefere Wahrheit“ über die Schweizer: „Ganz weit unten, vielleicht tiefer, als sie es gedacht hätten, existierte in ihrer Veranlagung eine verborgene Überheblichkeit im Hinblick auf sich selbst und gegen andere. So sehr sie es auch versuchten, sie konnten ihre Kinderstube nicht verleugnen.“ Viele dieser Verunglimpfungen haben eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Beleidigungen, die von Antisemiten gegenüber Juden geäußert werden.
Der Hauptvorwurf lautete, daß es, mit den Worten von Bowers, „eine fünfzig Jahre dauernde Verschwörung von Schweizern und Nazis“ gegeben habe, „um von den europäischen Juden und Überlebenden des Holocaust Milliarden zu stehlen“. Nach einer Formulierung, die zum Mantra der Geschäftemacherei mit der Rückgabe von Holocaust-Besitztümern gewordenen ist, stellte das „den größten Raubzug in der Geschichte der Menschheit“ dar. Für die Holocaust-Industrie gehören alle jüdischen Angelegenheiten in eine eigene Kategorie der Superlative – das Schlimmste, das Größte …
Zunächst behauptete die Holocaust-Industrie, Schweizer Banken hätten gesetzlichen Erben von Holocaust-Opfern systematisch den Zugang zu nachrichtenlosen Konten mit einem Wert von 7 bis 10 Milliarden Dollar verweigert. „Während der letzten fünfzig Jahre“, schrieb Time in einer Titelgeschichte, sei es eine „Generalanweisung der Schweizer Banken gewesen, Überlebende des Holocaust hinzuhalten und abzuwehren, wenn sie sich nach den Konten ihrer verstorbenen Verwandten erkundigten“. Mit einem Hinweis auf die Geheimhaltungsvorschriften, die die Schweizer Banken 1934 zum Teil deswegen erlassen hatten, weil sie verhindern wollten, daß jüdische Anleger von den Nazis abkassiert wurden, trug D’Amato dem Bankenausschuß des Kongresses vor: „Ist es nicht eine Ironie, daß genau das System, mit dem die Leute ermutigt wurden, Konten zu eröffnen – daß genau dessen Geheimhaltungsvorschriften dann dazu benutzt wurden, eben diesen Leuten und deren Erben ihr Erbe, ihr Recht zu verweigern? Man hat es pervertiert, verdreht, in sein Gegenteil verkehrt.“
Atemlos erzählt Bower, wie ein entscheidendes Beweisstück für die schweizerische Perfidie gegenüber Holocaust-Opfern entdeckt wurde: „Glück und Fleiß brachten eine kostbare Information zu Tage, und sie bestätigte die Berechtigung von Bronfmans Klage. Ein Geheimdienstbericht aus der Schweiz vom Juli 1945 erwähnte, daß Jacques Salmanovitz, der Eigentümer der Société Gé nérale de Surveillance (SGS), eines Notariatsbüros und einer Treuhandfirma mit Kontakten zu den Balkanstaaten, eine Liste mit 182 jüdischen Klienten besaß. Sie hatten diesem Treuhänder 8,4 Millionen Schweizer Franken und etwa 90.000 Dollar anvertraut, bevor sie aus den Balkanstaaten in die Schweiz gekommen waren. In dem Bericht wurde festgestellt, daß die Juden ihren Besitz noch nicht zurückgefordert hätten. Rickman und D’Amato waren begeistert.“ Auch in seinem eigenen Bericht brandmarkt Rickman diesen „Beweis für schweizerische Kriminalität“. In diesem speziellen Kontext erwähnt jedoch keiner der beiden, daß Salmanovitz Jude war. (Welchen Wert diese Behauptungen tatsächlich haben, wird weiter unten behandelt.)
Gegen Ende 1996 lieferte ein Auftritt älterer jüdischer Frauen und eines Mannes vor dem Bankenausschuß des Kongresses ein bewegendes Zeugnis für die Rechtsverstöße der Schweizer Bankiers. Doch laut Itamar Levin, einem Redakteur der größten israelischen Wirtschaftszeitung, hatte keiner dieser Zeugen „einen wirklichen Beweis für die Existenz von Vermögenswerten bei Schweizer Banken“. Um den theatralischen Effekt dieser Zeugenaussage zu steigern, rief D’Amato Elie Wiesel als Zeugen auf. In seiner später weithin zitierten Aussage beteuerte Wiesel, er sei schockiert – schockiert! – gewesen von der Enthüllung, die Täter des Holocaust hätten versucht, Juden auszuplündern, ehe sie sie ermordeten: „Anfangs glaubten wir, die Endlösung sei allein durch eine vergiftete Ideologie motiviert gewesen. Nun wissen wir, daß sie nicht einfach, so schrecklich das klingen mag, nur Juden töten wollten: Sie wollten jüdisches Geld. Jeden Tag erfahren wir mehr über diese Tragödie. Gibt es denn für Schmerz keine Grenze? Keine Grenze für den Frevel?“ Natürlich ist es kaum eine Neuigkeit, daß die Nazis die Juden ausplünderten; ein großer Teil von Raul Hilbergs 1961 veröffentlichter grundlegender Untersuchung, Die Vernichtung der europäischen Juden, ist der Enteignung der Juden durch die Nazis gewidmet.
Man hat auch behauptet, die Schweizer Bankiers hätten die Einlagen von Holocaust-Opfern kassiert und systematisch entscheidende Unterlagen vernichtet, um die Spuren zu verwischen, und nur Juden seien derlei Scheußlichkeiten zugefügt worden. Bei einer Anhörung griff die Senatorin Barbara Boxer die Schweizer an und bekundete: „Dieser Ausschuß wird ein doppeltes Spiel der Schweizer Banken nicht hinnehmen. Erzählen Sie der Welt nicht, sie würden suchen, während sie Akten vernichten.“
Doch leider erschöpfte sich der propagandistische Wert der älteren jüdischen Kläger, die die Perfidie der Schweizer bezeugten, recht schnell. Dementsprechend versuchte die Holocaust-Industrie einen neuen Skandal ausfindig zu machen. Die Begeisterung der Medien machte sich an dem von der Schweiz gekauften Gold fest, das die Nazis während des Krieges in den Zentralbanken Europas erbeutet hatten. Auch das war in Wahrheit längst bekannt, wurde aber als aufsehenerregende Enthüllung verkündet. Arthur Smith, der Autor einer Standarduntersuchung zu diesem Komplex, sagte bei der Anhörung des Repräsentantenhauses: „Ich habe mir den ganzen Morgen und heute nachmittag Dinge angehört, die in weitem Umfang schon seit einigen Jahren in ihren Grundzügen bekannt sind; ich bin überrascht, daß vieles als neu dargestellt wird.“ Bei diesen Anhörungen ging es jedoch nicht um Information, sondern, mit den Worten der Journalistin Isabel Vincent darum, „sensationelle Stories zu bekommen“. Wenn man ausreichend mit Schlamm warf, konnte man durchaus davon ausgehen, daß die Schweiz klein beigeben würde.
Das einzige wirklich Neue war die Behauptung, die Schweizer hätten wissentlich mit dem „Gold von Opfern“ Handel getrieben. Das heißt, sie kauften große Mengen Gold auf, das die Nazis in Barren umgeschmolzen hatten, nachdem sie es Opfern der Konzentrationslager abgenommen hatten. „Der WJC“, schreibt Bower, „brauchte ein emotional besetztes Thema, das den Holocaust und die Schweiz miteinander verknüpfte.“ Dementsprechend sah man diese neuerliche Enthüllung schweizerischer Tücke als Geschenk des Himmels an. Es gab „nur wenige Bilder“, fährt Bower fort, „die aufwühlender waren als das Herausbrechen der Goldfüllungen aus den verzerrten Mündern toter Juden, die man aus den Gaskammern der Vernichtungslager gezogen hatte.“ „Die Tatsachen sind sehr, sehr betrüblich“, brachte D’Amato bei der Anhörung vor dem Repräsentantenhaus in klagendem Tonfall vor, „weil sie uns von der Plünderung der Besitztümer aus Wohnungen und Nationalbanken berichten, von den Todeslagern, den Uhren und Armreifen und Brillengestellen aus Gold und den Zahnfüllungen der Menschen.“
Neben den Vorwürfen, den Zugang zu Holocaust-Konten zu behindern und mit geplündertem Gold gehandelt zu haben, sahen die Schweizer sich auch mit der Anschuldigung konfrontiert, sie würden mit Polen und Ungarn gemeinsame Sache machen, um Juden zu betrügen. Hier hielt man ihnen vor, Gelder von nicht beanspruchten Schweizer Konten, die polnischen und ungarischen Staatsbürgern gehörten (die aber nicht alle Juden waren), würden von der Schweiz als Entschädigung für schweizerischen Besitz verwendet, den diese Regierungen verstaatlicht hatten. Rickman bezeichnet dies als „aufregende Enthüllung, eine, die den Schweizern die Socken von den Füßen reißen und einen Feuersturm verursachen wird“. Doch die Fakten waren schon weithin bekannt und in amerikanischen Zeitschriften der frühen fünfziger Jahre veröffentlicht worden. Und angesichts des ganzen Mediengeschreis belief sich die entsprechende Summe schließlich auf weniger als eine Million Dollar nach heutigem Wert.
Bereits vor dem ersten Senatshearing über die nachrichtenlosen Konten im April 1996 hatten die Schweizer Banken eingewilligt, einen Untersuchungsausschuß einzurichten und sich dessen Ergebnissen zu unterwerfen. Der aus sechs Mitgliedern (jeweils drei von der World Jewish Restitution Organization und der Schweizerischen Bankenvereinigung) bestehende „unabhängige Ausschuß herausragender Persönlichkeiten“, dem Paul Volcker, früherer Vorsitzender der Notenbank der USA, vorstand, wurde im Mai 1996 mittels einer „Absichtserklärung“ offiziell beauftragt. Außerdem ernannte die Schweizer Regierung im Dezember 1996 eine „unabhängige Expertenkommission“ mit Jean-François Bergier als Vorsitzendem und dem bekannten israelischen Holocaust-Gelehrten Saul Friedländer; sie sollte den Goldhandel der Schweiz mit Deutschland während des Zweiten Weltkriegs untersuchen.
Doch ehe diese Gremien auch nur mit ihrer Arbeit beginnen konnten, drängte die Holocaust-Industrie auf einen finanziellen Vergleich mit der Schweiz. Die Schweizer protestierten, für jede Regelung müsse man selbstverständlich auf die Ergebnisse der Kommissionen warten; ansonsten laufe es auf „Nötigung und Erpressung“ hinaus. Der Jüdische Weltkongreß spielte seine immerwährende Trumpfkarte aus und grämte sich wegen des Elends „bedürftiger Holocaust-Überlebender“. „Mein Problem ist die Zeit, die abläuft“, erklärte Bronfman gegenüber dem Bankenausschuß, „und ich habe all diese Holocaust-Überlebenden, die mir Sorgen machen.“ Man fragt sich, weshalb der gramerfüllte Milliardär ihre Not nicht vorübergehend selbst lindern konnte. Als er einen schweizerischen Einigungsvorschlag über 250 Millionen zurückwies, schniefte Bronfman: „Keine Gefälligkeiten. Ich werde das Geld selbst geben.“ Er tat es nicht. Die Schweiz willigte jedoch im Februar 1997 ein, einen „Sonderfonds für bedürftige Holocaust-Opfer“ von 200 Millionen Dollar einzurichten, um „Personen, die Hilfe in besonderer Weise brauchen“, eine Überbrückung zu bieten, bis die Kommissionen ihre Arbeit vollendet hätten. (Der Fonds verfügte immer noch über Geld, als die Kommissionen von Bergier und Volcker ihre Berichte vorlegten.)
Doch das Drängen der Holocaust-Industrie auf eine abschließende Regelung ließ nicht nach, sondern wurde eher noch stärker. Als die Schweiz erneut darum ersuchte, mit der Regelung zu warten, bis die Ergebnisse der Kommissionen vorlägen, traf sie damit weiterhin auf taube Ohren. Tatsächlich konnte die Holocaust-Industrie mit diesen Ergebnissen nur verlieren: Sollten sich am Ende nur wenige Ansprüche als legitim erweisen, würde das Vorgehen gegen die Schweizer Banken an Glaubwürdigkeit verlieren; falls die rechtmäßigen Anspruchsteller ausfindig gemacht würden, wären die Schweizer nur verpflichtet, diese zu entschädigen, nicht aber die jüdischen Organisationen.
Ein weiteres Mantra der Holocaust-Industrie lautet, daß es bei der Entschädigung „um Wahrheit und Gerechtigkeit geht, nicht um Geld“. „Es geht nicht um Geld“, witzelten die Schweizer nun. „Es geht um mehr Geld.“ Die Holocaust-Industrie heizte nicht nur die öffentliche Hysterie an, sondern koordinierte auch eine zweigleisige Strategie, um die Schweizer mit unablässigem Druck zur Unterwerfung zu zwingen: durch Sammelklagen und wirtschaftlichen Boykott. Anfang Oktober 1996 brachten Edward Fagan und Robert Swift im Namen von Gizella Weisshaus (ihr Vater hatte vor seinem Tod in Auschwitz davon gesprochen, daß er Geld in der Schweiz angelegt habe, doch die Banken hatten ihre Anfragen nach dem Krieg abgewiesen) und „anderen in ähnlicher Lage“ die erste Sammelklage über insgesamt 20 Milliarden Dollar ein. Ein paar Wochen darauf erhob das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das dafür die Anwälte Michael Hausfeld und Melvyn Weiss bestellte, eine zweite Sammelklage, und im Januar 1997 leitete der World Council of Orthodox Jewish Communities eine dritte in die Wege. Alle drei Klagen gingen bei Richter Edward Korman ein, einem Richter am US-Bezirksgericht in Brooklyn. Zumindest eine Prozeßpartei, der von Toronto aus agierende Rechtsanwalt Sergio Karas, beklagte diese Taktik: „Die Sammelklagen haben lediglich eine Massenhysterie hervorgebracht und eine scharfe Reaktion der Schweizer provoziert. Sie nähren nur den Mythos von den jüdischen Anwälten, denen es immer nur um Geld geht.“ Paul Volcker sprach sich mit der Begründung gegen die Sammelklagen aus, daß sie „unsere Arbeit beeinträchtigen, möglicherweise bis zur Wirkungslosigkeit“ – was die Holocaust-Industrie als nicht weiter ernst zu nehmende Besorgnis, wenn nicht gar als zusätzlichen Anreiz betrachtete.
Die wichtigste Waffe, die man einsetzte, um den Widerstand der Schweizer zu brechen, war jedoch der wirtschaftliche Boykott. „Nun wird die Schlacht viel schmutziger“, warnte im Januar 1997 Avraham Burg, Vorsitzender der Jewish Agency und Israels vorderster Kämpfer im Fall der Schweizer Banken. „Bis jetzt haben wir internationalen jüdischen Druck zurückgehalten.“ Bereits im Januar 1996 hatte der WJC damit begonnen, den Boykott zu planen. Bronfman und Singer nahmen Kontakt mit Alan Hevesi auf (sein Vater war ein bekannter Vertreter des AJC gewesen), dem Finanzchef von New York City, sowie mit Carl McCall, dem Finanzchef des Staates New York. Zusammen legen diese beiden Rechnungsführer Milliarden von Dollar in Pensionsfonds an. Hevesi war auch Vorsitzender in der Rechnungsführer-Vereinigung der USA, die 30 Billiarden Dollar in Pensionsfonds angelegt hat. Ende Januar legte Singer bei der Hochzeit seiner Tochter zusammen mit D’Amato und Bronfman eine Strategie fest. „Schauen Sie, was ich für ein Mensch bin“, scherzte Singer, „ich mache bei der Hochzeit meiner Tochter Geschäfte.“
Im Februar 1996 schrieben Hevesi und McCall an die Schweizer Banken und drohten ihnen Sanktionen an. Im Oktober sagte Gouverneur Pataki öffentlich seine Unterstützung zu. Während der folgenden Monate brachten die örtlichen und staatlichen Regierungen in New York, New Jersey, Rhode Island und Illinois jeweils Entschließungen ein, in denen sie mit einem wirtschaftlichen Boykott drohten, bis die Schweizer Banken einknickten. Im Mai 1997 verhängte die Stadt Los Angeles die ersten Sanktionen und zog mehrere hundert Millionen Dollar von Pensionsfonds aus einer Schweizer Bank ab. Mit Sanktionen New Yorks folgte Hevesi rasch nach. Innerhalb weniger Tage schlossen sich Kalifornien, Massachusetts und Illinois an.
„Ich will 3 Milliarden Dollar oder darüber“, verkündete Bronfman im Dezember 1997, „um das alles zu beenden, die Sammelklagen, das Volcker-Verfahren und das übrige.“ Indessen versuchten D’Amato und offizielle Vertreter der New Yorker Banken, die kurz zuvor gegründete Schweizerische Bankenvereinigung (ein Zusammenschluß der großen Schweizer Banken) daran zu hindern, in den USA tätig zu werden. „Wenn die Schweizer sich weiterhin stur stellen, werde ich alle Anteilseigner der USA auffordern müssen, ihre Geschäfte mit den Schweizern auszusetzen“, warnte Bronfman im März 1998. „Wir kommen an einen Punkt, wo sich das entweder von selbst erledigt, oder wir haben einen totalen Krieg.“ Im April fingen die Schweizer an, dem Druck nachzugeben, widersetzten sich aber immer noch einer schmählichen Unterwerfung. (Im Verlauf des Jahres 1997 gaben die Schweizer angeblich 500 Millionen Dollar aus, um die Angriffe der Holocaust-Industrie abzuwehren.) „Die ganze schweizerische Gesellschaft ist mit einem bösartigen Krebsgeschwür durchsetzt“, lamentierte Melvyn Weiss, einer der Anwälte der Sammelklage. „Wir haben ihnen eine Chance gegeben, es mit einer starken Strahlendosis zu sehr niedrigen Kosten loszuwerden, doch sie haben das zurückgewiesen.“ Im Juni legten die Schweizer Banken ein „letztes Angebot“ über 600 Millionen Dollar vor. Der Chef der ADL, Abraham Foxman, zeigte sich von der Arroganz der Schweizer schockiert und konnte seinen Zorn kaum zügeln: „Dieses Angebot ist eine Beleidigung für das Andenken der Opfer, für deren überlebende Angehörige und für jene aus der jüdischen Gemeinschaft, die den Schweizern in bester Absicht die Hand reichten, um gemeinsam diese höchst schwierige Angelegenheit zu lösen.“
Im Juli 1998 drohten Hevesi und McCall weitere harte Sanktionen an. New Jersey, Pennsylvania, Connecticut, Florida, Michigan und Kalifornien schlossen sich ihnen innerhalb weniger Tage an. Mitte August kapitulierten die Schweizer schließlich. In einem von Richter Korman herbeigeführten Vergleich zu den Sammelklagen willigten die Schweizer ein, 1,25 Milliarden Dollar zu zahlen.
„In diesem Heldenepos sind Sie ein echter Vorkämpfer gewesen“, gratulierte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu D’Amato. „Es handelt sich hier nicht nur materiell gesehen um einen Erfolg, sondern auch um einen moralischen Sieg und einen Triumph der Idee.“
Der 1,25 Milliarden Dollar schwere Vergleich mit der Schweiz betraf im Grunde drei Gruppen – Anspruchsberechtigte für nachrichtenlose Schweizer Konten, Flüchtlinge, denen die Schweiz kein Asyl gewährt hatte, und Opfer von Zwangsarbeit, von der Schweizer profitiert hatten.
Gemessen an all der Entrüstung über die „perfiden Schweizer“ ist das vergleichbare Sündenregister Amerikas in all diesen Belangen ebenso schlimm, wenn nicht schlimmer. Wie die Schweiz verweigerten auch die USA jüdischen Flüchtlingen, die den Nazis zu entkommen suchten, während des Zweiten Weltkriegs die Einreise. Doch die amerikanische Regierung sah sich nicht in der Lage, etwa die jüdischen Flüchtlinge, die an Bord des Unglücksschiffes St. Louis gewesen waren, zu entschädigen. Und man stelle sich die Reaktion vor, wenn die mehreren tausend Flüchtlinge aus Mittelamerika und Haiti, denen man nach der Flucht vor den von Amerika geförderten Todesschwadronen Asyl verweigert hatte, hier um eine Entschädigung nachsuchen würden. Obwohl die Schweiz hinsichtlich Größe und Ressourcen von den USA weit in den Schatten gestellt wird, hat sie während der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis ebenso viele jüdische Flüchtlinge (annähernd 20.000) aufgenommen wie die Vereinigten Staaten.
Die einzige Möglichkeit, für die Sünden der Vergangenheit Buße zu tun, so predigten amerikanische Politiker der Schweiz, bestehe darin, materielle Wiedergutmachung zu leisten. Stuart Eizenstat, Clintons Sonderbeauftragter für die Rückgabe von Eigentum, erachtete die Schweizer Entschädigungszahlungen an die Juden „als einen wichtigen Lackmustest für die Bereitschaft dieser Generation, die Verfehlungen der Vergangenheit zu korrigieren“. Auch wenn man sie nicht „für Dinge verantwortlich“ machen könne, „die vor vielen Jahren geschehen sind“, bekannte D’Amato während der gleichen Anhörung vor dem Senat, so hätten die Schweizer noch immer „die Pflicht, Rechenschaft abzulegen und das zu tun, was zu diesem Zeitpunkt richtig ist.“ Präsident Clinton, der die Entschädigungsforderungen des WJC öffentlich unterstützte, überlegte gleichermaßen, daß „wir uns der schrecklichen Ungerechtigkeit der Vergangenheit stellen und sie nach besten Kräften korrigieren müssen“.
„Die Geschichte kennt keine Verjährungsfrist“, erklärte der Vorsitzende James Leach, und in einer Botschaft an das Parlament der Schweiz erklärte Außenministerin Madeleine Albright, daß die wirtschaftlichen Vorteile, die der Schweiz durch die Einbehaltung jüdischer Konten zugewachsen seien, „an die nachfolgenden Generationen weitergereicht wurden, und deshalb schaut die Welt nun auf das Volk der Schweiz.
Durchaus edle Gefühle, doch wenn es um afrikanisch-amerikanische Entschädigungen für die Sklaverei geht, ist davon weit und breit nichts zu hören. Es bleibt unklar, wie die „bedürftigen Holocaust-Überlebenden“ bei dem abschließenden Vergleich abschneiden werden. Gizella Weisshaus, die erste, die den Anspruch auf ein nachrichtenloses Konto in der Schweiz einklagte, hat ihren Anwalt, Edward Fagan, mit dem bitteren Vorwurf von seinen Pflichten entbunden, er würde sie benutzen. Zudem betrug die Rechnung Fagans an das Gericht 4 Millionen Dollar Anwaltsgebühren. Die Forderungen an Anwaltsgebühren insgesamt belaufen sich auf 15 Millionen Dollar, wobei viele 600 Dollar pro Stunde berechnen.
„Jüdische Gruppen und Überlebende“, berichtete die New Yorker Jewish Week, „kämpfen ohne Bandagen um einen Anteil an den 1,25 Milliarden Dollar aus dem Holocaust-Vergleich mit den Schweizer Banken.“ Kläger und Überlebende bestehen darauf, daß das gesamte Geld direkt an sie gehen sollte. Jüdische Organisationen verlangen jedoch ein Stück des Kuchens für sich. Greta Beer, vor dem Kongreß eine Hauptzeugin gegen die Schweizer Banken, prangerte die Anmaßung der jüdischen Organisationen an und beschwor Richter Kormans Gericht mit den Worten: „Ich möchte nicht wie ein kleines Insekt unter den Füßen zerquetscht werden.“
Ungeachtet seines beflissenen Eintretens für „bedürftige Überlebende des Holocaust“ will der WJC fast die Hälfte des Geldes aus der Schweiz für jüdische Organisationen und „Holocaust-Fortbildung“ reservieren. Falls jüdische Organisationen, die dessen „würdig“ sind, Gelder erhalten, besteht das Simon-Wiesenthal-Zentrum darauf, daß „ein Teil an jüdische Bildungszentren gehen sollte“. Während sie nach einem größeren Anteil der Beute „angeln“, behaupten sowohl Organisationen der Reformer wie der Orthodoxen, die 6 Millionen Toten würden jeweils ihren Zweig des Judentums als finanziellen Nutznießer bevorzugt haben. Nun zwang ja die Holocaust-Industrie die Schweiz zu einem Vergleich, weil Zeit angeblich der entscheidende Faktor war – „jeden Tag sterben bedürftige Holocaust-Überlebende“. Sobald die Schweizer jedoch die Einigung unterzeichnet hatten, war wie durch ein Wunder alles nicht mehr so dringend. Mehr als ein Jahr nach dem Vergleich gab es noch immer keinen Verteilungsplan. Wenn schließlich festgelegt sein wird, wie das Geld aufzuteilen ist, sind wahrscheinlich all die „bedürftigen Holocaust-Überlebenden“ tot.
„Möglicherweise ist keinerlei Einigung zu vertreten“, schrieb Burt Neuborne, Juraprofessor an der New York University in der New York Times, „wenn sie es den Schweizer Banken ermöglicht, den Holocaust wie ein gewinnträchtiges Unternehmen zu nutzen.“ Vor dem Bankenausschuß des Repräsentantenhauses sagte Edgar Bronfman in bewegenden Worten aus, daß den Schweizern „nicht erlaubt werden sollte, aus der Asche des Holocaust Gewinn zu ziehen“. Andererseits räumte Bronfman kürzlich ein, daß der Schatzmeister des WJC nicht weniger als „grob geschätzt 7 Milliarden Dollar“ Entschädigungsgelder angehäuft habe.
Die unabhängige Expertenkommission („Bergier-Kommission“) veröffentlichte ihren Bericht Die Schweiz und Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg im Juli 1998. Darin wurde bestätigt, daß die Schweizer Banken Gold im heutigen Wert von 4 Milliarden Dollar aus Nazi-Deutschland bezogen hatten, wobei ihnen bekannt war, daß dafür die Zentralbanken im besetzten Europa geplündert worden waren. Während der Anhörungen auf dem Capitol Hill zeigten sich Kongreßabgeordnete schockiert, daß die Schweizer Banken mit erbeutetem Besitz gehandelt hatten und, was fast noch schlimmer war, diese ungeheuerlichen Praktiken noch immer zuließen. Ein Abgeordneter prangerte an, daß korrupte Politiker ihre unrechtmäßig erworbenen Gewinne in Schweizer Banken deponierten, und forderte die Schweiz auf, endlich Gesetze gegen „diese geheimen Geldbewegungen … von bekannten Politikern oder Staatsführern, von Leuten, die ihre Staatsfinanzen plündern,“ zu erlassen. Ein anderer Abgeordneter klagte über die „Zahl der hochgradig korrupten Regierungsbeamten und Geschäftsleute in aller Welt, die in der Schweiz einen Zufluchtsort für ihren erheblichen Reichtum gefunden haben,“ ein dritter fragte sich laut, ob „das schweizerische Bankensystem den Ganoven dieser Generation und den Ländern, die von ihnen vertreten werden, in … ähnlicher Weise entgegenkommt, wie es dem Naziregime vor 55 Jahren eine Zuflucht geboten hat?“
Dieses Problem verdient wahrhaftig Beachtung. Jährlich werden etwa 100-200 Milliarden Dollar, die aus politischer Korruption stammen, weltweit über Grenzen verschoben und in Privatbanken deponiert. Die Vorwürfe des Kongreß-Bankenausschusses hätten jedoch mehr Gewicht gehabt, wenn nicht gut die Hälfte dieses „illegalen Fluchtkapitals“ mit uneingeschränkter Billigung der Gesetze der USA in amerikanischen Banken deponiert würde. Zu den Nutznießern dieser legalen „Zuflucht“ in den USA gehört seit kurzem auch Raul Salinas de Gortari, der Bruder des früheren mexikanischen Präsidenten, und die Familie des ehemaligen nigerianischen Diktators Generals Sani Abacha. „Das Beutegold des Adolf Hitler und seiner Schergen“, meint Jean Ziegler, ein Schweizer Parlamentarier und scharfer Kritiker der Schweizer Banken, „ist nicht wesensverschieden vom Blutgeld der Diktatoren aus der Dritten Welt, das nun auf privaten Schweizer Konten lagert… Millionen von Frauen, Männern und Kindern sind durch Hitlers Räuber in den Tod getrieben worden, und in der Dritten Welt sterben alljährlich Hunderttausende von Kindern an … Seuchen und Unternährung, weil Diktatoren mit Hilfe von Schweizer Finanzhaien ihre Länder ausplündern“. Und mit Hilfe der amerikanischen Finanzhaie ebenso. Dabei lasse ich den sogar noch wichtigeren Aspekt einmal beiseite, daß viele dieser Diktatoren mit der Macht der USA eingesetzt und durch sie unterstützt werden und ihre Länder mit Billigung der Vereinigten Staaten ausplündern.
Ein umfangreicher Bericht der Bergier-Kommission führt die „bevorzugten Bestimmungsorte“ der transferierbaren jüdischen Vermögenswerte in Europa auf. Am häufigsten werden die USA und die Schweiz genannt. (Großbritannien war als Bestimmungsland „abgeschlagener Dritter“.) Hier stellt sich die offensichtliche Frage: Was geschah mit den nachrichtenlosen Holocaust-Konten bei amerikanischen Banken? Der Bankenausschuß des Repräsentantenhauses berief einen sachverständigen Zeugen, der zu diesem Thema aussagen sollte. Seymour Rubin, derzeit Professor an der American University erklärte, daß der Wert dieser Konten (nach einer höchst oberflächlichen und ansatzweisen Prüfung, die nur New Yorker Banken einbezog) bei 6 Millionen Dollar liege. Jüdische Organisationen forderten diesen Betrag für „bedürftige Überlebende“ vom Kongreß.
Später erinnerte sich Rubin: „Die ursprüngliche Schätzung von 6 Millionen Dollar wurde von potentiellen Befürwortern der erforderlichen Gesetzgebung im Kongreß zurückgewiesen; im ersten Gesetzentwurf wurde eine Grenze von 3 Millionen Dollar angesetzt … Im weiteren Verlauf wurde die Zahl von 3 Millionen bei Ausschußanhörungen auf eine Million zusammengestrichen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren reduzierte man sie auf den Betrag von 500.000 Dollar. Selbst dieser Summe widersetzte sich das Haushaltsbüro, das wiederum eine Begrenzung auf 250.000 Dollar vorschlug. Das Gesetz wurde jedoch mit den 500.000 Dollar verabschiedet.
„Die Vereinigten Staaten“, schloß Rubin, „setzten nicht viel daran, um erbenloses Eigentum in den USA zu identifizieren, und stellten … lediglich 500.000 Dollar bereit, ganz im Gegensatz zu den 32 Millionen Dollar, die die Schweizer Banken sogar schon vor der Untersuchung Volckers anerkannten.“ Anders gesagt, das Sündenregister der USA ist viel schlimmer als das der Schweiz. Wo blieb das Protestgeschrei der Abgeordneten gegen die „perfiden“ amerikanischen Bankiers?
Für die Holocaust-Industrie war die Schweizer Bankaffäre – ebenso wie die Qualen, die der Holocaust-„Überlebende“ Binjamin Wilkomirski nach dem Krieg erdulden mußte – jedoch ein weiterer Beweis für die unauslöschliche und irrationale Bosheit der Nichtjuden. Die Affäre verdeutliche, wie Itamar Levin folgert, die grobe Gefühllosigkeit selbst eines „freiheitlich-demokratischen europäischen Landes gegenüber jenen, die die körperlichen und seelischen Verletzungen des schlimmsten Verbrechens der Geschichte trugen“.Materielle Entschädigung für den Holocaust „ist die größte moralische Prüfung, der sich Europa am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gegenübersieht,“ behauptet Itamar Levin. „Dies wird der wirkliche Prüfstein für den Umgang des Kontinents mit dem jüdischen Volk.“ In der Tat machte sich die Holocaust-Industrie, ermutigt durch ihren Erfolg beim Abkassieren der Schweizer, schnell daran, auch das übrige Europa zu „prüfen“. Als nächstes kam Deutschland an die Reihe.
Nachdem die Holocaust-Industrie im August 1998 eine Einigung mit der Schweiz erreicht hatte, setzte sie im September die gleiche siegreiche Strategie gegen Deutschland ein. Dieselben drei juristischen Teams (Hausfeld-Weiss, Fagan-Swift und der Weltrat der orthodoxen jüdischen Gemeinden) brachten Sammelklagen gegen die deutsche Privatindustrie ein; sie forderten nicht weniger als 20 Milliarden Dollar Entschädigung. Der New Yorker Finanzchef Hevesi winkte mit der Drohung eines wirtschaftlichen Boykotts und begann, die Verhandlungen im April 1999 zu „beobachten“. Der Bankenausschuß des Repräsentantenhauses hielt im September Anhörungen ab. Die Abgeordnete Carolyn Maloney erklärte, daß „die verflossene Zeit keine Entschuldigung für unrechtmäßige Bereicherung sein darf“ (jedenfalls nicht die aus jüdischer Zwangsarbeit – die afrikanisch-amerikanische Sklavenarbeit ist eine andere Geschichte), während der Ausschußvorsitzende Leach, der sein altes Skript erneut verlas, tönte, daß „die Geschichte keine Verjährungsfrist kennt“. Deutsche Firmen, die in den Vereinigten Staaten Geschäfte machten, teilte Eizenstat dem Ausschuß mit, „legen Wert auf ihr gutes Ansehen hierzulande, und sie werden in den USA und in Deutschland weiterhin jene gute staatsbürgerliche Gesinnung beibehalten, die sie immer gezeigt haben.“ Unter Verzicht auf diplomatische Nettigkeiten drängte der Kongreßabgeordnete Rick Lazio den Ausschuß ganz unverblümt, „sich auf die deutschen Firmen des privaten Sektors zu konzentrieren, insbesondere auf jene, die in den USA Geschäfte machen“.
Um die öffentliche Hysterie gegen Deutschland anzuheizen, brachte die Holocaust-Industrie im Oktober verschiedene ganzseitige Zeitungsanzeigen heraus. Die schreckliche Wahrheit war nicht genug; man bediente alle Register DES HOLOCAUST. Eine Anzeige, die sich gegen den deutschen Pharmahersteller Bayer richtete, brachte Josef Mengele ins Spiel, obwohl es keinerlei Beweise dafür gibt, daß Bayer dessen mörderische Experimente „gesteuert“ hat. In der Erkenntnis, der Wucht DES HOLOCAUST nicht standhalten zu können, unterwarfen die Deutschen sich am Ende des Jahres einem umfangreichen finanziellen Vergleich. Die Londoner Times führte diese Kapitulation auf die „Holocash“-Kampagne in den Vereinigten Staaten zurück. „Ohne den persönlichen Einsatz von Präsident Clinton … sowie anderer hoher Beamter“ der US-Regierung, teilte Eizenstat dem Bankenausschuß später mit, „hätten wir keine Einigung erreicht.“
Wie die Holocaust-Industrie anklagend feststellte, hätte Deutschland eine „moralische und rechtliche Verpflichtung“, ehemalige jüdische Zwangsarbeiter zu entschädigen. „Diese Zwangsarbeiter verdienen ein wenig Gerechtigkeit“, plädierte Eizenstat, „für die paar Jahre, die sie noch zu leben haben.“ Doch es ist, wie weiter oben schon gezeigt, einfach nicht wahr, daß sie keinerlei Entschädigung erhalten hätten. In die ursprünglichen Abkommen mit Deutschland zur Entschädigung von Häftlingen der Konzentrationslager waren auch jüdische Zwangsarbeiter einbezogen gewesen. Die deutsche Regierung entschädigte ehemalige jüdische Zwangsarbeiter für den „Freiheitsentzug“ und für „Beeinträchtigung der Gesundheit“. Nur die zurückbehaltenen Löhne wurden nicht formell entschädigt. Jene, die bleibende Schäden erlitten hatten, erhielten eine ansehnliche lebenslange Rente. Deutschland bedachte auch die Jewish Claims Conference mit annähernd einer Milliarde Dollar (nach heutigem Wert) für jene jüdischen ehemaligen Lagerhäftlinge, die nur die Minimal-Entschädigung erhalten hatten. Die Claims Conference verstieß, wie schon vorher erwähnt, gegen das Abkommen mit Deutschland und verwendete die Gelder statt dessen für ihre verschiedenen Lieblingsprojekte.
Die Frage, was eine „angemessene“ Entschädigung für ehemalige jüdische Zwangsarbeiter darstellen könnte, ist schlechterdings nicht zu beantworten. Man kann jedoch folgendes festhalten: Dem neuen Abkommen zufolge wird jeder ehemalige jüdische Zwangsarbeiter vermutlich etwa 7500 Dollar erhalten. Wenn die Claims Conference die ursprünglich von Deutschland gezahlten Gelder angemessen verteilt hätte, hätten sehr viel mehr jüdische Zwangsarbeiter sehr viel früher sehr viel mehr Geld erhalten.
Ob die „bedürftigen Holocaust-Opfer“ je etwas von den neuen Geldern aus Deutschland sehen werden, ist eine offene Frage. Die Claims Conference wünscht, daß ein großer Anteil als „Sonderfonds“ zu ihrer Verfügung abgezweigt wird. Dem Jerusalem Report zufolge hat die Konferenz „viel zu gewinnen, wenn sie dafür sorgt, daß die Überlebenden nichts bekommen“. Der israelische Knesseth-Abgeordnete Michael Kleiner (Herut-Partei) geißelte die Konferenz als einen „Judenrat, der das Werk der Nazis auf andere Weise fortsetzt“. Sie sei eine „unredliche Körperschaft, die sich in professionelle Geheimniskrämerei hüllt und durch abstoßende öffentliche und moralische Korruption verdorben ist“, klagte er, „eine Körperschaft der Finsternis, die jüdische Holocaust-Überlebende und deren Erben mißhandelt, während sie selbst auf einem riesigen Haufen Geld sitzt, das Privatpersonen gehört, aber alles unternimmt, [das Geld] zu erben, während diese noch am Leben sind“.
In der Zwischenzeit erging sich Stuart Eizenstat in weiteren Lobreden über das „transparente Vorgehen, das die Jewish Material Claims Conference in den letzten vierzig-und-ein-paar Jahren gezeigt hat“. Was jedoch blanken Zynismus angeht, wird Rabbi Israel Singer von niemandem übertroffen. Nach den Abkommen mit der Schweiz und Deutschland wiederholte er vor dem Bankenausschuß des Repräsentantenhauses salbungsvoll, daß „es eine Schande wäre“, wenn die Holocaust-Entschädigungen „an Erben statt an Überlebende ausbezahlt“ würden. „Wir wollen nicht, daß dieses Geld an Erben ausgezahlt wird. Wir wollen, daß das Geld an die Opfer bezahlt wird.“ Doch wie Haaretz berichtet, war es vor allem Singer, der dafür eintrat, die Holocaust-Entschädigungen zu verwenden, „um die Bedürfnisse des ganzen jüdischen Volkes zu befriedigen, und nicht nur die jener Juden, die das Glück hatten, den Holocaust zu überstehen und bis ins hohe Alter zu leben.“
Henry Friedlander, der geachtete Historiker und Auschwitz-Häftling, skizzierte in einer Veröffentlichung des US Holocaust Memorial Museums für das Kriegsende folgendes Zahlenbild:
„Wenn Anfang 1945 etwa 715.000 Häftlinge in den Lagern waren und zumindest ein Drittel – das heißt etwa 238.000 – im Frühjahr 1945 starben, können wir annehmen, daß höchstens 475.000 Häftlinge überlebten. Da die Juden systematisch ermordet wurden und allenfalls jene, die man zur Arbeit auswählte – in Auschwitz etwa 15 Prozent -, auch nur eine Chance hatten, am Leben zu bleiben, müssen wir davon ausgehen, daß Juden nicht mehr als 20 Prozent der Menschen in den Konzentrationslagern (zur Zeit der Befreiung) ausmachten.“
„Demnach läßt sich abschätzen“, folgerte er, „daß die Zahl der jüdischen Überlebenden nicht mehr als 100.000 betragen haben kann.“ Friedlanders Zahl der bei Kriegsende noch lebenden jüdischen Zwangsarbeiter gilt unter Wissenschaftlern übrigens als relativ hoch. In einer maßgeblichen Untersuchung schrieb Leonard Dinnerstein: „Sechzigtausend Juden … verließen die Konzentrationslager. Innerhalb einer Woche waren mehr als 20.000 gestorben.“ Während einer Besprechung im Außenministerium im Mai 1999 nannte Stuart Eizenstat eine Gesamtzahl von 70.000 bis 90.000 noch lebender Zwangsarbeiter, Juden wie Nichtjuden, wobei er die Zahl anführte, die von „sie vertretenden Gruppen“ stammte.
Damit läge die Zahl der noch lebenden jüdischen Zwangsarbeiter bei 14.000 bis 18.000 (20 Prozent von 70.000 bis 90.000). Doch als sie in die Verhandlungen mit Deutschland eintrat, verlangte die Holocaust-Industrie Entschädigung für 135.000 noch lebende ehemalige jüdische Zwangsarbeiter. Die Gesamtzahl der noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter (Juden wie Nichtjuden), wurde mit 250.000 angegeben. Anders gesagt, die Zahl noch lebender ehemaliger jüdischer Zwangsarbeiter hat sich seit Mai 1999 auf fast das Zehnfache erhöht, und das Verhältnis zwischen noch lebenden jüdischen und nichtjüdischen Zwangsarbeitern hat sich drastisch verschoben. Wenn man der Holocaust-Industrie glauben darf, leben heute mehr ehemalige jüdische Zwangsarbeiter als vor einem halben Jahrhundert. „Welch verworrenes Netz spinnen wir“, schrieb Sir Walter Scott, „wenn wir erst anfangen zu betrügen.“ Während die Holocaust-Industrie Zahlenspiele treibt, um ihre Entschädigungsforderungen hochzutreiben, machen sich Antisemiten voller Schadenfreude lustig über die „jüdischen Lügner“, die sogar ihre Toten „verhökern“. Mit dieser Zahlenakrobatik wäscht die Holocaust-Industrie den Nationalsozialismus, wenn auch unbeabsichtigt, rein.
Raul Hilberg, beim Thema Holocaust die führende Autorität, gibt die Zahl der ermordeten Juden mit 5,1 Millionen an. Wenn aber heute noch 135.000 ehemalige jüdische Zwangsarbeiter am Leben sind, dann müssen ungefähr 600.000 den Krieg überlebt haben. Das übertrifft die anerkannten Schätzungen um mindestens eine halbe Million. Diese halbe Million müßte man dann von den 5,1 Millionen Ermordeten abziehen. Damit wird nicht nur die Zahl von „6 Millionen“ immer unhaltbarer, sondern die Zahlen der Holocaust-Industrie nähern sich rasch denen der Holocaust-Leugner. Man muß im Auge behalten, daß der Nazi-Führer Heinrich Himmler die Gesamtzahl der Lagerinsassen im Januar 1945 auf knapp über 700.000 bezifferte und daß laut Friedlander bis zum Mai etwa ein Drittel von ihnen getötet wurde. Wenn nun aber die Juden nur etwa 20 Prozent der überlebenden KZ-Häftlinge ausmachten und, wie es die Holocaust-Industrie unterstellt, 600.000 jüdische Lagerinsassen den Krieg überlebten, dann müßten insgesamt sogar 3 Millionen Lagerinsassen überlebt haben. Nach diesen Schätzungen der Holocaust-Industrie dürften die Bedingungen in den Konzentrationslagern gar nicht so hart gewesen sein; ihnen zufolge müßte man von einer bemerkenswert hohen Vermehrungs- und einer bemerkenswert niedrigen Sterblichkeitsrate ausgehen.
Als gesicherte Auffassung gilt, daß die „Endlösung“ als einmalig effiziente, fließbandartige industrielle Vernichtung abgelaufen ist. Doch wenn, wie die Holocaust-Industrie vorbringt, viele hunderttausend Juden überlebt hätten, könnte die „Endlösung“ am Ende gar nicht so effizient abgelaufen sein. Sie müßte weniger zielgerichtet gewesen sein – genau das, was die Holocaust-Leugner vertreten. Les extrêmes se touchent – die Extreme berühren einander.
Raul Hilberg hat in einem kürzlich erschienenen Interview betont, daß Zahlen von Bedeutung sind, wenn man die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis begreifen will. Die von der Claims Conference geänderten Zahlen stellen sein eigenes Verständnis in der Tat radikal in Frage. Laut „Positionspapier“ der Claims Conference für die Verhandlungen mit Deutschland über die Zwangsarbeit war diese “ … eine der drei von den Nazis angewandten Hauptmethoden, die Juden zu ermorden – die anderen beiden waren Erschießen und Vergasen. Einer der Zwecke der Sklavenarbeit war es, daß die Menschen sich zu Tode arbeiteten … In diesem Zusammenhang ist der Ausdruck ›Sklave‹ nicht ganz zutreffend. In der Regel sind Sklavenhalter daran interessiert, Leben und Arbeitsfähigkeit ihrer Sklaven zu erhalten. Bei diesen ›Sklaven‹ hatten die Nazis jedoch vorgesehen, ihre Arbeitskraft zu nutzen und die ›Sklaven‹ anschließend zu vernichten.“ Abgesehen von Holocaust-Leugnern hat bisher kein Mensch bestritten, daß die Nazis die Zwangsarbeiter für dieses schreckliche Schicksal bestimmt hatten. Wie lassen sich diese anerkannten Tatsachen aber mit der Behauptung in Einklang bringen, in den Lagern hätten viele hunderttausend jüdischer Zwangsarbeiter überlebt? Hat die Claims Conference dadurch nicht eine Bresche in die Mauer geschlagen, die die schreckliche Wahrheit über den Holocaust von der Leugnung des Holocaust trennte?
In einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times verurteilten Größen der Holocaust-Industrie wie Eli Wiesel, Rabbi Marvin Hier und Steven T. Katz „Syriens Leugnung des Holocaust“. Der Text zog über einen Leitartikel in einer regierungsoffiziellen syrischen Zeitung her, in dem behauptet wurde, daß Israel „Geschichten über den Holocaust erfindet“, um „mehr Geld von Deutschland und von verschiedenen europäischen Institutionen zu erhalten“. Leider trifft der syrische Vorwurf zu. Doch die Ironie, die sowohl der syrischen Regierung als auch den Unterzeichnern der Anzeige entging, liegt darin, daß diese Geschichten, die von vielen hunderttausend Überlebenden sprechen, selbst eine Art von Leugnung des Holocaust darstellen.
Das Abkassieren der Schweiz und Deutschlands ist nur ein Vorspiel für das große Finale gewesen: Jetzt wird auch Osteuropa abkassiert.
Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks eröffneten sich im einstigen Kernland des europäischen Judentums verlockende Aussichten. Die Holocaust-Industrie, die sich in das fromme Mäntelchen „bedürftiger Holocaust-Opfer“ hüllt, hat versucht, Milliarden von Dollars aus diesen bereits verarmten Ländern herauszupressen. Dieses Ziel verfolgt sie mit rücksichtslosem und unbarmherzigem Eifer, und so ist es vor allem sie, die den Antisemitismus in Europa schürt.
Die Holocaust-Industrie hat sich zum einzigen legitimen Anspruchsberechtigten für all die Besitztümer der Gemeinden und Einzelpersonen aufgeschwungen, die der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis zum Opfer gefallen sind. „Wir sind mit der israelischen Regierung übereingekommen“, teilte Bronfman dem Bankenausschuß des Repräsentantenhauses mit, „daß Besitztümer ohne Erben an die World Jewish Restitution Organization fallen sollen.“ Unter Verwendung dieses „Mandats“ hat die Holocaust-Industrie Länder des ehemaligen Ostblocks aufgefordert, sämtlichen jüdischen Vorkriegsbesitz auszuhändigen oder entsprechende finanzielle Entschädigungen zu leisten. Anders als im Fall der Schweiz und Deutschlands erhebt sie diese Forderungen jedoch abseits des Lichtes der Öffentlichkeit. Bisher hat sich die öffentliche Meinung nicht gegen die Erpressung Schweizer Bankiers und deutscher Industrieller gestellt, aber einer Erpressung hungernder polnischer Bauern dürfte sie kaum so freundlich zusehen. Auch Juden, die während der Naziverfolgung Familienmitglieder verloren haben, dürften einen bitteren Blick auf die Machenschaften der WJRO werfen. Der Anspruch, legitimer Erbe jener zu sein, die gestorben sind, um sich so deren Besitz anzueignen, könnte leicht als Erbschleicherei mißverstanden werden.
„Man muß begreifen“, teilte Stuart Eizenstat vor einem Parlamentsausschuß mit, „daß unsere Bemühungen um Rückgabe von Gemeindeeigentum entscheidender Bestandteil der Wiedergeburt und der Erneuerung jüdischen Lebens“ in Osteuropa sind. Die World Jewish Restitution Organization fordert, angeblich um das „Wiederaufleben“ jüdischen Lebens in Polen „zu fördern“, daß ihr die 6000 Liegenschaften jüdischer Vorkriegsgemeinden übereignet werden, einschließlich solcher, die derzeit als Krankenhäuser oder Schulen genutzt werden. Vor dem Krieg lebten in Polen 3,5 Millionen Juden; heute sind es ein paar tausend. Erfordert die Belebung des jüdischen Lebens wirklich eine Synagoge oder ein Schulgebäude für jeden einzelnen polnischen Juden? Die Organisation erhebt ebenfalls Anspruch auf einige hunderttausend polnische Grundstücke, deren Wert Milliarden Dollar betragen dürfte. „Polnische Offizielle befürchten“, berichtet die Jewish Week, daß die Forderung „das Land in den Bankrott treiben könnte.“
Um Polen die Schrauben stärker anzuziehen, brachten die Anwälte der Holocaust-Industrie bei Richter Kormans Gericht eine Sammelklage ein, wonach „alternde und sterbende Holocaust-Überlebende“ entschädigt werden sollten. In der Klage wurde der Vorwurf erhoben, daß die polnischen Nachkriegsregierungen „während der vergangenen vierundfünfzig Jahre“ gegenüber den Juden ständig eine mörderische Politik „der Vertreibung bis Vernichtung“ betrieben hätten. Mitglieder des New Yorker Stadtrats sprangen ihnen mit einer einstimmigen Resolution bei, in der Polen aufgefordert wurde, „ein umfassendes Gesetz zu verabschieden, das eine vollständige Rückgabe von Vermögenswerten von Holocaust-Opfern ermöglicht“, während 57 Kongreßabgeordnete (angeführt von dem Abgeordneten Anthony Weiner aus New York) in einem Brief an das polnische Parlament „ein umfassendes Gesetz“ verlangen, „mit dem 100 Prozent aller während des Holocaust beschlagnahmten Liegenschaften und Besitztümer erstattet werden“. „Da die betroffenen Menschen mit jedem Tag älter werden“, war da zu lesen, „läuft die Zeit ab, in der diese Leute, denen Unrecht geschehen ist, entschädigt werden können.“
Um widerspenstige Regierungen zur Unterwerfung zu zwingen, schwingt die Holocaust-Industrie den Knüppel der US-Sanktionen. Eizenstat drängte den Kongreß, die Entschädigung für den Holocaust „höher einzustufen“ und sie „ganz oben auf die Liste“ der Anforderungen an jene Länder Osteuropas zu setzen, die den Beitritt zur OECD, zur WHO, zur Europäischen Union, zur Nato und zum Europarat anstrebten: „Sie werden zuhören, wenn Sie sprechen … Sie werden den Hinweis verstehen.“ Israel Singer vom WJC forderte den Kongreß auf, „weiterhin auf die Einkaufsliste zu achten“, um „sicherzustellen“, daß jedes Land vollständig bezahlt. „Es ist äußerst wichtig, daß die in diese Angelegenheit verstrickten Länder verstehen“, meinte der Abgeordnete Benjamin Gilman vom außenpolitischen Ausschuß des Parlaments, „daß ihre Reaktion … einer von mehreren Gesichtspunkten ist, nach denen die Vereinigten Staaten ihre bilateralen Beziehungen bewerten.“ Avraham Hirschson, Vorsitzender des israelischen Knesseth-Ausschusses für die Rückgabe und Vertreter Israels bei der World Jewish Restitution Organization, zollte der Komplizenschaft des Kongresses beim Abkassieren seinen Tribut. In Erinnerung an seine „Kämpfe“ mit dem rumänischen Minsterpräsidenten sagte Hirschson aus: „Aber mitten im Gefecht bat ich, etwas anmerken zu dürfen, und das änderte die ganze Atmosphäre. Ich sagte ihm, wissen Sie, in zwei Tagen werde ich bei einer Anhörung hier im Kongreß aussagen. Was möchten Sie, daß ich denen bei der Anhörung sage? Die ganze Atmosphäre war anders.“ Der Jüdische Weltkongreß hat „eine ganze Holocaust-Industrie hervorgebracht“, warnt ein Anwalt, der Überlebende vertritt, und hat „sich der Förderung … einer sehr häßlichen Wiederauferstehung des Antisemitismus in Europa … schuldig gemacht“.
„Ohne die Vereinigten Staaten von Amerika“, merkte Eizenstat in seiner Lobrede für den Kongreß passend an, „würden heute, wenn überhaupt, nur sehr wenige dieser Aktivitäten weitergehen.“ Um den auf Osteuropa ausgeübten Druck zu rechtfertigen, erklärte er, es sei ein Gütesiegel der Moral des „Westens“, „unrechtmäßig angeeigneten Besitz von Gemeinden oder Privatpersonen zurückzugeben oder finanziell zu entschädigen“. Für die „neuen Demokratien“ in Osteuropa würde die Erfüllung dieses Kriteriums „ihrem Übergang vom Totalitarismus zu demokratisch verfaßten Staatswesen entsprechen“. Eizenstat ist ein hoher Beamter der US-Regierung und bekannter Unterstützer Israels. Doch wenn man die USA oder Israel an den entsprechenden Forderungen der amerikanischen Ureinwohner oder der Palästinenser mißt, so hat keiner von beiden diesen Übergang vollzogen.
In seiner Aussage vor dem Repräsentantenhaus beschwor Hirschson das melancholische Bild von den alternden „bedürftigen Holocaust-Opfern“ aus Polen, „die jeden Tag in mein Büro in der Knesseth kommen … und darum bitten, ihr Eigentum zurückzubekommen …, die Häuser und die Läden zurückzuerhalten, die sie zurückgelassen haben“. Unterdessen eröffnet die Holocaust-Industrie den Kampf an einer weiteren Front. Jüdische Gemeinden in Osteuropa, die den fadenscheinigen Anspruch der World Jewish Restitution Organization zurückweisen, haben ihre eigenen Ansprüche auf erbenlosen jüdischen Besitz geltend gemacht. Soweit ist es also mit dem erhofften Wiedererstehen des jüdischen Lebens schon gekommen, daß osteuropäische Juden ihre neu entdeckten Wurzeln für einen Anteil an der Holocaust-Beute einsetzen.
Die Holocaust-Industrie rühmt sich, Entschädigungsgelder für wohltätige jüdische Zwecke bestimmt zu haben. „Wohltätigkeit ist gewiß eine gute Sache“, merkt ein Anwalt an, der die eigentlichen Opfer vertritt, „doch es ist nicht richtig, sie mit anderer Leute Geld zu betreiben.“ Ein besonders beliebtes Anliegen ist die „Holocaust-Erziehung“ – das „größte Vermächtnis all unserer Bemühungen“, wie Eizenstat meint. Hirschson etwa ist der Gründer des Marsches der Lebenden – ein Herzstück der Holocaust-Erziehung und wichtiger Empfänger von Entschädigungsgeldern. Bei diesem zionistisch inspirierten Schauspiel kommen jüdische Jugendliche aus aller Welt in den Todeslagern in Polen zusammen, um sich aus erster Hand darüber zu informieren, zu welcher Bösartigkeit Nichtjuden fähig sind, ehe sie zur Errettung nach Israel ausgeflogen werden. Der Jerusalem Report hat bei dem Marsch den folgenden Holocaust-Kitsch eingefangen: „›Ich habe solche Angst, ich kann nicht mehr weiter, ich möchte schon in Israel sein‹, wiederholt eine junge Frau aus Connecticut immer wieder. Sie zittert … Plötzlich zieht ihr Freund eine große israelische Fahne hervor. Sie hüllt beide damit ein, und sie gehen weiter.“ Eine israelische Fahne: Geh‘ niemals ohne sie aus.
Anläßlich einer Rede bei der Washington Conference on Holocaust-Era Assets zeigte David Harris wortreiche Begeisterung darüber, welch „tiefe Eindrücke“ diese Pilgerfahrten zu den Todeslagern der Nazis bei der jüdischen Jugend hinterließen. Der Forward hielt einen mit einem ganz besonderen Pathos befrachteten Vorfall fest. Unter der Schlagzeile „Nach dem Besuch von Auschwitz feiern israelische Teens mit Stripperinnen“ erläuterte die Zeitung, daß die Kibbuz-Studenten Experten zufolge „Stripperinnen anheuerten, um die durch den Ausflug aufgewühlten verstörenden Gefühle abzureagieren“. Offenbar waren die jüdischen Studenten auf einem Ausflug zum US Holocaust Memorial Museum von denselben heftigen Gemütsbewegungen befallen, als sie, wie der Forward schreibt, „herumrannten, es sich gutgehen ließen, einander befummelten und was nicht sonst noch alles“. Wer kann die Weisheit der Entscheidung der Holocaust-Industrie anzweifeln, Entschädigungsgelder lieber für die Holocaust-Erziehung vorzusehen, als „die Mittel“ für Überlebende der Nazi-Todeslager „zu vergeuden“ (Nahum Goldmann)?
Im Januar 2000 nahmen Vertreter von fast fünfzig Staaten, darunter der israelische Ministerpräsident Ehud Barak, an einer großen Konferenz zur Holocaust-Erziehung in Stockholm teil. In der Schlußerklärung unterstrich man die „feierliche Verpflichtung“ der internationalen Gemeinschaft, die Übel des Völkermords, der ethnischen Säuberungen, des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Anschließend fragte ein schwedischer Reporter Barak nach den palästinensischen Flüchtlingen. Er sei, erwiderte Barak, grundsätzlich dagegen, auch nur einen einzigen Flüchtling nach Israel hineinzulassen: „Für Flüchtlinge können wir weder eine moralische noch eine gesetzliche oder eine andere Verantwortung übernehmen.“ Unverkennbar: Die Konferenz ist ein gewaltiger Erfolg gewesen.
Der von der Jewish Claims Conference herausgegebene offizielle Guide to Compensation and Restitution for Holocaust Survivors (Handbuch zur Entschädigung und Rückgabe für Holocaust-Überlebende) führt jede Menge von organisatorischen Ablegern auf. Eine umfangreiche, finanziell hervorragend ausgestattete Bürokratie ist entstanden. Versicherungsgesellschaften, Kunstmuseen, private Unternehmen, Pächter und Bauern in fast allen europäischen Ländern stehen unter dem Einfluß der Holocaust-Industrie. Doch die „bedürftigen Holocaust-Opfer“, in deren Namen die Holocaust-Industrie handelt, beklagen sich, daß diese „lediglich die Enteignung fortsetzt“. Viele haben gegen die Claims Conference Klage eingereicht. DER HOLOCAUST könnte sich noch als der „größte Raubzug der Menschheitsgeschichte“ herausstellen.
Als Israel nach dem Krieg erstmals wegen Reparationen mit Deutschland in Verhandlungen trat, schlug der Außenminister Moshe Sharett nach einem Bericht des Historikers Ilan Pappe vor, einen Teil an palästinensische Flüchtlinge weiterzuleiten, „um zu korrigieren, was man als das kleinere Unrecht (die Tragödie der Palästinenser) bezeichnet hat, welches durch das schrecklichere (den Holocaust) verursacht wurde“. Er blieb bei dem Vorschlag. Ein bekannter israelischer Wissenschaftler hat angeregt, einiges von den Mitteln der Schweizer Banken und der deutschen Firmen für die „Entschädigung arabischer Palästina-Flüchtlinge“ zu verwenden. Da man davon ausgehen muß, daß fast alle Überlebenden der Massenvernichtung durch die Nazis inzwischen gestorben sind, scheint das ein vernünftiger Vorschlag zu sein.
In erlesenstem WJC-Stil verkündete Israel Singer am 13. März 2000 „die aufregende Nachricht“, ein kürzlich freigegebenes Dokument der USA habe enthüllt, daß Österreich erbenlose Besitztümer aus der Holocaust-Ära zurückhalte, die weitere 10 Milliarden Dollar wert seien. Singer monierte auch, daß „50 Prozent der Kunstschätze in Amerika geraubte jüdische Kunstgegenstände sind“.
Die Holocaust-Industrie ist eindeutig dabei durchzudrehen.
Schlußbemerkung
Mir bleibt nur noch, die Auswirkungen DES HOLOCAUST in den Vereinigten Staaten zu betrachten. Dabei möchte ich mich auch mit Peter Novicks kritischen Anmerkungen zu diesem Thema auseinandersetzen. Abgesehen von Holocaust-Gedenkstätten werden von immerhin siebzehn Bundesstaaten Holocaust-Lehrprogramme in den Schulen durchgeführt oder empfohlen; viele Colleges und Universitäten haben Lehrstühle für die weitere Erforschung des Holocaust eingerichtet. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein mit dem Holocaust zusammenhängender Artikel in der New York Times erscheint. Nach vorsichtigen Schätzungen liegt die Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die der „Endlösung“ der Nazis gewidmet sind, bei über 10.000. Man vergleiche dies mit der wissenschaftlichen Literatur zum Massensterben im Kongo. Im Zuge der Ausbeutung kongolesischer Elfenbein- und Kautschukvorräte kamen zwischen 1891 und 1911 an die 10 Millionen Afrikaner um. Doch das erste und einzige wissenschaftliche Werk über dieses Thema ist vor zwei Jahren erschienen (Adam Hochschild, King Leopolds Ghost, Boston 1998). Angesichts der großen Zahl von Institutionen und Menschen, die professionell damit befaßt sind, sein Andenken zu bewahren, ist DER HOLOCAUST mittlerweile fest im amerikanischen Leben verwurzelt. Novick äußert jedoch Bedenken, ob das wirklich gut ist. Zunächst führt er zahlreiche Beispiele für dessen Absinken in Gewöhnlichkeit an. Es ist in der Tat gar nicht so einfach, auch nur ein einziges politisches Anliegen zu nennen – seien es nun die Aktionen pro-life, pro-choice oder auch die für die Rechte der Tiere oder der Bundesstaaten -, das nicht den Holocaust einbezogen hat. Elie Wiesel, der über die schäbigen Zwecke schimpft, für die der Holocaust herangezogen wird, hat erklärt: „Ich schwöre … ich werde jedes vulgäre Spektakel vermeiden.“
Doch Novick berichtet, daß „der phantasievollste und subtilste Phototermin im Jahre 1996 stattfand, als Hillary Clinton, damals wegen verschiedener vorgeblicher Verfehlungen schwer unter Beschuß, während der (von vielen Fernsehstationen übertragenen) Rede ihres Mannes zur Lage der Nation auf der Galerie des Abgeordnetenhauses erschien, flankiert von ihrer Tochter Chelsea und Elie Wiesel“. Die während der Nato-Bombardements von Serbien zur Flucht gezwungenen Kosovaren erinnerten Hillary Clinton an die Holocaust-Szenen in Schindlers Liste. „Leute, die aus Spielberg-Filmen Geschichte lernen“, kommentierte ein serbischer Dissident bitter, „sollten uns nicht erzählen, wie wir unser Leben zu leben haben.“
Den „Holocaust als eine amerikanische Erinnerung auszugeben“, so argumentiert Novick weiter, sei eine moralische Ausflucht. Sie „führt dazu, daß man sich um die Verantwortlichkeit herumdrückt, die die Amerikaner wirklich angeht, wenn sie sich ihrer Vergangenheit, ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft stellen“. Hier verweist er auf einen wichtigen Punkt. Es ist viel leichter, die Verbrechen anderer zu beklagen, als sich selbst anzusehen. Es ist jedoch auch wahr, daß wir, wenn wir nur wollten, aus der Erfahrung mit den Nazis viel über uns selbst lernen könnten. Die unter der Bezeichnung „Manifest Destiny“ bekannte Ideologie einer unvermeidlichen Expansion der Vereinigten Staaten nach Westen und darüber hinaus hat viele der ideologischen und programmatischen Elemente von Hitlers Lebensraum-Politik vorweggenommen. Tatsächlich hat Hitler seine Eroberung des Ostens nach dem Vorbild der amerikanischen Eroberung des Westens ausgerichtet (Joachim Fest, Hitler, Berlin 1995). Während der ersten Hälfte des Jahrhunderts verabschiedete die Mehrheit der amerikanischen Staaten Sterilisationsgesetze, und einige zehntausend Amerikaner wurden gegen ihren Willen sterilisiert. Die Nazis bezogen sich ausdrücklich auf dieses Vorbild der USA, als sie ihre eigenen Sterilisationsgesetze verabschiedeten (Stefan Kühl, The Nazi-Connection, Oxford, 1994). Mit den berüchtigten Nürnberger Rassengesetzen wurde den Juden das Wahlrecht aberkannt und die rassische Vermischung zwischen Juden und Nichtjuden verboten. Die Schwarzen im amerikanischen Süden mußten die gleichen gesetzlichen Beschränkungen hinnehmen und waren in viel größerem Ausmaß der spontanen und gebilligten Gewalt der Bevölkerung ausgesetzt als die Juden im Deutschland der Vorkriegszeit (Leon F. Litwack, Trouble in Mind, New York, 1998).
Um Verbrechen hervorzuheben, die sich im Ausland abspielen, zitieren die USA häufig DEN HOLOCAUST herbei. Noch erhellender ist jedoch, wann die USA auf DEN HOLOCAUST bezug nehmen. Verbrechen offizieller Feinde wie das Blutbad der Roten Khmer in Kambodscha, die sowjetische Invasion in Afghanistan, der irakische Einmarsch in Kuwait und die ethnischen Säuberungen der Serben im Kosovo erinnern an den Holocaust; bei Verbrechen, an denen die USA beteiligt sind, ist das nicht der Fall.
Gerade als sich die Greueltaten der Roten Khmer in Kambodscha ereigneten, schlachtete die von den USA unterstützte Regierung Indonesiens ein Drittel der Bevölkerung von Ost-Timor ab. Doch anders als Kambodscha schaffte es der Völkermord von Ost-Timor nicht, mit dem Holocaust verglichen zu werden; er brachte es nicht einmal zur Berichterstattung durch die Medien. Gerade als die Sowjetunion das beging, was vom Simon-Wiesenthal-Zentrum als „weiterer Völkermord“ in Afghanistan bezeichnet wurde, unternahm das von den USA gestützte Regime in Guatemala das, was die guatemaltekische Wahrheitskommission kürzlich als „Völkermord“ an der eingeborenen Maya-Bevölkerung bezeichnete. Präsident Reagan tat die Vorwürfe gegen die Regierung Guatemalas als „üble Nachrede“ ab. Um Jeane Kirkpatrick dafür zu ehren, daß sie im Namen der Reagan-Regierung die sich ausbreitenden Verbrechen in Mittelamerika verteidigte, verlieh ihr das Simon-Wiesenthal-Zentrum die Auszeichnung Humanitarian of the Year. Von privater Seite wurde Simon Wiesenthal vor der Ehrung beschworen, sich das noch einmal zu überlegen. Er lehnte ab. Elie Wiesel wurde von privater Seite dringend gebeten, bei der israelischen Regierung vorstellig zu werden, die ein wichtiger Waffenlieferant für die Schlächter von Guatemala war. Auch das lehnte er ab. Die Regierung Carter bemühte das Andenken an den Holocaust, als sie eine Zuflucht für die vietnamesischen „Boat-People“ suchte, die vor dem kommunistischen Regime flohen. Die Clinton-Regierung vergaß den Holocaust, als sie Boat-People aus Haiti zur Rückkehr zwang, die vor den (von den USA unterstützten) Todesschwadronen flohen.
Als im Frühjahr 1999 der von den USA angeführte Bombenkrieg der Nato gegen Serbien begann, lauerte überall die Erinnerung an den Holocaust. Wie wir gesehen haben, hat Daniel Goldhagen die serbischen Verbrechen gegen den Kosovo mit der „Endlösung“ verglichen, und auf Präsident Clintons Bitte reiste Elie Wiesel zu den Flüchtlingslagern der Kosovaren in Mazedonien und Albanien. Noch ehe Wiesel auf ein Stichwort hin Tränen für die Kosovaren vergoß, hatte das von den USA gestützte Regime in Indonesien jedoch schon wieder dort angefangen, wo es Ende der siebziger Jahre aufgehört hatte: Es beging neue Massaker in Ost-Timor. Doch der Holocaust schwand aus dem Gedächtnis, als die Clinton-Regierung bei diesem Blutvergießen abwiegelte. „Indonesien ist wichtig“, erklärte ein westlicher Diplomat, „und Ost-Timor nicht.“
Novick verweist auf eine passive Komplizenschaft der USA bei menschlichen Katastrophen, die in der Größenordnung mit den Massenvernichtungen der Nazis vergleichbar sind, auch wenn sie in anderer Hinsicht nichts mit ihnen gemein haben. Mit Hinweis auf die Million Kinder, die im Zuge der „Endlösung“ ermordet wurden, merkt er an, daß amerikanische Präsidenten kaum mehr als fromme Reden übrig haben, wenn weltweit jedes Jahr eine mehrfach größere Zahl von Kindern „an Unterernährung und vermeidbaren Krankheiten stirbt“. Man könnte auch einen eklatanten Fall aktiver Komplizenschaft der USA in Betracht ziehen. Nachdem die von den USA angeführte Koalition den Irak 1991 verwüstet hatte, um „Saddam-Hitler“ zu bestrafen, erzwangen die Vereinigten Staaten und Großbritannien mörderische UN-Sanktionen gegen dieses vom Unglück verfolgte Volk, mit dem Ziel, Saddam zu stürzen. Wie während der Massenvernichtung der Juden durch die Nazis sind auch hier möglicherweise eine Million Kinder umgekommen (Geoff Simons, The Scourging of Iraq, New York, 1998). Als Außenministerin Madeleine Albright von einem amerikanischen Fernsehsender zu dem grausigen Blutzoll im Irak befragt wurde, erwiderte sie, daß „es den Preis wert ist“.
„Da der Holocaust ein derartiges Extrem darstellt“, argumentiert Novick, „ist die Möglichkeit, daß er uns etwas lehren könnte, das in unsere Alltagswelt umzusetzen ist, erheblich eingeschränkt.“ Als „Maßstab für Unterdrückung und Grausamkeit“ führt er tendenziell dazu, daß „Verbrechen geringeren Umfangs banalisiert“ werden. Doch der Massenmord durch die Nazis kann uns auch für diese Ungerechtigkeiten sensibilisieren. Mit dem Gedanken an Auschwitz im Hinterkopf kann das, was vorher als selbstverständlich angesehen wurde – Fanatismus zum Beispiel -, nicht mehr hingenommen werden. In der Tat war es der Genozid der Nazis, der den im Geistesleben Amerikas vor dem Zweiten Weltkrieg so umfassend verbreiteten wissenschaftlichen Rassismus in Verruf brachte (Carl N. Degler, In Search of Human Nature, Oxford, 1991). Für jene, die sich für mehr Menschlichkeit einsetzen, schließt ein Prüfstein des Bösen Vergleiche nicht aus, sondern lädt eher noch dazu ein. In der moralischen Welt des späten neunzehnten Jahrhunderts nahm die Sklaverei in etwa die gleiche Stellung ein wie die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis heute.
Dementsprechend wurde sie oft herangezogen, um Mißstände zu illustrieren, die nicht in ihrem vollem Ausmaß anerkannt wurden. John Stuart Mill verglich die Lage der Frau in der so geheiligten viktorianischen Institution der Ehe mit der Sklaverei. Er wagte sogar zu sagen, daß sie in entscheidenden Merkmalen schlimmer sei. „Es liegt mir fern zu behaupten, Frauen würden in der Regel nicht besser behandelt als Sklaven; aber kein Sklave ist in demselben Ausmaß und in so uneingeschränktem Wortsinne Sklave wie eine Ehefrau“ (John Start Mill, On the Subjection of Women, Cambridge, 1991). Nur jene, die ein als Maßstab geltendes Übel nicht als moralischen Kompaß, sondern vielmehr als ideologische Keule benutzen, schrecken vor solchen Analogien zurück. „Das kann man nicht vergleichen“ ist der Glaubenssatz moralischer Erpresser.
Die organisierten Juden Amerikas haben den Massenmord der Nazis ausgebeutet, um Kritik an Israel und an ihrer eigenen unhaltbaren Politik abzuwehren. Mit der von ihnen verfolgten Politik sind Israel und die amerikanischen Juden in eine strukturell gleiche Lage geraten: Beider Schicksal hängt nun an einem dünnen Faden, den die herrschenden Eliten Amerikas in Händen halten. Sollten diese Eliten je zu dem Schluß kommen, daß Israel eine Belastung darstellt oder die amerikanischen Juden entbehrlich sind, könnte der Faden durchtrennt werden. Das ist zweifellos eine Spekulation – vielleicht eine unangemesse Warnung, vielleicht auch nicht. Es ist jedoch ein Kinderspiel, die Haltung der amerikanischen Juden vorauszusagen, falls dies eintreten sollte. Falls Israel aus der Gunst der Vereinigten Staaten fiele, würden viele jener Führer, die Israel heute tapfer verteidigen, mutig ihre Abneigung gegen den jüdischen Staat verbreiten und die amerikanischen Juden verbal dafür geißeln, daß sie Israel zur Religion gemacht haben. Und sollten die herrschenden Kreise der USA beschließen, Juden zum Sündenbock zu machen, würde es uns nicht überraschen, wenn die Führer der amerikanischen Juden wieder genauso handeln würden wie ihre Vorfahren während der Verfolgung durch die Nazis. „Wir glaubten nicht, daß die Deutschen sich der Juden bedienen würden“, erinnerte sich Yitzhak Zuckerman, einer der Anführer des Aufstandes im Warschauer Ghetto, „daß Juden andere Juden in den Tod führen würden.“ (Zuckerman, A Surplus of Memory)
Im Verlauf einer Reihe öffentlicher Auseinandersetzungen in den achtziger Jahren sprachen sich viele bekannte deutsche und nichtdeutsche Wissenschaftler dagegen aus, die Schandtaten des Nationalsozialismus zu „historisieren“. Man befürchtete, eine Historisierung könnte zu moralischer Selbstzufriedenheit führen. Auch wenn das Argument damals stichhaltig gewesen sein mag, heute ist es nicht mehr überzeugend. Die schwindelerregenden Ausmaße von Hitlers „Endlösung“ sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Und ist nicht auch die „normale“ Menschheitsgeschichte voll von schreckenerregenden Kapiteln der Unmenschlichkeit? Ein Verbrechen muß nicht unvergleichlich sein, um Sühne zu verdienen. Heute besteht die Herausforderung darin, die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis wieder zu einem rationalen Forschungsgegenstand zu machen. Nur dann können wir wirklich etwas daraus lernen. Die Unvergleichlichkeit, ja Außergeschichtlichkeit des Massenmords an den Juden entspringt nicht dem Ereignis selbst, sondern ist vor allem Produkt der ausbeuterischen Industrie, die sich danach entwickelt hat. Die Holocaust-Industrie ist schon immer bankrott gewesen. Es bleibt nur noch, das offen auszusprechen. Die Zeit, sie aus dem Geschäft zu ziehen, ist längst überfällig. Die edelste Geste gegenüber jenen, die umgekommen sind, besteht darin, ihr Andenken zu bewahren, aus ihrem Leiden zu lernen und sie endlich in Frieden ruhen zu lassen.
Aktueller Nachtrag zur deutschen Ausgabe
Im dritten Kapitel des vorliegenden Buches habe ich dokumentiert, wie die Holocaust-Industrie sowohl bei europäischen Ländern als auch bei jüdischen Überlebenden des Völkermords der Nazis „doppelt abkassiert“ hat. Die neueste Entwicklung bestätigt diese Analyse. Um meine Argumentation zu belegen, ist nichts weiter nötig, als die problemlos öffentlich zugänglichen Dokumente kritisch und eingehend zu prüfen.
Ende August 2000 verkündete der Jüdische Weltkongreß (WJC), er verfüge über sage und schreibe 9 Milliarden Dollar aus Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Holocaust. Sie waren im Namen „bedürftiger Holocaust-Opfer“ eingetrieben worden, doch nun behauptete der WJC, die Gelder würden dem „jüdischen Volk in seiner Gesamtheit“ zustehen (Elan Steinberg, geschäftsführender Direktor des WJC). Praktischerweise ist der WJC der selbsternannte Vertreter des „jüdischen Volkes in seiner Gesamtheit“. Mittlerweile feierte man mit einem vom WJC-Präsidenten Edgar Bronfman gesponserten Holocaust-Entschädigungsfestbankett im New Yorker Hotel Pierre die Gründung einer „Stiftung des jüdischen Volkes“, mit der jüdische Organisationen sowie die „Holocaust-Erziehung“ unterstützt werden sollen. (Ein jüdischer Kritiker des „Festbanketts zum Thema Holocaust“ beschwor folgendes Szenario: „Massenmord. Schreckliche Plünderungen. Sklavenarbeit. Lasset uns essen.“) Die finanzielle Ausstattung der Stiftung würde von den „verbleibenden“ Geldern aus der Holocaust-Entschädigung stammen, die sich auf „wahrscheinlich Milliarden von Dollar“ belaufen würden (Steinberg). Wieso der WJC bereits wußte, daß „wahrscheinlich Milliarden“ übrigbleiben würden, obwohl noch keinerlei Entschädigungen an die Opfer des Holocaust ausgezahlt worden waren, wissen die Götter. Tatsächlich war noch nicht einmal bekannt, wie viele dafür in Frage kamen. Oder trieb die Holocaust-Industrie Entschädigungsgelder im Namen „bedürftiger Holocaust-Opfer“ ein, während sie sich die ganze Zeit über bewußt war, daß „wahrscheinlich Milliarden“ übrigbleiben würden? Damit stellte die Holocaust-Industrie nun zwei einander widersprechende Behauptungen auf: Einerseits hieß es, die Vergleichsvereinbarungen mit Deutschland und der Schweiz würden nur magere Beträge für Überlebende erbringen, andererseits, es würden „wahrscheinlich Milliarden“ übrigbleiben.
Wie vorauszusehen war, reagierten Überlebende des Holocaust zornig. (Bei der Gründung der Stiftung war keiner von ihnen beteiligt.) „Wer hat diesen Organisationen erlaubt, die Entscheidung zu treffen“, hieß es im Leitartikel einer Zeitschrift der Überlebenden ärgerlich, „daß die ›Reste‹ (in Milliardenhöhe), die man im Namen von Shoah-Opfern erhalten hat, für ihre Lieblingsprojekte eingesetzt werden, anstatt allen Überlebenden des Holocaust bei den steigenden Kosten für ihre medizinische Versorgung zu helfen?“ Angesichts des Sperrfeuers negativer Reaktionen der Öffentlichkeit vollzog der WJC eine plötzliche Kehrtwendung. Die Zahl von 9 Milliarden sei ein wenig irreführend gewesen, erklärte Steinberg in der Folge. Außerdem behauptete er, die Stiftung verfüge über „kein Geld und keinen Plan, Geldmittel zu verteilen“, und mit dem Holocaust-Bankett habe man nicht bezweckt, die finanzielle Ausstattung der Stiftung mit Geldern aus der Holocaust-Entschädigung zu feiern, sondern vielmehr angestrebt, Mittel dafür einzuwerben. Ältere jüdische Überlebende, die man vorher nicht gefragt, geschweige denn zu der „mit Stars gespickten Gala“ ins Hotel Pierre geladen hatte, demonstrierten draußen vor der Tür. Unter den im Pierre Gefeierten befand sich auch Präsident Clinton, der bewegend daran erinnerte, daß die Vereinigten Staaten an vorderster Front stünden, wenn es darum ginge, „einer häßlichen Vergangenheit ins Gesicht zu sehen“: „Ich bin in Reservaten der amerikanischen Ureinwohner gewesen und habe erkannt, daß die von uns unterzeichneten Verträge in vielen Fällen weder gerecht waren noch in ehrenwerter Weise eingehalten wurden. Ich bin nach Afrika gegangen … und habe die Verantwortung der Vereinigten Staaten für den Verkauf von Menschen in die Sklaverei anerkannt. Wir bemühen uns darum, den innersten Kern unserer Menschlichkeit aufzuspüren, und das ist eine schwere Aufgabe.“ Was bei all diesen Beispielen der „schweren Aufgabe“ erkennbar fehlte, war eine Wiedergutmachung in harter Währung.
Am 11. September 2000 wurde schließlich der „vom Sonderbevollmächtigten vorgeschlagene Plan zur Auszahlung und Verteilung der Einnahmen aus dem Vergleich“ veröffentlicht (im folgenden: Gribetz-Plan), der im Rechtsstreit mit den Schweizer Banken ausgehandelt worden war. Zeitlich wurde die Bekanntgabe des Plans – nachdem man zwei Jahre daran gearbeitet hatte – nicht etwa auf die Interessen der „bedürftigen Holocaust-Opfer, von denen jeden Tag jemand stirbt“, abgestimmt, sondern auf die Holocaust-Gala an eben jenem Abend. Burt Neuborne, der führende Berater der Holocaust-Industrie in den Verhandlungen mit den Schweizer Banken, pries das Dokument als „genauestens recherchiert …, mit großer Sorgfalt und Einfühlung erstellt“. Es schien in der Tat die um sich greifenden Befürchtungen zu widerlegen, wonach die Gelder von jüdischen Organisationen fehlgeleitet werden könnten. So berichtete beispielsweise der Forward, daß „der Verteilungsplan … vorsieht, daß mehr als 90 Prozent der Gelder aus der Schweiz unmittelbar an Überlebende und deren Erben ausbezahlt werden“. Elan Steinberg beteuerte, daß „der Jüdische Weltkongreß niemals auch nur einen Penny verlangt hat, niemals einen Penny nehmen wird und keine Entschädigungsfonds akzeptiert“, und lobte den Gribetz-Plan frömmlerisch als ein „außerordentlich kluges und von Mitleid geprägtes Dokument“. Klug war er ganz bestimmt, aber kaum von Mitleid geprägt. Denn im Kleingedruckten des Gribetz-Plans verbirgt sich die teuflische Wahrheit, daß wahrscheinlich nur ein kleiner Anteil der Gelder aus der Schweiz unmittelbar an Überlebende des Holocaust und deren Erben ausbezahlt wird.
Abgesehen von einer unbedeutenden Summe sind die Gelder aus der Schweiz laut dem Gribetz-Plan nur für jüdische Opfer der Naziverfolgung bestimmt. Technisch gesehen umfaßte der Vergleich alle „Opfer oder Ziele der Naziverfolgung“. In Wahrheit ist diese scheinbar umfassende, „politisch korrekte“ Bezeichnung ein sprachlicher Trick, um die meisten nichtjüdischen Opfer auszuschließen. Willkürlich nimmt sie in die Definition „Opfer oder Ziele der Naziverfolgung“ nur Juden, Zigeuner, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Behinderte auf. Aus nie erklärten Gründen schließt man andere politisch (z.B. Kommunisten oder Sozialisten) oder ethnisch (z.B. Polen und Weißrussen) Verfolgte aus. Dies sind zahlenmäßig umfangreichere Opfergruppen; die im Gribetz-Plan neben den Juden als „Opfer oder Ziel der Naziverfolgung“ definierten Gruppen sind im Vergleich zu den vorher genannten weit weniger umfangreich. Dies läuft praktisch darauf hinaus, daß fast die gesamten Entschädigungsgelder an Juden gehen. So erfaßt der Plan 170.000 frühere jüdische Zwangsarbeiter; von den immerhin 1.000.000 nichtjüdischen Zwangarbeitern werden jedoch nur 300.00 als „Opfer oder Ziele der Naziverfolgung“ angesehen. In ähnlicher Weise sieht der Plan 90 Millionen Dollar für jüdische Opfer der Nazi-Plünderungen vor, während nichtjüdischen Opfern nur 10 Millionen zugedacht werden. Teilweise läßt diese Aufteilung sich damit rechtfertigen, daß vorhergegangene Entschädigungsabkommen ein solches Verhältnis festlegten. Doch der Plan gibt auch zu bedenken, daß nichtjüdische Opfer in der Vergangenheit einen unangemessen kleinen Anteil der Entschädigungen erhalten haben. Sollte ein angemessener Verteilungsplan frühere Ungerechtigkeiten nicht eher ausgleichen, anstatt sie fortzuführen?
Der Gribetz-Plan sieht sage und schreibe 800 Millionen Dollar aus den 1,25 Milliarden der Schweiz vor, um rechtsgültige Ansprüche auf nachrichtenlose Konten aus der Zeit des Holocaust abzudecken. Der Text des Plans mit Anhängen und Tabellen summiert sich zu vielen hundert Seiten mit mehr als tausend Fußnoten. Das einzig Merkwürdige des Plans liegt darin, daß an keiner Stelle der Versuch gemacht wird, diese – entscheidende – Aufteilung glaubwürdig zu begründen. Er stellt lediglich fest: „Auf der Grundlage seiner Auswertung des Volcker-Reports und des endgültigen Gerichtsbeschlusses sowie nach Beratungen mit Vertretern des Volcker-Ausschusses schätzt der Sonderbevollmächtigte, daß der Wert aller Bankkonten, die zurückbezahlt werden, in der Größenordnung von 800 Millionen Dollar liegt.“ In Wahrheit scheint diese Schätzung grotesk übertrieben. Die tatsächlich für nachrichtenlose Konten ausbezahlte Summe dürfte wahrscheinlich nur einen winzigen Bruchteil dieser 800 Millionen ausmachen. Bei den „verbleibenden“ Geldern – also dem, was von den 800 Millionen Dollar übrigbleibt, wenn alle legitimen Ansprüche bearbeitet sein werden – geht man davon aus, daß sie entweder direkt an Überlebende des Holocaust oder an jüdische Organisationen verteilt werden, die im Zusammenhang mit dem Holocaust tätig sind. Tatsächlich werden die verbleibenden Mittel fast sicher an jüdische Organisationen fließen, nicht nur, weil die Holocaust-Industrie das letzte Wort hat, sondern auch, weil man sie erst in vielen Jahren verteilen wird, wenn nur noch wenige von den eigentlichen Überlebenden des Holocaust am Leben sind.
Abgesehen von den 800 Millionen Dollar für Konten aus der Zeit des Holocaust verteilt der Gribetz-Plan ungefähr 400 Millionen Dollar vorwiegend auf die Kategorien „geraubte Besitztümer“, „Zwangsarbeit“ und „Flüchtlinge“. Doch er bringt auch den entscheidenden Vorbehalt ein, daß nichts von diesen Geldern freigegeben wird, ehe nicht „alle Rechtsmittel in diesem Rechtsstreit erschöpft sind“. Der Plan räumt ein, daß die „vorgeschlagenen Auszahlungen vielleicht für einige Zeit nicht beginnen können“, und zitiert einen bedeutenden Präzedenzfall, in dem die Einspruchsverfahren dreieinhalb Jahre gedauert hatten.
Somit bestätigt eine genaue Analyse des Gribetz-Plans die wichtigsten Argumente aus dem 3. Kapitel dieses Buches. Sie zeigt, daß die von der Holocaust-Industrie angeführten Vorwände, mit denen sie eine nicht rückzahlbare Vergleichssumme von den Schweizer Banken erzwang, falsch waren und daß wenige tatsächliche Überlebende der Massenvernichtung durch die Nazis direkt – oder auch nur indirekt – von den Geldern aus der Schweiz profitieren werden. Eine vergleichbare Untersuchung anderer Vereinbarungen der Holocaust-Industrie würde vermutlich zu ähnlichen Ergebnissen führen. Tatsächlich ist in den Ausführungsbestimmungen des Gribetz-Plans ein Notgroschen für die Holocaust-Industrie versteckt. Wahrscheinlich wird der größte Teil der Gelder aus der Schweiz erst verteilt werden, wenn außer einer Handvoll von Überlebenden keiner mehr übrig ist. Wenn die Überlebenden dahingegangen sind, wird sich das Geld in die Tresore jüdischer Organisationen ergießen.
New York, November 2000 Norman G. Finkelstein
Statt eines Nachworts Norman Finkelstein im Gespräch mit Thomas Spang
Norman Finkelstein, Ihre Mutter Maryla und Ihr Vater Zaccharias haben beide das jüdische Ghetto in Warschau und später die Konzentrationslager in Majdanek und Auschwitz überlebt. Was hat diese Erfahrung in dem Leben Ihrer Eltern geändert?
Das Band, das meine Eltern während ihres gesamten Lebens zusammenhielt, war, daß sie, außer einander, niemandem mehr trauten. Nach dem Krieg waren sie zynische und bittere Leute geworden. Ich weiß, meine Mutter war vor dem Krieg nicht so. Das war ganz klar ein Ergebnis des Krieges. Politisch landeten meine Eltern am linken Ende des Spektrums. Sie hielten den Westen mitverantwortlich für den Nazi-Holocaust, weil sie glaubten, der Westen habe Hitler als Gegengewicht zur Sowjetunion unterstützt. Und sie konnten sich gut mit den Russen identifizieren. Sie waren fest davon überzeugt, daß die Russen wußten, was es hieß, diesen Krieg zu erleiden.
Sie sind 1953 in Brooklyn zur Welt gekommen, nur acht Jahre nachdem Ihre Eltern von den alliierten Soldaten befreit wurden. Können Sie uns einmal die Atmosphäre in einer typischen jüdischen Nachbarschaft zu dieser Zeit beschreiben. Wie hat Ihre Familie da gelebt?
Es gab keine öffentliche Diskussion über den Holocaust der Nazis. Tatsächlich war es peinlich. Die Grundüberzeugung war: Juden sind wie die Schafe in den Tod gegangen, und dafür sollte man sich schämen. Das Bild bei uns zu Hause ist schwer zu beschreiben. Da war zunächst diese Unnatürlichkeit, daß wir keine Verwandten hatten. Und ich habe niemals richtig fassen können, daß ich keine Tanten hatte, keine Onkels, keine Cousinen, ich hatte keine Großeltern. Wir waren fünf Leute auf diesem Planeten Erde: meine Mutter, mein Vater, meine zwei Brüder und ich. Ab einem bestimmten Punkt (lacht verlegen) habe ich mich gefragt, warum das so ist. Meine Mutter litt unter Melancholie, mein Vater hatte immer, natürlich, die eintätowierte Nummer aus Auschwitz. Ich erinnere mich genau: 128018. Meine Mutter hat alles, worüber sie geredet hat – eine Rose im Garten, eine Fliege am Fenster, ein Astronaut im Weltraum -, alles und jedes auf den Nazi-Holocaust bezogen. Sie hat selbst jedes populäre Lied, das sie mochte, mit dem Holocaust in Verbindung gebracht. Da gab es diese berühmte Broadway-Show „Hair“, und darin gab es einen Song, der hieß „Let the Sun Shine“. Meine Mutter hat dieses Lied sehr berührt. Sie sagte, sie würde sich daran erinnern, wie sie durch das Ghetto ging und durch das Konzentrationslager und dabei immer in den Himmel schaute. Sie wünschte sich, daß wenigstens die Sonne schien: „Let the Sun Shine“. Mein Vater hat niemals ein einziges Wort gesagt, nicht eines, über das, was er im Zweiten Weltkrieg erlebt hatte. Meine Mutter hörte nicht auf, darüber zu sprechen. Aber da gab es eine Linie, einen Kreis, den sie um ihre Familie zog. Sie sagte uns nie, was mit ihrer Familie passiert war. Ich weiß, daß mein Vater eine Schwester hatte, weil Mutter einmal erzählte, sie habe sie im Konzentrationslager von Majdanek gesehen. Da keine Bilder den Krieg überstanden, fragte mein Vater sie wieder und wieder: Sag‘ mir, wie sie aussah. Erzähl mir, wie sie aussah. Das war die einzige Verbindung, die er noch zu seiner Familie hatte.
Ihre Eltern haben Ihnen beigebracht zu vergleichen. Das haben Sie getan, als Sie zum Beispiel die Entschädigung für Ihre Eltern mit dem Betrag an Geld verglichen, der bei der Jewish Claims Conference hängen geblieben ist, die die Vereinbarung mit Deutschland ausgehandelt hatte.
Die Fakten sind einfach: Der Ruf der deutschen Regierung beim Verteilen der Entschädigungsgelder war hervorragend. Sie können über die Deutschen sagen, was sie wollen – meine Eltern haßten die Deutschen, sie haben niemals ein gutes Wort über einen Deutschen zu sagen gehabt. Aber mein Vater, der seine Entschädigung von Deutschland erhielt, hat niemals ein einziges Wort der Beschwerde über die deutsche Regierung verloren. Meine Mutter sollte über die Jewish Claims Conference entschädigt werden. Sie bekam nichts. Sie verspürte eine tiefe Abneigung, sie haßte sie, und in diesem Punkt war sie in gutem Einverständnis mit allen anderen Holocaust-Opfern. Seit der Veröffentlichung meines Buches bin ich mit einigen in Kontakt. Und da gibt es eine Sache, die alle gemein haben – ganz unterschiedliche Leute aus ganz unterschiedlichen Orten. Das sind Orthodoxe oder Weltliche, das sind Menschen aus Belgien, das sind Menschen aus Ungarn und Deutschland. Und ich kann sie benennen: Liane Stabinski aus Belgien, Gisela Weishaus aus Ungarn, die Marschewskis aus Berlin – sie alle haben eines gemeinsam: Sie sagen durchweg – und das ist für mich die aufschlußreichste und vernichtendste Einsicht in diese ganze erbärmliche Industrie -, daß die eigentlichen Opfer der Verfolgung der deutschen Regierung mehr trauen als den jüdischen Organisationen.
Damit sind wir nun im Zentrum der Kritik, die Sie in Ihrem Buch Die Holocaust-Industrie niedergelegt haben. Ihre Hauptanklage: Jüdische Funktionäre mißbrauchen die Shoah für politische, ökonomische und ideologische Ziele. Auf wen bezieht sich Ihre Kritik konkret?
Das ist schon eigentümlich, wenn ich einige Kritiken speziell in Deutschland lese, in denen die Leute behaupten, ich würde keine Namen nennen und so eine namenlose Verschwörungstheorie vorlegen. Ich habe Organisationen benannt, die großen jüdischen Organisationen: das American Jewish Committee, den World Jewish Congress, die B’nai B’rith Anti-Defamation League, die World Jewish Restitution Organisation, die Jewish Claims Conference – das ist schon keine Industrie mehr, das ist ein Konglomerat. Eine ganze Menge Leute. Eine ganze Menge Leute.
Diese Vorwürfe haben erwartungsgemäß nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland erhebliche Kritik ausgelöst, wo das Buch noch nicht erschienen ist. So hat ihnen beispielsweise der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, in einem Zeitungs-Interview mit der Rheinischen Post vorgeworfen, „alte judenfeindliche Klischees“ zu nähren, und Rafael Seligman nennt Sie in einem Namensbeitrag einen „Koschermacher lächerlicher Vorwürfe“. Und als Motiv vermutet Paul Spiegel finanzielle Probleme, die Sie durch Bedienung einer „lohnenden Marktlücke“ füllen wollten. Das ist ziemlich starker Tobak, oder?
In den USA gab es keine Reaktion, keine öffentliche Reaktion. In den ganzen USA gab es zwei Besprechungen des Buches. Zu den Reaktionen anderswo möchte ich folgendes sagen. Ich habe zwei Anliegen. Erstens dem Gedenken des Leidens meiner Eltern treu zu bleiben. Ich kann tatsächlich sagen: Die Opfer der Verfolgung durch die Nazis sind sehr erfreut über das Buch. Ich habe mit vielen gesprochen. Die sagen zu mir: Du gibst unserem Ärger und Frust darüber, wie wir von der Holocaust-Industrie für deren Zwecke mißbraucht wurden, endlich ein öffentliches Ventil. Ich habe aber auch ein wissenschaftliches Anliegen: Das Buch soll faktisch richtig sein. Die mit Abstand weltweit führende Autorität für den Nazi-Holocaust, Raul Hilberg, hat drei Interviews zu meinem Buch gegeben. Und in allen drei Fällen sagte er mit Bestimmtheit, mein Buch sei grundsätzlich sorgfältig, und die einzige Schwäche sei, er wünschte, ich hätte mehr zum Thema geschrieben. Das ist meine Hauptsorge: Was die eigentlichen Opfer der Verfolgung über mein Buch denken, und was renommierte Gelehrte sagen. Was die Holocaust-Industrie über das Buch denkt, ist mir völlig egal.
Der schlimmste Vorwurf, der einen Wissenschaftler treffen kann, lautet, nicht sorgfältig zu arbeiten. Paul Spiegel behauptet im Interview mit der Rheinischen Post, Ihr Buch sei „schludrig geschrieben und voller Fehler“. Wie auch Rafael Seligmann wirft er Ihnen vor, mit falschen Angaben über die Zahl der jüdischen Holocaust-Opfer und der Überlebenden zu arbeiten. Können Sie einmal genau darlegen, wie Sie zu Ihren Zahlen kommen?
Das ist ein Feld, in dem spezielle Fachkenntnisse gefragt sind. Ich behaupte nicht, eine spezielle Fachkenntnis in diesem Gebiet zu haben. Ich habe die Standardzahlen jüdischer Historiker zum Nazi-Holocaust wiedergegeben. Ich nannte die Zahl von Leonard Dinnerstein, Autor des Standardwerks über die Überlebenden des Nazi-Holocaust. Er nennt 60.000 Juden, die die Todeslager überlebt hatten, von denen 20.000 während der ersten Woche starben. Ich habe die Zahl von Henry Friedlander genannt, der auch eine Autorität auf dem Gebiet und übrigens auch ein Überlebender von Auschwitz ist. Er spricht von 100.000 Überlebenden. Die Claims Conference hat in einer an Holocaust-Leugnung grenzenden Unverfrorenheit behauptet, 700.000 jüdische Sklavenarbeiter hätten den Krieg überlebt. Wenn 700.000 überlebt hätten, dann wäre das Verfahren (der Nazis) nicht sehr effizient gewesen. Aber das glaube ich nicht. Ich denke, es war sehr effizient, und meine Mutter hat mir oftmals gesagt: „Norman, du verstehst das nicht – nur eine Handvoll überlebte!“
Sie lehnen die These ab, daß der Holocaust ein singuläres Ereignis in der Geschichte ist. Mit dieser Idee haben Sie nicht nur das jüdische Establishment in den USA herausgefordert, sondern sich auch in Opposition zu den Historikern in Deutschland gebracht.
Soviel vorneweg: Der Gedanke, der Nazi-Holocaust sei beispiellos, nicht übertragbar, unverbunden mit dem Rest der Geschichte, ist keine wissenschaftliche These. Das ist purer Chauvinismus. Wenn Sie von Anfang an sagen, ganz von Beginn, Sie könnten nicht vergleichen oder Vergleiche seien eine Form von Holocaust-Leugnung, gut, dann sprechen wir nicht mehr über Geschichte. Wir sprechen dann über Religion oder Chauvinismus oder ethnischen Chauvinismus. Soviel zur jüdischen Seite.
Auf der deutschen Seite kann ich das Bemühen der deutschen Historiker respektieren, die Singularität des Nazi-Holocaust zu verteidigen. Ich verstehe das und sehe etwas Ehrenwertes darin. Sie möchten die Verbrechen des Nazi-Regimes in keiner Weise kleiner machen. Dennoch möchte ich zwei Einfügungen machen.
Punkt eins: Sie haben kein Recht, die Behinderten und Zigeuner zu vergessen.
Punkt zwei: Ich glaube, daß ab einem bestimmten Punkt die deutsche Betonung der Einzigartigkeit des Holocaust eine umgekehrte Form von Chauvinismus wird, ungefähr von der Art: Wir haben die schlimmsten Verbrechen begangen.
In dem mißlungenen Buch von Daniel Goldhagen gab es einen Teil, bei dem ich mit ihm übereinstimmte. Er sagte: Philosemiten sind Antisemiten im Schafspelz. Dem kann ich aus ganzem Herzen zustimmen. Ich mag keine Philosemiten, ich mag keine Antisemiten. Ich möchte, daß mich die Leute wie einen normalen Menschen behandeln. Mich beschleicht in letzter Zeit das Gefühl, daß einige dieser politisch korrekten Historiker, die auf der absoluten Einmaligkeit des Nazi-Holocaust insistieren, einer Familie von Philosemiten angehören. Und das ist eine Art von umgekehrtem Chauvinismus, den ich nicht mag.
Ich glaube zum Beispiel, daß der im Zwangsarbeiter-Abkommen vereinbarte 350 Millionen Dollar schwere Zukunftsfonds zur Erforschung und Vermittlung des Holocaust, auf dem die Jewish Claims Conference sitzt, nur Mittel für Leute bereitstellt, die politisch korrekte Sachen über den Holocaust sagen.
Ich bin mir sicher, daß ich die Absage am nächsten Tag in der Post liegen hätte, würde ich mich für Mittel aus dem Fonds bewerben. Und ich glaube – das sage ich in voller Verantwortung -, daß einige deutsche Angriffe auf mein Buch und die Verteidigung der Jewish Claims Conference aus reinen Geldgründen erfolgten.
Sie sind nicht der erste jüdische Intellektuelle, der die verbreitete, nennen wir sie einmal essentialistische Theorie über den Holocaust in Frage stellt. Vor Ihnen hat das bereits Peter Novick getan, der den Einfluß auf die jüdische Politik in den USA und Israel untersucht hat. War Ihr Buch also eher als Beitrag zur innerjüdischen Debatte geplant?
Mein Buch habe ich genau dafür geschrieben, was ich in meinem Dankwort gesagt habe: Ich unternehme einen entschlossenen Vorstoß, das Vermächtnis meiner Eltern sorgfältig wiederherzustellen. Darum geht es in meinem Buch. Außerdem ist mein Buch dafür bestimmt und geschaffen, eine öffentliche Diskussion in Gang zu setzen, über viele Dinge, die privat und leise gesagt werden, eine offene und freie Debatte über etwas zu legitimieren, das, ganz offen gesagt, außer Kontrolle geraten ist.
Sie sind jetzt in eine Situation geraten, in der Sie von deutschen Revisionisten und Rechtsradikalen als Kronzeuge mißbraucht werden können. Wie wollen Sie sich von Gruppen abgrenzen, mit denen Sie nichts zu tun haben?
Am besten ist, das Buch zu lesen. Darin versuche ich das Andenken an das Leiden der Juden zu bewahren, ebenso wie die historischen Ereignisse des Holocaust. Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten will ich ihn vor Verdrehern und Entstellern schützen einschließlich der Holocaust-Leugner in der Holocaust-Industrie. Es gibt keine Möglichkeit, nur ein Wort in meinem Buch so zu interpretieren, daß es Verleugnern Trost spendet. Eher das Gegenteil.
Es ist die Holocaust-Industrie mit ihren heftig aufgeblähten Zahlen an Überlebenden, die den Verleugnern hilft. Es ist die Erpressertaktik, die Antisemitismus nährt. Das bin nicht ich. Die Jewish Claims Conference hat die Zahlen der Sklavenarbeiter aufgebläht, um mehr Geld von Deutschland zu bekommen. Die Claims Conference hat den Ruf Deutschlands in der Entschädigungsfrage in den USA verfälscht, indem sie behauptete, kein Sklavenarbeiter hätte von Deutschland jemals eine Entschädigung erhalten. Jeder weiß, daß tatsächlich Lebensrenten ausgezahlt wurden, auch an meinen Vater. Die Claims Conference sollte unter keinen Umständen berechtigt werden, die Opfer der Nazi-Verfolgung zu repräsentieren. Die Opfer der Nazi-Verfolgung wollten und wollen immer noch, daß die deutsche Regierung die Mittel verteilt.
In der Schweiz gab es eine ganz ähnliche Entwicklung, und Sie haben ja dazu eine starke Meinung.
Im Fall der Schweiz handelte es sich, wie Raul Hilberg sagt, um glatte Erpressung. Sie haben Zahlen manipuliert, sie haben an die Schweiz Forderungen gestellt, die sie niemals an die USA wegen verwaister jüdischer Konten richteten. Sie wollten Geld haben, bevor eine Summe feststand, wieviel sie erhalten sollten. Und wenn sie ihr Geld bekommen, wird mindestens die Hälfte, denke ich, in ihre Taschen wandern. Von Anfang bis Ende war das ein grotesker Skandal, und ich bin entschieden der Ansicht, die Schweiz sollte die Vereinbarung aufkündigen.
Werden Sie schließlich nach Deutschland kommen, um mit Ihren Kritikern und Sympathisanten zu diskutieren?
Ich denke, ich werde bei der Veröffentlichung meines Buches, der Übersetzung, in Deutschland sein. Es wird moralisch für mich schwer sein. Auf meinen Schultern sitzen immer meine Mutter und mein Vater. Und ich werde ihnen immer Rechenschaft schuldig sein, besonders in dieser Hinsicht. Ich fühle mich ihnen gegenüber verantwortlich. Es wird schwer sein, weil ich die Werte meiner Eltern von ihren Gefühlen und Empfindungen trennen muß. Das Beste in meinen Eltern würde sagen: Geh auf die Leute zu, sei großzügig, laß deine Werte nicht kompromittieren, versuche eine bessere Zukunft für uns alle zu schaffen. Aber die Gefühle meiner Eltern, nicht ihre Werte, ihre Gefühle waren, daß sie die Deutschen haßten. Es wird für mich schwierig sein, den richtigen Zugang zu den Deutschen zu finden. Ich hoffe, ich mache das Richtige. Das ist das Äußerste, was man von einem Individuum erwarten kann.
Thomas Spang arbeitet als USA-Korrespondent für die Rheinische Post und fünf andere Tageszeitungen. Das Interview wurde am 1.10.2000 im WDR gesendet und erschien gekürzt in diesen Zeitungen. Übersetzung: Thomas Spang
Danksagung
Colin Robinson vom Verso-Verlag konzipierte die Idee für dieses Buch. Roane Carey half mir, meine Überlegungen in eine geschlossene Form zu bringen. Noam Chomsky und Shifra Stern begleiteten jede Phase der Entstehung dieses Buches mit ihrem Beistand. Jennifer Loewenstein und Eva Schweitzer steuerten Kritik zu mehreren Entwürfen bei. Rudolph Baldeo gab mir persönliche Unterstützung und Ermutigung. Ihnen allen bin ich zu Dank verpflichtet. Auf diesen Seiten versuche ich dem Vermächtnis meiner Eltern gerecht zu werden. Dementsprechend widme ich dieses Buch meinen beiden Brüdern Richard und Henry sowie meinem Neffen David. – Norman G. Finkelstein
Um der Wahrheit und des Ansehens des aufrichtigen Teils des jüdischen Volkes willen habe ich das Buch DIE HOLOCAUST-INDUSTRIE – Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird – leicht gekürzt in meine Website aufgenommen. Auch die Hervorhebungen sind von mir.
Horst Koch, Herborn , im Januar 2006
www.horst-koch.de
info@horst-koch.de