Der Griff des Islam nach Europa (E.Tröger)
Eberhardt Tröger
Der Griff des Islam nach Europa
Bei der Beschäftigung mit dem „Griff des Islam nach Europa“ dürfen wir nicht übersehen: Der Islam hat ein Programm für Europa, und zwar nicht nur ein religiöses, sondern auch ein gesellschaftspolitisches und wirtschaftliches Programm. Die Europäer haben weitgehend noch nicht verstanden, dass der Islam eine umfassende, fast totalitär zu nennende Lebensordnung ist. In diesem Sinne definierte der Islamrat für Europa 1980 in London in einer Erklärung den Islam folgendermaßen: „Der Islam ist ein Glaube, eine Lebensweise und eine Bewegung zur Aufrichtung der islamischen Ordnung in der Welt.“ Universal Islamic Declaration, veröffentlicht am 28.4.1980 in der islamischen Zeitschrift New Horizon in London, deutsche Übersetzung abgedruckt im Materialdienst der Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der EKD Nr.7 Stuttgart, 1.7.1980, S. 181‑184. Hier wird klar ausgedrückt, dass der Griff des Islam nach Europa nicht nur religiös, sondern auch politisch zu verstehen ist.
Wer ist Träger des „Griffs nach Europa“? Der Islamrat für Europa spricht von einer „Bewegung“, und das trifft die Sache recht gut. Der Islam ist keine Supraorganisation, vergleichbar etwa mit der römisch‑katholischen Kirche. Nur unter den ersten vier Kalifen war der Islam ein einheitlicher religiös‑staatlicher Herrschaftsraum, für den man auch den Ausdruck „Haus des Islam“ verwendete. Im Laufe der Geschichte hat sich der Islam aber in eine Fülle unterschiedlich geprägter politischer Herrschaften, religiöser Sekten, theologischer und juristischer Institutionen und bruderschaftlich organisierter Basis‑Bewegungen aufgesplittert. Die werbemäßigen Aktivitäten gingen meistens vom nichtstaatlichen Islam aus. Das waren erstens die jeweiligen oppositionellen Gruppen, z.B. die schiitischen Absplitterungen; es waren zweitens die Bruderschaften, die zunächst ein religiöses Anliegen hatten, dann aber teilweise politisiert wurden. Inzwischen wurden auch moderne Organisationsformen übernommen. Weltweit werden Vereine, Verbände, Konferenzen usw. gegründet. Es sind vor allem die nichtstaatlichen Organisationen, die Träger der islamischen Expansion sind. Es gibt aber einige wichtige Ausnahmen: Der iranische Staatsislam, der auf dem sogen. Zwölfer‑Schiismus basiert, und der staatliche Wahhabismus in Saudi‑Arabien setzen sich weltweit mit viel Geld für die Ausbreitung des Islam ein. Auf der politischen Bühne geht zunehmender Einfluss von der Islamic Conference Organisation (OIC) aus, dem politischen Zusammenschluss der islamischen geprägten Staaten. Die OIC ist jedoch ein schwerfälliges Gebilde, während die nichtstaatlichen Organisationen sehr mobil agieren. Im Sinne des am Anfang Gesagten haben aber auch die nichtstaatlichen Organisationen eine politische Agenda.
1. Der Griff nach Europa ist ein genuin islamisches Anliegen.
Es ist verkehrt zu meinen, dass nur der moderne Islamismus ein islamisches Europa wolle. Das Ziel eines islamischen Europa basiert vielmehr auf dem Koran, nach dem der Islam die wahre Religion für alle Menschen ist. Bereits der Koran lädt auch Christen und Juden und natürlich alle sogenannten Heiden ein, Muslime zu werden. Am Überlegenheitsanspruch des Islam gibt es in keiner islamischen Richtung einen Zweifel. Der moralisch dekadente Zustand Europas nährt diesen Anspruch. Für viele Muslime ist Europa ins Heidentum zurückgefallen, und deshalb wird der Islam als Lösung für die Probleme Europas angesehen.
In diesem Zusammenhang sind die koranischen Konzepte von Dau°wa und Djihâd zu nennen. Dau°wa ist die Einladung, den Islam anzunehmen, und als solche ist sie ein Teil des Djihâd, d.h. des Einsatzes für Allah. Der Djihâd ist umfassend und meint sowohl den Einsatz für den Islam als Allah‑Verehrung als auch für den Islam als öffentlich‑politische Ordnung: Menschen, die den Islam nicht freiwillig annehmen, können und sollen durch wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Druck dazu bewegt werden. Ziel des Djihâd ist es, politische Verhältnisse zu schaffen, in denen nichts mehr dem Islam entgegensteht. Früher eroberte man mit dieser Begründung riesige Gebiete ‑ auch in Europa. Heute ist man sich darüber im klaren, dass eine militärische Eroberung Europas keine Option ist, aber man sieht eine Fülle anderer Mittel, dasselbe Ziel zu erreichen (s.u.).
Das Ziel ist also eindeutig, aber die Begründungen, die Erwartungen und die Methoden können bei den einzelnen muslimischen Gruppen sehr unterschiedlich sein. Ich will sie kurz skizzieren:
a. Im ‚frommen Islam’ geht man davon aus, dass Allah selbst Europa zum Islam bekehren werde, wenn und wann er es will, und dass es den Menschen nicht zustehe, das zu bewerkstelligen. Es ist dieser quietistische Islam, der die ganze Geschichte des Islam begleitet hat und der auch heute viele Muslime prägt. Er wird aus den mekkanischen Korantexten gespeist, aber auch aus vielen negativen Erfahrungen, da der Islam im Laufe seiner Geschichte bis heute von vielen Machthabern für ihre eigenen Belange missbraucht worden ist.
b. Die entgegengesetzte Richtung ist der aktivistische Islam, der sich von den kämpferischen medinensischen Texten des Koran zu Dau°wa und Djihâd inspirieren lässt. Er wurde oft durch Angriffe auf den Islam provoziert, z.B. durch die Kreuzzüge, durch die Vertreibung der Muslime aus Spanien, durch den Kolonialismus, durch die christliche Mission, durch den Kommunismus, durch die Verbreitung liberaler und dekadenter westlicher Kultur und nicht zuletzt durch die Existenz Israels im Herzen der arabischen Welt. Seit über 100 Jahren ist dieser Islam auf dem Vormarsch und prägt heute das Erscheinungsbild des Islam.
c. Es ist nötig zu sehen, dass der islamische Aktionismus bzw. der sog. Islamismus der Gegenwart viele Gesichter hat. Zwei möchte ich skizzieren. Erstens gibt es Islamisten, die grundsätzlich der Meinung sind, dass alle Aktion von der islamischen Gemeinschaft und ihrer Leitung, d.h. möglichst vom islamischen Staat, ausgehen müsse. Dieser Islamismus ist gekennzeichnet durch langfristige Ziele und einen langen Atem: Seine bevorzugten Mittel sind friedliche Werbung für den Islam, Durchdringung der Gesellschaft, wirtschaftliche Maßnahmen und politische Lobbybildung.
Die andere Variante des Islamismus nimmt ein Eigenrecht zum Handeln für sich in Anspruch, d.h. ein Kämpfen für den Islam unabhängig vom islamischen Staat. Man wirft den muslimischen Staaten und ihren Führern, aber auch den moderaten Gruppen und Verbänden Feigheit, Anbiederung an den Westen aus Eigennutz und damit Korruption vor. Diese radikalen Islamisten kämpfen also einen Zweifrontenkampf, einerseits gegen den aus ihrer Sicht korrupten Islam und andererseits gegen die Feinde des Islam. Vorbild ist ihnen – und das nicht zu Unrecht ‑ Muhammad, der in Medina nach innen gegen die sogen. „Heuchler“ und nach außen gegen die Gottlosen in Mekka kämpfte. Die Methoden dieser radikalen Islamisten sind Revolution und Terror, und sie begründen das damit, dass ihnen als kleiner Minderheit keine andere Wahl bleibt. Sie wollen also die Herrschaft in einem Land durch gewaltsamen Umsturz erreichen, oder, wo das nicht möglich ist, ein Land durch Terror einschüchtern und erschüttern.
d. In Europa agieren bis jetzt vor allem die friedlichen Aktivisten, aber die radikalen Islamisten sind präsent und jederzeit zum Zuschlagen bereit, wie die Terrorakte in Spanien gezeigt haben.
2. Die Ziele und Methoden von Dau°wa und Djihâd in Europa.
a. Die islamische Dau°wa stellt den Islam als die überlegene religiöse und gesellschaftliche Ordnung dar: Der Islam schaffe Frieden im Leben des Einzelnen und der Gesellschaft und löse die Probleme Europas. Das Christentum dagegen habe in Europa offenkundig versagt.
Diese Meinung wird in vielen Broschüren und Büchern auf den Markt gebracht. Man nützt Dialoge, Fernsehinterviews und Talkshows für die Dau°wa. Islamische Radio‑ und Fernsehsender verbreiten diesen Islam, und man kämpft um Sendezeit in den öffentlich‑rechtlichen Rundfunk‑ und Fernsehanstalten.
b. Die Dau°wa kämpft gleichzeitig gegen das überwiegend negative Image des Islam in Presse, Fernsehen und Literatur. Man erhebt den Vorwurf der Unkenntnis und der bösartigen Fälschung und bekräftigt den Anspruch, dass nur Muslime das Recht hätten, den Islam darzustellen. Die kritische Darstellung des Islam wird als „Islamphobie“ etikettiert, und man fordert Gesetze gegen die „Diskriminierung“. Damit wird im Grunde eine Einschränkung der Meinungsfreiheit gefordert.
c. Die Dau°wa‑Gruppen arbeiten strategisch vgl. Dazu das Strategiepapier von Khurram Murad, Islamic Movement in the West: Reflection on some Issues, The Islamic Foundation, Leicester 1981 und zielstrebig, indem sie Journalisten, Pädagogen und Juristen ausbilden, wobei ihnen große Geldsummen aus Saudi‑Arabien und anderen Ländern zur Verfügung stehen. Man versucht, Medienunternehmen aufzukaufen und die öffentliche Meinung im Sinn des Islam zu beeinflussen. Natürlich ist es ein Ziel, die Eliten der Zukunft mitzuprägen.
d. Ein genuin islamisches Aktionsfeld ist der Kampf um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das praktische Ausleben des Islam, also das, was unter „islamischer Lebensweise“ verstanden wird. Die europäischen Staaten sollen die islamische Kleiderordnung auch im öffentlichen Bereich erlauben, islamische Speisegesetze berücksichtigen, muslimische Feiertage als staatliche Feiertage zulassen sowie das rituelle Gebet während der Arbeitszeit, die Teilnahme am Freitagsgebet während der Arbeitszeit, den Muezzin‑Ruf per Lautsprecher, den Bau von Moscheen im Stadtzentrum, das Zinsverbot im Bankwesen usw. genehmigen. Die Liste ist lang, aber auf vielen dieser Gebiete gibt es eine Kollision mit der europäisch‑christlichen Tradition, die den weltlichen Bereich und den geistlichen Bereich zwar nicht trennt, aber doch als unterschiedliche Sphären betrachtet. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist“ (Mt. 22,21) – dieses Gebot Jesu lehnt der genuine Islam ab. Der Islam will vielmehr die Einheit von religiöser und weltlicher Ordnung. Dies kann konkret nur entweder die Islamisierung eines Staates oder die Schaffung einer islamischen Parallelgesellschaft innerhalb eines säkularen Staates mit dem Ziel der langsamen Ausweitung des islamischen „Herrschaftsbereiches“ bedeuten. ‑ M.E. muss der säkulare Staat beidem widerstehen, um den Grundsatz der Gleichheit aller Bürger zu wahren. Denn sonst gibt es bald zweierlei Recht in einem Staat, und dies wäre eine Benachteiligung der Nichtmuslime. Dazu ein Beispiel: Würde das islamische Recht in einer muslimischen Subgesellschaft gelten, wäre es für Muslime verboten, den Islam zu verlassen. Das aber würde eindeutig dem Grundsatz der Religionsfreiheit widersprechen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa, in dessen Verfassung es heißt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken‑, Gewissens‑ und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln…“
Es ist klar, dass das Ringen des Islam um Islamisierung der europäischen Gesellschaften ein harter Kampf sein wird. Wir sind mitten in ihm drin, und er wird vermutlich Europa das ganze 21. Jahrhundert hindurch in Atem halten. Muslime überziehen unsere Gerichte mit einer Fülle von Gerichtsverfahren und haben bereits manche juristische Schlacht gewonnen. Dabei argumentieren sie mit der Religionsfreiheit und nutzen die liberale Ordnung für ihre eigene Belange aus. Im Grunde wird die liberale Ordnung benutzt, um diese langfristig abzuschaffen. Es ist schon eine Ironie, dass Muslime gerade das instrumentalisieren, was sie weitgehend ablehnen. Manche Kenner sehen den Kampf schon als für das freiheitliche und christlich geprägte Europa verloren an. Es wird darauf ankommen, ob sich Europas nichtmuslimische Eliten der Geschichte Europas und seiner Werte besinnen und den geistigen, geistlichen und juristischen Abwehrkampf aufnehmen. Die Nichtmuslime dürfen sich nicht länger von den muslimischen Lippenbekenntnissen zu den europäischen Verfassungen täuschen lassen. Die in Europa lebenden muslimischen Intellektuellen haben längst begriffen, dass jede Verfassung sich mit entsprechenden Mehrheiten ändern lässt.
e. Der Islam bemüht sich um wirtschaftliche Einflussnahme durch das immense muslimische Kapital aus den Erdöleinnahmen. Leider sind die Europäer im Allgemeinen so materialistisch geworden, dass sie um kurzzeitiger Vorteile willen das islamische Kapital in Anspruch nehmen und den damit verbundenen islamischen Einfluss akzeptieren.
f. Politischer Druck auf Europa wird heute vor allem im Rahmen der UNO durch die in der OIC zusammengeschlossenen islamischen Länder ausgeübt. Dabei arbeitet die Uneinigkeit der europäischen Länder und die Uneinigkeit des Westens den Muslimen in die Hände. Sie haben es leicht, nach der Methode „divide et impera“ Keile zwischen Europa und Amerika und zwischen die Europäer zu treiben.
g. Diese Taktik wird auch erfolgreich auf die Christen und die Kirchen angewandt. „Gute Christen“ sind aus islamischer Sicht solche, die den Islam unterstützen, den christlichen Glauben relativieren, auf die Gottessohnschaft Jesu und die Erlösung durch ihn verzichten, die Gemeinsamkeit der so genannten „abrahamitischen Religionen“ fördern sowie den Islam als Heilsweg, Muhammad als Propheten und den Koran als Wort Gottes anerkennen. „Böse Christen“ sind aus islamischer Sicht dagegen solche, die an Bibel und Bekenntnis festhalten, missionarisch denken und handeln und den Islam als Heilsweg ablehnen.
h. Schließlich nenne ich noch die demographische Katastrophe Europas als Folge seiner Abwendung von Gott. Der Geburtenüberschuss bei muslimischen Bevölkerungsgruppen und die stetige Zuwanderung von Muslimen lassen ihren Anteil an der europäischen Bevölkerung ständig wachsen.
3. Wird der Islam seine Ziele erreichen?
Prognosen können von Christen nur unter dem Vorbehalt gemacht werden, dass die Zukunft von Gott bestimmt wird und er es ganz anders fügen kann, als wir es ahnen oder befürchten.
a. Menschlich gesprochen, werden wir es in Zukunft in Europa mit einem starken und selbstbewussten Islam zu tun haben. Wir müssen davon ausgehen, dass die Muslime ihre Organisationsstrukturen weiter ausbauen und vereinheitlichen. Der Islam dürfte zu einer starken gesellschaftlichen und politischen Kraft in Europa werden.
b. Offen erscheint mir die Frage, ob der Islam sein genuines Anliegen, d.h. die Einheit von Glaube und Staat, langfristig mehrheitlich aufgeben und sich auf seine religiöse Seite reduzieren lassen wird. Viele europäische Politiker hoffen das und träumen von einem humanistischen Euro‑Islam, wobei ihnen offensichtlich das weitgehend zu Humanismus gewordene europäische Christentum als Vorbild dient. Mir scheinen das aber trügerische Hoffnungen zu sein. So wie das Christentum sein Proprium nicht aufgeben kann und darf und wir eine Neubesinnung auf das biblische Christentum von Gott erwarten, so sollten Europäer auch nicht meinen, dass der Islam als eine politische Weltreligion so einfach sein Proprium aufgeben könnte und würde.
c. Ist der Islam attraktiv für Europäer? Bis jetzt werden viele Europäer von dem gesetzlichen und kämpferischen Islam abgestoßen. Dagegen wecken der religiöse Islam und seine Kultur, besonders aber der Sufismus, bei manchen Europäern eine nicht geringe Sympathie. Der Islam erscheint attraktiv für alle Menschen, die das Christentum mit seiner Lehre vom dreieinigen Gott, von der Verlorenheit des Sünders und von der Versöhnung durch Christus ablehnen und gleichzeitig sogen. Spiritualität suchen, für Menschen also, die nur eine allgemeine Gottgläubigkeit und eine persönliche Religiosität wollen. Leider müssen wir auch sehen, dass eine christliche Theologie, die den christlichen Glauben auf Humanismus und Spiritualität reduziert und dabei die alten Propria des christlichen Glaubens preisgibt, eine große Affinität zum Islam hat. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass der verunsicherte moderne Mensch in der Gesetzlichkeit des Islam einen inneren Halt finden kann. Der Islam hat also auch als Religion in Europa Chancen.
d. Es könnte aber auch sein, dass das alte Europa starke Gegenkräfte gegen den Islam entwickelt und sich (a) auf seine christlichen Wurzeln und Werte besinnt. Es könnte (b) zu einem Kampf um eine freiheitliche Gesellschaft gegen den islamischen Totalitarismus kommen. Es könnte auch im Blick auf die Kinderfreundlichkeit eine Wende geben. All das ist momentan nicht in Sicht, aber es kann von Gott erbeten werden.
e. Die Zukunft von Europa wird sehr davon abhängen, ob es eine neue Reformation im biblischen Sinne in den europäischen Kirchen geben wird, d.h. eine biblische Erneuerung der Theologie, eine geistliche Erweckung der Gemeinden und eine Neubesinnung auf die Mission in Europa. Wenn dies geschieht, könnten viele Muslime Christen werden, denn es gibt unter Muslimen durchaus Offenheit für das Evangelium und Enttäuschung am Islam. Der Islam hätte es dann wesentlich schwerer, seine Ziele zu erreichen.
HINTERGRÜNDE
4. Ist der Islam ein Bußruf Gottes für Europa ?
Diese Frage ist nicht neu, sondern immer wieder gestellt worden, besonders auch von den Reformatoren. Vgl. dazu Andreas Baumann, Der Islam – Gottes Ruf zur Umkehr? Eine vernachlässigte Deutung aus christlicher Sicht, Basel/Gießen 2003. Hinter dieser Frage steht die Erkenntnis, dass Gott auch der Herr über den Islam ist und der Islam einen Platz im Geschichts‑ und im Gerichtshandeln Gottes hat. Er hat es zugelassen, dass die Iberische Halbinsel für fast 500 Jahre überwiegend muslimisch war. Er hat es zugelassen, dass der Balkan ab dem 14. Jahrhundert islamisiert wurde, er hat es aber auch gefügt, dass die Türken 1529 und 1683 vor Wien zurückgeschlagen wurden. Was will Gott mit dieser Geschichte den europäischen Christen sagen? Werden Europäer den Bußruf Gottes hören, der in dieser Geschichte liegt?
Ist der neuerliche „Griff des Islam nach Europa“ nicht ein neues Gericht Gottes und damit ein neuer Bußruf an die Europäer, aus ihrer Gottlosigkeit umzukehren? Ist das neue Vordringen des Islam aber nicht auch Gericht und Bußruf für eine Kirche, die den Boden des Evangeliums in vielen Bereichen verlassen hat? Der Synkretismus, die Reduktion der biblischen Botschaft auf das Diesseitig‑Soziale und Persönlich‑Individuelle, der moralische Zerfall bei Einzelnen und in Familien – all das macht ja vor der Kirche nicht Halt! ‑ Wird die Christenheit, werden die einzelnen Christen umkehren? Nur so wird sich ein Gericht Gottes durch den Islam abwenden lassen!
5. Was ist konkret zu tun?
Der Umgang
Jeder europäische Christ ist als Staatsbürger, d.h. in seiner Verantwortung für die Gesellschaft, gefordert.
a. mit dem Islam ist auch eine politisch‑rechtlich Aufgabe. Der Staat muss den Islam, sofern er totalitäre Forderungen erhebt, in seine Grenzen weisen und die Gleichheit und Freiheit aller Bürger verteidigen. Um der Gleichheit aller Bürger willen darf der Islam keine Sonderrechte genießen. Um der Freiheit aller Bürger willen muss auch der Islam, wie alle anderen gesellschaftlichen Gruppen, Einschränkungen seiner Freiheit akzeptieren. Um damit richtig umgehen zu können, brauchen wir islamwissenschaftlich geschulte christliche Politiker, Juristen, Journalisten, Pädagogen und Theologen. Wir brauchen Organisationen, die durch Stipendien bekenntnistreue Christen auf dem Gebiet der Islamwissenschaften ausbilden helfen.
b. Die geistliche Erneuerung der europäischen Kirche können wir nur erbitten. Aber wir können helfen, dass bekenntnistreue Theologen Islamwissenschaften studieren und sich der theologischen Auseinandersetzung mit dem Islam widmen. Die theologische Apologetik im Blick auf den Islam ist nachhaltig zu fördern.
c. Die europäische Christenheit muss in einer Zeit der Auflösung aller ethischen Werte um die Formulierung ethischer Standards ringen. Es ist nötig, einen ethischen Konsens in einprägsame Formulierungen zu fassen, wie das Luther für seine Zeit im Kleinen Katechismus getan hat. Muslime, die sich für den christlichen Glauben öffnen, müssen wissen, dass christlicher Glaube nicht nur Versöhnung mit Gott ist, sondern auch das Leben nach den Geboten Gottes.
d. Die christliche Mission unter Muslimen muss zu einer Aufgabe aller Gemeinden in Europa werden. Sie kann nicht nur Anliegen einiger Weniger sein, sondern muss ins Bewusstsein der europäischen Christenheit als fundamentale Aufgabe treten.
e. Die christlichen Gemeinden müssen offen werden für die Aufnahme bekehrter Muslime. Das erfordert Offenheit für Menschen aus anderen Kulturräumen und ein Überdenken der gottesdienstlichen Formen und des gemeindlichen Lebens. Dies wird die eigentliche Jahrhundertaufgabe für die europäische Christenheit sein.
Dr. Eberhard Troeger, Elsterweg 1, 51674 Wiehl Januar 2005
Der Beitrag stammt von Dr. Eberhard Troeger, Wiehl (NRW), einem ausgewiesenem Kenner des Islam und der islamischen Welt. Pfr. i.R. Dr. Troeger war 9 Jahre als Missionar in Oberägypten und danach 23 Jahre als Leiter dieser Missionsgesellschaft „Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten“ tätig. Heute ist er noch aktiv im Vorstand des „Instituts für Islamfragen“ der Deutschen Ev. Allianz (DEA).
Dieser Artikel wurde als Vortrag gehalten auf dem 7. Europäischen Bekenntniskongress vom 13. – 15.10.04 in Freudenstadt. Dieser Artikel ist ein Vorabdruck aus DIAKRISIS, Februar 2005, der Zeitschrift des Theologischen Konvents bekennender Gemeinschaften.