Gott-Menschheit-Ewigkeit (E.Sauer)

Erich Sauer

GOTT, MENSCHHEIT UND EWIGKEIT

Ein Gang durch die biblische Offenbarungsgeschichte

 
Das Buch enthält drei Hauptteile: 
I. Gottes Heilsplan in Christus
II. Die Bibel ‑ das Buch der Heilsgeschichte
III. Das kommende Reich Gottes

Die drei Teile des Buches bilden untereinander eine Einheit. Teil I bringt die Geschichtsdarlegung, Teil II und III bezeugt ihre Berechtigung und Begründung.
Für ein genaueres Studium des Ganzen wird auf die beiden anderen Bücher des Verfassers hingewiesen: Das Morgenrot der Welterlösung – Ein Gang durch die alttestamentliche Offenbarungsgeschichte, und Der Triumph des Gekreuzigten – Ein Gang durch die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte.

Erich Sauer – Missionshaus Bibelschule Wiedenest – Herbst 1955


Teil II:   
https://horst-koch.de/die-bibel-das-buch-der-heilsgeschichte/

Teil III:    https://horst-koch.de/1000jaehriges-reich/ 

 – Die Hervorbebungen im Text und leichte Kürzungen wurden von mir vorgenommen. Horst Koch, Herborn, 2005 –  

 

– Hier Teil I:
 

Erster Teil: Gottes Heilsplan in Christus

1. Kapitel. Himmel und Erde im Heilsplan Gottes
2. Kapitel. Sieben Hauptoffenbarungswege Gottes mit der Menschheit
3. Kapitel. Das Geheimnis des Volkes Israel
4. Kapitel. Die Geschichte der Tempel Gottes
5. Kapitel. Das Christuszeugnis des Alten Testaments
6. Kapitel. Die Völker vor Gott
7. Kapitel. Die Geschichte des Christus
8. Kapitel. Das gegenwärtige, völlige Heil in Christus
9. Kapitel. Die Gemeinde des lebendigen Gottes
10. Kapitel. Die „Tage“ Gottes
11. Kapitel. Der Richterstuhl Christi und der Große Weiße Thron
12. Kapitel. Der Triumph des Reiches Gottes
13. Kapitel. Gottes Gesamtreichsplan und die Gemeinde

1. Himmel und Erde im Heilsplan Gottes

Der ewige Gott
Als noch kein Stern seine Bahn durchzog, keine Sonne ihre Licht‑ und Kraftfluten in den Weltenraum sandte, keine Sternen‑ und Sonnensysteme sich in gemeinsamer Verbundenheit in gewaltigen Kurven durch die Unendlichkeit schwangen, da war Gott, ER, der Ewige, Anfangslose, der in ewig unerklärbarer Harmonie Einheit und Lebendigkeit besitzt, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, der Urgrund der Ewigkeit, der Lebendige, All-Eine (Ps.90, 2).

Drei göttliche Personen und doch e i n Gott, Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater und doch freiwillige Unterordnung unter Ihn (1. Kor. 15, 28), Ursache aller Ursachen und doch Selber unverursacht ‑, wahrlich, hier sind Geheimnisse über Geheimnisse. Hier steht der endliche Geist ewig vor dem Rätsel des Unendlichen. Selbst bis in endlose Ewigkeit gelangt raumzeitliches Denken niemals in die Sphäre der Überweltlichkeit und Überzeitlichkeit Gottes hinein; denn Gleiches wird nur durch Gleiches erkannt, also Gott nur durch Gott.

Von Gott als dem Schöpfer geht der Weltenplan aus. Gott ist der Ursprung alles außer Ihm Seienden. Alles ist durch Seinen Willen entstanden und lebt von Seinen Schöpferkräften (Apg. 17, 24; 28).

Christus ‑ der Heilsmittelpunkt

Alle Seine Pläne verwirklicht Gott im Sohn. So wie der Sohn im göttlichen Wesen ‑ eben als Sohn ‑ die Selbstausstrahlung der Gottheit nach innen und oben ist, so ist Er auch die Ausstrahlung der Gottheit nach außen und unten hin (Joh.1, 3; Kol. 1, 16; Hebr.1, 2). Er ist der Mittler, das Wort, durch das Gott spricht (Joh.1,1‑3; 14).

Schon vor Grundlegung der Welt hat der Vater den Sohn zum Mittler bestimmt. Darum geschah schon die Weltschöpfung selbst sofort durch den Sohn (Kol. 1, 16; Joh. 1, 1‑3). Im Sohn sind die Äonen ins Dasein gerufen (Hebr. 1, 2), und weil Gott schon von Ewigkeit her den Einbruch der Sünde voraussah, hat Er auch den Sohn schon vor aller Zeit zum Erlöser bestimmt, zum Lamm, „zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt“ (1.Petr. 1, 19; 20).

So muß denn Christus, als Heilsmittelpunkt des Universums, als schon von Ewigkeit her mit dem Kreuz verbunden geschaut werden. Diese strahlende Zentralsonne aller Gottesoffenbarung und das Kreuz gehören ewig zusammen. Darum ist auch das spätere Leben Christi am Kreuz ein Selbstopfer für Gott „durch den e w i g e n Geist “ (Hebr. 9, 14), eine Selbsthingabe in den Tod, die der Sohn, obwohl mitten in der Zeit ausgeführt, dennoch als eine überzeitliche Tat dem Vater darbrachte.

Dieser göttliche Erlösungsplan geht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er hat in Gott Selbst seine Bürgschaft. Kein göttliches Wort fällt hin. Keine gottgegebene Zusage bleibt unerfüllt. In dem ganzen universalen Weltallgeschehen erweist Sich Gott als der „Ewig-Treue“ (Daher auch Sein Hauptoffenbarungsname Jehova (Jahweh), fast 6000 Mal im Alten Testament. Er bezeichnet (von hebr. Hawa, werden, sein, herkommend) Gott als den Seienden, Bleibenden, Ewigen als den Beständigen, Getreuen, als Den, welcher ist und immer wieder ist oder, wie ihn der erhöhte Herr Selbst erklärt, als Den, der da ist und der da war und der da kommt (Off. 1, 4; 8; 4, 8).) –  und Christus ist, als der geoffenbarte Gott, der lebendige Garant dieser ewigen, göttlichen Heilsratschlüsse.

Als Symbol dieser Bundestreue hat Gott den R e g e n b o g e n in die Wolken gesetzt (1. Mos. 9, 13‑17). Jedesmal, wenn wir den Regenbogen sehen ‑ diese farbenprächtige Lichtbrücke, die Himmel und Erde miteinander verbindet ‑, sollen wir an die Zuverlässigkeit und Treue des begnadigenden Gottes denken, des Gottes, der nicht den Tod des Sünders will, sondern der ihm auch nach dem Gericht Seine Sonne wieder scheinen lassen, ihm vergeben und ihn in Seinen Bund neu aufnehmen will.

Das Sternenall Gottes als Hintergrund der Heilsgeschichte

Uns Menschen ist es unmöglich, diesen gesamten Weltenplan Gottes zu überschauen. Als Endlich‑Begrenzte können wir das Unendliche nicht voll erfassen (Hiob 38, 4‑7; 1. Kor. 13, 9). Als sündhaft Gefallene ‑ weil auch unser Denken von Natur mit in dem Bannkreis des Sündenfalls liegt (Eph. 4, 18) ‑ können wir nicht in die letzten und höchsten Höhen jener heiligen Überwelt vordringen. Darum thront Gott als der Unendliche in unerreichbarer Höhe über allen Seinen Geschöpfen (1.Tim. 6, 16).

So hält sich denn auch die Bibel frei von allen Spekulationen. Sie konzentriert sich in ihren Aussagen durchaus auf die Erlösungsbotschaft, eben auf das, was wir Menschen wissen müssen, um zum ewigen Heil zu gelangen. Darum beschränkt sie ihre Offenbarungen, der Hauptsache nach, auf Gottes heilsgeschichtliches Walten für Erde und Mensch. Nur soweit es gelegentlich erforderlich ist, gibt sie gewisse Andeutungen über den kosmischen Hintergrund dieses Gesamtgeschehens und auch dies nur im Mysterium, der diese übersinnliche Welt unserm Blick noch verhüllt. „Das Geheimnis ist des Herrn“ (5. Mos. 29, 29).

Dabei aber läßt sie es unzweideutig erkennen, daß irgendwie Gottes Königsherrschaft Sein großes Schöpfungsall umfaßt, daß sichtbare und unsichtbare Wirklichkeiten, also Sonne, Mond und Planeten (Jes. 30, 26; Luk. 23, 45), Engel und Sterne (Hebr. 1, 14; Matth. 13, 39 u. a.), Cherubim und Seraphim, teils als Zuschauer, teils als Gottesdiener mit der auf der Erde sich entfaltenden Heilsgeschichte des Menschen in Verbindung stehen.

Schon in uralter Zeit hat man die kosmischen Kräfte in den Symbolen Löwe, Stier, Adler und Mensch dargestellt.
„Vier sind die Höchsten in der Schöpfung: der Löwe unter dem Wild, der Stier unter dem Zahmvieh, der Adler unter den Vögeln, der Mensch ist über allen, Gott aber ist der Allerhöchste.“ So sagt es ein vorchristliches jüdisches Sprichwort.
Es sind hier also wesentliche Hauptreiche des geschöpflichen Lebens in ihren Spitzen zusammengefaßt als sinnbildliche Darstellungen der kosmischen Kräfte überhaupt. Die alten babylonischen Sternkundigen haben diese Symbole sogar auf die Sterne übertragen und in den vier Sternbildern Mensch, Stier, Adler und Löwe ‑ zugleich nach den vier Himmelsrichtungen verteilt ‑ vier Hauptrepräsentanten der ganzen Sternenwelt gesehen. Hesekiel sieht die vier „Lebewesen“, wie sie gleichsam den Thronwagen Gottes tragen (Hes. 1,5; 10; 15; 22‑28), Johannes, wie sie als Vertreter der anbetenden Gesamtkreatur in ewigem Lobpreis den Thron des Allerhöchsten umgeben (Off. 4, 7‑9; 5, 8‑11). Auf das Große gesehen, will diese ganze Symbolik sagen: Gott ist der Herr des Universums. Das ganze All soll Ihm dienen und Ihn verherrlichen.

Die Erde im Gesamt‑Heilsplan Gottes.

Hauptschauplatz der geoffenbarten Heilstaten Gottes ist die Erde. Ihre Geschichte reicht in noch fernere Urzeiten zurück als der Anfang des Menschengeschlechts. Über allen Einzelheiten der Urzeit liegt der Schleier des Geheimnisses. Jedoch dies läßt sich wohl sagen:
Der gegenwärtige Zustand der irdischen Naturwelt zeigt eine verhängnisvolle Disharmonie: Schönheit und Schrecken, Gemeinschaft und Zerrüttung, Leben und Tod stehen in gewaltigem Kampf miteinander und lassen erkennen, daß hinter diesem Zwiespalt der Natur ein Zwiespalt im Reich des Geistes liegt.

Dieser kann aber nicht erst mit der Geschichte des Menschen eingesetzt haben; denn, wie die Versteinerungen der Erdgeschichte zweifelsfrei beweisen, hat es Tod und Verderben schon in undenklichen Urzeiten v o r dem Beginn des Menschengeschlechts gegeben, und die Bibel selbst läßt erkennen, daß es schon v o r dem menschlichen Sündenfall ein Gegenreich des Bösen gegeben hat, das offenbar irgendwie an der Erde und dem Menschen interessiert war. Daher schon in der Paradieszeit das Gebot, daß der Mensch den Garten nicht nur bebauen, sondern „bewahren“ solle (1. Mos. 2, 15). Daher auch dann sehr bald darauf das Auftreten des Versuchers (1. Mos. 3), der eben schon  v o r der Versuchung und dem Fall des Menschen Feind Gottes gewesen sein muß.

Wann diese Macht zum erstenmal in der Geschichte des Universums in dieser gottfeindlichen Haltung aufgetreten ist und wie sie ‑ die doch als Geschöpf Gottes ursprünglich anders gewesen sein muß ‑ zum erstenmal so wurde, bleibt restlos unerklärbar. Wie ein furchtbarer Blitzstrahl, gewitterartig und verheerend, muß diese Katastrophe eingetreten sein (vgl. das Wort Jesu in Luk.10,18).

Sowohl was die Art als auch was den Zeitpunkt betrifft, bleibt der „Fall Satans“ ein Geheimnis.
Daß sich jedoch verheerende Auswirkungen auf das diesem Fürsten Gottes unterstellte Schöpfungsgebiet
ergeben haben müssen, scheint offensichtlich. Irgendwie werden auch die durch die erdgeschichtlichen Versteinerungen bewiesenen Zerstörungserscheinungen der Urzeit damit zusammenhängen (Tod, Raubtiere, Erdkatastrophen), und es scheint klar, daß sich die vorgeschichtliche Urzeit der Erdentwicklung von diesem Gesichtspunkt aus in zwei unberechenbar lange Hauptzeiten zerlegt:

1. Urzustand der Erde vor Einbruch der Sünde und
2. Urweltliche Weiterentwicklung der Erde bis zum Auftreten des Menschen.

Hier das Genauere zu erforschen, ist nicht Aufgabe der Heilsgeschichte sondern der Naturwissenschaft.

Wie weit beim Einbruch der Sünde im einzelnen der Schöpfungsvorgang vorgeschritten war ‑ ob der Urzustand der Erde schon das Stadium einer abgeschlossenen Entwicklung erreicht hatte, etwa als „erste Erde“ oder „Urschöpfung“ ‑, läßt der biblische Schöpfungsbericht nicht mit Sicherheit erkennen. Er macht auf den unbefangenen Leser nicht den Eindruck, der Bericht einer „Wiederherstellung“ (Restitution) zu sein, die nach einer etwa zwischen Vers 1 und Vers 2 eingetretenen Urkatastrophe erforderlich geworden sei, sondern er gibt sich durchaus als „Schöpfungs-Bericht, als Darstellung eines einheitlichen, von Gott gelenkten, fortschreitenden Zusammenhangs. Über die Frage, ob der Fall Satans zwischen Vers 1 und Vers 2 oder an einem anderen Zeitpunkt anzusetzen sei, schweigt er völlig. Darum lassen wir es auch in unserer Darstellung dabei bewenden und reden nicht von einer einst schon fertig gewesenen „ersten Schöpfung“, sondern nur ‑ ganz allgemein ‑ von einem „Urzustand der Erde vor Einbruch der Sünde“, ohne nähere Spezialisierungen.

Dennoch aber eröffnen uns auch schon diese bescheidenen Erkenntnisse gewaltige Perspektiven. Auf diese Erde hat dann Gott später den Menschen gesetzt. Seine Berufsbestimmung muß darum auch im Zusammenhang mit dieser urzeitlichen Vorentwicklung geschaut werden. Diese Erde sollte er sich untertan machen und dabei Gottes Diener bleiben (1. Mos. 1, 28). Als Statthalterkönig Gottes sollte er seine Herrschaft ausbreiten. Das aber hätte bedeutet, daß in wachstümlichem Maße Gottes Wille auf Erden zur Durchführung gebracht und die Erde immer mehr für Gott in Anspruch genommen worden wäre. Die Ausdehnung der Erdenherrschaft eines Gott untertan bleibenden Erdenkönigs wäre nichts anderes gewesen als die Vollendung der Pläne Gottes auch mit der irdischen Schöpfung und der Triumph Seines Reiches über das Gegenreich Satans.

Dies gehört zur hohen Berufung des Menschen. Dies erklärt auch die Feindschaft Satans gegen dieses neue, besondere Werkzeug Gottes. Dies deutet auch das Geheimnis, daß es einen neuen Himmel und eine neue Erde erst bei der Vollendung der Pläne Gottes mit dem Menschengeschlecht geben kann, eben erst nach dem Großen Weißen Thron, nach dem Abschluß der sich auf den Menschen beziehenden Offenbarungsgeschichte Gottes.

Damit aber gewinnt unsere kleine Erde eine Bedeutung für die Geschichte des ganzen Universums. Auf dem Schauplatz dieses kleinen Planeten wird der Entscheidungskampf ausgetragen zwischen Gott und dem Teufel. Obwohl winzig – im Vergleich zu den Sternkolossen des Weltenraums ‑ ist sie, wenn auch nicht der räumlich‑materielle, so doch der heilsgeschichtliche Mittelpunkt des Weltalls. Auf i h r e m Gebiet offenbarte sich der Höchste in Bundesschließungen und Gotteserscheinungen; auf  i h r e m Boden fand die Menschwerdung des Sohnes Gottes statt; auf einem i h r e r Hügel stand das Kreuz des Welterlösers, und auf i h r – allerdings dann der „neuen“ Erde ‑ wird einst der Thron Gottes und des Lammes sein (Off.21,1; 22,3).

Diesem Ziel geht der ganze Offenbarungsverlauf entgegen. Gott gibt Seinen Plan mit Seiner Schöpfung nicht auf, und wie es im Anfang einen Erdzustand gegeben hat  „v o r Einbruch der Sünde“, so wird es einst eine erneuerte und verklärte Erdschöpfung geben, einen „Vollendungszustand der Erde nach Überwindung der Sünde“, und das Letzte wird das Erste übertreffen. Die Gegenwart Gottes wird sich voll offenbaren. Das himmlische Jerusalem wird herniederkommen. Damit aber wird die Erde zum Himmel; denn wo Gottes Thron ist, da ist der Himmel.

So erlebt es die Ewigkeitsschau des Glaubens ‑ in der Rückwärtsschau bei den vorzeitlichen Äonen der Urzeit, in der Vorwärtsschau bei den nachzeitlichen Äonen der Vollendung: Aus Gott geht alles hervor. Zu Gott strebt alles zurück. Er Selbst ist der ewig Unerklärbare. Er wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann (1. Tim. 6, 16). Darum weihen wir Ihm unsere Anbetung.

2. Sieben Hauptoffenbarungswege Gottes mit der Menschheit

Groß war der Plan Gottes mit dem Menschen. Als Stellvertreterkönig Gottes auf Erden, als Bild Gottes und Untertan Gottes sollte er Gottes Willen ausführen, Gottes Bild widerstrahlen, Gottes Schöpfungspläne auf Erden zur Durchführung bringen, Gottes Wesen verherrlichen und anbeten. Das war seine paradiesische Berufsbestimmung.

Doch dann kam die Sünde und hat alles verheert. Der „Baum der Erkenntnis“, an dem der Mensch seinen Gehorsam gegen Gott hatte betätigen und seinen Sieg über den Versucher hatte erringen sollen, wurde zum Gegenstand seiner Niederlage (1. Mos. 3). Fortan gehen dunkle Mächte von dieser Katastrophe in seine Geschichte hinein.

Drei Nachtbezirke des Dämonischen
Da ist die dunkle L i n i e  d e s T o d e s, in die nunmehr der Gang seiner Geschichte eingebettet ist. Denn „der Sünde Sold ist der Tod“ (Röm. 6, 23; Hebr. 2, 14; 15).

Da ist die D ä m o n i s i e r u n g der Weltgeschichte, die in erschütterndem Maße Politik und Religion, Kultur und Zivilisation, Erfindungen und Entdeckungen in ihren Bann zieht. Ohne den Glauben an das Dasein wirklicher, dämonischer Gewalten, die irgendwie das Handeln der Menschen beeinflussen und lenken, ist die Völkergeschichte bis in unsere Gegenwart hinein einfach nicht erklärbar (vgl. Dan.10, 13; 20). Satan ist der „Gott dieser Welt“. (2.Kor. 4, 4; Joh.12,31; 14, 30; 16, 11).

Da sind es schließlich die geistigen Mächte der Bosheit in den h i m m l i s c h e n  Ö r t e r n, die von diesem ihrem Standort aus auf die Erde einwirken (Eph. 6, 12) und denen darum unser Kampf gilt, ein organisiertes Reich des Bösen (Off. 12, 7) mit Satan an der Spitze, dem „Fürsten der Gewalt der Luft“ (Eph. 2, 2).

Ihn zu besiegen und das von ihm geknechtete Erden‑ und Menschenreich zu befreien, ist fortan das Ziel der geoffenbarten Erlösungsgeschichte. Dabei aber muß dem Menschen die Furchtbarkeit seines Falls, die Unzulänglichkeit seiner Kraft und damit die Unmöglichkeit aller Selbsterlösung gezeigt werden. Nur so kann er dahin gebracht werden, zu erkennen, daß Gott allein sein Erretter sein muß, daß alles von oben her gegeben, daß alles „Gnade“ sein muß.

Deutlich teilen sich die geoffenbarten Heilszeiten in:
Die Zeit der Uroffenbarung, die Zeit der Heilsvorbereitung und die Zeit der Heilserfüllung.

Diese sieben Heilsgeschichtsperioden sind:

1. Die Zeit des Paradieses – von der Erschaffung des Menschen bis zu seinem Fall.
2. Die Zeit der menschlichen Selbstbestimmung – vom Sündenfall bis zur Sintflut.
3. Die Zeit der menschlichen Herrschaft – von der Sintflut bis zur Erwählung
    Abrahams.
4. Die Zeit der (patriarchalischen) Glaubensverheißung – von Abraham bis Mose.
5. Die Zeit des Gesetzes – von Mose bis Christus.
6. Die Zeit der Gnade (der Gemeinde) – vom ersten Kommen Christi bis zu Seiner 
    Wiederkunft.
7. Die Zeit des sichtbaren (Tausendjährigen) Gottesreiches – von der Erscheinung
    des Herrn in Herrlichkeit bis zu den Ereignissen der Weltvollendung

Alles, was über diese sieben Heilszeiten hinausgeht, ist uns verhüllt. (Eph.2,7; Off.22,5) Damit müssen wir uns bescheiden. Aber schon diese Erkenntnisse genügen, um unser Herz zur Anbetung zu bringen. Groß ist unser Gott. Wundersam sind Seine Wege.

Der Gnadencharakter und die Alleinmöglichkeit des biblischen Heilsweges
Zugleich wird der Gnadencharakter des Heils großartig beleuchtet. In immer neuen Formen wird es erwiesen, daß der Mensch zu seinem Heil nichts beitragen kann. In einem gewaltigen Jahrtausende umspannenden Geschichtsbeweis wird es aller Welt offensichtlich vor Augen geführt, daß Gott Recht gehabt hat, wenn Er bei der Erlösung restlos des Menschen Kraft ausgeschaltet und alles auf S e i n Tun in Gnade gestellt hat (Röm. 3, 24). Damit aber steht Gott vor Seiner ganzen Kreatur im Himmel und auf Erden als gerechtfertigt da, daß Er gerade d i e s e n Heilsweg bestimmte (Röm. 3, 4). Sein Heilsweg in Christus erscheint nunmehr nicht nur als der e i n z i g e , sondern geradezu als der einzig m ö g l i c h e, und der ganze Geschichts‑ und Offenbarungsverlauf wird zu einem unwiderleglichen Nachweis, daß es nur einen Weg geben kann, der die Menschheit zum Frieden führt: Gottes Gnade allein und das Kreuz von Golgatha. „Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden“ (Apg. 4, 12).

Nur wer Jesus Christus erlebt hat, steht im Heil. Darum hängt von der Stellungnahme zu Ihm restlos alles ab. Jesus Selbst spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14, 6).

3. Das Geheimnis des Volkes Israel

Israel ist Gottes „auserwähltes Volk“ (1.Chron.16, 13; 2.Mose 19, 5; Amos 3, 2). Wie eine Linie zieht sich seit Abraham seine Geschichte durch die Heilszeitalter hindurch. Wechselvoll sind Israels Geschicke wie bei keinem anderen Volk der Welt, teils im Lande, teils außerhalb, teils im Unglück, teils im Glück, bedingt durch Sünde und Buße, Gericht und Begnadigung. Bei dem allen aber hat Israel seinen Auftrag und seine ihm von Gott zugesagte Hoffnung. Beim Erscheinen des Messias wird es seine Sünde erkennen und sich zu Gott bekehren. Der Messias wird triumphieren und die K r o n e empfangen (Sach. 6, 11). Das Reich Gottes wird offenbar werden und die Gesamtmenschheit beglücken. Dies Ganze aber wird nicht zu irgend einer Volks‑ oder Kreaturverherrlichung dienen, sondern zur alleinigen Selbstverherrlichung des großen Gott‑Erlösers als des Gottes der Juden und Nichtjuden. „So spricht der Herr: Nicht um euretwillen tue ich es, Haus Israel, sondern um meines heiligen Namens willen“ (Hes. 36, 22). 

Nicht ein einziges Volk stand Gott zur Verfügung, um dies zu Seinem „auserwählten Volk“ machen zu können, nicht eine einzige Sippengemeinschaft, ja nicht eine einzige Familie! Daher die Notwendigkeit eines völligen Neuanfangs und die Berufung und Erwählung eines einzelnen. Aber mit diesem Einzelmann sollte nun eine vollständig neue Geschichtsführung beginnen ‑ eine Sonderströmung mitten im Gesamtozean der Völkerwelt ‑, die in unmittelbarer Weise zu Christus und, über Christus und Sein Kreuz, zur weltumspannenden Ausweitung der Erlösung führen sollte. Dies ist der Sinn der Berufung Abrahams. Auf diese Weise wurde Abraham zugleich der „Vater aller Gläubigen“ (Röm. 4, 11).

Sinn und Auftrag der Berufung Israels in der Heilsgeschichte

Dreifach war der Sinn der Berufung Israels: sittlich‑erzieherisch, offenbarungsgeschichtlich und missionarisch.

Auf der Schaubühne der Weltgeschichte sollte an seinem Beispiel den Völkern der Welt offensichtlich gezeigt werden, was Sünde und Gnade, Gericht und Erlösung ist. An Israels Verhalten und Geschick sollte in unmißverständlicher Weise ein Anschauungsunterricht gegeben werden, der das Gewissen weckt, um den Sünder zur Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis zu führen.

Für das Herniederkommen der göttlichen Offenbarung sollte Israel die menschliche Aufnahmestelle sein, das „Volk des Ohres“, das Gottes Wort hört, ‑ eine Berufung, die ihren Mittelpunkt und ihre Krönung schließlich darin findet, daß zuletzt nicht nur Gottes Wort, sondern Gott Selbst kommt, nicht nur Seine Propheten, sondern Sein Sohn (Hebr.1,1). Damit aber wird Israel zum Absteigequartier des Welterlösers, zur Heimat des Gottgesalbten (Messias) und durch Ihn zur Geburtsstätte der christlichen Gemeinde (Joh.4,22; Eph.2,19; Röm.11,1; Gal.3,9.14).

In der Ausbreitung des Heils sollte Israel Gottes Zeuge und Mund sein, der Kanal der Heilsoffenbarung, Gottes Herold unter den Nationen. Darin liegt seine Sendung zum Prophetischen und Missionarischen. Seine nationale Geschichtsführung ist zugleich auf das Universale angelegt. „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“ (1.Mos.12,3).

Israels Versagen und Gottes Gerichtswege

Immer wieder hat Israel seiner Berufung nicht entsprochen. Darum wurde sein Geschichtsweg zugleich Gerichtsweg. Allerdings hielt Gott, um Abrahams, Seines Freundes, willen, an Seinem Endziel fest (Röm.11,16;24).

Drei waren die Hauptnotzeiten. Von diesen hatte die erste nur den Charakter der Drangsal (5.Mos.4,20; 2.Mos.6,6), jede der beiden anderen vornehmlich den des Gerichts (2.Kön.17,7‑23. Jer.32,31; Matth.27,25). Zugleich verteilen sich diese Hauptnotzeiten, in denen die Nachkommenschaft Abrahams außerhalb ihres Landes ist auf die drei Hauptzweige der Menschheit seit Noah, auf Ham, Sem und Japhet.

In Ägypten waren es die H a m i t e n , in Vorderasien die s e m i t i s c h e n Assyrer-Babylonier (1. Mos. 10, 22) und, seit der Vernichtung des jüdischen Staates durch die Römer, besonders die j a p h e t i t i s c h e Völkerwelt (1.Mose. 10, 2), in deren Ländern die Nachkommen Abrahams zu wohnen hatten und in deren Machtbereich sie immer wieder der Gewalttat und Unterdrückung ausgeliefert waren.

Die Drangsal in Ägypten fand im zweiten vorchristlichen Jahrtausend statt (wohl ungefähr zwischen 1700 und 1500 v. Chr.).

Die Wegführung nach Mesopotamien geschah in zwei Stufen: zuerst wurde das seit der Reichsteilung nach Salomos Tode (10. Jahrh.) von Juda getrennte, nördliche Zehnstämmereich durch die Assyrer in die Gefangenschaft geführt. Von da ab sind die zehn Stämme verschollen und sind somit die „verlorenen“ zehn Stämme geworden. Dann, anderthalb Jahrhunderte später, kam das Gericht auch über das Südreich. Nebukadnezar von Babel zerstörte Jerusalem und führte die Bevölkerung des Zweistämmereiches nach Babylonien (606, 597, 586 v. Chr).

Tiefgreifend war der innere Wandel, den das Volk in der babylonischen Gefangenschaft erfuhr. War Israels Hauptsünde bis zum Exil der Götzendienst gewesen, so ist das Volk grundlegend von dieser Sünde geheilt worden. Seitdem ist der Götzendienst nie wieder seine Hauptgefahr und Niederlage geworden.

Dann aber beschritt es bald einen anderen Irrweg. Das Leben erstarrte. Aus Glaube wurde Orthodoxie, aus heiligem Streben nach Gerechtigkeit hochmütiges Pharisäertum, und als Christus erschien, Er, das Ziel und der eigentliche Sinn seiner ganzen Geschichte, hat das Volk Ihn verworfen und ans Kreuz gebracht.

Das Gericht brach herein. Zuerst ‑ im Jahre 70 ‑ zerstörte Titus Stadt und Tempel. Dann ‑ 65 Jahre später – nach einem nochmaligen Aufflammen des jüdischen Widerstandes in dem blutigen Aufstand des falschen Messias Bar Kochba (Sternensohn; unter Berufung auf 4. Mos. 24, 17) ‑ wurde nach verzweifeltem Ringen das ganze politische Volksgefüge zerschlagen und die Juden unter Kaiser Hadrian des Landes verwiesen. Damit war auch das Zweistämmereich unterbrochen und ist, ähnlich wie einst das Zehnstämmereich (722 v. Chr.), in das Feld der Nationen versunken. Seitdem ist Israel in der Zerstreuung und furchtbarsten Leiden und Gerichten unterworfen (5. Mos. 28, 65; 67).

Israels Hoffnung und Wiederannahme

Aber am Ende der Zeit knüpft Gott wieder mit Israel an. Deutlich sind schon heute markante Flammenzeichen zu erkennen. Das gegenwärtige Zeitalter neigt sich seinem Ende zu. Der Zeiger auf Gottes Weltenuhr naht sich der Mitternachtsstunde.

Vier Hauptereignisse sind, was Israel betrifft, bisher ganz besonders hervorragende Signale:

1791: Aufhebung aller Ausnahmegesetze gegen die Juden durch die französische Nationalversammlung. Seitdem rasche Entwicklung des jüdischen Einflusses in Politik, Presse und Hochfinanz.

1897: Gründung des Zionismus und damit planmäßiges Streben nach Rückkehr in das Land ihrer Väter.

1917: Balfour-Erklärung. Palästina zur nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes unter britischer Oberhoheit erklärt (Konferenz in San Remo 1919).

1948: Gründung des Staates Israel.

Dies alles sind „Zeichen der Zeit“. Sie behalten ihre Bedeutung, auch wenn es noch rückläufige Bewegungen geben mag (vgl. 2.Thess.2,6;7).

Eins ist bei dem allen aber zu beachten: Die Wiederherstellung Israels gelangt nicht durch geradlinige „Vollendung“ dieser Zeichen der Zeit zur Verwirklichung. Denn das Reich Gottes kommt in keiner Weise durch menschlichen Fortschritt. Es ist nicht das Ergebnis von Leistungen und Entwicklungen auf Erden, sondern ist Geschenk und Kraftwirkung des Allerhöchsten vom Himmel her (Dan. 7, 13; 14).

So auch bei Israel. Seine letzte Entwicklung vor dem Anbruch des Messiasreiches wird durch Katastrophen gehen. Gottes Gericht wird in erschütterndstem Maße offenbar.

Die große Trübsal, die Drangsal Jakobs (Jer. 30, 7), wird hereinbrechen.

Dann aber wird der Messias erscheinen. Dem im Lande vereinten Überrest werden die Augen aufgehen (Off.1,7; Sach.14,4). In Buße werden sie sich zum Herrn wenden (Sach. 12, 10; Jes. 53, 3‑6), und Israel wie auch die Völkerwelt werden innerlich erneuert werden (Jes. 11, 1‑10; Zeph. 3, 9).

Christus wird herrschen. Gekrönt mit der Doppelkrone (Sach.6, 11‑13 Hebr. 7), wird Er der Gottkönig über Israel und die Völkerwelt sein.

Bekehrung und Vereinigung Israels (Hos.3, 5; Hes.37, 15‑23), Erneuerung der Nationen (Zeph. 3, 9), Friede unter den Völkern (Micha 4, 3 ; 4), Segnungen der Natur (Jes. 11, 6‑8; Hos. 2, 23; 24), erhöhter Glanz von Sonne und Mond (Jes. 30, 26) ‑ dies sind einige der Herrlichkeiten dieses goldenen Zeitalters.

So erreicht Gott Sein Ziel. Auch in Bezug auf Israel siegt Seine Gnade (Röm. 11, 26; 29). Trotz aller Krisen im einzelnen wird Gottes Gesamtplan vollendet. Das Wanderziel Abrahams leuchtet auf. Die errettete Nachkommenschaft des Patriarchen ‑ sein leiblicher und geistlicher Same durch den Glauben ‑ nimmt teil am Genuß der Erfüllung seiner Sehnsucht. Denn Abraham erwartete „die Stadt, deren Schöpfer und Baumeister Gott ist“ (Hebr. 11, 10).

Wahrlich: „Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar . . . O Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11, 29; 33.)
Ihm aber, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (1. Kön. 18, 36, vgl. 31), Ihm, dem Gott Israels und der Nationen (Röm. 3, 29), Ihm, dem Könige der Zeitalter, dem unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (1. Tim. 1, 17).

4. Die Geschichte der Tempel Gottes

Der Zentralquellpunkt der israelitischen Volksberufung ist der Tempeldienst. Israel sollte nach Gottes Willen ein „Königreich von Priestern“ sein (2. Mos. 19, 6). Hierbei ging es um das Letzte und Tiefste in dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch, um die Wiederherstellung und Vollendung heilig‑liebender, personhaft‑lebendiger Gottesgemeinschaft.

Der Schnittpunkt zwischen Ewigkeit und Zeit

Hier aber tut sich die ungeheure Kluft auf, die Gott und Mensch voneinander trennt. Nicht nur: Gott ist der Unendliche und der Mensch der Kleine und Begrenzte, nicht nur: Gott ist der Schöpfer und der Mensch Sein Geschöpf, sondern: Gott ist der Heilige und der Mensch, seit Adams Fall, der Sünder! Gott ist der Gerechte und der Mensch der mit Unreinheit und Schuld Beladene!

Und doch kann nur Anschluß an Gott den Verlorenen retten. Denn Gott ist der Lebensquell, und nur Gemeinschaft mit Ihm gibt der Kreatur Seligkeit und Heil. Andererseits aber muß die Begegnung des Sünders mit dem heilig‑gerechten Gott für ihn die Offenbarung strafender Gerechtigkeit bedeuten. Also gerade das, was dem Sünder allein helfen kann ‑ Berührung mit Gott ‑ müßte ihn vernichten! Hier liegt die gewaltige Spannung, die nur dadurch ihre Auflösung erfahren kann, daß auf irgendeine Weise dieser Schnittpunkt von Ewigkeit und Zeit beides zugleich in sich birgt: Gerichtsbarkeit und Heil, Zudeckung der Schuld und Begründung eines neuen Lebens, Vergebung und Heiligung.

Der Sinn des Allerheiligsten

Hier nun offenbart sich, wie in geradezu großartiger Weise die Symbolik des alttestamentlichen Tempeldienstes dem Heilsbedürfnis des Menschen entspricht.

Dieser zentrale Vereinigungspunkt von Ewigkeit und Zeit, heiligem Gott und sündiger Kreatur ist im Mittelpunkt des alttestamentlichen Tempeldienstes symbolisch geoffenbart, das heißt, im Allerheiligsten von Stiftshütte und Tempel. Und in der Tat, er enthielt in seiner Ausstattung sinnbildlich diese notwendige, polare Zwei‑Einheit: Abbruch des Alten und Einführung des Neuen, Vergebung und Führung, Sünden‑Zudeckung und Heiligung, dargestellt in seiner Symbolsprache durch Versöhnungsdeckel und Gesetzestafeln, Kapporeth und Thora, so wie sie über und in der Bundeslade, diesem Zentralgerät des ganzen Gottesdienstes, harmonisch miteinander vereint waren (2.Mos.25,17‑22; Hebr.9,4). Vollkommener kann diese zentrale Vorausschattung des Heils der Notwendigkeit und dem Ziel der Erlösung tatsächlich nicht entsprechen.

Christus hat dann diese polare Zwei‑Einheit zur Vollendung gebracht. Sein priesterliches Opfer bringt die „Abschaffung der Sünde“ (Hebr. 9, 26). Sein königliches Amt bedeutet Heiligung und Herrschaft. So werden beide in Einem erfüllt: der Versöhnungsdeckel und der Bundesladenthron, Kapporeth und Thora, Zudeckung der Schuld und Neubeherrschung des Lebens, und es enthüllt sich uns hier, im Licht innerer Erfordernisse und prophetischer Symbole, die Notwendigkeit eines priesterlich‑königlichen Welterlösers.

So ist denn im Allerheiligsten der Schnittpunkt zwischen Ewigkeit und Zeit am vollkommensten sinnbildlich dargestellt. Darum ist es zugleich ‑ auch in seinen Raumverhältnissen ‑ Symbol der Vollkommenheit überhaupt. Dies geschieht durch die Würfelgestalt, und zwar sowohl schon in der Stiftshütte als auch später in den Tempeln, ja hin bis zur Symbolik des Himmlischen Jerusalem (2.Mos.26,15‑20; Hes. 48, 16; Off. 21, 16). Denn der Würfel hat das Gleichmaß nach allen Seiten, die Harmonie des Gesamten und drückt darum raumsymbolisch die Idee der Vollkommenheit aus.

Die heilsgeschichtliche Grundidee der Tempel Gottes

Aber zunächst konnte diese Vollkommenheit des Göttlichen, wegen des Einbruchs der Sünde, im Verlauf der Geschichte noch nicht voll triumphieren. Daher die Notwendigkeit der Darstellung eines zunächst noch durch einen Vorhang verschlossenen (Hebr. 9, 8), ja sogar im Dunkel geheimnisvoll verhüllten Allerheiligsten (2.Mos.20,21; 1.Kön.8,12) und die Notwendigkeit der Beiordnung rangmäßig abgestufter Vorräume, nämlich Vorhof und Heiliges. Erst in der Vollendung ist das g a n z e Gottesvolk A l l e r heiligstes.

Aber „über allen Himmeln“ ist der Thron Gottes selbst. Dort ist das Gesetz, das das Weltall regiert. Dort ist auch die Gnade, die die Sünden vergibt und den Herrschaftsthron Gottes zu einem „Gnadenstuhl“ macht (2.Mos.25,17 (Luther); Hebr.4,16; Röm.3,25), und dort ist, über allem, die Lichtherrlichkeit Gottes, die, wie die Wolke der Schechina, alles andere überstrahlt (2.Mose 40,34; 1.Tim.6,16).

Die Heilsnotwendigkeit des stellvertretenden Opfers

Die Zentralhandlung des Tempeldienstes ist das Opfer. Erst dadurch wurde alle diese Symbolik und Heilswirklichkeit möglich. Denn soll der Schnittpunkt von Ewigkeit und Zeit ‑ um den es ja bei dem gesamten Tempeldienst überhaupt nur geht ‑ rettendes, wirksames Kraftzentrum werden, so muß die in ihm sich vollziehende Begnadigungshandlung zugleich rechtsgültig sein. Dies aber kann sie nur sein, wenn sie sich zugleich richterlich und tatsächlich mit der Sünde auseinandersetzt, also zugleich Sühnung in sich einschließt. Die Sünde aber ist, ihrem Wesen nach, Trennung von Gott. Gott aber ist das Leben. Darum ist Loslösung von Gott zugleich Loslösung vom Leben, also Tod. „Der Tod ist der Sünde Sold“ (Röm. 6, 23). Dann aber muß, wenn eine objektive Sühne erforderlich ist, diese Sühne dem Wesen der Sünde entsprechen, also ebenfalls in der Trennung vom Schöpfer und Leben, also im Tode bestehen. Nur durch den Tod kann dem Tode der „Tod“ bereitet werden. (Hebr. 2, 14; Eph. 2, 16). „Ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22).

Auf diese zentrale, unerläßliche Heilshandlung weist das Opfer des alttestamentlichen Tempeldienstes hin. Es ist eine von Gott planvoll geordnete Erziehungsinstitution auf den geschichtlichen Heilsmittelpunkt hin. Christus hat dann als „Lamm Gottes“ die Vollendung gebracht (Hebr. 9, 26). Seine Selbsthingabe auf Golgatha war die wahre Darbringung, Sein Kreuz der wahre Altar, Sein Blut das wahre Lösegeld und somit Er Selbst in Seiner Person und Seinem Werk der wahre Tempel, der wahre Hohepriester und das wahre Opfer zugleich.

Die Haupttempel Gottes (in geschichtlicher Folge)

Sieben bzw. acht Hauptformen der Tempelidee sind hintereinander in der Offenbarungsgeschichte zu erkennen.

1. Die Stiftshütte , errichtet durch Mose um 1500 bei der Gesetzgebung am Sinai, dann wanderndes Gotteszelt in der Wüste und schließlich, lange Zeit hindurch, Zentralheiligtum Israels im Lande in der Zeit zwischen Josua und Salomo, besonders in Silo, zusammen von 1500 bis 1000 v. Chr.


2. Der Tempel Salomos ,
erbaut um 1000, unvergleichbar schöner als die Stiftshütte, doch nach demselben Grundplan (1. Kön. 6, 1). Jahrhunderte hindurch war er der Mittelpunkt der Verehrung Gottes, trotz der mit Jerobeam beginnenden abtrünnigen Anbetungsform im Zehnstämmereich. Zerstört wurde er durch Nebukadnezar von Babel bei seinem dritten Feldzug gegen Jerusalem (586), und sieben Jahrzehnte hindurch erfuhr der israelitische Tempelopferdienst eine totale Unterbrechung.


3. Der Tempel Serubabels.
Erst nach der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft (536) unter Serubabel und Josua konnte man mit dem Neubau eines Tempels beginnen…, und so war es genau das 70. Jahr nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar, daß der zwar schlichte (Esr.3, 12), aber doch durch besondere Gottesverheißungen ausgezeichnete (Hagg. 2, 9; 10) Tempel eingeweiht werden konnte. Später wurde er durch König Herodes prunkvoll ausgebaut (Joh. 2, 20). Seine eigentliche Herrlichkeit aber, durch die er auch den Salomonischen Tempel entscheidend überragt (Hagg. 2, 9), empfing er dadurch, daß es gerade dieser Serubabelsche Tempel war, in dem Jesus als Knabe war und dann später als Mann und Prophet lehrte und kämpfte, vor allem aber dadurch, daß es dieser Tempel war, in dem, in der Todesstunde von Golgatha, der Vorhang zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten zerriß, wodurch angedeutet wurde, daß die Welterlösung vollbracht, das vollgültige Sühnopfer gestellt und der unmittelbare Weg zu Gott nunmehr frei war (Matth.27,51; Hebr.9,8).

Bei der Zerstörung Jerusalems durch den Römer Titus ist dann auch dieser Tempel in Flammen aufgegangen. Von nun an ist Israel, das den Messias verworfen hatte (Matth. 27, 25), „ohne Opfer, ohne Altar, ohne Leibrock, ohne Heiligtum“ (Hos. 3, 4). Gott aber, dessen Heilspläne niemals vernichtet werden können, hielt auch hier an Seinen heiligen Zielen fest. Auch jetzt, mitten in Zusammenbruch und Gericht, gab Er Seinen Grundsatz nicht auf, ja brachte ihn sogar jetzt desto wunderbarer und tiefer, eben innerlicher und vergeistigter, zur Durchführung. Er berief Sich Seine Gemeinde und machte sie, durch die Innewohnung Seines Geistes, zu Seinem Tempel.

Schöpferischer Anfang dieses neuen Weges war der Erlöser Selbst. In Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, „wohnte“ die Fülle der Gottheit „leibhaftig“ (Kol. 1, 19; 2, 9). So hat Christus, der Heilsmittelpunkt, als der gottgesandte Immanuel in Seiner Person und Seinem Werk die Tempelwahrheit in vollkommenster Weise zur Verwirklichung gebracht.

4. Der Tempel des Leibes Jesu. Wenn je in der Geschichte des Universums Ewigkeit und Zeit sich harmonisch vereint haben, dann in Jesus Christus, welcher „Gott, geoffenbart im Fleisch“ war (1. Tim. 3, 16)!
Darum war Er Wander-„zelt“ Gottes und Sein Leib wahrer Tempel. So hat Ihn Johannes geschildert. „Das Wort ward Fleisch und »zeltete« unter uns“ (Joh. 1, 14 wörtlich).

So hat Er Sich Selbst charakterisiert: „Brechet diesen »Tempel« ab, und in drei Tagen will ich ihn wieder aufbauen.“ So hatte Er von dem „Tempel“ Seines Leibes gesprochen (Joh. 2, 19‑22). Er, der der Herr des Tempels war, der zugleich schon in der alttestamentlichen Zeit sein eigentlicher Sinn und sein heilsgeschichtliches Ziel war, ist dann in der Fülle der Zeit die Vollausgestaltung der Tempelidee Selber geworden, „der Tempel“ schlechthin, in Seiner Person und Seinem Verhalten die idealste und vollkommenste Verwirklichung der Verbindung zwischen Himmel und Erde (vgl. Joh. 1, 51).

Die Gemeinde ist dann die Fortsetzung Seines Lebens hier auf Erden. „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol. 1, 27). Darum ist auch sie, durch die Innewohnung Christi durch den Heiligen Geist, „Tempel Gottes“.

5. Der geistliche Tempel der Gemeinde. In drei Kreisen entfaltet der Herr in diesem Lebensraum diese große Wahrheit. Er wohnt durch Seinen Geist in der Persönlichkeit des Einzelgläubigen, dessen Leib dadurch nunmehr ein „Tempel des Heiligen Geistes“ ist (1. Kor. 6, 19).
Er wohnt durch den Geist in der Ortsgemeinde der Gläubigen, die somit Stätte Seiner Gegenwart und „Tempel Gottes“ ist (1. Kor. 3, 16), und Er wohnt durch denselben Heiligen Geist in der Gesamtgemeinde aller Erlösten, so daß der ganze Leib Christi „heiliger Tempel im Herrn“ ist, in dem alle Einzelglieder mitaufgebaut werden zu einer „Behausung Gottes im Geist“ Eph.2,21; 22; 1.Petr.2,4;5.

So ist die Ekklesia des Neuen Bundes Gottes Tempel in der gegenwärtigen Heilszeit.

Die Grundlage ist der Herr Selbst. Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist (1. Kor. 3, 11). Von Ihm spricht das Zeugnis der ersten Generation. Darum ist alles, was darauf folgt, „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten“ (Eph. 2, 20).

Die Steine kommen aus zwei „Steinbrüchen“, den Juden und Heiden (Eph. 2, 11; 12), und werden zu e i n e m heiligen Tempel zusammengefügt. Sie kommen als tote Steine zu Ihm, dem Lebendigen, und werden durch den Geist Seines Lebens lebendig gemacht (1. Petr. 2, 4; 5). Ihr Glauben an Christus ist zugleich Glauben auf Christus, ein Sichstützen und „Aufgebautwerden“ auf den „Eckstein“ in Zion (Jes. 28, 16).

Der Zweck dieses Hauses ist, ein „Tempel“ zu sein. Es ist ein „geistliches Haus“, und die „Steine“ in der Wand sind zugleich „Priester“ am Altar (1. Petr. 2, 5; Hebr. 13, 10).
Sie opfern: ihr Leben ist ein Schlachtopfer (Röm. 12, 1), ihr Dienst ein Trankopfer (2. Tim. 4, 6), ihre Taten geistliche Opfer (1. Petr. 2, 5), ihre Anbetung ein Lobopfer (Hebr. 13, 15).
Sie beten für andere; sie danksagen für andere (1. Tim. 2, 1; 2), im stillen Kämmerlein umspannen sie die ganze Welt. Sie sind ein Segen für ihre Umwelt; sie bringen andere in die Nähe Gottes, und so darf in jedem einzelnen von ihnen die Verheißung erfüllt werden:„Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“ (1. Mose 12, 2).

Schließlich aber ‑ so scheint es ‑ wird Gott wieder an die Geschichte des irdisch‑sichtbaren Tempels anknüpfen. ( Wenn ‑ falls Offenbarung 11, 1-2 buchstäblich zu nehmen sein sollte ‑ das in der Endzeit in das Land seiner Väter zurückgekehrte jüdische Volk noch vor seiner Bekehrung den Tempel in Jerusalem wiederherstellen sollte, dann wäre dieser als besonderer Tempelbau außerdem noch zu nennen. Er wäre zwar im tiefsten Sinne nicht ein Tempel „Gottes“, da ihn ja das ungläubige jüdische Volk erbaut, wohl aber ebenfalls eine besondere Phase in der Geschichte derTempelidee überhaupt. Mit ihm zusammen wären es dann also nicht sieben, sondern acht in der Heilsgeschichte der Bibel genannte Tempel, in denen dem ewigen Gott (wahre oder falsche) Verehrung dargebracht wird).

6. Der Tempel des Hesekiel (Kap. 40 bis 44). Jedenfalls schildert Hesekiel in seiner Weissagung vom messianischen Heil einen zukünftigen Opferdienst mit so vielen Einzelbestimmungen (z.B. Hes.45,23; 24; 46, 4‑15) und einen zukünftigen Tempel mit so genauen Einzelangaben und Teilmaßen, (Hes. 40,6‑15; 41, 1‑4; 43, 13‑17), daß es kaum möglich erscheint, dies alles nur bildlich und geistlich zu verstehen. Die Schwierigkeit, daß sich dann n a c h dem vollbrachten Werk von Golgatha ‑ trotz der Belehrungen des Hebräerbriefes (10,10; 14; 8,13; 7,18) ‑ doch noch Opferdienst mit Brandopfern, Speisopfern, Dankopfern, Sündopfern, (Hes.43,18‑27; 44,11; 15; 16; 29; 45,17) ein Priesterdienst (Hes. 40, 46) und ein Feiern besonderer Feste (Passah, Laubhütten: Hes. 45,21; Sach.14,16) fände, würde sich dabei möglicherweise so lösen, daß diese Opfer ungefähr auf derselben Stufe ständen wie in der Gegenwart Taufe und Abendmahl, nämlich daß sie Zeichen der Erinnerung wären, Darstellungen des v o l l b r a c h t e n Erlösungswerkes, rückwärtsschauende Sinnbilder, gleichwie die durch das Kreuz abgeschafften, alttestamentlichen Opfer vorwärts schauten auf das erst noch zu vollbringende, von ihnen aus gesehen, noch zukünftige Erlösungswerk.

Zuletzt aber wird die Vollendung kommen und mit ihr auch die Vollausgestaltung der Tempelidee.

7. Das himmlische Jerusalem als Tempel (Allerheiligstes). Deutlich wird in der Bildersprache der Offenbarung die ewige Gottesstadt als das himmlische Allerheiligste geschildert. Daher ihre Würfelgestalt (Off. 21, 16 vgl. Hes. 48, 16). Daher überhaupt auch schon das Fehlen jedes Sondertempels in ihr (Off. 21, 22), da sie ja selbst der vollendete Gottestempel ist. Daher auch keine Bundeslade mehr (Jer. 3, 16; 17), da ja der Thron Gottes selbst in der Stadt ist (Off. 22, 1; 3) und folglich der sinnbildliche Thronsitz des Herrn als „erfüllt“ seiner Verwirklichung weichen kann. Während aber in den Tempeln der alten Erde das Allerheiligste noch in Dunkel verhüllt gewesen war ‑ als Zeichen, daß Gottes Selbstoffenbarung noch nicht voll durchgeführt worden war ‑, ist das himmlische Allerheiligste vom Glanz der ewigen, lichtstrahlenden Jaspis-Schechina erfüllt. Denn die Vollendung ist erreicht.

5. Das Christuszeugnis des Alten Testaments

Jesus Christus ist die innerste Mitte des gesamten göttlichen Heilsrates. Alles, was vor Ihm geschah, vollzog sich im Hinblick auf Sein Kommen; alles in der Reichsgottesgeschichte hinterher ward und wird in Seinem Namen vollbracht.

Im Mittelpunkt Seines Heilswerkes steht das Kreuz. Durch die Dahingabe Seines Lebens hat der Gekreuzigte den Kaufpreis der Erlösung bezahlt. „Ihr seid teuer erkauft“ (1. Kor. 6, 20).

Wie überragt doch dieser Kaufpreis alle sonstigen Zahlungen der Welt! „Wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid, sondern mit dem teuren Blut Jesu Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes . . . , zuvorersehen, ehe der Welt Grund gelegt war . . . , von Gott auferweckt von den Toten, der ihm Herrlichkeit verliehen hat“ (1. Petr. 1, 18‑21).

Fünf Unterschiede läßt uns Petrus hier erkennen.

Alle sonstige Zahlung ist zeitlich, der Kaufpreis von Golgatha aber ist ewig. Alles Geld ‑ Silber und Gold ‑ nahm ja seinen Anfang bei der Erschaffung der Welt. Wir aber sind erkauft mit dem Blut eines Lammes „auserwählt v o r Grundlegung der Welt“.

Alle sonstige Zahlung ist irdisch, der Kaufpreis von Golgatha aber ist himmlisch. Aus den Tiefen der Erde kommen die Metalle, die Zahlungsmittel im allgemein menschlichen Gesellschaftsleben. Aus dem Himmel aber kam Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Er sprach. . . „Siehe, ich komme, daß ich tue, o Gott, deinen Willen“. (Hebr. 10, 5‑10).

Alle sonstige Zahlung ist menschlich, der Kaufpreis von Golgatha aber ist göttlich. Der Kaufpreis von Golgatha aber hat seine Herrlichkeit, seinen Wert, von Gott. Gott hat das Lamm, mit dessen kostbarem Blut wir erkauft sind, „auferweckt und ihm Herrlichkeit verliehen“.

Alle sonstigen Zahlungsmittel sind endlich ; der Kaufpreis von Golgatha aber ist von unendlicher Wirkungskraft. Alles Silber und Gold wird einst im Weltuntergang, im Brande der Elemente, aufgelöst werden (2. Petr. 3, 10). Jesus aber bleibt… (Off. 5).

Das Alte Testament ist um des Neuen willen da. Christus Selbst ist das Ziel und die Seele der vorchristlichen Offenbarungsgeschichte. Er ist das Ziel der alttestamentlichen Heilsgeschichte, der Sinn des alttestamentlichen Gottesdienstes, die Erfüllung der alttestamentlichen Messiasprophetie.

1. Christus ist das Ziel der alttestamentlichen Offenbarungsgeschichte.

Besonders seit Abraham zielt die vorchristliche Heilsvorbereitung planmäßig auf Christus hin. „Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit“ (1. Mos. 15, 6). Abraham ist der „Vater aller Gläubigen“ (Röm. 4, 11; 12). Schon vor der Beschneidung, also noch vor jedem „religiösen Werk“, erfuhr er das Rechtfertigungsurteil des frei begnadigenden Gottes (Röm. 4, 10‑12). Er rechnete damit, daß Gott auch aus dem Tode Leben zu schaffen vermag. Er erwartete den kommenden „Samen“, in dem alle ihm gegebenen Verheißungen erfüllt werden würden (Gal. 3, 16). Er wartete auf die Stadt, die da Grundlagen hat, deren Schöpfer und Baumeister Gott ist (Hebr. 11, 10). So ist Abrahams Glaube ein Glaube an die freie Heilsgnade, an die Auferweckungskraft Gottes, an den kommenden Welterlöser, an das herrliche Ziel der Endvollendung.

Dies alles ist in Christus erfüllt. Er erwarb das freie Heil. Er lebt als der Auferstandene. Er ist der Heiland der Welt. Er führt die Seinen zur himmlischen Gottesstadt (Off. 21, 14; 27). So zieht Abrahams Glaube auf Christus hin. „Abraham sah meinen Tag und frohlockte“ (Joh. 8, 56). So ist Christus das Ziel des abrahamitischen Verheißungsbundes.

Vierhundert Jahre später gab Gott das Gesetz. Durch Mose offenbarte Er Seinen heiligen Willen, und nun wurde noch klarer denn je offenbar gemacht, was Heiligkeit und was Sünde ist. „Durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Röm. 3, 20; 7,7). Der Sinn dieses Offenbarmachens des menschlichen Versagens war aber nicht, daß der Mensch gedemütigt würde, sondern daß der Sünder zur Buße käme. Nur so konnte seine schreckliche Not an der Wurzel gefaßt und von Christus getilgt werden (Hebr. 9, 26). Damit aber wird das Gesetz ein „Zuchtmeister auf Christus“ (Gal. 3, 24), und es wird klar, daß Christus ‑ wie das Ziel der abrahamitischen ‑ so nun auch das Ziel der mosaischen Bundesschließung ist.

2. Christus ist der Sinn des alttestamentlichen Gottesdienstes.

Alle Berufung der alttestamentlichen Priester, alle Handlungen in Vorhof, Heiligem und Allerheiligstem, alle Festzeiten und Sabbate ‑ sie alle dienten dem einen Ziel, daß Gott mit dem Menschen „zusammenkommt“ (2. Mos. 25, 22) und ihn in den Genuß Seiner Bundesgnade aufnehmen könne.

Dazu aber mußte die Sünde voll ernst genommen und richterlich behandelt werden. Handlung jedoch kann nur durch Handlung, Geschichte nur durch Geschichte, tatsächliche Sünde nur durch tatsächliche Sühne getilgt werden. Dies ist der Sinn des alttestamentlichen, blutigen Opfers. In ihm sind die Grundwahrheiten der Sündhaftigkeit des Menschen, der Heiligkeit Gottes, der Stellvertretung durch heilige Sühne, der Notwendigkeit persönlichen Glaubens, der Gemeinschaft des Sünders mit dem Opfer (Opfermahlzeit) und, auf Grund alles dessen, das Geschenk der beseligenden Gewißheit der Vergebung der Sünden vorbildlich ausgesprochen (Ps. 32, 1; 2).

Damit aber wird der alttestamentliche Gottesdienst in dieser seiner bedeutsamsten Zentralhandlung ein Vorbild auf das Kreuz. Denn nur als „Lamm“ Gottes hat Christus die Sündenfrage gelöst. Nur als der „Gekreuzigte“ ist Er der Heilbringer. Nur als der Stellvertreter ist Er der „Immanuel“, der „Gott mit uns“.

Weil aber diese Heilstat auf Golgatha so restlos unfaßbar ist, hat Gott in der Heilsgeschichte eine Jahrtausende lange Vorschule für das Verständnis gegeben, eine plastische Vorausdarstellung, und die Millionen von Opfertieren, die im Vorhof von Stiftshütte und Tempel ihr Leben zu lassen hatten, wurden zu einem millionenfach wiederholten Hinweis auf das eine Opfer des Sohnes Gottes, der durch Seine einmalige Selbstdarbringung auf immerdar alle vollkommen gemacht hat, die an Ihn glauben und durch Ihn geheiligt werden (Hebr. 10, 10; 14).
Ohne diese Zielausrichtung auf Christus wäre der alttestamentliche Tempeldienst wesenlos, ja grausam. So aber erlangt er in Christus eine auf die Ewigkeit gerichtete, erlösende Bedeutung. Christus ist der Sinn des alttestamentlichen Gottesdienstes. So zielen alle Einrichtungen des Alten Testaments auf eine Person hin. Die Moralgesetze offenbaren die Notwendigkeit, die Gottesdienstverordnungen die Art und Weise Seiner Erlösungstat. Er muß kommen, weil sonst alles dem Todesurteil verfällt. Wenn Er aber kommt, dann kommt Er als Lamm Gottes. Nur so hat Sein Erscheinen erlösende Bedeutung.

Dies ist die Bedeutung jener wundersamen Reihe gottgegebener Aussprüche, die wir die israelitische Messiasprophetie nennen.

3. Christus ist die Erfüllung der alttestamentlichen Messiasprophetie.

Wie ein roter Faden zieht sich die Ankündigung des Welterlösers durch die vorchristliche Offenbarungsgeschichte hindurch. Die Person des Erlösers und Sein Werk, Seine Gottheit und Seine Menschheit, Seine Familie, Seine Heimatstadt und Zeit, Sein erstes und Sein zweites Kommen, Seine Leiden und die Herrlichkeiten danach ‑ auch eine Andeutung einer Zwischen­zeit zwischen Seinem ersten und zweiten Erscheinen (Ps. 110, 1; Hebr. 10, 13).

Er kommt aus der Menschheit (1. Mos. 3, 15), aus Sems Geschlecht (1. Mos. 9, 26), aus Abrahams Samen (1. Mos. 12, 1‑3), aus dem Königsstamm Juda (1. Mos. 49, 10), aus Davids Familie (Jes. 11, 1; 1. Chron. 17, 11).

Seine Heimat ist Bethlehem Ephratha (Micha 5, 1). Er kommt zuerst in Niedrigkeit, wird dann aber erhöht sein auf Gottes Thron, fortan wartend, bis alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind (Ps. 110, 1).

Dann aber tritt Er Seine Königsherrschaft an. Israel wird erneuert (Hes. 36, 25‑27), die Völkerwelt gesegnet,( Jes. 2, 1‑5) die Natur beglückt (Jes. 55, 12) und am Ende gibt es einen neuen Himmel und eine neue Erde (Jes. 65, 17).

Im Mittelpunkt des Ganzen aber steht ‑ wie im Tempelgottesdienst, so auch hier in der Messiasprophetie ‑ die Erwartung Seines Sühnwerkes. Hell strahlt in Jesaja 53, dieser wundersamsten Weissagung des ganzen Alten Testaments, das Bild des Erlösers, des leidenden Gottesknechtes, als des Lammes Gottes auf. Dies ist der Christus des Alten Testaments, der gottgesalbte Prophet, Priester und König, der von Israel bewußt Erwartete, die unbewußte Sehnsucht der Völkerwelt.

4. Christus ist der schon in der alttestamentlichen Zeit gegenwärtige, wirksame Gott der alttestamentlichen Gesamtoffenbarung.

Es war der Geist Christi, der in den Propheten war (1. Petr. 1,11). Seine Herrlichkeit hat Jesaja geschaut, als er gewürdigt wurde, bei seiner Berufung den Thron des Herrn Zebaoth, des dreimal Heiligen, zu sehen ( Joh. 12, 41; Jes. 6, 1‑3).

Christus war der Fels, der in der Wüste mit Israel mitzog (1. Kor. 10, 4). Er war der Engel Jehovas, der sich schon zur Zeit Abrahams offenbarte (1. Mos. 16, 7), der Engel des Angesichts (Jes. 63, 9), der Engel des Bundes (Mal. 3, 1), der schon im Alten Testament geheimnisvoll auftrat, so daß er bald als Jehova, als Gott Selbst, angeredet und angebetet wird, bald aber von Jehovah-Elohim unterschieden wird.
Dies Geheimnis wird erst im Neuen Testament klarer geoffenbart. Es gehört zum Mysterium der Dreiheit und doch Einheit der göttlichen Wesenheiten, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der im Alten Testament geweissagte Messias ist Jehovah-Jesus, der Gott aus Gott und Gott in Gott, der ewige Sohn, das Wort, das schon im Urbeginn anfangslos und wesensgleich bei Gott war (Joh. 1, 1).
Damit aber wird das alttestamentliche Gotteswort zu einem Selbstzeugnis des kommenden Christus. Der Herr ist nicht nur Thema und Ziel, sondern zugleich Urheber und tragendes Element der ganzen, alttestamentlichen Offenbarung. Das ganze Alte Testament ist Wort Christi. Christus ist der schon im Alten Bund wirksame wie auch vom Alten Bund erwartete Gott‑Erlöser. So ist Er der Gegenstand alles alt‑ und neutestamentlichen Glaubens. Von der Stellungnahme zu Ihm hängt alles Heil für Zeit und Ewigkeit ab.

Ich höre auf Ihn. Ich halte Sein Wort und Seinen Plan stets für weise. Ich tue, was Er sagt. Das ist neutestamentlicher Christusglaube. Er ist das Ziel der vorangegangenen Gottesoffenbarungen des Alten Bundes. So offenbart sich im Christus‑Jehova‑Jesus-Erleben die Einheit beider Testamente: die Christuserfahrung des Neuen Testaments und das prophetische Christuszeugnis des Alten Testaments. 1. Petr. 2, 6; Röm. 10. 11.

6. Die Völker vor Gott

Gott ist der Herr der Welt. Als Schöpfer und Weltregierer ist Er zugleich auch der Gott der Gesamtmenschheit. Zu allen Zeiten ‑ auch seit der Berufung Abrahams und seit dem Einsetzen Seines Sonderweges mit Israel und der Gemeinde blieb Er von Sich aus in Beziehung zum ganzen Menschengeschlecht und war Lenker der Völkerschicksale und Herr der Geschichte.

Die Völker in der Uroffenbarung

Von der Erschaffung des Menschen bis zur Berufung Abrahams.

In dieser Zeit ist die Offenbarung Gottes nicht auf ein Einzelvolk oder auf eine irgendwie anders (d. h. geistlich) zusammengesetzte Einzelgruppe von Menschen (wie die Gemeinde) begrenzt, sondern gilt allen Menschen schlechthin. Zuerst im Paradiese, dann in der Zeit der menschlichen Freiheitsprobe und zuletzt in der Zeit der menschlichen Herrschaft war Gottes Selbstkundgebung an den Menschen schlechthin universal.

Zuerst ‑ nach dem Sündenfall ‑ gab Gott der Menschheit die Möglichkeit allgemein sittlicher Selbstbestimmung, ohne göttliche Sonderbefehle oder Gesetzesoffenbarung, auch ohne die Einrichtung menschlicher Obrigkeiten. Dann ‑ nach dem totalen, sittlichen Versagen des Menschen in derkainitischen Urkultur und dem dadurch notwendig gewordenen Sintflutgericht stellte Er ihn, durch Einsetzung der Obrigkeit (1. Mos. 9, 6), unter menschliche Gesellschaftsordnungen.

In Sem, Ham und Japhet, den Söhnen Noahs, kam es nach dem Flutgericht zu einem Neuanfang. Da Hams Nachkommenschaft der Segenlosigkeit anheimgegeben war (1. Mos. 9, 25), konzentrierte sich der Segen auf die beiden anderen Söhne. Hierbei war Japhets Segen mehr irdischer Art, als geistig‑kulturelle und politische Ausdehnung (1.Mos.9,27). Sems Segen aber war vornehmlich heilsgeschichtlicher Art und führte, über Abraham und David, zu Christus, dem Welterlöser (1.Mos.9,26; Luk.3,36; Joh.4,22).

Aber auch in diesem Geschichtsabschnitt versagt der Mensch, wie es der Turmbau von Babel offenbar macht (1.Mos.11). So hatte sich der Mensch in beiden urgeschichtlichen Perioden als unfähig erwiesen, auf die für diese Zeiten angesetzten Regierungsgrundsätze Gottes einzugehen. Die Freiheit mißbrauchte er zu Willkür und Zügellosigkeit (vgl. Lamech: 1. Mos. 4, 19‑24), die obrigkeitliche Gesellschaftsordnung zu gewalttätiger Unterdrückungspolitik und gemeinsamer Ruhmsucht (vgl. Nimrods Weltreich: 1. Mos. 10, 8‑12; ebenso der Turmbau von Babel: 1. Mos. 11).

Darum wurde schließlich ein Wandel in den göttlichen Offenbarungswegen erforderlich. Als die Menschheit sich in ihrem Wahn zusammenrottete, um im babylonischen Turmbau, in zusammengeballter Kraft und in eitler Selbstherrlichkeit, dem Allerhöchsten die Ehre zu rauben (1. Mos. 11, 4), zerschlug Gott diese Einheit, setzte die Gesamtmenschheit beiseite und beschränkte den Strahlenkreis Seiner eigentlichen Erlösungsoffenbarung zunächst auf einen Einzelnen und dessen leibliche und geistliche Nachkommenschaft.

Die Völker in der Beiseitesetzung

Von Abrahams Berufung bis zum Beginn des gegenwärtiges Heilszeitalters.

Aber auch jetzt blieb Gott der „Gott der Nationen“ (Röm. 3, 29). Zwar nicht im Sinn unmittelbarer Heilsoffenbarung und sittlicher Willenskundgebung (Gesetz), wohl aber als Lenker und Richter der Völkerwelt (Spr. 14, 34) durch Beeinflussung der Obrigkeit (Spr. 8, 14‑16) sowohl in ihren politischen wie ihren militärischen Entschlüssen (1.Kön.11,14; 1.Chron.5,26; Jes.45,1‑7) durch Ordnung der Weltverhältnisse, Festlegung der Grenzen (Apg. 17, 26), Überwaltung der Geschichtsereignisse (Am. 9, 7), Einwirkung auf das geistige Leben der Völker, besonders Weltanschauung, Moral und Sitte (Apg. 17, 27). Auch in seiner Flucht vor Gott kommt der Mensch von Gott eben nicht los. Auch in der Beiseitesetzung war und blieb die Völkerwelt Gegenstand göttlicher Einwirkungen und Liebe.

Mit Nebukadnezar, der Zerstörung Jerusalems und dem Aufhören des jüdischen Nationalstaates (586 v. Chr.) trat dann noch ein weiteres Moment hinzu. Nach dem fast anderthalb Jahrtausende ‑ erlösungsgeschichtlich gesehen ‑ die Völkerwelt lediglich im Hintergrund der göttlichen Offenbarungen gestanden hatte, wird sie nunmehr wieder direkter Gegenstand göttlicher Prophetie. Bis dahin war in der israelitischen Gottesbotschaft zwar oft schon von den Nationen die Rede gewesen (besonders bei Amos und Jesaja) ‑ in Gericht und Verheißung ‑; aber fast stets lag auch bei diesen Völkerprophetien der Schwerpunkt auf Israel. Was Gott mit den Völkern tat, tat Er vornehmlich „um Israel, Seines Knechtes, willen“ (Jes. 45, 1‑7). Jetzt aber, als Israel-Juda, seit der Zerstörung Samarias durch die Assyrer (722) und Jerusalems durch die Babylonier (586), sein politisches Eigenleben verloren hatte und in die Hände der Weltvölker hingegeben war, als also „die Zeiten der Nationen“ (Luk. 21, 24) begannen, ist es auch nur folgerichtig, daß Gott Weissagungen schenkte, die die Geschichte der Völkerwelt behandelten. Dies geschah in den Traumgesichten Nebukadnezars und den Weltreichsprophetien Daniels (Dan. 2. 4. 7. 8). Hierbei sieht Nebukadnezar, der Heide, das Außenantlitz der Geschichte, das imponierende Kolossalstandbild in seiner Einheit, Humanität und Großartigkeit (Dan. 2, 31‑36), während Daniel, der Prophet Gottes, ihrinneres Wesen erkennt, ihre Raubtiernatur, Zerrissenheit und Dämonie (Dan. 7, 1‑8).

Vier Weltreiche stehen hierbei im Gesichtskreis der Weissagung:


Das goldene Haupt,
der Löwe mit Adlersflügeln (Dan. 2, 32; 38; 7, 4), das Neubabylonische Reich (612‑538), besonders unter Nebukadnezar (605‑562).

Die silberne Brust (Dan. 2, 32), der Bär, der sich auf der einen Seite aufrichtet (Dan. 7, 5), der Widder mit den zwei ungleichen Hörnern (Dan. 8, 3; 20) das Medo-Persische Reich, gegründet von Kores, zerstört durch Alexander den Großen (538‑333), besonders durch den entscheidenden Sieg Alexanders in der Schlacht bei Issus (333).

Der kupferne Bauch und die Lenden (Dan. 2, 32), der Panther mit den vier Flügeln und den vier Köpfen (Dan. 7, 6), der Ziegenbock (Dan. 8, 5) mit dem einen, großen Horn (Alexander der Große) ‑ das Griechisch‑Mazedonische Weltreich, das sich nach Alexanders Tod (323) in vier Hauptnachfolgerstaaten zerspaltete, die schließlich von den Römern überwunden wurden.  . . .

Es folgt das vierte Haupt‑Weltreich des Buches Daniel. Sein erstes Stadium waren

Die Beine aus Erz und Eisen (Dan. 2, 40), das Schreckenstier, das alles zermalmt und auffrißt (Dan. 7, 7) ‑ das Römische Weltreich, das alle Kulturvölker der damaligen bekannten Welt umspannende Imperium Romanum.  Seit 133 v. Chr. waren sie die Herren der Welt. Unter ihrem ersten Alleinherrscher Augustus (31 v. Chr. ‑ 14 n. Chr.) wurde Christus geboren (Luk. 2, 1). Unter ihrem zweiten Kaiser Tiberius (14‑37 n. Chr.) trat der Herr öffentlich auf und hat dann Sein Erlösungswerk vollbracht (Luk. 3, 1). Die Römer waren dann auch die Werkzeuge in der Hand Gottes, das Gericht an dem abtrünnigen Israel zu vollziehen, das seinen Messias verworfen hatte (Matth. 27, 25). Titus zerstörte Jerusalem im Jahre 70. Und wiederum waren es die Römer, die im Jahre 135 den jüdischen Nationalstaat auflösten und die Juden in die eigentliche Zerstreuung schickten.

In der Tat hat es sich auch in der Geschichte erwiesen, daß die Idee des vierten Weltreichs niemals tot war. Auch nach dem Zusammenbruch des Weströmischen (476 n. Chr.) und Oströmischen Reiches (1453) hat sich seine Lebenskraft immer wieder erwiesen, besonders in dem Bestand der Römischen Kirche, dem Fortbestehen der römischen (lateinischen) Sprache in Theologie, Jura, Medizin, Naturwissenschaft und Militär, in dem Fortleben und den Auswirkungen des römischen Rechts und auch in ganz bestimmten welthistorischen Entwicklungen. – Während dieser Zeit aber geht das Evangelium durch die Welt.

Die Völker unter der Heilsberufung

Das gegenwärtige Heilszeitalter bis zur Ankunft (Parusie) Christi.

Mit der Botschaft vom Kreuz, vom vollen gegenwärtigen und zukünftigen Heil in Christo als unserm Stellvertreter und Bürgen, gehen die Zeugen Jesu von Land zu Land, und wo Menschen sich finden, die sich dieser Heilsbotschaft öffnen und in Buße und Glauben Christus als ihren persönlichen Heiland annehmen, werden sie teilhaftig Seines Heils und eingegliedert in Seine Gemeinde. Das Ziel dieser Verkündigung ist nicht Verchristlichung der Massen, Christianisierung der Kultur, Schaffung christlicher Völker und Völkergruppen ‑ dies wird erst in der Missionszeit des kommenden, sichtbaren Gottesreiches der Fall sein ‑, wohl aber, „aus ihnen ein Volk zu nehmen für Seinen Namen“ (Apg. 15, 14) und somit Schaffung eines neuen, übernationalen Gottesvolkes. „Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier . . . , sondern allzumal einer in Christo Jesu“ (Gal. 3, 28; Kol. 3, 11). Damit aber entsteht eine offenbarungsgeschichtliche Dreiteilung (1. Kor.10, 32), zu Israel und den Weltvölkern tritt die Gemeinde als das „dritte Geschlecht“ hinzu.

Was aber tut die Menschheit am Ende dieser Heilszeit?

Nachdem sie Jahrhunderte hindurch das Heilsangebot von Christus gehört hat, entscheidet sie sich schließlich ‑ für ihren Feind, den Antichrist! Ein gottgelöstes Kultursystem wird aufgebaut, in dem führende Kulturvölker, politisch vereint, wirtschaftlich zentralisiert und religiös‑weltanschaulich gleichgeschaltet werden. Nur so ist es durchführbar, daß schließlichalle, die Kleinen und die Großen, unter Androhung wirtschaftlichen Boykotts, zur Anbetung des Tieres und damit zur Verleugnung des biblischen Offenbarungsglaubens gezwungen werden, „so daß niemand kaufen oder verkaufen kann als nur der, welcher das Malzeichen des Tieres hat, den Namen des Tieres und die Zahl seines Namens“ (Off. 13, 17).
Durch diese Vereinigung von Politik, Geschäft und Glaube wird aber das antichristliche Weltsystem eine geradezu ungeheuerliche, geistige Wiederholung des babylonischen Turmbaus, entsprechend einer dreiseitigen Pyramide, an deren Spitze die geheimnisvolle Zahl des Tieres 666 steht.

Irgendwie wird das Kultursystem auch in besonderer Beziehung zu Rom stehen. Zugleich wird es die Zusammenfassung aller gottfernen Weltarbeit der von Gott gelösten Völkerwelt sein, die Gipfelung aller Weltreiche der Vorzeit, die Generalsumme aller Raubtierreiche der Weissagungen Daniels. Deshalb wird die antichristliche Bestie auch als Löwe, Bär und Panther zugleich dargestellt, und die Zahl seiner Hörner (7) ist die Gesamtsumme der Hörner aller vier Raubtiere der Vision Daniels (Dan. 7, 2‑8). Und wenn schließlich die Offenbarung von zwei Tieren spricht (Off.13,1-10) von denen das erste unverkennbar im Vordergrund steht, indem das zweite seine ganze Aufgabe darin sieht, alle Ehre dem ersten Tier zuzuschieben, (Off.13,12) so eben deshalb, weil das antichristliche Weltsystem zwei Hauptpersönlichkeiten erkennen lassen wird, die das Ganze zu einem gleichsam leiblich‑geistigen Höllenorganismus vereinheitlichen, den politischen Führer und seinen religiös‑weltanschaulichen Propagandaminister.

Das letzte Wort aber wird Christus haben. Durch die „Erscheinung Seiner Ankunft“ wird Er Seine Feinde vernichten (2. Thess. 2, 8; 9; Jes. 11, 4.) und Sein Reich aufrichten.

Die Völker im sichtbaren Gottesreich

Das „Tausendjährige Reich“.

Als der in Herrlichkeit sichtbar erschienene Gottkönig wird Er dann sitzen auf Seinem Thron der Herrlichkeit und richten alle Nationen der Erde. Sie werden vor Ihm versammelt sein, und Er wird sie scheiden, wie ein Hirt die Schafe und die Böcke voneinander scheidet (Matth. 25, 31; 32). Die Entscheidung, um die es geht, wird die Frage sein, wer von denen, die den Gerichtskatastrophen entronnen sind, Eingang finden wird in das sichtbare Gottesreich, wer aber andererseits wegen seines Verhaltens dem Gericht des Verderbens anheimgegeben wird (Matth. 25, 34; 46).

Die aber, die dann zum Gottesreich zugelassen werden, werden mit Segnungen überschüttet. Dann werden die Völker als Völker sich bekehren, und zum e r s t e n m a l  in der Geschichte wird es christliche Nationen und Kulturen im Sinne der Heiligen Schrift geben (Jes. 19, 19; 23; 25). Christus aber, dem gekrönten Menschheits‑Gottkönig, wird allerorts Anbetung dargebracht werden (Mal. 1, 11).

Die Segnungen des Alltags werden sein:

Innere Erneuerung der Völkerwelt (Zeph. 3, 9),
Friede unter den Nationen (Mich. 4, 3 ; 4),
Segnungen der Natur (Jes. 11, 6‑8; Hos. 2, 23; 24),
soziale Gerechtigkeit (Jes. 11, 3; 4),
körperliche Gesundung (Jes. 35, 5; 6),
patriarchalisches Lebensalter (Jes. 65, 20),
erfolgreiche Berufsarbeit (Jes. 65, 21‑23),
Auflösung zu riesiger Großstädte (Sach. 3, l0) –

Die Völker im letzten Aufruhr. Gog und Magog

Und doch. Auch hier erweist der Mensch, wenn die letzte und schärfste Probe kommt, sein totales Versagen. Während der Zeit dieses sichtbaren Gottesreiches ist Satan im Abgrund gefesselt gehalten: Off. 20, 2; 3. Zuletzt aber wird er losgelassen werden, damit auch auf diese letzte Heilszeit die Probe des Erfolgs gemacht werden kann (Off. 20, 3 ; 7). Und was ist das Ergebnis? ‑ Nach tausendjährigem Genuß der Segnungen sichtbarer Gottesherrschaft entscheidet sich die Menschheit für ‑ den Teufel und zieht in hellen Scharen, unter Gog und Magog, also unter japhetitisch-indogermanischer Führung, gegen Jerusalem, die Gottesstadt, zu Felde (Off. 20, 8; vgl. 1. Mose 10, 2.).

Hierauf kann es nur e i n e Gottesantwort geben: Feuer fällt vom Himmel und verzehrt diese gottfeindliche Menschheit. Auch die Erde, der Schauplatz dieser gesamten, menschheitlichen Fehlentwicklung, wird aufgelöst, damit ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehe (Off. 20, 9‑21).

Dies alles ist für den Menschen außerordentlich demütigend. Es beweist aber auch zugleich, wie Gott Recht gehabt hat, daß Er für des Menschen Heil alle menschliche Kraft ausgeschaltet und nur e i n e n Heilsweg bestimmt hat: Seine Gnade allein und das Kreuz von Golgatha.

Die Völker auf der neuen Erde

Auch auf der neuen Erde wird es noch „Völker“ geben (Off. 21, 24; 22, 2). Auch die erneuerte Menschheit wird noch organische Gliederungen haben. Aber alles wird dann wundersam zusammenklingen. Die himmlische Gottesstadt wird auf der neuen Erde sein (Off. 21, 10). In ihr selber wird der Thron Gottes und des Lammes sein (Off. 22, 3), und um des Königs der Herrlichkeit willen, der das Zentrum und Wesen alles himmlischen Lebens ist, werden die Völker der neuen Erde in dieser vom Himmel herabgekommenen Gottesstadt ihre Hauptstadt und den Mittelpunkt ihrer Anbetung sehen. „Die Nationen werden durch ihr Licht wandeln, und die Könige der Erde bringen ihre Herrlichkeit zu ihr“ (Off. 21, 24).

7. Die Geschichte des Christus

Jesus Christus ist der erlösende Mittelpunkt der Heilsgeschichte. Er war der schöpferische Urgrund schon der alttestamentlichen Offenbarung; denn Sein Geist war in den Propheten. Er war, in geheimnisvoller Einheit mit Gott, Seinem Vater (Ps. 110, 1), der Gott schon der israelitischen Geschichte, das Ziel des Gesetzes sowie aller Weissagungen in Tempeldienst und prophetischer Verkündigung (Messiasprophetie, z. B. Jes. 53). Er war, als der „Löwe aus dem Stamme Juda“ (Off. 5, 5) und der „Sohn Davids“ (2. Tim. 2, 8), die Wurzel und Krone des davidischen Königshauses und somit Fundament, Inhalt und Sinn aller Heilsoffenbarungen schon vor Seiner Menschwerdung. Und dann, in der „Fülle der Zeit“, ist Er Selber erschienen (Gal. 4, 4). Als der „Stern aus Jakob“ (4. Mos. 24, 17) ist er in Bethlehem aufgegangen, als „Aufgang aus der Höhe“ (Luk. 1, 78), als die personhaft erschienene Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes (Tit. 3, 4). Dies ist Seine erste Epiphanie, Sein Kommen zum Heil, zur Errettung der Sünder, „um Sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Matth. 20, 28), angekündigt von Johannes dem Täufer als Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt und hinwegnimmt (Joh. 1, 29).

Das Kreuz Christi als Heilsmittelpunkt aller Zeiten

Das Kreuz ist darum das Zentralereignis Seines Erdenwerkes. Es ist die Zentraltat Gottes in der Erlösungsgeschichte des Universums überhaupt. Es ist die wunderbarste Offenbarung des Retterwillens Gottes, „damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe“ (Joh. 3, 16; 17). Es ist, wenn auch nicht zeitlich, so doch innerlich‑geistig der Mittelpunkt der Menschheitsgeschichte.

„Jesus Nazarenus Rex Judaeorum“ (INRI), d.h. Jesus von Nazareth, König der Juden ‑ diese in lateinischer, griechischer, hebräischer Sprache von ungläubiger Hand über das Kreuz gesetzte Botschaft (Joh. 19,19) stand darum zugleich unter der Überwaltung des weltregierenden Heilandgottes. Denn indem diese Inschrift in den drei Hauptsprachen der damaligen Weltkultur ‑ der Sprache des Staates, der Kultur und der Religion ‑ über das Kreuz gesetzt war, war zugleich ausgedrückt, daß der aus dem Volk Israel stammende Jesus von Nazareth zu allen Gebieten des menschlichen Lebens in Beziehung steht, daß Seine Person und Sein Werk äußerlich und innerlich aller Welt gilt.

In der Tat, wundersam sind die Wirkungen, die von Seinem Heilswerk ausgehen. Es ist, als wenn mitten in allem Dunkel von Golgatha die Sonne aufgegangen ist und mit ihrem Glanz die ganze Vergangenheit und die ganze Zukunft bestrahlt.

Die Auswirkungen des Urfalls Satans können nur überwunden werden durch das Kreuz. Darum reichen die Strahlen, die von Golgatha ausgehen, zurück in die Äonen der vormenschlichen Urzeit.

Das an der Schwelle des verlorenen Paradieses dem gefallenen Menschen indirekt gegebene U r e v a n g e l i u m vom Weibessamen und Schlangenzertreter (1. Mos. 3, 15) kann nur geschichtliche Verwirklichung finden in dem Heilswerk des Gekreuzigten.

Daß Gott nicht verdammen, sondern begnadigen will, was Er in Seiner Bundesschließung mit N o a h und durch die damals als Bundeszeichen festgesetzte, Himmel und Erde verbindende Lichtbrücke des Regenbogens bezeugt hatte (1. Mos. 9, 12 ff.), wird auch erst ermöglicht durch das Kreuz. Denn nur durch das „Blut des ewigen Bundes“ (Hebr. 13, 20) wird die Scheidewand hinweggetan, die Gott und Mensch voneinander trennt, die Sünde, zu deren Abschaffung durch Sein Opfer Christus erschienen ist (Hebr. 9, 26).

Die dem A b r a h a m gegebene Verheißung vom Segen für alle Völker, Abrahams Rechtfertigung allein durch den Glauben, das Opfer von Morija (1. Mos. 22), der Auferstehungsglaube des Patriarchen (Hebr. 11, 19) ‑ dies alles empfängt auch erst volles Licht durch die Heilstat des Gekreuzigten und Auferstandenen (vgl. Röm. 4, 23‑25).

Und schließlich: Das ganze m o s a i s c h e Gesetz, seine sittlichen Forderungen, seine gottesdienstlichen Einrichtungen, seine prophetischen Bilder und Messiasankündigungen würden ewig dunkel und unverständlich bleiben, wenn nicht Christus gekommen wäre, als die Erfüllung von Gesetz und Prophetie (Röm. 10, 4) und mit einem Opfer alle anderen Opfer beleuchtet, erklärt und erfüllt und damit den mosaischen Gesetzes‑ und Tempeldienst für ewig abgeschafft hätte.

Aber auch die Zukunft steht unter dem Strahlenglanz der am Ostermorgen aufgegangenen Heilssonne. Denn nun kann es eine G e m e i n d e geben, ein durch das Lösegeld des Blutes des Sohnes Gotte erkauftes Eigentumsvolk, dessen Heilsgrundlage, Kraft und Ehre allein das Kreuz ist, nämlich das Kreuz in Verbindung mit der Auferstehung (1. Kor. 15, 13‑19), der von Gott geschenkte Stellvertreter, der für uns starb und für uns lebt (Röm. 4, 25; 5, 10), der auf Erden das Heil uns erwarb und vom Himmel her, durch Seinen Geist und Sein königliches Hohespriestertum, uns das Heil zueignet und erhält.

Nur so kann es auch ein sichtbares Gottesreich geben. Denn nur wenn die Sünde überwunden ist, kann es eine erneuerte Menschheit geben. In jedem Fall gehört auch für Christus persönlich die Krone zum Kreuz. Dieselbe Erde, die der Schauplatz Seiner Erniedrigung war, muß auch der Schauplatz und Zeuge Seiner Erhöhung und Verherrlichung werden. Das gehört zur göttlichen Rechtfertigung des Gekreuzigten vor aller Kreatur. So aber ist Christi Erscheinung in Herrlichkeit durchaus Frucht Seiner Erscheinung in Niedrigkeit, und auch das Tausendjährige Reich steht unter den Lichtstrahlen von Kreuz und Auferstehung.

Das dreifache Christussamt

Wunderbar ist die geschichtliche Entfaltung des Erlösungswerkes Christi. Deutlich entspricht dieser Weg den drei Ämtern des Erlösers, dem Amt des Propheten, des Priesters und des Königs.

Zuerst steht das Prophetentum im Vordergrund (5. Mos. 18, 15‑19). Christus verkündigt in Leben und Lehre den Willen Gottes und erweist Sich in der Himmelreichsbotschaft als ein Prophet „mächtig in Worten und Taten“ (Luk. 24, 19).

Dann aber geht dieser Prophet an das Kreuz (Joh. 1,29) und wird Opferlamm und Priester zugleich (Hebr. 9, 12; 14; 25). Aus dem Land der Lebendigen steigt Er hinab, um durch den Tod den zunichte zu machen, der die Gewalt des Todes hat, den Teufel (Hebr. 2, 14).

Dann aber hat Gott Ihn auferweckt und erhöht (Phil. 2, 9). Er, der gestorben war, ist auferstanden am dritten Tage, aufgefahren gen Himmel und ist nun König , sitzend zur Rechten Gottes, von dannen Er kommen wird, um Sein Werk zu vollenden (Hebr. 2, 9; Off. 3, 21).

Das königliche Hohespriestertum Christi

In dieser Zeit ‑ es ist die Haushaltung des Evangeliums und der Gnade – ist Christus im Himmel Priester und König zugleich. Er verwendet Sich für die Seinen (Röm. 8, 34). Er ist ihr Sachwalter bei dem Vater (1.Joh. 2, 1). „Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln“ (Hebr. 8, 1). Er ist der Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks (Hebr. 7, 1‑25). 18). Darum sehen wir im Glauben Jesum, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, gerade um Seines Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (Hebr.2,9).

Christi Ankunft (Parusie) und Erscheinung (Epiphanie)

Dabei ist aber dies Priestertum und Königtum des Hocherhöhten (Phil. 2, 9) nur dem Glauben erkennbar. Er Selbst ist zunächst dem irdischen Auge unsichtbar. Darum muß auch dies noch seine Entspannung erfahren. Christus muß wiederkommen und Sein Reich aufrichten. Aus Seiner Abwesenheit muß Er heraustreten und Seine Anwesenheit (Ankunft, Parusie) bewirken. Er muß Sein Volk zu Sich nehmen, Seine Feinde besiegen und in glanzvoller Erscheinung (Epiphanie) Sich enthüllen und sichtbar machen (Off. 1, 7). Vor dem „Richterstuhl Christi“ muß Er Sein Volk offenbar machen und ihr Erdenleben vor Seinem eigenen Antlitz ‑ Kronen und Verlust verfügend ‑ in das Licht des Himmels rücken (2. Kor. 5, 10; 1. Kor. 3, 14; 15).

Der verherrlichte Christus und Seine verklärte Gemeinde

Dann müssen sie beide, der verherrlichte Christus und die vollendete Christusekklesia, für alle Ewigkeit untrennbar beieinander bleiben (1.Thess. 4, 17). Darum erleben sie von nun an auch alles gemeinsam: Er, der Sich zunächst nur in die „Luftregionen“ herabließ, um für die Seinen zu kommen, wird nun mit den Seinen auf der Erde selbst erscheinen (1. Thess. 3, 13), um dann, während des sichtbaren Gottesreiches ‑ mit ihnen vereint ‑ vom Himmel her über die Erde zu regieren. Zuletzt aber wird dieses hineinmünden in die Ewigkeit. Auf der neuen Erde und in dem auf diese herabgekommenen himmlischen Jerusalem wird Christus dann regieren als Throngenosse des Vaters (Off. 22, 1), und die Seinen werden bei Ihm sein und Seine Herrlichkeit teilen (Joh. 17, 24; Röm. 8, 17). Sie werden mit Christus regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit (Off. 22, 5; 2. Tim. 2, 12).

 

8. Das gegenwärtige, völlige Heil in Christus

I. Der Heilsmittler

Jesus ist, als der Christus, die Erfüllung des Alten Testaments (Christus = Messias = Gesalbter).

Als Träger des Vollmaßes des Geistes Gottes (Apg. 10, 38) ist Er die personhafte Zusammenfassung der drei Hauptsalbungsämter des Alten Bundes. Er ist Prophet, Priester und König zugleich. Hierbei bezieht sich Sein dreifaches Christuswerk auf alle drei Seelenkräfte des Menschen.

Durch die Sünde war das Verderben des Menschen total. Sein Verständnis war verfinstert, sein Wille böse, sein Gefühl unglücklich.

Als Prophet bringt nun Christus die Erkenntnis und erlöst das Verständnis des Menschen aus den Banden der Finsternis.

Als Priester bringt Er das Schuldopfer dar, tilgt ‑ zusammen mit der Schuld – auch das Schuldbewußtsein des Menschen und bringt seinem Gefühl zugleich den Jubel der Sündenvergebung und die Seligkeit der Gottesgemeinschaft.

Als König richtet Er Seine Heilsherrschaft auf, unterstellt den Willen des Menschen Seinem eigenen, göttlichen, heiligen Willen und befreit damit den Willen des Menschen aus der Sklaverei des Sündendienstes.

So entspricht Sein dreifaches Amt den drei Seelenkräften des Menschen, und, wie die Sünde einst total gesiegt hatte, so hat Christus der Erlöser, als Prophet, Priester und König, nun total triumphiert.

II. Das Heilsgeschenk

Auf der Grundlage dieser allgenugsamen Heilandstat kann es nun ein Leben in Reichtum und Freude geben. Der Gläubige ist aus dem Abgrund der Sünde auf die Felshöhe des Heils gebracht (Ps. 40, 2; 3). Er ist aus dem Höllenkerker der Gottesferne „in himmlische Örter“ versetzt (Eph. 1, 3; 2, 6). Er, der Rebell, ist vom Himmelskönig begnadigt worden und unter die Edlen des Landes gebracht (Ps.16,3). Ja, er ist zum Glied der Königsfamilie geworden (Röm. 8, 15) und soll einst mit Christus, dem Sohn Gottes, regieren in alle Äonen der Ewigkeit (Off. 22, 5; 1. Kor. 6, 2; 3; Luk. 12, 32).

Welch ein Heil! Sollte das nicht immer wieder unsere Herzen zum Jubel veranlassen? Sollten wir nicht da in freudiger Dankbarkeit unser Leben Ihm zu Füßen legen, Ihm uns ganz hingeben und willig bemüht sein, Ihn zu verherrlichen?

III. Das praktische Heilserleben

Zu einem Überwinderleben sind aber ganz bestimmte geistliche Voraussetzungen erforderlich. Nur der Christ, der diesen entspricht, wird seines vollen Heils recht gewiß und in der Heiligung bewährt sein. Wir nennen einige der wichtigsten Grundbedingungen solcher inneren Geisteshaltung.

1. Der Glaube an das vollbrachte Werk Christi. Uns müssen einmal die Augen aufgehen, wie total Christus gesiegt hat. Erst dann gibt es ein frohes Siegesleben in unserer Erfahrung. Wir brauchen uns nicht abzuquälen, um unsere Heiligung selbst zu bewirken. Wir kämpfen eben nichtzum Siege hin, sondern vom Siege her.

In Sonderheit müssen uns die Augen aufgehen über die Höhe der Gnadenstellung, die wir in Christus empfangen haben. Wir sind „Auserwählte, Heilige, Geliebte“ (Kol. 3, 12). Wir sind „Tempel des Heiligen Geistes“ (1. Kor.6,19). Wir sind „Söhne“ des Allerhöchsten (Gal. 4, 6; 7). Christus, der Erstgeborene, schämt Sich nicht, uns Seine Brüder zu nennen (Röm. 8, 29; Hebr. 2, 11).

Dies Wissen um die hohe Gnadenstellung macht uns nicht hochmütig, sondern von Herzen dankbar und damit hingegeben und gottgeweiht.

Wem aber diese Schau in die frei geschenkte Gnadenfülle fehlt, wird nie seines Heils froh. Er bemüht sich in eigener Kraft, erlebt Niederlage um Niederlage, gibt am Ende den Kampf vielleicht gar auf, und ‑ die Sünde hat praktisch den Sieg davongetragen. Darum ist geistgewirktes Schauen des vollen Heils in Christus eine entscheidende Voraussetzung für alles wahre, praktische Heilserleben.

2. Glaube und Hingabe. Glaube ist nicht nur Bejahung der Lehre, sondern zugleich praktisches Ja des Lebens. Glauben ist, wie Luther sagt, „Leben in Gott“.

Hier aber hängt alles von der Ganzheit einer solchen Hingabe ab. Nur g a n z hingegebene Christen sind g a n z glückliche Christen. Viele Christen beten um Hingabe ‑ „Herr, gib mir völlige Hingabe“ ‑, aber sie übersehen dabei, daß sie in dieser Weise ganz falsch beten. Denn sie bitten, daß Gott etwas tun solle, was Er gerade von i h n e n erwartet! Die Hingabe ist unsere Verantwortlichkeit. Wir haben zu sagen: „Herr, ich weihe mich Dir“ – und es auch wirklich zu tun! Dann werden Seine Siegeskräfte in unser Leben hineinströmen, und die Freude des vollen Heils wird in uns überströmend sein.

3. Hören auf Gottes Wort. Vernachlässigung der Bibel bedeutet Vernachlässigung unseres eigenen Innenlebens. Unkenntnis der Heiligen Schrift ist Unkenntnis Christi. Wie du mit Gottes Wort umgehst, so geht Gott mit dir um. Durch das geschriebene Wort kommt Gott zu uns, und sein Geist begleitet Sein Wort. Es erweitert unseren Gesichtskreis und zeigt uns Gottes Reichtum. Sein Wort gibt heilige Gegenstände für unser Denken und Sinnen, es erfüllt unser Streben mit edlen Zielen, und wer auf Gottes Wort hört und sich freudig unterordnet, wird erleben: Wenn der Mensch horcht, redet Gott. Wenn der Mensch gehorcht, handelt Gott.

4. Treue im Kleinen. Nur wer sich im Kleinkampf des Alltags bewährt, wird erstarken und immer mehr in ein Siegesleben hineingelangen. Treu sein aber heißt: es genau nehmen im Kleinen, und zwar auch dann, wenn niemand es sieht. Wer treu sein will, ist sich der ständigen Gegenwart Christi bewußt. Auch kleine Dinge sind groß, wenn Gott darin ist. Darum verachte nicht den Alltag. An deinem Siegen oder Nichtsiegen in den kleinen Belastungsproben des Alltags wird es sich entscheiden, inwieweit das volle Heilserleben dein praktischer Besitz ist.

5. Gebetsleben. Wer haben will, muß beten. Wer aber nicht betet, empfängt nichts (Jak. 4,2). Untreue im Gebetsleben bedeutet freiwilligen Verzicht auf den Sieg. Nur in der Gegenwart Gottes fließen die lebendigen Heilsquellen. Willst du also glücklich sein, so werde ein Beter. Gott teilt Seine Gaben nur unmittelbar vor Seinem Thron aus.

6. Zeugenmut. Wer Sieg haben will, muß Zeuge sein. „Sie haben ihn (den Satan) überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses“ (Off. 12, 11). Wer Christus bekennt, wird innerlich stark. Im Sturm wachsen die Wurzeln des Baumes um so tiefer. Durch mutiges Bekennen werden die Fronten geklärt, Jüngerschaft und Welt voneinander abgegrenzt, die Entschiedenheit des Nachfolgers Jesu gesteigert und der innere Mensch auf Christus ausgerichtet.

7. Freudiges Rechnen mit der Gegenwart Christi. Verwirkliche die Gegenwart Jesu in deinem Leben. Denke daran: Wo du bist, ist auch Er. Er sieht jede Situation. Er kann dir stündlich helfen. Er ist der Immanuel, der „Gott mit uns“. Die Gnade ist erschienen. (Tit. 2, 11.) Was wir brauchen, ist das praktische Rechnen mit der Wirklichkeit der Gegenwart des Heiligen Geistes stets heute und hier.

Zu den Dichtern des edelsten Liedgutes der Gemeinde Gottes deutscher Zunge gehört der Lutheraner Martin Rinkart (1586‑1649). Dieser Mann Gottes hat in heldenmütigem Einsatz in den Tagen der Pest und allerschwerster Hungersnot im Dreißigjährigen Krieg seinem Herrn und seiner Gemeinde gedient. Er hatte einen Siegelring mit der Inschrift: M u s i c a. Martin Rinkart gab diesem Wort seine besondere Deutung: M ‑ V ‑ S ‑ I ‑ C – A  MEIN VERTRAUEN STEHT IN CHRISTUS ALLEIN!

9. Die Gemeinde des lebendigen Gottes

„Es ist vollbracht!“ (Joh. 19, 30.) Dies ist das gewaltigste Wort, das je auf dieser Erde gesprochen worden ist. Es war der triumphierendste Siegesruf, ausgerufen in der Stunde scheinbarer katastrophalster Niederlage. Es ist der schöpferische Quellpunkt einer gottgeschenkten Botschaft, die in die Menschheit hinausgeht.

Damit aber tritt zugleich etwas völlig Neues an das weltanschauliche und religiöse Denken der Menschen heran. Alles rein menschliche, religiöse Denken und Handeln ging von den Kräften des Menschen aus, von seinem geistigen, willensmäßigen, moralischen Streben. Darin liegt, bei aller Verschiedenheit im einzelnen, das Gemeinsame aller heidnischen Religionen. Jetzt aber wird dies alles beiseitegesetzt. Der Ausgangspunkt alles Heils liegt nicht unten, sondern rein oben. Es ist Gott, der alles schafft. Alle menschliche, moralische Aktivierung ist Fehlentwicklung. Das Heil muß rein Gabe und Geschenk, eben Gnade sein.

Die Gemeinde als Neuschöpfung Gottes

Dieses himmlische Neuschöpfungswerk war eine göttliche Notwendigkeit. Denn durch die Sünde ist der alte Mensch restlos verdorben. Weil der Mensch nicht ein Stein, sondern ein geistiger Organismus ist, arbeitet er das Böse, sobald es einmal in ihn eingedrungen ist, ganz von selbst in alle Teile seines Wesens hinein. Aus dem Organismuscharakter der menschlichen Persönlichkeit ergibt sich, beim Eintritt der Sünde, ganz von selbst sein desto tieferer Fall. Die Sünde ergreift ihn radikal, zentral und total, das heißt, seiner Wurzel, seinem Mittelpunkt, seinem Gesamtumfang nach. Er ist gebunden und verloren, verkauft und versklavt (Röm. 7, 14).

Darum muß er eine Neuschöpfung werden, und es kann nicht genügen, daß er nur eine Wendung vollzieht, sich von sich aus „bekehrt“ und eine neue, sittliche Lebensrichtung praktisch erstrebt. Nein, mit der Buße und der Hinwendung des Menschen zu Gott muß ein schöpferischer Akt von seiten Gottes verbunden sein. Der sich zu Gott wendende Mensch muß durch das Wunder derWiedergeburt in dem Kern seiner Persönlichkeit umgeschaffen werden. Nicht nur seine Handlungen und sein Leben, nein, er selber muß neu werden (Joh.3,7). Dem Fleischesorganismus der Verlorenen muß, durch göttliche Lebenszeugung, ein Geistesorganismus von Erlösten gegenübergestellt werden…

Dies aber kann nur durch ein Werk Gottes bewirkt werden; denn wo es auf ein schöpferisches Tun ankommt, kann nur der Schöpfer persönlich handeln. Weder Engel noch Erzengel haben schöpferische Kräfte.

Darum ruht die Gemeinde auf göttlichem Grunde, und unser Glaube darf erkennen: Die Sendung des Sohnes, die Übernahme des Erlösungswerkes durch eine Person der Gottheit Selbst, ist nicht nur ein Beweis der Unendlichkeit Seiner Liebe (Joh.3,16; Röm.5,8), sondern zugleich auch ein Ausfluß einer innergöttlichen Notwendigkeit. Damit aber wird die Ekklesia sofortSohnesgemeinde . Sie lebt vom Werk des Sohnes; ihr göttliches Haupt ist der Sohn; ja, im Sohne ist sie zur Sohnschaft bestimmt (Eph.1,5; 1.Kor.1,9).

Die Gemeinde als Christusgemeinde.

Die Menschen, die daran glauben, gehören einer vollständig neuen Welt an. Ihr Lebenselement ist der Erlöser Selbst (Phil. 1, 21), ihre Siegeskraft Seine Gnade (1.Kor.15,10), ihr Ruhm Sein Kreuz allein (Gal.6,14; 1.Kor.2,2). Glauben heißt „im Empfangenen leben“. Und weil sie alle an das gleiche Lebenszentrum, Christus, organisch angeschlossen sind, bilden sie auch untereinander eine Lebenseinheit, sinde i n Organismus, vom gleichen Christusgeist durchströmt (1.Kor.12,13). Die Gemeinde ist „in Christus“.

Dies stellt das Neue Testament durch das Bild des „Leibes“ dar. Dies Bild zeigt, wie kein anderes, die Fülle des neutestamentlichen Gnadenreichtums.

Die Gemeinde ist Sein Leib (Eph. 1, 23). Sie wird beherrscht von Seinem Willen; denn das Haupt ist der Wille des Leibes (Kol. 1, 18). Sie steht in allen ihren Gliedern in unmittelbarer Beziehung zum Haupt (Kol. 2, 19). Aus dem Haupt empfängt sie ihre Kraft. Aus dem Haupt wächst sie ihr Wachstum (Eph. 4, 16). Vom Haupt wird sie bewahrt. Christus, das Haupt, ist „des Leibes Heiland“ (Eph. 5, 23).

Mit der Christusgemeinde tritt ein völlig neuer Menschheitstyp in die Geschichte ein (Eph. 2, 15), in dem nun auch alle früheren Unterscheidungen (Gal.3,28; 1.Kor.7,19) erlösungsgeschichtlich ihre Gültigkeit verloren haben (2.Kor.5,16). „Da ist nicht Grieche und Jude, Sklave und Freier, sondern Christus alles und in allen“ (Kol. 3, 11)… Die Gemeinde ist auch eine prophetisch‑lebendige Vorausdarstellung des großen Zieles der Erlösung: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen“ (Off. 21, 3).

„Geheimnisse“ der Erlösung in der gegenwärtigen Gemeindezeit

Drei Hauptpersönlichkeiten haben in der nun folgenden Apostelzeit die Wahrheit vom völligen Heil in Christus in Israel und der Völkerwelt vorwärts getragen: Petrus, Paulus, Johannes. In dieser Reihenfolge treten sie in der apostolischen Zeit hintereinander als die Hauptführer hervor. Zuerst Petrus, beginnend in Jerusalem (bes. Apg. 2‑12), dann Paulus von Antiochia aus in der Völkerwelt (bes. Apg. 13‑28; 1. Tim. 2, 7), zuletzt Johannes, besonders in Ephesus und den Gemeinden West‑Kleinasiens (vgl. Off. 2 und 3). Petrus, der Mann hoffender Zuversicht (vgl. 1. Petrusbrief), Paulus, der Herold des Glaubens, und Johannes, der Apostel der Liebe. So leuchtet sofort in diesem Dreigestirn bedeutendster apostolischer Führerpersönlichkeiten gleich im apostolischen Zeitalter, in geradezu geschichtlicher Entfaltung, die hohe, sittliche Dreieinheit christlichen Heiligungslebens hervor: „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ (1. Kor. 13, 13).

Keinem Propheten und Heiligen des Alten Bundes ist je dieser wundersame Geistesorganismus durch göttliches Weissagungswort vollständig und klar angekündigt worden (Eph. 3, 5, vgl. Matth. 13, 17). Daß Gott, gerade in der Zeit nach der Verwerfung des Messias durch das ungläubige Israel, einen so großartigen, weltumfassenden Ewigkeitsplan zur Durchführung bringen würde, war ein „Vorsatz“, der von den Äonen her verborgen war in Ihm Selbst (Eph. 3, 9), ein Geheimnis, das von den Zeiten der Zeitalter her verschwiegen war (Röm. 16, 25). Nun aber kommt es in der neutestamentlichen Zeit zu einer Offenbarung der „Geheimnisse des Reiches Gottes“ (Matth. 13, 11). Die Lebens‑ und Liebesbeziehung zwischen Christus und den Seinen (Eph. 5, 31), die unterschiedslose Einheit in der Gemeinde zwischen den Gläubigen aus Israel und denen aus den Nationen (Eph. 3, 1‑6; 2, 11‑22), die Innewohnung Christi als Hoffnung der Herrlichkeit (Kol. 1, 27), die Entrückung und Auferstehung und die Verwandlung zu geistleiblicher Vollendung (1. Kor. 15, 51), die Wiederannahme Israels nach dem Gericht der Verstockung (Röm.11, 25) ‑ dies alles sind „Geheimnisse“ des göttlichen Heilswillens, die Er den Seinen zur Bezeugung und Verwaltung anvertraut hat.

Die Gemeinde als Missionsgemeinde. Die sieben goldenen Leuchter

Mit der Botschaft vom vollen Heil ist die Gemeinde in die Welt gegangen. Zeuge von Christus zu sein, ist ihr hoher Beruf hier auf Erden (Apg. 1, 8). Darum werden sie „Himmelslichter“ genannt, die in der Dunkelheit der Welt scheinen (Phil. 2, 15), eine „Stadt auf dem Berge“, die nicht verborgen bleiben kann (Matth. 5, 14‑16), sieben goldene Leuchter (Off. 1, 12), in deren Mitte die sonnenhafte Lichtgestalt des verklärten Christus ist (Off. 1, 13; 14; 16b). Darum soll Christus und Sein Kreuz das Thema ihres Lebens sein, und es muß eine jedermann klar erkennbare Wahrheit sein: „In Wort und Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen“.

Damit aber wird die Gemeinde zugleich auch Missionsgemeinde. Durch sie soll die gar mannigfaltige Weisheit Gottes kundgemacht werden (Eph. 3, 10), und ist gleichsam die Fortsetzung der Menschwerdung Christi auf Erden. Sie lebt durch den Geist Sein Leben hier unten weiter. Sie ist nicht nur „in Christus“, sondern Christus ist auch „in ihr“ (Kol. 1, 27).

Warum treiben wir Mission? Wir treiben Mission, weil Jesus Christus der einzige Retter der Welt ist. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, als nur durch mich“ (Joh. 14, 6). Aus der Einzigkeit der Erlösung in Christus ergibt sich ihre allumfassende Weltgeltung und die unabweisbare Verpflichtung der Gemeinde, diesen einen Heiland aller der ganzen Menschheit bekannt zu machen.

Wir treiben Mission, weil Christus es befohlen hat. Mit Recht spricht man von einem Missionsbefehl Das Evangelium wird „nach Befehl des ewigen Gottes“ kundgemacht (Röm. 16, 26).

Wir treiben Mission, denn: Mission ist Dank für Golgatha.

Weltumfassend ist der Missionsauftrag, den Christus den Seinen gegeben hat. Viermal kommt im Missionsbefehl das kleine Wörtchen alle vor und zwar jedesmal in einer neuen Beziehung (Matth. 28, 18‑20).

„Mir ist gegeben »alle« Gewalt.“ ‑ Dies ist die Grundlage der Mission. Ohne Christus, den Sieger, wäre das Missionswerk schon längst verloren. Aber Sein Sieg ist auch unser Sieg.

„Lehret sie bewahren »alles«, was ich euch geboten habe.“ ‑ Dies ist der Inhalt der Mission. Wir bringen der Welt das ganze Wort Gottes, den ganzen Heiland, das ganze Heil.

„Und siehe, ich bin bei euch »alle« Tage.“ ‑ Dies ist die Verheißung der Mission. Der König sendet nicht nur aus, sondern geht Selbst mit Seinen Streitern mit. Darum ist Seine Gegenwart ihre Siegeskraft.

Damit aber tritt sie in Gegensatz zur Welt. Das Licht wird von der Finsternis gehaßt. Die Botschaft der Gemeinde wird abgelehnt und verachtet. Ja, zuweilen sieht es fast so aus, als ob die Heiligen die Unterliegenden seien.

Die Gemeinde als Hoffnungsgemeinde

Darum muß diese Spannung eines Tages ihre Auflösung erfahren. Christus wird wiederkommen und Seine Gemeinde zu Sich nehmen. Mit Anwendung göttlicher Kraft (1. Thess. 4, 16) wird Er Sein Volk zu Sichhinrücken (V. 17), und der Triumphator wird Sich mit Seinen siegreichen Kämpfern für ewig glorreich vereinen. (1.Thess.4,17; Joh.14,3.34) „Wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren“ (Joh.12, 26). Die Ekklesia ist eine Hoffnungsgemeinde; sie ist ihres Sieges gewiß…

Von ihrer Entrückung an (1. Thess. 4, 17) wird die Gemeinde untrennbar mit Christus verbunden sein. Sie wird mit Ihm erscheinen bei der Aufrichtung Seines Reiches. (Kol.3,4; 1.Thess.3,13) Sie wird mit Ihm regieren in der Zeit der sichtbaren Gottesherrschaft. „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden?“ (1. Kor. 6, 2; 3.) „Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben“ (Luk. 12, 32).

10. Die „Tage“ Gottes

Golgatha ist Zeitenwende, Weltwende, Anbruch einer Zeit, in der eine völlig neue Welt entsteht. Vom Kreuzessieg Christi und Seinem Triumph am Ostermorgen geht eine Entwicklung aus, die, durch Jahrtausende hindurchschreitend, zuletzt einmündet in die ewige Weltverklärung. Alle diese Zeiten sind von dem Gott der Heilsgeschichte durchwaltet und sind darumGottesstunden und Gottestage.

Im Wesentlichen erscheint die neutestamentliche Heilsentfaltung bis in die Ewigkeit hinein als ein Ablauf von drei großen Gottestagen, dem Tag des Heils (2. Kor. 6, 2), dem Jüngsten Tag (Joh. 6, 39; 40) und dem Tag Gottes (2. Petr. 3, 12).

1. Der „Tag des Heils“ (2. Kor. 6, 2)

Das ist die Heilszeit, in der wir gegenwärtig leben. Durch Wort Gottes und Geist Gottes wird der Menschheit die Botschaft der Gnade angepriesen, das Geschenk einer freien Erlösung. Darum spricht der Herr: „ … Siehe, jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor. 6, 2). Dieser Gnadentag wird seinen Abschluß finden, wenn die Vollzahl der Nationen eingebracht und die Gemeinde vollendet ist (Röm. 11, 25).

Rückwärts schauend ist diese neutestamentliche Heilszeit das Ziel der alttestamentlichen Vorentwicklung. Darum ist Christus das Endziel aller Jahrtausende vor der Zeitenwende. Mit Seinem Erscheinen ist darum die Endzeit (d.h. Ziel-Zeit) gekommen. Dies ist eine organische Zusammenschau von Weissagung und Erfüllung, die das urchristliche Denken dahin gebracht hat, schon die ganze neutestamentliche Heilszeit gleich von Christi erstem Erscheinen ab als Endzeit, als letzte Tage zu bezeichnen. So rechnet Petrus in seiner Pfingstpredigt schon das Pfingstereignis in Jerusalem zu den letzten Tagen (Apg. 2, 17). So kann der Hebräerbrief erklären, daß Gott in dem Menschgewordenen „in dieser Endzeit“ geredet habe (Hebr. 1, 1), und so kann Paulus sagen, daß auf uns, die Christusgemeinde, die Endpunkte der vormessianischen (vorchristlichen) Äonen gekommen sind (1.Kor.10,11). . . .

Zuletzt aber wird der Abschluß dieser Endzeit kommen. Auch dieses vollzieht sich in einer gewaltigen, einen langen Zeitabschnitt umspannenden Entwicklung. Diese ganze Zeit vom Abschluß des gegenwärtigen Zeitalters bis hin zum Eintreten der Weltvollendung nennt die Heilige Schrift wiederum einenTag, nämlich den letzten (jüngsten) Tag.

2. „Der Jüngste Tag“
Der Ausdruck jüngster (letzter) Tag findet sich in der Schrift vornehmlich im Munde Jesu (Joh. 6, 39; 40; 44; 54; 12, 48) und gelegentlich auch Seiner Umgebung (Joh. 11, 24). Hierbei bedeutet jüngster Tag, wie Luther übersetzt, dasselbe wie letzter Tag, wie ja in einer Familie der jüngste Sohn der zuletzt geborene Sohn ist. Das genaue griechische Wort heißt letzter Tag.
Zu den Ereignissen des Jüngsten Tages gehört, nach den Worten Jesu, die Auferweckung derer, die der Vater zum Sohn gezogen hat (Joh. 6, 44) und die an den Sohn glauben und ewiges Leben haben (Joh. 6, 40; 54). Ebenso gehört das Gericht über die Verlorenen zum Jüngsten Tag (Joh. 12, 48). Nun aber erklärt die Offenbarung Johannes, daß die erste Auferstehung, an der nur Gläubige teilnehmen werden (Off. 20, 5; 6), zeitlich nicht mit der allgemeinen Auferstehung zusammenfällt, ja daß das ganze Tausendjährige Reich und die darauf folgende kleine Zeit (Gog und Magog) dazwischenliegt: „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten . . . , und sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre. Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig, wer teilhat an der ersten Auferstehung“ (Off. 20, 4‑6).
Wenn aber nun beide Auferstehungen, die erste und die allgemeine, nach den Worten Jesu, zum Jüngsten Tag gehören, so folgt, daß dieser Tag kein Einzelereignis, sondern eine lange Periode sein muß, die zum mindesten die Einleitungsereignisse des Tausendjährigen Reiches, dann dieses selbst und schließlich die darauf folgende kleine Zeit und das allgemeine Weltgericht vor dem Großen Weißen Thron mit umspannt. So ist also derJüngste Tag ebenso ein Gottestag wie der gegenwärtige Tag des Heils, der ja gleichfalls bereits schon heute zahlreiche Jahrhunderte umfaßt. „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ (2. Petr. 3, 8).

Nun aber gehören gerade die Glieder der Gemeinde zu denen, die der Vater zum Sohn gezogen hat (Joh. 6, 44), die an Ihn glauben und darum ewiges Leben besitzen. Und gerade von diesen sagt Christus, daß Er sie auferwecken werde am Jüngsten Tage. Dann aber muß auch die Auferstehung und die Entrückung der Gemeinde zu den Ereignissen des Jüngsten Tages gehören und ebenso ihr damit gleichzeitiges Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi (2. Kor. 5, 10).

Den Zeitpunkt dieses Offenbarwerdens der Gläubigen vor dem wiedergekommenen Herrn nennt Paulus immer wieder den Tag Christi (Phil.2,16; 1.Kor.1,8), wobei er an allen Stellen, an denen er diesen Ausdruck gebraucht, ausnahmslos von dem spricht, was die letzte Endzeit richterlich für die Gläubigen der neutestamentlichen Gemeinde bringt. Niemals gebraucht er in dieser Beziehung den Ausdruck Tag des Herrn.

Der Grund ist folgender: Der Ausdruck Tag des Herrn ist die Wiedergabe des prophetischen Ausdrucks Tag Jahwehs. Er wurzelt also in der alttestamentlichen Weissagung und hatte von hier aus, schon seit Joel (2, 1; 2; 4, 14), einen ganz bestimmten Begriffsinhalt. Er bedeutet die Zeit und Art des Kommens des Reiches Gottes und dieses selbst. Da aber das sichtbare Herrlichkeitsreich, wegen der Sünden Israels und der Völker, durch schwerste Katastrophen und Gerichtsoffenbarungen eingeleitet werden muß, bedeutet in der alttestamentlichen Weissagung der Ausdruck Tag Jahwehs (des Herrn) dasselbe wie letzte Drangsalszeit, die als große Trübsal (Dan. 12, 1) über Israel (Jer.30,7) und die Völkerwelt hereinbricht. Im Neuen Testament hat dann Christus in Seiner Ölbergrede (Matth.24,16; 21; 29) und der Apostel Johannes im Buch der Offenbarung Weiteres darüber ausgesagt (Off. 6‑19). Gelegentlich hat auch Paulus davon geschrieben (2.Thess.1,6‑10; 2,2‑12).  . . .

Den Abschluß bildet dann das Endgericht, der Tag des Gerichts, an dem alle vor Gott zu erscheinen haben, die nicht an der ersten Auferstehung teilgenommen haben. Es ist das Schlußereignis des Jüngsten Tages, die letzte Vergeltung für Menschen und Engel (Judas 6), die gewaltige Abrechnung vor dem Großen Weißen Thron (Off.20, 11‑15; 2.Petr.2, 9; 3,7; Röm.2, 5).

Damit ist das Endziel erreicht, und die Ewigkeit bricht herein. Diese wird in der Schrift bezeichnet als

3. Der „Tag der Ewigkeit“, der „Tag Gottes“
Um ihn herbeizuführen, müssen die Himmel in Feuer geraten und aufgelöst werden und die Elemente im Brande zerschmelzen (2. Petr. 3, 12). Dann ist aller Schauplatz der Sünde dahin, und eine neue Welt steht da, die in Verklärtheit und Heiligkeit Gott Selber zu ihrem Mittelpunkt hat (Off. 22, 3). „Auf daß Gott sei alles in allem“ (1. Kor. 15, 28). Und weil dieser Gottestag der Vollendung nimmermehr enden, sondern in alle Äonen der Äonen fortdauern wird, nennt die Heilige Schrift diesen Tag Gottes eben zugleich auch Tag der Ewigkeit. . . .

11. Der Richterstuhl Christi und der Große Weiße Thron

Zwei große Haupt‑Endgerichte weissagt die Heilige Schrift: das Offenbarwerden der Gemeinde vor dem Richterstuhl Christi und das allgemeine Endgericht vor dem Großen Weißen Thron (2. Kor. 5, 10; Off. 20, 11‑15.) Beide liegen zeitlich weit auseinander. Zwischen ihnen liegt das Tausendjährige Reich (Off. 20, 5).

Abteilungen und Ordnungen in der Auferstehung
Die weithin verbreitete Vorstellung vom Jüngsten Tage als einem Einzelereignis mit nur e i n e m Auferstehungsgeschehen gleichzeitig für Gerechte und Ungerechte und nur e i n e r göttlichen Endgerichtshandlung am Ende der Welt entspricht nicht der neutestamentlichen Prophetie. Vielmehr spricht die Heilige Schrift von einer Auferstehung aus den Toten (Luk. 20, 3 5), einer ersten Auferstehung (Off. 20, 6), ja einer „Ausauferstehung aus den Toten“ (Phil.3,11 wörtl.). Sie spricht von Ordnungen innerhalb der Auferstehung und betont, daß diese durch zeitliche Zwischenräume voneinander getrennt sind. „Gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner Ordnung: der Erstling Christus, danach die Christo angehören, wenn er kommen wird, danach das Ende (d. h. das Ende der Auferstehung, nämlich der übrigen Toten (1.Kor.15,22‑24)“.  . . .

In Verbindung mit diesen Stufen der Auferstehung gibt es auch zwei verschiedene Haupt‑Endgerichte.

Der Richterstuhl Christi
Das erste ist das Offenbarwerden der Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi. Dies geschieht bei der Entrückung der Gemeinde, am Tage Jesu Christi vor der Aufrichtung des sichtbaren Gottesreiches. Hier wird der Wandel der Gläubigen in das Licht des Angesichts Christi gestellt, und ein jeglicher wird empfangen, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse (2. Kor. 5, 10), Verlust oder Gewinn (1. Kor. 3, 14; 15).  . . .

Nehmen wir es darum ernst! Wohl ist es wahr: Wer an den Sohn glaubt, ist vom Endgericht befreit.  Denn Christus, sein Bürge, hat an seiner Statt dies Gericht getragen (Jes. 53, 5; 12), und er selbst ist durch den Glauben mit Ihm eins geworden. Aber ebenso ist es wahr, daß der Tag, an dem die Gläubigen vor dem Richterstuhl Christi zu erscheinen haben, „in Feuer geoffenbart wird“ (1. Kor. 3, 13). Paulus spricht geradezu von der erschütternden Möglichkeit, daß ein Gläubiger, wenn auch persönlich errettet, dennoch so Schaden leidet, daß er einem Menschen gleicht, der bei einem Brande nur mit dem nackten Leben davonkommt (1. Kor. 3, 15).  . . .

 

Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron

Das Gericht vor dem Großen Weißen Thron ist dann das eigentliche, allgemeine Endgericht. Nach dem Zeugnis der Offenbarung findet es erst ganz am Ende der Welt statt, also nach dem Tausendjährigen Messiasreich und der darauffolgenden kleinen Zeit (Off. 20, 11‑15).  . . .

Vor ihm haben alle zu erscheinen, die nicht schon vorher als Glieder der Gemeinde vor dem Richterstuhl Christi offenbar geworden waren.  . . . Die Schrift sagt: „Wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, wurde er in den Feuersee geworfen“ (Off. 20, 15).  . . .

12. Der Triumph des Reiches Gottes

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“ (1. Joh. 5, 4). Die ganze neutestamentliche Heilsentfaltung ist ein gewaltiger Beweis für die Wahrheit dieses Wortes. Die Sache Gottes geht nicht rückwärts, sondern vorwärts.

Der göttlich‑übergeschichtliche Triumph. Die Selbstoffenbarung Gottes als des Heiligen Geistes, des Sohnes, des Vaters

Nach vollbrachtem Erlösungswerk ist Christus gen Himmel gefahren. Seine Zeugen tragen die Botschaft vom vollen Heil Gottes in die Menschheit hinaus. Ihre Anwesenheit in der Welt ist zugleich sichtbare Vertretung ihres abwesenden Herrn (2. Kor. 5, 20). Christus Selbst aber ist unsichtbar. (1.Petr.1,8; Röm.8,24; 2.Kor.5,7).

Darin aber liegt zugleich eine Spannung von ungeheurer Dynamik. Das geradezu rätselhafte Geheimnis des gegenwärtigen Zeitalters ist das Nebeneinander von Offenkundigkeit des Reiches Satans und Verborgenheit des Reiches Gottes! . . . Darum muß Gott einen Tag herbeiführen, an dem Er diese Spannung auflöst. Dies ist der Sinn der Wiederkunft Christi. Christus wird sichtbar werden und Sein Reich aufrichten. . . . Und dann wird eine neue Heilszeit anbrechen: die Zeit der sichtbaren Königsherrschaft des Sohnes Gottes.

Aber auch dies ist noch nicht das Endziel. Die Schrift sagt: „Christus muß herrschen, bis er alle seine Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (1. Kor. 15, 25). Dann wird Er das Reich Gott Seinem Vater übergeben, und auch der Sohn Selbst wird Dem unterworfen sein, der Ihm alles unterworfen hat, auf daß Gott alles sei in allem (1. Kor. 15, 24; 28). Dann wird das eigentliche Endziel erreicht sein: der ewige Zustand, das Reich Gottes des Vaters.

So trägt die neutestamentliche Heilsentfaltung deutlich ein trinitarisches Gepräge. Aus dem Urgrund des göttlichen Wesens treten die göttlichen Personen immer klarer hervor, und die Heilsgeschichte seit Golgatha wird zu einer stufenweise voranschreitenden Selbstoffenbarung des großen Gottes, des Heiligen Geistes, des Sohnes und des Vaters.

Der allgemein heilsgeschichtliche Triumph – Die Entfaltung des Heils in Gemeinde, Völkerwelt und verklärtem Universum

Das Ziel Gottes in der gegenwärtigen Heilszeit ist die Schaffung der neutestamentlichen Gemeinde (Ekklesia). Aus allen Völkern heraus werden Menschen durch das Evangelium zu Christus gerufen. Dies ist zweifellos ein gewaltiges Werk. Wenn einmal die Gemeinde in der Vollendung vor Christus stehen wird, werden es Tausende mal Tausende und Zehntausende mal Zehntausende sein; denn die Gemeinde des Neuen Testaments in ihrer Vollzahl ist die Gesamtheit aller wahrhaft Christusgläubigen aus allen Ländern und Völkern vom Pfingsttage an bis zur Parusie Christi. Verglichen aber mit den Milliarden der allgemeinen Menschheit ist ihre Zahl nur gering. Es ist die „kleine Herde“, wie Jesus sie nennt. . . .

Dennoch aber schafft Gott in der Heilsgeschichte auch in dieser Hinsicht eine Ausweitung Seines Heilsumfanges. Wenn Christus Sein Reich aufgerichtet hat, werden die Völker als Völker unter die Segnungen Seiner Offenbarung gestellt werden, und Israel und die Völkerwelt in ihrer Gesamtheit werden in den Strahlenkreis des Herrlichkeitsreiches gerückt sein. Dies ist unverkennbar die Erwartung der alttestamentlichen Prophetie.  . . .

Der Sieg Christi in der Rechtfertigung und Heiligung des einzelnen

In der Tat, jedesmal wenn eine Menschenseele sich Christus unterwirft und im Glauben Sein vollbrachtes Heil ergreift, ist dies ein Sieg des erhöhten Christus durch Seinen Geist. . . .

Zuletzt aber kommt die Vollendung.

Der volle Triumph in Auferstehung und Weltverklärung
Auch geistleiblich wird sich der Triumph des Reiches Gottes auswirken. Daher die Auferstehung der Toten und die kommende Geistleiblichkeit (1. Kor. 15, 42‑49).  . . . „Wenn aber dies Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? . . . Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus!“ (1. Kor. 15, 54‑57).

So steht es denn da wie ein leuchtendes Motto der ganzen Erlösungsgeschichte von Ewigkeit zu Ewigkeit: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

13. Satan ‑ der Widersacher Gottes.  Siehe: (  https://horst-koch.de/satan-der-widersacher-gottes/  )
. . .  Auch Satan hat seine Geschichte. Es ist die klare, eindeutig erkennbare Lehre der Schrift, daß Satan keine abstrakte Idee, sondern eine konkrete, personhafte, übersinnliche Realität ist, ein mit höchster Intelligenz begabtes, zwar gefallenes, aber nichtsdestoweniger überaus machtvolles Geistwesen gerade seine Werke zu zerstören und die gefallene Schöpfung für Gott zurückzugewinnen, war der Hauptsinn des Erlösungswerkes Christi (1. Joh. 3, 8).  . . .

14. Gottes Gesamtreichsplan

Alle diese gewaltigen Entwicklungen im Bereich des Göttlichen, Menschlichen und Dämonischen gehören zur Geschichte des Reiches Gottes. Das Reich ist das königliche Heilswirken Gottes zur Durchführung Seines Schöpfungs‑ und Erlösungsratschlusses.  . . .

Somit ist Reich Gottes mehr als nur „Tausendjähriges Reich“. Schon die alttestamentliche Gottesherrschaft in Israel war Reich Gottes, das dann später seinen bisherigen Besitzern, den Juden, wegen ihres Unglaubens weggenommen werden mußte (Matth. 21, 43). Auch die gegenwärtige Gemeindeheilszeit ist Reich Gottes, das zwar „im Geheimnis“ verborgen (Matth. 13, 11), aber dennoch kraftvoll vorhanden und wirksam ist.  Auch der ewige Zustand, die letzte Vollendung, ist „Reich Gottes“, eben das „himmlische Reich“, für das die Erlösten bewahrt werden (2. Tim. 4, 18).

Und weil dies alles vom Himmel her kommt, den Himmel in sich trägt und in Gott, als dem König des Himmels, seinen schöpferischen Urgrund und seine herrschende Spitze hat, heißt diese Königsherrschaft Gottes auch zugleich Königsherrschaft der Himmel. Denn wo Gott ist, da ist der Himmel, und wo Er regiert, bringt Er den Himmel mit Sich. Darum ist die Botschaft von Seiner Königsherrschaft zugleich „Evangelium vom Reich“, d. h. rettende Freuden‑ und Heilsbotschaft, daß Gott König ist.

Von größter Bedeutung ‑ namentlich für uns, die wir in dem gegenwärtigen Gemeindezeitalter leben ‑ ist darum am Schluß unserer Ausführungen über den göttlichen Erlösungsplan die Frage: „In welchem Verhältnis steht die neutestamentliche »Gemeinde« zu diesem »Reich«? Nur kurze Andeutungen können hier gegeben werden.

Das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zum gegenwärtigen Reich

Es ist ein mehrfaches. Wir denken hierbei an die gegenwärtige Erscheinungsform der Königsherrschaft Gottes in ihrem geistlichen Vollsinn, an das Reich „im Geheimnis“, d. h. die Königsherrschaft Gottes in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen des Herrn. In diesem Sinne sagen wir:
Alle Glieder der Gemeinde gehören zum Reich, und alle wahren Bürger des Reiches gehören zur Gemeinde.

Wohl gehören zur Einflußsphäre des Reiches auch tote Bekenner (Matth.7, 21‑23; 13, 41; 22, 11‑14) und alle Auswirkungen des Christentums in Moral, Kunst, Kultur, Gesetzgebung und Weltgeschichte; aber zum eigentlichen Reich selbst gehören nur die, die von neuem geboren sind (Joh. 3, 3; 5). Diese aber sind in der Jetztzeit die Gemeinde. Darum ist die stets auf der Erde lebende Gemeindegeneration zugleich die jeweilige Bürgerschaft des Reiches Gottes in der betreffenden Geschichtszeit (Eph.2,19; Phil.3,20; Kol.1,13).

Ferner:

Die Gemeinde ist die Frucht des Reiches, d. h. das Ewigkeitsergebnis der Wirksamkeit der gegenwärtigen Königsherrschaft Gottes in Christus durch Sein Wort und durch Seinen Heiligen Geist. Denn indem das Wort vom Reich – die Freudenbotschaft vom erlösenden Königsein des Rettergottes ‑ gepredigt und geglaubt wird, entsteht die Gemeinde (Apg. 20, 25; 28, 31). Die Bekehrung ist, nach Paulus, ein Gehorsams‑ und Unterwerfungsakt (Apg. 26, 19), die Evangeliumsverkündigung ein Buße–Gebieten.
Mit der Bekehrung und Wiedergeburt jedoch vollzieht sich die Eingliederung des einzelnen in die Gemeinde und damit der Aufbau der Gemeinde selbst.

Die Gemeinde in ihrer Vollendung ist dann die Gesamtheit aller derer, die zu allen Zeiten und an allen Orten in der gegenwärtigen Gnadenzeit Christus als ihren Herrn angenommen haben (1. Kor. 12, 3) und somit aus der „Obrigkeit“ der Finsternis versetzt worden sind in das „Königreich“ (griech. basileia) des Sohnes Seiner Liebe (Kol. 1, 13).
Das heißt also, die Gemeinde in ihrer Ganzheit ist die Vollzahl aller Bürger der gegenwärtigen Reichszeit, die Summe aller Glaubensgenerationen unter der gegenwärtigen Erscheinungsform der Königsherrschaft Gottes.

Was das geistliche Leben betrifft, so verhält sich die Gemeinde zur gegenwärtigen Gottesherrschaft wie ein lebendiger Organismus zum Geist. Denn Gemeinde ist da, wo Christus von erlösten Menschen als „Herr“ anerkannt wird.
Die Königsherrschaft Gottes ist also das innere Wesen der Gemeinde. Die Gemeinde ist der Organismus, in dem das königliche Herrschen Gottes durch Seinen Heiligen Geist praktisch verwirklicht wird (1. Kor. 12, 3). Darum vergleicht Paulus die Ekklesia auch mit einem Staatswesen (Phil. 3, 20).

Die Erlösten sind ein Volk (Apg. 15, 14),
Mitbürger der Heiligen (Eph. 2, 19),
ein Königreich von Priestern (1. Petr. 2, 9), und Paulus, der besondere apostolische Bannerträger der Gemeindewahrheit (Eph 3, 1‑l0), nennt seine Mitarbeiter in der Gemeinde zugleich Mitarbeiter am Reiche Gottes (Kol. 4, 11). Und schließlich:

Die Gemeinde ist in der gegenwärtigen Reichszeit die Gesandtschaft des Reiches. Wir sind „Gesandte für Christum“ (2. Kor. 5, 20). Die Gemeinde hat ihre himmlische „Obrigkeit“, d. h. Gott, ihren Herrn, und Christus, in dessen „Königreich“ sie ist (Kol. 1, 13), hier im fremden Land zu vertreten. Dies ist ihre Lebensaufgabe auf Erden.

So ist das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zur gegenwärtigen Erscheinungsform der Königsherrschaft Gottes, der Hauptsache nach, ein vierfaches. Sie ist

ihren Personen nach die Bürgerschaft des Reiches,
ihrer Existenz nach die Frucht der Reichsbotschaft,
ihrem Wesen nach der Organismus des Reiches,
ihrer Aufgabe nach die Gesandtschaft des Reiches. . . .

Das Verhältnis der neutestamentlichen Gemeinde zum ewigen Reich

Das Reich Gottes in seiner Erscheinungsform als Herrlichkeitsreich ist das Herrschaftsbetätigungsgebiet der Gemeinde. „Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden?“ (1. Kor. 6, 2; 3.) „Fürchte dich nicht, du kleine Herde; denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das »Reich« zu geben“ (Luk. 12, 32). Die Gemeinde ist also der „Regierungsstab“ des kommenden Reiches Gottes.

Und die Geheiligten in Christo werden das Reich „ererben“ (1 Kor.6,10; Eph.5,5; Gal.5,21). Sie werden in dasselbe „eingehen“ (Apg. 14, 22). Es ist ihr Wanderziel…, und es ist ihre Belohnung, um dessentwillen sie in der Gegenwart leiden (2. Thess. 1, 5).
Darum gilt es, würdig zu wandeln dieser hohen Berufung (Eph. 4, 1). Darum gilt es, mit Paulus, die Königsherrschaft Gottes zu verkünden (Apg. 20, 25; 28, 31).

Die Reichsbotschaft der Gemeinde

Im Hinblick auf alles sittliche Verhalten des Menschen verkünden wir das „Reich“ als Totalitätsanspruch Gottes. Evangelium verkünden heißt, den „Heilserlaß“ Gottes heroldartig proklamieren. . . .

Im Hinblick auf alle Armut des Menschen verkünden wir das „Reich“ als Geschenk Gottes. Nach der Schrift wird das zukünftige Reich nicht auf Erden, sondern im Himmel übergeben (Dan.7,13; Luk.19,12). Es kommt nicht durch Fortschritt, sondern durch Umbruch, nicht durch moralische Aktivierung, sondern durch göttliche Erneuerung. . . .

Im Hinblick auf alle Unfähigkeit des Menschen verkünden wir das Reich als Kraft Gottes.
Erst das Reich des erschienenen Gottkönigs wird die politischen und sozialen Probleme der Menschheit zu lösen imstande sein. Erst Christus wird Friedebringer sein unter den Nationen (Jes. 2, 2‑4).
Erst Er wird den Armen und Waisen das wahre Recht sprechen und eine gerechte Verteilung der Güter der Welt herbeiführen (Jes. 11, 3‑5).
Erst Er wird das Böse in der Menschheit überwinden und den Nationen reine Lippen geben (Zeph. 3, 9).
So wird Er eine wahre, menschheitliche Gemeinschaft herbeiführen, und Sein Reich wird, als Kraft Gottes, ein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Heiligkeit und der Liebe sein.

Nicht Bündnis zwischen Gott und Menschenruhm, sondern Zerschmetterung des gottfeindlichen Weltreichs durch das Gottesreich (Dan. 2, 34; 44; 45), so vollzieht sich die Vollendung des gegenwärtigen Äons. . . .

 

Im Hinblick auf alle Sehnsucht des Menschen verkünden wir das zukünftige Reich als Menschheitsziel Gottes.
Erst die Königsherrschaft des Ewigen bringt die Erfüllung aller Menschheitsideale.
Erst dann wird die Verwirklichung wahren, edlen Menschentums eintreten. . . .

Im Hinblick auf alle Feindschaft der Menschen verkünden wir das Reich als den Sieg Gottes. Der Stein, der den Koloß Nebukadnezars zerschmettert, erfüllt dann die ganze Erde.  . . . 

Und schließlich: Im Hinblick auf alle Größe der Menschen verkünden wir das Reich als Herrlichkeit Gottes.
Darum rühmen wir Jesus Christus, verkünden Seine Tugenden (1. Petr. 2, 9), zeigen die Größe Seiner Königsgewalt und die Majestät und Erhabenheit Seiner Person. Er Selbst ist der Inhalt unserer Botschaft. „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus, und Ihn als Herrn“ (2. Kor. 4, 5).  . . .

 

Zweiter Teil
Die Bibel – das Buch der Heilsgeschichte
Dritter Teil
Das kommende Reich Gottes  ( Das Tausenjährige Reich )

Dieser Beitrag wurde von Horst Koch zusammengestellt, aus dem Buch: Erich Sauer, GOTT, MENSCHHEIT UND EWIGKEIT, 2. Auflage, 1955.
– Die Hervorhebungen im Text sind von mir –

H. Koch, Herborn, im Dezember 2005

Aus Raumersparnisgründen sind Teil II und III hier ausgeklammert und separat erhältlich bei info@horst-koch.de

desweiteren unter www.horst-koch.de 

Sauer: Die Bibel- das Buch der Heilsgeschichte.
Sauer: Das Tausendjährige Reich.
Sauer: Der Ursprung des Bösen;
Sauer: Der Antichrist;
Sauer: Die Geschichte Israels;
Sauer: Das babylonische Völkergericht.