Freimaurerei (A.E.Wilder-Smith)
A.E. Wilder – Smith
FREIMAUREREI UND CHRISTENTUM
– Auszug aus seiner Biographie >Es war ein reiches Leben< Seiten 102 – 112
Was mein Vater glaubte
Nachdem ich Christ geworden war, versuchte ich, meinen Vater und seinen freimaurerischen Glauben besser zu verstehen. Vaters Einstellung, wie ich bereits erwähnte, war, dass er die wahre Religion für Männer gefunden habe. Wir dagegen hätten die Religion für Frauen und Kinder angenommen. Aber er äußerte nie etwas Spezifisches über seinen Glauben. Das dürfen Freimaurer nicht. Sie sind durch Eide zur absoluten Schweigsamkeit verpflichtet. Besonders die britischen Freimaurer sind sehr verschlossen. Sie dürfen für ihre Logen auch keine Werbung durchführen, dürfen niemanden direkt einladen, Freimaurer zu werden. Sie kennen die Bibel besonders das Alte Testament gut. Wenn man sie direkt fragt, was sie glauben, geben sie nie eine wirklich informationsreiche Antwort. Aber für das Evangelium Christi interessieren sie sich meist nicht. Gottes Sohn ist für sie nur ein guter Mensch, nicht unser Schöpfer, der für uns am Kreuz starb. Mein Vater war in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Mit Mutter ging er zur Kirche ab und zu und wenn der Pfarrer ein Logenbruder war.
Man muss bedenken, dass viele anglikanische Pfarrer Freimaurer sind. Zur Zeit Oliver Cromwells in England ging die Parole um, dass man die »Priester Baals« ausrotten soll. Als Schulkinder haben wir dieses Wort nie verstanden, denn Oliver Cromwell wurde uns als Politiker hingestellt, der ein religiöser Fanatiker und Fundamentalist war. Später habe ich durch meine Studien des Freimaurertums verstehen gelernt, was Oliver Cromwell mit diesem Ausspruch unter »Priester Baals« sagen wollte. Er meinte damit anglikanische und andere Pfarrer, die Freimaurer waren. Denn der Name Baals kommt in den Namen der Gottheit der Freimaurer vor. Sie rechnen sich selbst (die Freimaurer) zu den alten babylonischen Mysterien, weil der Logen Ritus zu den uralten Kulten heidnischer babylonischer Herkunft gehörte, obwohl er mit alttestamentlichen Zitaten angefüllt ist.
Aber eine gewisse sichere Auskunft über Vaters Glauben konnten wir nie ermitteln. Mutter las ihm 40 Jahre lang jeden Abend im Bett aus der Bibel vor. In den ersten Jahren ihrer Ehe drehte sich Vater von ihr weg, als sie zu lesen anfing, aber in späteren Jahren bat er Mutter, ihm jeden Abend aus der Bibel vorzulesen. Ohne Mutters Bibellesen wollte er, als er alt war, nicht einschlafen. Er interessierte sich besonders für gewisse Stellen aus dem Alten Testament und schien sie gut zu kennen (z. B. Prediger 12). Aber Mutter erfuhr nie, was Vater eigentlich glaubte. Sie wusste nur, dass er an den Herrn Jesus Christus als Sohn Gottes, der für unsere Sünden am Kreuz starb und auferstand, nicht glaubte. Ein solcher Glaube sei etwas für Frauen und Kinder, nicht aber für erwachsene Männer, pflegte er zu sagen.
Um eine Unterhaltung mit anderen Menschen erfolgreich zu führen, muss man gemeinsame Interessen finden. Wir konnten aber auf dem Gebiet des Glaubens nichts Gemeinsames mit Vater finden, sodass es schwerlich zu einer vernünftigen Unterhaltung mit ihm über innere Dinge kam. Aber antireligiös obwohl anti-anglikanisch war er nicht und tat, wie wir immer wieder feststellten, unter Armen, Witwen und Waisen im Dorf heimlich viel Gutes. Aber an was glaubte er wirklich? Das war die große Frage für uns alle.
Ich hatte eine Tante in den USA, die gläubig war und die uns einmal besuchte. Sie war eine intelligente, fromme Dame, die über viel Wissen verfügte. Ich sprach anlässlich ihres Besuches bei uns über dieses Mysterium von Vaters Glauben, wobei sie mir verriet, dass sie bei sich zu Hause Bücher zu diesem Thema besäße. Man könnte jedoch diese Bücher nicht durch die öffentliche Post schicken, sie hätten die Angewohnheit, während des Transits in der Post spurlos zu verschwinden. Der Verlag, der die Bücher vor langer Zeit herausbrachte, sei mehrere Male auf mysteriöse Weise durch Brandstiftung zerstört worden, und der Besitzer sei auch auf unerklärliche Art und Weise verschollen. Sie würde mir aber die Bücher als versiegelten eingeschriebenen Brief – nicht als offene Drucksache – senden, wenn ich versprechen würde, sie sorgfältig und diskret aufzubewahren. Ich versprach ihr das, und nach einigen Monaten traf ein dicker R-Brief bei uns ein, der die versprochenen Bücher enthielt. Eins davon besitze ich heute noch.
In diesem Buch war der vollständige Schlüssel zum »Gebetsbuch« der Freimaurer enthalten. Vielleicht wissen einige meiner Leser von diesen Dingen nichts. Deshalb muss ich jetzt einiges vorwegnehmen. Onkel Frank und Vater lasen bei ihren Zusammenkünften bei uns – meist freitagabends – aus einem kleinen schwarzen Buch, das so aussah wie ein anglikanisches Gebetsbuch. Einige Male ließ Vater aus Versehen dieses Buch herumliegen, und wir Kinder waren neugierig und schauten hinein. Aber wir verstanden nichts – oder sehr wenig. Das Buch war zwar auf Englisch geschrieben, aber entscheidende Stellen in den meisten Sätzen enthielten nur Buchstaben – Konsonanten – und keine vollständigen Wörter, sodass man den Sinn nur dann verstehen konnte, wenn man die Bedeutung der Konsonanten kannte – so z. B. die Buchstaben »J.B.O.«, die Jahwe, Baal und Osiris bedeuten. J.B.O. ist der Name des Gottes der Freimaurer! Das Buch war, kurz gesagt, streng verschlüsselt, sodass der Uneingeweihte aus dem Text praktisch nichts herausholen konnte. Vater wurde aber böse, als er uns einmal beim Blättern in seinem Büchlein erwischte.
Am 13.06.1985 hörte ich auf Radio BBC 4 um 8.00 Uhr morgens von der BBC London einen Bericht über das Wesen der Freimaurer, herausgegeben von der methodistischen Kirche Großbritanniens. Ein methodistischer Pfarrer kommentierte den amtlichen methodistischen Bericht über Freimaurer und behauptete, dass die Freimaurerei eine Gefahr für Christen sei. Als Grund für diese Gefahr gab er an, dass die unterrichteten Freimaurer an einen Gott glauben, dessen Name bekannt sei. Dieser Name sei aus drei Religionen zusammengestellt. Zwei davon seien rein heidnisch und nicht christlich. Der dritte Name Gottes sei jüdisch. Der Interviewer bat ihn dann, diesen dreifachen Namen des Freimaurergottes zu nennen. Der Berichterstatter zögerte, aber der Radiointerviewer gab sich nicht zufrieden, bis der methodistische Pfarrer den Namen des Freimaurergottes nannte: »Jaobulon« – eine Zusammensetzung also von Jahwe, Bul oder Baal und On oder Osiris. In den Freimaurerbüchern wird dieser Name Gottes nur verschlüsselt in der Form von Buchstaben aufgeführt als J.B.O. Freimaurerei ist also eine akute Form von Synkretismus, eine Verschmelzung von vielen Religionen, darunter heidnischen Religionen.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich gehört, wie der Freimaurergott beim Namen – und zwar öffentlich im Radio – genannt wurde, richtig genannt und auch ausgedrückt wurde. Freimaurer selbst dürfen den großen, geheimen Namen ihres Gottes nie allein aussprechen. Jeder Einzelne darf nur silbenweise den unaussprechlichen Namen aussprechen, sodass sie in Gruppen von drei Freimaurern, mit Händen einen Kreis bildend, anbetend gemeinsam den Namen leise silbenweise – jeder Freimaurer eine Silbe – aussprechen. Der erste Freimaurer sagt »Jao«, dann kommt der zweite, der die Hände des ersten und des dritten Freimaurers hält und sagt »Bul«. Der dritte, der anbetend und mit den Händen der anderen verbunden ist, sagt »On«. Niemand darf den ganzen Namen Gottes allein aussprechen. Wer das tut, ist des Todes schuldig. So stehen die Freimaurer in Gruppen von drei, Hände haltend, in der Loge, und nur eine Gruppe von dreien darf den unaussprechlichen Namen silbenweise und gemeinsam über die Lippen gehen lassen.
Nun, die meisten Freimaurer wissen das alles nicht. Erst in den viel höheren Graden – wenn sie so weit kommen – lernen sie den Namen ihres Gottes kennen. Bis sie so weit sind, zählen sie schon zu den älteren erfahreren Freimaurern, die ihr Leben lang Eide geleistet haben, den unaussprechlichen Namen nie zu verraten, obwohl sie ihn jahrelang nicht kennen. Bei der echten Freimaurerei handelt es sich also um eine Verbindung der Gottheit »Jahwe« des Alten Testaments mit den zwei großen Gottheiten der Heiden »Baal« (Bul) und »On« (Osiris). Das ganze Alte Testament und das ganze Neue Testament verbieten gerade Synkretismus dieser Art, und zwar aufs Strengste. Es handelt sich also nach der Bibel um »Abgötterei«.
In den höheren Graden der Freimaurerei, die nur eine ganz kleine Elite erreicht (z.B. Königliche Arche im 33. Grad), lernt man diesen synkretistischen Namen kennen.
Die Eide, die die Freimaurer leisten müssen, schon vom neuesten Lehrling an, sind haarsträubend … und absolut unchristlich. Bei der Einführung eines Mannes in die Loge muss er zuerst anfragen, ob man ihn aufnehmen würde. Er wird darin diskret geprüft. Ungelernte Leute von der Straße nimmt man nicht auf, sondern nur Menschen, die im Leben einen Status haben. Wird man in die Loge zugelassen, kann einem im Leben nicht viel Böses passieren, denn der Freimaurer verspricht, in geschäftlichen und beruflichen Angelegenheiten immer einen Logenbruder zu bevorzugen. Wenn z.B. ein Freimaurer Richter und der Angeklagte vor ihm auch Freimaurer ist, kann letzterer das Freimaurer Zeichen geben und sich auf Hilfe aus seiner Not seitens des Richters verlassen. Er braucht nur versteckt, mitten in der Unterhaltung, sodass ein Außenstehender es nicht merkt, auszusprechen: »Gibt es denn keine Hilfe für den Sohn einer Witwe«? (Hiram, der König von Tyrus, war der Sohn einer Witwe und spielte im Logen Ritus eine bedeutende Rolle.) Wenn ein Freimaurer diesen Hilferuf vernimmt, darf er nicht ruhen, bis er seinem Bruder in der Not geholfen hat. Ich wurde als ältester Sohn meines Vaters und meiner Mutter in dem Jahre geboren, in dem mein Vater Meister des Stuhles in der Loge war. Aus diesem Grund bin ich in der Freimaurersprache ein »Louis«. Ich hätte als Freimaurer besondere Rechte und Pflichten. Wäre mein Vater gestorben oder wäre er nicht in der Lage gewesen, für meine Ausbildung aufzukommen, so hätten die Freimaurer mich gratis ausgebildet. Obwohl man mich im Middlesex Hospital, als ich dort in der Krebsforschung tätig war, oft diskret aufforderte, in die Loge einzutreten, lehnte ich diesen Schritt als Christ immer entschieden ab.
Sind wir aber sicher, dass all diese Auskünfte den freimaurerischen Tatsachen entsprechen oder sind sie nur Märchen, die die Feinde des Freimaurertums erfunden haben? Man darf sich auf das Zeugnis von nur einer Quelle nicht verlassen. Man braucht die Bestätigung von möglichst vielen Seiten, sonst kann man sehr getäuscht werden. Es lag mir wirklich viel daran, meinen Vater innerlich zu verstehen, denn er war ein guter Mann, der besonders bei den Armen viel Gutes tat. Freimaurer im allgemeinen sind oft vorbildlich in ihrer Lebensführung und moralisch sehr hoch stehend. Das war mein Vater ganz bestimmt, obwohl er nie den Namen Christi bekannte.
Um ganz sicher zu sein, dass meine Quellen echt waren, ging ich folgendermaßen vor. Ich nahm meine Bücher aus den USA über die Freimaurerei zur Hand und lernte die Entschlüsselung sorgfältig auswendig. Dann lernte ich auch den Ritus zur Initiation des Maurerlehrlings auswendig, d. h. die Fragen, die dem Eintretenden gestellt werden und die Antworten, wenn er vor den verschlossenen Türen der Loge steht und anklopft. Dreimal klopft er an, nachdem man ihm die Augen mit einer Augenbinde verbunden hat, sodass er nicht sehen kann und seine Kleider ausgezogen hat. Er zieht dann eine besondere Hose mit nur einem Bein an und klopft. Jemand steht hinter ihm mit einem gezückten Schwert, die Spitze davon wird ihm immer wieder in den Rücken geschoben, sodass er weiß, dass er nicht zurück darf. Beim dreifachen Klopfzeichen antwortet es durch die Tür der Loge: »Wer geht da?«
Der Kandidat antwortet: »Ein armer Kandidat auf der Suche nach Licht!«.
Die Tür geht dann auf und, mit dem Schwert im Rücken, wird der Kandidat, der natürlich nicht sehen kann, wo er ist, nach vorne gesteuert. Er merkt, viele Menschen sind um ihn herum. Er wird in die Knie gezwungen und das heilige Buch des Gesetzes wird ihm zwischen die gefalteten Hände geschoben. Wenn man die Bibel (d. h. das Alte Testament) so zwischen die gefalteten Hände nimmt, weiß jeder unterrichtete Freimaurer, was das zu bedeuten hat! Dann wird Satz für Satz der erste Eid, den er leisten muss, vorgelesen. Der Kandidat muss jeden Satz und jeden Teilsatz nachsprechen, obwohl die Silben, die er der Reihenfolge nach wiederholen muss, noch nicht sinnvoll sind. Ohne zu wissen, was der ganze Eid bedeuten wird, muss er alles silbenweise nachsagen, bis er mit den Aussagen fertig ist. Sehr kurz gesagt, der Kandidat schwört, dass er seine Zunge mit den Wurzeln ausreißen lassen und seine Leiche am Sand des Meeres begraben lassen will, wo Ebbe und Flut zweimal täglich fließen, wenn er die Geheimnisse preisgibt, die er jetzt erfahren wird. Das Lächerliche am Ganzen ist, dass er nach diesem fürchterlichen Eid kein nennenswertes Geheimnis erfährt. Erst viel später im 33. Grad der königlichen Arche und in anderen höheren Graden erfährt er das wirkliche Wesen der Freimaurerei, darunter den unaussprechlichen Namen der »Gottheit«. Die meisten jungen Freimaurer haben nicht die blasseste Ahnung davon, was sie in Wirkhchkeit tun und getan haben. Erst nach vielen Jahren der abgründigsten Eidleistungen, wie ich oben ein Exempel zitiert habe, lernen sie Nennenswertes z. B. den Namen ihrer »Gottheit«! Deshalb behaupten viele junge Freimaurer, dass alles in der Loge mit dem Christentum zu vereinbaren sei. Denn dort in der Loge lernen sie viel aus dem Alten Testament auswendig über den Bau des Tempels etc. was alles harmlos zu sein scheint. Erst viel später erfahren sie, dass die Loge eine geheime Kammer im Tempel Gottes in Jerusalem darstellt, wo die Priester Gottes heimlich den Baalim dienen und Gott den Rücken kehren! Deshalb verlangte Oliver Cromwell in England die Schlachtung der Priester Baals: Er, Oliver Cromwell, wusste mancherlei, was man heute längst vergessen hat.
Nun, woher soll man all das wissen? Ich war noch nie in der Loge und haben den Ritus nie direkt gehört, noch beobachtet. Ich war damals jung und schäme mich heute über meine radikalen Methoden meinem Vater und meinem Onkel gegenüber. Ich hätte bestimmt mehr Ehrfurcht vor den Alten aufbringen müssen. Aber Jugend ist Jugend, und ich schäme mich in meinem Alter, dass ich auf solche Ideen kam. Ich bin nämlich folgendermaßen vorgegangen: Onkel Frank und Familie waren eines Abends zum Abendessen zu uns gekommen. Danach sollte Onkel Frank den Freimaurerritus mit Vater durchüben. Unsere Familie ging ins Bett und die anderen fuhren nach Hause. Ich aber blieb auf und las in einem Buch im Wohnzimmer. Vater und Onkel holten ihre kleinen Bücher (Gebetsbücher freimaurerischer Art) vor, lasen darin und sagten kein Wort, bis ich gegangen wäre. Aber ich ging nicht. So lasen sie für sich in ihren kleinen schwarzen Büchern weiter. Alles war mucksmäuschenstill. Die Uhr tickte, oben im Hause war es ruhig geworden. Ich fing ganz leise an, den Initiationsritus eines Freimaurerlehrlings vorzurezitieren: »Klopf, klopf, klopf«, »Wer geht da?« »Ein armer Kandidat auf der Suche nach Licht!« Ich sagte alles wortgetreu auf, genau, wie es verschlüsselt in den Büchern steht, aber ich sagte es natürlich ohne Verschlüsselung. Onkel und Vater schauten sich, offenbar bestürzt, an, sagten aber kein Wort. Dann schloss ich den ca. 20 Minuten dauernden Ritus mit dem schrecklichen Schlusseid ab dass ich meine Zunge an der Wurzel herausreißen lassen und meine Leiche am Sand des Meeres begraben lassen würde, wo Ebbe und Flut zweimal täglich fließen, wenn ich je verraten würde, was ich jetzt erfahre. Dann hörte ich auf und saß stille über meinem wissenschaftlichen Buch. Ich machte absolut keinen Kommentar. Ich hatte nur den Ritus, den reinen Ritus, ganz leise, aber wortgetreu zitiert, nichts anderes.
Vater und Onkel schauten sich gegenseitig erschrocken an. Dann platzte mein Vater und rief aus:
»Du willst Christ sein und bist ein Dieb. Du hast mein Büchlein, mein schwarzes geheimes, privates Büchlein gestohlen.«
»Nein, sagte ich, »du weißt, Vater, dass ich das nicht tun würde. Ich weiß aber, dass alles, was in deinem Büchlein steht, verschlüsselt ist. Ohne die Verschlüsselung kann ich es nicht lesen.
Aber eins weiß ich jetzt für alle Zeiten, dass all das, was ich aufgesagt habe, in deinem schwarzen Büchlein stehen muss. Sonst hättet ihr nicht so reagiert. Stimmt das oder nicht?«
Die beiden alten Männer schauten sich immer noch erschrocken an. Mein Vater gewann sein Gleichgewicht zuerst wieder und sagte, dass sei absoluter Quatsch, er wisse nicht, wo ich dieses dumme Zeug, das ich rezitiert hatte, her hätte. Ich wusste, dass der Freimaurer auf diese Weise zu reagieren verpflichtet war. Wenn ein Geheimnis des Ritus oder des Freimaurerglaubens herauskommt und jemand erfährt, was die Freimaurer wirklich glauben, ohne aber selbst Freimaurer zu sein, dann ist der Freimaurer durch Eid verpflichtet, die Wahrheit zu leugnen. Er muss behaupten, dass das, was man über Freimaurer erfahren hat, Unsinn ist. So erwiderte ich den beiden Männern, dass ich auch diesen Eid zu lügen, wenn die Wahrheit herauskam, kannte. Dies bestärkte mich in meiner Überzeugung, dass sie beide unter Eid so zu reagieren hatten, sollte der Ritus herauskommen.
Bis ich aufstand, um ins Bett zu gehen, beteuerten beide Männer, dass der von mir rezitierte Text ihnen unbekannt sei. Woraufhin ich noch einmal fragte, warum mein Vater als erste Reaktion behauptet hätte, ich hätte sein Büchlein gestohlen, nachdem ich den ganzen Ritus rezitiert hatte? Wenn ich auf der falschen Spur gewesen sei, hätte er eine solche Beschuldigung nie gemacht!
Vater und Onkel Frank waren nach dieser Begebenheit besonders lieb und entgegenkommend zu mir was ich nie verdient hatte. Und, wie ich erwartete (denn ich kannte die Eide, die sie geleistet hatten), versuchten sie, mich für die Loge zu gewinnen. Jedesmal aber, wenn sie mir die Vorteile der Loge diskret vortrugen, machte ich sie darauf aufmerksam, dass kein Freimaurer, der wirklich echt ist, für die Loge versteckt oder öffentlich werben wird. Gerade das sei nach ihren eigenen Regeln und Eiden tabu. Sie hörten dann immer sofort mit ihrer diskreten Werbung auf!
Als ich aus Spaß und Ulk später in London meinen Chef, der wie die meisten führenden Leute in England Freimaurer war, hereinlegte, indem ich ihm so ganz nebenbei beim Verabschieden den Freimaurerhandgriff gab ich kann mich als »Freimaurer ausweisen« schaute er mich erstaunt und treu an und sagte, dass er sich wirklich sehr freue zu vernehmen, dass auch ich «einer von uns« sei.
Glasblasen und Freimaurerei
Während des Krieges saß ich einmal in meinem Labor am Glasbläsertisch. Weil wir keine Glasbläser mehr im Labor hatten – sie waren alle in der Armee , lernte ich Anfang des Krieges selbst das Glasblasen, und zwar bei einem Meisterglasbläser. Ich war für dieses Können dankbar, denn die heikle Mikroapparatur, die ich in der Forschung oft brauchte, konnte ich dann in kürzester Zeit selbst blasen. Ich saß also am Glasbläsertisch und hatte gerade einen Mikrodestillationsapparat angefertigt. Diese Apparatur wies drei »doppelt versiegelte Fugen« auf, die heikel anzufertigen sind. Im Krieg stand uns kein Plexiglas zur Verfügung, deshalb mussten wir alles in Sodaglas fabrizieren. Sodaglas bekommt beim Auskühlen leicht Sprünge. Das ganze Laboratorium schaute mir zu, denn der Apparat war ein Kunstwerk sehr schön anzusehen. So hielt ich mein Kunstwerk in eine rauchende Flamme, um alles langsam und sicher auszukühlen. Ein sehr spannender Augenblick war das.
Der Vizechef des Labors, der mit uns im Labor arbeitete, war auch Freimaurer. Er ahnte, dass ich auf mancherlei Gebieten mehr wusste, als ihm angenehm war, aber ich sprach mit ihm nie über Freimaurerei. Er war etwas intolerant, hatte aber viel Schweres erlebt. Sein Haus wurde von deutschen Fliegern bombardiert und begrub ihn und seine Frau einen ganzen Tag, bis die Rettungsmannschaften das Paar herausholten. Er war deshalb ein Deutschenhasser. Ich behandelte ihn mit Seidenhandschuhen. Nun, dieser Vizechef schaute beim Glasblasen spöttisch zu, er meinte, die Arbeit würde mir nie gelingen. Und sie war mir doch gelungen! Aber, was war das »Knack« mitten in der Flamme? Durch die doppelten Fugen entstand ein Sprung und dann »explodierte« das ganze Kunstwerk. Auf dem Tisch lagen lauter schwarze Scherben! Ich drehte mich um, holte eine Schaufel und einen Besen und fing an, alles wegzufegen und Ordnung herzustellen. Aber das spöttische Gesicht des Vizedirektors reizte mich, und mir kam ein Geistesblitz.
»Mr. L.«, sagte ich, »ich komme mir vor wie der Prophet Zerubbabel im Tempel, als er die Scherben des alten Tempels wegbürstete, um Platz für den Neubau zu machen.«
Ich hatte mich natürlich auf den Freimaurerritus bezogen, wo Zerubbabel in der Loge vorkommt. Er will den zerfallenen Tempel wieder aufbauen und räumt zuerst den alten Schutt weg wie ich es auf dem Glasbläsertisch tat! Der Vizedirektor drehte sich um und verschwand wie eine Rakete aus dem Labor! Er lief die Treppe hinaus zum Direktor, platzte in sein Zimmer hinein, wo zufälligerweise ein Kollege von mir stand, der sich mit dem Chef unterhielt. Der Vizedirektor platzte ins Zimmer, ohne zu sehen, wer zugegen war, und schrie laut:
»Sie müssen diesen Wilder Smith sofort entlassen, er weiß viel, viel zu viel!«
Er nahm seine Freimaurerei sehr ernst – im Gegenteil zum Chef, der religiöse Angelegenheiten oberflächlich behandelte. Es geschah nichts!
Aus »Es war ein reiches Leben – Die Lebensgeschichte von Beate und A. E. Wilder-Smith«.
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