Europaflagge (H.Henschel)
Goldene Sterne auf blauem Grund
Von Studienrätin Heidemarie Henschel – Dozentin für Latein
Kaum jemand weiss, warum die Europaflagge von Anfang an ausgerechnet zwölf Sterne auf blauem Grund zeigt, obgleich es zur Zeit ihrer Einführung noch nicht so viele Mitgliedstaaten gab. Erst kürzlich tauchte in einem Artikel in der Berner Zeitung wieder die Frage auf, ob man nicht die Zahl mit jedem Neumitglied nach dem Vorbild der USA erweitern solle, aber von kompetenter Seite wurde geantwortet, dass man bei der Zwölfzahl bleiben wolle, weil die Zwölf eine Vollzahl andeute und symbolisch gemeint sei. Und symbolisch ist die Fahne wirklich gemeint.
Zur Zeit ihrer Entstehung war in der katholischen Welt der Kranz von 12 Sternen allen eifrigen Kirchgängern und Marienverehrern vertraut. War Maria, deren Dogma der «leiblichen Aufnahme in den Himmel» gerade erst im Heiligen Jahr 1950 von Papst Pius XII verkündet worden war, für sie nicht «die Frau, mit der Sonne umkleidet, der Mond unter ihren Füssen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen» aus Offenbarung 12, 1 ?
Damals las man die Bibel noch sehr selten, aber man kannte diesen Text aus der Liturgie zu den Marienfesten, aus Marienandachten, die gerade im Mai fast täglich stattfanden, und vor allem in seiner bildhaften Darstellung in Plastik und Malerei. Viele Marienbilder wurden «umgerüstet», und die «Gottesmutter» bekam statt der Krone den Sternenkranz. Auch die Marienerscheinungen zeigen den Sternenkranz, so z.B. die Erscheinung vom 2. Juli 1961 in Garabandal in Spanien, wo «Maria in hellem Lichtschein» vor den Seherkindern steht«, »mit weissem Kleid und lichtblauem Mantel, ohne Schleier, nur ein Diadem goldener Sterne über dem weiligen, in der Mitte gescheitelten kastanienbraunen Haar«.
So war für die Marienverehrer ganz klar, dass diese 12 Sterne auf blauem Grund auf Maria, die »Königin Europas«, hinwiesen. Europa und die ganze Welt war ja ihrem Herzen geweiht worden, und in jeder Pfarrkirche hatten nach 1950 solche feierlichen Weihen an das Herz Mariens stattgefunden. Blau ist in der lkonographie die Farbe Mariens, nur ist es eigentlich das Hellblau. Obgleich für die meisten Menschen blau blau ist, ist doch in der Symbolik das dunklere Blau die Farbe, welche der trauernden Maria vorbehalten ist, und die in okkulten Kreisen der Isis als Meerstern, »Gottesmutter, Herrin des Himmels, Gebieterin aller Götter» beigeordnet wird.
Der Stern der Isis ist übrigens immer fünfzackig, mit dem fünften Zacken nach oben. Dieser fünfzackige Stern wird auch Maria beigegeben, hier als Symbol der Reinheit, wo er vor allem in den Ikonen der Ostkirche erscheint.
Sonst wird der stehende fünfzackige Stern als Symbol für den autonomen Menschen gedeutet, weil man in ihm einen Menschen mit erhobenen Armen sieht. Zeigt er nach unten, deutet er den gefallenen Engel an. In einer Sendung des Schweizer Fernsehens DRS «Der Club» am 6. Mai 97 wurde dies sehr deutlich. Geladen waren Hexen und Hexenmeister sowie ein Theologe, dessen Spezialgebiet das Hexenwesen war. Eine der Hexen mit dem bezeichnenden Namen Inanna von Ah zeigte ihre Tätowierung auf dem Rücken, die beide Pentagramme vereint. Im aufrechten ist eine Frauengestalt mit gespreizten Beinen, im gestürzten Pentagramm ein Ziegenkopf mit Hörnern und einem penisartigen Auswuchs von der Stirn her nach oben, der genau auf den Unterleib der Frau zielt, dargestellt.
Der fünfzackige Stern (Pentagramm) hat in den letzten Jahrzehnten den gewöhnlichen sechszackigen (Hexagramm) abgelöst. Erst gestern hörte ich in einer Werbesendung «Wenn Sie jemanden bitten, einen Stern zu malen, sieht das meistens so aus», und es entsteht ein Pentagramm. Selbst auf den Schreibmaschinen und PCs ist der sechszackige Asterisk durch das Pentagramm ersetzt worden.
Das Pentagramm ist das Zeichen für Revolution, eben des autonomen Menschen. So erscheinen zum Beispiel auf ganz frühen amerikanischen Fahnen noch sechszackige Sterne, später aber nur noch fünfzackige. Die Sterne der Sheriffs sind zum Teil fünf-, zum Teil sechszackig.
So enthält also die Europaflagge eine Botschaft für die Katholiken: «Europa steht unter dem Schutz Mariens» – und eine Botschaft für die Esoteriker.
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