Die Welt der Engel (H.Leitz)

Hermann Leitz

 

DIE WELT DER ENGEL UND DÄMONEN

 

Vorwort

Die vorliegende Schrift behandelt ein seit langem vernachlässigtes The­ma. Engel. Gibt es überhaupt Engel? Sind das nicht bloß hübsche Märchengestalten für fromme Kinder­gemüter, dichterische Schmuckfiguren ohne realen Sinn, phantasievolle Sinnbilder von religiösen Ideen?
Und Dämonen? Gibt es solche? Wir werden sehen. Zweierlei ist Tatsache:

1.Die Bibel bezeugt von Anfang bis Schluß das Dasein von Engeln und Dämonen.
2. Die Kirche hat zu allen Zeiten in ihren positiven Vertretern den Engelglauben gelehrt.

Tatsache ist allerdings auch, daß ein materialistisches, rationalistisches und intellektualistisches Jahrhundert die Wahrheit von den Engeln kritisch belächelt.

Unserer zwar knappen, aber exakten und alles We­sentliche berührenden Abhandlung liegt eine jahr­zehntelange Vorarbeit zugrunde. . . .

 Wir bringen jetzt, 1968, die dritte Auflage heraus. . . .

Wir leben in einer außerordentlich katastrophenträch­tigen Zeit und sind bedroht von außen und innen. Von außen bedroht uns die sehr reale Möglichkeit eines unausdenkbar grauenhaften „Atomkriegs“, von innen das Überwäl­tigtwerden von den Mächten des Unglaubens, des Irr­glaubens, der Hybris, der Zuchtlosigkeit. Wie gut, wenn wir in einer Welt, in der wahrhaftig „die Teufel los sind“, mit dem Psalmsänger David wissen dürfen: „Der Engel des Herrn lagert sich rings um die, die ihn fürchten, und errettet sie“ (Ps. 34, 8)! Wie gut, wenn wir das wissen aus Erfahrung!
Hermann Leitz, 1968, Freiburg im Breisgau

INHALT

Die Engel in der Heiligen Schrift

A. Die Engel im Alten Testament
B. Die Engel im Neuen Testament

Wesen und Werk der Engel
Engeldienst ‑ auch heute
Die Dämonen
Die Engel in der christlichen Kirche
Die Engel in der Kunst

 

Die Engel in der Heiligen Schrift

A. Die Engel im Alten Testament

Vom ersten bis zum letzten Buch der Bibel werden die Engel Gottes außergewöhnlich oft erwähnt: über hundertmal im Alten und mehr als hundertfünfzigmal im Neuen Testament. An dem Dasein dieser übernatürlichen Wesen kann daher kein Zweifel bestehen; denn als von solchen spricht das unfehlbare Wort Got­tes von ihnen.

Im Alten Testament (und zwar in den Büchern Sa­muel und Könige, in den Psalmen und bei Jesaja) wird Gott öfter genannt „Herr Zebaoth“, d. h. Herr der Heerscharen. Damit sind zweifellos vor allem gemeint die himmlischen Heerscharen der Engel, der seligen Geister, der starken Helden, die ihn loben, anbeten und seine Befehle vollführen (Ps. 103,20). Welcher Rang und welche Würde kommt ihnen zu, die so eng verbun­den sind mit dem Namen des heiligen Gottes!

Schon der erste Satz der Bibel lenkt unseren Blick auf die Engelwelt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Als Gott, der allmächtige Schöpfer, „das Fundament der Erde legte“ (Hiob 38,4), waren die Him­mel schon geschaffen, und ihre Bewohner, „die Morgen­sterne allesamt frohlockten laut, und alle Gottessöhne (=Engel) jauchzten“ (Hiob 38,7).

Auch der zweite Satz der Bibel weist hin auf die Existenz über‑ und außermenschlicher Wesen und Mächte: „Die Erde war aber eine Wüstenei und Öde, und Finsternis lag über der weiten Flut“ (Menge).

Es erscheint uns völlig ausgeschlossen, daß Gottes Werk, auch anfangsweise, „Wüstenei, Öde, Finsternis“ ‑ Chaos war. Wir stimmen daher jenen Schriftaus­legern bei, die zwischen dem ersten und zweiten Satz der Bibel einen langen Gedankenstrich setzen, d. h. die annehmen, daß der erste Satz sich auf die ursprüng­liche Erde, der zweite Satz sich auf die von Satans­mächten ruinierte und verfinsterte Erde bezieht. Sehr überzeugend hat vor Jahrzehnten Prof. Friedrich Bettex in seinem Werk „Das Lied der Schöpfung“ diese An­nahme begründet:

„Ein solcher Anfang der Welt, ein finsteres Chaos, ist nicht als ursprüngliche Schöpfung eines Gottes des Lichts und der Ordnung denkbar. Bedeutsam ist auch, daß das ’Tohuwabohu’ das einzige im Schöpfungs­bericht ist, das nicht auf ein Schaffen oder ein Wort Gottes zurückgeführt wird! Während es sonst überall heißt: Gott schuf oder Gott sprach, es werde, steht hier nicht: die Erde ’werde’, sondern: die Erde ’war’ wüst und leer, . . . dazu kommt als Verstärkung dieses Eindrucks das Wort: ’Und Finsternis bedeckte die Tiefe’, die rauschenden, brausenden, tiefen Gewässer. Finster­nis aber, das bezeugt die ganze Bibel, und mit ihr stimmen Sprache und Anschauung aller Völker überein, ist materieller und geistiger Tod, ist das Böse, das Ele­ment der Unterwelt. Wo wir sie antreffen, zeigt sie die Gegenwart Satans an . . . Soll ein ’Gott und Vater des Lichts’, der ’in einem unnahbaren Licht wohnt’, dessen ’Gewand lauter Licht’ ist (Ps.104,2), ursprünglich ein in Nacht und Grauen gehülltes Chaos erschaffen und sollen bei diesem Anblick die Morgensterne ihn gelobt und seine Söhne ihm zugejauchzt haben? Sicherlich nicht. Sondern die hier beschriebene Erde ist ’ein Schlachtfeld nach der Schlacht’. Satan, der damals schon ’der Gott dieser Welt’ war, hatte sie in seinem Fall in Finsternis gehüllt.“

„Es ist nun klar“ (so Chr. v. Viebahn in Die Schöp­fung und die Wiederherstellung der Erde), „daß wir in dem uns beschriebenen ’Sechstagewerk’ nicht die ur­sprüngliche Erschaffung der Erde, sondern ihre Wiederherstellung vor uns haben, nachdem sie durch Sa­tans Fall verdorben war . . . Alles, was wir von der ursprünglichen Erschaffung des Himmels und der Erde wissen, liegt in dem ebenso kurzen wie großartigen Satz: Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde!“

„Aber in dieser Lichtschöpfung von herrlichen We­sen ‑ entstand im Herzen eines Lichtfürsten ein schwar­zer Punkt. Es entstand das Böse. ‑ Wo, wann, wie ent­stand das Böse? ‑ Abgründe des Denkens! Welches Mysterium ist doch Satan, der Gott dieser Welt (2. Kor. 4, 4)“ (F. Bettex.)

Warum ließ Gott das Böse und den Bösen zu? Wir wissen es nicht. Aber das wissen wir, daß Satan exi­stiert, daß er „von Anfang“ ein Lügner und Verderber ist, das dämonische Nein im Gegensatz zum göttlichen Ja, der Todbringer im Kampf gegen den Lebensschöp­fer. „Auch die höllischen Mächte arbeiteten mit an dem Werk der sechs großen Tage; das bezeugen die Nächte, die Erschütterungen und Umwälzungen, die Vernich­tung ganzer Tier‑ und Pflanzenarten, wovon die Erd­rinde so klar und aktenmäßig zeugt“ (F. Bettex).

Im ersten Vers des dritten Kapitels der Bibel tritt der Fürst der Finsternis, die „alte Schlange“, als „Geist, der stets verneint“, als „Lügner und Mörder“ den Ur­eltern gegenüber. Nachdem diese den ersten „Sold der Sünde“ (schlechtes Gewissen und Vertreibung aus dem Paradies) bezahlt haben, treten in der biblischen Ge­schichte auch erstmals persönlich die guten Geister auf: ,,Die Cherubim und die Flamme des funkelnden Schwer­tes“ (1. Mose 3, 24; Menge).

Im übrigen beschränken wir uns auf kurze Vermerke der bekanntesten und wichtigsten vorchristlichen Engelbezeugungen der Bibel:

1. Mose 19: Zwei Engel retten Lot aus Sodom. (Bitte alle Bibelstellen nachschlagen!)
1. Mose 28, 12: Die Engel Gottes steigen auf und nieder auf der „Himmelsleiter“.
2. Chronik 32, 21 f.: Ein von Gott gesandter Engel hilft Hiskia gegen die Assyrer.
2. Könige 6, 16: „Feurige Rosse und Wagen“ sind schützend um Elisa her.
Daniel 3, 28; 6, 23: Ein Engel erhält die drei Männer im Feuerofen und Daniel in der Löwengrube wunder­bar am Leben.

2. Mose 20: Die „Zehn Gebote“ werden durch die Engel vermittelt. (So lehrt das Neue Testament:
a) Apg. 7,53: „Durch Vermittlung von Engeln habt ihr das Gesetz empfangen“;
b) Gal.3,19: „Das Gesetz ist durch Engel verordnet worden“;
c) Hebr. 2,2: „Das durch Vermittlung von Engeln empfangene Wort.“)

Besondere Beachtung verdient der im Alten Testa­ment häufig auftretende „Engel des Herrn“, der „Engel des Bundes“.

Erscheinungen des „Bundesengels“ berichten z. B.:

1. Mose 18,1-17: „Drei Männer“ besuchen Abraham (der Herr und zwei Engel, 19,1).
1. Mose 19, 24: „Da ließ der Herr Feuer und Schwe­fel regnen auf Sodom und Gomorra vom Himmel her­ab!“ (Vgl. Joh. 5, 22.)
1. Mose 31,11; 2. Mose 3, 2 ff.: „Der Engel des Herrn spricht: Ich bin Gott.“
Josua 5, 13‑15: Dem Josua erscheint der „Fürst über das Heer des Herrn“.
Richter 6,12-14: Gideon erhält Befehl vom Engel des Herrn.

In Richter 13 bringt der „Engel des Herrn“ von dem „Herrn der Heerscharen, der über den Cherubinen thront“ (1. Sam. 4, 4), die Verheißung eines Sohnes und Volksbefreiers. Seine Gestalt war „sehr ehrwürdig“, sein Name „Wunderbar“, sein Charakter „göttlich“ („wir haben Gott gesehen“).

In aller gebotenen Scheu, die diesem „Gegenstand“ geziemt, glauben wir Gaebeleins Auslegung für rich­tig halten zu dürfen. Er sagt dazu:
„Dieser Engel Gottes ist kein erschaffenes Wesen, sondern ein unerschaffener Engel ‑ es ist Gott der Herr, der sich zu verschiedenen Zeiten im Gewand eines Engels und meistens in menschlicher Gestalt offenbarte. Dieser Engel Gottes ist ‑ eine Theophanie, eine Sicht­barwerdung der Gottheit. Der Engel des Herrn ist der ’Sohn Gottes’. In allen Fällen der Erscheinung dieses ’Engels des Herrn’ sind nämlich die Kennzeichen der Gottheit ge­genwärtig! Es sind höchst beachtenswerte Offenba­rungen des Sohnes Gottes, unseres Herrn, vor seiner Menschwerdung.“

Zu den wertvollsten Aussprüchen der Bibel gehören die folgenden Psalmverse, unersetzbare Kundgebungen uralten Engelglaubens:

„Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und errettet sie“ (34, 8).
„Er hat seine Engel für dich aufgeboten, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen. Sie werden dich auf den Händen tragen, daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest!“ (91,11).
„Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet, und seine Königsmacht herrscht über das All. Lobet den Herrn, ihr, seine Engel, ihr starken Hel­den, die ihr seinen Befehl vollführt! Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen, ihr, seine Diener, die ihr seinen Willen tut . . .! Lobe den Herrn, meine Seele!“ (103,19 ff.)

B. Die Engel im Neuen Testament

Unübersehbar ist die Tatsache, daß die Engel im Neuen Testament weit öfter erwähnt werden als im Alten, nämlich über hundertfünfzigmal. ‑ Diese Tat­sache verdient Beachtung. Wir sollten sie ernster neh­men, als es im allgemeinen geschieht.

Das Erdenleben Jesu, des Gottessohnes, ist von An­fang bis zu Ende sozusagen durchwoben von Engelerscheinungen und Engeldiensten:

Gabriel, „der vor Gott steht“, „ein Engel des Herrn“, erschien Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, um die Geburt dessen anzuzeigen, der berufen sein würde, „bereitzuhalten dem Herrn ein gerüstetes Volk“ (Luk.1,11ff.).

Derselbe Engel Gabriel „ward von Gott gesandt . . . zu einer Jungfrau“ Maria mit der wundersamen Kunde, daß sie begnadigt wäre, Mutter des Gottessohnes zu werden (Luk.1,26 ff).

Ein Engel erschien dem Joseph im Traum, ihm die geheimnisvolle Wahrheit von der Empfängnis durch den Heiligen Geist zu versichern (Matth.1,18 ff).

Ein von des Herrn Klarheit umleuchteter Engel trat in der Weihnacht zu den Hirten mit der einzigartigen frohen Botschaft: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volk widerfahren soll; denn euch ist heute ein Retter geboren, Christus, der Herr“ (Luk.2, 9 ff).

In jubelnder Anbetung (Hebr.1,6) und in einzig­artigem „Sprechchor“ erklang das Lob der himmlischen Heerscharen: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen!“ (Luk.2,13-14).

Ein Engel Gottes warnte Joseph vor dem Mordplan des Herodes und hieß ihn nach Ägypten fliehen (Matth.2,13).

Ein Engel forderte nachher Joseph auf, wieder in sein Heimatland zurückzuziehen (Matth. 2,19).

Nach der vierzigtägigen Versuchung Jesu in der Wü­ste kamen die Engel und dienten ihm (Matth. 4,11; Mark.1,13).

Den ersten Jüngern verhieß der Meister: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf‑ und niedersteigen zu des Menschen Sohn“ (Joh.1,51).

In dem heißen Gebetskampf in Gethsemane „erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn“ (Luk.22,43).

Bei der Gefangennahme standen dem Herrn „mehr als zwölf Legionen Engel“ zur Verfügung, ohne daß er sie allerdings zu seiner Befreiung vom Vater erbeten hätte (Matth.26, 53).

Am Ostermorgen verkündeten zwei Engel in strah­lend‑weißem Gewand den um einen vermeintlichen Toten Trauernden: „Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist auferstanden!“ (Luk. 24, 2‑7.)

Bei der Himmelfahrt des Herrn standen „zwei Män­ner in weißen Kleidern“ vor den zurückbleibenden Jün­gern und sprachen: „Was stehet ihr hier und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg ist aufgenom­men worden in den Himmel, wird so wiederkommen, in gleicher Weise, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren“‚ (Apg. 1,10-11).

Es ist ein erhabener Gedanke, daß während des gan­zen Erdenlebens Jesu die Engelscharen dienstbereit und diensteifrig den Gottessohn umgaben, der uns zugut „für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt ward„ (Hebr.2,7).

O großes Geheimnis der Liebe Gottes: Der Sohn Gottes „erniedrigt sich unter die Engel“! „Für kurze Zeit.“

Als diese Zeit „erfüllt“, des Heilands Werk „in un­serem Fleisch“ „vollbracht“ war, ward er „um des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Hebr. 2, 9; Ps. 8, 6) und ist wiederum „viel mächtiger geworden denn die Engel“ (Hebr. 1, 2‑4). Den für im­mer mit der Menschheit vereinten Christus („wahrer Gott und wahrer Mensch“) hat Gott gesetzt „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und jede Kraft und Herr­schaft, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“ (Hebr. 1, 13; Eph. 1, 20); „Engel und Mächtige sind ihm untertan“ (1. Petr. 3, 22).

„Wie nun die Engel Christus dienten in den Tagen seines Fleisches, also sind sie auch um alle die geschäftig, so mit Christus ein Leib geworden sind durch den Glau­ben; denn wie sie dem Haupt gedient haben, also dienen sie gleicherweise auch den Gliedern. Ja, sie sind fröhlich, daß sie schon auf Erden denen dienen können, die dereinst im Himmel ihre Genossen werden sollen“ (Joh. Gerhard 1637).

Und mehr als „ihre Genossen“! Durch, in und mit Christus ist auch dem erlösten Menschen eine höhere und bessere Herrlichkeit als die der Engel in Aussicht gestellt. „Durch die Erlösung sind die Gläubigen über die Engel erhöht worden.“ Darum die ‑ eigentlich er­staunliche ‑ Frage des Apostels an die Korinther: „Wißt ihr nicht, daß wir Engel richten werden?“ (1. Kor. 6, 3)

Die Apostelgeschichte, die Geschichte der Urkirche, berichtet mehrfach vom Dienst der Engel, die Gott aussendet, damit sie denen dienen, „die ererben sollen die Seligkeit“ (Hebr. 1,14).

Apostelgeschichte 5, 19: Ein Engel öffnete die Tü­ren des Gefängnisses und befreite die gefangenen Apo­stel.
Apostelgeschichte 8, 26: Ein Engel gab dem Diakon Philippus göttlichen Auftrag zugunsten des äthiopi­schen Kämmerers.
Apostelgeschichte 10, 1‑8: Ein Engel teilte dem frommen Hauptmann Kornelius die Erhörung seiner Gebete mit und wies ihn zu dem Apostel Petrus und damit auf sein ewiges Heil.
Apostelgeschichte 12, 21‑23: Ein Engel schlug den König Herodes mit tödlicher Krankheit, „weil er Gott nicht die Ehre gab“.
Apostelgeschichte 27, 23: Ein Engel erschien dem Apostel Paulus während der stürmischen Meerfahrt nach Rom und versicherte ihn des göttlichen Schutzes und missionarischen Auftrags.

Auch aus den neutestamentlichen Briefen geht klar hervor, daß der Glaube an Engel zum elementaren Be­stand des jungen Christentums gehörte. Wie selbst­verständlich werden sie immer wieder genannt, z. B. in Römer 8,38: „Nicht Engel noch Gewalten . . . können uns scheiden von der Liebe Gottes.“

1. Korinther 4, 9: „Wir sind für Engel und Menschen ein Schauspiel geworden.“
1. Korinther 11, 10: „Die Frau soll im Gottesdienst das Zeichen ihrer Abhängigkeit vom Mann auf ihrem Haupt tragen, und zwar mit Rücksicht auf die Engel.“
2. Korinther 11, 14: „Satan verkleidet sich in einen Engel des Lichts.“
2. Thessalonicher 1, 7: „Wenn sich der Herr Jesus mit seinem Engelheer vom Himmel aus offenbart . . .“
2. Petrus 2, 4: „Selbst gegen Engel . . . hat Gott keine Schonung geübt.“

Eine besonders wichtige Rolle kommt den Engeln bei der Ausführung und Vollendung des großen gött­lichen Heilsplans, wie er in der johanneischen Offen­barung kundgegeben ist, zu:

Ein Engel schildert dem Johannes, „was in kurzem geschehen soll“ (1, 1); ein Engel verkündet laut die Frage: „Wer ist würdig, zu öffnen das Buch und seine Siegel?“ (5, 2); viele Engel rings um den Thron rufen es aus: „Würdig ist das Lamm“ (5, 12); vier Engel hal­ten die vier Schadenwinde der Erde (7, 1); sieben Engeln werden sieben Unheilsposaunen gegeben (8, 2); der Engelfürst Michael und seine Engel streiten mit dem Drachen und dessen Engeln (12, 7); ein Engel hat den „Schlüssel des Abgrunds“ (20,1). (Die Engel werden in der Apokalypse etwa 65mal genannt! Man sollte das beachten.)

Aus allem geht hervor, daß die Engel nicht nur den Kindern Gottes Heil bringen, sondern auch den Fein­den Gottes Unheil. Gott macht sie „zu Winden und zu Feuerflammen“ (Ps. 104, 4; vgl. auch 2. Sam. 24, 16 und Jes. 37, 36).

Mit der gläubigen Kirche aller Jahrhunderte und mit der ganzen Schöpfung (Röm. 8) harren auch die unzähligen Engelscharen des Tages des Herrn, der die Enthüllung der jetzt noch verborgenen Herrlichkeit Christi, die Vollendung und Offenbarung der Freiheit der Kinder Gottes, den Frieden auf Erden bringen und schließlich die Erneuerung der gesamten Schöpfung ein­leiten wird. Ein wahrhaft großes Ereignis wird es auch für die Engel sein, wenn der Tag da ist, da „des Men­schen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen wird und alle heiligen Engel mit ihm“ (Matth. 25, 31).

Diese Vollendung des alle und alles umfassenden Ratschlusses Gottes sei auch für uns das höchste Ziel unseres Denkens und Strebens. Möchte durch uns hier auf Erden allezeit Gottes Wille geschehen, wie er jetzt schon geschieht im Himmel durch die anbetend dienen­den und dienend anbetenden Heerscharen der Engel!

„Sie hören Tag und Nacht nicht auf zu sagen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Allmächtige, der da war, der da ist und der da kommt!“ (Offb. 4, 8.)

 

Wesen und Werk der Engel

Wir bekennen mit der allgemeinen christlichen Kirche im Nizäischen Glaubensbekenntnis:

„Ich glaube an einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.“

Nicht nur der Schöpfer ist unsichtbar. Es gibt ‑ un­sere Schau in die Bibel hat es hinreichend gezeigt ‑ auch eine Welt unsichtbarer Geschöpfe, eine Welt himmlischer Geister, eine Welt heiliger Engel.

„Gott wohnt nicht in Einsamkeit. Wie könnte er, der die Liebe ist, daran Gefallen finden, allein zu sein?“ Die Himmel sind erfüllt von Geistern, deren Wesen und Werk Gott dient und preist. „Tausendmal Tau­sende dienen dem Höchsten, und viele Millionen stehen vor ihm“ (Dan. 7, 10).

Es gibt gläubige Christen, die sprechen: „Wenn ich Jesus habe, so ist das genug; alles andere ist nicht für mich.“ Der Apostel Paulus hat nicht so gedacht. Er war so zu Hause in den himmlischen Orten, er freute sich so in der Gemeinschaft der Engel Gottes, daß er den Timotheus „vor Gott und dem Herrn Jesus Christus und den auserwählten Engeln“ über seine bischöflichen Pflichten belehrte (1. Tim. 5,21). Der Hebräerbrief (12,22) zählt unter die Vorrechte der in Christus Be­rufenen ausdrücklich das Gekommensein „zu der Menge vieler tausend Engel“. Und wenn der Herr seine Jünger beten lehrte: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“, dann dachte er dabei gewiß an jene himmlischen Geister, jene „starken Helden, die des Höchsten Befehle ausrichten, indem sie hören auf die Stimme seines Wortes“ (Ps. 103,20).

Wissen wir auch nicht sehr viel über Wesen und Werk der unsichtbaren Engelgeister, so kann und soll der schriftforschende Christ doch mehr darüber wissen, als er gemeinhin weiß.

Wir stellen im folgenden kurz und bündig fest, was sich aufgrund der biblischen Offenbarung über Wesen und Werk der heiligen Engel Gottes erkennen und wis­sen läßt:

Es gibt zwei „Welten“ von unsichtbaren Geistern: eine göttliche und eine teuflische, eine lichte und eine finstere, eine himmlische und eine höllische.

Die heiligen Engel sind Boten (griech. angelos, von angello: ich schicke), Boten Gottes; Boten seiner Warnungen, seiner Gerichte, seiner Barmherzigkeit, seiner Allmacht, seiner Hilfe, seines Trostes, seiner Bewahrung und Errettung. Sie sind Gottes Kuriere. Sie sind „Gottes Werkzeuge zur Bekämpfung des Teufels und seines Heeres. Sie dienen Gott zum Besten der Seinen, zu ihrem Schutz und um Gottes Ewigkeitspläne auszu­führen.“

So sagt Martin Luther: „Darum haben sie auch einen feinen Namen, daß sie heißen Angeli, Boten oder Botschaft, daß sie von Gott gesandt sind. Die Schrift nen­net sie nicht nach ihrem natürlichen Wesen, sondern nach ihrem Amt. Darum bin ich dem Namen Engel sehr hold . . . Sie regieren, schützen und behüten uns vor allem Übel; das tun sie fleißig und mit Freuden . . .“

Die. Engel sind personhafte Geister. Als Geister haben sie „nicht Fleisch und Bein“ (Luk. 24, 37 f.). Da es aber „irdische und himmlische Körper“ gibt (1. Kor. 15) und ein Geschöpf ohne Körperlichkeit geradezu un­denkbar ist, so darf man für die Engelwesen einen engelmäßig gestalteten Körper annehmen, über dessen „himmlische Materie“ und Natur uns jedoch nichts offenbart ist.

Wesen und Bestimmung der Engel sind von denen der Menschen völlig verschieden. Ein Engel wird kein Mensch, und ein Mensch wird niemals ein Engel. Die gern gehegte Ansicht, daß kleine Kinder, wenn sie sterben, Engel werden, oder daß der erwachsene gläu­bige Mensch in seiner Vollendung ein Engel wird, ist ein Irrtum. Die Auskunft Jesu: „In der Auferstehung werden sie weder freien noch sich freien lassen, son­dern sie sind wie die Engel Gottes im Himmel“ (Matth. 22, 30) bezieht sich nicht auf Wesen und Natur der Engel, sondern auf deren bedingungsloses Dasein zu Gottes Ehre.

Die Engel sind in der Regel für unser menschliches Auge unsichtbar. Sie können aber auf göttliche Anord­nung hin menschliche Gestalt annehmen und sich da­durch für uns Menschen sichtbar machen (Hebr. 13, 2 u. v. a.). Sie umhüllen dabei gleichsam ihr Engelsein wie mit einem Kleid, das sie nach Erfüllung ihres Erscheinungsdienstes wieder ablegen. (Spurgeon sagt: Wir können die Engel nicht sehen, aber es ist genug, daß sie uns sehen können.)

Die Engel sind unsterblich und ungeschlechtlich (Luk. 20, 27 ff.).
Die Engel sind erschaffene Wesen (Kol. 1, 16; Offb. 22, 9).
Die Engel existierten schon, als der Erde Grund gelegt wurde (Hiob 38, 4‑7).
Die Engel sind zahlreich (Dan. 7, 10; Luk. 2, 13; Offb. 5,11).
Die Engel anbeten und lobpreisen Gott (Ps. 103, 20; Jes. 6, 3).

Die Engel nehmen teil an den Vorgängen auf Erden, besonders an dem Schicksal der von Gott gesuchten und Gott suchenden Menschenseele (Luk. 15, 10). „Hüte dich ja . . ., daß du solche Stimme nicht vorüber lassest, sondern bald umkehrest und dem Hirten nachlaufest. So bist du genesen und hast den lieben Engeln im Him­mel eine sonderliche große Freude angerichtet“ (M. Lu­ther).

Die Engel sind anwesend beim Gottesdienst der Ge­meinde (1. Kor. 11,10; 1. Tim. 5, 21).

Die Engel stehen im Kampf mit den Dämonen (Offb. 12, 7; 20,1-2). „Was in diesem hintergründigen Kampf der Geister ausgetragen und von Gott entschie­den wird, das wird Geschichte“ (Friedrich Heitmüller).

Die Engel dienen denen, die die Seligkeit ererben sollen (Hebr. 1,14). Sie gewähren ihnen Schutz in leib­lichen Gefahren und Nöten (Matth.18, 10; Apg. 27, 23; 2. Kor. 11, 24‑26). „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und errettet sie“ (Ps. 34, 8).

„Wie wenig wissen wir davon, wie gnädig der Herr unseren Gebeten und unserem Vertrauen zu ihm auf natürliche Weise durch dienstbare Engel entspricht! In dieser Beziehung ist unser Leben voller Geheimnisse“ (Gaebelein).

Die Engel tragen die Seelen der Entschlafenen zum Himmel (Luk.16, 22).

Nicht nur die kleinen Kinder (Matth.18,10: Ihre Engel sehen allezeit das Antlitz meines Vaters im Himmel), nicht nur die Gottesmenschen, die ihrem Herrn die Treue halten, sondern wahrscheinlich alle Menschen haben ihre Schutzengel. Läßt der barmherzige Gott nicht seine Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte, läßt er nicht regnen über Gute und Böse? (Matth. 5, 45.) Sorgt er sich nicht um alle seine Geschöpfe? Erwartet er nicht von uns, daß wir Böses mit Gutem vergelten, so wie er selbst es tut? Erlebt nicht auch der „Gottlose“ wunderbare Bewahrungen und Durchhilfen? Ja, sieht es nicht oft so aus, als ob er besonderes „Glück“ habe? (Ps. 73.) Dürfen wir nicht in vielen solcher „Glücks­fälle“ an das Wirken von Engeln glauben, die im Auf­trag Gottes den „verlorenen Sohn“ bewahren für die Möglichkeit seiner Umkehr und „Bekehrung“, damit Gott ihn nicht müsse „behalten zur Bestrafung auf den Tag des Gerichts“? (2. Petr. 2, 4. 9.)

Außer den Schutzengeln, die dem einzelnen Men­schen dienen, gibt es auch Engelfürsten mit umfassen­dem Auftrag zum Schutz ganzer Völker und Reiche. Bei Daniel lesen wir von einem Engelfürsten, der soeben aus langwierigem und hartem Kampf kommt gegen die feindlichen Engel, die Persien und Griechenland in ihrer Gewalt haben, einem Kampf, in dem er von dem Erz­engel Michael unterstützt wird.

Zu Daniel 10 gibt die „Stuttgarter Jubiläumsbibel“ folgende Auslegung: „Der Engel erklärt, warum er erst jetzt komme. Ein böser, den Menschen feindseliger Geist, der am persischen Hof großen Einfluß habe, sei von ihm erst nach 21 Tagen mit Hilfe des Engelfürsten Michael überwunden worden. ‑ An den Bewegungen auf Erden nimmt auch die Engelwelt teil, die gute und die böse, und die irdischen Kämpfe werden allererst im Geisterreich ausgefochten. Vergleiche Epheser 3, 10; 6,12; Offenbarung 12, 7. ‑ Daniel soll wissen, daß der Gott des Himmels zu seinem Volk steht und dessen sichtbare und unsichtbare Feinde durch seine guten Engel bekämpft.“ „Der Herr wird sein Reich . . . trotz allem Widerstand der dagegen empörten sichtbaren und unsichtbaren Welt der geweissagten Vollendung ent­gegenführen“, und mächtige gute Geister haben Befehl, „in der Völkerwelt auf die Verwirklichung des gött­lichen Heilsplans“ hinzuarbeiten.

Es gibt eine andere Auslegung, die in dem von Daniel beschriebenen Geisterkampf einen Kampf nur zwischen guten Engeln sieht. Wir halten diese Auslegung aber für falsch. Es ist ausgeschlossen, daß die guten Schutzengel der Völker sich gegenseitig bekämpfen. Dagegen ist es wahrscheinlich; daß Satan seine Dämonen hat, die wider die über die Völker gesetzten Engel Gottes strei­ten. So ist auch die Seele eines Volkes (wie die des Einzelmenschen) Kampfgebiet guter und böser Geister, die um Obmacht und Herrschaft über dieses Volk rin­gen ‑ nicht. ohne Anteilnahme und Verantwortlichkeit dieses Volkes!

Unsere christlichen Voreltern hatten noch mehr Sinn für diese tiefen, geheimnisvollen Wahrheiten. Ihnen galt ja der Erzengel Michael als Schutzherr des deut­schen Volkes, und Michaelsbanner flatterten ihren Hee­ren voran!

Daß nicht nur Völker und Staaten ihre besonderen Engel haben, sondern auch Städte, Stände und Familien, liegt zu denken nahe; unseren Altvordern war es gewiß.

Die Engel dienen uns nicht nur zu leiblichem Schutz, gleichsam als unsere unsichtbaren Leibwachen. Sie dienen uns auch zu geistlichem Schutz. Wir halten die Auf­fassung, die einen Engeldienst „in geistlichen Dingen“ verneint, für irrig.

Die bekannte Stelle Hebräer 1,14 heißt wörtlich (vgl. Albrecht, Neues Testament): „Sind sie nicht alle liturgische Geister, ausgesandt zur Diakonie?“ Allerdings hat es die Diakonie mit den leiblichen Nöten und Bedürfnissen des Menschen zu tun, und die ersten Dia­kone der ersten christlichen Gemeinde (Apg.6,1-8) wurden ausdrücklich zur „täglichen Hilfeleistung“ be­stellt. Aber ebenso ausdrücklich wird die geistliche Wirksamkeit der beiden Diakone Stephanus und Phi­lippus im Bericht der Apostelgeschichte hervorgehoben. Stephanus wird als Apologet (Verteidiger) des ange­feindeten Evangeliums (6,10) und Philippus als Pastor (Hirt, Seelsorger) unter Einheimischen und Ausländern (8, 12. 35) gerühmt.

Zweifellos waren die Engeldienste bei Zacharias, Maria, Joseph (Matth.1, 20), auf Bethlehems Fluren, beim Gebetskampf in Gethsemane, am Ostergrab, am Himmelfahrtsberg, bei Philippus (Apg. 8, 26), bei Jo­hannes auf Patmos keine Dienste in bloß leiblichen An­gelegenheiten. Der Engel Gegenwart beim Gottesdienst, ihre Freude über einen „Sünder, der sich bekehrt“, wei­sen auch darauf hin, daß sie etwas mit den geistlichen Dingen zu schaffen haben.

Alle diese Mahnungen und Gebete wissen um einen geistlichen Kampf „nicht mit Fleisch und Blut“, son­dern „wider die bösen Geister in der Atmosphäre“, wider „die feurigen Pfeile des Bösen“ (Eph. 6,12.16), „wider die unsauberen Geister“ (Apg. 5, 16). Es ist also ziemlich gewiß, daß wir des Engelsdienstes auch in geistlichen Nöten und Gefahren bedürfen und ihn viel­fach erfahren. Gott sei Dank dafür!

Auf einen besonderen, sonst kaum genannten und gekannten Dienst der Engel, nämlich als Helfer sowohl bei unserer alltäglichen Arbeit im Beruf als auch am Charakter, weist uns ein eigenartiges, bedeutsames Wort von Johann Christoph Blumhardt hin. Es lautet:

„Was gibt Gott? Erstens das Wollen, zweitens das Vollbringen. Was gibt er nicht? Das Schaffen . . .! Viele Leute schreien und beten, der liebe Gott solle sie doch anders machen; das ist alles Faulenzerei. Beten darfst du wohl, aber das Schaffen sollst du nicht versäumen. Wenn du anfängst, so schieben die Engel nach. Merken wir uns das, es ist eine wichtige Lektion!“

Ein Satz aus den Tagebüchern von Sören Kierkegaard:

„Wenn Engel einen Menschen beobachten, der doch das Gute ehrlich will, obwohl in seiner Schwachheit, so kommen sie eilig, um weiterzuhelfen.“

Es gibt verschiedene Engelstufen, eine Engelshier­archie (Eph. 1,21; Kol. 1,16) : „Throne, Herrschaften, Fürstentümer, Gewalten.“ Die Bibel redet von Engel­fürsten und Erzengeln. Es gibt Engelgruppen, deren Angehörige ihre Hauptwirkungsstätte außerhalb des Him­mels haben ‑ in den sie aber beständig zurückkehren, um dort Befehle zu empfangen. Andere haben dauernd ihre Stätte im Himmel, in der unmittelbaren Nähe Gottes. Nur dort erfüllen sie ihre hohe Aufgabe, die in der denkbar geistigsten Anbetung Gottes gipfelt. Es sind die Seraphim (vor dem Thron und um den Thron) und die Cherubim (unter dem Thron als Träger des Thrones der göttlichen Majestät). Die Cherubim schei­nen vor allem Diener der Macht Gottes, die Seraphim dagegen Diener seiner Liebe zu sein.

Als Erzengel werden mit Namen genannt: Michael (der große Fürst, Dan. 10, 13. 21; Judas 9; Offb. 12, 7), Gabriel (der Mann Gottes, Dan. 8, 15; 9, 21; Luk. 1,19), Raphael (Tobias 12, 15).

Pseudo‑Dionysius Areopagita (um 5oo) nimmt in seiner berühmten, das ganze Mittelalter beeinflussenden „Hierarchia Coelestis“ (Engelstaat) eine neunchörige Hierarchie, eine Engels‑ Herrschaft und –Rangordnung von drei „Triaden“, drei triadischen Ordnungen an. Die erste, oberste, gottnächste umfaßt die Throne, Cheru­bim und Seraphim; die zweite die Mächte, Herrschaften und Fürstentümer; die dritte die Kräfte, Erzengel und Engel. „Die Wirkung jeder Ordnung erstreckt sich nur auf die nächste ihr untergeordnete und erst die der letzten auf die irdische Welt.“

Die Engel wohnen im Himmel (Matth. 18, 10).

Wir sind gewöhnt, „der Himmel“ zu sagen, in Wirk­lichkeit gibt es „die Himmel“ (in der Mehrzahl). Salomo ruft den Gott an, den „aller Himmel Himmel nicht fas­sen“ (1. Kön. 8, 27). David preist den Gott, dessen Ehre „die Himmel erzählen“ (Ps. 19, 2; 8, 2‑ 4). Im Blick auf die Sünden tilgende Barmherzigkeit Gottes heißt es beim Propheten Jesaja: „Jauchzet, ihr Himmel!“ (Jes. 44, 23.) Der Sohn Gottes lehrt uns beten: „Unser Vater in den Himmeln“ (Matth. 6, 9). Nach Hebräer 4, 14 ist unser großer Hoherpriester, Jesus, der Sohn Gottes, „durch die Himmel hindurchgegangen“, nach Hebräer 8, 1 hat er sich „zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln gesetzt“.

Aber nicht nur der Zahl nach gibt es die Himmel, sondern auch der Art, dem Wesen, dem „Rang“, der „Stufe“ nach. Paulus, der hochbegnadete Apostel, wurde einmal „bis in den dritten Himmel entzückt, wo er unaussprechliche Worte hörte“ (2. Kor. 12, 2). Vielleicht dürfen wir hier vom Vorhof, Heiligen und Allerheiligsten reden. Der Vorhof: der atmosphärische Himmel, der die Erde umgibt. Das Heilige: die unendlichen Sternenwelten mit ihren unermeßlichen Weiten. Das Allerheiligste: der „dritte Himmel“, jener Himmel, „um dessen Vorhandensein die Astronomie weiß, den aber kein Fernrohr je zu erreichen vermag“ (Gaebe­lein). Dort hat der Herr der Heerscharen „seinen Thron gegründet“, von dort aus „erstreckt sich seine Herr­schaft über das All“ (Ps. 103, 19).

Im „dritten Himmel“ ist auch die Wohnstätte, die Heimat der Engel. Aber zweifellos ist auch der „zweite“ Himmel ihr Aufenthalts‑ und Tätigkeitsgebiet. „Es be­steht zwischen Engeln und Sternen eine tatsächliche Beziehung, eine Beziehung, die uns im einzelnen noch undurchschaubar ist“ (Erich Sauer). „In der Tat: Wenn nur unsere kleine Erde, dieses Stäublein im Sonnen­wirbel des Weltalls, Leben trüge, . . . dann wäre der Feuerglanz der Millionen von Sonnen . . . nur“ (Erich Sauer) „ein großes, sinn‑ und zweckloses Feuerwerk im toten Weltraum“ (Fr. Bettex) (Ps. 148, 1‑3).

Im übrigen ist der „Himmel“ der Bibel die für uns unsichtbare, doch wirkliche Welt Gottes, die die sicht­bare Welt umschließt und durchdringt, uns zugleich un­endlich fern und unfaßbar nah. „In ihm leben, weben und sind wir!“ (Apg. 17, 28.)

Und noch ein Letztes! Wir sehen einen Zusammen­hang nicht nur zwischen Engelwelt und Sternenwelt, sondern auch zwischen Engelwelt und Naturgesetzen bzw. Naturkräften.

Betrachten wir die Himmelskörper droben; wer lenkt sie in ihren Bahnen? Blicken wir auf die Erde, betrachten wir . . . das mächtige, wunderbare Wachs­tum der Pflanzenwelt; wer setzt dies alles in Be­wegung?

Wahrlich naheliegende und doch so selten gestellte Fragen!

In Psalm 148 heißt es:
„Lobt ihn, Sonne und Mond, lobt ihn, alle leuchten­den Sterne, ihr Walfische in allen Tiefen, Feuer und Hagel, Schnee und Wind ‑ lobt den Herrn!“

Mit Recht vermutet Thomas Groser: „Das müssen vernünftige Geschöpfe sein, die hinter der unvernünf­tigen Kreatur stehen!“ und fährt fort:

„Die Naturgesetze, die ohne Zweifel bestehen, setzen doch allein nichts in Bewegung, sondern sie erfordern Kräfte, die in Übereinstimmung mit diesen Gesetzen wirken. Die Naturgesetze zu erforschen, das ist Sache der Wissenschaft, aber über die tatsächlich wirkenden Kräfte kann die Wissenschaft nichts sagen, das offen­bart uns die Heilige Schrift. Wir brauchen darum die Wissenschaft mit der Heiligen Schrift durchaus nicht in Widerspruch zu bringen. Der Teich von Bethesda (Joh. 5, 2) hatte eine Heilkraft in sich, wenn sein Wasser von Zeit zu Zeit bewegt ward. Die Schrift sagt uns, es war ein Engel. Sodom und Gomorra wurden durch Vulkanausbrüche und glühende Lavaströme zerstört (1. Mose 19, 1). Die Heilige Schrift schreibt es einem Engel zu.“

In der Offenbarung (16, 5) ‑ die ja gerade in bezug auf das Wirken sowohl der guten wie der dämonischen Geister (z. B. 16, 14) besonders deutliche Hinweise und Einblicke gibt ‑ sieht Johannes einen Engel, dem die Hut aller Gewässer anvertraut zu sein scheint, und einen anderen Engel, der Macht hat über das Feuer (14, 18). Ebenda (7, 1) hören wir von vier Engeln, die an den Enden der Erde stehen und sie schützen vor drohenden, verheerenden Winden.

Gottes Schöpfung ist keine tote Maschine. Die Natur ist kein aus dem Nichts entstandenes, sich selbst entwickelndes und erhaltendes, mehr oder weniger zu­fällig „Gewordenes“; sie ist nicht die sogenannte „weise Mutter Natur“, die aus „sich“ alles und zuletzt den Menschen hervorgebracht hat, dieses problematische Wesen, das am Ende einer (angeblich) unendlich langen Selbstentwicklung, dank des aufrechten Gangs und der Vergrößerung des Gehirns, den Geist erlangte und zum homo sapiens, zum vernunftbegabten Menschen emporstieg, ‑ der nur leider nicht weiß, wozu und wohin das alles! Nein, Himmel und Erde und was in ihnen ist, sind Gottes, des Allmächtigen, des Vaters, plan‑ und zielvolle Schöpfung. Die in dieser wirksamen Natur­kräfte und Naturgesetze „stehen unter der Obhut himmlischer Mächte“ (Friedrich Oehninger). Diese „himmlischen Mächte“ nennt die Heilige Schrift Engel.

Und was die „Naturgesetze“ betrifft: Der persön­liche, der lebendige Gott, der Gesetzgeber der Natur, hat sich durch diese „Naturgesetze“ keineswegs selber die Hände gebunden! Er kann jederzeit in souveräner Freiheit in sie „eingreifen“, wenn sein weiser Rat es will. Er kann es unmittelbar durch sein Wort (so er spricht, so geschieht’s), er kann es auch mittelbar durch seine Engel (er ist Herr der Heerscharen, die seine Befehle ausrichten). Was er will, das tut er, und er tut es, wie er will.

Was will das alles heißen? Dies: Sternenbahnen und Pflanzenwuchs, Naturkräfte und Bewahrung unseres menschlichen Lebens ‑ alles positive Geschehen in der lebendigen Schöpfung steht irgendwie mit dem Wirken der guten Geister Gottes, der Engel, im Zusammenhang.

Augustinus sagt: „Ein jedes Ding wird durch die Macht eines Engels geleitet.“ Das ist Gottes Ordnung so. Nach dieser heiligen Ordnung walten die Engel in all dem tausendfältigen Werden, Vergehen und Wandel der Welt als Wächter an den von Gott gesetzten Grenzen, als Walter und Werker der von Gott gewollten Krea­turen und Kräfte.

Sollte diese wundersame Kunde vom Wesen und Werk der heiligen Engel uns gleichgültig lassen und gar nichts für uns bedeuten? Wir meinen, sie sollte uns zu tiefstem Dank und zu höchster Freude vor Gott bewegen.

„Es ist in der Tat ein überaus tröstlicher Gedanke, daß wir einen solchen wirklichen, lebendigen Schutz, den Schutz der Heerscharen des Herrn, rings um uns her haben, sei es auf einsamer Straße oder in finsterer Nacht, sei es in Zeiten der Verlassenheit oder des Schreckens. Es ist wirklich genauso, wie es einst der Diener jenes Propheten sah, als ihm in wunderbarer Weise die Augen geöffnet wurden: glänzende Heer­scharen heiliger Engel, feurige Wagen und Rosse waren rund um Elisa her!“ (Th. Groser.)

Es ist wirklich so, wie Joh. Chr. Blumhardt sagt: „Wir sind nicht allein; haben wir Jesus, so sind seine Engel um uns her.“ Es ist wirklich so: „Er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

Und mehr als das. Es geht ja nicht nur um unsere Person. Im weiten Weltall, hinter der rätselvollen Völkergeschichte, über der „Gemeinschaft der Heiligen“ walten schützend, richtend, kämpfend und leitend Gottes Engel, die „starken Helden, die Vollstrecker seines Willens“.

Engeldienst ‑ auch heute!

Die heiligen Engel gehören zur ewigen Ordnung des Weltalls. Sie waren nicht etwa nur am Anfang da, und ihre Existenz wurde nicht nur vor Zeiten und von den Menschen der Bibel erlebt und geglaubt. Sie existieren und wirken auch heute.

Manche halten es für ein Unrecht, vom Werk der Engel zu reden. Sie wollen nicht zwischen Gott und Menschen noch andere Wesen hineingeschoben ha­ben und wollen nicht als Werk der Engel bezeichnet wissen, was Gottes eigenes, machtvolles Tun sei. Sie meinen, von Engelschutz und Engelwirken zu sprechen, heiße, Gott die Ehre rauben und einem Geschöpf, wohl gar einem bloß erdachten, die Ehre erweisen.

Sie irren, die so denken. Denn wenn wir einem menschlichen Wohltäter gegenüber für seinen Dienst und seine Hilfe dankbar gesinnt sind, so heißt das noch lange nicht, daß wir gegen Gott undankbar sind. Jener Mensch ist für uns ein von Gott geschickter Bote. Und so, wie es Gottes Weise ist, uns Menschen durch Men­schen (etwa durch Eltern und Obrigkeit) zu helfen, zu erziehen, zu strafen, zu segnen, so ist es auch seine Weise, ja seine Ordnung, uns durch Engel zu helfen, zu leiten, zu schützen. Gott will nun einmal seine Engel „aussenden zum Dienst an den Erben der Selig­keit“ und will sie machen zu „Feuerflammen und Win­den“.

Es gilt im Leben der Völker als Zeichen besonderer Größe ihrer Fürsten und Staatsmänner, je größer die Zahl und Bedeutung derer ist, die ihrem Willen und Dienst zur Verfügung stehen. Sollte Gottes Größe klei­ner werden, wenn Millionen gewaltiger Engelgeister und Engelfürsten „seine Befehle ausrichten“? Keines­wegs!

So wollen wir auch dadurch Gott preisen, daß wir seine von ihm nach unergründlichem Rat erschaffenen, mit Hoheit und Stärke begabten, jedem göttlichen Wink unbedingt gehorchenden himmlischen Geister, die Engel, willig anerkennen und ehren und für ihr Wirken dem „Herrn der Heerscharen“ von Herzen dankbar sind.

„In alter Zeit erwarteten die Menschen, daß sie Engel erblicken, und sie erblickten sie auch. Aber es ist kein Grund vorhanden, daß sie sie sahen und wir sie nicht sehen sollen, daß die Engel sich bei ihnen niederließen und bei uns nicht; denn die großen Gesetze, die die Welt regieren, sind heute noch dieselben wie damals. Wenn keine Engel zu uns treten und uns dienen, so kommt das bloß daher, weil wir sie nicht einladen, weil wir die Tür schließen, durch die sie eintreten könnten“ ‑ so schrieb Ralph Waldo Trine.

Den gleichen Gedan­ken sprach Johann Peter Hebel so aus: „. . . sie würden vielleicht auch uns noch ebenso wie jenen wahrnehmbar sein, wenn wir nicht durch den Unglauben an sie die Empfänglichkeit ihrer Wahrnehmung verloren hätten. Das Organ dazu ist in uns zerstört.“

Und Johann Christoph Blumhardt sagte einmal: „Die Engel, die auch uns zur Hilfe gege­ben sind, konnte man damals (in der neutestamentlichen Gnadenzeit) je und je sehen. Wir sehen sie vorderhand nicht. Damals stand man auch in der Einfalt.“ Wir Heutige sehen deswegen keine Engel, „weil wir sind, wie wir sind, und nicht in der Einfalt und Un­befangenheit die Gnaden Gottes hinnehmen können. Wenn wir freilich lernen würden kindlich sein, so wür­den wir viel mehr auch sichtbare Beweise von himm­lischen Kräften kommen sehen . . .“

Wer kann auch heute die Existenz der Engel erfah­ren? Jeder, der aufgeschlossenen, gläubigen Sinnes ist, wer „geöffnete Augen“ hat, wer, wie die Menschen der Bibel, Gott wirklich Allmacht zutraut, wer den Schutz der Engel demütig und vertrauensvoll erbittet.

Elia und Elisa waren „Menschen gleich wie wir“ (Jak. 5, 17). Und sie hatten Engelmacht „rings um sich her“ (2. Kön. 6, 16). Auch wir können sie haben. Ernst Schreiner schrieb einmal: „Elia war ein Mensch wie wir ‑ laßt uns Menschen sein wie Elia!“

In Wirklichkeit haben wir alle der Engel wunder­samen Dienst und Schutz schon ungezählte Male er­fahren, ohne daß wir’s wußten und dankten! Es ist so, wie Joachim Neander in seinem Loblied singt: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!“ Und ‑ es waren jedesmal „Flügel“ der Engel. Glauben wir’s doch!

Wir könnten noch mehr Erfahrungen machen von der Wirklichkeit der Engel. Leider gilt auch von uns oft, was von jenen galt: „Er konnte daselbst nicht viele Wunder wirken um ihres Unglaubens willen“ (Matth. 13, 58). Wer aber glaubt, kann Gottes Hilfe durch Engeldienst immer wieder handgreiflich eileben ‑ auch heute.

Jawohl, denn die „Apostelgeschichte“ hört nicht auf mit Kapitel 28, 31! „Gott ist ein Gott der Lebendigen“ und „derselbe gestern und heute“, und er bekräftigt auch heute noch sein Wort „durch die mitfolgenden Zeichen“. Auch heute noch wird die Fortsetzung der „Apostelgeschichte“ geschrieben.

Sogar in den Spalten der Tagespresse kann man im­mer wieder lesen, daß einer „wie durch ein Wunder“ oder „durch wunderbaren Zufall“ „davonkam“, daß einem andern „ein guter Geist geraten“ hat, zu tun, was seine Rettung war.

Unter der Überschrift „Kind hatte guten Schutzengel“ brachte die Tagespresse im Januar 1966 folgende Nach­richt:

„Algerien (afp). Ein Kleinkind im Alter von 18 Mo­naten ist vom Balkon im sechsten Stockwerk der elter­lichen Wohnung in Algier gefallen und wurde völlig unversehrt aufgefunden . . . Als entsetzte Hausbewoh­ner herbeistürzten, saß das Kind friedlich auf dem Rasen und lächelte.“ Im Krankenhaus stellten die Ärzte fest, „daß es nicht die geringsten Verletzungen hatte“.

Und in den „Mitteilungen der Liebenzeller Mission“ (Nr. 2/41947) lasen wir:

„Chinkiang. Ein Christ erlebte ein offenkundiges Eingreifen Gottes, als sein Töchterchen in den Mühl­graben fiel und dem Mühlrad zutrieb. Als der Vater in seiner Angst herbeieilte, sah er die Kleine triefend am Ufer stehen. Sie sagte: ,Ein großer Bruder im wei­ßen Kleid hat mich herausgezogen‘. ‑ Gott hatte einen Engel gesandt.“

Wir geben im folgenden einige wertvolle, literarisch belegte Zeugnisse über heute erlebten Engelschutz. Sie wollen und sollen unseren Glauben stärken und Gott preisen für die Existenz seiner heiligen Engel.

John Paton, der berühmte Missionar auf den Neuen Hebriden, berichtet in seiner klassischen Selbstbiogra­phie über sein gefahren‑ und wunderreiches Leben unter den Kannibalen u. a.:

„. . . Nun ward es hell im Zimmer; es gingen Männer mit Fackeln auf das Haus zu; andere zündeten die Kirche an und einen Rohrzaun, der von dieser zum Hause reicht. In wenigen Minuten mußte letzteres auch in Flammen stehen und wir beim Verlassen desselben in die Hände der Wütenden fallen . . .

Plötzlich umringten mich sieben oder acht Wilde, schwangen die Keulen und schrien: ,Tötet ihn! Tötet ihn!‘ . . . Sie heulten vor Wut und riefen einander zu, den ersten Schlag zu führen, aber der Unsichtbare ließ es nicht zu. Ich stand unverwundbar unter seinem starken Schild, und es glückte meiner Arbeit, die Flam­men vom Wohnhause abzuhalten.

In diesem furchtbaren Augenblick trat ein Zwischen­fall ein, den sich jeder Leser erklären mag, wie er will, den ich aber auf direkten Eingriff zu unserer Rettung zurückführe. Ein stöhnendes Brausen, wie vom Rollen einer schweren Lokomotive oder wie ferner Donner, ertönte von Süden her. Unwillkürlich wendeten sich alle in jene Richtung, denn sie wußten aus schlimmer Erfahrung sämtlich, daß einer der schrecklichen Wirbel­stürme im Anzug sei. Staunt nun das Wunder an: der Südwind trug die Flammen der Kirche vom Wohnhaus weg; es stand ganz beschützt in Gottes Hut, während die Kirche in kürzerer Zeit zerstört war. Ein Regenguß, wie ihn nur die Tropen haben, machte es auch völlig unmöglich, das Haus anzuzünden! Das heulende Brau­sen des Sturmes ließ die Wilden rasch verstummen. Ihr Gebrüll war in tiefstes Schweigen umgewandelt. Dann sagten sie, vom Schreck ergriffen: ,Das ist Gottes Regen! Wahrlich, ihr Gott streitet für sie und hilft ihnen! Laßt uns entfliehen‘ In der Angst warfen sie ihre Fackelreste nieder und entliefen, so rasch sie konn­ten, nach allen Richtungen. Ich stand allein und lobte des Herrn wunderbares Tun! Ja, gesegnet der Mann, der sich auf ihn verläßt!“

Der württembergische Hofprediger Hedinger (1664 bis 1704) hatte sich einmal durch freimütige Äußerungen wider das sittenlose Leben des Herzogs Eberhard Lud­wig so sehr dessen Zorn zugezogen, daß dieser ihn auf sein Kabinett beschied, wo er sich persönlich an ihm vergreifen wollte. Als er erschien, fuhr ihn der Herzog an: „Warum kommt Er nicht allein, wie ich Ihm be­fohlen habe?“ ‑ „Durchlaucht, ich bin allein“, antwor­tete ihm Hedinger. „Er ist aber nicht allein“ behauptete der Herzog und starrte erschreckt immer auf die rechte Seite Hedingers. Da sagte dieser: „Ich bin wahrhaftig allein gekommen, Ew. Durchlaucht. Sollte es aber dem großen Gott gefallen haben, in dieser Stunde einen Engel neben mich zu stellen, so weiß ich es nicht.“ Jetzt winkte ihm der Herzog in sichtlicher Erschütterung mit der Hand, er solle wieder gehen.

Frau Anni Lassahn, eine Pfarrfrau mit sechs Kindern, hat inmitten großer Schrecken wunderbare Gebetserhörungen und göttliche Bewahrungen erlebt. (Aus: „Er hilft uns frei aus aller Not“, 1939.) Sie berichtet wörtlich

„. . . Wir hören das Schießen und Toben . . . Wir hören den Ruf ,Pastora‘ immer wieder auf der Straße und wissen: einmal werden sie uns finden! Bei unserem Heiland suchen wir Stille. J. und W. lesen uns die Leidensgeschichte vor, und wir dürfen es erleben, daß, sie uns so überwältigend groß wird, daß wir überhaupt nicht wissen, was draußen geschieht. Wir erleben, wie wir ganz eingeschlossen sind von dieser Liebe, und wir dürfen dann ruhig und getrost sein. Dann stürmen sie die Treppe herauf; der erste Kolbenschlag an die Tür, der zweite Kolbenschlag. S. beginnt zu schreien, ich presse ihm die Hand so auf den Mund, daß noch lange nachher das Gesichtchen Flecken hat . . . Doch er ist so kräftig, daß ich ihn nicht ganz ruhig bringe. Wir nicken uns zu. Irmfried kniet nieder, die andern knien neben ihr, und sie betet: ,Lieber Heiland, schicke uns alle deine Engel.‘ Das Wunder geschieht ‑ die Schläge an der Tür hören auf, die Bande stürmt die Treppe hinunter, im Augen­blick ist der Hof leer. Gerettet! Wir sehen uns still an, aus unseren Augen leuchtet ein dankbares Herz.

. . . Am Nachmittag dringen zwei bewaffnete Eisen­bahner bei uns ein, sehen sich im Zimmer um, blicken über uns hinweg, als wären wir Luft, schließen die Tür, gehen nach unten. Wir warten, daß sie die Menge nach oben bringen. Nichts geschieht. Der Hof wird wieder leer . . .

. . . Wir stehen an der Wand. Ich halte Sönnich so, daß ihn die Schüsse gleich treffen sollen. Da sagt M. leise: ,Seid nur alle ganz still und habt keine Angst, ich sehe ganz deutlich den lieben Heiland vor uns ste­hen.‘ So stark‑ fühlen wir die Nähe des Herrn. J. ruft laut: ,Wir sind froh, wenn Sie uns jetzt erschießen, wir wollen gern sterben . . .‘ Da sinken die Gewehre. Der Anführer geht auf uns zu, sieht einen nach dem andern an, streicht Sönnich auf meinem Arm über das Köpfchen, nickt mir zu ‑ und alles geht. Gerettet . . .!“

Prediger Joh. Blum in St. Georgen (Schwarzwald) erzählt („Reich‑Gottes‑Bote“ 10/1940) folgendes:

„. . . Es war Winter und es dämmerte schon. Das letzte Wegstück zum Dorf führte durch einen großen Wald. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Und doch ‑ je näher ich dem Wald kam, desto mehr nahm meine Niedergeschlagenheit zu, und ich mußte immer wieder seufzen: ,O Herr, sei mir gnädig!‘

In dem Augenblick, da ich den Wald betrat, wurde ich überraschend still und getrost. Es war mir, als ob jemand neben mir herginge und oft mit seinem Arm meinen Ärmel streifte. Aber ich sah und hörte nie­mand . . .

Endlich war der Wald durchschritten. Ich kam glücklich zu den ersten erleuchteten Häusern. Das Gefühl, du hast einen Begleiter bei dir, war verschwunden.

In der folgenden Nacht hatte ich einen schreckhaften Traum: Ich sah mich selbst am Boden liegen, totgeschlagen und meinen Leib übel zugerichtet. Eine Stimme sagte: So würdest du jetzt aussehen, wenn dich der Herr nicht bewahrt hätte! . . .

Ein Vierteljahr später stellte sich dieser Tatbestand heraus: An jenem Winterabend hatte mir dort am Wald­rand eine Anzahl Burschen aufgelauert, mit der festen Absicht, mich totzuschlagen. Sie haßten mich, weil unter dem Eindruck meiner Bibelstunden mehrere ihrer Mäd­chen die üblichen Tanzvergnügungen nicht mehr mit­machen wollten. Ihren Genossen erzählten sie nach ihrer Rückkunft vom Wald, sie hätten mich zuerst ganz allein daherkommen sehen, plötzlich wäre aber ein großer Mann auf meiner rechten Seite gegangen, und zwar bis zum Ende des Waldes. Sie hätten den Mann weder kommen noch gehen sehen; auf einmal wäre er dagewesen, auf einmal wäre er dann auch verschwunden gewesen!

Das war also die Aufklärung jenes damals völlig unerklärlichen Erlebnisses: eine gefährliche Bedrohung meines Lebens und dessen wunderbare Bewahrung durch einen der dienstbaren Geister.“

Was wollen wir nun zu all dem sagen?

a) In den Tagen des Erdenlebens Jesu gab es die Sadduzäer, die nicht an Engel glaubten. Solche „Ungläubige“ gibt es auch in unseren Tagen. Ihnen ist der Glaube an die Existenz und das Werk der Engel lächerlich. Die Existenz der Engel ‑ der guten und bösen ‑ ist durch Christus, den Offenbarer der Wahrheit, anerkannte Wirklichkeit, sie ist tausend­fache Erfahrung der Einzel‑ und Völkergeschichte.

b) So gewiß es auch dem gläubigen Christen ist, daß Gott, der Herr der Heerscharen, ihn jederzeit und in jeder Not durch heilige Engel erretten kann, so weiß er doch zugleich, daß Gottes Vorhersehung und uner­forschlicher Wille ihm solche Errettung auch versagen kann. Und in diesem Fall sagt er demütig ja zu Gottes Willen.

Wir erinnern an zwei Vor‑Fälle aus der Heiligen Schrift, die uns Vor‑Bild sind:

Als Petrus im Garten Gethsemane seinen Herrn mit dem Schwert verteidigen wollte, sprach Jesus zu ihm (Matth. 26, 51 ff.): „Stecke dein Schwert in die Scheide! . . . Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legio­nen Engel (= 60 000 ‑70 000 Engel) zu Hilfe senden? Wie würde aber dann die Schrift erfüllt. . .?“

Als drei jüdische Provinzverwalter sich weigerten, das goldene Standbild des babylonischen Königs Nebukanezar anzubeten, befahl dieser in grimmigem Zorn, sie sofort in einen brennenden Feuerofen zu werfen. „Wer ist der Gott, der euch aus meiner Hand erretten könnte?“ höhnte Nebukadnezar. Aber „Sadrach, Me­sach und Abed‑Nego antworteten und sprachen . . .: ,O König, wir haben nicht nötig, dir darauf eine Ant­wort zu geben. Wenn das geschieht, so vermag unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten; ja, er wird uns aus deiner Hand erretten, o König. Tut er es aber nicht, so magst du, o König, wissen, daß wir deinen Göttern doch nicht dienen und das goldene Bild, das du errichtet hast, nicht anbeten werden'“ (Dan.3, bes. Vers 28). ‑ Von solchem Glauben schrieb einst Carl Hilty: „Der rechte Glaube ist nur der der drei Männer im feurigen Ofen: Gott kann erretten, er tue es, wie er will . . .“. Das ist wahr.

Es gibt Engel! So steht es geschrieben. So erfahren wir es. So glauben wir es.

Beten wir die guten Engel an? Oder beten wir zu ihnen? Nein!

Johannes gibt in seiner Offenbarung (22,8-9) eine eindeutige, klare Antwort auf diese Frage; er sagt: „Und nachdem ich es gehört und gesehen hatte, fiel ich dem Engel, der mir dies zeigte, zu Füßen, um ihn anzubeten. Er aber sprach zu mir: Nur ja nicht! Ich bin bloß ein Mitknecht von dir und deinen Brüdern . . . Gott bete an!“ (Kepplerbibel.)

Aber ein ehrendes Denken an sie ‑ Ehre, dem Ehre gebührt! ‑, ein freudiges Danken für sie und ein gläu­biges Bitten bei Gott, dem Herrn der Engel, um ihren Beistand ist uns nicht nur gestattet, sondern kann billig von uns erwartet werden.

Unser Herr selbst ehrt sie. Er „wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln“ (Matt. 16, 27). Er wird als der Weltenrichter sich vor den Engeln Gottes bekennen zu denen, die sich hier auf Erden, trotz Hohn und Spott, zu ihm bekannten (Luk. 18, 7. 8). Er wird den Engeln die Ausführung der end­gültigen Gerichtsbeschlüsse übertragen (Matth. 13, 49).

Darum wollen wir’s mit Martin Luther (Wunder­postille ‑1528) halten:

„Also beten wir die Engel nicht an, trauen auch nicht in sie . . ., wie wir auch in der Schrift finden, daß sie sich nirgends haben wollen anbeten lassen, sondern danken und loben Gott, daß er sie uns geschaf­fen hat. Denn sie sind ja geschaffene Geister, von Gott zu uns geordnet.

Wie wir nun Gott danken und loben, daß er uns die liebe Sonne, Mond, Wein und Korn geschaffen hat, so sollen wir ihm auch für die lieben Engel danken: ,Lieber Herr Gott, ich danke dir, daß du uns also mit deinen Engeln versorgt und geschützt hast, daß du solche Fürsten über uns gesetzt hast.‘ Das heißt denn die Engel recht gelobet und geehret.“

 

Die Dämonen

Nach dem Zeugnis der Bibel, besonders nach dem Zeugnis der Evangelien, gibt es nicht nur gute, himm­lische, sondern auch böse, höllische Geister und Engel. Den Engeln des Lichts, den herrlichen, heiligen Heer­scharen Gottes, steht ein großes Heer von Teufeln und Dämonen gegenüber, ein böses Geisterheer, das „in der Finsternis sein Wesen treibt“ (Eph. 6, 11).

„Es ist eine Tatsache, die niemand aus dem Lebens­bild Jesu hinwegdeuten kann, daß er Gewalt über die bösen Geister hatte. Was uns vielleicht Schwierigkeit im Verständnis macht, war der Urchristenheit der ge­wisse, selbstverständliche Anfang seines Wirkens. Jesus trieb die Teufel aus . . . Daran kann nicht gezweifelt werden, daß sie vorhanden waren und daß Jesus stär­ker war“ (Dr. Johannes Weise).

Ob wir über den „Glauben“ an Dämonen lachen und spotten, ändert an der Tatsache ihrer Existenz nichts. Jeder nüchtern denkende Mensch erlebt diese Existenz im Umkreis seines persönlichen Lebens und erfährt sie im Gang der Weltgeschichte. Jesus Christus, der Gottes­sohn, kam ja gerade zu dem Zweck, „die Werke des Teufels zu zerstören“ (1. Joh. 3, 8) und Menschen vom Bann der Dämonen zu befreien (Luk. 8, 29 ff.).

Im Alten Testament ist nur an wenigen Stellen vom Satan die Rede; z. B. in der Paradiesgeschichte, im Buch Hiob, in Chronik 21,1 und in Sacharja 3, 1. Das ist beachtenswert, um so mehr als der Satan im Neuen Testament über hundertmal (unter verschiedenen Be­zeichnungen) genannt wird. Es ist aber nicht verwunder­lich. Wir verstehen diese auffallende Tatsache so: Die Wahrheitsoffenbarung in der Heiligen Schrift geschieht wachstümlich, stufenweise. Erst mit zunehmender Gotteserkenntnis wächst auch das rechte Satansver­ständnis. „Erst seit Christus kennen wir Satan“ (Ricarda Huch), ist er entlarvt als der „alt böse Feind“. Der, der „die Engel Gottes hinauf‑ und herabfahren“ sah (Joh. 1, 51), der sah auch „den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Luk. 10, 18). Als der kam, der „der Schlange den Kopf zertreten“ sollte (1. Mose 3, 15), hat sich die „Schlange“ und ihre dämonische Brut geregt und gezeigt wie nie zuvor. Man denke an die vielen Besessenen, die dem Herrn auf Schritt und Tritt begegneten!

Auch in bezug auf das Satanische in der Welt ist durch die Erscheinung des Gottessohnes den Menschen, „die da saßen im Land und Schatten des Todes, ein Licht aufgegangen“ (Matth. 4, 16). Sie kennen jetzt den Bösen. Sie beten jetzt: „ . . . erlöse uns von dem Bösen!“ Sie erleben nun Erlösung von dem Bösen, und sie erwarten die völlige Erlösung von dem Bösen für die ganze Welt am Ende der Zeit.

Die bösen Geister sind gefallene Engel, „die ihre himmlische Würde nicht bewahrten und den ihnen von Gott angewiesenen Bereich verließen“ (Judas 6). Sie sind Diener und Boten Satans. Satan, der Versucher, der „Mörder und Lügner von Anfang“ (Joh. 8, 44), die „alte Schlange“, der Gewaltfürst in der Luft (Eph. 2, 2), ist ihr An­führer und Oberhaupt. Auf ihn und die heimliche (rich­tiger: unheimliche) Wirksamkeit seiner „Engel“, der Dämonen (2. Kor. 12, 7; Offb. 12,7; 16,14), geht letzten Endes alles Unrecht und Finstere, aller Streit und Krieg, alle Lüge, Zauberei, Zerstörung, Menschen­ und Gottesfeindschaft zurück.

Sehr beachtenswert sind u. a. folgende Aussagen des Neuen Testaments über Dämonen: Matthäus 4, 1ff. (der Teufel als Versucher und Regent); Matthäus 8, 31 (Jesus befiehlt den Teufeln); Matthäus 13, 39 (der Teufel als Feind des Menschensohnes, als Säer des Unkrauts, der Bosheitskinder); Matthäus 15, 22 (die Teufel als Plagegeister); Lukas 8, 30 (viele Dämo­nen besitzen den besessenen Gadarener); Johannes 13, 2 (der Judasverrat war Teufelstat); Markus 3, 11 f. (die bösen Geister kennen den Sohn Gottes und fallen vor ihm nieder); Jakobus 2, 19 (die Teufel glauben auch und zittern); 1. Timotheus 4, 1 (es gibt „Lehren der Teufel“).

Wo es sich wirklich um Übel, um Bedrohung unseres äußeren und inneren Lebens, um Bosheit und Böses, um „wilde Naturkräfte“, um „Unheil“ handelt, sind die „Engel Satans“, die Dämonen, im Spiel. So sagt auch Luther: „Alles Unglück, und was nur Böses geschieht, kommt vielmehr von ihnen (den „bösen Engeln und Teufeln“) her.“ Und in Goethes Faust erklärt der Teu­fel: „Die Elemente sind mit uns verschworen, und auf Vernichtung läuft’s hinaus.“ Jedenfalls war das so bei den Unglücksfällen der Kinder Hiobs (Hiob 1, 8‑19); bestimmt war es so bei dem Sturm auf dem See Gene­zareth (Matth. 8, 23 ff.), der das Leben des Heilands gefährdete. Mit Bezug auf die mannigfachen Gefahren, in die der Apostel Paulus geriet, schreibt A. C. Gaebelein: „Wir zweifeln nicht, daß alle diese Gefahren (dämonische) Anschläge waren, die sich gegen das Leben des Apostels richteten . . . Der Herr aber errettete und bewahrte Paulus, solange sein Werk nicht beendet war. Daß ihn in solchen Gefahren gottgesandte Engel um­gaben, steht außer Frage.“

Im einzelnen Fall (Verkehrsunglück, Feuersbrunst, Krankheit u. ä.) kann es schwer oder gar unmöglich sein, zu sagen, ob und wieweit „böse Geister“ dabei beteiligt sind. Wir möchten dem harten Wort Amos 3, 6: „Geschieht auch ein Unglück in der Stadt, das der Herrn nicht tue?“ von seinem Gewicht und seiner Rätselhaftigkeit nichts nehmen. Wir verstehen das Problem im Sinn des Buches Hiob: Die Wirksamkeit Satans und seiner Dämonen hat ihre Grenze in der Zulassung des Allerhöchsten. Gott hat und behält die Aufsicht über die Welt und den Fürsten dieser Welt. Nichts geschieht ohne seinen Willen, „aber was in der Ab­wendung von ihm geschieht, geschieht ohne seine Be­teiligung“ (Ricarda Huch).

In demselben Sinn spricht sich auch die Konkordien­formel 11 aus: „Die Vorsehung Gottes siehet und weiß zuvor auch das Böse, aber nicht also, daß es Gottes gnädiger Wille wäre, daß es geschehen sollte; sondern was der verkehrte, böse Wille des Teufels und der Menschen vornehmen und tun werde und wolle, das siehet und weiß Gott alles zuvor und hält seine Vor­sehung auch in den bösen Händeln und Werken ihre Ordnung, daß von Gott dem Bösen, welches Gott nicht will, sein Ziel und Maß gesetzt wird, wiefern es gehen und wie lang es währen solle, wann und wie er’s hin­dern und strafen wolle!“

Ist die satanische Wirksamkeit auch nicht in jedem Einzelfall deutbar, so gibt es doch genug Fälle, wo sie völlig offenbar ist (Mord, Betrug, Treuebruch, Trunk­sucht, Gewaltherrschaft, Unterdrückung und Ausbeu­tung Wehrloser). Alle diese „Fälle“ (= Sünden‑Fälle) sind satanisch inspiriertes Menschenwerk ‑ und nicht „Gottes Schickung“! Der von Gott lose, selbst‑ und streitsüchtige Mensch und Satan (der „in ihn fuhr“, Joh. 13, 27) sind schuld an allem Jammer dieser Welt. Das steht als biblische Wahrheit fest. Aber es bleiben noch Rätsel übrig!

Dann gäbe es also doch einen Dualismus? Eine inner‑, bzw. überweltliche „Zweiherrschaft“? Zwei entgegengesetzte Mächte? Ohne Zweifel! Satan steht gegen Gott, Finsternis gegen Licht, böser Geist gegen guten Geist. Gott ist Licht; Satan ist Finsternis. Gott ist Liebe; Satan ist Haß. Gott wirkt Leben; Satan wirkt Ungehorsam, Sünde, Tod.

Das Neue Testament nennt etwa siebzigmal den Teufel, dreißigmal den Satan. Daneben hat es noch andere sehr bezeichnende Namen für diesen Antigott: Boshaftiger, Widersacher, Verkläger, brüllender Löwe, Drache, Feind, Verführer, Apollyon (Verderber), Fürst und Gott dieser Welt.

„Daß durch diese Welt ein tiefer Zwiespalt geht, hat nicht das Christentum zuerst bemerkt . . . Die Macht des Bösen, deren Ursprünge unergründliches Dunkel umgibt, wirkt unheimlich auch in dieser Welt Gottes und kämpft um jeden Menschen von neuem. Der Zwie­spalt der Welt geht mitten durch das Herz des Men­schen . . . Überall, wo in dieser Welt gegen Gottes Reich gekämpft wird, steht Satan als der eigentliche Treiber dahinter“ (Prof. Dr. Otto Kuß).

Der „Teufelsglaube“ ist nicht Phantasterei. O nein! Er gründet auf dem Offenbarungszeugnis der Heiligen Schrift und auf tausendfacher Erfahrung der Lebens­wirklichkeit. Allerdings: Nur wer Gott wirklich kennt, nur der kennt auch den Satan, und er bekommt mit ihm zu tun! Es ist Satans Meisterstück, daß man nicht mehr mit ihm rechnet, daß man über ihn lacht. Der Unglaube macht satansblind. Die Folge ist völlige Wehr‑ und Schutzlosigkeit gegen die Mächte der Fin­sternis (nach Hans Pförtner).

So hat uns auch D. Martin Luther belehrt:

„Ein Christ soll das wissen, daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm der Teufel näher sei denn sein Rock oder Hemde, ja näher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns her sei und wir also stets mit ihm zu Haare liegen und uns mit ihm schlagen müssen. Also laßt uns nun erkennen und lernen, was der guten Engel Amt und Werk sei, daß, gleichwie die bösen Engel nichts anderes denken, denn wie sie uns zu Sünden und Scha­den können bringen: also sind die guten Engel stets um uns und bei uns, daß sie uns helfen, daß wir bei der Wahrheit bleiben, unser Leib und Leben, Weib und Kind und was wir haben, vor dem Teufel behalten mögen. Daher kommt es, daß man sagt, und ist recht geredet: Du hast heute einen guten Engel gehabt. Das ist so viel gesagt: Vernunft hätte das Übel nicht verhüten können; wenn die lieben Engel nicht wären gewesen, sollte dir der Teufel das Bad haben zugerich­tet . . .“

Johann Christoph Blumhardt hat „im August 1844 der württ. Oberkirchenbehörde auf deren Verlangen“ einen ausführlichen Bericht übergeben, in dem er die grauenhaften und schier unglaublichen Erlebnisse der besessenen Gottliebin Dittus und seines zweijährigen heißen Kampfes mit den jene Gottliebin Dittus quälenden Dämonen wahrheitsgetreu dargestellt. Wahrlich, da waren Mächte der Finsternis wirksam! Wenn wir nun auch bereit sind, das als wirk­lich geschehen zu glauben, was Blumhardt als Gescheh­nis bezeugt, so können wir doch seiner Erklärung vom Wesen jener Dämonen nicht zustimmen! Blumhardt sieht in den die G. Dittus besitzenden und plagenden Dämonen „abgefallene“ verstorbene Men­schengeister, die „zur Qual der Lebenden dem Teufel zu dienen gezwungen“ werden! Daher hält er auch die „Errettung vorher gebundener Dämonen“ für möglich, ja glaubt, daß er etlichen durch sein Gebet habe „Be­freiung“ verschaffen können.

Es ist nötig, hier klar zu sehen und zu denken. Die Annahme, daß Geister von Verstorbenen in lebende Menschen fahren können, die Dämonen also ruhe­lose Qual‑ und Zaubergeister verstorbener Menschen seien, findet in der Bibel keine ausreichende Begrün­dung!

Alle Dämonenerscheinungen des Neuen Testaments werden dort als Erscheinungen von Teufelsgeistern verstanden! Wenn sich solche für Geister von Verstorbenen ausgeben, dann handelt es sich um satanische Täuschung. Die abgeschiedenen Menschengeister haben ih­ren ihnen von Gott in der Todesstunde angewiesenen Ort (1. Petr. 3, 19; Luk. 16, 19‑31), an dem sie warten auf den Tag ihrer Auferstehung und Urteils­sprechung.

Im übrigen fürchtet ein Christ die Dämonen, die Satansgeister, die „Gespenster“ nicht, wenngleich er um ihre Existenz und Bosheit weiß. Auch und gerade ihnen gegenüber gilt Blumhardts Losung: „Jesus ist Sieger!“ „Ihr Kinder Gottes, laßt euch nicht bange machen vor der Macht des Feindes! Ihr seid von einer starken, schützenden Wache umgeben, von der Macht Gottes und seiner heiligen Engel“ (Chr. von Viebahn).

Freilich, der Apostel Paulus spricht von dem „Ge­heimnis der Bosheit“ (2. Thess. 2, 7). Die Fragen nach Ursprung und Wesen des Bösen, des Teufels und seiner Trabanten sind nicht restlos lösbar. Immerhin erlangt der, der hineingeschaut hat in das „Geheimnis Christi“ (Kol. 4, 3), auch einigen Einblick in das „Geheimnis Satans“.

Satan ist der „altböse Feind“, dessen leidenschaft­liche Sucht es ist, Gottes Aufbauwerk, Gottes Heils‑ und Reichsplan, zu verderben. Er ist der „unsichtbare Gegen­spieler Gottes“. Er ist „der Geist, der stets verneint“. Er ist Empörer und Aufrührer, gefallener einstiger Engelfürst. In titanischer Selbstvermessenheit hat er sich einst von Gott getrennt (Jes. 14,12-15). „Hoch­mut ist’s, wodurch die Engel fielen, woran der Höllen­geist den Menschen fasst“ (Friedrich Schiller).

„Satan ist schuld an der Inkorrektheit des Kosmos“ (D. R. Rocholl). „Nur diese Tatsache vermag für den, dessen Augen offen sind, diese Welt, wie sie einmal ist, zu erklären“ (Fr. Bettex). „Nur wer an die Existenz des Teufels glaubt, kann verstehen, was in den letzten dreißig Jahren in Europa geschehen ist“ ‑ schrieb um 1940 Prof. Werner Sombart. Auch das, was seit 1940 in Europa und anderswo geschah, kann man nur richtig verstehen, wenn man den satanischen Hintergrund des Geschehens erkennt!

Es ist ein witziges und doch tiefernstes Wort des Mephisto im Faust: Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte! So ist es. Aber wir müssen ihn spüren, ehe er uns beim Kra­gen hat! Wir müssen ihm widerstehen, damit er vor uns flieht (Jak. 4, 7). Und weil er ein gefährlicher Schauspieler ist (er verstellt sich zum Engel des Lichts, 2. Kor. 11, 14), ist es bitter nötig, seine oft scheinheilige Maske zu durchschauen. Und weil er Gewalt hat und sie gebraucht, brauchen wir „die ganze Waffenrüstung Gottes“ (Eph.6,11;1.Thess.5,8).

Im Kampf gegen ihn sind der Name Jesu und Gottes Wort die rechten und verläßlichen Waffen (Apg. 16, 18; Matth. 4, 1-11). Wir brauchen aber auch die Hilfe der guten Geister, der hei­ligen Engel.

Und noch eins ist zu bedenken:

„Der Hauptgedanke der christlichen Verkündigung, nämlich die Botschaft von dem Reich Gottes, ist gar nicht möglich ohne den dunklen Hintergrund des Sata­nismus . . . Wäre das Satansreich nicht da, was hätte eine von Gott bewirkte Erlösung für einen Sinn? Gäbe es kein Satansreich, warum müßten wir immer noch auf die Vollendung des Gottesreiches warten?“ (Harma­nus Obendiek.)

Gewiß, dieser „Dualismus“ ist uns nicht angenehm. Wir wehren uns gegen ihn. Eine monistische Weltschau ist uns lieber, scheint uns vernünftiger und fortschritt­licher.

In einem bayrischen evangelischen Katechismus des vorigen Jahrhunderts stand zu lesen: „Gott sei ewig Preis und Ehr, es gibt keinen Teufel mehr! Ja, wo ist er denn geblieben? Die Vernunft hat ihn vertrieben.“ ‑ „Es ist ganz merkwürdig, je hochmütiger wir lächeln über jene biblische Rede vom Teufel, um so mehr sind wir in den Bann dunkler Mächte geraten“ (Ad. Brand­meyer).

Doch, das sei betont, wir reden nicht von irgend­einem heidnischen oder philosophischen, sondern von dem in der Bibel bezeugten, dem „christlichen Dualis­mus“. Und daher wissen wir, daß der Teufel weder gleichwertiger noch gleichberechtigter noch gleich­mächtiger „Gegenspieler Gottes“ ist. Sein Reich ist be­grenzt, seine Macht beschränkt, seine Herrschaft ge­liehen, seine Zeit bemessen! (Offb. 12,7‑12.) „Auch der Teufel muß Gott dienstbar sein“ (1. Kor. 5, 5; 1. Tim. 1, 2o).

Weil das so ist, sang Martin Luther einst das trotzige Lied:

Der Fürst dieser Welt,
wie saur er sich stellt,
tut er uns doch nichts,
das macht, er ist gericht’t,
ein Wörtlein kann ihn fällen!

In seiner Schrift „Das Doppelantlitz des Bösen“ sagt Alfred Schütze, es gäbe den Dualismus „böse ‑ gut“ nicht, sondern eine Dreigliedrigkeit; weil das Böse in sich selbst gespalten sei, so daß Spannung entsteht. Der Mensch müsse das Kräftespiel der beiden Ver­suchungen des Bösen durchschauen lernen und dann be­wußt ihren Ausgleich erstreben. Dabei erscheine dann das Gute als überhöhende, die Spannung lösende Mitte, als höhere Einheit, in welcher die beiden ins Böse füh­renden Kräfte erlöst würden.

Wenn hier von einem Doppelantlitz des Bösen ge­sprochen wird, dann ist das durchaus richtig. Diese Tatsache der Doppelgesichtigkeit des Bösen ist von un­geheurer praktischer Bedeutung und muß klar von uns erkannt werden. Daß diese Doppelgesichtigkeit aber auf zwei unterschiedliche dämonische Geistmächtige zurückführe, findet im Neuen Testament keine ge­nügende Stütze. Allerdings weiß das Neue Testament davon, daß der Satan sich zuweilen „verstellt als Engel des Lichts“ (Luzifer!). Es handelt sich jedoch dabei um ein und dasselbe Wesen! Man denke auch an die fal­schen „wölfischen“ Propheten in „Schafskleidern“! Gut und Böse sind daher „einfach polare Gegensätze“! Es gibt nicht zwei, sondern nur einen Teufel!

Dagegen ist der Hinweis auf das Doppelantlitz des Bösen sehr wichtig und wurde auch stets von allen ernsten Menschen erkannt. Ari­stoteles z. B. hat die Tugenden bestimmt, als „die rechte Mitte zwischen zwei Lastern“. Friedrich Rückert hat gewußt: „Zwischen Welt und Einsamkeit ist das rechte Leben; nicht zu nah und nicht zu fern will ich mich begeben.“ Eduard Mörike bittet: „Wollest mit Freuden und wollest mit Leiden mich nicht überschüt­ten! Doch in der Mitten liegt holdes Bescheiden.“ Ricarda Huch bezeugt: „Das Gute liegt in der Mitte.“ Das Sprichwort vom goldenen Mittelweg (der nichts mit Mittelmäßigkeit, Lauheit und Halbheit zu tun hat, sondern Ausgleich, Überwindung, Bändigung, Mäßi­gung, Entspannung, Beherrschung, Er­habenheit bedeutet) meint diese Wahrheit. Es weiß um die Versuchbarkeit und Neigung des Menschen, dem Extrem zu verfallen ‑ bzw. zwischen den Extremen hin und her zu fallen. So klagt Ludwig Hofacker: „Dieses arme Herz findet die Mittelstraße nicht; es ist ein trotzig und verzagt Ding.“

 

Die Engel in der christlichen Kirche

Auf die Frage, ob ein denkender, gebildeter Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts noch „an Engel glau­ben“ könne, antworten wir guten Gewissens und fro­hen Herzens: Ja. Jedenfalls haben wir mit diesem Glauben die Heilige Schrift, vor allem den Herrn Jesus und seine Apostel auf unserer Seite.

Wenn wir nun im folgenden noch einen kurzen Blick auf die drei großen Konfessionen der christlichen Kirche (es gibt nur eine Kirche, nur einen „Leib Christi“!) und ihre Stellung zum Engelglauben werfen, so soll das nicht nur unser Wissen davon bereichern, sondern es kann auch unseren eigenen Glauben an die Engel befestigen.

Daß die Urchristen fest an Engel glaubten und deren Existenz erlebten, bezeugen die Schriften des Neuen Testaments, von den Evangelien an über die Apostel­geschichte und die Briefe bis zur Apokalypse. Ja, „im Neuen Testament spielt die Engelvorstellung eine er­staunliche Rolle“ (Ethelbert Stauffer).

Das Konzil von Nicäa (325) erhob die Engelschöpfung zum Dogma. Die Synode von Laodicäa (um 350) verbot zwar die Anbetung der Engel als Abgötterei, aber Ambrosius (397) und die späteren Kirchenväter lehrten und forderten ausdrücklich die Engelverehrung.

Hierzu möchten wir bemerken: Einen Menschen „ver­ehren“ heißt: ihn sehr achten, hoch von ihm denken, ihm Ehrerbietung entgegenbringen. Sollte es einem gläubigen Christen verwehrt sein, die heiligen Engel in diesem Sinn zu „verehren“? Schreibt nicht der Apo­stel Paulus : „Einer komme dem andern mit Ehrerbie­tung zuvor“? Gebietet nicht die Schrift: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“? „Ehret die Witwen“? „Ehret den König“? „Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre wert gehalten wer­den“? Wieviel mehr verdienen die heiligen Engel un­sere Hochachtung und Ehrerbietung! Wer sie im Un­glauben mißachtet oder gar leugnet, macht sich ebenso schuldig wie der, der sie abergläubisch und abgöttisch „verehrt“.

Der moderne Mensch hat leider keine Beziehung zur Engelwelt mehr. Er glaubt eher an Maskottchen, Talismane, Horoskope und anderen Zauber (z. B. „Toi ‑toi ‑ toi!“) als an Engel. Und wo noch Reste des Wissens um Engel vorhanden sind, sind es blasse Schat­ten, und „man weiß nicht recht, was die Engel zu tun haben außer dem Hallelujasingen; man versteht nicht mehr, wie sie an der Weltschöpfung tätigen Anteil ha­ben nehmen können“ (Ed. Lenz), oder wie sie im Ge­schehen des Kosmos und in der Mensch­heitsgeschichte als schaffende und lenkende Geister wirksam sind.

Für Martin Luther war die Existenz guter und böser Geister undiskutierbar. Er glaubte und erfuhr beides: ;,der Engel Schar“ und „die Welt voll Teufel“.

Martin Luther hat seiner Reformationsgemeinde auch das altkirchliche Engelfest erhalten, bestätigt und es mit ihr gefeiert. Am Michaelistag 1533 hielt er nicht weniger als drei Predigten über das Wesen und Werk der heiligen Engel. In der Predigt am Michaelistag 1537 heißt es:

„Dies Fest des heiligen Michael werden wir erhalten und erhalten es deshalb, daß wir einen Tag haben, an dem von den heiligen Engeln zu predigen ist, daß wir die lieben heiligen Fürsten, Herrn und Geister erkennen, weil wir getauft und durchs Evangelium berufen sind zu ihrer Gemeinschaft, wie billig und recht, so daß wir über sie selbst predigen, und sie vergessen unser auch nicht. Sie lieben uns und wünschen, daß das Ende der Welt komme und wir mit ihnen ewig leben. Zum zwei­ten halten wir es dazu, daß wir den Unterschied zwi­schen guten und bösen Engeln merken.“

Und wiederum andernorts:

„Der Herr Christus spricht von den Kindern: ,Ihre Engel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters.‘ Es will aber der Herr Christus allhier sagen: Gott der Herr hat so großen Fleiß auf die Kindlein und auf die Gläu­bigen, er hat sie so lieb, daß er einen jeglichen nicht mit Büchsen und Spießen verwahren läßt sondern er gibt ihnen große Herren und Fürsten zu Geleitsleuten, die auf sie warten sollen, als die lieben Engel, die auf das Kind sehen wider den Teufel, den bösen Engel. Die frommen Engel sind gewaltige Geister, da alle Kaiser, Könige, Fürsten und Herren gegen sie gar nichts sind. Und diese Engel sehen allezeit ‑ nicht das Angesicht eines Königs oder Kaisers Karl des Fünften, sondern des großen Herren Gottes im Himmel, der hohen gött­lichen Majestät! Wollet ihr euch nun nicht scheuen vor den Kindern, so scheuet euch doch vor ihren Hütern!“

Und in einer Predigt über 2. Mose 14 (1525):

„Die lieben Engel sind unsere Wächter und Geleits­leute, ja unsere Knechte und Diener, so auf die Christen warten müssen, daß ihnen kein Leid widerfahre. Ich selbst wollte lieber einen Engel um mich haben, denn vierundzwanzig türkische Kaiser mit aller ihrer Macht und Gewalt; wenn sie gleich hundertmal tausend Büchsen bei sich hätten, so ist’s doch alles gegen einen Engel gar nichts.“

Und das ist Luthers Morgen‑ und Abendsegen:

„Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, daß du mich . . . (Am Morgen:) diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wol­lest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, daß dir all mein Tun und Leben ge­falle.
(Am Abend:) diesen Tag gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben all meine Sünde, wo ich Unrecht getan habe, und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.“

Die römisch‑katholische Kirche hat bis heute den Glau­ben an die Engel in ihrem Lehr‑ und Liedgut gepflegt. Sie feiert alljährlich am ersten Sonntag im September das Schutzengelfest und am 29. September das Michaelisfest. In ihrer Liturgie und in ihrer bildenden Kunst tritt der Engelglaube lebendig hervor.

„Die kirchlichen Verordnungen aus Karls d. Gr. Re­gierungszeit und andere Zeugnisse beweisen, daß der Michaelistag am 29. September im Reich ziemlich all­gemein gefeiert wurde.“

„Die Rolle Michaels in unserer inwendigen Ge­schichte ist kaum zu ermessen. Von ihr erzählen uns die Gebete, die Predigten, Heiligenleben und Chroniken seit der Christianisierung, die Hymnen unserer frühe­sten Dichter, die Legenden vom Seelenwürger und ‑ge­leiter, die Sagenkreise der Nibelungen, des Gral und Parzival und König Artus, die Verfassungen der Ritter­orden, das Wallfahrtsleben und die Kreuzzüge, die zahl­losen Heiligtümer auf Michaelsbergen, die Friedhofs­kapellen, die seinem Namen und seiner Verehrung ge­weihten großen Gotteshäuser zu Bamberg, Hildesheim, München und vielen anderen Städten, nicht zu reden von den Darstellungen der religiösen Kunst aller Jahr­hunderte deutscher Geschichte.“

„Wie menschlich und irdisch ist das Bild der Völker von Michael, aber wieviel vom Sinn ihres Daseins hat es sie begreifen lassen . . .!“ (Jos. Bernhart, „Der Engel des deutschen Volkes“, 1934)

In der Meßliturgie werden die Engel mehrfach er­wähnt. In der Präfation heißt es: „ . . . Dich, den ewigen und wahren Gott, preisen die Engel und Erzengel, die Cherubim und Seraphim, die ohne Unterlaß Tag für Tag im Chore rufen: Heilig, heilig, heilig bist du, Gott der Heerscharen! . . .“ Nach der Wandlung: „ . . . In tiefer Demut bitten wir dich, allmächtiger Gott: Dein heiliger Engel möge dieses Opfer zu deinem himm­lischen Altar emportragen vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät . . .“ In einem „Gebet zu den hei­ligen Engeln“ heißt es: „Heilige Engel . . . blicket mit Huld und Liebe auf mich herab und versaget mir Schwa­chen auf Erden eure kräftige Hilfe nicht. Hebet meinen Geist zu euch hinauf in den Himmel . . . Ihr erfüllet Gottes Willen auf das vollkommenste, ihr seid die treuesten Boten und Vollstrecker der göttlichen Auf­träge . . . Ihr leistet uns Menschen hilfreichen Beistand in allen Arbeiten und Kämpfen und gewähret uns Schutz in Gefahren des Leibes und der Seele. Stehet mir denn hilfreich zur Seite, besonders du, mein heiliger Schutzengel, wenn Gefahren und Feinde mir drohen, wenn Schwierigkeiten sich mir entgegenstellen . . . Ste­het mir besonders bei in meiner letzten Not, daß ich glücklich vollende und würdig befunden werde, euch zugesellt zu werden in der ewigen Glorie. Amen.“

Gemäß der apostolischen Regel prüfen wir alles Prüfenswerte und behalten das Gute (1. Thess. 5, 21). Darum ehren wir diesen frohen praktischen Engel­glauben in der katholischen Kirche, dabei aber wohl beachtend, daß die di­rekte Anrufung der Engel von der neutestamentlichen Linie abweicht.

Der Schlußsatz der „Präfation“ heißt: Und sollte jemand wieder fragen: Wozu bedürfen wir eigentlich des Beistandes und Schutzes der Engel, da doch der allmächtige Gott unser Vater und der Hei­land unser Beistand, Helfer und Fürsprecher ist?, so antworten wir noch einmal:

„Hat Gott es nicht so geordnet, daß wir sogar des Schutzes und Beistandes unserer Mitmenschen bedür­fen? Wir haben uns also an Gottes Ordnungen zu halten, und wir werden gut daran tun, wenn wir allezeit den Schutz der heiligen Engel für uns erbitten, ihr Nahesein immer im Sinn behalten und uns ihres Beistandes würdig erzeigen.“

Die Engel in der Kunst

Bis zur jüngsten Gegenwart haben sich bedeutende Dichter, Künstler und Gelehrte zu dem Glauben an gute und böse Geister bekannt. Auch die beiden Großen unter den deutschen Dichtern, Schiller und Goethe, ha­ben dem Glauben an eine Engelwelt dichterischen Aus­druck verliehen.

Schiller sagt einmal:

„Lob sei dem Herrn und Dank gebracht,
der über diesem Haus gewacht,
mit seinen heil’gen Scharen
uns gnädig wollt bewahren!“

Und ein andermal:

„Es gibt böse Geister, die in des Menschen unver­wahrter Brust sich augenblicklich ihren Wohnplatz neh­men, die schnell in uns das Schreckliche begehen, und, zu der Höll entfliehend, das Entsetzen in dem befleck­ten Busen hinterlassen.“

Und Goethe gab in seinem Faust ein eindeutiges Zeugnis von dem Glauben an die Existenz, den Einfluß und das Wirken guter und dämonischer Geister. Faust ist ergriffen vom Jubel der Engel am Ostermorgen: „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!“

Und wenn Mephisto von sich sagt:

Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
ist wert, daß es zugrunde geht.
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
mein eigentliches Element“

‑ dann hat Goethe damit den biblisch offenbarten Satan gekennzeichnet und anerkannt.

Besonders reichgestaltig und bedeutsam ist das Bekenntnis zur Engelwelt, das je und je bildende Künstler in malerischen und plastischen Werken zum Ausdruck brachten.

Die ersten bildnerischen Gestaltungen des Engels be­gegnen uns ‑ im biblischen Raum ‑ bei der mosaischen Stiftshütte: die innerste vierfarbene Prachtdecke so­wie der Vorhang vor dem Allerheiligsten waren von Cherubfiguren durchwirkt, und auf dem Deckel der Bundeslade befanden sich plastische geflügelte Cheru­bim aus reinem Gold.

In der altchristlichen und mittelalterlichen Kunst wer­den die Engel mit Vorliebe und vielfältig dargestellt. Es sind allermeist jugendliche männliche Typen; Männer­engel sind selten. Den Kinderengel bringt erst das 14.Jahrhundert, den niedlichen oder schelmischen nackten Putto erst die italienische Renaissance.

„Erst das 4. Jahrhundert kennt einen Engel mit Flü­geln, und die karolingische Zeit gibt ihn sehr häufig ohne Schwingen. Das spätere Mittelalter hält wieder mit ziemlicher Regelmäßigkeit an der Beflügelung fest . . .“ (H. Mendelsohn, Die Engel in der bildenden Kunst). „Fast nirgends werden an den biblischen Engeln Flügel erwähnt. Die Engel in den zahlreichen biblischen Ge­schichten sind allem Anschein nach flügellos . . . In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt hat denn auch die Kirche eine beflügelte Darstellung der Engel noch nicht geduldet, wohl vor allem darum, damit sie nicht mit den heidnischen Gestalten der Römer, den Genien, Viktorien usw. verwechselt werden konnten“ (G. F. Hartlaub, Die Engel).

Was bedeutet es, wenn die Künstler die Engel mit großen Flügeln darstellen? Gewiß ‑ „der Engel hat nicht Flügel noch Schwert noch Waage, aber zu seinem Wesen und Wirken gehören die geistigen Eigenheiten, die von diesen sichtbaren Dingen bedeutet werden“ (Jos. Bernhart). Die Engelflügel haben also symbolische Bedeutung, sie sind Sinnbilder für die den uns unsichtbaren Geistern innewohnende Fähigkeit, unge­hemmt durch die Schwerkraft der Erde, den Welten­raum „wie Vögel“ zu „durchfliegen“. Wenn wir uns dessen bewußt bleiben, dann stören uns die Engel­flügel der Künstler nicht mehr. Ein bildender Künstler kann ja ohne Sinnbilder nichts bilden!

Wir reden hier nicht (und wollen auch nichts wis­sen) von jenen „niedlichen Engelchen“ und „süßen Putten“, die selbst namhafte Künstler ge­staltet haben. Solche „Engelchen“ sind unbiblische Verniedlichungen einer gefühlsbetonten, irregeleiteten Frömmigkeit, der wir auch den großvaterhaften „lieben Gott“ und den frauenhaften, weichlichen „lieben Heiland“ im Volksdenken und in der Volkskunst zu ver­danken haben.

Die Engel sind keine „Putten“, keine kleinen harm­losen Wesen mit silberweißen Fittichen. Sie sind männ­liche Helden, ausgeprägte Persönlichkeiten. „Ein jeder Engel ist schrecklich“, heißt es bei Rainer Maria Rilke. (Daher der in der Heiligen Schrift öfter berichtete Zu­spruch eines erscheinenden Engels: Fürchte dich nicht!) Und bei Jos. Bernhart: „Fast mit heiligem Schrecken sehen und hören wir, was die Engel in der Heiligen Schrift bedeuten, wie die großen Kirchenlehrer des Ostens und Westens sie begreifen und wie die Kunst im alten Byzanz und in Rußland sie darstellt.“

So sind auch die Engelsgestalten unserer großen deutschen Künstler: Helden, Kämpfer, himmlische Für­sten. Es sei nur erinnert an Albrecht Dürers Michaels Kampf mit dem Drachen ‑, der den Ernst des realen übernatürlichen Geisterkampfes zwischen Licht‑ und Finsterniswelt kräftig zeichnet; an

Dürers Vier apokalyptische Reiter ‑, eine er­greifende Darstellung des Gerichtsengels, der des Aller­höchsten weltgeschichtliches Gerichtshandeln verwirk­licht; an
Dürers Verkündigung an Maria ‑, das packende Bild vom Gnaden‑ und Weissagungsengel; an
Dürers Vertreibung aus dem Paradies ‑, die Ge­staltung des im Auftrag Gottes unerbittlichen Strafvollzugsengels.

Dann sei erinnert an Rembrandts Verkündigung an die Hirten, seinen Christus am Ölberg, seinen To­bias und der Engel und seine Vision Daniels. Alles packende Bilder, gestaltet aus gläubiger Schau, aus tiefster Ein‑Bildung einer von Christus berührten Künst­lerseele.

Oder wir denken an die zahlreichen herrlichen Engel­figuren der Stein‑ und Holzplastik des Mittelalters und auch des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts! Oder an frühkirchliche Mosaike und gotische Minia­turen der Buchmalerei. Kurz ‑ bis in die Gegenwart hinein reichen die Bilder namhafter Künstler, die im Sinn‑Bild altes biblisches Offenbarungswissen von der Existenz der himmlischen Engelgeister bezeugen.

Wer solche Bildwerke lern‑ und erlebnisbereit be­trachtet, wird starke Bewußtseinsstützen durch sie er­halten!

Inmitten einer materialistischen und dem Unglauben verfallenden Zeit gewinnen christus­verbundene Menschen wieder neues Verständnis für die Wirklichkeit der Engelwelt. Welcher geistig wache Christ sollte auch heute nichts verspüren von dem heißen Ringen übermenschlicher Geister in der Mensch­heit und um die Menschheit?

„Ungeheuer sind die Umwälzungen, die sich in der Welt und in der Christenheit vollziehen. Europa, das alte christliche Abendland, verschwindet aus der Mitte der Welt . . . Es gibt keine christlichen Völker mehr . . . Wir sind Zeugen eines weltweiten Abfalls vom Glauben an Gott und den er gesandt hat, Jesus Christus . . . Der Mensch betet sich selbst, sein Blut, sein Volk, seine Macht an . . . Die Kirche wird wieder zur paroikia=Kirche, wie das Neue Testament sagt, zur Fremdlings­kirche (1. Petr.1,17; 2,11 u. a.)“ ‑ so schrieb 1952 Prälat Karl Hartenstein in seiner Schrift „Die neue Stunde der Weltmission“.

Und vierzehn Jahre vorher schrieb er im Blick auf diese neue Stunde der Welt und der Weltmission („Der Pionier“ 1/1938):

„Gerade wenn uns Menschen die Ohnmacht der Kirche offenbar wird, dann werden unsere Augen auf­getan für die starken Helden Gottes, für die Schar seiner heiligen Engel (2. Kön.6, 8‑23). Wir sollen unsere Häuser und Familien, unsere . . . Gemeinden umgeben sehen von dem Schutz der heiligen Engel. Das ist die Wirklichkeit der Welt Gottes, von der die Bibel zeugt.“

Christoph Blumhardt bekannte einmal: „Ich möchte keinen Tag leben, ohne zu denken, daß die Heer­scharen Gottes um uns sind, und daß sie ausgehen in alle Welt, . . . ohne zu denken: Nie und nirgends sind wir allein.“ Und wir? Leben, denken, bekennen wir auch so?

Über der Sakristeitür einer pommerschen Dorfkirche steht geschrieben: „Gott belagere uns mit Engeln.“ Die das hinschrieben wußten noch etwas von der Existenz und dem Werk der heiligen Engel.

Möchten wir auf die Frage: Gibt es überhaupt Engel? gewissen und frohen Herzens antworten können:

Gott sei Dank ‑ es gibt Engel!

Hermann Leitz, im Jahre 1900 geboren in Freiburg im Breisgau, war Lehrer und zuletzt an einer Pädagogischen Akademie. Im Ruhestand lebt er in seiner Geburtsstadt.

 

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