Ursprung des Bösen (E.Sauer)
Erich Sauer
DAS MORGENROT DER WELTERLÖSUNG
1. Die vorweltliche Ewigkeit
2. Die Weltschöpfung
3. Der Ursprung des Bösen
AUSZUG:
3. Der Ursprung des Bösen
In diese Welt, die zum Höchsten bestimmt war, die der Schöpfer dazu berufen hatte, ein Gefäß seiner Herrlichkeitsoffenbarung zu werden, ist ein Riss eingetreten. Die zusammenklingende Harmonie der Sphären ist durch einen grellen Misston zerstört. Die Sünde ist aufgetreten und hat sich Gottes heilig liebenden Selbstverklärungsplänen frevelnd entgegengestellt. Durch die Sünde der Menschheit ist hier unten die Erde verheert (1. Mose 3, 17; 18; Röm. 8, 20), und in der Himmelswelt droben hat sich, wie die Versuchungsgeschichte der Bibel voraussetzt, schon vor dem Fall der ersten Menschen ein Sündenfall unter den Engeln ereignet (1. Mose 3, 1 7; 2, 15).
Wie dies jedoch möglich war und warum Gott es zuließ, vermag niemand zu sagen. Der Ursprung des Bösen bleibt ewig ein Geheimnis. Auch die wenigen Andeutungen, die die Schrift darüber gibt, führen über ein Ahnen nicht hinaus.
I. Satan vor dem Fall
Gottes weltenumspannender Schöpfungsstaat ist, wie es scheint, in eine Anzahl von Provinzen eingeteilt, deren stoffliche und geistige Organisation je einem bestimmten Engelfürsten, gleichsam als Statthalter Gottes, anvertraut ist. So gibt es Engel für Kinder (Matth. 18, 10), für Erwachsene (Apg. 12, 15), für ganze Länder und Nationen, wie Persien (Dan. 10, 13), Griechenland (Dan. 10, 20), Israel (Dan. 10, 21; 12, 1). Dies setzt voraus, daß es sowohl in der Welt des Lichtes als auch in der Welt der Finsternis Engelorganisationen gibt, die, je nach der Größe des betreffenden Gebietes, nach verschieden hohen Rangstufen in gewisse Herrschaftsbezirke eingesetzt sind. In der Tat spricht Paulus von „Thronen, Herrschaften, Fürstentümern und Gewalten“ nicht nur in der sichtbaren, sondern auch in der unsichtbaren Welt (Kol. 1, 16; Eph. 1, 21).
Solch ein besonderer Fürst Gottes muß auch Satan vor seinem Fall gewesen sein. Aus seiner Machtstellung, die er noch in der jetzigen Zeit innehat, ist zu schließen, daß ihm jedenfalls vor seinem Fall ein gewaltiges Gebiet zur Beherrschung rechtmäßig übergeben worden war, und die Tatsache, daß er gerade auf der Erde wirkt, legt den Gedanken nahe, dies Gebiet sei die Erde und die sie umgebende Luft bzw. Ätherregion gewesen.
Dies findet nun auch wirklich im Worte Gottes seine Bestätigung. Der HErr Jesus selbst bezeichnet Satan als den Fürsten der Welt (Joh. 14, 30). Paulus nennt ihn den „Fürsten über die Mächte der Luft“. Als Satan in der Versuchung dem HErrn alle Reiche dieser Erde anbot und dabei sagte: „Dir will ich diese ganze Macht mit ihrer Herrlichkeit geben; denn mir ist sie verliehen worden, und ich kann sie geben, wem ich will“, hat der HErr diese Vollmacht auch insofern anerkannt, als er es dem Teufel nicht bestritt, gegenwärtig über die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit verfügen zu können (Matth. 4, 8 10). Und wenn es in der Offenbarung in bezug auf die Endzeit der gegenwärtigen Haushaltung heißt: „Die Herrschaft über die Welt ist an unsern HErrn und seinen Gesalbten gekommen, und er wird als König in alle Ewigkeit herrschen“ (Off. 11, 15 vgl. 19, 6), so liegt in diesen Worten ebenfalls das Zeugnis, daß das Reich der Welt bis zu jenem Augenblick unter der Botmäßigkeit eines andern, eben des „Fürsten dieser Welt“, steht. Nun verstehen wir auch, warum der Erzengel Michael bei seinem Streit mit dem Teufel um den Leib des Mose nicht wagte, ein lästerndes Urteil über ihn auszusprechen, sondern nur sagte: „Der HErr strafe dich“ (Jud.9). Ja, selbst noch nach Golgatha und Pfingsten dauert das Obrigkeitsverhältnis Satans über seinen Weltbezirk fort; denn noch im Zeitalter der Gemeinde bezeugt der Apostel Johannes: „Die ganze Welt liegt im Argen“ (1.Joh.5,19), und Paulus spricht verschiedentlich von der „Obrigkeit“ Satans (Apg.26,18; Kol.1,13; Eph.2,2), wobei er sich des selben Wortes bedient, mit dem er im Römerbrief die menschlichen Behörden bezeichnet (gr. exousia Röm.13,1), und somit zum Ausdruck bringt, daß auch die Herrschaft Satans geradezu ein Reich ist (vgl. Matth.12,26).
II. Der Sündenfall Satans
So muß denn einmal in der vorgeschichtlichen Ewigkeit ein Augenblick eingetreten sein, in dem dieser Weltfürst Gottes dem Höchsten seine Lehnspflicht aufkündigte und somit aus einem „Lucifer“, einem „Lichtträger“ der göttlichen Herrlichkeit, ein „Widersacher“ Gottes (hebr. „Satan“) und „Verleumder“ seiner Heiligen (gr. „diabolos“ = Teufel) wurde. Von da an geht ein gewaltiger Riss durch den Kosmos, und ein organisiertes Gegenreich des Bösen steht dem Weltenstaat Gottes gegenüber (Matth.12, 26). Satan als Herrscher hat wiederum Fürsten und Gewalthaber unter sich (Dan. 10, 13; 20; Eph. 6, 12), und die Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Reich Gottes ist fortan das Thema und der Grundinhalt der in der Heiligen Schrift angedeuteten Weltall Übergeschichte.
Den Fall dieses gewaltigen Lichtfürsten scheint, wie schon die Rabbinen annahmen, die Schilderung des gestürzten Königs von Babel bei Jesaja bildhaft mit im Auge zu haben. „O, wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzgestirn, Sohn der Morgenröte! … Du dachtest in deinem Sinn: ,In den Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über den Sternen will ich meinen Thron aufrichten , will mich dem Höchsten gleich machen´. Nun aber bist du ins Totenreich hinabgestürzt, in den tiefsten Winkel der Unterwelt“ (Jes. 14, 12 15). Auch Hesekiel entlehnt, wie es scheint, seine Bilder für die Beschreibung des Falles von Tyrus jenem vorgeschichtlichen Urereignis: „Der du das Bild der Vollkommenheit warst, voll von Weisheit und vollkommen an Schönheit, du warst ein gesalbter Cherub, der da schirmt . . . Unsträflich warst du in all deinem Tun von dem Tage deiner Erschaffung an, bis Verschuldung an dir gefunden wurde. Dein Sinn war hochfahrend geworden infolge deiner Schönheit. Du hattest deine Weisheit außer acht gelassen um deines Glanzes willen“ (Hes. 28, 12 15; 17).
Im allgemeinen aber spricht die Heilige Schrift fast gar nicht von diesem Fall Satans, in direkter Weise sogar niemals. Sie will, als die Urkunde des Heils, dem Menschen, prophetisch geschichtlich, den Weg zur Erlösung zeigen, ihm aber nicht, philosophisch, das System einer Welt- oder Ewigkeitsanschauung geben; denn wenn sie das wollte, würde kein Mensch sie verstehen. Darum redet sie auch über den Ursprung des Bösen nur hintergrundartig und mittelbar, nur in gelegentlichen, bildhaften Andeutungen, niemals aber in direkten Belehrungen und nirgends in zusammenhängender, unverhüllter Form. „Das Geheimnis ist des HErrn“ (5. Mose 29, 29).
In jedem Fall aber ist der Glaube an die Existenz eines persönlichen Teufels der Glaube Jesu und seiner Apostel (Matth. 4, 1 10; 12, 27; Luk. 10, 18; Röm. 16, 20; 2. Kor. 11, 14; 15; Off. 12, 7 9; 20, 2; 10). Wer diesen urchristlichen Glauben nicht teilt, kann unmöglich Jesus und seine Apostel verstehen. Der moderne Mensch steht der Teufelsidee jedoch meist schon deshalb von vornherein ablehnend gegenüber, weil er dabei fast immer sofort an die populär schauerliche und albern groteske Teufelsvorstellung des Mittelalters denkt. In Wahrheit aber ist Satan ein mit höchster Intelligenz begabtes, zwar gefallenes, aber nichtsdestoweniger überaus machtvolles Geistwesen, dessen Existenz philosophisch in keinerlei Weise angreifbar ist.
III. Ursünde und Weltgestalt
Mit dem Fall Satans muß aber auch, wie der organische Zusammenhang von Geist und Natur und die spätere Ähnlichkeit des menschlichen Sündenfalls nur diese in kleinerem Umfange beweisen (1. Mose 3, 18), ein Sturz seines Herrschaftsgebietes verbunden gewesen sein. Welt und Erdkatastrophen traten ein als Gegenwirkungen der Gerechtigkeit Gottes gegen diese kosmische Revolution. Die Schöpfung wurde der Eitelkeit unterstellt (Röm. 8, 20; 21). Alles einzelne entzieht sich unserer Kenntnis. Nur dies ist gewiß, daß Tod und Verderben in der Pflanzen und Tierwelt schon lange vor dem Menschengeschlecht seit undenklichen Urzeiten auf der Erde gewütet haben. Dies beweisen die geologischen Schichten und die Entwicklungsphasen der vorweltlichen Tierwelt auf das deutlichste. Die unter uns liegenden Erdschichten sind geradezu „ein ungeheures Leichenfeld, das von seinem steinernen Acker umschlossen ist (J. H. Kurtz). Ja, viele Raubtiere der Urzeit waren schreckliche Ungeheuer von gefräßigster und todbringendster Zerstörungsgewalt.
Damit stimmt auch das Zeugnis des Alten Testaments überein. Denn die darin berichtete Beauftragung des Menschen, den Paradiesesgarten nicht nur zu bebauen, sondern zu bewahren, sowie die Tatsache seiner Versuchung durch eine gottfeindliche, lügnerische Gegenmacht lassen schon im Alten Testament erkennen, daß das Böse nicht erstmalig im Menschen, sondern schon vor ihm in einem anderen Geschöpf vorhanden gewesen ist, daß also schon vor der Zeit des Menschen, vor seinem Fall und der damit zusammenhängenden Verfluchung des Ackers, ein Riss und eine Disharmonie in der Schöpfung bestanden hat.
Es hat gotterleuchtete Männer in alter und neuerer Zeit gegeben, die in diesem Zusammenhang die Vermutung ausgesprochen haben, das Sechstagewerk von 1. Mose 1 sei eigentlich ein Wiederherstellungswerk, nicht aber die erstmalige Erschaffung der Erde gewesen, und der Mensch habe ursprünglich die Aufgabe gehabt, als Diener des HErrn und Herrscher der Schöpfung in sittlicher Auseinandersetzung mit Satan, die äußerlich wiederhergestellte Erde durch Ausbreitung seines Geschlechts und seiner Herrschaft auf ihr für Gott zurückzugewinnen. Die geologischen Perioden seien dann entweder vor dem Sechstagewerk gewesen und die Tage selbst seien als buchstäbliche Vierundzwanzigstundentage aufzufassen, oder aber die Tage von 1.Mose 1 seien als Perioden zu deuten und mit den geologischen Entwicklungszeiten der Erdgeschichte gleichzusetzen. Auf diese Weise sei es dann auch möglich, eine Vermittlung zwischen der biblischen und den modern naturphilosophischen Weltentstehungslehren zu finden? Andere wiederum glauben, daß das Ganze ein einheitlicher, fortgesetzter Zusammenhang sei o h n e eine besondere, dazwischen geschaltete Vollzerstörung und Wiederherstellung der Erde , ein e i n z i g e r, in unübersehbare Schöpfungsperioden eingeteilter, ungeheurer Werdegang. In diesem sei es dann auf irgendeine Weise die die Naturwissenschaft erforschen mag unter göttlicher Leitung und, wie es scheine, seit dem Fall Luzifers, auch nicht ohne satanische Querwirkungen zu einer allmählichen Steigerung der Lebensformen gekommen. Zuletzt sei der Mensch, o h n e Abstammungszusammenhang mit der Tierwelt, auf den Schauplatz des Weltgeschehens gestellt worden, um dann von dem eigens für ihn angelegten Paradiesesgarten aus seine irdische Laufbahn zu beginnen.
Auf keinen Fall jedoch kann es hier ein absolut festes Wissen geben. Denn eben dies Urereignis, da das Böse in die Welt trat und die ursprünglich reine und gute Schöpfung Gottes in Unordnung brachte, ist ja gerade die alles verheerende, unser eigenes Sein verwirrende, übergeschichtliche U r g e g e b e n h e i t, in der wir selber stehen und die unser ganzes gegenwärtiges Dasein in allen seinen Erscheinungsformen, auch in seinem Denken, mitbedingt. Wir können uns daher weder zeitlich noch sachlich von ihr eine zureichende Vorstellung machen, sondern haben lediglich die Pflicht, uns gewissensmäßig und verantwortlich mit der Tatsachenwucht dieses Geheimnisses auseinanderzusetzen.
Im übrigen gilt es, auf alles weitere Fragen zu verzichten und den Mut zu haben, unsere Unwissenheit offen zu bekennen, aber auch die Demut, einzusehen, daß irdisches Denken das Weltall Übergeschichtliche niemals zu erfassen vermag und daß unser Verstand oft nur deshalb die Ewigkeitsdinge als widerspruchsvoll ansieht, weil er sündhaft gefallen und gebunden, wie er nun einmal ist sich selbst im Widerspruch zu den Gesetzen der anderen Welt befindet. Es gibt eben nichts Irrationaleres als den Rationalismus. Wer in Gottes Geheimnisse hineinschauen will, muß mit dem dreifachen Schmuck von Demut, Ehrfurcht und Glauben geziert sein, und wo diese sich finden, kann die Seele alles Nichtgeoffenbarte in Ruhe dem Höchsten überlassen (Röm. 11, 33 35; Hiob 38, 4 7).
Erst in der Ewigkeit werden alle Fragen gelöst sein. Erst dann, wenn der HErr kommt, werden alle Schleier verschwinden (1. Kor. 13, 9 12). Bis dahin sind wir Harrende.
Aus dem Buch DAS MORGENROT DER WELTERLÖSUNG – Ein Gang durch die alttestamentliche Offenbarungsgeschichte
www.horst-koch.de
info@horst-koch.de