Die Inquisition (D.Hunt)
Und es kam einer von den sieben Engeln und sprach zu mir: „Komm, ich will dir zeigen das Urteil der großen Hure, mit welcher gehurt haben die Könige auf Erden und sind trunken geworden vom Wein ihrer Hurerei; und das Weib. . . hatte an ihrer Stirn geschrieben einen Namen: Die große Babylon, die Mutter der aller Greuel auf Erden…, und ich sah das Weib trunken vom Blut der Zeugen Jesu“
(Offenbarung 17)
Jean Antoine Llorente, Sekretär der spanischen Inquisition, 1790-1792
Dave Hunt
Das Blut der Märtyrer
( Die Inquisition )
Das Blut der Märtyrer
Die Frau auf dem Tier ist „trunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu“ (Offenbarung 17,6). Es ist eine entsetzliche Vorstellung, aber eine, die durch die Geschichte allein für Rom und für keine andere Stadt gänzlich in Erfüllung gegangen ist. Von jedem Bürger des Reichs wurde die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche verlangt. Wenn jemand dem Papst nicht von ganzem Herzen seine Untertanentreue erwies, wurde er als Verräter des Reichs angesehen, und ihm drohte die Todesstrafe. Das war die Grundlage für die Hinrichtung von Hunderttausenden. Wie es ein paar Jahrhunderte später beim Islam der Fall sein sollte, wurde der gesamten Bevölkerung Europas unter Androhung von Folter und Todesstrafe ein heidnisiertes Christentum auferlegt.
So wurde der römische Katholizismus zur „am meisten verfolgenden Religion, die die Welt je sah … die befiehlt, der Thron (der Staat) solle all seinen Untertanen die christliche Religion aufzwingen … Innozenz III. ermordete weit mehr Christen an einem Nachmittag … als irgendein römischer Kaiser in seiner ganzen Regierungszeit.“ (Peter de Rosa: Die dunkle Seite des Papstums)
Will Durant schreibt offen:
Verglichen mit der Verfolgung von Ketzern in Europa von 1227 bis 1492, war die römische Christenverfolgung der ersten drei Jahrhunderte nach Christus ein sanftes und menschliches Unterfangen.
Mit jeder für einen Historiker erforderlichen und einem Christen erlaubten Einräumung müssen wir die Inquisition auf die gleiche Stufe stellen mit den Verfolgungen unserer Zeit sowie mit den finstersten Makeln der Menschheitsgeschichte, und sie offenbart eine Grausamkeit, die von keinem wildem Tier bekannt ist.
Natürlich ließen sich nicht alle Andersdenkenden ihre Untreue Rom gegenüber öffentlich anmerken. Es gab geheime Ketzer, die man mit Sorgfalt aufspüren mußte. Die ersonnene Methode war die Inquisition, mit ihrer Zerstörung von Leben, Besitz, Moral und Menschenrechten. Lord Acton, ein Katholik, nannte die Inquisition „mörderisch“ und erklärte, die Päpste waren „nicht nur Mörder im großen Stil, sondern sie machten Mord obendrein zur Rechtsgrundlage der christlichen Kirche und zur Vorbedingung des Seelenheils“. (De Rosa)
Keine Lossprechung für Rom
Verteidiger des römisch-katholischen Glaubens versuchen ihre Kirche von jeder Verantwortlichkeit für die tatsächliche Ketzerverbrennung loszusprechen. Sie behaupten, die Inquisition sei das Werk des Staates gewesen. Aber im Gegenteil, „die verbindende Kraft der Gesetze gegen die Ketzer lag nicht in der Macht der weltlichen Fürsten, sondern in der souveränen Herrschaft, welche der Papst als Statthalter Gottes auf Erden über Leben und Tod aller Christen zu besitzen behauptete“, wie Innozenz III. es ausdrücklich sagt. (Ignaz von Döllinger, Der Papst und das Concil)
Die Strafen wurden von den Zivilbehörden ausgeführt, aber nur als der säkulare Arm der Kirche. Innozenz III. befahl dem Erzbischof von Auch in der Gaskogne: „Wir erteilen dir den strikten Befehl, daß du alle diese Ketzer vernichten sollst … du magst die Fürsten und das Volk dazu bringen, sie mit dem Schwert niederzuzwingen.“ Der Papst „bot dem König und den Adligen Frankreichs für die Hilfe bei der Ausrottung der Katharer einen vollständigen Ablass an“. Philip August bot der Papst als Gegenleistung für eine solche Hilfe die Ländereien all jener an, die nicht an einem Kreuzzug gegen die Albigenser teilnahmen. (Durant)
Comte Le Maistre schreibt in seinen Briefen aus dem Jahre 1815, mit denen er die spanische Inquisition rechtfertigen wollte, daß „sie kraft der Bulle des höchsten Oberhirten bestünde“ und daß der Großinquisitor „stets entweder ein Bischof oder ein Erzbischof ist“. Wenn die Behörden die Hinrichtung der Verurteilten verweigerten, wurden sie selbst vor das Tribunal gestellt und den Flammen überliefert. Es waren die Päpste selbst, die die Inquisition erfanden und für ihre Ausübung sorgten.
„Gregor IX. übergab im Jahre 1233 das Offizium [die Inquisition] dauerhaft in die Hände der Dominikaner, die sie jedoch stets im Namen und in der Vollmacht des Papstes ausführen sollten.“ Wie bereits festgestellt, hat „von achtzig Päpsten vom dreizehnten Jahrhundert an nicht einer die Theologie und den Apparat der Inquisition mißbilligt. Im Gegenteil, einer nach dem anderen setzte dieser tödlichen Maschinerie noch seine eigenen Grausamkeiten hinzu.“ (De Rosa)
Wir zitieren nicht Protestanten oder ehemalige Katholiken, sondern katholische Historiker. Beim im 19. Jahrhundert führenden katholischen Professor für Kirchengeschichte (Ignaz von Döllinger) lesen wir:
Durch Gratian … und die Gesetzgebung und unermüdliche Tätigkeit der Päpste und ihrer Legaten seit dem Jahre 1183 wurde die Ansicht der alten Kirche … verdrängt und das Prinzip geltend gemacht, daß jede Abweichung von der Lehre der Kirche gegen eine kirchliche Satzung mit dem Tode zu bestrafen sei . . . Schon die bloße Weigerung zu schwören, erklärte Innozenz III. für todeswürdige Ketzerei . . . Vom Jahre 1200 bis 1500 läuft die lange Reihe der an Grausamkeit immer zunehmenden päpstlichen Verordnungen über die Inquisition ohne Unterbrechung fort. Es ist eine Gesetzgebung von einem durchaus einheitlichen Geiste; . . . Nur das Machtwort der Päpste und der Wahn, daß sie auch in allen durch die Grundsätze der evangelischen Moral zu entscheidenden Fragen unfehlbar seien, bewirkte, daß sich die christliche Welt den Gesetzeskodex der Inquisition aufdrängen ließ, welcher den einfachsten Regeln christlicher Gerechtigkeit und Nächstenliebe widersprach und in der alten Kirche mit allgemeinem Abscheu aufgenommen worden wäre.
Weit davon entfernt, ihre Urheber zu sein, versuchten die Zivilbehörden oftmals, Widerstand gegen die Inquisition zu leisten, aber sie vermochten es nicht. Dazu gezwungen das Urteil zu vollstrecken, „erdrosselten die Henker manchmal die Verurteilten, bevor sie das Feuer anzündeten“ (Samuel Vila, Historia de la Inquisicion y la Reforma en Espana).
Solche unzulänglichen Gnadenakte waren leider die seltene Ausnahme. Einige wenige mitleidige Stimmen erhoben sich innerhalb der Kirche: „Männer, wie der heilige Bernhard, hatten gemahnt, daß Christus ein solches Verfahren, wie es die Päpste nachher vorschrieben, ausdrücklich verboten habe, daß man damit nur Heuchler mache und Widerwillen der Menschen gegen die verfolgungssüchtig gewordene Kirche befestige und steigere“ (Döllinger). Aber der größte Teil der Geistlichkeit stimmte mit den Päpsten überein.
Päpstliche Dekrete
Wir hören des öfteren von päpstlichen Dekreten, die den säkularen Widerstand in die Schranken gewiesen haben. Will Durant berichtet uns, daß Leo X. im Jahre 1521 eine Bulle mit dem Namen Honestis herausgab, in welcher er „die Exkommunikation aller Beamten anordnete und religiöse Gottesdienste in allen Gemeinschaften aufhob, die ohne Untersuchung oder Nachfrage die Vollstreckung der Inquisitionsurteile verweigerten“. Betrachten wir dazu die Zurechtweisung von Klemens V. an König Edward II.:
Wir haben vernommen, daß ihr entgegen der Gesetze unseres Landes die Folter verboten habt. Eines Staates Gesetz kann jedoch nicht die kanonischen Gesetze [der Kirche] umstoßen. Deshalb befehle ich euch, jene Menschen sofort der Folter zu unterwerfen.
Papst Urban II. (1088 -1099), Urheber des ersten Kreuzzuges, verfügte, alle Ketzer müßten gefoltert und getötet werden. Das wurde zu einem Dogma der Kirche. Sogar Thomas von Aquin lehrte, Nichtkatholiken oder Ketzer könnte man nach einer zweiten Warnung rechtmäßig töten. Seine Worte lauten genau: „Sie haben es verdient, durch den Tod von der Erde verbannt zu werden“ (Thomas von Aquin Summa Theologica).
Papst Martin V. (1417-1431) befahl im Jahre 1429 dem König von Polen, die Hussiten (Anhänger des beim Konzil zu Konstanz als Ketzer verbrannten Jan Hus) auszurotten, die sich zur Wehr gesetzt und die Armee des Papstes zurückgeschlagen hatten. Der folgende Auszug aus einem Brief des Papstes an den König klärt uns darüber auf, weshalb die Päpste die Hussiten und andere unabhängige Christen hassten und sie vernichten wollten:
Wisset, daß die Absichten des Heiligen Stuhls und die eurer Krone es zur Pflicht erheben, die Hussiten auszutilgen. Bedenket, daß diese unfrommen Menschen es wagen, die Prinzipien der Gleichheit zu verkündigen; sie treten dafür ein, daß alle Christen Brüder seien und Gott nicht bevorzugten Menschen das Recht gegeben habe, die Nationen zu regieren; sie meinen, Christus sei auf die Erde gekommen, um die Sklaverei aufzuheben; sie rufen das Volk zur Freiheit auf und verleugnen damit Könige und Priester. Richtet deshalb eure Streitkräfte gegen Böhmen, solange noch Zeit dazu ist; verbrennet, schlachtet, machet alles zur Einöde, denn nichts könnte Gott wohlgefälliger oder den Belangen der Könige nützlicher sein, als die Auslöschung der Hussiten.
Die Päpste selbst waren die Autoritäten hinter den Inquisitoren. Sie übten die Macht über Leben und Tod sogar über Kaiser aus. Hätte irgendein Papst der Inquisition nicht zugestimmt, dann hätte er sie wenigsten während seiner Amtszeit aufheben können. Wo lesen wir, daß Päpste Anathemata gegen weltliche Machthaber aussprachen, die ihre Opfer so grausame Tode sterben ließen? Nirgends! Die zivilen Beamten hätten gern von diesen abscheulichen Morden Abstand genommen, um ihre eigenen Seelen zu retten, doch der päpstliche Befehl zur Aufhebung der Inquisition traf niemals ein. Im Gegenteil, die römischen Oberhirten, die die Inquisition ersonnen und angeordnet hatten, drohten jedem, der nicht die Bestimmungen des Inquisitors ausführte, die Exkommunikation an. Die heutigen Verteidiger des katholischen Glaubens leugnen die historischen Tatsachen und beschuldigen jene, die die Wahrheit aufdecken, als „Ungelehrte“. D. Antonio Gavin, ein katholischer Priester und Augenzeuge der spanischen Inquisition, berichtet uns:
Die Katholiken glauben an ein Fegefeuer und daran, daß die Seelen dort größere Qualen leiden, als in der Hölle. Aber ich denke, die Inquisition ist das einzige Fegefeuer auf Erden, und die heiligen Väter [Priester/Päpste] sind darin die Richter und Henker. Der Leser mag sich vielleicht eine schreckliche Vorstellung von der Barbarei des Tribunals machen, von dem ich immer gesprochen habe, aber ich bin sicher, sie wird niemals an die Wirklichkeit heranreichen können, denn die Wirklichkeit übersteigt jedes Verstehen …
Die Dogmen bleiben bis heute
Hätte Rom jemals das Übel seiner grausamen Hinrichtung von Hunderttausenden der von ihm so bezeichneten „Ketzer“ eingestanden, und hätte es die jahrhundertelangen Ausplünderungen und Morde widerrufen und jene Doktrinen aus seinen Büchern entfernt, dann könnten wir dieses entsetzliche Greuel vergessen. Daß sie das nicht getan hat, nötigt uns jedoch, so unerfreulich es auch ist, den geschichtlichen Tatsachen ins Auge zu blicken. Weit davon entfernt, Beschämung über die Hinrichtung von Ketzern auszudrücken, schreibt 1938 eine bekannte katholische amerikanische Wochenzeitschrift:
Ketzerei ist ein furchtbares Verbrechen gegen Gott, und jene, die eine Ketzerei ins Leben rufen, machen sich mehr schuldig, als ein Verräter der staatlichen Regierung. Wenn der Staat das Recht hat, Verrat mit dem Tod zu bestrafen, ist das der gleiche Grundsatz, der auch der geistlichen Autorität [der römisch-katholischen Kirche] die Vollmacht über Leben und Tod der Erzverräter [Ketzer] zugesteht.
Die Unfehlbarkeit kann niemals zugeben, daß sie Fehler gemacht hat. John Foxe sagt uns in seinem Book of Martyrs: „Eine Kirche, die vorgibt, unfehlbar zu sein, wird immer nach der Vernichtung jener trachten, die von ihr abweichen …“
De Rosa weist darauf hin, daß Papst Johannes Paul II. „weiß, daß die Kirche verantwortlich war für die Judenverfolgung, die Inquisition, für Massaker an Tausenden von Ketzern, für die Wiedereinführung der Folter in Europa als Mittel gerichtlicher Wahrheitsfindung. Doch er muß sich vorsehen. Die Doktrinen, die für diese furchtbaren Dinge verantwortlich sind, untermauern seine Position noch heute.“
Ungehorsam dem Papst gegenüber wurde zum Anzeichen für Ketzerei. Wer sich dessen schuldig machte, verlor sofort alle normalen Menschenrechte und wurde schließlich getötet. Betrachten wir dazu die Bulle In Coena Domini von Papst Urban VIII. aus dem Jahre 1627. Gregor XI. hatte sie 1372 als erster herausgegeben, und Gregor XII. im Jahre 1411 bestätigt, so wie auch Pius V. 1568 (der auch sagte, sie solle in der Christenheit als ewiges Gesetz bestehen bleiben).
Jeder Papst fügte neue Züge hinzu, bis es für einen bekennenden Nichtkatholiken in Europa so gut wie unmöglich war zu leben, fast so, wie es unter dem Antichristen für jeden, der sich ihm nicht völlig unterwirft, weltweit sein wird. Die Bulle „exkommuniziert und verflucht alle Ketzer und Schismatiker, sowie diejenigen, welche sie aufnehmen, begünstigen und verteidigen, also alle Fürsten und Magistrate, welche Andersgläubigen Aufenthalt in ihren Ländern gestatten“ (Döllinger).
Diese Bulle ist auch heute noch in Kraft. Mit der Stützung durch ex cathedra -Verkündigungen von vier unfehlbaren Päpsten kann es auch nicht anders sein. Dieser Absolutismus bleibt bestehen, auch wenn Rom gegenwärtig nicht imstande ist, es so dreist durchzusetzen. Der Codex Iuris Canonici, Kanon 333, Artikel 3, erklärt: „Gegen ein Dekret des römischen Papstes gibt es weder Berufung noch Widerspruch.“ Das 2. Vatikanum sagt natürlich dasselbe.
Die Frau reitet auf dem Tier und hält seine Zügel! Unglaublich, aber wahr. Ketzerei wurde in den Augen der Kirche mit Verrat gegen die Krone gleichbehandelt. Die Kirche suchte die Ketzer heraus, befand sie für schuldig und übergab sie den Zivilbehörden zur Hinrichtung. Als ihr säkularer Arm handelte der Staat auf Geheiß der Kirche und tötete die Ketzer, konfiszierte ihren Besitz und setzte die kirchlichen Dekrete gegen sie und ihre Angehörigen durch.
Der Einsatz von Folter
Es ist bemerkenswert, daß nicht die Hände der Frau rot vom Blut sind, sie aber von diesem Blut der Märtyrer betrunken ist. Ihr Zustand stellt eine Kirche dar, die ihre armseligen Opfer nicht nur tötet, sondern sie tage-und sogar wochenlang foltert. Die Inquisitoren scheinen in ihren Empfindungen so betäubt gewesen zu sein, daß ihr normales Verständnis von Grausamkeit und Mitleid völlig abgestumpft war. Die Fähigkeit, die heftigste Folter ohne Gewissensbisse oder mitleidige Gedanken aufbürden zu können, wurde tatsächlich zu einem Zeichen für Heiligkeit und Treue zur Kirche.
Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, mitten in der Nacht verhaftet und an einen unbekannten, vor Familie und Freunden geheimgehaltenen Ort gebracht zu werden. Man teilt Ihnen weder die Anschuldigungen gegen Sie noch die Identität Ihrer Ankläger mit, die unbekannt bleiben und deshalb nicht zur Rechenschaft dafür gezogen werden können, ob sie die Wahrheit sagen. Wie auch immer die Anklage lautet, sie wird als Tatsache hingenommen, und Sie sind ohne Verhör schuldig. Das einzige „Verhör“ ist die raffinierteste „peinliche“, d.h. absolut schmerzhafte Folter, die so lange fortdauert, bis Sie die ungenannte Übeltat oder Ketzerei gestanden haben, derer man Sie beschuldigt. Stellen Sie sich die Qualen vor, die ausgerenkte Gelenke, aufgerissenes und versengtes Fleisch, innere Verletzungen und durch Folterbank und andere Vorrichtungen gebrochene Knochen verursachen. Ärzte flicken diese Verletzungen notdürftig, so daß erneute Folterungen sie wieder auseinanderreißen können. Schließlich würden Sie alles bekennen, nur um irgendwie die Folter zu beenden, aber egal was Sie bekennen, es wird auf keinen Fall die geheime Beschuldigung sein, und so geht die Folter weiter, bis Sie letzten Endes den unerträglichen Verletzungen erliegen.
So sah das Schicksal von Hunderttausenden aus. Und es waren wirkliche Menschen: Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Söhne und Töchter – sie alle hatten Wünsche und Träume, Vorlieben und Gefühle, und viele einen Glauben, der selbst nicht durch Folter oder Feuer gebrochen werden konnte. Wir müssen bedenken, daß dieses Grauen, dieses Übel von bis heute unvorstellbaren Ausmaßen, auf Befehl der angeblichen Stellvertreter Christi jahrhundertelang im Namen Christi fortgesetzt wurde. Diese Kirche ehrt sie immer noch mit diesem Titel, und sie hat auch niemals zugegeben, daß die Inquisition falsch war. Sie hat sich nicht entschuldigt oder Buße getan, und sie wagt es, sich sogar heute noch als höchster Lehrer in Sachen Moral und Wahrheit aufzuführen. Bedenken wir ebenfalls, daß die Doktrin, auf die sich die Inquisition stützte, in der römisch-katholischen Kirche bis heute in Kraft ist.
Mit dem Einsatz von Folter waren den Eingeständnissen der Beschuldigten keine Grenzen mehr gesetzt. Am Ende sagte die armselige Kreatur auch noch, sie würde Gott umbringen, wenn dafür nur die Folter aufhöre. Als Hexen angeklagte Frauen bekannten unter Folter, mit Satan Verkehr gehabt und ihm sogar Kinder geboren zu haben, Kinder, die unsichtbar blieben und so für die Katholiken die noch größere Bedrohung waren. Papst Innozenz VIII. erklärte 1484 solchen hysterischen Unsinn in der Bulle Summis desiderantes affectibus zum offiziellen katholischen Dogma:
Männer und Frauen, die vom katholischen Glauben abweichen, haben sich Teufeln, incubi und succubi ausgeliefert (männlichen und weiblichen dämonischen Geschlechtspartnern) und haben durch ihre Zaubereien, Bannsprüche, Beschwörungen … Kinder ermordet, die noch im Mutterleib waren, gleich wie die Jungen des Viehs, sie haben die Früchte der Erde verflucht …
Die Folter sah man als unbedingt notwendig an, denn die Kirche fühlte sich verpflichtet, jegliche Abweichung von der gesunden Lehre aus dem Munde der Opfer selbst gewahr zu werden. Je qualvoller die Folter war, desto wahrscheinlicher war es, daß man aus ihren widerspenstigen Lippen die Wahrheit herauspressen konnte. Die Inquisitoren waren überzeugt, es sei „besser, daß hundert Unschuldige sterben, als daß ein Ketzer davonkommt“. Diese entsetzliche Lehre wurde die nächsten drei Jahrhunderte lang unter jedem Papst aufrechterhalten. Durant meint:
Die Inquisitoren scheinen ernsthaft geglaubt zu haben, Folter sei für einen bereits für schuldig befunden Angeklagten eine Gunst, denn durch ein Bekenntnis könnte sie ihm eine leichtere Strafe einbringen als andernfalls; selbst wenn er nach dem Bekenntnis zum Tode verurteilt werden sollte, könne er von einem Priester die Absolution empfangen und so vor der Hölle bewahrt werden.
Die Verteidiger des katholischen Glaubens behaupten gern, Papst Sixtus IV. hätte versucht, die Inquisition zu beenden. Aber das trifft nicht zu. Er gab im Jahre 1482 eine Bulle heraus, in der er erklärte, daß die Inquisitoren im spanischen Aragonien mehr an der eigenen Bereicherung interessiert zu sein schienen, als an der Verteidigung des Glaubens, und beschuldigte sie, gläubige Katholiken auf Grundlage falscher Anklagen seitens ihrer Feinde oder ihrer Sklaven zu verhaften, zu foltern und zu verbrennen. Er verfügte, daß stets ein Vertreter des örtlichen Bischofs anwesend sein muß, daß die Angeklagten die Namen ihrer Ankläger kennen müssen und Berufungen auf den Heiligen Stuhl erlaubt werden sollen.
Diese Bulle war jedoch nur für Aragonien bestimmt, und als König Ferdinand sich ihr widersetzte, zog Sixtus sie zurück und erklärte sie fünf Monate später für null und nichtig.
Gemeinde Jesu in Knechtsgestalt
Die Verteidiger des katholischen Glaubens geben zu, daß die Kirche „einige Fehler gemacht hat“, halten aber daran fest, daß Rom nicht die Hure aus Offenbarung 17 sein kann. Warum? Weil Christus verheißen hat, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden (Matthäus 16,18), und der römische Katholizismus sei die Kirche. Von diesem Argument lassen sich sogar viele Evangelikale irreleiten.
Die Wahrheit ist, daß der römische Katholizismus Christus niemals repräsentiert hat und niemals seine Kirche war. Für mindestens 1000 Jahre vor der Reformation bestand die wahre Kirche aus vielen einfachen Christen, die nicht Teil des römischen Systems waren. Daß es solche Gläubigen gegeben hat, die sich weigerten, „Katholiken“ genannt zu werden und ihren Glauben unabhängig von der römischen Hierarchie ausübten, ist eine historische Tatsache. Ebenso steht fest, daß sie mindestens seit Ende des 4. Jahrhunderts verfolgt, verhaftet und getötet wurden. Zu den Hinweisen der historischen Dokumente zählt auch das „Edikt der Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius I.“ vom 27. Februar 380, das den römischen Katholizismus zur Staatsreligion erklärte. Darin lesen wir:
Wir befehlen jenen, die dieser Lehre anhängen, den Titel katholische Christen anzunehmen, andere jedoch beurteilen wir als verrückt und schwärmerisch und wert, sich die Schande der Häresie zuzuziehen, und ihre Versammlungen dürfen nicht den Namen von Kirchen tragen. Sie müssen nicht allein von göttlicher Vergeltung gestraft werden, sondern auch nach unserer eigenen Maßregel, die wir gemäß der göttlichen Inspiration bestimmt haben.
Diese nichtkatholischen Christen hatten sich nach ihrem Gewissen vor Gott und dem Gehorsam zu seinem Wort von dem abgesondert, was sie sogar schon in jener Zeit ernsthaft als „die Hure Babylon“ bezeichneten. Bischof Alvaro Palayo, ein Beamter der Kurie in Avignon, schrieb widerwillig über sie: „Angesichts der allgemeinen von der päpstlichen Kurie aus über die ganze Kirche ausgegossenen Simonie und der damit verknüpften Korruption des gesamten Religionswesens sei es natürlich genug, daß die Häretiker die Kirche als die Hure bezeichnen.“ E.H.Broadbent nennt diese bibelgläubigen Christen in seinem gleichnamigen Buch Gemeinde Jesu in Knechtsgestalt (im englischen Original The Pilgrim Church:
In den Alpentälern Piemonts gab es jahrhundertelang Gemeinschaften von Gläubigen, die sich selbst Brüder nannten und später weithin als Waldenser bekannt wurden … In Südfrankreich … waren die Gemeinschaften von Gläubigen, die sich außerhalb der katholischen Kirche versammelten zahlreich und immer noch wachsend. Häufig nannte man sie Albigenser … Sie hatten feste Verbindungen mit den Brüdern – ob man sie nun Waldenser, Arme Leute von Lyon, Bogomilen oder sonstwie nannte – in den umliegenden Ländern, wo sich die Gemeinden unter den verschiedenen Völkern ausbreiteten …
Im Jahre 1209 rief [Papst Innozenz III.] einen Kreuzzug gegen [sie] aus. Ablässe, wie sie den Kreuzfahrern erteilt worden waren … wurden nun allen versprochen, die auf die viel leichtere Aufgabe der Zerstörung der fruchtbarsten Provinzen Frankreichs eingehen wollten. Dies und die Aussicht auf Beute aller Art und Zügellosigkeit zog Hunderttausende an. Unter der Oberaufsicht hoher kirchlicher Würdenträger und der Führung von Simon von Montfort, einem sehr befähigten Heerführer … wurde der am schönsten kultivierte Teil Europas jener Zeit verheert …
Diese einfachen Gläubigen hat man auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder mit dem Schwert niedergemetzelt (und ihre Bücher größtenteils vernichtet), als ihre Städte und Dörfer von den päpstlichen Armeen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Die Verteidiger des katholischen Glaubens werfen ihnen fälschlicherweise Irrlehre und greuelhafte Praktiken vor, die sie leugneten. Die uns verfügbaren Berichte über ihre Verhöre zeigen, daß ihr Glaube vergleichbar mit dem der heutigen Evangelikalen war. Über die Katharer sind zwar einige der wildesten Gerüchte verbreitet, mit ihren Überzeugungen kann man aber, so wie Durant sie beschreibt, nur übereinstimmen:
Sie leugneten, daß die [römisch-katholische] Kirche die Gemeinde Christi ist, glaubten weder, daß Petrus jemals in Rom war, noch daß er das Papsttum gegründet hat, und daß die Päpste die Nachfolger der Kaiser sind und nicht die der Apostel. [Sie lehrten, daß] Christus nichts hatte, wo er sein Haupt hinlegte, der Papst hingegen in einem Palast lebt; Christus ohne Besitz und mittellos war, die christlichen Würdenträger jedoch reich sind; … diese vornehmen Erzbischöfe und Bischöfe, diese weltlichen Priester und diese fetten Mönche gewiß die alten und wieder zum Leben erwachten Pharisäer waren! Sie waren sich sicher, daß die römische Kirche die Hure Babylon, der Klerus die Synagoge des Satans und der Papst der Antichrist war. Sie klagten die Kreuzzugsprediger als Mörder an … lachten über Ablässe und Reliquien … die Kirchen nannten sie „Räuberhöhlen“ und die katholischen Priester waren für sie „Verräter, Lügner und Heuchler“.
Du Pin, ein katholischer Autor des 19. Jahrhunderts, schreibt: „Der Papst [Innozenz III.] und die Prälaten waren der Ansicht, es sei rechtens, von der Folter Gebrauch zu machen, um zu sehen, ob sich jene, die sich nicht von ihrem eigensinnigen Heilsweg bekehrten, dies womöglich in der Furcht vor der Bestrafung und dem zeitlichen Tode täten.“ Fast jedes Kind weiß, daß Kreuzzüge mit Zehntausenden Rittern und Fußsoldaten ausgerufen wurden, damit Jerusalem von den Muslimen befreit würde. Doch nur wenige haben je davon gehört, daß zur gleichen Zeit Kreuzzüge mit großen Armeen gegen Christen geführt wurden, die sich nicht guten Gewissens Rom unterwerfen konnten. Das war jedoch, angefangen unter Papst Innozenz III., der Fall.
Das größte Verbrechen dieser Christen bestand in ihrem Festhalten an der Freiheit des Gewissens und des Gottesdienstes – biblische Vorstellungen, die dem Papst verhaßt waren, denn eine solche Überzeugung würde Rom aus dem Geschäft werfen. Es stehen zwar keine exakten Zahlen zur Verfügung, aber die Zahl der von den Päpsten während den 1000 Jahren vor der Reformation hingerichteten Christen reicht an die Millionen heran. Allein in der Stadt Beziers wurden bei einem Kreuzzug 60.000 Männer, Frauen und Kinder umgebracht (Du Pin). Für Innozenz III. bedeutete die Vernichtung dieser besonderen Ketzer die krönende Errungenschaft seines Pontifikats! Broadbent schreibt:
Als die Stadt Beziers zur Übergabe aufgefordert wurde, verbündeten sich die katholischen Einwohner mit den aus der Kirche ausgetretenen … Die Stadt wurde gestürmt, und von den Zehntausenden, die darin Zuflucht gefunden hatten, blieb keiner verschont.
Trotz der wiederkehrenden Massaker nahm die Zahl der Gemeinschaften von unabhängigen Christen zu, schon lange bevor Martin Luther geboren wurde. In einem Gebiet scheinbar ausgerottet, tauchten sie dann woanders wieder auf. Huldrych Zwingli sollte später im Jahre 1522 in einem Brief an seine Brüder schreiben, die befürchteten, daß er auf dem Scheiterhaufen verbrannt werde:
Oh, meine geliebten Brüder, das Blut Christi verleiht dem Evangelium diese wunderbare Eigenschaft, daß die heftigsten Verfolgungen, weit davon entfernt, seine Ausbreitung aufzuhalten, nur mehr seinen Sieg vorantreiben!
Rom konnte keine Unabhängigkeit von seinem eisernen Griff zulassen. So zogen die französischen Waldenser den Zorn von Papst Innozenz VIII. (1484-1492) auf sich, weil „sie es wagten, ihre eigene Religion lieber auszuüben, als die Roms“. Im Jahre 1487 rief der Papst gegen sie einen Kreuzzug aus, dessen Teilnehmern er die Erlassung aller Sünden für jeden, der einen Ketzer umbringt versprach, und er ordnete an, jeder Bischof, der sich weigerte, seine Diözese von Ketzern zu reinigen, sei abzusetzen. Kein Wunder, daß für diese Christen die Päpste Antichristen waren, denn was sie zu erleiden hatten, war weit schlimmer als das, was die römischen Kaiser der frühen Kirche zugefügt hatten, und erinnerte sehr stark an die in der Offenbarung unter dem Antichristen angekündigte Verfolgung.
Im Jahre 1838 schrieb George Stanley Faber sein Buch An Inquiry into the History and Theology of the Ancient Valdenses und Albigenses (Eine Untersuchung der Geschichte und Theologie der alten Waldenser und Albigenser). Fast 200 Jahre zuvor, im Jahre 1648, hatte Samuel Morland sein Werk History of the Evangelical Churches of Piemont (Geschichte der evangelikalen Gemeinden in Piemont, einer Gegend in Frankreich, die von Albigensern und anderen „Ketzern“ besiedelt war) veröffentlicht. Die Untersuchungen dieser beiden Autoren stützten sich auf andere Werke, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichten. Aus schriftlichen und öffentlichen Protokollen über ihre Verhöre ist ersichtlich, daß die Waldenser, Albigenser und weitere vergleichbare Gemeinschaften nur für Rom als Ketzer galten. Ihr Glaube entsprach fast dem der Reformatoren, von denen sie in gewissem Sinne die Vorläufer waren. Martin Luther würdigte dies, indem er schrieb:
Wir sind nicht die ersten, die das Papsttum als das Königreich des Antichristen verkünden, denn bereits viele Jahre vor uns wagten so viele und so edle Männer (deren Zahl groß und deren Andenken ewiglich ist), gleiches so klar und deutlich auszudrücken.
Die Mennoniten
Eine der schwersten Ketzereien war in den Augen Roms die Ablehnung der Säuglingstaufe. Dieses Ritual sollte angeblich den Makel der Erbsünde entfernen, den Säugling zu einem Kind Gottes und Mitglied der Kirche machen und den Vorgang der Errettung in Gang setzen, der im Gehorsam zu Roms Verordnungen und dem Empfang der Sakramente bestand. Wer an eine Bibel gelangen konnte (Rom tat sein Bestes, um diese von den Menschen fernzuhalten), stellte fest, daß sie den Lehren Roms widersprach. Die Errettung erhielt man nicht durch die Taufe, sondern durch den Glauben an Christus. Die Taufe war für die gedacht, die an ihn als ihren persönlichen Retter glaubten. Kein Säugling wäre imstande, das zu verstehen und zu glauben.
Die an das Evangelium der Bibel glaubten, wollten als Gläubige getauft werden. Der holländische katholische Priester Menno Simons erzählt von seiner eigenen Verwirrung, bevor er Christ wurde:
Am 20. März 1531 wurde in [Leeuwarden] ein gewisser Schneider namens Sicke Freerks Snijder aus dem merkwürdigen Grund hingerichtet, daß er ein zweites Mal getauft worden war. „Das war für mich äußerst befremdend“, sagt Menno, „daß da von einer zweiten Taufe die Rede war.“ Es erschien ihm noch viel befremdender, als Menno erfuhr, daß Freerks ein frommer, gottesfürchtiger Mann war, der glaubte, daß die Schrift nicht die Säuglingstaufe lehrt, sondern daß nur Erwachsene auf ein persönliches Glaubensbekenntnis hin getauft werden sollten.
Viele der stetig zunehmenden Zahl von Protestanten, wie z.B. die Lutheraner, tauften, wie auch heute noch, weiterhin die Säuglinge – eins von mehreren Elementen des Katholizismus, von denen sich die Reformatoren nicht frei machen konnten. So fingen auch die Protestanten an, diejenigen, die sich ein zweites Mal hatten taufen lassen, zu verfolgen und in einigen Fällen sogar hinzurichten. Diese „Ketzer“ sind unter der Bezeichnung Wiedertäufer bekannt geworden.
Die katholische Inquisition verbrannte in Holland, wo es die meisten Wiedertäufer gab, Zehntausende auf dem Scheiterhaufen, weil sie sich als gläubig gewordene Erwachsene hatten taufen lassen. Wer den Ketzern Hilfe leistete oder Obdach gewährte, teilte ihr Schicksal. Die größte Gruppe Wiedertäufer folgte den Lehren von Menno Simons und wurde als Mennoniten bekannt. Menno schreibt:
[Ungefähr im Jahre 1539] wurde dort, wo ich mich aufhielt, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit Namen Tjard Reynders verhaftet, weil er mich heimatlosen Mann aus Mitleid und Liebe in sein Haus aufgenommen hatte, obgleich es im Geheimen geschah … Er wurde nach dem freien Bekenntnis seines Glaubens [allein an Christus] gerädert und als tapferer Soldat Christi dem Beispiel seines Herrn folgend hingerichtet, obgleich sogar seine Feinde ihm bezeugten, daß er ein unschuldiger und frommer Mann war.
Die Geschichten der Märtyrer, die aufgrund ihres Glaubens allein an Christus und ihrer Hingabe an ihn gefoltert und, oftmals durch Feuer, ermordet wurden, sind mit ihrer Traurigkeit und Tragik fast unglaublich. Wir können sowohl aus dem Schrecken lernen, dem sie in den Händen der selbsternannten Diener Christi mutig ins Angesicht schauten, als auch aus ihrem Glauben, den sie in Erwartung ihrer Hinrichtung in Briefen bezeugten. Wir wollen einmal den folgenden Auszug aus einem Brief betrachten, den Hans van Munstdorp seiner Frau schrieb, als die beiden in Antwerpen im Gefängnis saßen:
Meine innigsten Grüße an dich, meine geliebte Frau, der ich dich aus tiefstem Herzen liebe … und dich der Wahrheit wegen verlassen mußte, um derentwillen wir auch alles als Verlust achten und Ihn über alles lieben … mein Geist hält immer noch standhaft an der ewigen Wahrheit fest. Ich hoffe durch die Gnade des Herrn, daß dies auch die Gesinnung deines Geistes ist, was zu hören mich erfreuen täte. Hiermit ermuntere ich dich mit dem Apostel: „Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so wandelt in Ihm und seid verwurzelt und gegründet in Ihm und fest im Glauben, und sehet zu, daß ihr nicht von eurem Ziele abgebracht werdet …“
Nachdem ihr Mann hingerichtet worden war und sie im Gefängnis ein Kind zur Welt gebracht hatte, schrieb Janneken Munstdorp am 19. September 1573 einen Abschiedsbrief für ihre kleine Tochter. Er war eine lange Ermahnung, für Christus zu leben, voller Bibelzitate und Belehrungen aus Gottes Wort, damit ihr Kind, wenn es heranwächst, auf dem Weg geleitet wird. Dieser kurze Auszug aus diesem Brief zeigt die Liebe und den Glauben einer jungen Mutter und Märtyrerin:
Die wahre Liebe Gottes und Weisheit des Vaters stärke dich in aller Tugend, mein liebstes Kind … Ich befehle dich dem Allmächtigen, dem großen und furchtbaren Gott an, der allein weise ist, dich zu bewahren und in Seiner Furcht aufwachsen zu lassen … du, der du noch so jung bist und ich dich doch hier in dieser bösen, gottlosen und verkehrten Welt zurücklassen muß. Weil … du hier deines Vaters und deiner Mutter beraubt bist, werde ich dich dem Herrn anbefehlen; Er lasse dir nach Seinem heiligen Willen geschehen … Mein liebstes Lamm, ich, die ich hier gefangen bin … vermag dir auf keine andere Weise zu helfen; ich mußte deinen Vater um des Herrn Willen verlassen … Wir wurden gefangen genommen … und sie nahmen ihn mir fort … Und nun, da ich dich nun neun Monate lang in großer Sorge unter meinem Herzen barg und dich hier im Gefängnis unter argen Schmerzen geboren habe, haben sie dich mir genommen … Weil ich nun dem Tode ausgeliefert bin und dich hier allein zurücklassen muß, ermahne ich dich mit diesen Zeilen, sobald du deine Verstandeskraft erlangt hast, danach zu trachten, Gott zu fürchten und danach zu fragen, weshalb und für wessen Namen wir beide sterben mußten; und schäme dich nicht … unseretwegen, das ist der Weg, den die Propheten und die Apostel gingen, und der schmale Weg, der zum ewigen Leben führt …
Das vielleicht größte Trauerspiel ist, daß man diese Märtyrer vergessen hat. Oder, noch schlimmer, ihre Treue zu Christus in Folter und Tod wird heute von führenden Evangelikalen verlästert, die sagen, die Wahrheiten, für die sie ihr Leben gaben, seien nicht wichtig. Sie starben, um verlorenen Seelen das Evangelium zu bringen, denn das Evangelium Roms brachte die Menschen scharenweise ins ewige Gericht. Aber sogar obwohl Roms Evangelium sich nicht geändert hat, sagen heute viele führende Evangelikale, daß Katholiken, die Rom folgen, gerettet sind, und betrachten die römisch-katholische Kirche (eine Kirche, die Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat, weil sie die Bibel verbreiteten) als einen Partner bei der Evangelisierung der Welt für Christus. Die Märtyrer würden im Himmel weinen – nicht über sich selbst, sondern über die Verlorenen – wenn Christus sie von diesem leichtfertigen Verrat des Glaubens, für den sie sterben mußten, wissen ließe.
Die Inquisition heute
Die mittelalterliche Inquisition hatte jahrhundertelang geblüht, als Papst Paul III. im Jahre 1542 ihr den dauerhaften Status als die erste Heilige Kongregation Roms gab, die heilige, katholische und apostolische Inquisition. Später als Heiliges Offizium bekannt, wurde ihr Name 1967 in Kongregation für die Glaubenslehre umgeändert – insofern sehr angemessen, als daß die öffentlichen Verbrennungen als Autodafes, oder Glaubenshandlungen (portugiesisch, aus dem lat. actus fidei), bekannt waren. Die Verfolgung, Folterung und Ermordung der Ketzer ist von der römisch-katholischen Kirche niemals verworfen worden, sondern, wie wir noch sehen werden, gehen sie bis in die heutige Zeit fort.
Rom steht vor einer klaren Wahl: Entweder ist ihre eifrige Folterung und Hinrichtung so vieler unschuldiger Opfer etwas, worauf sie stolz sein kann, oder etwas, dessen sie sich schämen müßte. Rom wird natürlich weder seine Sünden bereuen, noch seinen Anspruch der Unfehlbarkeit aufgeben. Deshalb überrascht es nicht, daß das Amt der Inquisition immer noch im Palast der Inquisition direkt neben dem Vatikan untergebracht ist, wenn auch unter einem neuem Namen, Kongregation für die Glaubenslehre. Der derzeitige Großinquisitor, der direkt dem Papst unterstellt ist, ist der frühere Erzbischof von München, Joseph Kardinal Ratzinger, den die Time „den mächtigsten Kardinal der Welt [und] obersten Durchsetzer von Dogmen der katholischen Kirche“ nannte. Eine solche Durchsetzung kann brutal direkt vonstatten gehen oder aber mit Samthandschuhen mittels einer weiteren Person, wie es Ende 1993 bei dem Mundtot-machen von Fr. Joseph Breen durch den Bischof von Nashville Edward Kmiec der Fall war. In einem Brief an die Bischöfe des Landes sprach sich Breen angesichts der „breiten Kluft zwischen dem, was Rom sagt und dem, was tatsächlich geschieht“ für ein freigestelltes Zölibat aus. Er wurde zur Unterzeichnung einer Erklärung gezwungen, „daß er nicht in den Medien sprechen werde … und nicht das Tun der Bischöfe kritisiert“.
Die Kongregation richtet zwar ihre Opfer nicht mehr hin, versucht aber immer noch, die sektenhafte Kontrolle des Vatikans über das Denken des Klerus und der Kirchenmitglieder aufrechtzuerhalten. Beispielsweise veröffentlichte Ratzinger am 9. Juni 1993 „Unterweisungen … für die Förderung der Glaubenslehre“. Das Dokument fordert, daß „zunächst eine Erlaubnis eingeholt werden muß … für das, was von Geistlichen und Mitgliedern religiöser Einrichtungen in Zeitungen und Zeitschriften geschrieben wird, die dafür bekannt sind, daß sie die katholische Religion und die gute Moral öffentlich angreifen. Die Unterweisung ermahnt ebenso die katholischen Verlage, sich nach den Kirchengesetzen zu richten. Und Bischöfe sind dazu verpflichtet, in ihren Kirchen Verkauf und Darbietung von Veröffentlichungen über Religion und Moral zu unterbinden, sofern diese keine kirchliche Genehmigung aufweisen …“ Das ist wie ein neuer Index der verbotenen Bücher!
Kolossale Heuchelei
Die römisch-katholische Kirche war der größte Verfolger sowohl von Juden als auch von Christen, den die Welt je gesehen hat, und sie hat mehr Christen hingerichtet, als das heidnische Rom oder der Islam. Sie ist nur von Mao und Stalin übertroffen worden, aber diese behaupteten wohl kaum, in Christi Namen zu handeln. Die Identifizierung als die Frau, die „trunken ist vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu“ (Offb.17,6) kann dem katholischen Rom wohl keine andere religiöse Institution streitig machen.
Doch Johannes Paul II. hat in seiner jüngst erschienenen Abhandlung Veritatis splendor die Dreistigkeit, von katholischen Heiligen zu sprechen, „die die moralische Wahrheit bezeugten und sie sogar bis zum Erleiden des Märtyrertodes verteidigten …“ Aber was ist mit den Hunderttausenden, die diese Kirche massakrierte, weil ihr moralisches Gewissen und ihr Verständnis von Gottes Wort nicht mit Rom übereinstimmten? Das Schweigen des Vatikans bezüglich seiner niederträchtigen und unzählbaren Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit schreit zum Himmel. Und noch schlimmer ist die Heuchelei, die dieser mörderischen Frau gestattet, sich als der große Lehrer und das Vorbild im Gehorsam zu Christus aufzuführen.
„Glückselig die um der Gerechtigkeit willen verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel (Matthäus 5,10). Mit diesen Worten eröffnete Johannes Paul II. die heutige (10. Oktober 1993) feierliche Messe zu Ehren der Seligsprechung von elf [katholischen] Märtyrern des spanischen Bürgerkriegs und zwei italienischer Geistlicher.“ So berichtete die einflussreiche katholische Zeitschrift Inside the Vatican. Wie immer, wenn katholische Märtyrer gelobt werden, gab es kein Zugeständnis und keine Entschuldigung wegen der Hunderttausende Christen und Juden, die von der römisch-katholischen Kirche umgebracht worden sind. Die Heuchelei ist kolossal.
Aus Dave Hunt: DIE FRAU UND DAS TIER.
Kürzungen und die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, Herborn, im Herbst 2005