Christus u. physikalische Forschung
Christus und die physikalische Forschung
Von Dr. phil. Werner Schaaffs
– Professor für Physik und Wissenschaftlicher Rat an der Technischen
Universität Berlin –
I. Von der Kirche zur Gemeinde
II. Forschung und Verantwortung
III. Der Einfluß der Atomphysik auf unser Leben und unseren Glauben
IV. Gott bezeugt sich auch durch Forscher
V. Der wunderbare Fischzug des Petrus
VI. Die Expedition der Magier
VII. Der ganze Jesus sei verkündigt
VIII. Der Dreiklang von Glauben, Wunder und Naturerkenntnis
IX. Das Märchen von der Entmythologisierung
Vorwort
Jesus spricht zu Petrus: „Wenn du dich dereinst bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Nur diesem Ziel, die Brüder und Schwestern zu stärken, die im Glauben stehen und um ihre Heiligung ringen, dient dieses Buch.
Ich bin öfters von Pastoren gebeten worden, als Physiker über solche Zeugen und Zeugnisse zu sprechen, in denen sich christlicher Glaube und naturwissenschaftliche Erkenntnis harmonisch verbinden, und über solche Männer und Mächte, die zwischen Glauben und Naturwissenschaft eine Kluft aufreißen, um in der Lücke ihre eigenen Philosophien und Theologien glänzen lassen zu können. Ich bin gebeten worden, ein kleines Physikbuch für Theologen zu schreiben, und wurde von Herrn Pfarrer von Hertzberg in Spandau an das 1940 mit einem Geleitwort von Max Planck erschienene Buch des sächsischen Oberkirchenrats D. Arthur Neuberg über „Das Weltbild der Physik“ erinnert. Ich möchte hier dieses im hohen Alter von 94 Jahren 1961 heimgegangenen Mannes gedenken, der noch nach seiner Emeritierung Physik und Biologie studiert hat. Wenn sein Buch auch für das vorliegende Pate gestanden hat, so konnte ich mich doch nicht entschließen, in ähnlicher Art zu schreiben. Ich mußte größeren Wert auf christliche Zeugnisse und auf die Abwehr einer falschen Theologie, die sich auf Naturwissenschaft beruft, legen. Es schien mir wichtiger zu sein, angefochtene Brüder im Glauben zu stärken, als ihnen physikalisches Rüstzeug im Detail zu vermitteln.
Es fällt mir nicht schwer, physikalische Abhandlungen zu schreiben, denn ich habe eigene und neue Forschungsergebnisse vorzutragen. In Glaubensfragen aber fällt es mir schwer, denn es gibt eigentlich nichts Neues zu schreiben. In der Bibel wird jeder nützliche Gedanke weit trefflicher ausgesprochen, als wir es tun können, und die unnützen Gedanken stehen gar nicht erst darin. Im Blick auf die Literaturflut unserer Tage möchte ich daher klagen wie schon der Prediger Salomo vor zweieinhalb Jahrtausenden“ Des vielen Büchermachens ist kein Ende“ (Pred. 12,12). Der Anstoß, es doch zu tun, kam nicht von mir. Im Spätsommer 1964 nahm ich an einem Akademikerabend in Gelnhausen teil, wo R. Bultmann als ein „Gläubiger und auf paulinisch‑reformatorischem Grunde stehender Mann“ von einem Geistlichen hingestellt wurde. Dort kam zu mir die Stimme, der ich nicht ausweichen darf: „Bezeuge mich gegen die Irrlehrer.“
In diesem Buch wird daher öfters von Irrlehrern geredet, und es werden Namen genannt werden. Das wissenschaftliche Anliegen, das diese Männer haben, ist im Rahmen weltlicher Philosophie berechtigt. Sie selbst mögen ernste und liebenswürdige Leute sein. Aber ihr Anspruch, mit ihren Lehren i n n e r h a l b der Kirche und i n m i t t e n der Gemeinde Jesu gehört und a n e r k a n n t zu werden, muß zurückgewiesen werden. Umgekehrt billigt ihnen die Gemeinde Jesu auch zu, daß sie als Kinder dieser Welt dem Absolutheitsanspruch Jesu und der Bibel nicht zu folgen brauchen. Lehrer, die in den zentralen Fragen der Gottessohnschaft Jesu, der Auferstehung, der Himmelfahrt, des Heiligen Geistes und der Ewigkeitserwartung dem eindeutigen Zeugnis des Neuen Testaments widersprechen, sind für die Gemeinde Irrlehrer. Das zu sagen ist kein Hochmut, denn das Neue Testament verlangt von uns ein geistliches Urteil.
Es gibt nun bedeutende Naturforscher unseres Jahrhunderts, die ein enges Verhältnis zur Religion haben, aber in den wichtigsten Aussagen über Jesus Zurückhaltung oder auch Ablehnung üben. Diese Männer sind keine Irrlehrer, denn sie erheben keinen Anspruch, Lehrer in der Kirche, geschweige denn Führer in der Gemeinde Jesu zu sein. Sie sind sogar sehr darauf bedacht, daß der Glaube und Friede derer nicht angetastet wird, die sich voll und ganz zum biblischen Jesus bekennen, während viele Lehrer der Entmythologisierung keine Scheu haben, Gemeinden zu verwirren.
Ich habe diesem Buch einen Teil meiner Vorträge zugrunde gelegt und Fragen und Antworten aus den nachfolgenden Aussprachen eingearbeitet. – Berlin 1966 Der Verfasser
1. Wort der Kirche zur Gemeinde
Anfechtungen
Ich habe keinen anderen Herrn als allein Jesus Christus; meine Mitmenschen haben auch keinen anderen. Daran ist nichts zu ändern, auch wenn wir es vergessen oder es zu leugnen suchen. Es gibt viele Mächte, die in uns Anfechtungen erregen, um ihn aus unserem Herzen zu verdrängen. Jeden Menschen bedrücken andere Anfechtungen. Zwei stehen bei mir vornan, mein körperliches Ich und die Kirche, zu der ich gehöre.
In unserem körperlichen Ich ‑ der Apostel sagt in Fleisch und Blut ‑ ist etwas, das uns ständig mit Erfolg verführt, verklagt und demütigt. Machen wir von uns am Abend eine ehrliche Bestandsaufnahme, so haben die Kräfte vom frühen Morgen meist nicht bis dahin gereicht. Wir sind gezwungen, etwas zu tun, was wir in unserem irdischen Tagewerk als Leichtsinn und mangelndes Verantwortungsbewußtsein ablehnen, nämlich ‑ geistlich ‑ von der Hand in den Mund zu leben. Darum beten wir auch. Wir müssen uns täglich an Jesus wenden, und wir nehmen sein Wort wie eine irdische Speise zu uns. Ich tue es meist in der Gestalt von Losung und Lehrtext der Brüdergemeine. Wer Jesus als Arzt annimmt und von diesem Brot ißt, wird merken, daß der Herr mit dieser Ernährung unserer Anfechtungen Herr wird. ja, Er tut es, nicht wir.
Da steht nun als andere Anfechtung die Kirche. Ich meine in diesem Buch mit „Kirche“ fast immer jene Verwaltungsbehörde für religiöse Angelegenheiten, die uns tauft, die Hochzeit segnet und uns begräbt, die uns mit Glockengeläut und Kerzenschimmer in ihre Säle einlädt. Jenes tut sie natürlich nur, wenn sie von unserer Lohnsteuer einen festen Prozentsatz erhält. 30 Jahre bin ich nun in ihr tätig und habe zeitweise zweierlei Ämter in ihr gehabt. Aber aus den Ämtern bin ich herausgegangen oder, besser gesagt, herausgedrängt worden. Mir ist es, als ob eine Stimme zu mir spräche: „Lasse es sein, durch Kirchenämter in der Stadt, wo du wohnst, Jesum zu dienen. Bei dem, was sie tun, braucht man dich nicht. Manch einer hat sich sehr bemüht, als Ältester ernst genommen zu werden, aber es ist ihm nicht gelungen. Du aber lasse dir daran genügen, daß du Jesum nachfolgen darfst.“
Eine Perlenkette
Wenn ich zurückdenke, so bin ich erst im Alter von 26 Jahren, als ich selbständig wurde, entschlossen und regelmäßig zu Gottesdienst und Bibelstunde gegangen, aber schon lange zuvor hat mich Jesus zu sich gezogen. Manche Brüder können die Stunde ihrer Bekehrung genau angeben, ich aber kann das nicht. Wohl aber weiß ich, daß sich die Ereignisse, mit denen mir der Herr Gutes getan hat, wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen. Meine Bekehrung kann ich nur als allmähliche Hinwendung bezeichnen. Das Fortschreiten auf dem Wege der Heiligung ist mir weit deutlicher gewesen. Was ist Heiligung? Sie beginnt damit, daß man in allen Einzelheiten Schüler des einzigen Heiligen, nämlich Jesus, wird, und sie hat ein Ziel: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Matth. 5, 48). Heiligung ist ein Prozeß des Wachstums, den auch der Mensch Jesus durchgemacht hat, denn es steht Lukas 2,52 geschrieben: „Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.“ Das dauerte bei ihm etwa 35 Jahre. Wir selbst kämen damit aber nie zu Ende, wenn uns der Herr beim Heimgang nicht den Rest erließe.
Dies aber sind einige der großen Perlen in der Kette, von der ich sprach: das naive Gebet des Kindes, das mich der Vater lehrte; das kleine Religionsbuch des Schulanfängers mit den eindrucksvollen Bildern des Malers Schnorr von Carolsfeld; später das Vaterunser, dann der Konfirmationsunterricht, welcher die Naturwissenschaft in den Lobpreis Gottes einbezog. Viel später kam das Gelöbnis am Traualtar dazu und dann jenes Erlebnis, von dem die Bibel so oft mit den Worten „des Herrn Wort geschah zu mir“ spricht. Es war wirklich eine sehr laute Stimme in mir und um mich herum, die sagte: „Der Herr hat dich lieb.“ Wer wird solches Erlebnis vergessen, wenn er ständig gewahr wird, wie wenig er dessen wert ist?
Die vielen kleinen Perlen der Kette, das darf ich sagen, waren mir von frühester Kindheit an die physikalischen Erscheinungen und Gesetze, die Vögel, die Käfer und Raupen, die Pflanzen in Wald und Flur, die Gesteine und die Gestirne. Von ihnen wurde ich wieder auf Gott gewiesen, so daß ich von Anbeginn an Jesu Lehre und Gottes Schöpfung als Offenbarungen aus der gleichen Quelle ansah. Weil ich beim Fragen und Forschen immer aufs neue vor Wundern stand, sind mir die Wunder der Heiligen Schrift niemals ein Grund zur Anfechtung geworden. Wenn ich bedenke, welche naturwissenschaftlichen Wunder wir heute zu benutzen vermögen, von denen vor 100 Jahren niemand eine Ahnung hatte, wie weit die Erkenntnisse vor 100 Jahren über die vor 1000 Jahren hinausgingen und wie sehr viel weiter man in abermals 100 Jahren sein wird, dann vermag ich schlechterdings nicht zu verstehen, warum Gott als Schöpfer das nicht sollte tun können, was uns das Neue Testament berichtet. Wer die Wunder der Bibel unter Berufung auf ein angeblich verletztes Kausalitätsprinzip leugnet, leugnet die Kraft und Allmacht Gottes, und er weiß nicht, was das für eine Unermeßlichkeit eigentlich ist: GOTT. Daß es Theologieprofessoren ‑ wörtlich übersetzt Gotteslehrebekenner ‑ gibt, die Gott keine Wunder zutrauen, ist erstaunlich. Daß es Kirche gibt, die bei diesen Leuten ihren Nachwuchs ausbilden läßt, ist noch erstaunlicher. Daß ein Pfarrer nach einem Vortrag von mir verlangt hat, ich solle diese (den Tatsachen doch entsprechende) Aussage widerrufen, finde ich am erstaunlichsten.
Amtliche Kirche
Als ich selbständig geworden war und meine Berufsarbeit als Physiker begonnen hatte, konnte ich mich von allen Hemmungen und Bindungen frei machen, wandte mich entschlossen der kirchlichen Arbeit in der „Bekennenden Kirche“ zu und durfte im Hauskreis eines Bruders manche Bibelstunde halten.
Bald aber begann die lange Kette der Enttäuschungen, als sich mir die Kirche nicht als Gemeinde, sondern als Behörde enthüllte. Die erste Enttäuschung bestand darin, daß uns in einem schweren Notfall die schwesterliche Hilfe versagt wurde und die Worte fielen: „Für reiche Leute sind wir nicht da.“ Leider war bei uns von Reichtum keine Spur. ‑ Dann haben wir viele Jahre lang darunter gelitten, daß unser Pfarrer, in der Ausübung seines Kanzeldienstes korrekt wie ein altpreußischer Beamter, nicht zu bewegen war, von der priesterlichen Höhe „seiner“ Kanzel herunterzusteigen, Bruder unter Brüdern zu sein und einmal ein persönliches Zeugnis zu geben, obwohl ihm viel Treue, Liebe und Fürbitte entgegengebracht wurde. ‑ Nach dem Zusammenbruch lernte ich das steife Hohepriestertum der neuen Kirchenleitung – darin kannte ich persönlich nur zwei Ausnahmen (Ich gedenke dankbar meines Superintendenten Prof. Albertz, der stets bibeltreu, aufgeschlossen und hilfsbereit war) – bis auf den Grund kennen, als ich mit einem Bruder einen schweren Kampf um die Entfernung eines uns von ihr aufgezwungenen, böse beleumundeten, von früheren Gemeinden abgelehnten, deutschchristlichen Pfarrers führen mußte.
Einige Jahre später war ich im Gesangbuchausschuß der Provinzialsynode. In der Kirchenleitung waren Leute auf die Idee gekommen, den zweiten Teil des neuen Gesangbuches, der das von den Vätern ererbte heimische Liedgut der Gliedkirchen enthalten sollte, zu „säubern“. Eine Flut von schriftlichen Protesten war die Folge. Einen Haufen davon hatte ich zu bearbeiten. Meine Frage an den Vorsitzenden, warum das Lied von Philipp Spitta „Geist des Glaubens, Geist der Stärke, des Gehorsams und der Zucht“ gestrichen worden sei, wurde dahin beantwortet, daß darin zu viel vom Alten Testament und von Juden die Rede sei! Meine Antwort läßt sich denken; das Lied blieb als Nr. 417. Eines Tages nahm ich an einer kirchlichen Wahlversammlung teil, auf der ein Propst von Berlin die Gemeinschaftsleute um ihre rege Mitarbeit bat. Als aus ihrer Mitte die Bitte geäußert wurde, daß auch mal einer ihrer Pastoren von der Kanzel predigen dürfe, antwortete ein jüngerer Pfarrer, er sähe das nicht ein, denn wozu wäre „all das schöne Geld für das Studium aufgewendet“ worden, wenn ihnen nicht wenigstens „das alleinige Recht auf die Kanzel“ zustehen solle! Der Erfolg? Kaum jemand aus diesem Kreis nahm an der „Wahl“ teil. ‑ Der alte Pfarrer trat in den Ruhestand, und die Kirchenleitung berief einen neuen. Er sprach mit mir zwecks enger Zusammenarbeit. Als ich das Anliegen vorbrachte, daß Menschen besucht und auch einmal eine Hintertreppe hinaufgeklettert werden möge, wurde er heftig: „Wie komme ich dazu? Ich denke gar nicht daran. Ich werde wissenschaftlich‑kirchlich interessierte Kreise einladen und mich dabei an keine Seelsorge‑ und Gemeindegrenzen halten.“ ‑ Als Mitglied der Provinzialsynode von Berlin‑Brandenburg war ich im sogenannten Öffentlichkeitsausschuß. Meine Erlebnisse, wie in diesem Ausschuß und auch in anderen Ausschüssen seitens der höheren Geistlichkeit echte Mitarbeit einfacher Pastoren und „Laien“ (auch der meinen) unmöglich gemacht wurde, waren so niederschmetternd, daß ich mein Mandat mit sehr eingehender schriftlicher Begründung niederlegte. ‑ Mein letztes Erlebnis in der unmütterlichen Amtskirche war dieses, daß mich der neue Superintendent der Stadt eigenmächtig von der Teilnahme an der Kreissynode ausschloß, wobei ein Loblied auf den „langjährigen und treuesten Ältesten“ gesprochen und behauptet wurde, ich sei ausgeschieden. Eine Eingabe an das Konsistorium wurde, wie zu erwarten war, nicht behandelt. Erst als ich drohte, meiner Pflicht als Synodaler nachzukommen und allen Mitgliedern der Kreissynode in einem Rechenschaftsbericht die wahren Hintergründe dieses Geschehens mitzuteilen, bewegten sich die Herren und widerriefen. ‑ In allem gilt der Spruch, daß das uns Widerliche auch das uns Förderliche sein kann.
Gemeinde Jesu
Ich habe mich sehr dagegen gesträubt und daher lange Zeit gebraucht, bis ich meinen Herrn verstanden habe, daß er mir in diesem Erleben deutlich machte, die äußerlich sichtbare Kirche nicht anders ist als die (jüdische) sichtbare Kirche zu seiner Zeit war, und daß sie kein Mehr an Verheißungen hat, göttlichen Ursprungs zu sein, als andere Einrichtungen auch, z. B. die Justiz, die Sozialfürsorge, die Polizei und das Arbeitsamt. Nicht darauf kommt es an, ob wir die Kirche haben, die wir sehen, sondern darauf kommt es an, daß wir Jesus haben, den wir nicht sehen. Die Kirche sagt gerne, daß Gemeinde Jesu dort wäre, wo „Predigtamt und Sakrament recht verwaltet würden“. Das kann sein, aber im allgemeinen verhindert gerade die „Verwaltung“, daß Menschen etwas von der Nähe Jesu spüren. Darum sagt Paulus auch bei der Behandlung von Gemeindefragen 2. Timotheus 2, 19: „Der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen.“
Jesu Gemeinde sind die Seinen. E r kennt sie, nicht wir. Paulus weist im Römerbrief Kapitel 11 Vers 4 auf 1. Könige 19,18 hin, daß selbst ein Elia es nicht gewußt habe, daß die Gemeinde des Herrn in Israel trotz ihrer Zerstreuung noch 7000 Menschen gehabt habe. Das Neue Testament spricht eigentlich gar nicht von Kirche im landläufigen Sinne, sondern in ihm wird die „Ekklesia“, d.h. „die Herausgerufene“, angeredet. Sie ist herausgerufen aus der (jüdischen) Kirche ihrer Zeit und aus den Organisationen dieser Welt. Die „Eine heilige, allgemeine, christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen“ des 3. Glaubensartikels, nach den lateinischen Anfangsworten „Una sancta“ genannt, gibt es schon immer. Durch amtskirchliche Gespräche, Zusammenschlüsse und Beschlüsse kann sie nicht erst geschaffen werden, denn sie ist eben schon da. Es gibt keine sichtbare christliche Kirche auf dem weiten Erdenkreis, in der sie nicht unauffällig und im Verborgenen wirkt, oft leidend und des Herrn Kreuz tragend. Ihre Glieder sind in allen religiösen und weltlichen Bereichen tätig. Aber ihre Namen kennt nur der Herr. Am Jüngsten Tag sind nur sie um ihn versammelt. Dann wird die Una sancta nicht mehr geglaubt, sondern geschaut, wie sie wirklich war.
Kirche als Wegbereiterin der Gemeinde
Wer sich solche Erkenntnisse ganz zu eigen gemacht hat, bekommt eine andere Sicht von der Kirche, und er beginnt, sie zu lieben, obwohl sie ihn oft ärgert. Er spricht dann nicht mehr nur vom „Leiden an der Kirche“, wie es H. Thielicke aus der Sicht eines Theologieprofessors und der Autor dieses Buches vorhin aus seiner eigenen Erfahrung heraus getan hat, sondern er erkennt auch, wie der Herr die Kirchen still und unauffällig zu seiner Gemeindearbeit gebraucht, indes sie sich in Amtshandlungen, Synoden, Konzilien und Kirchentagen oft übereifrig bemühen, ihn und die Seinen in ihren Griff zu bekommen.
Ein Beispiel dafür aus alter Zeit: Als die Apostel in die Welt hinauszogen und das Evangelium verkündeten, da gingen sie zunächst immer in die Synagogen, denn ihre Kirche hatte ein über das ganze römische Reich ausgebreitetes Netz von Gemeindestationen. Jedermann kannte dort das Alte Testament, das in der griechischen Übersetzung der Septuaginta gelesen wurde. So waren die wissensmäßigen und historischen Grundlagen der Predigt von Jesus gegeben. Durch diese kirchliche Organisation wurde die schnelle Ausbreitung des Glaubens ermöglicht, obwohl das die Synagogen selbst gar nicht gewollt haben.
So und nicht anders beurteile ich auch heute noch die weltweiten Organisationen christlicher Volkskirchen für die Boten des Herrn. Ich bitte alle Pastoren, die wirklich Hirten sein wollen, wie der Titel besagt, alle Evangelisten und Pietisten und die vielen treuen Zeugen ohne Amt, sich allezeit eindringlich vor Augen zu halten, daß Gott diese Organisationen erhält, um seinen Dienern den Dienst zu erleichtern. Durch kirchliche Unterweisung wird der Boden vorbereitet, den der Evangelist zu beackern hat, durch Kirchensteuern werden Gebäude erhalten, in denen er Versammlungen halten kann, durch kirchliche Amtshandlungen wird ihm belastende Arbeit abgenommen, so daß er sich freier entfalten kann. Zahlreiche Krankenhäuser der ev. Inneren Mission und der kath. Caritas, die CVJM-Heime und die Missionsstationen aller Art können nur durch Organisation und Verwaltungsarbeit erhalten werden. Im Alten Testament handeln das ganze 3. Buch Mose und andere Teile von organisatorischen Dingen. Wir haben kein Wort des Herrn, das diese Dinge abfällig beurteilt, denn sie sollen zu unserem Segen dasein; aber das Wesen der Gemeinde wird durch organisatorische Dinge nicht geprägt.
Die Schäden in den Volkskirchen mögen groß sein, aber die Segnungen sind unvergleichlich größer. Selbst wenn unzählige Pfarrer die Bibel nur nach einem Geist auslegen, den sie selbst begreifen und der kein heiliger ist, so müssen sie doch das Bibelwort zitieren und am Altar verlesen. So bleibt es dennoch dabei, daß Gottes Wort tut, was es will, denn es ist nicht gebunden (2.Tim.2,9). Gold und Geld behalten bekanntlich ihren Wert, auch wenn schlechte Händler und Wechsler es zeitweise besitzen. Um wieviel mehr gilt das von Gottes Gold und Geld. Es ist auch nicht alles Erstarrung, was in der Kirche erstarrt zu sein scheint. Gott läßt bisweilen gerade unter der Decke der Erstarrung das Leben wachsen. In der Natur zeigen es die Vulkane. Sie ruhen oft lange Zeiten, während sich in ihrer Tiefe die Kräfte sammeln.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß viele Dinge, um die Brüder mit Vollmacht und Berufung gerungen haben, erst in Erfüllung gingen, als sie selbst nicht mehr dabei waren. Jesus belastet die Kirchgemeinden nicht dauernd mit dem geistigen Gewicht einzelner Menschen, die die Begabungen von Aposteln, Propheten oder Evangelisten haben und dazu neigen, von ihren schwächeren Mitmenschen zu vieles allzu schnell zu erwarten. Er weiß sehr wohl, daß sich Schüler nicht entfalten und ihre Hemmungen nicht verlieren, wenn ein Meister dauernd dabeisteht. Jesus selbst hat zu seinen Jüngern in Johannes 16,7 gesagt: „Ich sage euch die Wahrheit: es ist euch heilsam, daß ich weggehe.“ Zur Beruhigung hat er hinzugefügt, daß er ihnen einen Anwalt senden würde, wenn er gegangen wäre. Vielen berufenen Brüdern ist beklommen zumute, wenn sie ein Werk, das sie begonnen haben und von dem sie noch gerne die Frucht sehen möchten, verlassen müssen. Es ist das aber gut so, denn Jesus sagt bei Johannes 10,16: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus dieser Hürde sind. Auch diese muß ich führen, und sie werden meine Stimme hören. Und es wird e i n e Herde und e i n Hirte werden.“ Wieder wird deutlich, daß die Gemeinde Jesu durch die Zerstreuung der Evangeliumsträger und aus der Zerstreuung heraus gesammelt wird und daß nur der Herr sie kennt. Millionen Menschen wurden in unserer Zeit in alle Welt zerstreut. Ihr Leid verwandelt sich aber in Segen, wenn sie neu nach dem Herrn fragen, wie es einst die Juden in der babylonischen Gefangenschaft taten.
Ich möchte die Kirche (bzw. die Kirchen) vergleichen mit einem das ganze Land überziehenden elektrischen Leitungsnetz. Zu diesem Netz gehören Tragmasten und Kabelschächte, Umspannwerke und Verteilerstationen. Das ganze verzweigte Netz ist aber ohne Anschluß an Energiequellen wertlos. Die Energie, die strömt, ist der Heilige Geist. Die Kraftwerke, aus denen er kommt, sind die bibeltreuen Missionen, Pastoren und die betenden Christen.
Ewige reformatorische Frage
Immer wieder tönt mir von Kirchenkanzeln diese Rede lautstark entgegen: „Die Frage Martin Luthers und seiner Zeit ‚Wie kriege ich einen gnädigen Gott?‘ ist keine Frage des modernen Menschen mehr. In unseren Gemeinden wird dadurch niemand mehr bewegt. Wir haben heute andere Nöte und Sorgen. Gott hat heute andere Fragen an uns, Fragen der Mitmenschlichkeit, des modernen die Naturwissenschaft in Rechnung stellenden Bibelverständnisses, der Deutung des mythologischen Gehaltes der Bibel und der Einordnung der Glaubenswerte in eine pluralistische Gesellschaft.“ Wie sie von Kanzeln herab reden, so diskutieren sie in Pfarrkonventen und auf Synoden. Der Heilige Geist ist nicht dabei. Da sie ihn nicht als Zeugen haben, erwähnen sie ihn auch nur als historisches Requisit. Der Bericht von der Art seiner Ausgießung ist ihnen ein Buch mit sieben Siegeln, auf jeden Fall aber eine Mythe. Ich glaube es gern, daß sich viele Kirchenmänner dieser Art untereinander nicht mehr fragen „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, und daß daher zu ihnen auch keine Menschen mehr kommen und sie befragen. Man kann mit anderen Worten ebensogut fragen: „Wie finde ich Jesus?“ ‑ „Brauche ich als moderner Mensch den Sünderheiland der Bibel?“ „Wie erfahre ich, daß die Bibel über die Auferstehung die reine Wahrheit sagt?“
Ich habe dagegen gefunden, daß die Frage Luthers heute noch genauso lebendig ist wie einst, weil sie die Grundfrage der Christen aller Zeiten ist. Überall, wo ich hinkomme, treffe ich Menschen, denen die alte Frage Herzensanliegen ist. So spüre ich auch etwas von der echten Gemeinde, die quer durch alle Kirchen und Nationen geht. Warum findet mancher Ortspfarrer solche Menschen nicht, der Dekan oder Superintendent nicht, der Kirchenrat darüber auch nicht? Er findet sie nicht, wenn ihm eine unrechte Universitätstheologie eine falsche Brille verschrieben hat, durch die er die Leute nur als Laien, Schwärmer, Pietisten, Sektierer, Primitive, Naive, Wundergläubige, aber nicht als Nazarener und echte Christen erkennen kann. Einmal habe ich in einer Kreissynode den Antrag gestellt, man möge sich zu der Bereitschaft durchringen, das Wort Laie aus dem Sprachschatz der Kirche herauszunehmen, da es durch die Heilige Schrift nicht geboten und ein Ungehorsam gegen 1. Korinther 12,28‑31; Epheser 2,11‑14; Römer 12,4‑10; 1.Petrus 2,9) sei. Ein Pfarrer trat für die andern auf und sagte, das wäre eine besondere Theologie, die ich da mache, wie man denn sonst die Leute nennen solle? Ich antwortete: „Christen“, wie es in der Schrift stände und in der Urkirche gehalten worden sei. Ich fügte hinzu, daß auch Pastoren nichts anderes wären, nur ein zusätzliches Amt hätten. Da verstummten sie, und man vergaß den Antrag.
Gemeinde und Wunderfrage
Wir müssen also Kirche und Gemeinde deutlich unterscheiden. Das tat schon das Neue Testament, denn Jesus und seine Jünger gehörten zwar in ihre Kirche, diese aber distanzierte sich von ihnen. Obwohl w i r die heilige Gemeinde weder sehen noch machen können, gibt uns das Neue Testament doch die Zeichen an, an denen wir erkennen können, wo sie einerseits bestimmt nicht ist, und woran wir andererseits ihre Gegenwärtigkeit erkennen und erleben dürfen.
Gemeinde ist dort nicht, wo Sünde gegen den Heiligen Geist geschieht, der in dem Leibe der Bibel lebt und von den Wundern zeugt. Er wird darin genauso geschlagen, gemartert und getötet wie Jesus in seinem irdischen Leibe. Jesum zu töten, darin wurden sie sich einig: die Pharisäer, die Sadduzäer, die Herodesleute und der Vertreter der römischen Staatsgewalt. Die Bibel in ihrer irdischen Gestalt zu zersetzen, zu martern und zu verleugnen, darin sind sie sich einig, die sich doch sonst nicht leiden mögen: die Bibelkritiker, die Entmythologisierer, die Hierarchien und die dialektischen Materialisten.
Jesus ist auferstanden, aber von da ab nur noch den Seinen erschienen. Der Heilige Geist bleibt auch nicht im Grabe, sondern kommt zu den Seinen. Wo das, was im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekannt worden ist, nicht nur gutgläubig gesprochen, sondern mit Gewißheit gewußt wird, da ist Gemeinde Jesu. Kommst du unter Menschen, wo solches geschieht, so wisse, du bist in der Nähe von solchen Jüngern, die zur Gemeinde Jesu gehören.
Die Gemeinde weiß von der großen Kraft Gottes, die sich in den Wundern an und durch Jesus offenbart. Das Verständnis dafür ist an kein physikalisches oder theologisches Fachkönnen gebunden. Jesus hat die im Neuen Testament gesammelten Berichte und Schriften so auswählen lassen, daß jedermann durch sie zur Gemeinde gehören und selig werden kann. Wer aber den in seinem physikalischen und theologischen Fachkönnen liegenden Anteil an der Schöpfung benutzt, um den Schöpfer und seine Kraft zu leugnen, der gehört mit Sicherheit nicht zur Gemeinde.
Es gibt aber Menschen, die haben es mit den Wunderberichten wirklich schwer, weil in ihrem Fleisch und Blut ein Widerstand dagegen liegt. Wenn sie nun diesen Widerstand in sich dämpfen, andere Gaben für den Herrn in sich entfalten, den die Wunder preisenden Bruder neidlos und mit Freuden anhören und fördern, anderen Geschwistern mit bohrenden Zweifeln nicht Ärgernisse bereiten, wie es die Entmythologisierer tun, dann gehören auch sie zur Gemeinde. Denn sie befolgen das Gebot „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er (speziell) empfangen hat“ (1. Petr. 4,10).
Ob sie viele naturwissenschaftliche Erkenntnisse hat oder nur wenige, ob sie alle Wunder begreift oder ‑nur wenige, auf jeden Fall hält es die Gemeinde so, daß sie die Bibel nicht der Beurteilung und Kreuzigung durch Existentialphilosophien und andere Irrlehren unterwirft. Sie hört nur auf die Stimme: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; höret auf ihn“ (Matth. 17, 5). Die Gemeinden richten sich danach: „Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemanden außer Jesus allein“ (Matth. 17, 8).
Die treuen Hirten dieser über die ganze Welt und über alle Konfessionen verteilten Gemeinden sehen ihren Hirtenberuf darin, jesus so zu verkündigen, wie er sich selbst im Heiligen Geist und in der Schrift bezeugt. Ich hörte, wie in einem Vortrag über „moderne“ Theologie gesagt wurde, daß solche Pastoren nur bemüht wären, den Gemeinden die Kenntnisse und Ergebnisse der modernen Bibelforschung und der wissenschaftlichen Bibelkritik vorzuenthalten. Haben aber nicht gerade sie die zu allen Zeiten modernste Theologie? Nämlich: Jesus ist der Sünderheiland, der Weltschöpfer, der große Wundertäter einst und jetzt, der im Heiligen Geist gegenwärtige Herr! Wenn ich aber auf die blicke, die mit Wissenschaft und Bibelkritik die Krippe der Bibel zudecken, so wird mir bange, und ich muß an das außerhalb‘ der Bibel überlieferte Wort Jesu denken: „Wehe ihnen, sie gleichen einem Hunde, welcher auf der Krippe der Rinder liegt. Denn er frißt weder selbst davon noch läßt er die Rinder fressen.“
II. Forschung und Verantwortung
Mir ist eine Reihe von Fragen vorgelegt worden, und ich wurde gebeten, darüber zu sprechen. Diese Fragen liegen den folgenden Abschnitten zugrunde. Es geht dabei um Gesprächsthemen und nicht um umfassende Antworten.
Objektives und an Jesus gebundenes subjektives Denken
Sie dürfen von mir keine im landläufigen Sinne objektive Darstellung des Themas erwarten, und vielleicht wollen Sie das auch nicht. Ich habe in einem Fremdwörterbuch nachgeschlagen und folgende Erläuterungen gefunden: Objektiv: gegenständlich, äußerlich, seinen Grund und Bestand in der Sache selbst habend. Subjektiv: persönlich, innerlich, was seinen Grund und Bestand in der Person hat, nicht in der Sache.
Über Forschung, Wissenschaft und Verantwortung gibt es viele objektive Darstellungen. Jede Zeit diskutiert diese Frage aufs neue, weil die Forschung weitergeht, das daraus entwickelte wissenschaftliche Weltbild sich wandelt und die Forschung tief in das persönliche Schicksal der Menschen eingreift. Es ist unausweichlich, daß die Behandlung des Themas eine Aussage über Gott erzwingt; auch der dialektische Materialismus kommt da nicht herum. Er will sich übrigens auch gar nicht dieser Frage entziehen, denn er kommt zu der Folgerung, daß es Gott nicht gibt. Die Berechtigung des Themas bejaht er, aber nur im Sinne eines Kampfes gegen Gott.
Die Menschen des Westens gehen selten so weit, weil sie das Empfinden haben, daß eine so radikale Objektivität schon wieder zur Subjektivität geworden ist. Objektivsein heißt hier für viele, dem Christentum keine Vorzugsstellung vor anderen Religionen und Ideologien einräumen. Solche Haltung wird sogar in vielen Theologien und in gewissen ökumenischen Kreisen eingenommen. Hinter dieser Art Objektivität steht etwas von jener Art Mitmenschlichkeit, die Gott letzten Endes nur als andere Vokabel für mitmenschliche, existentielle, tiefinnerliche Beziehungen gelten läßt. Mit der Erzählung vom barmherzigen Samariter wollte Jesus aber nicht sagen, daß damit eine erschöpfende Aussage über Gott verbunden sei. Ich zweifle nicht daran, daß mit der vielbeschworenen Mitmenschlichkeit nicht nur ein breiter Weg der Bequemlichkeit beschritten wird, sondern daß in ihr auch eine hohe Philosophie vom goldenen Mittelweg liegt und daß diese sogar dem landläufigen Verständnis vom Christentum und von abendländischer christlicher Tradition entgegenkommt. Nur ist eben dieses Christentum nur ein Stückchen von Jesus, aber nicht dasselbe wie Jesus.
Wer weiß, daß Gott in seiner Nähe ist und daß er Jesus ganz persönlich und nicht nur in den üblichen kirchlichen Gebetsformeln mit „Du“ ansprechen darf, der ist außerstande, „objektiv“ zu sein. Er muß das Thema subjektiv entfalten und Jesu Stimme in seine Worte einfliegen lassen. Dieser Herr sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, n i e m a n d kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh.14,6). Mit Jesus wird alles in uns subjektiv, denn es heißt: „Ihr seid meine Zeugen; ich bin der Herr und ist außer mir kein Heiland“ (Jes.43,10); „Ihr werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis ans Ende der Erde“ (Apg.1,5). So sehr geht es um das subjektive Zeugnis, daß die beiden Bibelteile „Testamente“, das heißt Zeugnis‑Vermächtnisse, genannt werden. Wenn also ein Christ über „Forschung und Verantwortung“ spricht, muß er subjektiv sprechen. Wenn er Jesus durch sich sprechen läßt, wird dann nicht seine Subjektivität zur größtmöglichen Objektivität? Eine größere Objektivität, als die Dinge von Gott her sehen, gibt es doch wohl nicht!
Unter allen weltlichen Berufsständen steht der Wissenschaftler, der sich mit Physik beschäftigt, der Schöpfung Gottes am nächsten. Das Wort Physik kommt von dem altgriechischen Physis. Dieses heißt „Natur“. Wir können daher auch sagen „Naturforschung“ und dazu die speziellen Gebiete der Chemie, Pharmazie, Geologie, Astronomie, Biologie und, wenn man so will, auch der Medizin rechnen. Wenn ich sage, daß Forscher und Techniker der Schöpfung Gottes am nächsten stehen, so heißt das nicht, daß sie auch dem Herzen Gottes näher ständen.
Wunder als Gegenstand der Forschung
Ein Naturforscher ist ein Mensch, der den Wundern in der Natur nachspürt. Mancher ist dabei zu einem demütigen Menschen geworden. Der große Isaak Newton, der Entdecker des Gravitationsgesetzes und ein Schöpfer der Infinitesimalrechnung, drückte das an seinem Lebensabend so aus, daß er sich mit einem Kind verglich, das am Strand im Sande spielt und bisweilen einen viel schöneren Kiesel oder eine prachtvollere Muschel als die anderen Kinder findet, indes doch der Ozean der Wahrheit noch unerforscht vor ihm liegt. Julius Robert Mayer, der Entdecker des Energieprinzips, schreibt am Silvestertag des Jahres 1851 an seinen Jugendfreund, den Pastor Lang, in ähnlicher Weise: „Meine frühe Ahnung, daß die naturwissenschaftlichen Wahrheiten sich zur christlichen Religion verhalten etwa wie die Bäche und Flüsse zum Weltmeer, ist mir nun zum lebendigen Bewußtsein gekommen.“ Naturforscher beobachten die Natur und suchen das Ungewöhnliche mit dem Alltäglichen in einen Kausalzusammenhang zu bringen. Beobachtungen machen nun freilich viele Menschen, aber nur wenige staunen darüber. Diesen wenigen offenbart sich beim Staunen ein Wunder, und das ist der Anfang ihrer Weisheit. So wird ein Mensch zum Forscher.
Was ist eigentlich ein Wunder? Gewiß zunächst einmal ein Geschehen oder eine Erscheinung oder ein Erlebnis, das aus dem Rahmen der Gewöhnung und des Alltags herausfällt und nur selten oder gar nicht mehr auftritt. Ein Wunder ist aber nicht in sich selbst charakteristisch, es hat keinen Eigenwert; es ist ein Wunder nur in seinem Gegenüber zum beobachtenden, empfangenden und liebenden Menschen. Es ist die Aufgabe des Forschers, das Wunder geistig zu erfassen und schließlich in den Griff zu bekommen. Wenn das Wunder in meinen Dienst treten soll, muß das Wunderbare darin verschwinden. Bei der Vereinigung verschwindet das Gegenüber. Das klingt paradox, ist aber bei den Naturwundern unser aller Bestreben, mögen bisweilen auch Jahre und Generationen darüber hingehen. Für die große Masse unserer Mitmenschen bringt die tägliche Handhabung dessen, was einstmals als Wunder bestaunt wurde, den Verlust der Empfindung für Wunder mit sich. Der echte Forscher ist dennoch nicht zufrieden. Immer wieder ist er in Gedanken beim Ursprung einer Aufgabe und beschaut sie wie der erste Entdecker und findet weitere Rätsel an ihr. In Lehrbüchern trägt er die Wunder zusammen und bringt sie in Zusammenhang miteinander. Ich habe schon als Kind, als mir die ersten Physikbücher mit Anleitungen zum Experimentieren in die Hand kamen, das Empfinden gehabt, Sammlungen von Wunderberichten vor mir zu haben. Als ich als Schüler einmal meiner Freude über ein solches Physiklehrbuch in einem Klassenaufsatz Ausdruck gab, schrieb der Philologe darunter: „Ein Lehrbuch ist doch nur Ableitung, nicht aber lebendiger Quell“, und er bewertete daher die (an sich gute) Arbeit schlecht.
In der Bibel ist von Wundern oft die Rede. Auch sie haben immer ein Gegenüber im Menschen. Viele von ihnen geschehen auch heute noch draußen in der Natur, aber sie sind dann uninteressant bzw. keine eigentlichen Wunder, weil sie keinen Bezug auf Menschen haben. Die größten Wunder geschehen durch und besonders an Jesus. Es ist Gottes Wille, daß wir mit diesen Wundern geistig und körperlich zusammenwachsen, so daß sie am Ende verschwinden. Wenn wir auferstanden sind, wenn wir das Ziel erreicht haben, vollkommen zu sein wie Jesus selbst, dann sind wir so, daß keine Wunder mehr vor uns und an uns geschehen brauchen, dann haben wir auch den vollkommenen Durchblick durch alle Dinge. Dann ist alles Einmalige gleich dem Alltäglichen, aber in einer für uns nicht beschreibbaren Weise, da die Ewigkeit den irdischen Zeitmaßstab mit „früher, jetzt und später“ nicht hat.
Ich sagte, das Wunder hat sein Gegenüber im Menschen. Durch die Vereinigung beider erlischt es, und der Mensch wird ein neues Wesen. Ein Abbild solcher Vereinigung ist die Ehe zwischen zwei Menschen. Für die innige (Geschlechts‑) Gemeinschaft zweier Menschen hat die Bibel ein seltsames Wort, nämlich das Wort „erkennen“, im griechisch geschriebenen Neuen Testament und in der Septuaginta heißt es „gignoskein“. Erkenntnis und Vereinigung werden unter dem gleichen Blickwinkel gesehen. In der berühmten Stelle 1. Korinther 13, 12. sagt Paulus: „Jetzt erkenne ich nur bruchstückweise, dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.“ Er sagt also, daß er die volle Erkenntnis aller Wunder haben wird, wenn sie im Himmelreich keine Wunder mehr sein werden.
Kehren wir zurück zu den vielen einfachen mit einem Naturgeschehen verbundenen Wundern in der Bibel. Seit einigen Jahrhunderten gilt die Naturwissenschaft als zuständig für die Beurteilung dieser Wunder, denn durch sie vermögen wir viele Dinge zu tun, die den Menschen vor 2000 Jahren auch als Wunder erschienen wären und es für primitive Völker auch heute noch sind. Früher galt diese Zuständigkeit nicht. Im ‑ leider wirklich finsteren ‑ Mittelalter entschied die Kirche auf Grund von Menschensatzungen über Wunderfragen. Das sah merkwürdig aus. Ein seltenes Naturereignis, das man beobachtete, oder ein Experiment, das gewollt oder ungewollt unerwartete Wirkungen zeigte, wurde dem Teufel oder seiner Mitwirkung zugeschrieben. An die biblischen Verheißungen im 1. Kapitel der Bibel dachte man nicht. Man hatte selbstgemachte Theologien, von denen her wurde die Bibel ausgelegt.
Ich habe das Empfinden, daß „moderne“ Theologie ähnliche Irrwege wie im Mittelalter geht, nur hat sie sich ein anderes Gewand umgehängt. Man schafft sich eine eigene Definition für den Begriff Wunder und erklärt von daher, daß die im Neuen Testament von Jesus berichteten Wunder teils unmöglich, teils ihm angedichtet wären. Als Kronzeugen werden die moderne Physik und der moderne Mensch aufgerufen. Das Durcheinanderbringen (griechisch diabállein; davon das Wort diábolos, dem vulgärdeutschen Wort Teufel entsprechend) des umfassenden Wunderbegriffs der Bibel mit dem einer engen eigenen Definition wirkt verwirrend. Ohne daß man es eigentlich will und merkt, bestätigt man die Existenz eines Teufels. In der mittelalterlichen Kirche hat er die Meisterleistung vollbracht, daß die Wunder in der Natur ihm und nicht Gott zugeschrieben wurden, und jetzt vollbringt er die Meisterleistung, daß die Wunder Jesu Gott nicht mehr zugeschrieben, sondern als Täuschung angesehen werden. Das geschieht in Theologie und Kirche. Da bekommt die Frage Jesu bei Lukas 23, 31 ihr Gewicht: „Denn wenn sie solches am grünen Holz (der Kirche) tun, was soll am dürren (der Welt) werden?“
Den theologischen Methoden der Entmythologisierungstheologie, insbesondere der Lehre Bultmanns, vermag ich weder als Christ noch als Naturforscher zuzustimmen. Er zerreißt den Begriff des Wunders in zwei Teile. Der eine Teil soll „natürlich“, der andere „übernatürlich“ sein. Dabei bedient er sich einer für mein Empfinden merkwürdigen Dialektik. Er übersetzt das Wort „Wunder“ ins Lateinische. Dort heißt es „miraculum“. Nun versteht er unter „Miracel“ ein übernatürliches Wunder, und das kann es natürlich nicht geben, weil es seinem Verständnis von Physik widerspricht. Wenn man Bultmanns Darlegungen wiederholt liest, kann man zu dem Schluß kommen, daß es Wunder Jesu einfach nicht geben darf. Das deutsche Wort „Wunder“, das lateinische „miraculum“ und das griechische „thauma“, wie es im Neuen Testament steht, sind ein und dasselbe. Das den Ausführungen Bultmanns entsprechende lateinische Wort wäre „prodigium“ (Unnatürlichkeit, Ungeheuerlichkeit) oder vielleicht noch besser „portentum“ (abenteuerliche Erdichtung, Wundermärchen, Fiktion). Das Verfahren Bultmanns in die Physik übertragen würde beispielsweise so aussehen, daß man das Wort „Kraft“ in das griechische „dynamis“ übersetzt und dann die „Kraftlehre“ für natürlich und real, die „Dynamik“ aber für übernatürlich und unwirklich erklärt.
Von weltlicher und kirchlicher Verantwortung gegenüber der Forschung
Naturforscher und Jünger Jesu haben es mit Wundern zu tun. Beide können und wollen ihre Freude an ihren Entdeckungen nicht verbergen. Geheimhaltung ist ihnen ein Greuel. Schon die Urkirche hat jene Leute abgelehnt, die sich Gnostiker nannten und aus der schlichten frohen Botschaft eine nur für Eingeweihte verständliche Geheimlehre machen wollten. Die Naturforscher wiederum haben den Wunsch, daß ihre Erkenntnisse in die kleinste Hütte getragen werden, und sie sind sich auf der ganzen Welt in diesem Streben einig.
Forscher und Erfinder haben das Antlitz unserer Welt verändert. Sie wollen es zum Guten verändern, aber ehrgeizige Politiker, Militärs und Journalisten, die noch niemals etwas erfunden haben, die verderben es. Die Zahl der Forscher und Erfinder ist klein, und das Reden von allem überlassen sie gewöhnlich denen, die selbst nichts machen können. So ernten sie meist nicht die Anerkennung, die sie verdienen. Ein Beispiel für tausend andere will ich geben; es hat sich in meiner Nähe zugetragen. Es war Ende des Jahres 1945. Bei einer großen Firma wurde von einer ausländischen Macht eine elektrische Anlage bestellt, die trotz der Demontage in kürzester Frist berechnet und entwickelt werden sollte und auch tatsächlich hergestellt wurde. Der Auftraggeber wollte sich erkenntlich erzeigen und dem Erfinder und dem Konstrukteur eine besondere Belohnung in Gestalt eines Lebensmittelpaketes geben. Darauf wurde ihm der Name des Werksdirektors und seines Personalchefs genannt. Er fragte erstaunt zurück, ob denn der Direktor die Anlage erfunden habe. Das mußte verneint werden. Ob es denn der Personalchef gewesen sei? Aber der hatte nur die zur Fertigung benötigten Arbeitskräfte wieder eingestellt. Der Auftraggeber fragte so lange, bis er die Namen der Schöpfer der Anlage wußte. Ihnen gab er die Belohnung. Als man höheren Orts einwandte, das ginge doch nicht, denn erst käme der Direktor und sein Chef, wurde geantwortet: „Eine Unterschrift von fünf Buchstaben unter die Arbeit anderer kritzeln, das ist keine Arbeit!“
Ob es uns gefällt oder nicht, die physikalische und chemische Forschung sichert zur Zeit uns und anderen Völkern Existenz und Wohlstand. Um Verständnis für die Forschung zu werben, müßte im Dienste praktischer Nächstenliebe ein Anliegen der Kirchen sein. Hier läuft die Kirche nicht Gefahr, sich in Politik zu verstricken, aber sie wäre in besonderer Weise berufen, die Werke des Herrn in der Natur zu rühmen. Das darf ich aussprechen, daß viele Naturforscher mit heißem Herzen Hilfe und Zuspruch der Kirche ersehnen. Das erwarten sie nicht aus egoistischen Gründen, sondern aus der Beklemmung heraus, daß ihre Arbeit für Militarismus mißbraucht wird und daß für einen einzigen Soldaten zehnmal mehr Geld als für einen Forscher zur Verfügung steht. Das wäre eine gesegnete Hilfe, wenn die Kirche die Worte ihres Meisters ernst nähme, ja wenn . . .
Aber die Kirche ist anders. Sie starrt auf Griechisch, Hebräisch und Philosophie, aber den Erforschern der Natur gibt sie keine seelische Stütze. Sie schaut auf die Kirchensteuer und beschäftigt sich mit Bauplänen. So viele Kirchengebäude wie heute sind noch nie gebaut worden. Doch jedermann spürt, daß da keine weltbewegende Kraft dahintersteht. Kirche ist eben nicht Gemeinde. Kirche baut zu sehr mit Steinen, Gemeinde aber hauptsächlich mit Seelen. Kirche wird mit ihren Weihungen und Segnungen wieder dabeisein, wenn der Segen der Forschung in millionenfachen Tod verwandelt wird. Es gab einmal einen Mann, der nahm das Schwert und zog es nicht für ein sogenanntes Christentum, sondern für Christus selbst. Der einzige Fall der Weltgeschichte, der ganz eindeutig war, denn Christus stand leibhaftig neben ihm und wurde von militärischer und politischer Gewalt angegriffen. Der Mann hieß Petrus. Jesus aber sagte: „Stecke dein Schwert in seine Scheide, denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Matth. 26, 52; Joh. 18,11).
Ich habe davon gesprochen, daß Forscher Träger einer besonderen Verantwortung sind und daß das die Umwelt und insbesondere die Kirche sehen sollte. Nun wurde mir die Frage gestellt, ob denn dann auch die Forscher selbst ihr persönliches Leben danach gestalten würden, angesichts des Umstandes, daß die Forschungsergebnisse doch neutrale, unpersönliche Größen wären. Es ist so, wie es überall ist. Man kann die Wissenschaft so betreiben, daß sie nur der eigenen Eitelkeit und dem eigenen Vorteil dient. In 30 Jahren habe ich in den verschiedenen Werken eines großen elektrotechnischen Unternehmens viele Menschen kennengelernt, die gerne von Forschung und Wissenschaft sprachen, auch ein wenig davon verstanden, aber bei näherem Zusehen keine tiefinnerliche Beziehung dazu hatten. Die echten Forschernaturen waren an Zahl sehr gering und führten ihr Leben in Bescheidenheit. Sie verkörperten nur allzuoft die negative Seite des Wortes Jesu: „Man zündet nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter. Nur so leuchtet es allen, die im Hause sind.“ Es ist in der Tat so, daß die echten Forscher zu sehr zur Zurückhaltung neigen und selten einmal den Ellenbogen gebrauchen. Der Gebrauch dieses Werkzeugs ist Vorrecht der anderen, die mehr reden als können. Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Die Wissenden reden nicht, die Redenden wissen nicht.“
Meiner Meinung nach liegen die Verhältnisse zwischen den Forschern und der Presse ähnlich, übrigens in der ganzen Welt. Die Aufrichtigkeit, Exaktheit und abwägende Zurückhaltung der Forscher harmoniert nicht mit der Aufdringlichkeit, Reklamesucht und besserwissenden Überheblichkeit der Journalisten. So meiden die meisten Naturwissenschaftler den Umgang mit der Presse. Leider macht auch die sogenannte christliche Presse da keine Ausnahme und liefert dadurch den Gegnern der Bibel die Vorwände für ihre ablehnende Haltung. Es ist sehr schwer, das den christlichen Presseleuten klarzumachen. Ich will nur zwei Beispiele aus meiner Praxis dafür geben.
Als der Physiker Prof. Erwin Müller 1950 vor der Physikalischen Gesellschaft über das von ihm erfundene Feldelektronenmikroskop sprach, hatte ich den Vorsitz in der Sitzung. Müller konnte mit seinem Instrument erstmalig einzelne Atome (von Barium) sichtbar machen und projizierte sie in Großformat an die Wand des Hörsaals. Wir waren alle außerordentlich beeindruckt von dieser Leistung. Ich sandte an eine sich betont christlich nennende Zeitung eine etwa 20 Zeilen lange Mitteilung mit der Bitte um Publikation. Sie wurde nicht angenommen. Vier Wochen später schickte ein Scharlatan der Redaktion einen langen Artikel, in dem „wissenschaftlich bewiesen“ wurde, daß aus einer Explosion des Planeten Jupiter ein Komet entstanden, die Erde sieben Tage zum Stillstand gebracht, die ägyptischen Plagen verursacht, den Untergang des Heeres Sanheribs bewirkt, die Teilung der Wasser des Roten Meeres veranlaßt und sich schließlich in den Planeten Venus verwandelt habe. Schlußsatz: „Nach diesen Forschungen also hält die Bibel, was Zweifler niemals zugegeben haben, einer intensiven kritischen Prüfung stand.“ Diesem Unsinn widmete die Zeitung fast eine halbe Seite und war recht empört, als ich ihr schrieb, ihr Verhalten diene nicht der Verständigung zwischen Forschern und Kirche.
In einem anderen Fall hatte ein bekanntes christliches Traktatblatt einen längeren Artikel über die Eigenschaften des Wassers gebracht, der von Fehlern wimmelte. Ich machte darauf aufmerksam und bot für die Zukunft meine Mitarbeit an. Das wurde aber nur zum Schein angenommen, und ich wurde zunächst einmal um einen eiligen Artikel über „Naturwissenschaft und Glaube“ gebeten. Ich schrieb ihn sofort und hörte nichts mehr davon. Nach über einem Jahr fragte ich an und erhielt die erstaunliche Antwort: „Der Inhalt ist nicht nach meinen Wünschen. Der Aufsatz sollte einen zentralen wissenschaftlichen Charakter haben, der aber ebenso zentral in Verbindung gebracht wird mit dem Bibelglauben.“ Ich hatte die große wissenschaftliche Lebensarbeit von Michael Faraday und Robert Mayer mit ihrem Jesusglauben verbunden. Und das sollte kein Zeugnis sein?!
Ich habe die Beobachtung gemacht, daß die Schöpfungswunder in christlichen Traktatblättern nur allzugern in einer Form gebracht werden, die der Neigung von Tageszeitungen nach Berichten von Rekorden und Superlativen ähnlich ist. Diese Form ist nicht am Platze. Aufstellungen der Art, daß es wunderbar wäre und die Allmacht des Schöpfers erzeige, wie viele Millionen Zellen ein Körperorgan habe, wie viele Milliarden Sonnen es in den Spiralnebeln gäbe, daß man mit der Oberfläche der Blutkörperchen eines Menschen einen Marktplatz pflastern könne, daß das Menschengehirn zwölf Milliarden Nervenzellen besäße, deren gegenseitige Verbindungsmöglichkeiten die Zahl aller im Kosmos vorhandenen Moleküle bei weitem überstiege, besagen nichts. Sie lassen sich an jedem beliebigen toten oder lebenden Gegenstand machen. Die Wunder liegen überhaupt nicht in großen Anzahlen, sondern in den sehr einfachen Naturgesetzen, die wir jeweils in einer einzigen mathematischen Formel darstellen, die uns dann gestattet, eine immense Fülle von Möglichkeiten zu beschreiben und zu berechnen, aber auch neues zu entdecken. Was die Menschen selbst betrifft, so rühmt schon der Psalmist nicht ihre große Zahl, sondern allein das einfache Gesetz, das Gott in ihrer aller Herzen hineinschreiben will. Ich möchte, daß auch von der Naturwissenschaft her Kraft in die Gemeinden kommt und sie nicht durch den Blick auf Äußerlichkeiten abgelenkt werden. Kritiker des Glaubens sollen sich nicht durch primitive und oberflächliche Darlegungen bestätigt finden. Auch sollte man sich daran gewöhnen, Zeugnisse über naturwissenschaftliche Wunder mit nachprüfbaren Quellenangaben zu versehen.
Verantwortliche Forschung auf dem Weg zu Gott
Das Empfinden, daß die Kirche das Gespräch mit dem Naturforscher suchen sollte und daß der junge studierende Mensch mit dem Naturforscher über Gott sprechen sollte, ist unter Physikern weit verbreitet. Der verstorbene Professor für theoretische Physik Erwin Schrödinger, der Nobelpreisträger von 1929 für seine Leistungen auf dem Gebiet der Quantenmechanik, hat dieses Empfinden in einem Aufsatz „Religion und Naturwissenschaft“ ausgesprochen. Er beklagt, daß eine hemmende und unerträgliche Spaltung zwischen Religion und Naturwissenschaft seit langem eingetreten sei. Über die Theologen unserer Zeit hat er offenbar keine gute Meinung. So schaut er zurück auf jene alte Zeit der griechischen Naturphilosophie, wo man getadelt werden konnte, wenn man den Zusammenhang zwischen Natur, Ethik und Gott außer acht ließ. Er schreibt: „Man kann sich gut vorstellen, daß ein Schüler der neuen philosophischen Schule von Athen einen Ferienbesuch in Abdera machte und dem weisen alten Herrn Demokritos, der ihn dort empfing, Fragen über die Atome vorlegte, über ethisches Verhalten, über Gott, über die Unsterblichkeit der Seele ‑ ohne mit irgendeiner dieser Fragen abgewiesen zu werden. Ist eine Unterhaltung über so verschiedenartige Themen zwischen einem Studenten und einem Professor unserer Tage sehr wahrscheinlich? Und doch haben mutmaßlich recht viele junge Leute einen ähnlichen Komplex von Fragen auf dem Herzen, der heute für seltsam gelten möchte, den sie aber gerne mit ein und demselben Mann ihres Vertrauens besprechen würden.“ Man spürt, wie diese Fragen einen Physiker bewegen. . . .
Zum Thema “ Religion und Naturwissenschaft“ hat auch Max Planck in einem Vortrag im Baltikum 1937 gesprochen. Ich kann seinen Vortrag nur in kurzen Sätzen wiedergeben, habe aber möglichst seine eigenen Worte dabei gebraucht.
Planck beginnt mit der Gretchenfrage „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ und mit der Antwort von Faust „Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben“. Dann sagt er: „Allzu eindrucksvoll lehrt uns die Geschichte, daß gerade aus dem naiven, durch nichts beirrbaren Glauben, wie ihn die Religion ihren im tätigen Leben stehenden Bekennern eingibt, die stärksten Antriebe zu den bedeutenden schöpferischen Leistungen hervorgegangen sind.“ ‑ Danach meint Planck, daß dieser naive Glaube heute nicht mehr bestehe, daß viele unter den Unstimmigkeiten zwischen Glauben und Naturwissenschaft litten, aber andere daraus ihre zersetzenden Wirkungen vorantreiben würden. ‑ Dann spricht er zunächst über die Forderungen der Religion und anschließend der Naturwissenschaft. Er sagt etwa so:
„Religion ist die Bindung des Menschen an Gott. Nur so kann er sich vor den ihn im Leben bedrohenden Gefahren geborgen fühlen und wird des reinsten Glückes teilhaftig, des inneren Seelenfriedens. Für Gott gibt es im Reich der Natur wie im Reich des Geistes kein Gebiet, das er nicht allgegenwärtig durchdringt. Den vielen Arten von Religion ist gemeinsam, sich Gott als Persönlichkeit vorzustellen. Jede Religion hat ihre bestimmte Mythologie und ihren bestimmten Ritus. Die Heiligkeit der unfaßbaren Gottheit überträgt sich auf die Heiligkeit der faßbaren Symbole. Das religiöse Symbol weist stets über sich hinaus. Mit ihren Angriffen gegen die in ihrer Bedeutung von den Gläubigen oft überschätzten Symbole suchen die Gottlosenbewegungen die Religion zu treffen. Ein religiöses Symbol stellt niemals einen absoluten Wert dar, sondern immer nur einen Hinweis auf ein Höheres, das den Sinnen nicht direkt zugänglich ist.
Der tiefreligiöse Mensch klebt nicht an den Symbolen fest, sondern hat Verständnis dafür, daß anderen Menschen andere Symbole heilig sind. Die eigentliche grundsätzliche Frage ist die: Lebt Gott, also die hinter den religiösen Symbolen stehende Macht, nur in der Seele der Gläubigen, oder regiert er die Welt unabhängig davon, ob man an ihn glaubt oder nicht? Dies ist der Punkt, an welchem sich die Geister grundsätzlich scheiden. Der religiöse Mensch beantwortet die Frage dahin, daß Gott existiert, ehe es überhaupt Menschen auf der Erde gab, daß er von Ewigkeit her die ganze Welt in seiner allmächtigen Hand hält, auch wenn die Erde mit allem, was auf ihr ist, längst in Trümmer gegangen sein wird. Die sich zu diesem Glauben bekennen, dürfen sich zu den wahrhaft religiös Gesinnten rechnen.“
„Die exakteste aller Naturwissenschaften ist die Physik. Von ihr wäre am ehesten ein Widerspruch gegen die Forderungen der Religion zu erwarten. Alle physikalischen Erkenntnisse beruhen auf Messungen. Alle Messungen haben übereinstimmend zu dem Schluß geführt, daß sämtliche physikalischen Geschehnisse auf mechanische und elektrische Vorgänge, hervorgerufen durch die Bewegung gewisser Elementarteilchen, zurückgeführt werden können. In diesen Vorgängen treten universelle Konstanten auf, die gewissermaßen die unveränderlich gegebenen Bausteine sind. Sind sie Erfindungen des menschlichen Forschergeistes oder besitzen sie einen realen, von der menschlichen Intelligenz unabhängigen Sinn? Die Existenz dieser Konstanten ist ein greifbarer Beweis für das Vorhandensein einer Realität in der Natur, die unabhängig ist von jeder menschlichen Messung. Die physikalische Wissenschaft fordert die Annahme einer realen, von uns unabhängigen Welt. In allen Vorgängen der Natur herrscht eine universale, uns bis zu einem gewissen Grade erkennbare Gesetzlichkeit. Ein Beispiel ist das Prinzip von der Erhaltung der Energie. Es hat den Rang eines vollkommen exakten Naturgesetzes. Es gibt aber noch ein anderes, viel umfassenderes Gesetz, das sogenannte Prinzip der kleinsten Wirkung, dessen Urheber Leibniz und Maupertius waren. Als allergrößtes Wunder ist die Tatsache anzusehen, daß die sachgemäße Formulierung dieses Gesetzes bei jedem Unbefangenen den Eindruck erweckt, als ob die Natur von einem vernünftigen, zweckbewußten Willen regiert würde. Das elementare Wirkungsquantum hat seinen Namen nach diesem Prinzip der kleinsten Wirkung bekommen. Zusammenfassend ist zu sagen, daß im gesamten Bereich der Natur eine bestimmte Gesetzlichkeit herrscht, welche unabhängig ist von der Existenz einer denkenden Menschheit. Die tatsächlich reichen Erfolge der naturwissenschaftlichen Forschung stärken uns in der Hoffnung auf eine stetig fortschreitende Vertiefung unserer Einblicke in das Walten der über die Natur regierenden allmächtigen Vernunft.“ – Soweit Max Planck.
Religion und Naturwissenschaft begegnen sich in der Frage nach der Existenz und nach dem Wesen einer höchsten über die Welt regierenden Macht. In den Antworten, die beide darauf geben (Einstein und Planck), benutzt die Religion die ihr eigentümlichen Symbole, die exakte Naturwissenschaft ihre auf Sinnesempfindungen begründeten Messungen. Nichts hindert uns, die Weltordnung der Naturwissenschaft und den Gott der Religion miteinander zu identifizieren. Bei dieser Übereinstimmung ist aber doch auch ein grundsätzlicher Unterschied zu beachten. Für den religiösen Menschen ist Gott unmittelbar und primär gegeben. Aus ihm quillt alles Leben. Im Gegensatz dazu ist für den Naturforscher das einzig primär Gegebene der Inhalt seiner Sinneswahrnehmungen und der daraus abgeleiteten Messungen. Wenn also beide, Religion und Naturwissenschaft, zu ihrer Betätigung des Glaubens an Gott bedürfen, so steht Gott für die eine am Anfang, für die andere am Ende alles Denkens. Der einen bedeutet er das Fundament, der anderen die Krone des Aufbaus jeglicher weltanschaulicher Betrachtung. Wohl den unmittelbarsten Beweis für die Verträglichkeit von Religion und Naturwissenschaft auch bei gründlich-kritischer Betrachtung bildet die historische Tatsache, daß gerade die größten Naturforscher aller Zeiten, Männer wie Kepler, Newton, Leibniz von tiefer Religiosität durchdrungen waren. Sowenig sich Wissen und Können durch weltanschauliche Gesinnung ersetzen lägt, ebensowenig kann die rechte Einstellung zu den sittlichen Fragen aus rein verstandesmäßiger Erkenntnis gewonnen werden. Aber die beiden Wege divergieren nicht, sondern sie gehen einander parallel, und sie treffen sich in der fernen Unendlichkeit in dem nämlichen Ziel. Es ist der stetig fortgesetzte, nie erlahmende Kampf gegen Skeptizismus und Dogmatismus, gegen Unglaube und gegen Aberglaube, den Religion und Naturwissenschaft gemeinsam führen, und das richtungweisende Losungswort in diesem Kampf lautet von jeher und in alle Zukunft: Hin zu Gott!
Die Arbeiten und Ansichten dieser drei Physiker enthalten Folgerungen, die nicht nur ihre persönliche Ansicht sind, sondern weithin Überzeugungen von Physikern darstellen. Ich zähle auf:
1. Es ist sinnvoll und geboten, den Namen Gottes mit der Forschung in Verbindung
zu bringen.
2. Physikalische Forschung führt auf Gott hin und nicht, wie der Materialismus
und ein gewisser Positivismus will, von Gott weg.
3. Gott ist eine ordnende und allmächtige Kraft, die hinter den fundamentalen
Prinzipien der Physik steht.
4. Gott ist keine Vokabel für die Tiefendimension unserer Seele oder für unser
Umgetriebensein in dieser Welt, wie gewisse „moderne“ Theologen wollen; er
steht „hinter“, „über“, „jenseits“ dieser Welt, ist aber doch allgegenwärtig.
5. Ein experimenteller oder mathematischer Beweis für die Existenz Gottes läßt
sich nicht führen und ist auch nicht Aufgabe der Naturwissenschaft.
6. Die Gesetze des sittlichen Handelns sind aus Physik nicht ableitbar,
ebensowenig ein Wissen um einen persönlichen, gütigen, liebenden Gott.
Die letzte Wegstrecke verantwortlicher Forscher
Alle, die zur Gemeinde Jesu gehören, dem Gedankenflug der Physik folgen können und die Technik als Geschenk Gottes empfangen, müssen tief dankbar sein, daß von bedeutenden Physikern ein so klarer Hinweis auf die Gottesfrage und auf die Existenz eines über allem irdischen Naturgeschehen stehenden Gottes gegeben wird. Mehr kann beim besten Willen nicht gegeben werden, weil aus Physik nicht mehr herauszuholen ist. Die genannten drei Physiker sind übrigens in drei verschiedene Religionsgemeinschaften hineingeboren worden und haben ihnen mindestens zeitweise nahegestanden; zum Beispiel ist Planck viele Jahre hindurch Ältester in einer evangelischen Kirchgemeinde gewesen.
Wer seinen christlichen Glauben bis in die letzte Konsequenz hinein ernst nimmt, also nicht nur ein traditionell kirchensteuerzahlender Christ ist, muß aber sagen, daß diese bedeutenden Männer auf halbem Weg stehengeblieben sind. Da sie selbst festgestellt haben, daß von der Physik keine Brücke zu einem auch p e r s ö n l i c h e n Gott führt, hätten sie fragen müssen, wo und wie gibt es diese Brücke?
Wenn Planck sagt, daß sich (wenigstens bei geläuterten Menschen) die Wege der Naturforschung und der Religion einmal treffen werden, so müssen wir sagen, daß er sich darin hinsichtlich des Glaubens der Gemeinde Jesu irrt. Wäre dieses irgendwann einmal möglich und wenn auch nur in fernster Zukunft, so wäre Jesus umsonst für uns am Kreuz gestorben. Die Jünger Jesu wissen, daß es ohne Ihn keine Brücke gibt zu einem persönlichen Gott, den wir Vater nennen dürfen, ja sie wissen sogar, daß in der Endzeit sich die Wege der Naturforschung und der christlichen Religion nicht angenähert, sondern weit voneinander entfernt haben werden. Ich habe um dieser Sätze Plancks willen, aber auch darum, daß er nirgends Jesu Namen nennt, ihn nie als einen Christen im strengsten Sinne dieses Wortes ansehen können, wie es von kirchlicher Seite oft geschieht. Planck hat das einige Zeit vor seinem Tod in einem Brief an den Regensburger Dipl.-Ing. Wilhelm Kick bestätigt: Göttingen, Merkelstr.12. – 18. 6. 1947.
Sehr geehrter Herr!
In Beantwortung Ihres Schreibens vom 10. 6. 47 kann ich Ihnen mitteilen, daß ich selber seit jeher tief religiös veranlagt bin, daß ich aber nicht an einen persönlichen Gott, geschweige denn an einen christlichen Gott glaube. Näheres darüber würden Sie in meiner Schrift „Religion und Naturwissenschaft“ finden. Hochachtungsvoll. gez. Dr. Max Planck
Dieser Brief war für viele Freunde des großen Gelehrten eine schmerzliche Nachricht. Niemand vermag zu sagen, warum Planck so gedacht hat. Ist er in seinem Leben keinem echten Christen, sondern nur sogenannten Kirchenchristen begegnet? Hat er sich Jesus nicht bedingungslos ausliefern wollen? Dies zeigt uns, daß auch der edelste und genialste Mensch von seiner Wissenschaft her den durch Jesus geoffenbarten persönlichen Gott nicht finden kann. Der größte Gelehrte hat vor dem einfachen, unwissenden Tagelöhner keinen Vorzug im Angesicht Gottes.
Auf die Frage Jesu „Was sagt denn ihr, wer ich bin?“ (Matth. 16, 15) gibt uns auch Albert Einstein keine Antwort. Würde ich ihm folgen und meine Gewißheit über einen persönlichen Gott fahren lassen, dann wüßte ich schlechterdings nicht mehr, woran ich mich im Leben und Sterben und in der Seelsorge an anderen halten sollte. Einstein scheint sich dessen nicht bewußt gewesen zu sein, wie gefährlich der Satz ist, daß „die Priester ihre Bemühungen lieber auf jene Kräfte richten sollen, die das Gute, Wahre und Schöne im Menschen selbst fördern“. Er hat eine fatale Ähnlichkeit mit jenem Satz, mit dem Ernst Haeckel das Nachwort zur Volksausgabe seiner berüchtigten Schrift „Die Welträtsel“ schloß. Er verkündigte: „In diesem Sinne mag auch diese neue Ausgabe der Welträtsel ‑ als ein ehrliches und offenes Glaubensbekenntnis der reinen Vernunft ‑ dazu dienen, in weiten Kreisen die veredelnde Bildung des Volkes zu heben und den Kultus unserer idealen Gottheit zu fördern, der Dreieinigkeit des Wahren, Guten und Schönen!“
Wie sehr sich gerade der Materialismus solcher Sätze bemächtigt und die Menschen mit solcher von Gott losgelöster Parole ins Unglück gebracht hat, ist nur allzu gut bekannt. Die Atombombe, deren erste Herstellung ja leider auch mit Einsteins Namen verknüpft ist, hat nicht zum Wahren, Guten und Schönen geführt, sondern zu einer erheblichen Steigerung der Angst. Sie ist eine so große Quelle von Furcht, daß mir die priesterlichen Irrtümer und Übertreibungen dagegen gering zu sein scheinen. Ich möchte es deutlich aussprechen, die Gemeinde Jesu hält nicht aus Angst und Furcht zusammen, sondern aus der unbändiglichen Freude, daß sie einen persönlichen Heiland hat.
An der Kritik von Naturforschern an der Religion – dieses Wort ist meistens nur ein Sammelname für die verschiedenen christlichen Konfessionen und kann auch durch das Wort Kirchen ersetzt werden ‑ ist leider viel Berechtigung daran. Hinter der Kritik steht etwas von dem Wissen, daß sich Naturforscher über Länder, Nationen, Sprachen und Rassen hinweg relativ leicht verständigen, sich in Friedensgesprächen einigen, gegen Rüstungswahnsinn protestieren und bei gegensätzlichen Standpunkten immer anerkennen, daß das Experiment die letzte entscheidende Instanz ist, wo und von wem es auch immer ausgeführt werden mag. Diese letzte Naturinstanz ist immer irgendwie dasselbe wie Gott. Solche Haltung und solche Instanz vermissen wir in dem Auftreten der Kirchen in der Welt. Wir wissen wohl, daß es eine Kerngemeinde gibt und den Jesus von Nazareth, aber die Kirchen haben diesen Namen so mißbraucht, daß Naturforscher, wenn sie nicht schon zur Kerngemeinde gehören, sehr mißtrauisch geworden sind. Für die Kerngemeinde ist die Liebe, die Jesus zu ihr hat und die sie doch realistisch spürt, wichtiger als konfessionelle Unterscheidungslehren. Es ist nur zu natürlich, daß es die kirchlich‑weltliche Haltung, aber auch das eigene rebellische Herz den Naturforschern schwer macht, sich zu jenem Bekenntnis der Gemeinde über Jesus durchzuringen, das ich mit folgenden Worten formulieren möchte:
„Es steht geschrieben: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Durch dasselbe ist alles gemacht, was da geschaffen ist. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Christus war dieses Wort Gottes. Alles, was auf dem ersten Blatt der Bibel in großen Zügen dargestellt ist und später oft gepriesen wird, ist von dem geschaffen, der hernach ums Jahr 30 vor der Stadtmauer von Jerusalem am Kreuz verstarb und am dritten Tag in Vollmacht wieder auferstand. Das Induktionsgesetz, nach dem die Dynamomaschinen laufen und Licht in unsere Häuser liefern, hat er geschaffen. Den Elektronen, mit deren Schwingungen wir uns über die ganze Welt hin verständigen, hat er ihre Eigenschaften gegeben. Das Gravitationsgesetz, welches den Weltraum beherrscht und die Bewegungen der Gestirne prägt, ist von ihm aufgestellt worden.“
Merken wir jetzt, wie ärgerlich die Botschaft des Evangeliums werden kann? Wir sagen, wir seien Christen! Aber hast du als Professor die Kraft, mit solchen Worten dein Bekenntnis deinen Studenten zu sagen? Wirst du als Diplomingenieur im industriellen Betrieb den Mut haben, solches nicht nur zu denken, sondern im Gespräch mit den Leuten auszusprechen? Tut es einmal, damit ihr so recht merkt, welche Aktualität das alte Wort hat, daß das Evangelium den einen eine Torheit und den andern ein Ärgernis (griechisch skandalon) ist. Was wird das mildeste sein, was wir zu hören kriegen?:
„So etwas sagt man nicht so“; „Solche Dinge drückt man allgemeiner und unverbindlicher aus“; „Man soll sich nicht unnötig der Lächerlichkeit aussetzen, man dient ja damit der Kirche und dem eigenen Anliegen nicht.“ – Prüfe dich, damit du weißt, was das heißt, als Forscher und Wissenschaftler dem Herrn Jesus verantwortlich zu sein.
III. Der Einfluß der Atomphysik auf unser Leben und unseren
Glauben
Die Physik in der Kirchengeschichte
Die alte Kirche hat auf dem Konzil zu Nicäa im Jahre 325 im ersten gemeinsamen Glaubensbekenntnis bekannt: „Wir glauben an einen Gott, den allmächtigen Vater, S c h ö p f e r des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes Sohn, geboren aus dem Vater vor aller Zeit. Wahrer Gott vom wahren Gott.“
Schon unsere Vorväter im Glauben haben klar erkannt, daß nicht alle Dinge, die in der Natur wirken und große Kraft haben, mit unseren Sinnen, insbesondere dem Auge, unmittelbar zu fassen sind. Sie haben auch diese Dinge, die heute unser Leben und Wirken auf Erden bestimmen und durch die unzählige Menschen Arbeit und Brot haben, zur Schöpfung Gottes gezählt. Als sie ihr Glaubensbekenntnis erarbeiteten, glaubten sie an das Wort der Heiligen Schrift. Diese Erkenntnis, daß auch die dem Auge nicht sichtbaren Dinge und Kräfte der Schöpfung von Gott her sind, ging allmählich in dem Maße verloren, wie die Kirche das Wort der Schrift beiseite schob und durch Menschensatzung ersetzte. Da sich aber die Kräfte der Natur nicht an Menschensatzungen halten, auch wenn diese letzteren mit göttlichem Anspruch auftreten, wurden sie dem Teufel und seinen Dämonen zugeschrieben. Die mittelalterliche Kirche entmachtete Gott in der Natur zugunsten des Teufels. Da aber die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge gemäß dem Glaubensbekenntnis die Taten des e i n e n Schöpfers verkünden und von daher untrennbar sind, mußte die Verleumdung des Unsichtbaren auch eine Mißachtung der sichtbaren Dinge zur Folge haben. Die Verachtung der Physik, die es mit den sichtbaren und unsichtbaren Dingen und Kräften der Natur zu tun hat, durchzieht ein Jahrtausend lang wie ein roter Faden die mittelalterliche Kirche. Die theologischen Lehrstühle und die Inquisition sorgten dafür, daß Gott in der Physik nicht bewundert und angebetet wurde, sondern nur die Irrtümer eines Aristoteles und eine leider nicht gelesene und daher völlig mißverstandene Bibel etwas galten.
Das Wort „Physik“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet »Naturlehre«. Ein besonderer Aspekt der Physik ist die Atomphysik. Sie führt in das Gebiet des Unsichtbaren, für das unsere Sinne keinen unmittelbaren Zugang haben. Wir werden niemals ein Atom in seiner natürlichen Größe, geschweige denn sein Inneres, mit unseren Augen sehen können und wissen nun doch, wie es an unsere menschliche Existenz rührt. Da jedes Ding aus Atomen besteht, ist eigentlich die gesamte Physik einschließlich der Chemie Atomphysik. Mein Vortrag hätte daher genausogut »Der Einfluß der P h y s i k auf unser Leben und unseren Glauben« heißen können. Derjenige Teil der Physik, den die Leute eigentlich meinen, wenn sie von Atomphysik sprechen, ist die Physik und Chemie des Atom k e r n s. Da aber ein in der Forschung tätiger Physiker im allgemeinen auch über die Atomkerne hinreichend Bescheid weiß, mag auch für ihn der Begriff »Atomphysiker« in der Öffentlichkeit eine gewisse Berechtigung haben.
Als Gott Gnade schenkte und durch Martin Luther das Evangelium wieder an’s Licht des Tages bringen ließ, da konnte, wer wollte, erfahren, was Gott wirklich über das Verhältnis des Menschen zur Natur gesagt und bestimmt hat. Das schließt für uns heute auch unser Verhältnis zur Atomkernphysik ein. In den Tagen der Reformation wurde nicht nur der Grund gelegt zu einem neuen und dabei doch so alten Verhältnis von uns Menschen zu Gott als dem Vater Jesu Christi und zu diesem als unserem Sünderheiland, sondern auch der Grund zu einem neuen Verhältnis zur Physik, als der Art zu fragen und zu forschen, wie denn ein allmächtiger Gott das alles gemacht und eingerichtet habe. Von Stunde an wichen die Schatten, die über der physikalischen Forschung gelegen hatten. Nicht der Teufel und seine Dämonen, sondern Menschensatzungen waren es gewesen, die uns die Wahrheit verdeckt hatten.
Ich muß hier einige Bemerkungen über Begriff und Wort „Teufel“ einflechten. Kein Physiker gebraucht diesen Begriff gerne. Das hat verschiedene Gründe. Der eine liegt darin, daß in der Kirche ein Jahrtausend lang als dämonisch und teuflisch bezeichnet wurde, was physikalisch war und zum Forschen und Bewundern anregte, der andere, daß mit solcher Benennung eine bildliche Darstellung verknüpft wurde, die uns so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß zunächst immer vor unserem Auge die gehörnte Gestalt erscheint und sich durch ihre Lächerlichkeit harmlos gibt. Das Wort „Teufel“ stammt aus dem Griechischen und besagt „der Durcheinanderbringer“. Wir Physiker finden nun in der Natur kein Prinzip, was einer solchen Kraft unterstellt sein oder auf sie hinweisen könnte. Die Natur ist weder gut noch böse, sie ist uns bewunderungswürdig und mit Freuden erforschbar. Auch eine Wasserstoffbombe trägt als physikalischer Vorgang keine Züge des Teufels, zumal wir wissen, daß in unserer Sonne die Vorgänge der Wasserstoffbombe unaufhörlich sich abspielen und gerade dadurch Licht und Leben und Wohltat uns spenden. Mit der Natur hat der Teufel ursächlich nichts zu tun. Damit ist aber seine Existenz als „Durcheinanderbringer“ nicht geleugnet, nur ist er nicht physikalisch meßbar und deutbar. S e i n Weg geht über des Menschen Herz und seine Sinne. Das zeigt die Schrift von Anfang bis zu Ende, das werden auch Physiker nicht leugnen. Ähnliches meint der Herr, wenn er sagt, was in den Menschen hineingeht durch Essen und Trinken und in der natürlichen Weise umgesetzt und ausgeschieden wird, das macht ihn nicht gemein, sondern das, was an bösen Gedanken aus seinem Herzen herauskommt, macht ihn gemein. Wie das nun ganz praktisch aussieht, wenn der Teufel, der eben „des Menschen Teufel“ ist und nicht ein „Teufel der Physik“, bei physikalischen Beratungen mitmacht, das werde ich Ihnen hernach zeigen.
Vom Sinn der Forschung und ihrem Verhältnis zu Gott
Als die Forschung in der Zeit der Reformation vom Zwang frei wurde, schlug sie den Weg ein, den der Herr ihr gewiesen hat. Damit will ich darlegen, daß Gott uns nicht nur zehn Gebote für unseren sittlichen Lebenswandel gegeben hat, sondern uns auch eine Tätigkeit auf Erden gewiesen hat. Das wird auch von gläubigen Christen oft vergessen. Darüber steht im 1. Kapitel der Bibel: „Gott sprach, lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die ganze Erde. Und Gott schuf den Menschen sich zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie, einen Mann und ein Weib. Und Gott segnete sie.“
Wir sollen also auch in der Physik sein ein Bildnis und Gleichnis Gottes, weil das Wesen Gottes in uns liegt, nämlich seine Liebe und seine Schöpferkraft. Über die Erde und die Naturkräfte herrschen wir durch unsere Forschung. Ohne sie gibt es keine Technik; z. B. kein elektrisches Licht, kein Flugzeug, kein Radio. Wenn wir das alles unser Eigen nennen, so liegt darin keine Vermessenheit; wir haben vielmehr Gott zu loben darüber, daß er uns solche schöpferischen Fähigkeiten von sich abgegeben hat. Man findet oft in christlichen Traktaten die Wunder der Natur gerühmt, aber gleichzeitig die angebliche Kümmerlichkeit unserer Entdeckungen und Erfindungen danebengestellt. Das ist auch eine Abart schwachen Glaubens, der sich nicht vorstellen kann, wie groß die Gnade Gottes ist, der aus seinem Schatz uns zugeteilt hat. Mit den durch Forschung gefundenen Naturgesetzen sind wir doch fähig, wirklich Neues zu schaffen, in echtem Sinne schöpferisch zu sein. Wir schaffen Dinge, die man in der Natur draußen vergeblich sucht: Wo sind z. B. die starken magnetischen Felder, in denen sich wie in Dynamomaschinen und Elektromotoren feste Körperteile drehen, ohne daß an der Stelle der Kraftübertragung eine mechanische Berührung stattfindet? Wo in der Natur findet ein Röntgenapparat Anwendung durch Pflanze oder Tier? Wo findet sich ein elektrisches Licht, das die Nacht zum Tag erhellt? Und wenn im Jahre 2000 etwa sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben wollen, dann wird es für ihren Lebensunterhalt ganz wesentlich sein, daß unsere chemische und biologische Forschung durch ihre Schöpfungen das ermöglicht.
Wenn wir in der Schrift forschen, werden wir finden, daß es keine Stelle der Bibel gibt, in der das Verhältnis zwischen Gott‑Christus und der Naturforschung deutlicher aufgezeigt wird, wie es sein soll, als bei Matthäus im 2. Kapitel. Gott hat es so gefügt, daß unter den ersten Menschen auf dieser Erde, welche dem Jesuskind ihre Ehrfurcht und Dankbarkeit bewiesen, Naturforscher waren. Eine falsche Legende, die die Wahrheit zu verschleiern sucht, nennt diese priesterlichen Naturforscher „die Könige aus dem Morgenland“. Die Heilige Schrift ist aber eine n ü c h t e r n e S c h r i f t ohne Tendenz zur Mythenbildung. Sie nennt diese Leute klar und deutlich „Magier“ (griechisch mágoi). Forscher und Wissenschaftler sind es, speziell Astronomen und Physiker. Diese Gebiete waren in alter Zeit nicht so umfangreich wie heute und stellten zusammen mit gottesdienstlichen und medizinischen Fragen noch eine Facheinheit dar. Die Menschen, die sich damit befaßten und einen priesterlichen Beruf ausübten, hießen Magier. Sie lebten in Chaldäa, dem Lande, aus dem Abraham stammte. Dort standen Astronomie und Mathematik seit altersher in großer Blüte. Diese Männer hatten eine bestimmte wissenschaftliche Theorie über die Bedeutung gewisser Sternkonstellationen. Die Theorie, der jene Leute einst folgten, ist heute längst überholt, um nicht zu sagen falsch. Aber alle menschliche Theorie erweist sich einmal als mangelhaft oder gar als fernerhin nicht mehr nützlich und hat doch zu ungezählten, der Wirklichkeit entsprechenden Entdeckungen geführt, weil ein Körnchen Wahrheit in jeder Theorie steckt. Vor bald 2000 Jahren hat Gottes Gnade einige Forscher zu dem jungen Jesus gerufen, und sie beugten sich in Anbetung vor ihm. Hier liegt eine Wegweisung der Heiligen Schrift für den Dienst der Forschung gegenüber dem Herrn vor! Aber verstehen Sie mich recht, es liegt keine Aussage vor, daß wir mit Physik oder Astronomie Jesum als den Sünderheiland finden könnten!
Vom Zeugnis großer Physiker
Wie steht es nun mit der rauhen Wirklichkeit? Ist solche Haltung wie die dieser Magier später von Naturforschern, insbesondere von Physikern, eingenommen worden oder nicht? Ich bringe Ihnen aus den letzten vier Jahrhunderten fünf Zeugen, wie sie besser nicht sein können. Sie gehörten zu den größten Physikern ihres Jahrhunderts.
Ich nenne zunächst Nikolaus K o p e r n i k u s (1473‑1543). Sie wissen, daß er in seinem berühmten Werk „Über die Kreisbewegungen der Himmelskörper“ die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems gestellt hat, um der beobachteten Bewegung der Gestirne eine einfache Deutung zu geben, die an die Stelle der verwickelten Epizyklentheorie des Ptolemäus zu treten hatte. In der Einleitung zum 1. Buch seines Werkes sagt er: „Wenn es die Aufgabe aller Wissenschaften ist, den Menschengeist der Sünde zu entziehen und auf das Bessere zu lenken, so kann sie dies, neben einer Beseligung des Geistes, im Übermaß bewirken. Denn wer würde nicht beim Forschen zu dem Besten angeregt und den Urheber des Weltalls bewundern, in dem alles Glück und alles Gute besteht?“ Weiter sagt Kopernikus, daß wir durch das Mittel der Erforschung der Schöpfung „zur Anschauung des höchsten Gottes geführt würden“, und er bekennt: „Ich werde mit Hilfe Gottes, ohne den wir nichts vermögen, zu prüfen versuchen.“
Kopernikus hat sein Werk dem Papst Paul III. gewidmet und hat ihn in seiner ahnungsvollen Einleitung gebeten, auf die Verleumder und falschen Ausleger, die dagegen auftreten werden, nicht zu hören. Die Nachfolger dieses Papstes haben aber diese Bitte nicht beherzigt, und wir wissen, welcher Schade für den Ruf der Kirche bis auf den heutigen Tag daraus entstanden ist. Als nach dem Tode des Kopernikus sein Werk aller Welt bekannt wurde, hat kein Forscher und Freund der Wissenschaft es als im Widerspruch zum christlichen Glauben stehend empfunden. Im Gegenteil, man beugte sich mit Kopernikus in Demut vor Gott, der dem Menschengeist solche Erkenntnis geschenkt hatte. Das erste Bild, mit dem Kopernikus aller Welt bekannt wurde, (Ein Epitaphbild von Melchior Pyrnesius in der Pfarrkirche zu St. Johann) trug daher folgende Unterschrift: „Ich suche nicht die gleiche Gnade, die du dem Paulus erwiesen; noch begehr ich die Huld, mit der du dem Petrus verziehen; aber was du am Stamme des Kreuzes dem Schächer gewährt hast, um das bitte ich fleißig.“
Am Ende des 16. Jahrhunderts wirkt Johannes K e p l e r (1571‑1630), der durch fleißige Beobachtung und Berechnung jene drei Gesetze entdeckt, nach denen sich auf elliptischen Bahnen nicht nur Planeten, sondern überhaupt Himmelskörper umeinander bewegen; und, wie wir heute wissen, nicht nur diese, sondern auch die Elektronen im Atom. Groß ist Keplers überschwengliche Dankbarkeit für die ihm zuteil gewordene Schau in die wunderbare Dynamik des Geschehens. In einem Kalender auf das Jahr 1604 sagt er: „Es ist so, als hätte ich einen göttlichen, in die Welt hinein geschriebenen Spruch gelesen: Mensch, stecke deine Vernunft hierher, diese Dinge zu begreifen.“ Uns mögen aber folgende Worte in einem Brief noch wertvoller sein: „Es gibt nichts, was ich mit größerer Peinlichkeit zu erforschen und zu wissen verlange als dieses: kann ich wohl Gott, den ich bei der Betrachtung des Weltalls geradezu mit Händen greife, auch in mir selber finden?“
Nach jener Zeit lebte in Frankreich Blaise P a s c a l (1623‑1662), der schon als Junge erstaunliche Proben seiner mathematischen Begabung gegeben hatte und uns aus dem Mathematikunterricht durch das sogenannte Pascalsche Zahlendreieck bekannt ist. Er entwickelte die Lehre vom Luftdruck, der mit dem Barometer gemessen wird und mit steigender Höhe über dem Erdboden abnimmt. In seinem letzten Lebensjahrzehnt widmete er sich der Heiligen Schrift und schrieb das berühmte Buch „Über die Religion“, das in einzigartiger Weise von Jesus zeugt und alle theologischen Spitzfindigkeiten ablehnt. Hören wir ihn selbst. „Anstatt sich darüber zu beklagen, daß sich Gott verborgen hätte, solltet ihr ihm danken, daß er sich so weit enthüllt hat, und ihm weiter danken, daß er sich nicht den hochmütigen Gelehrten enthüllt hat, die einen so heiligen Gott zu erkennen unwürdig sind. Zwei Arten von Menschen sind wissend: die, deren Herz demütig ist und die ihre Demütigung lieben, welchen Grad auch immer ihr Geist, hoch oder niedrig, hat, und die, die Geist genug haben, um die Wahrheit zu erkennen, welche Schwierigkeiten sie dabei auch haben mögen.“ ‑ „Nicht nur Gott kennen wir allein durch Jesus Christus, auch uns selbst kennen wir nur durch Jesus Christus. Ohne ihn wissen wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod, noch was Gott ist, noch was wir selber sind.“ Von den Aposteln sagt Pascal: „Solange Jesus Christus bei ihnen war, konnte er ihnen ein Halt sein; danach aber, wer hat sie handeln lassen, wenn er ihnen nicht erschienen ist?“
Einer der größten Physiker aller Zeiten war Isaac N e w t o n (1643‑1727). Zusammen mit Leibniz (1646‑1716) ist er der Schöpfer der höheren Mathematik (Differential‑ und Integralrechnung), und es gibt sehr zu denken, daß beide gläubige Christen gewesen sind. Newton hat die mit Hilfe des Glasprismas erzeugbaren Regenbogenfarben zuerst wissenschaftlich untersucht und erkannt, daß sich weißes Licht als Spektrum unzähliger Farbstrahlen erweist. Seine größte Leistung aber ist die Auffindung des Gesetzes, wonach sich zwei schwere Körper mit einer Kraft anziehen, die dem Produkt ihrer Massen direkt und dem Quadrat ihrer Entfernung umgekehrt proportional ist. Ich will dazu die Worte von Hermann von Helmholtz zitieren „Diese Entdeckung des Gravitationsgesetzes und seiner Konsequenzen ist die imponierendste Leistung, deren die logische Kraft des menschlichen Geistes jemals fähig gewesen ist. Ich will nicht sagen, daß nicht Männer mit ebenso großer oder größerer Kraft der Abstraktion gelebt hätten als Newton und die übrigen Astronomen, welche seine Entdeckung teils vorbereitet, teils ausgewertet haben; aber es hat sich niemals ein so geeigneter Stoff dargeboten als die verwirrten und verwickelten Planetenbewegungen, die vorher bei den ungebildeten Beschauern nur astrologischen Aberglauben genährt hatten, und nun unter e i n Gesetz gebracht wurden, welches imstande war, von den kleinsten Einzelheiten ihrer Bewegung die genaueste Rechenschaft abzulegen.“
Im V. Abschnitt des III. Buches seiner Principia spricht Newton von Gott. „Dieses unendliche Wesen beherrscht alles, nicht als Weltseele, sondern als Herr aller Dinge . . . Der höchste Gott ist ein unendliches, ewiges und durchaus vollkommenes Wesen; ein Wesen aber, wie vollkommen es auch sei, wenn es keine Herrschaft ausübte, würde nicht Herr sein … Er ist weder die Traurigkeit noch die Unendlichkeit, aber er ist ewig und unendlich; er ist weder die Dauer noch der Raum, aber währet fort und ist gegenwärtig … Gott ist überall gegenwärtig, und zwar nicht nur virtuell, sondern auch substantiell; denn man kann nicht wirken, wenn man nicht ist … Wir haben wohl eine Vorstellung von seinen Eigenschaften, aber keine von seinen Bestandteilen . . . Man sagt allegorisch: Gott sieht, hört, redet, lacht, liebt, haßt, wünscht, gibt, freut sich, zürnt, arbeitet, baut, konstruiert; weil alles dasjenige, was man von Gott sagt, von irgendeiner Vergleichung mit menschlichen Dingen entnommen ist. Diese Vergleichungen, wenn sie auch sehr unvollkommen sind, geben indessen doch eine schwache Vorstellung von ihm . . . Dies hatte ich von Gott zu sagen, dessen Werke zu untersuchen, die Aufgabe der Naturlehre ist.“
Newton hat Fragen der Bibel eingehend behandelt, z. B. die eschatologischen Dinge der Offenbarung und des Buches Daniel, und aus seinem Briefwechsel mit dem Theologen Dr. Bentley ist manches zu lernen. Sein Bekenntnis lautet. „Ich habe im Leben zwei wichtige Dinge kennengelernt: erstens, daß ich ein großer Sünder bin und zweitens, daß Jesus Christus ein noch größerer Heiland ist.“
Als letzten nenne ich aus dem vorigen Jahrhundert Michael F a r a d a y (1791‑1867). Faraday ist der Entdecker des Induktionsgesetzes. Die technische Ausgestaltung dieser Entdeckung sehen wir in der Dynamomaschine von Werner von Siemens vor uns. Von diesem Michael Faraday sagt sein Schüler und Freund Tyndall, selbst ein bedeutender Forscher, in der Biographie: „Michael stammte aus einer dem Arbeiterstande angehörigen, sehr religiösen Familie. Daß der offenbarte Wille Christi das höchste und einzige Gesetz, nicht nur in Kirchenfragen, sondern in jedem Gedanken, jedem Worte und jeder Tat sein solle, war der Glaube derer, welche Faraday während seiner Kindheit umgaben, und an diesem Glauben hielt er lebenslang fest, als sei er eine ihm persönlich kundgetane Offenbarung.“
Die Haltung der Kirche
Es kann kein Zweifel sein, daß die naturwissenschaftliche Arbeit der großen Männer, die unsere Physik begründet haben, sinnvoll fortgeführt worden ist. In dem Christuszeugnis aber, das sie gegeben haben, haben sie nur wenige Nachfolger gefunden. Nach Newton in der sogenannten Aufklärung schien es lange Zeit so, daß die Freude über die großen Ergebnisse der Forschung nur zum Hochmut und zur Leugnung Gottes führen würde. Ich will nur zwei bedeutende Namen nennen: A. L. Lavoisier (1743‑1794), den Begründer der modernen quantitativ arbeitenden Chemie, und P. S. Laplace (1749‑1827), den großen Astronomen. Der erstere verlor Maß und Ziel, wie sein Ausspruch „Es muß alles zerstört werden,weil alles neu geschaffen werden muß“ erkennen läßt, und so geriet er selbst unter die Guillotine. Von Laplace stammt der bekannte zu Napoleon geäußerte Ausspruch über Gott: „Sire, diese Hypothese brauchen wir nicht.“ Gewiß hätte Laplace damit recht gehabt, wenn er damit hätte sagen wollen, daß die Theologie keine Forschungsmethoden für Physik liefern könne; aber dahinter stand doch eine gottlose Gesinnung, und ein Christ hätte sich auch nie so ausgedrückt. Nach Laplace in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts standen Physiker auf, die die Grundlagen unserer heutigen hochentwickelten Elektrotechnik legten, dabei aber echte Christen waren und es bekannten. Das waren Örstedt, Ampère und Faraday. Danach aber setzte wieder ein geistiger Niedergang ein, gekennzeichnet durch die Worte Positivismus und Materialismus. Seine Auswirkungen machen sich noch heute bemerkbar, doch sieht es so aus, daß unter den Naturwissenschaftlern, nicht zuletzt durch die Folgen der Atomkernforschungen, wieder eine Besinnung auf die Aussagen der Bibel eingesetzt hat.
Wenn ich Ihnen dieses Christuszeugnis von Kopernikus, Kepler, Pascal, Newton und Faraday vor Augen geführt habe, dann habe ich es getan in Anwendung des Pauluswortes im 1. Thessalonicherbrief: „Seid dankbar in allen Dingen … prüfet aber alles, und das Gute behaltet.“ Man darf freilich den Forschern der Aufklärungszeit von seiten der Kirche keine Vorwürfe machen, denn diese hatte Balken im Auge, denen gegenüber jene nur Splitter aufwiesen. Es ist eine bittere Wahrheit, daß auch im vergangenen Jahrhundert die Kirche als Ganzes nicht zu einer klaren, auf Glauben und Liebe unerschütterlich aufgebauten Verkündigung zurückgefunden hat. Man kann es ihren Predigern verzeihen, daß sie durch ihre einseitige humanistische Bildung kein rechtes Verständnis für die vorwärtsdrängende Naturwissenschaft fanden, daß sie Latein und Griechisch höher schätzten als Physik und Mathematik, daß sie dem lähmenden Irrtum erlagen, der auch heute noch weite Kreise der Theologie beherrscht, daß Philologie, Philosophie und Geschichte „bildende“ Geisteswissenschaften, die anderen Fächer aber „nur“ Naturwissenschaften und damit minderen Ranges wären. Ich meine aber, daß die Naturwissenschaft, die Gottes herrliche Schöpfung ergründet, zu ihren Entdeckungen viel mehr Geist benötigt als jene. Sie stellt uns vor eine immense Fülle von Wundern, die uns die klassischen Wissenschaften, die allzuoft immer nur dieselben menschlichen Denkweisen, Irrtümer und Gewohnheiten wiederholen und nacherzählen, nicht bieten können.
Dieses wirklichkeitsferne Denken hat unsere Kirche stark gelähmt. Sie interessierte sich nicht für die Leute, welche den Naturkräften nachsannen, und so begriff sie auch nichts von den Folgerungen, die aus diesen Kräften gezogen worden sind. Die Folgerungen aus den von der Physik entdeckten Naturkräften wurden in Gestalt von Erfindungen in der Technik gezogen. Dampfmaschine, Dynamomaschine, Elektromotor, Explosionsmotor, Kernreaktor und Raketenantrieb heißen sie. Im Zentrum technischen Denkens und Schaffens steht „die Maschine“. Auf die Maschine begannen die Menschen im vorigen Jahrhundert zu starren, als wäre sie ein Gott, dem man dienen müsse. Die Maschine bezauberte die Unternehmer und versteinerte ihr Herz, die Maschine entwurzelte Millionen und stürzte sie in soziales Elend, die Maschine ließ örtliche Kriege zu Weltkriegen werden. Um die Menschen, die unter diese Maschinen gerieten, kümmerte sich keine Theologie und keine amtliche Kirche. Ich vermag mich nicht davon zu überzeugen, daß eine zu liberale Theologie oder ein sogenanntes Staatskirchentum daran allein die Hauptschuld haben. In meinen Augen hat der tiefste Grund für das Versagen der Kirche zu allen Zeiten in der einfachen Tatsache gelegen, daß auch sie das in der Bibel geoffenbarte Wort Gottes nicht wahrhaben und befolgen wollte. Evangelische Kirchen sind da nicht besser als die römisch‑katholische Kirche, die gar nicht erst behauptet, daß sie sich nach der Bibel allein richten wolle.
Lassen Sie mich sehr deutlich sagen, was ich meine: Jesus beruft als Apostel arme Fischer, Handwerker und Zöllner und sendet ihnen den Heiligen Geist, der fortan seine Kirche leiten und bei ihr bleiben soll. Wir aber überbetonen ein akademisches Amt mit humanistischer Vorbildung und überhäufen es mit alleiniger Verkündigung und Verantwortung. Petrus verkündet das Wort vom allgemeinen Priestertum a l l e r Gläubigen, wir aber machen deutlich sichtbar nur das Priestertum einer einzigen der Gottesgaben. Paulus sagt mehr als einmal, daß sich die Gemeinde aufbaut aus Aposteln, Propheten, Lehrern, Männern der Naturwissenschaft und Technik, Medizinern, Diplomaten, Sprachkundigen und Sozialfürsorgern, wenn ich einmal moderne Worte für die Aufzählung im 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes gebrauchen darf. Wir aber lassen öffentlich wirken nur Bischöfe und Pfarrer. Diese Einseitigkeit hat weder die Heilige Schrift noch Luther verkündigt. ‑ Sie kennen alle das feine biblische Bild von Jesus als dem Bräutigam und der Kirche als seiner Braut. Von einer Braut erwartet jedermann, daß sie schön ist. Ist das eine schöne Braut, die einen feinen Kopf hat, aber verkümmerte Glieder? Wenn ihr Kopf spricht, bringen die Füße die Botschaft nicht weiter, die Hände greifen nicht zu zum Handeln, der Mund übersetzt nicht in alle Sprachen, der Schoß gebiert nicht neues Leben.
Wir müssen uns sehr bemühen, daß Verkündigung und Apologetik der Kirche nicht einseitig sind, denn auch der Teufel ist nicht einseitig. Niemand vermag uns zu sagen, woher die nächsten Versuchungen kommen werden und aus welcher ein Großangriff wird. Du und ich wissen auch nicht, welche Versuchung morgen an uns neu herantreten wird. Warum beherzigen wir so wenig das Wort der Schrift, die nüchtern feststellt: „Die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichtes gegen ihr eigenes Geschlecht“? (Luk.16,8.) Wenn die Kinder dieser Welt Kriege führen, so bilden sie alle Waffengattungen aus und schicken jeweils diejenige gegen den Feind, die zur Abwehr eines Angriffs am geeignetsten ist. Warum tut das die Kirche nicht? Weil sie die meisten Begabungen und Kräfte nicht ausbildet und etwa vorhandenen keine Vollmacht gibt! Es liegt doch klar vor Augen, daß die einseitig ausgebildete Kirche des vergangenen Jahrhunderts den Abwehrkampf gegen den mit der Technisierung aufkommenden Materialismus nicht führen konnte. Zu einem Abwehrkampf gehört eben Sachkenntnis. In diesem besonderen Falle die Sachkenntnis derer, denen die Bibel die Naturwissenschaft und die Technik zuweist. Sie alle wären in der Lage, zu akuten wissenschaftlichen Fragen und ihren technischen Folgerungen Stellung zu nehmen und gleichzeitig dabei in der Öffentlichkeit Zeugnis von ihrem Herrn abzulegen. Eine solche Möglichkeit aber hatten sie nicht, und ich weiß aus eigener Erfahrung, daß man es ihnen auch heute weithin gar nicht geben will. So erstand der Materialismus und wurde stärker als die schweigende Kirche. Nach dem Gesetz dieser Welt, wonach das Recht des Stärkeren auch das bessere sei, erstanden die materialistischen Kämpfer gegen den Gott, den die Kirche zu predigen vorgab und der doch zu allen konkreten Tagesfragen schwieg. Viele hervorragende Physiker und Chemiker wurden Anhänger materialistischer Weltanschauung, nicht wenige unter ihnen sogar Vorkämpfer.
Immer und immer wieder höre ich es in Predigten und kann es in christlichen Schriften lesen, daß diese materialistisch eingestellten Wissenschaftler ‑ meist werden nur die Namen von Ernst Haeckel und Wilhelm Ostwald als Prototyp genannt ‑ längst abgetan und erledigt seien. Mich beschleicht dabei stets ein banges Gefühl. Es ist nämlich um die alten Kämpfer gegen die Kirche und ihren Gott zu unserer Väter und Großväter Zeiten n i c h t deswegen still geworden, weil die Kirche und ihre Theologie siegreich gewesen ist, sondern a l l e i n w e i l die Naturwissenschaft durch Gottes Gnade sich gewandelt hat! Vielfach unter den Händen der gleichen Forscher, die noch vor 60 Jahren glaubten, ein beinahe abgerundetes Weltbild der Physik mit Aussagen gegen Gott in den Händen zu haben.
Wandlungen in der Physik
Die Experimente haben uns gelehrt, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als wir damals auch nur ahnen konnten; Dinge, die gar nicht in das Denkschema der bis dahin aufgebauten Physik paßten. Aus den Experimenten entstanden kühne Theorien, die sich bestens bewährten. Ich denke dabei vor allem an die Quantentheorie von Max Planck, die mit dem Jahre 1900 zeitlich im Zentrum des Umschwungs stand, wenn wir zurückschauen, und die aus ihr folgende Materiewellenmechanik, deren Begründer (1924) und bedeutendster Vertreter der französische Physiker Louis de Broglie ist. Alte Denkgewohnheiten und Betrachtungsweisen mußten aus grundsätzlichen Erwägungen heraus im Anschluß an die unbestechlichen Experimente aufgegeben werden. Die Relativitätstheorie Einsteins ist jedem auch nicht Sachverständigen wenigstens dem Namen nach bekannt. Viele von denen, die sich mit den philosophischen Erörterungen zu befassen versucht haben, die sich an die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation, an den Dualismus von Welle und Korpuskel und an den damit in Zusammenhang stehenden vor allem von Bohr und Born behandelten Begriff der Komplementarität knüpften, werden wissen, daß sich Physiker in zunehmendem Maße eines Urteils über den absoluten Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen enthalten und es oft vorziehen, nur gewisse Wahrscheinlichkeiten festzustellen. Die Selbstsicherheit, die noch viele Physiker der Jahrhundertwende beherrschte, ist allmählich dahingegangen; so sehr, daß ein Mann wie Albert Einstein, als wir ihn 1955 nach Berlin zur Feier des 50jährigen Jubiläums von zwei seiner berühmten Arbeiten einluden, an unseren damaligen Vorsitzenden Professor von Laue kurz vor seinem Tode einen Brief schrieb, der mit folgendem Satz endete: „Wenn ich in den Grübeleien eines langen Lebens eines gelernt habe, so ist es dieses, daß wir von einer tieferen Einsicht in die elementaren Vorgänge viel weiter entfernt sind, als die meisten unserer Zeitgenossen glauben, so daß geräuschvolle Feiern der tatsächlichen Sachlage wenig entsprechen.“
Diese ganze Entwicklung ist aber, das muß sehr deutlich gesagt werden, nicht irgendwie theologisch bedingt oder gar angeregt. Den Gott der Bibel zu suchen, hat dabei niemandem vorgeschwebt. Dennoch schwebt jedem echten Forscher vor, ein Stückchen der Wirklichkeit zu ergründen und damit ein Teilchen jener Wahrheit zu erkennen, die aus der Schöpfung hervorleuchtet. Die Forscher unterwerfen sich dabei trotz des menschlich durchaus verständlichen Wunsches, die eigenen Gedanken und Theorien erfolgreich zu sehen, doch einer letzten, unanfechtbaren Instanz, nämlich dem Experiment. Dieses offenbart immer, ob unsere Gedanken falsch oder richtig sind, ob Gottes Schöpfung so ist, wie wir denken, oder ob sie viel besser und sinnvoller ist. Jenen Gott, der der Vater Jesu Christi ist und ein Gott der Liebe, den können wir aus den Experimenten nicht ableiten. Durch die wunderbare Natur schimmert zwar ein Wesen hindurch, dem wir demütig Anerkennung zollen wollen, aber w i r können es nicht ergreifen und begreifen, wenn e s s e l b s t uns nicht ergreift. Alle die mit Ernst Christen sein wollen, mögen nun auch ihrerseits ihre Gedanken an einer letzten Instanz, nämlich an der Heiligen Schrift, prüfen und ebenso radikal das beiseite tun, was damit nicht in Einklang zu bringen ist. Das meint auch Blaise Pascal, wenn er sagt: „Es ist gewiß ein gesegneter Stand für die Kirche, nur von Gott allein abzuhängen.“
Die Entwicklung der zeitgenössischen Atomforschung
Wenn wir heute zurückschauen, so begann vor etwa zwei Generationen in der Physik eine neue Entwicklung, die durch den Atombegriff wesentlich geprägt zu sein scheint. Ob es Zufall ist oder eine tiefere Ursache hat, daß unter den Materialisten und Kämpfern gegen den Gott der Kirche vorzugsweise Männer waren, die den Atombegriff als physikalische Realität ablehnten und nur als Hilfshypothese gelten lassen wollten, weiß ich nicht. Die Entwicklung ist so gelaufen, daß die atomare und molekulare Struktur der Materie heute im Mittelpunkt physikalischer Darstellungen steht.
Der Atombegriff ist schon uralt. Seine erste prägnante Fassung hat er von Demókritos aus Abdera vor zweieinhalb Jahrtausenden erhalten. Die griechische Naturphilosophie, die mit unserer heutigen theoretischen Physik sehr wesensverwandt ist, hat glänzende Denker und Gedanken hervorgebracht. Diese Entwicklung ist später völlig verschüttet worden. Erst der Engländer John Dalton (1766‑1844) nimmt zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts den Atombegriff wieder auf und gestaltet ihn für die Entwicklung der Chemie fruchtbar. Wir wissen heute, daß die gesamte Materie eine atomare Struktur hat, sich also aus diskreten Atomen aufbaut. Die mechanische Teilbarkeit ‑ átomos bedeutet ursprünglich das Nichtteilbare ‑ endet bei den Gebilden, die wir eben Atome nennen. Dann setzt die elektrische Teilbarkeit ein, die offenbart, daß sich die Atome aus kleineren Partikeln elektrischer Natur aufbauen. Die Atome bestehen aus einer Hülle und einem Kern. Die räumlich sehr ausgedehnte Hülle besteht aus Elektronen, den negativen Elementarteilchen der Elektrizität, die den winzigen Kern umgeben ähnlich wie die Planeten die Sonne. In dem sehr winzigen Kern stecken Teilchen, deren wichtigste Eigenschaft ist, daß sie praktisch die ganze Masse des Atoms ausmachen. Es gibt eine Grenze, wenn man mit spezifisch elektrischen Mitteln den Kern weiter teilen will. Mit den Neutronen, die weder positiv noch negativ elektrisch sind, kommen wir in der Teilbarkeit erheblich weiter. Diese Versuche mit Neutronen sind nun so gefährlich geworden, daß sie zur Atomangst vieler Menschen geführt haben.
Ich gebe Ihnen jetzt einen ganz groben Abriß der Entwicklung auf diesem Gebiet in den letzten sieben Jahrzehnten. Ich betone noch einmal wie eingangs meines Vortrags, daß zwischen der älteren Physik und dieser Physik ein innigster Zusammenhang besteht. Die Meßmethoden und Ergebnisse der älteren Physik sind die notwendigen und unumgänglichen Voraussetzungen der neueren Physik. Bisweilen wird die ältere Physik die „klassische“ und die unserer Zeit die „moderne“ genannt. Diese Unterscheidung enthält eine tendenziöse und daher bedenkliche Bewertung, denn das, was modern ist, unterliegt ja einer fortwährenden Änderung.
Im Jahre 1892 führte Philipp Lenard, der Schüler des Entdeckers der elektrischen Wellen, Heinrich Hertz, mit denen wir uns heute über Länder und Ozeane hinweg unterhalten können, die negativen Elementarteilchen der Elektrizität, man kann auch sagen, die Atome der negativen Elektrizität, erstmals aus den Drähten und Gasentladungsröhren hinaus ins Freie und untersuchte sie frei von allem störenden Beiwerk. Als er dann mit diesen Elektronen die Materie durchstrahlte und ihre Absorption untersuchte, kam er zu dem berühmten Schluß, mit dem die genauere Erforschung der atomaren Struktur der Materie eingeleitet wurde. Hören wir ihn selbst: „Das Resultat der Ausführung des Versuchs mit den schnellsten Strahlen läßt sich am besten an einem Beispiel klarmachen: Stellen wir uns einen Kubikmeter großen Block des massigsten und schwersten Stoffes vor, den wir kennen, etwa Platinmetall. Wir finden in diesem Block insgesamt nicht mehr undurchdringliches Eigenvolumen als höchstens ein Kubikmillimeter. Von diesem stecknadelkopfgroßen Teil etwa abgesehen, finden wir den ganzen Rest unseres Blockes leer, so wie der Himmelsraum leer ist. Wie müssen wir da erstaunen über die Geringfügigkeit der eigentlichen Raumerfüllung der Materie! Was wir in dem von ihr eingenommenen Raum gefunden haben, waren nur Kraftfelder.“ Diese ungeheuer winzige Mitte der Atome nennen wir heute den Atomkern.
Die Erforschung des Wesens und der Eigenschaften dieser Elektronen war das Lebenswerk Lenards und namhafter anderer Physiker. Die Elektronen spielen die entscheidende Rolle in den Röhren unserer Radioapparate, sie verursachen die Bilder auf den Leuchtschirmen der Fernsehapparate, mit ihrer Hilfe wird im Elektronenmikroskop die feinste Struktur auch der lebenden Materie, z. B. von Bakterien und Viren, sichtbar. Sie sind es, die durch die Drähte unserer elektrischen Leitungen fließen. Sie sind es, deren Springen zwischen den Bohrschen Bahnen der Atomhüllen das erzeugt, was wir Licht nennen, nicht nur in den Glühlampen, die uns die Nacht erhellen, sondern überhaupt in jeglichem Licht, auch dem der Sonne. Die Schwingungen dieser Elektronen in den Antennen verursachen die elektrischen Radiowellen. Ist diese Atomphysik nicht eine Anhäufung von Wundern, und spüren wir es nicht täglich, welch ein Segen aus solcher Atomforschung erwächst? Freilich, die Elektronen im Radio müssen auch in ausgiebiger Weise dazu dienen, Lüge, Haß und Verleumdung zu verbreiten. Sie waren letztlich das physikalische Hilfsmittel, mit dem Hitler uns bezauberte und in ein Meer von Blut stürzte. Sie werden überall in den Antennen in Bewegung gesetzt, wenn Völker betrogen und in den Krieg getrieben werden sollen. Ich frage aber, sind wir bereit, um dieses Mißbrauchs willen auf das Gute zu verzichten? Spüren wir nicht deutlich, daß das Böse nicht Sache der Elektronen ist, sondern Sache des menschlichen Herzens? Mit den Atomkernen und ihrer Spaltung ist es nicht anders. Es kann außerordentlich viel Gutes aus ihnen erwachsen, wenn wir nur dafür sorgen.
Eine der größten Entdeckungen und Erfindungen zugleich war es, als im November des Jahres 1895 Wilhelm Konrad Röntgen zeigte, daß beim Auftreffen dieser Elektronen auf feste Materie die nach ihm benannten wunderbaren Strahlen entstehen. Selten ist der Segen, den die Atomphysik bringt, so deutlich geworden wie in den wundervollen Röntgenstrahlen. Wie viele Menschen sind durch sie vor Krankheit, Siechtum und Tod bewahrt worden, und in wie vielen Fällen ist mit ihnen durch die Materialprüfung schwerer Schaden an Maschinen, Fahrzeugen und damit auch Menschen verhütet worden! Knapp 20 Jahre später macht Professor von Laue die wunderbare Entdeckung, daß beim Durchleuchten von Kristallen mit diesen Röntgenstrahlen deren genaue atomare Struktur sichtbar wurde. Es gibt seitdem keinen Kristall mehr und keinen festen Stoff, der sich aus mehr oder minder kleinen und vielen Kristallen aufbaut, von dem nicht festgestellt werden könnte, wie die Atome, die ihn aufbauen, sich gegenseitig anordnen und verteilen. Ist das nicht wieder etwas ganz Erstaunliches, daß wir so tief in den wohlgeordneten Schöpfungsplan Gottes hineinsehen können?
Sie wissen vielleicht, daß in den alten gläsernen Röntgenröhren die von diesen Strahlen getroffene Stelle der Glaswand grün aufleuchtete. Das nahm der französische Physiker Henri Bequerel zum Anlaß, in der Natur nach Gesteinen zu suchen, die ebenfalls grün fluoreszierten. Er vermutete, daß sie in natürlicher Weise Röntgenstrahlen aussenden würden. In einem Erz des Urans, das damit schicksalsschwer in der Physik auftaucht, fand er 1896 das Gesuchte. Aber er und das Ehepaar Curie fanden noch viel mehr. Sie fanden, daß Uran und Radium und Thorium sich selbst auflösten; genauer gesagt, daß die Atomkerne nach gewisser Zeit von selbst zerfielen und daß bei diesem spontanen Atomzerfall positive Alphateilchen (identisch mit Heliumkernen), Betateilchen (identisch mit Elektronen) und Gammateilchen (identisch mit Röntgenstrahlen höchster Spannung) entstanden. Dem amerikanischen Physiker Wilson gelang es dann 1912 in der Nebelkammer die einzelnen Flugbahnen dieser ungeheuer winzigen atomaren Teilchen sichtbar zu machen. An der realen Existenz der Atome und ihrer Bestandteile konnte kein Zweifel mehr sein. Nun konnte man genau untersuchen, was diese einzelnen Atome der Materie und der Elektrizität machten, wenn sie aufeinanderstießen. Bedenken Sie, was das heißt: In einem Gramm Helium z. B. befinden sich etwa eine Billion mal eine Billion Atome. Ein einziges davon kann man beobachten, seine Flugbahn studieren und sehen, was geschieht, wenn mit ihm auf andere Atome geschossen wird! Mit solchen atomaren Geschossen arbeitete der englische Physiker Lord Rutherford. Ihm gelang 1919 der erste Kernprozeß, indem er ein Stickstoffatom mit Hilfe eines darauf geschossenen Heliumkerns in ein Sauerstoffatom bei Aussendung eines Wasserstoffkerns verwandelte. Seitdem sind eine große Reihe ähnlicher Prozesse bekannt geworden. Der Beschuß von Atomkernen zwecks Umwandlung oder Zerstörung mit Hilfe elektrischer Geschosse macht große Schwierigkeiten. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß der Atomkern stark positiv geladen ist und daß es daher sehr schwer ist, mit den in Frage kommenden positiven Alphageschossen den Kern zu treffen und ihn zu verändern. Als Beispiel nenne ich Ihnen, daß für die vorhin genannte Umwandlung des Stickstoffs in Sauerstoff 500 000 Schuß, für eine Umwandlung des Kohlenstoffkerns in einen Stickstoffkern mit Hilfe von Protonen 10 Milliarden Schuß notwendig sind. Es schien hoffnungslos zu sein, unter solchen Umständen jemals eine der herkömmlichen Chemie ähnliche Kernchemie technisch aufbauen zu können.
Da machte der englische Physiker Chadwick im Jahre 1931 eine folgenschwere Entdeckung. Er entdeckte einen neuen Baustein der Atomkerne, nämlich das N e u t r o n , das weder positiv noch negativ elektrisch und etwas grundsätzlich Neues war. Nun gab es kein Hemmnis mehr durch abstoßende positive Ladungen, wenn man Treffer auf den Atomkern erzielen wollte. Die folgenschwersten Treffer aber waren die, welche 1938 Hahn und Straßmann erzielten, als sie das Element Uran, genauer das Uranisotop U235, mit langsamen Neutronen bestrahlten und in mühevoller, sorgfältiger Untersuchung fanden, daß dieses Uran explodierte und damit eine Kernspaltung offenbarte. Die nähere Untersuchung ergab, daß bei der Explosion neben den großen Trümmerstücken m e h r er e Neutronen aus dem Kern hervorbrachen, obwohl doch nur e i n Neutron den Kern zur Explosion gebracht hatte. Damit war die Möglichkeit einer Kettenreaktion gegeben. Wenn von mehreren neu entstandenen Neutronen eines einen neuen Kern spalten konnte und von dessen Trümmerneutronen wieder eines abermals einen neuen Kern, so bedeutete das bei einer Anhäufung und geeigneten Anordnung von Uranmaterial eine gewaltige Explosion.
An dieser Stelle der Entwicklung lag es nur in der Hand des Menschen, ob er die Gewinnung einer großen Menge reinen Urans zum Segen oder Fluch benutzen wollte. Er hat mit dem Fluch begonnen und wird ihn nicht mehr los. Es ist und bleibt für mich ein Mahnmal Gottes über die Jämmerlichkeit unseres sogenannten Christentums, daß nicht der kommunistische, in seiner Haltung zu Gott immerhin ehrliche Diktator in Moskau auf den Knopf gedrückt und eine halbe Million Menschen in Tod und Siechtum geschickt hat, sondern der „christliche“ Präsident in Washington, und daß ein dem Namen nach lutherischer Feldgeistlicher diesen Mord mit einem Gebet eingeleitet hat, dessen Wortlaut bekannt ist und mit den Worten beginnt: „Allmächtiger Gott, der du die Gebete derer erhörst, die dich lieben.“ Wie sagt doch unser Herr über solche Diener Gottes: „Ihr Heuchler, ihr werdet desto mehr Verdammnis empfangen!“ Ständig wird mit deutlichem Hinweis zum Osten davon gesprochen, daß von dort her Wahnsinnige die Welt urplötzlich mit Atombomben und Massenmord überfallen könnten. Das mag sein, ist aber nicht erwiesen. Tatsache aber ist es, daß solches im demokratischen Westen gegen ein noch heidnisches Volk geschehen ist von Menschen, die Sonntags zur Kirche gehen und zu Gott fromme Lieder singen.
Wir haben es in unserer Hand, ein Kilo des atomaren Sprengstoffes in gewaltiger, vernichtender Explosion auf einmal hochgehen zu lassen oder aber die Kernspaltungen in winzigen Dosen laufen und die dabei freiwerdende Energie in Atomkraftwerken segensreich verteilen zu lassen. Der parallele Vorgang aus der Chemie unseres Alltags ist Ihnen wohlbekannt. Wer in einer Fabrik die Brandfackel in ein Faß Benzin wirft, begeht ein Verbrechen. Wer aber das Benzin in kleinste Dosen teilt, sie vergast und dann winzige Zündfunken hineinschickt, der betreibt einen Explosionsmotor und kann im Auto die ganze Welt zu seiner Freude bereisen. Von diesem Vorgang ist das atomare Geschehen prinzipiell nicht verschieden. In beiden Fällen handelt es sich um Atomphysik. Beim Benzin und im Benzinmotor handelt es sich um die chemischen Vorgänge zwischen Elektronen in den Atom h ü l l e n. Beim Uran in der Atombombe und im Atomreaktor um die Vorgänge zwischen den Neutronen und den anderen Bausteinen der Atom k e r n e. Warum ist aber die Energie dieser letzteren Explosion so unvergleichlich höher als die der ersteren? Das hängt mit einer Entdeckung zusammen, die speziell für die elektromagnetische Energie zuerst Friedrich Hasenöhrl 1904, dann für alle Energie Albert Einstein schon im Jahre 1905 gemacht hat. Davon hat keine Zeitung 40 Jahre lang Notiz genommen und wohl auch nicht nehmen können gemäß dem Dichterwort, daß die größten Ströme dieser Welt an sehr einsamen, stillen Stellen entspringen. Einstein fand in seiner speziellen Relativitätstheorie, daß Masse und Energie wesensgleich sind. Energie ist die Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu leisten. Ob diese Arbeit eine gute oder böse ist, kann übrigens kein physikalisches Gesetz aussagen. Die Natur ist weder gut noch böse. D a s Böse breitet sich von unserem Herzen und nicht von woanders her aus, wenn wir d e n Bösen hineinlassen. Da nun Masse und Energie der Elektronen der Atomhülle verschwindend klein ist gegen die Masse der Protonen und Neutronen sowie deren Bindungsenergien im Atomkern, das Verhältnis ist etwa 1:100 000, sind die Energien, die beim Umsatz nach außen hin wirksam werden, in entsprechender Weise unterschieden. Die Prozesse, die über die Atomkerne laufen, sind daher gewaltig und gefährlich.
Bei der Spaltung des Urankerns als Grundlage für Atomreaktoren und Atomkraftwerke im Guten und als Grundlage für Atombomben im Bösen blieb die Entwicklung nicht stehen. Man fand neue Kernprozesse mit gewaltigem Energieumsatz. Leitmotiv und Energiemaß bei allen solchen Untersuchungen ist das schon erwähnte Äquivalenzgesetz von Masse und Energie. Man wird noch lange Zeit hindurch das periodische System der Elemente, in welchem sämtliche auf Erden vorkommenden Grundstoffe in wohldurchdachter, natürlicher Ordnung zusammengefaßt sind, dahin durchforschen, wie und mit welchen inneratomaren Geschossen die Elemente ineinander umzuwandeln sind. Ein weites kernchemisches Forschungsgebiet liegt vor uns. Solche Forschung wird keineswegs nur mit Experimenten im Laboratorium geführt, sondern geschieht auch durch mathematische Betrachtungen und vor allem durch das Studium der Gestirne, insbesondere der uns seit Millionen Jahren Wärme und Leben spendenden Sonne. Diese Forschung hat eine kernchemische Reaktion zutage gebracht, die der Ihnen allen bekannten Wasserstoffbombe zugrunde liegt. Diese Reaktion ist gewissermaßen auf der Sonne entdeckt worden, und der Ihnen dem Namen nach sehr bekannte Physiker Professor von Weizsäcker ist daran maßgeblich beteiligt. Die ungeheure, im Lauf der Zeiten gewaltige Abgabe von Lichtenergie durch die Sonne entstammt einer kernchemischen Reaktion, bei der vier Wasserstoffatome zu einem Heliumatom umgesetzt werden. Der damit verbundene Massendefekt ergibt nach dem Einsteinschen Gesetz die Reaktionsenergie. Die künstliche Herstellung dieses Prozesses ist an die Erzeugung einer sehr hohen Temperatur geknüpft. Leider läuft dieser Prozeß explosiv ab. Wir sind heute noch nicht in der Lage, ihn in gezähmter Form zu bekommen wie etwa den der Urankernspaltung in einem Atomkraftwerk. Man sucht aber danach, denn dahinter steht der großartige Leitgedanke, daß der dafür notwendige Brennstoff ja eigentlich in dem überall vorhandenen Wasser zur Verfügung stehen könnte.
Erkenntnis und Versuchung der Physiker
Die Erkenntnis, daß die lebenspendende Sonne eine permanent arbeitende Wasserstoffbombe ist, wenn ich einmal diesen Ausdruck gebrauchen darf, hat das weitere Ergebnis gehabt, daß das Alter der Sonne bekannt wurde. Andere atomphysikalische Untersuchungen ergaben für das Alter der Erde die gleiche Größenordnung. Beide Gebilde müssen in Urzeiten aus einem Chaos entstanden sein, dessen physikalische Eigenschaften ich hier nicht beschreiben kann, da das zu weit in Details führen würde. In der physikalischen Literatur erscheint daher folgerichtig der Begriff des „elementaren Schöpfungsaktes“ aus der Zeit des Anfangs der Schöpfung der Welt. Diesen Akt haben wir jetzt in unsere Hand bekommen. Da die Aussagen des Schöpfungsberichtes der Bibel von diesem Stand der Erkenntnis her wesentlich sinnvoller erscheinen als bisher und dabei gewisse wirkliche oder scheinbare Widersprüche verschwinden, führt zwangsläufig die moderne Atomphysik zu einer Neubesinnung von Theologen und Physikern über den Schöpfungsbericht. Dieser würde vielleicht kein besonderer Gegenstand der Diskussion und ernsthaften Streitens sein, wenn nicht im Johannesevangelium mit unüberbietbarer Deutlichkeit gesagt würde, daß der Gott der Liebe sich in Jesus Christus offenbart hätte und auf Erden erschienen wäre, und daß dieser Christus als Wort Gottes einst der Schöpfer der ganzen Welt gewesen sei. Da aber auf der Auferstehung dieses von den Juden u n d von uns gekreuzigten Christus unser Glaube beruht und alle unsere Erwartung auf ihn zielt, ist auch die ‑ so möchte ich sagen ‑ naturwissenschaftliche Aussage des Johannes, der den Herrn selbst gesehen hat, und damit der Schöpfungsbericht für uns etwas so Wesentliches, daß er Bestandteil unseres Glaubensbekenntnisses ist.
Ich meine nun wirklich Gottes Stimme auch darin zu hören, daß unmittelbar auf das 1. Kapitel Mose mit dem Schöpfungsbericht das zweite mit dem Baum der Erkenntnis des Bösen und Guten und dem Sündenfall folgt. Diese Nähe und dieser vielen so anstößige Zusammenhang offenbart sich auch heute noch als rauhe Wirklichkeit. Dafür ein erschreckendes Beispiel aus der Tätigkeit von Atomkernphysikern, die vor Menschen genial erscheinen. Was aber sind sie im Lichte des Wortes Gottes? Wir wollen daran denken, daß auch dem Schächer noch am Kreuz vergeben werden konnte. Ich verlese Ihnen einige Sätze aus einem Brief von Gordon Dean, der schildert, wie es 1952 zum Abwurf einer Bombe im Pazifik gekommen ist. Er schreibt:
„Wir hatten bei diesem Treffen in Princeton im Juli 1951, wie mir scheint, alle Personen beisammen, die möglicherweise etwas beitragen konnten. Aus diesem Treffen kam etwas heraus, was Eduard Teller in seinem Kopf mitgebracht hatte: Es war ein völlig neuer Weg, sich der thermonuklearen Waffe zu nähern. Ich würde es gern beschreiben, aber das ist eines der empfindlichsten Dinge im Atomenergieprogramm. Es war damals erst eine Theorie. Es wurden Zeichnungen auf der Tafel gemacht. Dr. Bethe, Dr. Fermi, Dr. Teller nahmen am stärksten an all dem teil. Oppenheimer war auch sehr aktiv. Ich erinnere mich, wie ich das Treffen mit dem Eindruck verließ, daß jeder um diesen Tisch ohne eine einzige Ausnahme voller Enthusiasmus war, weil man nun etwas Vorhersehbares hatte. Die Diskussionen waren recht hübsch abgeschlossen, und wir konnten das Patentspielzeug in genau einem Jahr fertigstellen!“
Das klingt recht nüchtern und nicht weiter beängstigend. Für den Mann auf der Straße sieht das aber so aus: Es wird nicht ein physikalischer Großversuch gestartet, an dem alle Öffentlichkeit interessiert teilnimmt, aus dem eine bedeutende wissenschaftliche Erkenntnis und gleichsam eine Antwort der Natur auf eine neugierige Frage erwartet wird, sondern es wird ein physikalisch‑militärischer Versuch mit aller dazugehörigen Geheimhaltung und dem ausschließlichen Ziel, Überlegenheit und Macht zu gewinnen und erforderlichenfalls damit später Millionen Menschen mit einem Schlag auszulöschen, gestartet. Die Heilige Schrift lehrt uns immer wieder, daß Gott das Herz ansieht. Vor ihm sind der, der wirklich nachher eine Bombe über Stadt und Land abwerfen läßt, der sie segnet, der sie transportiert und derjenige, der sie als Physiker so ausdenkt, als Verbrecher einander gleich. Die Wasserstoffbombe, deren Entstehen ich Ihnen schilderte, wurde im November 1952 abgefeuert und hatte eine Sprengkraft, die der Summe sämtlicher auf Deutschland und Japan zusammen abgeworfener Bomben des letzten Weltkrieges entsprach! Danach sind noch größere Bomben abgeworfen worden. Eine 1956 ausgerechnet zu Pfingsten, dem Tag der Ausgießung des Heiligen Geistes. Eine andere von den Engländern ausgerechnet auf jenen Inseln im Pazifik, die als Christmasinseln den Namen Christi tragen. Ich sehe in solchem Geschehen mehr als nur Zufälligkeiten. Von der letzteren Bombe wurde gesagt, sie sei eine „saubere Bombe“, frei von den langnachwirkenden, tödlichen radioaktiven Strahlen.
Wir kennen aus jenem Buch der Bibel, welches die Überschrift „Offenbarung Jesu Christi“ trägt und von Johannes auf Patmos geschaut worden ist, Schilderungen über die Endzeit. Da geht „die große Stadt“, symbolisch Babylon genannt, in e i n e r Stunde mit allem, was drin und dran ist, unter (Kap.18). Die das sehen, können nur sehr von ferne stehen, aber keine Hilfe mehr wagen. Zur Deutung und zum Verständnis dieser Bibelstelle brauchen wir heute keine Hilfshypothesen mehr wie unsere Vorfahren, keine Kometen, keine vom Himmel fallenden Sterne und keine gewaltigen Erdbeben und Fluten. Über das „Wie“ schreibt auch hier die Bibel so wenig wie im Schöpfungsbericht. Aber wir verstehen es jetzt, denn solches Geschehen ist auf uns zugekommen und steht als gesicherte Möglichkeit vor unseren Augen. Diese Möglichkeiten machen den Menschen eine Angst, für die das Wort „Atomangst“ aufgekommen ist; aber die Menschen geben darüber Gott nicht die Ehre, daher werden sie in ihrer Angst bleiben. Was weiter gesagt wird von den Engeln, die die Posaunen blasen und dann die sieben Schalen des Zornes ausgießen, klingt unheimlich zeitnahe. Daher, liebe Brüder und Schwestern, verachtet das göttliche Wort nicht. Ihr habt es nicht nur in einem vor bald zweitausend Jahren mit den Worten und dem Ausdrucksvermögen des Johannes geschriebenen Text z u m H ö r e n , sondern mit einer gegenwärtigen Illustration z u m S e h e n vor euch. Laßt uns bitten und beten, daß uns geschenkt werde, was Johannes sagt: „Selig sind, die die Offenbarung Jesu Christi hören und zu Herzen nehmen, was darin geschrieben ist. Denn die Zeit ist nahe.“
Es sind nicht immer nur Christen, denen die Erkenntnis und Ahnung geschenkt wird, wie nahe solche Zeit ist. Gottes Geist weht, wo e r will, und nicht, wo wir Frommen es gern sehen möchten. Er benutzt auch eine satirische Zeitschrift dazu, um uns den Spiegel vorzuhalten. Das Titelbild der Nr. 30 des „Simplizissimus“ vom Jahre 1957 zeigt, wie ein Mensch, die Atombombe in der Faust, auf einem Fuß des gewaltigen Gottes sitzt und mit belehrend ausgestreckter Hand zur Kenntnis gibt: „Sie sind sich doch darüber klar, Mister Gott ‑ den Tag des jüngsten Gerichts bestimmen von jetzt ab wir!“ Wenn sich auch Physiker, Politiker und Militärs dagegen wehren werden, wenn man ihrem Tun diesen Gedanken unterschiebt, so kommt es doch praktisch darauf hinaus. In der Heiligen Schrift zählt die Tatsache und nicht die Meinung unserer Gedanken. In der Schrift zählt allein die Tatsache, d a ß Judas den Herrn verraten hat. Ob er sich dabei gute Gedanken gemacht hat, ob er von Nationalstolz und Römerhaß erfüllt gewesen ist, oder ob er nur mit brennendem Herzen den Jesus zu einer klaren Entscheidung hat zwingen wollen, das bleibt belanglos. Von allen solchen Motiven heißt es lapidar: „Der T e u f e l hatte dem Judas Ischarioth ins Herz gegeben, daß er ihn verriete“ (Joh.13,3). Eine andere Beurteilung kann daher auch jenes physikalische Colloquium nicht erfahren, von dem ich Ihnen vorhin berichtet habe. Es kann dieses um so weniger, als an ihm ein Teil jener Physiker mitgearbeitet hat, die ihre Befähigung schon zur Schaffung der ersten auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben mißbraucht haben.
Die Atomkernphysik und Atomkerntechnik sind ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In früheren Generationen mochten wir uns an diesem Satz von den unbegrenzten Möglichkeiten berauschen, ohne daß uns das Gewissen schlug. Die Grenze dieser Möglichkeiten ist aber jetzt klar erkennbar geworden, nachdem sich eine gewisse Identität von „unbegrenzten Möglichkeiten“ und „Todesmöglichkeiten“ herausgestellt hat. Gott hat uns die Schöpferkraft gegeben, das Wesen des Atoms zu erkennen und seine Kräfte zu beherrschen, aber er hat uns auch gesagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Dieses unphysikalische Gebot, welches nicht aus der Physik abgeleitet werden kann, steht riesengroß vor uns. Kein geringerer als Jesus setzt die Befolgung dieses Gebotes als des höchsten dem anderen gleich: „Du sollst Gott, deinen Herrn, über alle Dinge lieben und ehren“.
Daher wollen wir dem gnädigen Gott Dank sagen, daß er Physikern einen Eifer um dieses Gebot ins Herz gegeben hat. An Euch, an eurem Gebet, eurer brüderlichen Gesinnung gegen jedermann, möge er in Bonn, Rom und Washington wohnen oder in Pankow, Moskau und Peking, an eurem ernsten Willen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen und den Frieden mehr zu lieben als die Soldaten, wird es liegen, ob die Arbeit der Physiker uns allen ein Segen wird und ob sie aus einer allgemeinen Erkenntnis Gottes in die Gemeinschaft mit Christus so hineinwachsen können, wie es sein sollte.
Die Erklärung der 18 Professoren zu Göttingen
Das Gebot der Nächstenliebe ist das Leitmotiv jener Erklärung, die 18 Physikprofessoren im Frühjahr 1957 in Göttingen der deutschen Öffentlichkeit übergeben haben. Was stand in dieser Erklärung? Ich wiederhole in kurzen Worten: Eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr erfüllt uns mit tiefer Sorge; die „taktischen Atomwaffen“ in Gestalt kleiner Bomben sind nicht, wie man uns einreden will, Granaten üblicher Bauart, sondern von der Art der in Hiroshima eingesetzten Atombombe; da wir Physiker Vertreter jener Wissenschaft sind, aus der die Atomwaffen entstanden sind, tragen wir mit an der Verantwortung für die möglichen Folgen unserer Tätigkeit; es besteht eine große Angst, die aus den Wasserstoffbomben erwächst und zur Zeit den Frieden sichert. „Wir halten aber diese Art, den Frieden und die Freiheit zu sichern, auf die Dauer für unzulässig. Und wir halten die Gefahr im Falle ihres Versagens für tödlich.“
Der letzte Absatz der Erklärung ist der wichtigste. Er lautet: „Für ein kleines Land wie die Bundesrepublik glauben wir, daß es sich heute noch am besten schützt und den Weltfrieden noch am ehesten fördert, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet. Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichneten bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen.“ Wir möchten nur an der Fülle friedlicher Anwendungen der Atomphysik mitarbeiten.
Wir können tief dankbar sein, daß es in unserem Vaterland noch Professoren gibt, die diesen Namen mit Recht tragen, die das sind, was die Übersetzung dieses Namens besagt, nämlich Bekenner. Wir Physiker wissen, wie etliche Minister und der Bundeskanzler darauf reagiert haben. Er sagte: „Eine solche Erklärung hat mit physikalischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen nichts zu tun, zu ihrer Beurteilung muß man Kenntnisse haben, die diese Herren nicht besitzen … Es ist vollkommen daneben, wenn die Herren sagen: ’Wir lehnen unsere Mitarbeit ab’, denn sie sind gar nicht darum gebeten worden.“ Auch wir anderen, die wir für das Wort der 18 dankbar sind, haben vor Gott dafür Buße zu tun, daß solches unter uns geschehen und daß ein dichter christlicher Nebel sich über uns ausbreiten konnte.
Es liegt in der Natur der Forscher, die anders sind als Politiker und Kinostars und kein Aufhebens von ihrer Person machen, daß sie manches aus persönlichen Gründen nicht sagen können, was doch wichtig zu wissen ist und hier ausgesprochen werden möge, wenn es auch schon in einsichtigen politischen Kreisen sowie in kirchlichen Bruderschaften gesagt worden ist. Die 18 Professoren sind nicht irgendwer. Unter ihnen befindet sich Otto Hahn, von dessen wissenschaftlicher Arbeit die ganze umwälzende Entwicklung zu Atomkraftwerken und Atombomben ausgegangen ist. Andere, deren Lebenswerk nicht nur groß, sondern von allergrößter Bedeutung ist, wie z. B. von Laue, Heisenberg und Born, habe ich vorhin schon genannt. Auf deutschem Boden gab es schlechthin niemanden, der berufener gewesen wäre, ein prophetisches und warnendes Wort zu sagen. Als die deutschen Physiker 1955 in Wiesbaden zu ihrer Jahrestagung zusammenkamen, haben sie schon eine sehr lange und ernste Diskussion um diejenigen Probleme gehabt, die dann in der Erklärung der 18 behandelt wurden; und sie haben eine Erklärung angenommen, die auch veröffentlicht worden ist, wonach sie vor jeglichem Mißbrauch ihrer Forschungsergebnisse, die sie in den Dienst der Menschheit stellen, nachdrücklichst warnen und sich gegen a l l e n kriegerischen Einsatz der heute möglichen Waffen wenden.
Es kann daher kein Zweifel daran sein, wie stark die deutschen Physiker auch hinter der Erklärung der 18 Professoren zu Göttingen stehen. Daß es Ausnahmen gibt und immer geben wird, kann an dieser Grundhaltung nichts ändern. …
Von gewisser Seite wurden die 18 Professoren Atomprotestanten genannt, und es wurden ihnen auf diese Weise konfessionelle Motive untergeschoben. Dabei geht es doch wirklich n u r um das, was Professor Otto Hahn am Ende eines Vortrages gesagt hat: „Sollten nicht die Möglichkeiten für Frieden und Wohlstand den Sieg davontragen können, wenn die Menschen wirklich erfahren, um was es geht?“ Die Stellungnahme der Regierung und eines großen Teiles der hinter ihr stehenden Priesterschaft erinnert mich an das, was der Prophet Jeremia im 6. Kapitel sagt: „Sie heilen den Schaden meines Volkes leichthin, indem sie sagen Friede, Friede! Doch wo ist Friede? Scham kennen sie nicht, wissen nichts von Beschämung. Darum werden sie unter den Fallenden fallen; zur Zeit, da ich sie heimsuche, werden sie stürzen, spricht der Herr.“
Daß das Wort des Propheten Jeremia nicht auch an uns wahr werde und das zum drittenmal in diesem Jahrhundert und dann vielleicht endgültig, ist unsere Sache. Wir dürfen nur einen sicheren Weg kennen, der lautet: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Was ist denn das, „des Gerechten Gebet“? Gerecht ist der, der Gottes Willen in Liebe tut um des Nächsten willen. Auf das schlichte Tun kommt es an, nicht auf ein Bekenntnis mit Ausflüchten für den praktischen Gebrauch. Sie kennen alle das Gleichnis bei Matthäus im 21. Kapitel von den beiden Söhnen, von denen der eine zu des Vaters Befehl ja sagte und ihn nicht tat, und der andere zunächst nein sagte, ihn dann aber doch tat. Etliche berühmte Physiker wie Einstein und Oppenheimer haben sich wie der zweite Sohn verhalten. Der Gehorsam gegen Gott schließt die Befragung und Berücksichtigung einer dritten Stelle aus. Gehorsam verlangt, daß man dem Volk ohne jede politische Rücksicht die Wahrheit sagt, wie es die lange Reihe der alten Propheten auch getan hat. Gehorsam verlangt, daß man selbst beispielhaft vorangeht und in diesem Falle erklärt, daß man seine Hände mit dem Blut, das an den Atomwaffen und ihrer Vorbereitung klebt, nicht besudeln will. Unsere Atomforscher haben sehr deutlich gefühlt, daß wir im kleinen Deutschland nicht mit der Ausrede kommen können, die Sowjets hätten die Atombombe, also müßten wir sie auch haben. . . .
Nicht nur die 18 Atomphysiker, sondern auch Biophysiker und Erbforscher wissen, daß es gar nicht allein darum geht, daß mit Atombomben aller Art Millionen um ihr leibliches Leben gebracht werden können, sondern daß aus physikalisch‑biologischen Gründen spätere Geschlechter unter dem Fluch der Mutationen der Erbeigenschaften ihrer Vorväter leiden und sich quälen müssen. Ich kann darauf nicht näher eingehen, aber es ist so, daß die atomare Röntgenstrahlung die Gene in den Chromosomen von Samen und Ei des Menschen zur Mutation, d. h. zur bleibenden Änderung bringt. Die zur Zeit lebenden Menschen trifft das nicht, sie leiden nicht unter der Sünde der Atomwaffen und der sinnlosen Bombenexperimente. Aber kommende Generationen können die Zeichen an sich tragen durch körperliche und geistige Fehler und durch Totgeburten, wie es in der Offenbarung geschrieben steht. . . .
Wenn w i r durch die Arbeit unserer Forscher die Erkenntnis bekommen haben und die Ursachen sehen, wie sie erzeugt werden, dann müssen wir mit allen uns gebotenen Mitteln dagegen angehen. Jesus legt das Gebot „Du sollst nicht töten“ so weit aus, daß er schon den einen Mörder nennt, der gegen seinen Bruder ein Wort gebraucht, das so ist, daß es töten könnte, wenn Worte das vermöchten. Um wieviel mehr haben wir Veranlassung, das Tötung zu nennen, was schon jetzt in unserem Erbgut die ungeborenen Kinder späterer Generationen schädigen kann. Die Ehrfurcht vor dem Leben, die Albert Schweitzer so eindringlich predigte, beginnt nicht erst bei der mütterlichen Pflege eines kleinen Menschenkindes, sondern schon vorher bei den lebendigen Samenzellen des Mannes und den Eizellen des Weibes. Solche und andere Erwägungen stehen hinter den Warnungen der Atornforscher und ihrer Erklärung, daß sie an keiner Sache mit ihren Instituten mitmachen wollen, die offensichtlich das Böse zur Folge hat. . . .
Schlußwort
Ich möchte schließen mit einem Stück aus dem Lukaskommentar des verstorbenen Theologieprofessors Adolf Schlatter: „Tritt einer entschlossen und gläubig auf Gottes Weg, so hat er tausend Bedenken gegen sich, nicht nur bei den Kindern dieser Zeit, sondern auch bei den Kindern des Lichts, und findet leichter bei ihnen verkehrten Rat, leichter, was seinen Unglauben stärkt, als was ihm den Glauben nährt, leichter, was ihm die Liebe erkältet, als was sie entzündet. Selten tun sie . . ., daß sie ihren Beifall dem gäben, was richtig gehandelt ist.“
Dies ist der erste Teil des Buches. Die Hervorhebungen sind von mir. Horst Koch, im Februar 2011
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