Charta Oecumenica (U.Skambraks)
Ulrich Skambraks
Die Freimaurerei und die neue europäische „Charta Oecumenica“
Fast alle amerikanischen Präsidenten waren Freimaurer. Etliche Friedensnobelpreisträger ebenso. Unzählige Philosophen, Dichter, Schriftsteller, Musiker und Künstler pflegten die Freimaurerei. Seit den Ursprüngen der modernen Freimaurerei vor etwa 280 Jahren versuchen die Anhänger des freimaurerischen Gedankengutes auf verschiedenen Ebenen die Geschicke der westlichen Welt zu beeinflussen .
Dabei verfolgen die Freimaurer zwei große Ziele:
1. Alle Menschen dieser Welt sollen in einer großen Menschheits-Familie vereinigt werden. Der Freimaurer und Philosoph Guiliano Di Bernardo, Professor an der Universität von Trient, formulierte dieses Ziel im Jargon der Freimauer so: „Ihr Ziel ist, unter dem gestirnten Firmament des Tempels alle Menschen in einer Bruderkette zu vereinen.“
2. Um dieses Vorhaben zu realisieren, bedarf es eines verbesserten, edlen Menschen. Um diesen „neuen Menschen“ zu schaffen, arbeiten Freimaurer beständig an der „Selbstveredlung des Menschen“. Sie nennen es „das Behauen des rauhen Steines“. Diese Selbstveredlung aus eigener Kraft durch gute Taten betrifft zunächst den Freimaurer selbst, meint aber auch die gesamte menschliche Rasse. Di Bernardo drückt das so aus: „Der Gedanke der maurerischen Selbstvervollkommnung ist notwendigerweise gebunden an das Ideal eines besseren Menschen vom rein ethischen Gesichtspunkt aus …“. Ausgehend von diesen Grundgedanken haben Freimaurer versucht, Wohltätigkeits- und Hilfsorganisationen aufzubauen und globale Vereinigungs-Prozesse anzustoßen. Der Schweizer Freimaurer Henri Dunant gründete beispielsweise das Rote Kreuz und stand mit anderen Freimaurern an der Wiege des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM). Desgleichen wurde die Internationale Pfadfinderbewegung mit ihrem Motto „Jeden Tag eine gute Tat“ von einem bedeutenden englischen Freimaurer gegründet. Auch bei politischen Vereinigungs-Bewegungen saßen Freimaurer in den Gründungs-Komitees. So ist der Gedanke der Vereinten Nationen (UNO) eine freimaurerische Schöpfung. Die Charta der UNO und die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ stammen von Freimaurern. Ökumene und Freimaurertum, auch da ergeben sich Verbindungen. Der Mitbegründer der ökumenischen Bewegung Nathan Söderblom soll Hochgradfreimaurer gewesen sein, ebenso ein Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen.
Sicher nachweisbar ist, dass auch bei der Gründung der Ev. Allianz 1846 in London und der Deutschen Ev. Allianz 1851 in Berlin Freimaurer wie Thomas Chalmers dabei waren.
Unklar sind ihre Rolle und ihr Einfluss. Die Berliner Allianz-Konferenz bezeichnete der englische Staatsmann und Freimaurer Shaftesbury jedenfalls großmundig als „epochenmachende Weltgeschichte“.
Wie sehr freimaurerische Gedanken prägend wirken, lässt sich aus der europäischen Charta Oecumenica herauslesen. Das ökumenische Kirchenpapier wurde von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), einem Bund nichtkatholischer europäischer Kirchen, und der (katholischen) Europäischen Bischofskonferenz am 22. April in Straßburg unterzeichnet. Deutsche KEK-Mitglieder sind außer den ev. Landeskirchen auch die Herrnhuter-Brüder-Unität, die Vereinigung der Mennonitengemeinden, der Bund Ev. Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) und die Ev.-methodistische Kirche (EmK. Das Hauptthema der Charta Oecumenica ist die Versöhnung von Kirchen, Kulturen, Völkern und Religionen im neuen Europa. Die Kirchen verpflichten sich in der Charta, die Einigung des europäischen Kontinents zu fördern. Dabei ist der christliche Glaube eine Kraft unter mehreren, die zur „Selbstveredlung“ des Kontinents Europa beitragen können: „Ohne gemeinsame Werte ist die Einheit dauerhaft nicht zu erreichen. Wir sind überzeugt, dass das spirituelle Erbe des Christentums eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas darstellt. Auf Grund unseres christlichen Glaubens setzen wir uns für ein humanes und soziales Europa ein, in dem die Menschenrechte und Grundwerte des Friedens, der Gerechtigkeit, der Einheit, der Toleranz, der Partizipation (Anteilnehmen) und der Solidarität zur Geltung kommen“, heißt es in der Kirchen-Charta.
Mit dieser Verpflichtung haben die Kirchen gleich mehrere zentrale Absichten der Freimaurerei unterschrieben. Für die Freimaurerei ist das Christentum eine Religion gleichwertig neben anderen. Da die Freimaurerei versucht, alle Religionen und Weltanschauungen in ihre „Bruderkette“ einzuarbeiten, bietet sie ein Raster von allgemein akzeptierten Werten an, in das sich alle Denk- und Glaubensrichtungen einfügen können. Somit sind Freimaurer durchaus an Elementen aus dem Christentum interessiert, die sich zur „Selbstveredlung“ des Menschen eignen (z. B. gute Taten tun). Di Bernardo beschreibt das so: „Von besonderer Wichtigkeit ist schließlich die Feststellung, dass ‚ihre (der Freimaurerei) moralischen Forderungen für alle Religionen annehmbar sind. Sie unterstreicht das Prinzip, dass die Freimaurerei der Religion nicht feindlich gegenübersteht, sondern sie im Gegenteil als wesentlich für die Entwicklung des Menschen ansieht, allerdings ohne sich mit ihr zu vermengen.“
Aus dieser Sicht kann das Christentum mit seinen Werten als „eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas“ durchaus für die Freimaurer bedeutend sein.
Doch wofür soll sich die europäische Christenheit genau einsetzen?
„Menschenrechte“, „Freiheit“, „Toleranz“, „Solidarität“ (Brüderlichkeit), sind zentrale Begriffe der Freimaurerei, die in der Bibel keine oder eine andere Bedeutung als im weltlichen Bereich haben.
Die Toleranz ist dabei der Schlüssel allen freimaurerischen Denkens und Handelns. Sie fungiert als „Bindemittel“ für unterschiedlichste Ansichten. Das auslösende Motiv für die freimaurerische Toleranzidee ist die Annahme, dass es „die“ Wahrheit nicht gibt. Deshalb muss man lernen, eine Vielzahl von Wahrheiten zu tolerieren. Di Bernardo schreibt dazu: „Für den Christen ist die Wahrheit absolut, ewig und unveränderlich. Sie ist direkt von Gott offenbart. Für den Maurer dagegen ist die Wahrheit ein gedanklicher Richtpunkt, nach dem er sich bei seiner initiatischen Selbstveredlung ausrichtet. Die Wahrheit ist ein fernliegendes Ziel, dem er sich schrittweise nähern kann, ohne es je ganz zu erreichen. Kein Maurer kann für sich in Anspruch nehmen, die Wahrheit zu besitzen.“ Um diese „Einsicht“ zu gewinnen, fördert die Freimaurerei den Dialog mit fremden Denkmodellen. Dabei kann man erkennen, dass die „eigene“ Wahrheit eine unter vielen anderen zu sein scheint. Da für den Freimaurer nur menschliche Wahrheiten bedeutsam sind, gibt es für ihn keine absolute Wahrheit. Wie ein roter Faden durchzieht die Kirchen-Charta die Aufforderung zum „Dialog auf allen Ebenen“.
Die Freimaurerei toleriert fast alles, doch niemals, dass es „die“ Wahrheit gibt.
Legt man die Messlatte des freimaurerischen Toleranzverständnisses an die Charta Oecumenica an, so wird verständlich, warum die ungehinderte Ausbreitung des biblischen Evangeliums in der Kirchen-Charta zum Problem wird. Zwar wird in der Charta von der Verkündigung des „Evangeliums in Wort und Tat“ gesprochen, doch wer dies vor hat, muss auf der Dialog-Ebene erst „ein paar Runden drehen“, bis er starten kann. In der Charta Oecumenica heißt es dazu: “ Wir verpflichten uns, über unsere Initiativen zur Evangelisierung mit den anderen Kirchen zu sprechen, darüber Vereinbarungen zu treffen und so schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr neuer Spaltungen zu vermeiden.“
Aus Sicht der Freimaurer könnte man diese Verpflichtung auch als Manöver zur sanften Ausbremsung der Verbreitung „der“ Wahrheit deuten, getreu dem Sprichwort: Viele Köche werden den Brei schon verderben! Auch ein anderer Punkt wirkt wie eine Giftspritze für „die“ Wahrheit. Da heißt es in der Charta: „Die Begegnung zwischen Christen und Muslimen sowie den christlich- islamischen Dialog wollen wir auf allen Ebenen intensivieren. Insbesondere empfehlen wir, miteinander über den Glauben an den einen Gott zu sprechen …“ Allah und Christus sind eins? Sind Christen und Muslime tatsächlich Glaubensbrüder, Brüder in der freimaurerischen Bruderkette? Für den Freimaurer ist der Mensch das Maß aller Dinge. Er braucht keine Erlösung von außen, denn er ist im Prinzip gut und kann sich selbst veredeln. Doch nach der Bibel ist der Mensch ein in Sünde gefallenes Geschöpf und nicht ein guter Schöpfer. Die Verehrung von Geschöpfen bezeichnet die Bibel als „Götzendienst“: „Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers“ (Römer 1,25.
Die Tatsache, dass die Freimaurerei jeden Absolutheitsanspruch ablehnt, sich selbst aber für absolut setzt, macht sie zum Gegner Jesu Christi. Diese Gegnerschaft in freimaurerischem Gewand ist besonders gefährlich, da die Freimaurerei das Christentum nicht frontal angreift, sondern in einen langen Prozess der Einschränkung und Aufweichung ( = Relativierung) hineinzieht. Die Charta scheint ein weiterer Schritt in diese Richtung zu sein.
Quellen:
„Die Freimaurer und ihr Menschenbild“, Giuliano di Bernardo, ISBN 3-900767-31-9
Charta Oecumenica – „Freimaurer“, Dr. Martin Hohl-Wirz, ISBN 3,.933828-09-0