C.S.Lewis (N.Feinendegen)
Norbert Feinendegen
GOTTESERFAHRUNGEN EINES UNGLÄUBIGEN.
IMPLIKATIONEN AUS DER BEKEHRUNGSGESCHICHTE VON C. S LEWIS
Vor inzwischen mehr als 50 Jahren formulierte Karl Rahner seine bekannte Aussage, der Christ von morgen werde „ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein“. Diese geradezu prophetische Aussage ist auch heute noch gültig, sie wird aber nur selten auf ihre Implikationen (Einbeziehen einer Sache in eine andere) hin bedacht. Wenn der Erfahrungsbezug für den christlichen Glauben so fundamental ist, wie Rahner das behauptet, um welche Art von Erfahrungen handelt es sich dann dabei?
Muss man Christ sein (oder wenigstens religiös), um solche Erfahrungen machen zu können, oder ist es grundsätzlich allen Menschen möglich, solche Erfahrungen zu machen?
Und gibt es vielleicht Dinge, die solche Erfahrungen erleichtern oder verhindern?
Der vorliegende Text möchte diesen drei Fragen in der gebotenen Kürze nachgehen, und zwar im Blick auf einen Autor, der in seinem Leben etwas „erfahren“ hatte – etwas so Bedeutsames, daß es ihn vom Atheismus zum Glauben an Christus brachte und ihn schließlich einer der bedeutendsten Apologeten des 20. Jahrhunderts werden ließ: C. S. Lewis (1898 – 1963).
Lewis erklärt, er sei von Haus aus keine religiöse Person gewesen. Eine Beziehung zu Gott war das allerletzte, wonach er suchte: es wäre ihm weitaus lieber gewesen, wenn es keinen Gott gegeben hätte, der sich in sein Leben einmischt und ihm sagt, was er zu tun und zu lassen hat. Er machte jedoch eine Reihe von Erfahrungen, die ihn so überwältigten, daß er sich außerstande sah, das Erfahrene zu leugnen.
Als er für sich geklärt hatte, was ihm diese Erfahrungen über Welt und Mensch sagen, war er – entgegen seiner erklärten Absicht – doch beim christlichen Gott. Dies beantwortet bereits die Frage, ob man sich selbst als religiös verstehen muß, um Erfahrungen zu machen, die man Gotteserfahrungen oder Erfahrungen des Heiligen nennen könnte: Lewis machte diese Erfahrungen zu einer Zeit, in der er sich dezidiert nicht als Christ verstand und auch bestritten hätte, daß sie etwas mit dem christlichen Gott zu tun haben. Diese Erfahrungen wurden für ihn aber zu Wegweisern, die ihn schließlich doch zu Christus führten.
Lewis war in dieser Hinsicht gewiss kein Einzelfall. Sehr viele nichtgläubige Menschen machen auch heute Erfahrungen, die sie nicht in ihrem religiösen Charakter zu entziffern vermögen, zum Teil, weil sie das nicht wollen (Lewis wollte das auch nicht), zum Teil aber auch, weil sie die religiöse Qualität des Erfahrenen nicht erkennen (auch dies war bei Lewis lange Zeit so), Angebote zu schaffen, die eine religiöse Deutung des Erfahrenen ermöglichen, wäre daher auch heute eine lohnende Aufgabe für Christen.
Es stellt sich auch hier die Frage, warum C. S. Lewis seinen eigenen Widerwillen zum Trotz in der Lage war, in einem Maß von seinen Erfahrungen zu lernen, wie andere Menschen das offenbar nicht tun. Gibt es Menschen, die in dieser Hinsicht besonders begabt sind oder woran liegt es, daß einige Leute Erlebnisse haben, die für sie so prägend werden, daß sie ihre gesamte Einstellung zum Leben umkrempeln, wenn es möglicherweise erst nach längerer Zeit?
Es gibt auf jeden Fall einen Faktor, der hierbei eine Rolle spielt, nämlich die Offenheit, mit der wir an die Welt herantreten: Wir müssen bereit sein, uns auf die Objekte und Menschen die uns begegnen, so einzulassen, wie sie sind. Nicht, wie wir sie gerne hätten oder wie sie uns nützlich sind, sondern so, wie sie sich uns zeigen, wenn wir uns selbst und unsere Interessen, Wünsche und Vorurteile aus dem Weg geräumt haben.
Betrachte ich einen Baum nur als potentielles Feuerholz, so wird mir seine Schönheit verborgen bleiben. Interessiert mich bei einer Frau nur ihre erotische Ausstrahlung, so wird mir verborgen bleiben, was für eine kluge und witzige Gesprächspartnerin sie ist. Lese ich die Werke der Dichter nur, um der Ödnis meines Alltags zu entfliehen, so werden mir ihre tiefen Einsichten über das Leben verborgen bleiben. Und lese ich die Bibel nur, um herauszufinden, was Menschen vor 2000 Jahren über Gott gedacht haben, so wird mir ihre wegweisende Botschaft für mich und mein heutiges Leben verborgen bleiben. Die Bereitschaft, den Dingen um uns herum mit der entsprechenden Offenheit zu gegegnen, ist also in allen drei Bereichen erforderlich: bei der Begegnung mit der Natur, bei der Begegnung mit anderen Menschen und bei der Begegnung mit der Kunst. Und natürlich auch bei der Begegnung mit Gott.
C.S. Lewis verfügte über eine solche Offenheit in ganz besonderem Maß. Das lag vermutlich daran, daß er die ersten Erfahrungen tiefer Sehnsucht und Freude (die er später Joy nannte) bereits sehr früh gemacht hatte, im Alter von sechs bis neun Jahren, noch bevor die ganz anders gearteten Wünsche eines Heranwachsenden ihm in die Quere kommen konnten. Es lag aber auch daran, daß er schon als Kind viel Zeit allein verbrachte und es genoss, sich ohne störende Unterbrechungen von außen seinen geliebten Büchern widmen zu können.
Oberteufel Screwtape – der höllische Versucher, den Lewis später ersann, um seinen Lesern die subtilen Methoden diabolischer Einflußnahme auf ihr Leben zu verdeutlichen – hasst deshalb nichts mehr als die Stille und die Einsamkeit. Nur zu oft ist es die hektische Betriebsamkeit unseres Alltags, die verhindert, daß wir wahrnehmen, was der gegenwärtige Augenblick für uns bereithält. Nur nicht zu lange allein sein! Viele Menschen ertragen ja auch keine Stille: immer dudelt irgendwo ein Radio; in vielen Wohnungen läuft durchgehend im Hintergrund der Fernseher. Die Folge: wir sind immer zu einem gewißen Maß abgelenkt, sodass das, was der Augenblick uns schenken könnte, es schwer hat, überhaupt zu uns durchzudringen.
Bereits zwei der drei Erfahrungen von Joy, die Lewis machte, bevor er im September 1908 seine erste Schule besuchte, hatten etwas mit Büchern zu tun. Beatrix Potters mit Bildern von Eichhörnchen in herbstlichen Wäldern illustierts Kinderbuch Squirrel Nutkin weckte in ihm ein Verlangen, das ihn mit etwas ansteckte oder beunruhigte, das er nur als die „Idee des Herbstes“ bezeichnen konnte. Dieses verlangen hatte jedoch nicht seine eigene Stillung zum Ziel: Wenn er zu diesem Buch zurückkehrte, dann nicht um das Verlangen befriedigt zu bekommen, sondern um es erneut zu verspüren. Lewis formuliert bewußt Paradox: „Man könnte es ebenso gut eine Freude an etwas nennen, das ich nicht hatte, wie ein Verlangen nach etwas, das ich hatte“. Die Intensität und Bedeutsamkeit dieses Verlangens überstieg die Erlebnisse seines bisherigen Lebens in einem solchen Maß, daß sie sich jedem Vergleich mit ihnen entzog.
In einer Sammlung von Henry Wadsworth Longfellows nordischen Gedichten stieß Lewis später auf eine Übersetzung von Tegner’s Drapa, in der er die Zeilen las:
I heard a voice that cried
,
Balder the beutiful
Is dead, is dead.
Obwohl er zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht wußte, wer Balder war, wurde er durch diese Worte mit einer unaussprechlichen Sehnsucht nach allem „Nordischen“ erfüllt – eine Empfindung, die nicht zu beschreiben war, außer dass sie mit Kälte, Weite, Strenge, Blässe und Entfernung zu tun hatte. Sie brachte ihn später dazu, als Jugendlicher alles zu verschlingen, was mit nordischer Mythologie zu tun hatte: jedoch wiederum nicht, um die Sehrsucht zu stillen, sondern um sie wieder zu erwecken.
In gewisser Weise, so erklärt Lewis, bestand die zentrale Geschichte seines Lebens darin, die Quelle dieser Sehnsucht und Freude zu finden. Für den heranwachsenden Jack (Lewis mochte seine Vornamen Clive Staples nicht und nannte sich schon als Kind selbst Jack) gab es dabei aber ein Problem: seine theoretischen Überzeugungen und seine praktischen Erfahrungen als Leser hatten so gut wie nichts miteinander zu tun. Theoretisch war er davon überzeugt, die Welt bestehe aus nichts als materiellen Prozessen, innerlich war er aber erfüllt von seinen geliebten Mythen:
Die beiden Hemisphären meines Geistes standen in schärfstem Kontrast. Auf der einen Seite ein Meer von Poesie und Mythen, auf der anderen Seite ein oberflächlicher Rationalismus. Fast alles, was ich liebte, hielt ich für imaginär; fast alles, was ich für real hielt, erschien mir grausam und sinnlos.
Da er nicht wußte, was es mit der Erfahrung von Joy auf sich hatte, bleiben seine Versuche, das Ziel seiner Sehnsucht zu finden, lange Zeit erfolglos: Was war es, daß dieses Verlangen so unglaublich wertvoll machte, daß man es gegen nichts anderes in der Welt eintauschen wollte, selbst wenn es keine Hoffnung gtab, es je erfüllt zu bekommen? Und das ihm signalisierte, diese Erfahrung sage ihm mehr als alles andere in der Welt, wer er in Wahrheit sei?
Nachdem seine Begeisterung für die nordische Mythologie abgeebbt war, flirtete der pubertierende Jack eine Zeit lang mit dem Okkulten. Die sinnlichen Passagen in den phantastischen Romanen von William Morris verleiten ihn aber auch für eine Weile, das Ziel seiner Senhsucht im Erotischen zu suchen. Der Flirt mit beidem hinterließ bei ihm aber denselben schalen Geschmack, sodaß er begriff, daß er sich vom eigentlichen Objekt seiner Sehnsucht weit entfernt hatte. Die richtige Spur fand er erst einige Jahre später wieder, genauer gesagt, am 4. März 1916. An diesem Tag begann der 17jährige Jack mit der Lektüre von George MacDoanalds Phantastes: A Faerie Romance for Men and Women (1858). Er war sofort überwältigt:
Das Buch rief alte, unverwechselbare Erfahrung hervor, und zwar in einem solchen Glanz, daß sie meine jüngsten (okkulten und erotischen) Regungen für immer verblassen ließ. Doch dies war der geringste Teil meines Gewinns. Der Gott kehrte zurück, aber so verändert und zugleich so erkennbar, daß die Einladung mein gesamtes Denken und Fühlen neu ausrichtete.
Er vergleicht den Wandel, den MacDonalds Buch bei ihm bewirkte, mit Dantes erster Begegnung mit Beatrice: Hic incipit vita nova – hier beginnt das neue Leben. Eben dies ist charakteristisch für Erfahrungen echter Mystik: Durch sie erscheint die gesamte Welt in einem neuen Licht, sodaß die Erfahrung zu einer völligen Neuausrichtung des eigenen Lebens führt. Lewis nennt fünf Aspekte, in denen Phantastes zu einer solchen Umwandlung seines Denkens und Fühlens führte. Uns fehlt leider der Platz, einzeln auf diese Punkte einzugehen, Lewis fasste sie aber darin zusammen, daß er seine MacDonald-Lektüre als die „Taufe seiner Imagination“ bezeichnet. Er fügt jedoch hinzu, der Rest von ihm (d.h. sein Intellekt und sein Wille) habe für seine Taufe um einiges länger gebraucht.
Der entscheidende Wandel, den die Phantastes-Lektüre bewirkte, bestand darin: Bisher hatten seine Erfahrungen von Joy stets zur Folge gehabt, daß ihm die reale Welt noch sinnloser erschienen war als ohnehin schon.
Nun aber trat das Leuchten der Schönheit und Güte aus der Geschichte heraus und ließ die reale Welt im selben Glanz erscheinen: Beschienen vom Licht des Phantastes weigerten sich die Dinge der realen Welt, sich zu sinn- und wertlosen Ansammlungen von Molekülen erklären zu lassen. Sie beanspruchten einen realen Wert und eine objektive Schönheit. Dies entsprach zwar überhaupt nicht seinen theoretischen Überzeugungen (d.h. seinem inzwischen sehr gefestigten Atheismus und Materialismus), die Erfahrung war aber so stark, daß Lewis das Erlebte unmöglich leugnen konnte.
Das ist ebenfalls ein Charakteristikum echter Mystik: Auch wenn das Erfahrene die gesamte eigene Weltsicht sprengt (ja wenn es sogar über das hinausgeht, was man überhaupt nur als denkbare Erfahrung betrachtet), ist die Evidenz des Erlebten so stark, daß man sich außerstande sieht, sie zu leugnen. Das, was man erfahren hat, beweist, daß die Welt mehr beinhaltet als das, was die eigene Philosophie oder Weltanschauung bisher für möglich gehalten hat. Infolgedessen kaute Lewis endlos auf der Frage herum, wie die Welt einerseits so grausam und sinnlos und andererseits so gut und schön sein konnte.
Auch mit diesem Problem war Lewis nicht allein. Viele Menschen machen Erfahrungen (oder vertreten Standpunkte), die, konsequent zu Ende gedacht, ihrer offiztiellen Lebensphilosophie widersprechen. Man behauptet, alle menschlichen Wertmaßstäbe seinen kulturbedingt (und somit relativ) und hält Folter oder Kindesmißbrauch dennoch für absolut inakzeptabel; man nimmt an, das, was unser Denken nennen, sei durch materielle Prozesse in unserem Gehirn determiniert und hält dies für die letzte Erkenntnis der Wissenschaft. Oder man macht Erfahrungen von tiefer Sinnhaftigkeit, ist aber nicht in der Lage, ihnen in der eigenen materialistischen Philopophie oder Weltanschauung einen entsprechenden Stellenwert einzuräumen.
C. S. Lewis war jemand, der sich mit solchen Inkonsistenzen in seinem Denken nicht abfinden konnte und wollte. Sein Studienfreund und langjähriger philosophischer Diskussionspartner Owen Barfield berichtet, sein Freund Jack sei jederzeit bereit gewesen, einem Gedanken bis in seine letzte Konsequenz hinein zu folgen, egal, wie angenehm oder unangenehm ihm das Ergebnis dann war. Und wenn sich dabei eine Unvereinbarkeit mit anderen seiner Überzeugungen offenbarte, so fragte er so lange weiter, bis er eine Sicht auf die Dinge fand, in der solche Widersprüche nicht mehr vorkamen.
Lewis fand die Quelle seiner Sehnsucht schließlich nach einer langen Suche mit vielen Umwegen in Gott. Und damit war er offenbar nicht allein. Ich habe vor einigen jahren Lewis’ Erfahrungen von Joy in einem Benediktinerinnen-kloster vorgestellt, und im Anschluß an den Vortrag geschah etwas Erstaunliches. Eine Schwester nach der anderen begann, von ihrer Berufungsgeschichte zu erzählen, und in jeder von ihnen spielten solche Erfahrungen eine Rolle – auch bei Schwestern, die nicht religiös aufgewachsen oder erzogen worden waren und sich zu der Zeit, als sie diese Erfahrung machten, noch selbst als ungläubig bezeichnet hätten.
Es gibt einen weiteren Faktor, der erheblich dazu beiträgt, ob ein Mensch in der Lage ist, von seinen eigenen Erfahrungen zu lernen, nämlich das Maß, in dem er seine Überzeugungen auch praktiziert. Es ist möglich, nahezu jede beliebige Weltanschauung oder Ethik theoretisch zu vertreten; schwierig wird es erst dann, wenn man versucht, sie ins eigene Leben zu übersetzen.
So ging es jedenfalls Lewis, als er sich im Winter 1929/30 dazu durchrang, die pantheistische Ethik, die er seit einigen Jahren vertrat, wirklich zur Grundlage seines konkreten, alltäglichen Handelns zu nehmen. Er stellte fest, daß er dazu aus eigenen Kräften nicht in der Lage war. Stattdessen ertappte er sich immer wieder bei dem Versuch, gedanklich Zuflucht zu nehmen bei dem göttlichen Geist, an den er inzwischen glaubte. Dieser Geist war jedoch gemäß seiner offizielellen Philosophie sein eigenes inneres Ich, aber kein Du, mit dem er hätte in Beziehung treten können. Der göttliche Geist hatte die Welt hervorgebracht wie ein Dichter sein Werk: Shakespeare ist der Schöpfer Hamlets, aber kein Bestandteil des von ihm verfassten Dramas; ein Dialog zwischen Hamlet und ihm war somit unmöglich. De facto, so mußte Lewis zugeben, bat er bei seinen strauchelnden Versuchen, seine Ethik zu praktizieren, den göttlichen Geist aber immer wieder um Unterstützung.
Diese Erfahrung war stärker als seine pantheistische Theorie. Lewis sah ein, daß das, was er tat, nichts anderes war als das, was andere Menschen „Beten“ nennen, und das hieß: Gott ist Person und will eine Beziehung zu uns Menschen. Dies anzuerkennen war ein Schritt, mit dem Lewis sich schwerer tat als mit anderen Schritten seiner spirituellen Entwicklung. Wenn seine eigene Erfahrung ihm aber bezeugte, daß das so war, dann mußte ein aufrichtiger Mensch (d.h. jemand, der es ernst nahm mit dem, was er glaubte) das aber akzeptieren und seine Philosophie danach ausrichten.
Es gibt vermutlich nicht viele Menschen, die eine solche Bereitschaft an den Tag legen, ihre theoretischen Überzeugungen einem ernsthaften Praxistest zu unterziehen, und noch viel weniger, die bereit sind, ihre Weltsicht immer wieder anzupassen, sobald sie dabei auf Widersprüche stoßen. Umso wichtiger ist das Zeugnis eines Mannes wie C.S. Lewis, der diesen Weg über Jahre hinweg konsequent ging uns dadurch den personalen Gott des Christentums entdeckte. Er hob dabei später die Tatsache hervor, daß es nicht die Erfahrung gewesen war, die ihn so lange vom Glauben abgehalten hatte, sondern seine oftmals seine ganz anders gearteten Wünsche und Interessen. Lewis sang daher später ein hohes Loblied auf die Erfahrung:
Was ich an der Erfahrung mag ist, daß sie so eine ehrliche Angelegenheit ist. Du magst jede beliebige Anzahl an falschen Abzweigungen nehmen; doch halte deine Augen offen und dir wird nicht gestattet werden, sehr weit zu gehen, bevor die Warnsignale erscheinen. Du magst dir selbst etwas vorgemacht haben, aber die Erfahrung versucht nicht, dich zu täuschen. Das Universum antwortet wahrheitsgemäß, wo immer du es ehrlich auf die Probe stellst.
Im Blick auf C.S. Lewis Bekehrungsgeschichte läßt sich also sagen: Ein Mensch muß keineswegs Christ sein oder nach seinem eigenen Verständnis religiös, um Erfahrungen zu machen, die sich letztlich nur in einem religiösen Kontext richtig deuten lassen: Erfahrungen des Wahren, Guten, Schönen und Heiligen. Bis es zu einer solchen Deutung kommt, kann aber einiges an Zeit vergehen. (bei Lewis waren es etliche Jahre), und diese Zeit gilt es auszuhalten. Doch die Welt hält für jeden von uns spirituelle oder religiöse Erfahrungen bereit: es liegt an uns, daß wir uns auf sie einlassen. In diesem Sinn kann und sollte jeder von uns ein Mystiker sein.
Norbert Feinendegen
Entnommen dem Heft Diakrisis, 4/2023
Eingestellt von Horst Koch, Herborn, im Januar 2024
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