Prüfet die Geister (F.Eichin)

Prüfet die Geister

Eine kleine Hilfe in großen Fragen in Form von Thesen

Von Pfarrer Fritz Eichin

Vorwort
Der ernste Gegenstand erfordert es, daß mit heiligem Ernst zwei Dinge erfleht werden beim Lesen dieser Schrift:
Gott möge uns davor bewahren, gegen die Bruderliebe zu sündigen oder gar gegen den Heiligen Geist zu lästern;
Gott möge uns vor jedem Irrgeist und vor jeder frommen Täuschung bewahren! ‑ Und nun betet von Herzen, bevor ihr weiterlest! Erwartet keine fertigen Resultate, sondern nehmt diesen Wegweiser, um selbst den Weg zu finden!

I. Wer Jesus sieht, sieht den Heiligen Geist

1. Paulus schreibt: Der Herr ist der Geist. Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2.Kor.3,17). Das deckt sich mit Jesu Selbstbekenntnis: Wer mich sieht, der sieht den Vater (Joh.14,9). Gott ist Geist; wer den Sohn sieht, der sieht auch den Vater und damit den Heiligen Geist, der lernt die Art des Vaters und des Geistes am Sohn kennen.

2. Jesus war von Geburt an ohne Sünde und lebte ein Leben im Heiligen Geist. Aber mit 30 Jahren empfing er die notwendige Dienstausrüstung mit den besonderen Gaben des Heiligen Geistes, um sein Erlöserwerk durchführen zu können. Da wurde er mit der Fülle des Geistes erfüllt. (Joh.1,32‑34.) ‑ Nie finden wir, daß das Neue Testament solche Dienstausrüstung eine Taufe mit Heiligem Geist bezeichnet. Wohl ist sie mit dem Sinn der Taufe, nämlich mit der Bereitschaft zu sterben (d.h. nur Gott zu dienen) verknüpft.

3. Der ganze Wandel Jesu im Geist zeigt uns das Bild eines Geisterfüllten im Stand des Reifen, des Erwachsenen. Nichts von lautem Propagieren seiner Geistesgaben nach außen! (Jes.42,1‑2.) Sein Leben im Geist war ein zum größten Teil vor den Augen der Mitmenschen, ja seiner treusten Jünger, verborgenes. (Ausnahme: Mt. 17, 1‑9).

4. Wo man vor den Augen der Ungläubigen die Wunder des Heiligen Geistes demonstrieren will, da steht man entweder auf einer unreifen Anfängerstufe, vielleicht erst auf dem Boden des Alten Testamentes, oder gar im Banne eines Irrgeistes (Mt.4,17).

5. Weder Jesus noch seine Apostel haben einen heißen Kampf  durchgekämpft zur Erlangung von Geistesgaben und besonderen Geistesaufträgen. Gott gibt und verteilt seine Gaben und Aufträge, wie er es für gut findet (Röm.12,3-6; 1.Kor.12,28). Der eine erlangt fünf, der andere zwei und der dritte einen Zentner (Mt.25). Wenn Paulus in 1.Kor.12,31 und 14,1 vom Streben nach den Geistesgaben spricht, so meint er nicht, sie sollten um neue Geistesgaben ringen, die sie noch gar nicht besitzen, sondern er meint, sie sollten die bereits erlangten Gaben fleißig benützen und eifrig betätigen (man vergleiche Mt.6,33, das Streben nach dem Reich Gottes).

6. Nach Lk.11,13 erlangt man den Heiligen Geist viel leichter und rascher, als man menschlich meint. Nur wartet man oft auf ein besonderes Geisteserleben, während der Heilige Geist in Wirklichkeit schon längst da ist, viel stiller und bescheidener, als der Mensch meint. Wer von Herzen gläubig geworden ist an Jesus, der hat damit die Versiegelung mit dem Hl. Geist empfangen (Eph.1,13‑14). Was bei Jesus getrennt war, können wir in Einem haben: den Geist der Kindschaft, und zugleich die „Pfunde“ (Lk.19,12 ff.), die Dienstausrüstung (2.Tim.1, 6; 1.Tim.4,14).

7. Wenn wir aus dem Leben von Charles Finney, Markus Hauser und anderen Jesuszeugen von besonderen Geisteserlebnissen hören, daß sie plötzlich überschüttet wurden von einer Fülle des HI. Geistes, so darf die Art solchen Erlebens niemals als Norm und Regel aufgestellt werden. Die einen erleben besondere Dienstausrüstungen mehr in stiller, ruhiger Art, die andern durch unerhörte, machtvolle und plötzliche Einbrüche des Geistes. Die Naturanlage des Menschen spielt dabei auch eine Rolle.

8. Darum: Wer genau in derselben Form wie etwa Finney den Heiligen Geist „erleben“ will, der kann in schwere Verirrungen geraten. Bleiben wir bei der Grundwahrheit! Wer den Sohn hat, der hat das ewige Leben, ‑ der hat also auch den Hl. Geist! Denn „Geist“ und „Leben“ sind dasselbe (Joh. 6, 63).

II. Der Schatten und das Wirkliche

1. Das Alte Testament, das irdische Schattenbild des Himmlischen, war ganz auf das Irdisch‑Sichtbare gestellt. Ein glanzvoller Tempel mit glanzvollen Liturgien. Und daneben handgreiflich sichtbar Wunderzeichen mit sinnenfälligen Geistwirkungen (z.B. 1.Sam.10, 1-16).
2. Der Neue Bund bleibt nicht beim Schatten stehen. Das wäre Unglaube, Ungehorsam. Da tritt anstelle des äußeren Gottesdienstglanzes die innerliche Pracht der Jesusgemeinde, der Welt verborgen. Und an die Stelle der äußerlichen Wunderzeichen tritt das größte, der Welt verborgene Wunderzeichen, das Wunder des Gottessohnes als des stets gegenwärtigen Hauptes und Hohenpriesters seiner Gemeinde!
3. Was wir von dem Wirken Jesu in den vier Evangelien lesen und z. T. auch noch von den Aposteln in der Apostelgeschichte, das bedeutet einen Übergang vom Alten zum Neuen Bund. Je reifer die Gemeinde Jesu wird im Geist, umso weniger nach außen der Welt erkennbar, umso geheiligter vor Gott im Verborgenen. ‑ Was die Welt noch sehen soll, ist die Jesusähnlichkeit der Jünger im Wandel, ist die opferbereite Bruderliebe untereinander (Joh.13, 35; Mt.5, 3‑16).
4. Die „Zeichen“ von Mk.16,17-18 gelten als Hilfe zur Missionierung und sind immer vorhanden gewesen im Anfangsstadium einer lebendigen, gläubigen Gemeinde (Mk.16,15). Die Geistesgaben im 1.Kor.12 sollen hauptsächlich dem inneren Aufbau der Jesusgemeinde dienen, also im Verborgenen Anwendung finden (1.Kor.12, 7;20;21;25. 1.Kor.14,26), also nicht vor den Augen der Welt!
5. Darum hat Gott keinem der Apostel Jesu einen ähnlichen Auftrag gegeben wie damals dem Propheten Elia vor Ahab und vor den Baalspriestern (1.Kön.18, 21‑40).
6. Wer die Grenze zwischen Altem Testament und Neuem Testament nicht beachtet, der wird auf ganz verkehrte Bahnen geraten.
7. Wo im Neuen Testament der Ausdruck „Zeichen“ vorkommt als vom Herrn verheißen (z.B. Matth.12,39; 13,58; 24,30; 26,48; Mk.16,17; Lk.2,12; 21,11; Joh.2,11; 4,48; 20,30 usw.) oder von den Aposteln ausgeführt, da ist nicht an eine jetzt selbstverständliche, regelmäßige Sache gedacht, sondern an Ausnahmen. Man denke etwa an die „Zeichen“, die wir in den Straßen sehen zur Orientierung der Wanderer. Diese sind nicht regelmäßig alle 100 Meter angebracht, sondern nur an solchen Punkten, wo Kreuzungen sind, wo man sich verirren könnte. „Zeichen“ Gottes sind Wegweiser, die Gott aufstellt, wo er es für nötig findet, nicht wo wir es wünschen.

III. Der Fanatiker  ( Ap.7, 54‑56)

1. Der fromme (auch der politische) Fanatiker kann den Gegner nicht ruhig anhören, nicht gründlich prüfen, nicht mit Geduld ihm Liebe erweisen, nicht ihm gegenüber schweigen wie Jesus.
2. Der Fanatiker arbeitet gewalttätig, aufdringlich, drohend (bis zur Anwendung von körperlicher Gewalt: Feuer vom Himmel fallen lassen). Er läßt nicht Raum dem Heiligen Geist durch die Ungeduld seiner eigenen Begeisterung (Lk.9, 54‑56).
3. Der Fanatiker lebt in ständiger Selbsttäuschung. Er übt sich in Demut und Freundlichkeit, will aber im Grunde recht behalten, will Einfluß, Macht, Masse. Er wird beleidigt und grob, wenn man ihm widersteht.
4. Er meint fürs Reich Gottes zu streiten. In Wirklichkeit kämpft er für seine Spezialanschauung, für seine fromme Gruppe, für seine Konfession und Theologie (also getarnte Ich‑Vergötzung), und es wird ihm ungemütlich, wenn er von Segnungen Gottes bei anderen Gläubigen hört.
5. Er ist ein im innersten Kern unsicherer Mensch. Darum fürchtet er gründliche, gegnerische Literatur. Er will sie nicht ernsthaft prüfen und sucht in erster Linie ihre schwachen Punkte heraus.
6. Seine Unsicherheit hat diesen Grund: Die ganze fanatische »Überzeugung« ist weithin Dressur. Daher die vielen, eintönigen Wiederholungen und Schlagwörter.
7. Je unsicherer ein Fanatiker ist, um so lauter muß er schreien, wenn er predigt, um so wilder muß er gestikulieren, um so mehr braucht er das »Bravo« einer aufgeregten Masse.

IV.  Der Totalist

1. Jesus war kein Fanatiker, aber er war Totalist. Er ging aufs Ganze und haßte den schwächlichen Kompromiß.
2. Zweimal in drei Jahren trieb er die Händler aus dem Tempel, als Demonstration für die Säuberung der Frömmigkeit. Wäre er Fanatiker gewesen, dann hätte er diese Aktion Tag für Tag solange wiederholt, bis der Tempel tatsächlich rein geblieben wäre. Dann hätte Jesus auch mit scharfsinnigen Diskussionen die Gegner mundtot gemacht. Nun aber schwieg Jesus und wartete auf Gottes Stunde.
3. Der wahre Jünger Jesu strömt nicht eine dumpfe Atmosphäre der seelischen oder physischen Gewalttätigkeit aus, sondern die befreiende Luft einer freundlich werbenden Güte (Lk.9,56)
4. So vertraut auch der Jünger Jesu mehr der unsichtbaren Wirkung des Heiligen Geistes als seinem eigenen Reden und Tun. Darum tritt er gelassen und ruhig auf (Jes. 42, 2). ‑ In Matth.7,29 muß es lauten: » … denn er unterrichtete sie als einer, der Vollmacht hat … « Das ist eine innerliche Sache.
5. Der Jünger Jesu hat Gewißheit durch Erleuchtung und Offenbarung von oben (auf dem Wege der Berührung mit Gottes Wort). Darum hat er keine menschlichen Gegenargumente und Zweifel zu fürchten und kann völlig auf Schlagworte verzichten.
6. Der Jünger Jesu weiß, daß sich Glieder der großen Christusgemeinde in den verschiedensten bibelgegründeten Konfessionen und Gemeinschaften befinden. Darum überwindet er den frommen Neid und die Konkurrenzangst und freut sich über die Segnungen anderer Gruppen.
7. Der Totalismus des Jünger Jesu zeigt sich in der täglichen totalen Bereitschaft zum Sterben des eigenen Willens und Könnens, zur Feindesliebe und zur vollen Wahrhaftigkeit. (Der Fanatiker lügt unbewußt oder bewußt.)

V. Der Jünger im Rausch

1. Gott gab uns das Bild des körperlich Trunksüchtigen, um daran den seelisch Trunksüchtigen erkennen zu können. Es gibt eine religiöse Trunksucht, einen religiösen Rausch.
2. Jeder Jünger Jesu kann seelisch berauscht werden. Wie beim Alkohol, so gibt es auch in der seelischen Unnüchternheit verschiedene Grade der Berauschung.
3. Im Zustand des vollendeten seelischen Rausches erlebt man religiöse Gefühle von eigenartiger, höchster Wonne, einen beglückenden Genuß. Darum der Trieb, immer wieder und immer länger in diesen Zustand hinein zu kommen! Man kann die nächste Gelegenheit kaum erwarten, die nächste Versammlung seelischen Höhenzustandes. Dabei kann man Familie und Pflicht und alles vergessen. ‑ Auch dämonische Besessenheit kennt Augenblicke süßesten Genusses!
4. Im religiösen Rausch lockern sich die Hemmungen. Man kann Lieder singen ohne Aufhören, man fühlt sich leicht mit Flügeln schwebend, man redet von geheimsten Dingen ohne Scheu, man überrennt die Grenzen der Geschlechter.
5. Im religiösen Rausch schwindet die Gabe der Orientierung und klaren Unterscheidung. Menschliches oder gar Dämonisches hält man für göttlich und wahrhaft Göttliches hält man für menschlich.
6. In der religiösen »Anheiterung« vollbringt man Höchstleistungen (man denke zum Vergleich an die Bedeutung des Alkohols bei den Frontsoldaten im vergangenen Kriege), man kann Jesus bekennen wie nie zuvor. Aber nachher wird man »schlapp«, d. h. unfähig zu ruhiger, positiver Arbeit im Reiche Gottes.
7. Mancher wird erst nüchtern, wenn er in eine ganz andere religiöse Umgebung kommt, oder wenn schwere Gnadenheimsuchungen ihn aus dem vermeintlichen Himmel herunterholen und auf den Erdboden stellen, d. h. auf den nackten Boden des klaren Gotteswertes, frei von allen seelischen Gefühlsschwärmereien.

VI. Geistliche Altersstufen

1. Längst nicht jede überschwengliche Freudenäußerung bei Gläubigen muß menschlich‑seelischer Natur sein, d. h. vom alten Adam stammend. Nein, auch der neue Adam kann sich von Herzen freuen und freut sich mit einer viel geheiligteren Freude als der erste (Phil. 4, 4).
2. Am Gegenstand und an der Art der Freude erkennt man den Unterschied zwischen den Altersstufen. Das kleine Kind erfreut sich stundenlang an seinen Holzklötzchen und plaudert hemmungslos seine Freude aus. Der Erwachsene hat Freude an einem Sonnenuntergang, und seine Freude ist mehr innerlicher Art.

3. Der in der Jesusnachfolge junge Christ hat ein Recht auf kindliche Gegenstände und auf naive Äußerungen seiner Freude. Kindliche Lieder, kindliche Erzählungen sind seine Wonne.

4. Der reife Jünger Jesu legt vieles zur Seite, was ihn früher begeisterte. Sein Freuen entzündet sich tiefer am ganz verborgenen Leben mit Jesu. Sein Freuen äußert sich gereinigter, in stillen Lobgebeten des Herzens, im freudigen Opfer und Sterben des Ichs Tag für Tag (l.Kor.13,11).

5. Der noch naive, junge Gläubige soll sich nicht erheben wollen über den reiferen, weil seine Freude anderer Art geworden ist. Und der reifere soll nicht mitleidig den jüngeren in seiner Naivität belächeln. In der großen Gottesfamilie hat jeder seinen Platz mit seiner Freude.

VII. Okkult,  dämonisch,  satanisch

1. Unser Thema nötigt uns zur Verwendung dieser drei Begriffe. Mit »okkult« (= dunkel, verborgen) wollen wir alles Geheimnisvolle bezeichnen, das uns unheimlich und verdächtig erscheint, weil es vielleicht mit der gottfeindlichen Welt einen direkten Zusammenhang hat. Dabei lassen wir die Möglichkeit offen, daß okkulte Vorkommnisse lediglich aus seltenen Naturkräften des Menschen abzuleiten wären.
2. Nach dem Neuen Testament wollen wir als »dämonisch« das bezeichnen, was entweder durch die Dämonen, d. h. die von Gott abgefallenen Engel (Jud.6) oder durch »unreine Geister«, d. h. durch Seelen friedlos Verstorbener verursacht ist.
3. Als »satanisch« sollte man nur das bezeichnen, was sich nach den Angaben der Bibel direkt auf Satan als den Urheber zurückführen läßt (Joh.8, 44; 1.Petr.5, 8).

4. Wenn die Bibel von Zauberei, Wahrsagen, Zeichendeuten, Totenbefragen usw. redet (5. Mos. 18), dann wissen wir, daß dieser Teil der okkulten Welt bestimmt ins Gebiet der Dämonen gehört und damit unter den Einflußbereich Satans.

5. Dieser satanische Einflußbereich ist ein mannigfacher. Es gibt Einzelfälle, wo die Seele eines Menschen Jesus gehört, sein Leib aber immer noch Satan (l.Kor.5,5; 1.Tim; 1,20). Durch eine echte Bekehrung zu Jesus verliert Satan durchaus noch nicht bei jedem Menschen gewisse Anrechte auf den Leib. ‑ Ein Beispiel aus dem Alten Testament: Hieb war gläubig, aber Satan bekam gewisse Anrechte auf seinen Leib (Hi.2, 4‑6).

VIII. Leib, Seele und Geist

1. Man wird in der Prüfung von religiösen Erscheinungen leicht verkehrte Urteile . fällen, wenn man nicht das geheimnisvolle Verhältnis des In. Geistes zum menschlichen Geist, Seele und Leib im Auge behält. ‑ Aus Mt.26,41 und Röm.7,14‑25 lernen wir, daß der Leib des Menschen mit seinen Lüsten und Trieben bis hinein in das Unterbewußtsein und in das Unbewußte beherrscht sein kann vom Bösen, während zur gleichen Zeit sein klarer Geist und sein Wille, sein Oberbewußtsein beherrscht sind vom Guten. Der Leib kann also gleichzeitig unter anderen Einflüssen stehen als der Geist. ‑ Dies kann nach Röm.7 auch beim Wiedergeborenen, beim gläubigen Menschen der Fall sein. Wenn er nicht jeden Tag neu im Glauben Röm.6,6 und 8,2 fest erfaßt und nicht täglich seine „Glieder“ d.h. seine Sinnesorgane und Leibeswerkzeuge, auch sein Unterbewußtsein, dem Hl.Geiste im Gebet zur Verfügung stellt, dann kann es wohl sein, daß der Herr Jesus seinen Geist regiert, daß aber im Fleisch, im Leibe die Sünde herrscht, eine unheilvolle Zwiespältigkeit, unter welcher unzählige Gotteskinder leiden (Röm. 6, 19‑21; 8, 4‑13). Der Hl.Geist aber möchte doch zur Herrschaft kommen über den ganzen Menschen, je länger je mehr: über seinen Mund, seinen Gaumen, über seine Augen und Ohren, über seine Hände und Füße, über seine Phantasien, über sein Traumleben (l. Thess.5,23).

2. Nun wollen wir uns den Fall denken, es würde ein wiedergeborener Mensch vielleicht aus Unwissenheit regelmäßig teilnehmen an spiritistischen Sitzungen und würde sich sogar hergeben als Medium. Was würde nun geschehen? Sein Leib würde mit der Zeit ein Instrument der Dämonen ohne sein Wissen, während sein Geist durchaus noch im Glauben an Jesus  Christus, seinem Erlöser, festhielte. Er würde je länger je mehr ein zerrissener Mensch, und dieser Zwiespalt würde sich äußern in einer merkwürdigen Unruhe, in einer Schwächung seines ganzen Nervensystems, in Schlaflosigkeit usw. In seiner Unwissenheit würde er vielleicht denken, seine schweren, körperlichen Anfechtungen, diese dämonischen Angstzustände, wären ein ganz normaler Racheakt Satans gegen seinen Bekennermut. In Wirklichkeit aber wären es selbstverschuldete Belastungen durch seine Berührung mit der Welt des Okkulten!

3. Solche Zwiespältigkeit ist nun aber tatsächlich vorhanden bei manchen Gläubigen unserer Tage, deren Eltern oder frühere Vorfahren sich okkult betätigt hatten und die nie darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß das Reich der Finsternis immer noch Rechte habe an ihrem Körper! So war z.B. die Magd des verstorbenen Pfarrers Johann Christoph Blumhardt in Möttlingen, Gottliebin Dittus, eine von Herzen an Jesus gläubige Person, trotzdem aber stand ihr Leib unter der Herrschaft fremder Mächte, und es hat sich als Grund erwiesen, daß ihre Vorfahren sich mit zauberischen Dingen, also mit satanischen Mächten abgegeben hatten.

4. Aus der Geschichte früherer Erweckungen wissen wir, daß solche unheimliche Zwiespältigkeit gerade bei schwächlichen Personen, die vermutlich alle unter solch einem Fluch ihrer Vorfahren gestanden hatten, öfters vorkam. Während ihr Herz durchdrungen war von der echten, großen Freude an Jesus Christus, kam ihr Leib unter den Einfluß übernatürlicher Mächte, welche zunächst durchaus als göttlich erschienen sind. Erst mit der Zeit merkte man, daß es Kräfte von unten waren.
 – Ich zitiere hier wörtlich, was ein Bericht aus einer Erweckung, welche vor 130 Jahren in Pommern vorgekommen war, uns erzählt: Martin Lemin aus Pustamin, welcher öfter Gesichte sah, betete regelmäßig in den Stunden. Dabei begleitete er sein Gebet mit den lebhaftesten Gesten, sprang bald mit ausgebreiteten Armen in die Höhe, bald warf er sich mit dem Angesicht auf den Boden, indem er seinem allerliebsten Heiland die zärtlichsten Namen beilegte. Manche gerieten in Verzückung und Ekstase und schienen in diesem Zustand sogar die Schwerkraft zu überwinden. Sie standen auf den Zehenspitzen oder gar auf der Ecke eines Stuhles und streckten, fast schwebend, in unmöglicher Stellung mit verzücktem Angesicht die Arme zum Himmel empor. Ein Bauer gab einmal vor, vom Geiste Gottes ergriffen zu sein. Er betete zunächst immer heftiger, immer brünstiger, so daß alle tief erschüttert niederknieten. Hierauf erhob er sich, ging zwischen den Knieenden umher und stieß ihnen die Faust in den Nacken. »Immer weiter herunter! Immer tiefer in die Demut!« schrie er ihnen zu. Dann plötzlich stieg er auf den Tisch und brüllte: »Ich bin der Herr Christus!«  ‑  Besonders bemerkenswert ist folgender Vorfall: Die 14jährige Liese Völkner war die Tochter eines gläubigen Zimmermanns. Eines Tages hütete sie die Gänse. Da erschien in der Luft ein großer, weißer Geist, hob sie empor und ließ sie wieder auf die Erde nieder. Seit dieser Zeit war Liese abwechselnd in ekstatischen Zuständen. Eines Abends kam sie mit den Gänsen nach Hause und fing an, in hochdeutscher Mundart eine gewaltige Bußpredigt zu halten und die Leute im Dorfe zur Bekehrung zu mahnen. Ihr ganzes Wesen war dabei verändert, sie sah wie eine Verklärte aus. Der Vater und viele andere Leute sahen darin die Wunder Gottes und brachten das Mädchen nach Seehof zu Herrn von Below. Täglich setzte sie dort ihr Predigen fort und redete gewaltig. Jedoch Herr von Below ließ sich dadurch nicht im Geringsten aus seiner nüchternen Fassung bringen, sondern erklärte den Leuten, daß dies eine ganz gleichgültige Sache sei, denn sie könne nichts Besseres als die Bibel bringen. Als nun der Geist, welcher von dem Mädchen Besitz genommen hatte, eine so kühle Aufnahme erfuhr, ergrimmte er sehr und streckte plötzlich seine Krallen heraus. Das Mädchen wurde auf einmal verzerrt, der Kopf wurde wie umgedreht, der Schaum stand ihr vor dem Munde, alle Glieder ihres Leibes waren wie gebrochen und verrenkt, sie ergoß sich in die fürchterlichsten Flüche und Gotteslästerungen und lief tatsächlich, wie Superintendent Mila aufgrund vieler Zeugenaussagen berichtet, an den steilen Wänden des Zimmers umher, ohne herabzustürzen. Diese Tatsache wurde auch vom Kreisarzt Dr.Thomas bestätigt. Dreiviertel Jahre lang war ihr Zustand bald scheinbar lieblich, bald fürchterlich. Dann stand plötzlich wieder die alte Liese Völkner da, welche kein Wort reines Hochdeutsch reden konnte und von allem, was mit ihr vorgegangen war, nichts mehr wußte. Sie sprach nur davon, krank gewesen und wieder gesund geworden zu sein.« ‑

So ist es also durchaus möglich, daß ein Jünger Jesu mit seinem Geist und Zeugnis ein normales Segenswerkzeug Gottes sein kann, während sein Leib vorübergehend unter anderen Gesetzen steht und als Instrument okkulter Kräfte dient zur Ausübung okkulter Wunder, die für göttlich gehalten werden!

5. Eine Erlösung aus solcher Zwiespältigkeit ist nur möglich, wenn der Betreffende selbst umkehrt von seinem Irrtum und durch Brüder unter Gebet (und Fasten) vom dunkeln Bann befreit wird. Sein abnormaler Nervenzustand wird dann geheilt werden, und seine auffallenden Wundertaten werden aufhören.

6. Ein erschütterndes Beispiel für die vorhin genannte Zwiespältigkeit ist das Leben des verstorbenen Pfarrers Dr. John Alexander Dowie, der etwa um 1876 die »Christlich Katholische Kirche in Zion« gegründet hatte mit dem Hauptsitz in Chikago. Um 1900 war sein Name in allen Erdteilen bekannt geworden durch die vielen, wunderbaren, echten Krankenheilungen aller Art, Heilungen von Blinden, Lahmen, krebs‑ und tuberkulos Erkrankten. ‑ Wenn man sein schriftlich niedergelegtes Glaubensbekenntnis oder Teile aus seinen Predigten liest (a.d.Zeitschrift »Blätter der Heilung«), so kann man im Großen und Ganzen sagen, das ist biblische Lehre. Er predigte Buße, und Glauben an den Sühnetod Jesu. Nur war ein Pferdefuß da. Er lehrte, jede Krankheit sei direkt vom Teufel, und jeder wirklich Gläubige könne normalerweise gesund sein. Er übte auch Fernheilungen aus und hatte eine unerhörte Macht über Menschen. Er nannte sich mit der Zeit der »Prophet Gottes« und sagte, er sei der Elia, der wiederkommen sollte. Er verlangte unbedingten Glauben an seinen Auftrag. Und was war das Ende dieses Mannes und seiner Bewegung? Eines Tages mußte man ihn ins Irrenhaus bringen. Seine ganze, groß aufgezogene Kirche mußte den finanziellen Bankrott erklären, und viele Menschen kamen dadurch ins Unglück. ‑ Auch in der Schweiz hatte er seine Niederlassungen, z.B. in Zürich, Waisenhausgasse 10, sodann im Schloß Liebburg, Kanton Thurgau.

IX. Glauben, oder Gott versuchen
                    
1. Nur der wirklich Gläubige, nur der tiefernste Christ kann in die gefährliche Verwirrung geraten, Gott versuchen zu wollen, in der guten Meinung, sein Handeln sei biblisches Glauben.
2. Dies wird uns klar an der Versuchung Jesu (Matth.4) Satan sagt: »Wenn du an deine Gottessohnschaft wirklich glaubst, kannst du jetzt „Berge versetzen“, also du kannst Brot herstellen, auch in der Luft schweben.« Jesus weist aber diese Art  von Glauben von sich, weil ihm durch jene drei Bibelworte innerlich gezeigt wird, daß kein Auftrag seines himmlischen Vaters vorliegt.
3. Daraus lernen wir etwas sehr Entscheidendes: Der gesunde  Glaube wartet zuerst auf einen klaren, göttlichen Einzelauftrag oder Verheißung Gottes. Wo man dies Warten unterläßt, wo man stillschweigend voraussetzt, es liege eine Generalerlaubnis vor, blindlings alles glauben zu dürfen, da wird aus dem scheinbaren Glauben ein gefährliches Gottversuchen, ein menschlich‑seelisches Zwingen und Treiben.
4. Nach Hebr.11 lag jedem Glaubensschritt zuerst ein deutlicher, Einzelbefehl Gottes zugrunde. ‑ So sind die Anordnungen in Matth.10, 8 und 11,5 nur als Einzelaufträge zu verstehen (»macht Kranke gesund, reinigt Aussätzige, weckt Tote auf … «).
5. »Zeichen« (nach Markus16,17 und Lukas2,12) sind nur Einzelwinke Gottes, keine allgemeinen Regeln. Der Sinn von Markus 16,17 wird folgender sein: „Folgende Zeichen werden hin und wieder in der Gemeinde der Gläubigen auftreten … .“ Jesus meint also durchaus nicht, jeder wirklich Gläubige müsse nun Dämonen austreiben können.
6. Wer der Meinung ist, jeder bußfertig Glaubende könne leiblich ganz gesund sein, wenn er nur recht glaube, der müßte dann auch damit rechnen, daß jeder fest Glaubende lediglich an Altersschwäche sterben würde. Die Sterbensgeschichten aber von vielen führenden Gläubigen belehren uns eines anderen! Man denke nur an die letzte Krankheit von Dorothea Trudel, Samuel und Alfred Zeller, welche vielen Menschen  nach Jak.5 zu Heilungen verhelfen durften!
7. Zu den schlimmsten mißverstandenen Bibelabschnitten gehören Markus 9,14‑29 und Markus 11,22‑24. In Markus 11, 22 sagt Jesus: »Habt göttlichen Glauben!« Was hiermit gemeint ist, wird aus Joh.2,4; 4,39 und 5,19. 20. 30 klar: Der „göttliche Glaube“ befindet sich  bis in kleinste Einzelheiten hinein in einer totalen Abhängigkeit Gott gegenüber. Die Vollmacht in Matth.10,1 bedeutete wie auch jede Vollmacht in 1.Kor.12, 4‑11, daß die Jünger nur da und nur dann Kranke heilen und Tote auferwecken durften, wo sie einen ganz speziellen Auftrag von oben empfingen und wo Gottes Stunde gekommen war. Um diesen Auftrag recht zu hören, bedurfte es eines konzentrierten Lebens im Geist, welches in den beiden Worten zum Ausdruck kommt: »Fasten und Beten«. Wo ein göttlicher Auftrag vorliegt, da genügt ein winziger Anfängerglaube, um ganze Berge versetzen zu. können (Mt.17, 20). Wo aber kein Auftrag vorliegt, da wird der scheinbare Glaube zum Eigensinn, ja zum Unglauben. Wenn man Mt. 17,19‑20 mit Mk. 9, 28‑29 vergleicht, so erkennt man: Jesus wirft den Jüngern vor, sie hätten nicht genügend im Gebet gewartet auf Gottes Befehl zum Eingreifen, und dieses eben war ihr »Unglaube«. Man vergleiche auch Lk.17, 6 mit 10 (nur tun, was befohlen ist!). Mk.11, 24 setzt voraus (nach 1.Joh.3, 22), daß der Beter so lange im Gebet gewartet hat, vielleicht jahrelang, bis Gott ihm den Auftrag zum Handeln, bzw. die spezielle Verheißung eines Wunders geschenkt hat. Wer dieses Warten und Hören nicht immer wieder neu lernt, steht in Gefahr, Gott zu versuchen und so in schwerste Verirrungen zu geraten. ‑ (Beispiel: Vor Jahren wollte ein Prediger am offenen Grabe eines Kindes dasselbe wieder auferwecken vor den Augen vieler Zeugen. Trotz innigen Gebeten und felsenfestem »Glauben« gelang es ihm nicht. Warum? Weil Gott gar keinen Auftrag gegeben hatte! Nachher hatte die Welt ihren großen Spott).
8. Ein heute sehr umstrittener Evangelist berichtet, wie er versucht habe, eine christusferne, kranke Tochter zum absoluten Glauben an den Namen und die Macht Christi zu führen. Sein Bericht sei hier wörtlich zitiert: »Als ich mich etwas im Zimmer umschaute, wurde mir über ihrem Bett eine Gaskugel gewahr, die an einem dünnen Faden, vielleicht einen Fuß vom Boden, herabhing. Ich las ihr Hebr.11,1 vor und fragte sie: »Gibt es so etwas, was ich hier soeben gelesen habe?« Sie sagte: »0 ja!« Darauf las ich ihr Matth.17,19‑20 vor und fragte wiederum: »Hat der Herr Jesus hier übertrieben, oder hat Er die Wahrheit gesprochen?« »Er hat die Wahrheit gesprochen!« »Nun auf Grund dieser zwei Aussprüche der Bibel fordere ich dich auf, deinen Glauben zu bezeugen. Sage zu der Kugel da oben, daß sie sich hin und her bewegen soll.« »Nun aber, das ist ja Suggestion!« »Nein, das ist es nicht! Was ist leichter zu bewegen, der Berg oder die Kugel?« »Nun, die Kugel!« »Ganz richtig! Wenn du nicht Glauben hast die Kugel zu bewegen, wie willst du den Berg bewegen? Ich habe nicht einmal verlangt, daß du die Kugel auffordern sollst, sich loszureißen, das wäre schon schwerer, als sich in der Luft hin und her zu bewegen. Jesus sagt, wenn wir nicht zweifeln, wird es geschehen. Und nun sieh mal hin, wie treu Jesus zu dem steht, was Er uns gesagt hat«. Darauf sagte ich: »Du Kugel, schwinge dich hin und her!« Und sofort schwang sie sich hin und her. Jetzt merkte ich, was in der Kranken vor sich ging. Der Herr pflanzte den Glauben in sie. Als dann die Kugel wieder zum Stillstand gekommen war, forderte ich sie auf, dem Worte Jesu zu glauben und der Kugel zu gebieten, daß sie sich im Kreise schwinge. Sie tat es und die Kugel gehorchte. Als ich ihr dann die Verheißung in bezug auf Heilung ihres Leibes vorlas und sie im Namen Jesu aufstehen hieß, wurde sie in diesem Augenblick geheilt.« –  
Jedem Leser sei hier die ernste Frage gestellt: Ist das der Glaube, von dem im Neuen Testament die Rede ist? Darf man Mt.17 so auslegen? Ist das nicht Gott versucht (Mt.4,1‑7)? – Sind am Ende jene »Gläubigen«, die in Massenversammlungen aus den vielen Menschen herausgefunden werden, nicht einfach passiv gestimmte, d.h. medial angelegte Personen, an denen leicht Suggestivkräfte sich auswirken können? War nicht auch jene Tochter typisch medial veranlagt?
9. Wer Mk.11, 24 falsch versteht, gerät leicht in Selbstsuggestion oder Fremdsuggestion. Da kann ein Krebskranker behaupten trotz vieler Schmerzen, er sei gesund auf Grund dieser Bibelstelle, ohne aber vorher eine klare Verheißung abgewartet zu haben. Welches wird hier das Resultat sein? Die Suggestion hilft ihm eine Zeitlang die Schmerzen völlig zu überwinden, aber dann ist die Not unverändert wieder da! Schuld ist hier nicht etwa ein ungenügender Glaube, sondern ein Eigensinn, der nicht zuerst hören will, was Gott zu dieser Krankheit sagt.
10. Die biblische Haltung des Jüngers Jesu bei Krankheit ist folgende: Er bittet Gott um Klarheit, was der himmlische Vater mit dieser Krankheit sagen wolle. Dann handelt der Gläubige nach Jak.5,4‑16 bzw. 1.Kor.12,9). Und hernach, falls nicht schon volle Klarheit vorhanden ist, bittet der Gläubige wieder um Klarheit, ob er einen Arzt zu Rate ziehen soll. ‑ Wenn durch das heutige System von Pflicht‑Krankenkasse und Pflicht einer ärztlichen Betreuung manches automatisch anders laufen muß als eben angedeutet, dann ist diese Lage mit ein Zeichen für die große Macht der Gottesferne, der die ganze Menschheit immer näher kommt. ‑ Daß in vielen gläubigen Kreisen heute noch Jak.5 außer Acht gelassen wird, bedeutet vor Gott eine große Schuld. Hier wird deutlich, wie sehr der praktische Unglaube das Wirken Gottes hindern kann.

11. Wenn Gott trotz Buße und Glauben das »Zeichen« einer sofortigen oder langsamen Krankenheilung versagt, so dürfen wir gewiß mit einer inneren Stärkung des Patienten (Hebr.11,35) rechnen.

X. Wunderwirkende Kräfte
1. In bezug auf Glaube und Vollmacht zu Krankenheilungen wird immer wieder auf Joh.14,10‑14 hingewiesen. ‑ Wir fragen: Gibt es im Bezirk des Körperlichen ein größeres Wunder als die Auferweckung des Lazarus (Joh.11)? Niemals! Es ist meines Wissens auch noch nie berichtet worden, daß ein Jünger Jesu einen schon in Verwesung übergegangenen Toten auferweckt habe. ‑ Also muß Jesus mit den »größeren Werken« geistliche Werke gemeint haben: Die Auferweckung von vielen innerlich toten Menschen! Dies größere Wunder aber geschieht nicht nur in den gläubigen Kreisen, in denen man viel von Wundern erzählt, sondern auch in jenen anderen, die man gerne als kraftlos bezeichnet. Hüten wir uns darum vor dem Richten auf Grund solcher biblischen Verheißungen!

2. Dämonenaustreibungen sind in gewissem Sinne »Wunder«, weil sie zunächst unerklärlich sind. Nach Mk.9,25 (»und fahrest hinfort nicht in ihn…«) und nach Mk.5,13 scheint jedoch eine echte, göttliche Dämonenaustreibung nur da vorzuliegen, wo die Dämonen nicht mehr sofort in andere menschliche Leiber fahren durften. Niemals hat Jesus bei seinen vielen Dämonenaustreibungen den Umstehenden sagen müssen, sie möchten jetzt aufpassen, dass die Dämonen sich nicht in ihnen festsetzten. Das hören wir auch von keinem der Apostel. (Nach Mt.12,43‑45 wäre ein Rückfall auf diesem Gebiet nur nach geraumer Zeit möglich und nur bei Ablehnung der Herrschaft Christi). ‑ Nach Mt.12,27 gab es in Israel Dämonenaustreibungen längst vor Jesu Auftreten. Jedenfalls wurden sie von den Juden als solche bezeichnet, und Jesus zitiert einfach dieses Urteil. Wir dürfen hier aber mit gutem Grund die Frage stellen: Handelte es sich bei jenen Heilungen nicht bloß um menschliche Machtwirkungen, wobei möglicherweise der eine Mensch befreit und ein anderer sofort wieder besessen wurde? Wir wissen heute, welche Macht von Menschen ausgeübt werden kann, ohne daß man sofort an teuflische Kräfte denken müßte (Mt.12, 24. 26. 27). (Darum machen wir auch ein großes Fragezeichen, wenn uns erzählt wird von Austreibungen im Namen der Maria und bei  Anwendung geweihter Muttergottes‑Medaillons.) Kurz: Wo Besessene augenblicklich frei werden, ist noch lange nicht gesagt, daß eine göttliche Vollmacht vorliegt (man denke an Matth.7, 22-23!). Vieles wird auch als Besessenheit erklärt, was gar nichts mit unreinen Geistern zu tun hat.
Wer auf diesem Gebiet arbeitet, der weiß, daß eine klare Diagnose zu stellen nicht leicht ist.

3. Mk.9, 38‑40 ist für uns außerordentlich lehrreich. Dieser Bericht beweist uns, daß man im Namen Jesu gewisse Heilungen erzielen kann, ohne selbst ein wirklicher Nachfolger und Beauftragter Jesu zu sein. Jesus hat solches Heilen nicht verboten, weil es ja in einem gewissen Grade in seinem Namen geschah. Aber wir sehen: Von Heilungen, die im Namen Jesu getätigt wurden, kann man nicht unbedingt Rückschlüsse ziehen auf die Qualität des Heilenden. Gott benützt in seiner Großzügigkeit sogar Menschen als Werkzeuge, die am Ende von ihm abgelehnt werden (Judas; Bileam!). Jene Wundertäter in Mt.7,22‑23 werden im Namen Jesu tatsächlich Heilungen erzielt haben; denn Jesus bestreitet diese Tatsache nicht. Weil sie aber persönlich von Jesus nicht erkannt waren, d.h. nie in inniger Lebensgemeinschaft mit ihm gestanden hatten, darum schließt er sie beim Endgericht vom Reich Gottes aus. ‑ An dieser Stelle darf das Erlebnis eines vor Jahren heimgegangenen Seelsorgers berichtet werden, der in der Schweiz sehr bekannt war. Er hat selber erzählt, daß er in seinen jungen Jahren durch Evangelisations‑Reden eines Betrügers und Hochstaplers zum eigentlichen Durchbruch des Glaubens gekommen sei. Jener Betrüger nämlich hatte Predigten gesegneter Gottesmänner auswendig gelernt und sie mit einer gewissen seelischen Begeisterung vorgetragen, und Gott hat die Wahrheit seines Wortes bestätigt und die Arbeit dieses Betrügers zum Segen benützt.

4. Aus Mark.9,38‑40 dürfen wir auch folgenden Schluß ziehen: Jesus geht in seiner Geduld und Großzügigkeit so weit, daß er sogar auch da leiblich und geistlich segnet, wo man nur in Ehrfurcht sich auf seinen Namen beruft, ‑auch wenn der Redner oder Heiler selbst von dunklen, unheimlichen Kräften getrieben wird, worüber er sich selbst gar nicht im Klaren ist. Paulus äußert in Phil.1, 15‑18 einen ganz ähnlichen Gedanken. ‑ Nur dann wird ein okkulter Heiler Schaden bei seinen »Geheilten« anrichten, wenn er sich bewußt dem Jesus des Neuen Testaments entzieht oder sich überhaupt nie auf ihn beruft. ‑ Ein moderner Zauberer, der nach Vorschrift des „6./7.Buch Mose“ den Namen Jesu lediglich anwendet in der Formel »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl.Geistes« als einer bloßen Formel, richtet natürlich größten Seelen- und Leibschaden an! Denn hier ist nichts von wahrer Ehrfurcht, nichts von einer Spur echten Glaubens.

5. Neueste Literatur aus Kreisen der sogenannten spiritualistischen Kirche und des reinen, ausgesprochenen Spiritismus berichtet auch von Krankenheilungen im Namen Jesu und von Gebetszirkeln, in denen auch auf Jesus, den Sohn Gottes, hingewiesen wird (!). Wir sehen: Satan, der Vater des ganzen Spiritismus, scheut sich heute nicht, Heilungen. im Namen Jesu zuzulassen, nur um die Seelen der Ahnungslosen um so fester in sein Netz zu bringen! Hierher gehört Jesu Warnung in Mt.24,24. Es ist erschütternd zu erfahren, daß in Island führende Geistliche zur sogenannten spiritualistischen Kirche übergetreten sind, und daß auch in England und Skandinavien diese Übertritte immer mehr zunehmen. Das englische Parlament soll sogar genehmigt haben, daß im englischen Heer auch spiritistische Prediger zusammen mit andern Seelsorge ausüben dürfen! Einen schlimmeren Rückfall ins Heidentum kann man sich kaum vorstellen; denn jene Medien, die in den sonntäglichen Gottesdiensten im Trancezustand Predigten von »Geistern« aussprechen, sind unbewußt Werkzeuge von widergöttlichen Kräften, auch wenn dauernd zum Glauben an Jesus, den Sohn Gottes, den Auferstandenen aufgefordert, wird.

6. Man könnte meinen, Satan kämpfe gegen sich selbst; indem er Menschen auf Jesus hinweise. Aber genau betrachtet ist die Sache so: Wohl werden in spiritistischen und sektiererischen Kreisen ganz ähnliche Worte angewandt wie sie im Neuen Testament stehen (Sohn Gottes; Heiliger Geist; Buße, Bekehrung; Glaube; Vergebung der Sünden; Auferstehung); aber diese Ausdrücke werden anders akzentuiert, und die ahnungslosen Hörer gelangen in einen gefährlichen, dunklen Bann  und werden unfähig, das Bild des biblischen Jesus und seines Erlösungswerkes zu erkennen. Sie lesen das Neue Testament wie in einem gebogenen Spiegel, der alle Linien verzerrt. Beim echten Christusbild des Neuen Testamentes steht im Mittelpunkt das stellvertretende Sühneopfer des sündlosen Gottessohnes, die Tilgung der menschlichen Sündenschuld und die Befreiung aus der Macht der Sünde. Beim verzerrten Christusbild werden diese Punkte an den Rand geschoben. ‑ Satan kann auch durch seine Helfer direkte Warnungen vor sich selbst aussprechen lassen, immer mit dem Endziel, die Gutgläubigen in seinen Bann zu ziehen. So wird behauptet, die »weiße Magie « sei göttlich, die »schwarze Magie« allein sei von unten und sei abzulehnen. In Wirklichkeit aber stammen beide von unten! (Man lese nach in dem 1954 erschienen Buch von Dr. Koch: „Seelsorge und Okkultismus“).- Wenn im vergangenen Weltkrieg die Irreführung durch Menschen schon so raffiniert war, daß Flugzeuge der eigenen Truppen auf  ihre Landsleute Bomben abwerfen mußten, nur um den Schein zu erwecken, der Feind habe einen feigen Angriff auf die Zivilbevölkerung  ausgeführt, wieviel raffinierter werden die satanischen Täuschungsmanöver sein! (2.Kor.11,14).

7. Beim aufmerksamen Lesen der neutestamentlichen Berichte über Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen fällt auf, daß die Apostel sich in keiner Weise dabei besonders anstrengen mußten. Keine Spur von einem Ringkampf mit den Geistern, nichts von anhaltendem lauten Schreien und Toben, von ununterbrochen stundenlangem Beten, nichts von einem Verschleiß der Nerven, geschweige von einem heftigen Schweißausbruch am Körper! Alles vollzieht sich in einer majestätischen Ruhe. Das göttliche Wort allein  ist die Waffe, mit der man kämpft. Das ist die Art des göttlich bevollmächtigten Handelns: »So er spricht, so geschieht’s«! So war es bei der Schöpfung, so wurde dort die Finsternis besiegt: »Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht! « In Ap.16, 18 spricht Paulus sein Machtwort und der Dämon weicht. ‑ Mk.9, 29 scheint zwar auf einen besonderen Kampf hinzuweisen. Wie war aber dort die Lage? Das Eine ist sicher: Jesus selbst hat vor der Austreibung der dunklen Macht nicht erst längere Zeit besonders gebetet und gefastet. Aber sein ganzer Wandel war ein einziges, gesammeltes Beten und Fasten! So wollte er seinen Jüngern sagen: »Wenn euer ganzer Wandel mehr ein Beten und Fasten ist, eine heilige Konzentration, dann werdet ihr deutlicher erkennen, wann Gottes Stunde für euer Eingreifen da ist, dann werdet ihr auch Aufträge zu solchen Heilungen erlangen.« Ihr Unglaube in jenem Fall bestand also darin, daß sie nicht erst in aller Demut und Abhängigkeit Gott gefragt hatten, ob sie in diesem Fall eingreifen sollten. Der Befehl in Math.10, 8 war nicht so gemeint, daß sie wahllos alle Kranken heilen, alle Toten auferwecken, alle Besessenen befreien sollten, worauf bereits hingewiesen wurde (vgl.Kap.VII Abschnitt 4 und 7).

8. Wenn wir aus der Arbeit von Dorothea Trudel und Samuel Zeller, Männedorf, uns berichten lassen, so hören wir wohl, daß sie in besonderer Weise, teils nächtelang, sich aufgeopfert haben für die Kranken, die man ihnen anvertraut hat. Aber wir lesen nichts davon, daß etwa das Heilen von Besessenen sie mehr beansprucht habe als normalerweise irgend eine Nachtwache bei Kranken. Man hat den Eindruck, hier hat der Geist Gottes Arbeit getan, und der Mensch selbst war nur der Weitergebende. Müssen wir es nicht als ein Zeichen von menschlichem Tun ansehen, wenn man hört, daß die Körper‑ und Nervenkraft von Wundertätern ganz besonders beansprucht werden? Es ist doch etwas, was nicht in den Rahmen des Neuen Testamentes hineinpaßt, wenn einer der gegenwärtig umstrittenen Evangelisten aus seinem Leben berichtet, er habe schon seit seiner Kindheit regelmäßig Nervenzusammenbrüche gehabt, und zwar im Ganzen schon sechs Mal in Abständen von jeweils sieben Jahren. Er fügt hinzu, laut einer Vision werde er nun keinen Nervenzusammenbruch mehr erleben. Er meint, die Zusammenbrüche seien teils zu erklären aus Überanstrengung im Dienst des Heilens, teils aus dämonischen Angriffen. –

9. Das Neue Testament weiß nichts davon, daß diejenigen, die insbesondere mit Dämonen zu tun haben, besonderen Racheakten der dämonischen Welt ausgesetzt seien. Die Apostel kennen keinerlei Furcht von der Welt der Dämonen! Wenn wir jene bekannte Stelle in Eph.6,10‑20 lesen, wo Paulus ausdrücklich von der finsteren Welt spricht, dann hören wir gerade dort, wie fröhlich und sieghaft der Ton seiner Botschaft ist. Nichts von Ängstlichkeit, kaum etwas von übergroßer Vorsicht, sondern ein fröhliches Rechnen mit der absoluten Überlegenheit derer, die in Christo Jesu wandeln! Wohl redet Offenbarung 12,9;12‑17 von einer besonderen Racheaktion Satans und seiner Helfershelfer. Aber jene Aktion wendet sich nicht speziell gegen besondere Boten und Werkzeuge Jesu Christi, sondern gegen die ganze Gemeinde! Darum müssen wir den Schluß ziehen: Wer sich bewußt oder unbewußt mit seinem Körper (sein Geist, sein Glaube muß dabei nicht beteiligt sein) als Mittel und Werkzeug den dämonischen und okkulten Kräften zur Verfügung stellt, der muß allerdings damit rechnen, daß er auch die schädlichen Folgen an seinem eigenen Körper verspüren muß, daß er in schwerste Anfechtungen hineinkommt.

XI. Echte und unechte Berufungen

1. Die Bibel berichtet uns im Alten Testament wie auch im Neuen Testament von direkten Botschaften und Aufträgen, die einzelne Gottesmenschen aus der Welt Gottes empfangen haben, sei es durch Engel, oder durch Träume, oder durch Inspirationen, die der Menschengeist vom Heiligen Geist empfing. Ähnliches aber gibt es auch in der Welt der Finsternis, in der Welt des Okkulten und des Satanischen! Um hier unterscheiden zu können, müssen wir uns einige bestimmte Punkte merken. Wenn wir in Ap.9,4‑5 nachlesen, so finden wir, daß Jesus sich ganz persönlich mit Namen dem Juden Saulus genannt hat, als Saulus nach dem Unbekannten, sich Offenbarenden gefragt hatte. Saulus wußte jetzt, der mit ihm Redende ist der Jesus, der am Kreuz gestorben und wieder auferstanden ist. Wenn irgend ein Mensch eine überirdische Offenbarung erlebt, so daß eine Stimme aus der unsichtbaren Welt ihm ruft, und ihm etwa sagt: »Ich bin der Herr, ich gebe dir einen Auftrag«, dann müßte der Angeredete sofort die Gegenfrage stellen: »Wer bist du in Wirklichkeit: Bist du der Jesus Christus, von dem das Neue Testament erzählt?« Oder wenn sich ein Engel meldet, dann erst recht wäre äußerste Vorsicht geboten, solch einem Engel auch nur von ferne das Ohr zu leihen. Denn gerade hier sind die okkulten Nachahmungen am gefährlichsten. Es ist jedenfalls äußerst zweifelhaft, wenn beim Beginn einer Beauftragung der betreffende Unsichtbare sagt, er käme aus der Gegenwart Gottes. Oder wenn der Betreffende sich eben nur als »Herr« bezeichnen läßt oder als »Dame«, wie bei Bernadette in Lourdes. Das ist völlig ungenügend! Jede Macht der Finsternis hat das Recht, sich »Herr« zu nennen! Es wird aber einem Boten der Finsternis niemals erlaubt sein, sich in der Weise zu tarnen, daß er etwa behaupten dürfte, er käme von dem Jesus Christus, der am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist, am dritten Tage wieder auferstanden ist und nun zur Rechten Gottes sitzt. Erst, wenn man genau dies den Offenbarenden fragen würde, müßte sich der betreffende Geist entlarven (Gal.1,8).

2. Aus allem, was uns von den religiösen Erlebnissen Mohammeds berichtet wird, müssen wir den Schluß ziehen, daß er Kundgebungen dämonischer Geister zum Opfer gefallen ist. Er hatte Engelerscheinungen, hatte Visionen und meinte, diese Kundgebungen seien göttlicher Art. Was hat dieser Irrtum in der Geschichte der Völker für Folgen gehabt! Das Teuflische, das wir heute noch im Islam feststellen müssen, und davon kann jeder Mohammedanermissionar erzählen, geht zurück auf jenen dämonischen Ursprung dieser Religion! ‑ Ähnliches müssen wir sagen von den Mormonen, deren Begründer, der Amerikaner Smith, solchen Engelerscheinungen zum Opfer gefallen ist, die sich als göttlich getarnt hatten. Ähnliches müssen wir auch sagen von dem Ursprung der Sekte der Neuapostolischen. Und wir müssen es ganz offen aussprechen: Die Geschichte der katholischen Kirche ist voll von Erzählungen, in denen uns berichtet wird von Kundgebungen, Offenbarungen, Visionen, die man leider für göttlich gehalten hat, die aber als okkult, wenn nicht als direkt dämonisch bezeichnet werden müssen. Man denke nur an jene Vision einer belgischen Nonne, die dazu geführt hat, daß das Fronleichnamsfest, wie man sagte nach göttlichem Befehl, in der Kirche eingeführt wurde! Je mehr ein Katholik bzw. ein  Anhänger irgend einer okkult gerichteten Sekte solchen abnormen Dingen Glauben schenkt und geradezu sich hineinverbohrt, umso weniger wird es ihm möglich sein, das reine Evangelium von Jesus Christus anzunehmen.

3. Nehmen wir ein Beispiel aus neuerer Zeit. Wir zitieren wörtlich, was wir von der zweiten »Berufung« eines solchen Wundertäters lesen. Da heißt es: »Ich werde den 7.Mai 1946 niemals vergessen. Es war abends um 11 Uhr. Nachdem ich aufgehört hatte mit Gebet, sah ich plötzlich in meinem Zimmer einen Lichtstrahl. Als dieses Licht sich vergrößerte, wurde ich erschüttert, blickte auf und sah jenen großen Stern. Gleich darauf hörte ich jemanden auf mich zuschreiten. Ich sah die Füße eines Mannes. Er schien von wuchtiger Gestalt zu sein, angetan mit einem weißen Kleid. Sein Gesicht war bartlos, die Haare hingen bis zu den Schultern herab. Ein schönes Gesicht leuchtete mir entgegen. Er sah, wie ich ihn voller Furcht anstarrte. Dann begann er zu sprechen: »Fürchte dich nicht, ich bin gesandt worden aus der Gegenwart des allmächtigen Gottes, um dir zu sagen, daß Gott dir eine Gabe der Glaubensheilung für die Menschen in der Welt gegeben hat. Wenn du einfältig sein wirst und gehorsam, und wenn du die Leute veranlassen kannst, dir zu glauben, so soll deinem Gebet nichts widerstehen können, nicht einmal der Krebs! « Er sagte mir noch viele andere Dinge, die ich nicht alle berichten kann. Er verschwand dann, erschien mir aber mehrmals wieder im Zeitraum von sechs Monaten und hat mit mir gesprochen. Zuweilen erschien er auch sichtbar in der Gegenwart anderer.« ‑
Wir fragen: Warum wird hier der Name Jesu Christi überhaupt nicht erwähnt? Warum hat der Beauftragte nicht sofort in rechter Wachsamkeit und Vorsicht jenen Engel gefragt, ob er von Jesus Christus, dem Gekreuzigten gesandt sei? Warum heißt es dort in der Berufung nur, er solle gehorsam sein, ohne daß genau gesagt wird, wem er gehorchen soll? Und warum vor allen Dingen wird ihm befohlen, er soll die Leute veranlassen, ihm Glauben zu schenken: Ist das nicht alles höchst verdächtig, gemessen an dem ganzen Ton des Neuen Testamentes? Wenn wir Eph.6,10‑20 ernstnehmen, dann dürften wir niemals solche überirdischen Berufungen annehmen, ohne daß wir sie gründlich prüfen an der Schrift (Vers 17!), und ohne daß wir diese Geister energisch auf die Probe stellen unter Berufung auf das Blut Jesu Christi. Wer dieses unterläßt, würde eine große Fahrlässigkeit begehen. Darum ermahnt Jesus die Seinen immer wieder zur letzten Wachsamkeit.

4. Nun hätte man meinen sollen, der so Beauftragte sei nun ans Werk gegangen, indem er sich nach den Neutestamentlichen Richtlinien (z.B.Jak.5) gerichtet hätte. Statt dessen aber lesen wir aus seiner damaligen Berufung weiter folgendes (und was nun folgt, muß uns erst recht stutzig machen): »Ich fragte darauf: ‘Wie soll ich die Sache angehen?’ Der Engel antwortete: ‘Erfasse mit deiner Linken die rechte Hand des Kranken, dabei werden Erzitterungen der Krankheitssymptome in deine Hand übergehen, deine Haut wird sich färben, und dabei wirst du feststellen können, mit welcher Krankheit der Betreffende belastet ist. Um es dir zu erleichtern, gebe ich dir das Zeichen, wenn ein Dämon gewichen und der Kranke geheilt ist, so werden die Erzitterungen aufhören, und die Haut Deiner Hand wird wieder ihre normale Färbung annehmen. Sei guten Muts, der Herr ist mit dir.’ Darauf die Antwort: ‘Ich bin des Herrn Knecht, mir geschehe, wie du gesagt hast.’«  ‑  Auch hier wollen wir uns merken: Es wird in keiner Weise gesagt, wer dieser Herr sei, von dem da die Rede ist! Nun aber das Typische aus dem Reich des dämonischen Okkultismus und der Zauberei: Hier wird direkt nach der Weise der Magie eine sklavische Einzelvorschrift gegeben, an welche der Wundertäter sich dauernd halten müsse. Er dürfe nur mit seiner linken Hand die rechte Hand des Patienten ergreifen! Wir fragen jeden aufrichtigen Bibelleser: Kann solch eine Einzelvorschrift wirklich auf dem Boden des Neuen Testamentes gewachsen sein? Haben wir hier nicht ganz handgreiflich Zauberei vor uns? Wer die Literatur der Zauberbücher ein wenig kennt, der weiß, wie sehr dort darauf Wert gelegt wird, daß man ganz genau die Einzelvorschriften beachtet, wenn die Sache wirksam werden soll! An diesem Punkt finden wir wirklich nichts mehr von der Freiheit der Kinder Gottes, sondern hier ist furchtbare Knechtschaft des Buchstabens.

5. Wo der Heilige Geist einen Menschen in seinen Dienst beruft und wo er ihm immer wieder Aufträge gibt, da liegt der Hauptakzent darauf, daß er zum Geiste des Menschen redet. Im Neuen Testament haben wir es also in der Hauptsache mit reinen Erleuchtungen und Inspirationen zu tun. Nur ganz nebenbei lesen wir von Erscheinungen, die in den Bereich der fünf Sinne gehören. Dagegen auf dem Gebiet des Okkulten liegt immer wieder der Hauptakzent auf Wahrnehmungen, die irgendwie zum Bereich der fünf Sinne gehören. Da liest man von Erscheinungen eines Sterns, vom Lichtschein um den Kopf eines Mannes, von heißen Strömungen im Körper, die sich wie elektrische Ströme kundgeben, von Worten und Befehlen, die man hört usw. Wir wollen nie vergessen: Der Körper des Menschen mit seinen fünf Sinnen ist das eigentliche Betätigungsgebiet der okkulten und der dämonischen Kräfte. Der HI. Geist jedoch wendet sich an den Geist, das Herz des Menschen. – Wie kann ein Mensch aber, der im Grunde Jesus gehören will, in den Bann solcher dunklen Mächte geraten? Wir antworten: Wenn er zu sehr mit seinen fünf Sinnen die göttliche Welt fühlen und erleben will! Hören wir, was wieder jener Wundertäter von sich bekennt aus der Zeit, da er Gott suchte. Wir zitieren wörtlich: »Ich sagte in meiner Enttäuschung,  wenn ich nur wüßte, wie ich ein Christ werden könnte, ich wollte ein ganzer sein. Ein Prediger hörte mich das sagen und machte dazu die Bemerkung: Hör mal, du wirst zu fanatisch! Ich entgegnete ihm: wenn ich je noch mal zum Glauben komme, ich will meine Religion fühlen, wie sie die Jünger in alter Zeit fühlten.« Derselbe Mann bekennt an einem andern Ort später: »In mir ist keine Kraft zu den Heilungen, ich bin ein hilfloses Wesen, bis ich Gottes Gegenwart spüre.« Im 2.Kor.12 lesen wir es anders. Paulus hat überhaupt nichts gespürt von einer Kraft. Aber er hat es blind geglaubt: »Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.« Wenn Paulus besondere Erlebnisse hatte, nämlich Ekstasen, Verzückungen, in denen er etwas Besonderes fühlte, dann eben nicht zum Zweck des Dienstes oder während irgend welcher Dienste, sondern nur dann, wenn er völlig in der Einsamkeit war.
6. Das Wort »Hingabe«, das mit Recht in der Gemeinde Jesu eine große Rolle spielt, kann sehr falsch verstanden werden. Das Neue Testament versteht unter der echten Hingabe die ständige Bereitschaft des Geistes, dem Herrn Jesus seine Zeit und seine Gaben zur Verfügung zu stellen. Nun aber wird leider unter Hingabe sehr oft verstanden ein völlig passives Sichgehenlassen, so wie man es jetzt bei den ärztlich empfohlenen Entspannungsübungen macht, wobei man jede Kritik des Geistes ausschaltet, den Körper völlig passiv werden läßt, um, wie man sagt, zur Ruhe zu kommen. Hier heißt es für den Gläubigen: Wachet und betet! Solche fahrlässige Passivität kann es dämonischen Mächten ermöglichen, sich uns zu nahen. Wir haben, wenn wir die Berufungsgeschichten der Propheten des Alten Testamentes lesen, nirgends den Eindruck, daß jene Propheten sich zuerst in einen Zustand solcher Passivität begeben haben. Sie sind mitten aus dem praktischen Leben heraus von Gott gerufen worden.
7. Die gefährliche Passivität des Denkens und des leiblichen Lebens kann natürlich erhöht werden durch längere, schwere Krankheitszustände. Oder aber auch durch ein längeres, trainiertes Fasten. Die Erlebnisse von verschiedenen Menschen können hier als Beleg dienen. Man denke an die überirdischen Erfahrungen des Gründers des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, man denke an die Krankheitstage von Therese Neumann von Konnersreuth, welche völlig erblindet gewesen war, man denke an die Lazarettzeit Adolf Hitlers mit den merkwürdigen, medialen Erlebnissen, die offenbar den Grund gelegt haben für den späteren kometenhaften Aufstieg dieses dämonischen Menschen! Wir wollen nicht vergessen, daß die Zauberkraft indischer Fakire weithin darauf zurückzuführen ist, daß ihre Leiber in einen passiven Zustand geführt werden durch langes Fasten. ‑ Jener Amerikaner, von dem wir bereits einiges zitierten, beschreibt ein ähnliches Erlebnis aus einer schweren Krankheitszeit, die ihn, längst vor einer Wendung zum Glauben, bis an den Rand des Todes gebracht hat. Er beschreibt sein Erlebnis folgendermaßen: »Es wurde finster in meiner Krankenstube und ich vernahm ein fernes Windesrauschen in den Blättern der Bäume, welches immer näher kam. Ich dachte, es ist der Tod, er kommt mich holen. Ich versuchte zu beten, aber ich konnte nicht. Der Wind kam näher und näher und wurde lauter und lauter. Als er mich erreichte, verlor ich die Besinnung. Ich sah mich mit einemmal als einen barfüßigen Knaben unter jenem Baum stehen. Ich hörte so  klar wie in wachem Zustand jene Stimme, die mir sagte: Trinke nicht und rauche nicht. Das Blätterrauschen war wieder dasselbe wie damals. Doch diesmal sagte die Stimme: Ich habe dich gerufen, doch du bist mir nicht gefolgt. Dieser Satz wurde dreimal wiederholt. Dann öffnete sich mein Mund und ich sagte: Herr, wenn du es bist, laß mich wieder zurückkehren zur Erde und ich will dein Heil verkünden, wo immer ich Gelegenheit dazu finden. werde. Ich werde jedermann davon erzählen. Als ich aus dieser Verzückung erwachte, fühlte ich mich so wohl, wie noch nie in meinem Leben. Der Arzt sagte, an diesem Burschen hat Gott ein Wunder getan.«  – Wir sehen, als der Leib völlig geschwächt war, da kamen jene fremden Mächte, die wiederum den Namen Jesu nicht erwähnten, und gaben ihre merkwürdigen Aufträge. Der Mensch selbst war nicht imstande zu prüfen, er war nicht imstande zu beten, er war nicht imstande selbst zu denken, er redete ganz mechanisch. Das hat nichts mit einer neutestamentlichen Berufung zu tun! Man bedenke, daß jener Berufene damals noch völlig fern von Gott war!
8. Ein besonders krasses Beispiel von Passivität bei völliger Ausschaltung gewisser körperlicher Funktionen haben wir in der schon erwähnten bayrischen Bauerntochter Therese Neumann aus Konnersreuth vor uns. Dies wird beleuchtet durch folgende Daten aus ihrem Leben: Seit Weihnachten 1922 hat sie nie mehr etwas Festes gegessen, und seit September 1927 nie mehr etwas getrunken. Seit September 1930 haben alle Ausscheidungen ihres Körpers aufgehört Sie lebt nur von der Hostie, die der Priester ihr in gewissen Abständen reicht. Dabei soll sie völlig gesund sein und immer wieder draußen im Garten arbeiten. Es wird berichtet, daß diese völlige Nahrungslosigkeit eingeleitet wurde durch eine Vision, in welcher ihr die hl.Theresia vom Kinde Jesu erschienen sei und ihr die Mitteilung gebracht habe, daß sie nun keine irdische Speise mehr benötige. Wir erfahren weiter, daß sie pro Woche nicht mehr als drei Stunden Schlaf benötige. Wohin sind unsere lieben, katholischen Mitmenschen gekommen, wenn sie solche Erscheinungen als Offenbarungen Gottes und Jesu Christi ansehen? Wir können nur mit tiefem Schmerz und großem Bedauern sagen: Hier fehlt es völlig an der Gabe, Geister unterscheiden und prüfen zu können. Alles Übernatürliche, was uns von diesem Bauernmädchen berichtet wird, ist eine einzige Verherrlichung der katholischen Kirche und ihres Glaubens. Und dies soll von dem einen Hl.Geist stammen, der die Gemeinde Jesu auf Erden erleuchtet? Wahrlich unsere Zeit hat es nötig, daß man ihr zuruft: Prüfet die Geister! ‑ (Dabei dürfen wir damit rechnen, daß Th. N. ein aufrichtiges, kindlich katholisch gläubiges Mädchen ist und völlig ahnungslos über die Hintergründe ihrer Zustände.)

XII. Die Gabe der Weissagung

1. Es gibt Familien, ja ganze Ortschaften, in denen man die Gabe des Hellsehens, oder des »Zweiten Gesichts« antrifft. Man spricht von einer Naturveranlagung. Auf Grund der Beobachtungen, die wir in der Seelsorge machen, müssen wir aber annehmen, daß es sich hier nicht um eine gewöhnliche Naturgabe handelt, sondern um eine Krankheitserscheinung, ja um einen Fluch, der über dieser Familie lastet. Vermutlich stammt dieser Fluch her von verbotener, okkulter Betätigung der Vorfahren. Diese Fähigkeit hat rein nichts zu tun mit der Gabe der Weissagung, von welcher die Bibel redet. Die göttliche Gabe ist niemals erblich, und sie wird niemals einem Menschen gegeben, bevor er ausdrücklich und bewußt ein Eigentum Gottes geworden ist!
2. Eine ganz besonders wichtige Bibelstelle, die uns hilft, echte, göttliche Weissagung zu unterscheiden von okkulten, dämonischen Kundgebungen, ist 1.Kor.14, 32. Dort schreibt Paulus: »Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan.« Vorher, in Vers 31, schreibt der Apostel davon, sie sollen schön der Reihe nach, einer nach dem andern, »weissagen«. Und nachher, in Vers 23, spricht er davon, daß alles in rechter Ordnung zugehen soll. Damit wird also ausgesprochen: Wo Mächte von unten sich breit machen, da entgleitet den Menschen die Herrschaft, da muß jeder reden, auch wenn vielleicht noch andere reden. Da entsteht Unordnung. Wo aber der Geist von oben redet, da kann man Ordnung halten, da kann man warten, da ist der Mensch absolut Herr der Lage. In Vers 34 gibt der Apostel die Anweisung, wenn einmal der Geist der Weissagung eine Frau während einer Gemeindeversammlung erfüllen würde, dann solle diese Frau sich unbedingt beherrschen, und solle niemals in der Gemeinde sagen, was ihr kundgetan wurde. Wenn weiter der Apostel in Vers 29 sogar mahnt. »Lasset nur zwei oder drei Weissager reden, und die andern sollen beurteilen«, so erkennen wir seine große Vorsicht. Er rechnet damit, daß falsche Weissagungen bei den gläubigsten Menschen kommen können. So hat also das nüchterne und klare Denken auch hier das letzte Wort zu reden und nicht die überirdischen Eingebungen einer anderen Welt!
3. Es gibt Menschen, von denen uns berichtet wird, daß sie anderen durchaus ihre Vergangenheit bis in alle Einzelheiten sagen können. Oder sie decken einzelne Sünden ihres Lebens auf, von denen niemand etwas wußte. Oder sie sagen genaue Einzelheiten der Zukunft. Wo wir dieses antreffen, haben wir absolut noch     keinen Beweis einer göttlichen Erleuchtung oder Beauftragung. Solche Dinge treffen wir im Heidentum an und in allen möglichen Sekten. Bei den Neuapostolischen finden wir des öfteren solche Vorkommnisse. Wir wissen es auch aus dem Raume der Hellseher der Katholischen Kirche. Denken wir nur an die merkwürdigen Dinge, die sich in dieser Richtung bei Therese Neumann ständig ereignen.
Wir zitieren wörtlich aus dem Bericht des Kaplans Fahsel:
»Im erhobenen Ruhezustand hörten die Anwesenden aus dem Munde der Therese die Antwort: In den nächsten Tagen wird ein Protestant aus Berlin nach Konnersreuth kommen, mit dem sie sprechen soll. Am 5. Mai 1929 wurde dann in dem gleichen Zustand gesagt, daß der Protestant heute in Konnersreuth sich melden würde und sie deshalb nach Hause fahren solle. Am Abend kam sie zu Hause an und ließ sogleich den Pfarrer wissen, daß sie den betreffenden Herrn am andern Morgen sprechen wolle.
Unter großem Kampf und vielen Zweifeln besuchte jener, innerlich bereits erschüttert, immer wieder Konnersreuth. Er war auch einmal beim ekstatischen Kommunionempfang der Therese zugegen und hörte danach aus ihrem Mund die Worte: „Du wirst dem Heiland eine große Freude bereiten, wenn du katholisch wirst. Sorge aber vorerst dafür, daß deine Frau in ihrer Wirtschaft eine Stütze erhält. Sonst wirst du sie nicht mehr lange behalten.“ Im Sommer 1930 war er mit Frau und seinen vier Kindern in Konnersreuth. Da ereignete sich etwas Merkwürdiges. Als er Bedenken erhielt und seine Kinder vom Glaubensunterricht zurückzog, wurde ihm ein Kind nach dem andern lebensgefährlich krank. Jedesmal lief er oder seine Frau in höchster Sorge zuletzt zur Resl. Diese erklärte sich gleich bereit, zu beten, und jedesmal erfolgte sofort die unerklärliche völlige Gesundung der Kinder. Hiervon erschüttert gab er seine letzten Widerstände auf, seine Kinder in seinem neu gewonnenen Glauben unterrichten zu lassen. Als er das erstemal das Beicht‑ und Altarsakrament empfangen hatte, wurde er zur Resl gerufen, die sich gerade im Zustand der erhobenen Ruhe befand. Als er sich zu ihr hinbeugte, wurden ihm zu seinem größten Erstaunen zwei Sünden aus seinem früheren Leben gesagt. Er hatte garnicht mehr an dieselben gedacht, und nun hörte er sie ganz konkret geschildert. Als ihm im Augenblick der an sich richtige Gedanke kam, nicht vollständig gebeichtet zu haben, hieß es aus dem Munde der Therese: ‘Nun schau dich nicht mehr um. Es ist dir alles vergeben. Aber du sollst wissen, daß man alles weiß.’«
Kann solch ein Vorgang, wie wir ihn eben gelesen haben, von dem Heiligen Geist stammen, der Jesus und die Seinen geleitet hat? Wir wollen es jedem gläubigen Leser überlassen, sich selbst hier die Antwort zu geben!
4. Überall da können wir mit gutem Grund von der Gabe der biblischen Weissagung reden, wo durch Predigten von Verkündern des Wortes Gottes immer wieder einzelne Menschen ganz persönlich angesprochen und getroffen werden. Der Prediger weissagt, ohne daß er sich dessen bewußt ist. Seine Worte waren erleuchtet durch den Heiligen Geist. Hier erfüllt sich das, wovon Paulus im 1.Kor.14,24 und 25 geredet hat. Diese Gnadengabe kommt auch in den Kreisen vor, von denen man gerne abschätzig urteilt, sie hätten keine Geistesgaben.

5. Nun wird behauptet, Jesus habe auch die Gabe des Hellsehens gehabt. Wenn man überhaupt dieses profane Wort auf den Sohn Gottes anwenden will, so ist zunächst zu fragen, ob er diese Gabe wirklich dauernd besessen habe. Ferner ist dies klar herauszustellen, daß er diese Gabe entweder nur unter vier Augen angewendet hat (Nathanael, Joh.1 und Samariterin, Joh.4) oder nur im engsten Kreis seiner Jünger. Niemals versuchte Jesus eine solche Gabe zu dem Zweck anzuwenden, um Menschen fürs Reich Gottes zu gewinnen. ‑ Noch seltener finden wir solche Vorkommnisse in der Gemeinde Jesu nach Pfingsten. Wenn sie dort auftritt, dann nur innerhalb der Schar der Gläubigen, also nicht zu Propagandazwecken nach außen, und nur ganz am Rande erwähnt (Ap.5, 3; 11, 28). ‑ Darum müssen wir an jeden Gläubigen die ernste Frage stellen: Kann dieses vom Hl. Geiste sein, wenn mit der sogenannten Gabe des Hellsehens vor Menschenmassen Propaganda gemacht wird?
6. Von Therese Neumann wird berichtet, daß sie ständig von einem Engel begleitet sei. Bei wachem, nüchternem Zustand höre sie diesen „lichten Mann“ auf ihrer rechten Seite mit ihr reden. Der Engel teile ihr Einzelheiten mit über andere Personen oder über Verhältnisse größeren Ausmaßes. Daher sei sie imstande, ganz genaue Aussagen über Menschen und Dinge zu machen. ‑ Wir fragen wieder in allem Ernst: Kann das in Einklang gebracht werden mit der Hl. Schrift? Wissen wir von Menschen, die in dieser Weise ständig mit Engeln sprechen konnten? Die Offenbarung Johannes kann hier nicht Erwähnung finden, weil Johannes nur soweit den Engel bei sich wußte, als er den Auftrag Gottes niederschreiben mußte. ‑ Und wieder fragen wir, ist es entsprechend dem evangelischen Glauben, wenn von einem der gegenwärtigen Evangelisten berichtet wird, auch er werde ständig von einem Engel begleitet und. höre ihn dauernd in der Weise reden, wie wir es von der Katholikin Th. N. hören? Widerspricht sich denn Gott, so müssen wir fragen. Denn dort bei Therese Neumann redet der Engel ganz zu Gunsten der Katholischen Kirche, und hier soll der Engel in anderer Richtung Weisung geben?  ‑  Merken wir nicht, daß hier das Reden des Engels unmerklich zum betrügerischen Ersatz geworden ist für das Reden des Hl. Geistes?
7. Und was sagt das Neue Testament zu den Visionen? Wir müssen antworten: Visionen kommen dort nur ganz selten vor, und nur da, wo ganz besonders wichtige Aufgaben des Reiches Gottes gelöst werden müssen. ‑ Nun aber hören wir wieder von Therese Neumann, daß sie seit dreißig Jahren fast täglich Visionen habe. Ähnliches hören wir von jenem amerikanischen Evangelisten. Dieses Übermaß visionärer Erlebnisse kann nicht in Einklang gebracht werden mit den Berichten des Neuen Testamentes. Ernsthaft müssen wir jeden Gläubigen fragen: Sind hier nicht andere Kräfte am Werk? Wir wissen doch von der Welt des Okkulten, wie die Medien tagtäglich solche Erlebnisse machen können. Darum müssen wir zu äußerster Vorsicht mahnen.

XIII. Die Prüfung nach 1. Joh. 4

1. Der öfters zitierte amerikanische Evangelist schreibt in seiner Lebensbeschreibung folgendes: »Nun muß ich etwas sagen, das ihr vielleicht noch nicht wißt, oder unbeachtet gelassen habt. Wir werden nicht aufgefordert, Gottes Walten an der Schrift zu prüfen, sondern wir werden aufgefordert, die Geister zu prüfen. Haben wir einmal die Sicherheit erlangt, daß es ein Geist von Gott ist, so können wir ihn ruhig walten lassen, wenn das, was er tut, uns auch fremd oder neu erscheint. Denn ein Geist von Gott kann nicht gegen Gott handeln. Nun mag jemand fragen, wie können wir die Geister prüfen? Ist dazu theologische Bildung notwendig? Ist eine langjährige Praxis erforderlich? Beides hat seinen Platz und seinen Wert, aber es ist nicht erforderlich, um Geister prüfen zu können. Gott, der von vornherein wußte, in welche Verhältnisse seine Gemeinde, namentlich zur Zeit des Endes kommen würde, hat uns ein sehr einfaches, klares und sicheres Erkennungszeichen gegeben. Er, der sowohl die guten als auch die bösen Geister kannte, wußte, was Er sagte. Dieses Erkennungszeichen heißt: ‘Jeder Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus der ins Fleisch gekommene Messias ist, der ist von Gott.’ Gelobt sei Er für diese deutliche Sprache. Gott wird in den kommenden Geschlechtern und in den kommenden Zeitaltern immer wieder durch seinen Geist Dinge vollführen, die sich mit dem heute geschriebenen Worte nicht decken werden. Sei es uns also genug, daß es der Geist Gottes ist.«
Zu dieser Auslegung von 1.Joh.4,1‑3 haben wir ein warnendes »Nein!« zu sagen. Wenn diese Sätze zu Recht bestünden, die vorhin zitiert wurden, dann wäre die ganze Reformation vor vierhundert Jahren umsonst gewesen. Damals wurde in heißem Ringen erkannt, daß die ganze Heilige Schrift herangezogen werden müsse, wenn man Wahrheit und Irrtum wolle unterscheiden können. Und hier wird auf einmal gelehrt, es genüge eine einzige Bibelstelle, um Gottes Geist vom Irrgeist unterscheiden zu können. Wenn die Bibel als Kriterium so wenig ernstgenommen wird, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn in jenen Kreisen allen Kräften die Tür geöffnet ist, allen menschlichen, unterbewußten, wie auch allen dämonischen. ‑ Gewiß zeigt uns die Bibel, daß Gott in der Art, wie Er Sich den Menschen offenbarte, im Einzelnen Sich nie an ein gleichbleibendes Schema hielt. Gott liebt die Originale und die Abwechslung. Trotzdem aber findet der aufmerksame und gereifte Bibelleser feste Grundlinien, einen klar abgesteckten Rahmen, innerhalb dessen sich das Reden und Handeln Gottes mit den Menschen abwickelt. Jesus drückt diese Tatsache unmißverständlich in dem Satz aus: »Meine Schafe hören meine Stimme«. Jede Stimme hat, bei aller Abwechslung der Worte im Einzelnen, doch ihre feste, bestimmte Eigenart und kann klar unterschieden werden von andern Stimmen. Die »Stimme« aber des Vaters im Sohn kann ich von andern irreführenden Stimmen nur so unterscheiden lernen, wenn ich den Geist der ganzen Hl. Schrift immer neu auf mich einwirken lasse ‑ Wer nicht recht in der Bibel zu Hause ist als in seiner täglichen geistlichen Speisekammer, der möge nie behaupten, er könne Geister unterscheiden.
2. Um 1.Joh.4,1‑3 recht verstehen zu können, müssen wir vor allem beachten, daß Johannes nicht schreibt, man möge die Evangelisten prüfen oder die Propheten oder die Lehrer, sondern »die Geister«. Wenn wir Bibelworte wie Matth.10, 19‑20 und 1.Kor.12, 3 und 14, 14,  ferner 1.Thess.5, 21 und 1.Tim.4, 1 und auch Joh. 16, 14 daneben halten, so gewinnen wir den Eindruck, Johannes denke hier nur an Redner, welche »im Geiste« waren und »aus dem Geist« heraus sprachen, wie dies in der damaligen Zeit oft vorgekommen ist (Offbg.1,10). Und da stellt er eindeutig fest: Wer öfters im Zustand einer Verzückung, einer Ekstase, redet und dann immer wieder einmal in solchem Zustand es aussprechen muß: »Jesus ist der in Israel verheißene Messias, als Mensch in einem Menschenleib geboren«, der kann nicht als Medium eines Irrgeistes angesehen werden, sondern der muß als vom Hl.Geist erleuchtet beurteilt werden. Wenn damals ein vermeintlich „Geistgesalbter“ niemals dieses Bekenntnis öffentlich aussprechen mußte, dann mußte man ihn als Irrgeist, d. h. als Sektierer aus der Gemeinde entfernen, wenn er sich von der falschen Inspiration nicht wollte trennen lassen. (Tatsächlich können spiritistische Medien jenes Bekenntnis nie aussprechen!) ‑ Weil nun aber in unsern heutigen Gemeinden der Zustand des Redens in der Verzückung nicht mehr (jedenfalls nur selten) vorkommt, darum kann uns dieser Bibelabschnitt heute den Dienst nicht mehr erweisen wie damals. Es wäre eine leichtsinnige Fahrlässigkeit, wollte man einfach sagen: Jeder Prediger, der Jesus als den menschgewordenen Messias bekennt, ist von HI. Geist geführt, und in allen Stücken darf man ihm voll vertrauen. Es gibt heute ausgesprochene Sekten, welche durchaus lehren, Jesus sei als der »Christus« (Messias) in menschlicher Art auf Erden gekommen! Auch die katholische Kirche hat dies schon immer bekannt!
3. Auch die Stelle 1.Kor.12, 3 hat im ganzen Zusammenhang des 12. und 14. Kapitels erst dann ihr volles Gewicht, wenn man das »Fluchen« und einen »Herrn heißen« nur aus dem Zustand der Verzückung heraus versteht. (So die Auslegung von Prof. Karl Heim.) Sonst wären ja auch die Jesusworte in Matth.7, 21‑23 überflüssig!
4. Wir wissen, daß in 1.Kor.12,10 die Geistesgabe erwähnt wird, Geister unterscheiden zu können. Man hat auch hier den Eindruck, es handle sich tatsächlich nur darum, Menschen zu prüfen, die »durch einen Geist reden«, bzw. die in Ekstase reden. Jedenfalls aber wäre es ein großes Mißverständnis, wenn man meinen würde, niemand in der Gemeinde Jesu könne Geister prüfen oder falsche Propheten erkennen als nur derjenige, der mit dieser besonderen Erleuchtung immer wieder begabt werde. Aus Mt.7,15‑23 und 1.Joh.4, 1‑6 müssen wir schließen, daß jeder gereifte Jünger Jesu je länger je mehr das Falsche vom Echten unterscheiden könne, je größer seine Erfahrung ist und je treuer er wandelt nach der Hl. Schrift. Zu diesen Erfahrungen gehört auch eine gewisse Kenntnis der dunkeln Welt der Zauberei und des Okkultismus. Jeder Missionar in heidnischen Ländern weiß heute davon zu berichten. So war die Welt zur Zeit der Apostel voll von den Wirkungen dieser dunklen Kräfte. Wer heutzutage auf diesem Gebiet ahnungslos ist, kann mit dem besten Willen nicht den Anspruch erheben, in den schweren Fragen, die uns in diesem Büchlein beschäftigen, ein Wort mitzureden.

XIV. An ihren Früchten…

1. Das Jesuswort »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen« (Mt.7,16-20) wird in der Regel viel zu oberflächlich genommen. »Früchte« sind sichtbare, erkennbare Endergebnisse eines verborgenen Wesens. Sie zeigen die innerste, wahre Eigenart eines Geschöpfes an. Früchte brauchen immer eine gewisse Zeit zur Reife. ‑ Längst nicht alle Taten oder Worte eines Menschen sind seine Früchte, denn nicht alle entspringen seinem allerinnersten Wesen, sondern sind weithin nur Resultate von fremden Kräften oder sie entstammen einer bloßen, äußerlichen Übung, Nachahmung, Dressur.

2. Die Wundertaten der Apostel, auch des Judas, von denen die vier Evangelien berichten, waren keine Früchte! Denn sie waren nur ein Weitergeben von fremden Gaben, die Gott ihnen vorübergehend zur Verwaltung übergeben hatte. Solche Gaben sind ganz plötzlich da, von einer Sekunde auf die andere, und können ebenso plötzlich wieder genommen werden. Man denke an die Ausrüstung des Königs Saul mit dem HI.Geist und an die Wegnahme dieser Ausrüstung! – Wenn ein Dorfbrunnen ununterbrochen Wasser gibt und Mensch und Vieh erfreut, so darf dieses Wasser nicht als Frucht dieses Brunnens erklärt werden, denn es stammt in Wirklichkeit nicht von ihm selber! Alle Gaben des HI.Geistes, von denen wir in Röm.12, 1.Kor.12 und Eph.4 lesen, können niemals als Früchte der Gläubigen gewertet werden. Wenn ein Prediger das Brot des Lebens einfach weiterreicht an andere, so wie er es bekommen hat, und wenn dann jene Empfänger reich gesegnet wurden  und gestärkt durch dieses Brot, dann darf man diese Wirkungen dem Prediger nicht anrechnen als seine guten Früchte! Man lese hierzu aufmerksam Mark.6, 41‑43. Auch ein »Mietling kann lange für die Schafe recht sorgen, und erst im äußersten Krisenmoment wird er sich als Mietling entpuppen, wenn es auf Tod und Leben geht!  (Joh.10,12‑13). Echte Bekehrungen, die durch den Dienst eines Verkünders bewirkt wurden, müssen längst noch nicht Früchte seines Lebens und Wandels sein.
3. Das in den beiden vorigen Abschnitten Behauptete wird besonders erhärtet durch den Zusammenhang von Matth.7, 16‑20 mit 7, 21‑23 und 7, 26‑27. Jesus macht den falschen Propheten und nicht durch ihn legitimierten Wundertätern in gar keiner Weise den Vorwurf, sie seien Lügner, sie hätten jene Wunder überhaupt nicht vollbracht. Sein Urteil kleidet sich lediglich in die für uns fast unbegreiflichen Worte (nach Luther): »Ich habe euch noch nie erkannt«, und nennt sie darum (wörtlich) »Täter der Gesetzlosigkeit«, Menschen, die sich nicht ihm voll untergeordnet hatten, sondern die auf eigene Faust, daher »gesetzlos, anarchistisch« gehandelt hatten, trotz »Glauben« an seinen Namen und Berufung auf seinen Namen! Was also wirft er ihnen vor? »Ich bin noch nie in persönlicher, enger Beziehung zu euch gestanden. Ihr seid mir völlig  fremd geblieben.« Wieso? Vermutlich nur deswegen, weil ihre einstige Bekehrung und ihr Christusglaube im Gebiet des Seelischen sich vollzogen hat, d.h. auf dem Boden menschlicher Gefühle und menschlich glühender Begeisterung und Hingabe, wobei aber im Allerinnersten der »Wolf «, die alte, ruhmsüchtige und rechthaberische Menschennatur mit ihrem scharfen Gebiß, dem Drang der Selbstbehauptung, nicht in den Tod gegeben wurde, also auch kein wahres „Schaf“ der Herde Jesu Christi zum Leben gekommen war. ‑ Paulus wiederholt diesen Gedankengang Jesu in 1.Kor.13, 2‑3. Dort hält es der erfahrene Apostel durchaus für möglich, daß ein Glied der Christusgemeinde, ein »Gläubiger«, weissagen könne, tiefste Einblicke habe in Gottes Geheimnisse, durch einen unbändigen und siegesgewissen Glauben die größten Wunder vollbringe, sein Hab und Gut ganz aufopfere für die Armen in der Gemeinde, zuletzt sogar noch als Märtyrer verbrannt werde, und dann vor Gott doch dastehe als ein völliges »Nichts«, als völlig unbrauchbar in seinen Augen. Warum? Weil das Wesentlichste fehlte, die Jesus ähnliche Liebe (Joh.13, 34), jene absolut selbstlose, demütige, gehorsame Liebe, mit der Jesus geliebt hat, und die er nur denen verleiht, die aufrichtig auch ihren frommen Eigenwillen in den Tod gegeben haben (Matth.16, 25). ‑ Wann aber wird schon auf Erden etwas sichtbar von diesem menschlich‑seelischen Glaubenswesen, das nicht aus dem Hl.Geist geboren ist? In Zeiten des »Herbstes« (»Früchte!«), in plötzlich und völlig unvorbereitet hereinbrechenden Lebenskrisen (Matth.7, 26‑27). Da wird beim wahren Jesusnachfolger immer noch die Art Jesu, wie sie in Gal.5, 22 geschildert ist, bestehen bleiben, während beim seelisch gerichteten Gläubigen der alte Adam voll sichtbar wird, die alte Wolfsnatur.
4. Wie wenig man heute in biblisch gerichteten Kreisen den furchtbaren Ernst jener beiden Verse (Matth.7, 22‑23) erkennt, soll folgende Auslegung zeigen, wörtlich zitiert: »Diese Bibelstelle besagt nichts anderes, als daß einst viele zu behaupten versuchen werden, sie hätten im Namen Jesu Taten und Wunder getan. Jesus entgegnet ihnen jedoch, daß ihre Behauptung unwahr sei, hätte er sie doch nicht einmal gekannt. Die von ihnen behaupteten Taten hätten die betreffenden Menschen nur dann ausführen können, wenn sie auf die Wahrheiten des Wortes Gottes eingegangen und so zum Dienste im Sinne der Bibel ausgerüstet worden wären.« ‑ Hier wird nicht beachtet, daß man wohl auf einen Teil der biblischen Wahrheiten eingehen und dadurch bis zu einem gewissen Grade Segen und Erfolge ernten kann, daß man aber gleichzeitig doch noch sein eigener Herr sein kann, trotz aller Aufopferung (für »die Sache Jesu«, wie man meint in einer tragischen Selbsttäuschung!). ‑ In der Auslegung von Adolf Schlatter (Tübingen) lesen wir: »Sie (die Wundertäter) haben also mit der Tat bewiesen, daß uns Christi Name Macht gewährt, inwendige Macht, die unsern Blick erweitert und geistige Kräfte in uns rege macht, die wir nicht aus uns selber haben, auch Macht nach außen, Sieg über teuflisches Wesen, Darbietung von mancherlei Hilfe, die das Siegel Gottes trägt. Was fehlt solchem Glauben noch, da er doch bewährt ist durch die Tat? ‑Dennoch macht ihn Jesus zunichte, weil ihr Glaube sie wohl dazu brachte, göttliche Gaben zu empfangen, nicht aber dazu, den Willen seines Vaters zu tun. Sie blieben inwendig Gott doch ungehorsam … Sie sind ihm immer fremd geblieben, und nie hatte er mit ihnen Gemeinschaft, auch dann nicht, als sie seinen Namen anriefen und hohe Gaben erlangten. . . Er tut den Willen seines Vaters, sie taten ihren eigenen Willen.« So weit die Auslegung Adolf Schlatters. ‑ Der Glaubensmärtyrer Dietrich Bonhoeffer schreibt in seinem Buch »Nachfolge« zu dieser Stelle: »Sie haben Taten getan in Jesu Namen. Sie wissen, daß das Bekenntnis allein nicht rechtfertigt, darum sind sie hingegangen und haben durch Taten den Namen Jesu unter den Leuten groß gemacht. Nun treten sie vor Jesus hin und weisen auf dieses Tun. Jesus offenbart hier seinen Jüngern die Möglichkeit eines dämonischen Glaubens der sich auf ihn beruft, der wunderbare Taten, bis zur Unkenntlichkeit den Werken der wahren Jünger Jesu ähnlich, vollbringt, Werke der Liebe, Wunder, vielleicht gar Selbstheiligung, und der doch Jesus und seine Nachfolge verleugnet.« ‑ Wir ergänzen: Jesusgläubige, die ehrlich meinten, Jesus zu dienen, in Wirklichkeit aber unter einer fremden Macht standen, die sich als göttlich ausgab, bzw. unter ihrem frommen Eigenwillen.

5. So fragen wir endlich: Welches sind nun die guten Früchte, von denen Jesus in Mt.7, 17‑19 redet, und wie sind sie zu erkennen? Der »gute Baum« kann nur der Weinstock von Joh.15 sein, also Christus selbst, Christus im wiedergeborenen Menschen. Der faule Baum kann nur unser alter Mensch sein mit all seinen überströmenden, frommen Gefühlen und Meinungen und mit seinen okkultmedialen Fähigkeiten: Er steht total unter dem Gericht Gottes (Mt.7, 18‑19). Die gute Frucht aber, die Christus in den Seinen wirkt, das ist seine Lammesart, die tägliche Bereitschaft zum stillen Erleiden jedes Unrechts (Mt.16, 24‑26) und seine Löwenart, die tägliche Bereitschaft, ihn vor jedermann zu bekennen um jeden Preis (Mt.10, 32‑33). Zur guten Frucht gehört die ständige Bußbereitschaft vor Gott und Menschen, sich allezeit korrigieren zu lassen von Brüdern, und das immer neue Rechnen mit dem  Blut der Vergebung vom Kreuz. Wo diese Haltung vorhanden ist, das tägliche Sterben des Weizenkorns (Joh.12, 24), da wächst das neue Leben unvermerkt zu jener Frucht hin, von der Paulus in Gal.5, 22 und Eph.4, 23‑24 schreibt.
Wer aber kann beim Mitbruder oder beim »Propheten« diese Frucht feststellen? Nur der, der ihn entweder in kritischen Belastungsproben mehrfach beobachten konnte, oder der jahrelang in Lebensgemeinschaft mit ihm verbunden war. Darum gab Jesus seinen Aposteln nicht nur Bibelstunden, sondern lebte mit ihnen Tag und Nacht drei Jahre lang, damit sie ihn und seine Früchte wirklich kennen lernen konnten. So konnten denn seine Zeugen mit gutem Grund zu dem Urteil kommen, wie wir es lesen in 1.Petr. 2, 21‑23. ‑ Darum wollte Jesus, daß seine Diener niemals allein ihren Dienst ausübten, sondern immer in engster und ständiger Verbindung mit Brüdern, auch um der ständigen, gegenseitigen Kontrolle willen! ‑ Unsere Dienstboten und unsere nächsten Familienangehörigen können eher etwas über die Früchte unseres Lebens aussagen als unsere Verehrer und Anbeter!

6. Zusammenfassend müssen wir also auf Grund jenes wichtigen Abschnitts (Mt.7, 15‑23) feststellen: Die Früchte, die wir bei einem Prediger feststellen können, helfen uns lediglich dazu, zu erkennen, ob er wirklich wiedergeboren ist oder nicht. Aber diese Früchte helfen uns nicht, zu erkennen, ob der Betreffende seinem Leibe nach irgendwie ein Werkzeug von okkulten Kräften geworden ist. Dieses festzustellen, bedarf es noch anderer Überlegungen, wie wir bereits gesehen haben.
Wir müssen also damit rechnen, daß einer in seiner Verkündigung ein »wahrer Prophet« ist und wiedergeboren, weil er das volle, nüchterne Evangelium verkündet (nicht, weil er hellseherisch »prophezeit«!) und weil sein Wandel Jesu Art widerspiegelt, daß er aber gleichzeitig ein »unechter Wundertäter« ist, weil sein Leib schon von Jugend an medial war, oder weil er später zum Medium okkulter Kräfte geworden war.

7. Das Zwielicht, in dem solche Gläubigen stehen, ist typisch für den Nebel, in den die Gemeinde der Endzeit hineingehen muß. Da verschwimmen die scharfen Konturen immer mehr, keiner soll mehr die eigentlichen Fronten erkennen können. Die seelisch‑gefühlserfüllte Religiosität, welche dem natürlichen Menschen entspricht und darum Massen begeistern kann, feiert ihre Triumphe, und der schmale Weg der wahren Kreuzesnachfolge wird vergessen. Darum in der Endzeit erst recht: Hinein ins Wort Gottes, welches scheidet Seele und Geist (Hebr. 4, 12)!

Horst Koch
Herborn, den 20. 5. 2000
Sonnenweg 11
35745 HERBORN

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